Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Feb. 2013 - IX ZR 115/12
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Wert des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde: 65.673,97 €.
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH (fortan: Schuldnerin), deren Arbeitnehmer unter anderem bei der Beklagten sozialversichert waren. Ab Mai 2007 geriet die Schuldnerin in Rückstand mit der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge an die Beklagte, so dass diese sich zur Vollstreckung ihrer Forderungen des hierfür zuständigen Hauptzollamts bedienen musste. Im Dezember 2007 übergab die Schuldnerin dem Vollziehungsbeamten des Hauptzollamts zunächst einen vordatierten Scheck über 33.810,55 € zum Ausgleich der Sozialversicherungsbeiträge für den Monat September 2007. Dieser Scheck wurde bei Fälligkeit nicht eingelöst. Die Schuldnerin überwies den Betrag sodann in zwei Teilzahlungen von jeweils 16.905,28 € am 11. Januar und 18. Januar 2008. Zur Begleichung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den Monat Oktober 2007 übergab die Schuldnerin dem Vollstreckungsbeamten am 28. Januar 2008 einen auf den 11. Februar 2008 vordatierten Scheck über 31.863,41 €, für den zunächst keine Deckung bestand. Am 19. Februar 2008 wurde der Scheck eingelöst. Die Beiträge für November 2007 beglich die Schuldnerin ebenfalls mittels eines vordatierten Schecks am 27. März 2008. Am 27. Mai 2008 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Die Verfahrenseröffnung erfolgte am 1. Juli 2008.
- 2
- Das Landgericht hat den vom Insolvenzverwalter nach Anfechtung geltend gemachten Anspruch auf Rückgewähr der von Januar bis März nachträglich abgeführten Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Monate September und Oktober 2007 abgewiesen und ihr für den Monat November stattgegeben. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von weiteren 65.673,97 € nebst Zinsen verurteilt. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten.
II.
- 3
- Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fort- bildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
- 4
- 1. Die Frage, ob der Einzugsstelle bei der Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO Kenntnisse des Sachbearbeiters des Hauptzollamts, dessen sich die Stelle bei der Vollstreckung ihrer Bescheide nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB X, § 4 Buchst. b VwVG, § 249 Abs. 1 Satz 3 AO, § 1 Nr. 4 FVG bedient hat, entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen sind, ist ohne weiteres zu bejahen und bedarf keiner grundsätzlichen Klärung (vgl. OLG München, ZIP 1992, 787, 788 f; Bornheimer in Pape/Uhländer, InsO, § 130 Rn. 52; FK-InsO/Dauernheim, 7. Aufl., § 130 Rn. 54; HmbKomm-InsO/ Rogge/Leptien, 4. Aufl., § 130 Rn. 38; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 130 Rn. 51; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2008, § 130 Rn. 148; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 130 Rn. 63). Die Beschwerde benennt keine Gegenstimmen, welche die Zurechenbarkeit des Wissens des Sachbearbeiters der zuständigen Vollstreckungsstelle in Zweifel ziehen.
- 5
- a) Soweit die Beschwerde meint, das Wissen des Sachbearbeiters könne der Einzugsstelle nicht zugerechnet werden, weil entsprechend dem Wissen des Gerichtsvollziehers auch das des Vollziehungsbeamten des ersuchten Hauptzollamts dem Gläubiger nicht zuzurechnen sei (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2012 - IX ZR 26/10, NZS 2012, 581 Rn. 4), kann dies mit der hier in Rede stehenden Zurechnung der Kenntnis des Sachbearbeiters nicht gleichgesetzt werden. Aus dem hier gemäß § 5 Abs. 1 VwVG anzuwendenden § 252 AO folgt eine gesetzliche Fiktion, nach der Gläubiger des zu vollstreckenden Anspruchs die Vollstreckungsbehörde wird, die mit der Vollstreckung beauftragt ist. Dies gilt auch dann, wenn die Vollstreckungsbehörde Ansprüche anderer Körperschaften vollstreckt. Die als Gläubigerin fingierte Körperschaft erwirbt danach die Pfändungspfandrechte an beweglichen und unbeweglich Sachen sowie die Pfändungspfandrechte an Forderungen (einhellige Meinung, vgl. Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2007, § 252 Rn. 6 ff; Klein/ Brockmeyer, AO, 11. Aufl., § 252 Rn. 1 f; Loose in Tipke/Kruse, AO, 2012, § 252 Rn. 2). Materiell geht damit die Forderung zwar nicht auf die Vollstreckungsbehörde über. Der Gläubiger muss aber als befriedigt angesehen werden , wenn die zuständige Behörde die Forderung vollstreckt hat.
- 6
- b) Aufgrund dieser Gesetzeslage kann die ersuchte Vollstreckungsbehörde nicht mit dem Gerichtsvollzieher gleichgesetzt werden, der nicht Vertreter des Gläubigers bei der Pfändung ist, sondern allen Beteiligten des Zwangsvollstreckungsverfahrens als Beamter gegenübersteht (vgl. OLG München, aaO). Soweit es um die Vollstreckung geht, tritt die ersuchte Vollstreckungsbehörde nicht neutral gegenüber allen Beteiligten auf, sondern rückt in die Gläubigerstellung der Behörde ein, in deren Auftrag sie vollstreckt. Kenntnisse, die sie hinsichtlich einer eventuellen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aufgrund dieser Stellung erlangt, sind gegebenenfalls für die ersuchende Behörde zu sammeln und an diese weiterzuleiten. Diese von einem für Gerichtsvollzieher abweichende Aufgabe der ersuchten Vollstreckungsbehörde rechtfertigt es, die von ihr erlangten Kenntnisse der ersuchenden Behörde zuzurechnen. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, nach der jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation sicherstellen muss, dass die ihr zugehenden rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können, und es deshalb so einrichten, dass ihre Repräsentanten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1998 - IX ZR 145/98, BGHZ 140, 54, 62; vom 15. Dezember 2005 - IX ZR 227/04, WM 2006, 194, 195 f; vom 16. Juli 2009 - IX ZR 118/08, BGHZ 182, 85 Rn. 16; vom 15. April 2010 - IX ZR 62/09, ZInsO 2010, 912 Rn. 11; so auch BSGE 100, 215 Rn. 19). Dies gilt auch für Behörden (BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - IX ZR 155/08, BGHZ 190, 201 Rn. 17 f). Um eine Wissensaufspaltung zu vermeiden, wenn eine Behörde oder Sozialversicherung sich einer anderen Behörde als Vollstreckungsorgan bedient, darf sie sich nicht gegen die Erkenntnisse abschotten, welche die ersuchte Behörde bei der für sie durchgeführten Vollstreckung gewinnt. Dass es in diesem Zusammenhang auf die Erkenntnis des Sachbearbeiters der vollstreckenden Behörde ankommt, ist ebenfalls geklärt (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2011, aaO Rn. 16 mwN).
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- 2. Die von der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachte Gehörsverletzung liegt nicht vor. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2012 hat das Berufungsgericht die Beklagte darauf hingewiesen , es werde davon ausgehen, dass der bei dem Hauptzollamt zuständige Sachbearbeiter bei der Überweisung des Betrages für September tätig geworden sei und sich die Beklagte dessen Kenntnisse zurechnen lassen müsse.
Pape Möhring
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 10.08.2010 - 303 O 35/10 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 17.04.2012 - 1 U 136/10 -
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(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.
(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.
(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.
Im Vollstreckungsverfahren gilt die Körperschaft als Gläubigerin der zu vollstreckenden Ansprüche, der die Vollstreckungsbehörde angehört.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.
(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.
(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.
(1) Für die Vollstreckung zugunsten der Behörden des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz. In Angelegenheiten des § 51 des Sozialgerichtsgesetzes ist für die Anordnung der Ersatzzwangshaft das Sozialgericht zuständig. Die oberste Verwaltungsbehörde kann bestimmen, dass die Aufsichtsbehörde nach Anhörung der in Satz 1 genannten Behörden für die Vollstreckung fachlich geeignete Bedienstete als Vollstreckungsbeamte und sonstige hierfür fachlich geeignete Bedienstete dieser Behörde als Vollziehungsbeamte bestellen darf; die fachliche Eignung ist durch einen qualifizierten beruflichen Abschluss, die Teilnahme an einem Lehrgang einschließlich berufspraktischer Tätigkeit oder entsprechende mehrjährige Berufserfahrung nachzuweisen. Die oberste Verwaltungsbehörde kann auch bestimmen, dass die Aufsichtsbehörde nach Anhörung der in Satz 1 genannten Behörden für die Vollstreckung von Ansprüchen auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge fachlich geeignete Bedienstete
als Vollstreckungsbeamte und sonstige hierfür fachlich geeignete Bedienstete der genannten Verbände und Krankenkassen als Vollziehungsbeamte bestellen darf. Der nach Satz 4 beauftragte Verband der Krankenkassen ist berechtigt, Verwaltungsakte zur Erfüllung der mit der Vollstreckung verbundenen Aufgabe zu erlassen.(2) Absatz 1 Satz 1 bis 3 gilt auch für die Vollstreckung durch Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung; das Land bestimmt die Vollstreckungsbehörde.
(3) Für die Vollstreckung zugunsten der übrigen Behörden gelten die jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren. Für die landesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gilt Absatz 1 Satz 2 bis 5 entsprechend. Abweichend von Satz 1 vollstrecken die nach Landesrecht zuständigen Vollstreckungsbehörden zugunsten der landesunmittelbaren Krankenkassen, die sich über mehr als ein Bundesland erstrecken, nach den Vorschriften des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes.
(4) Aus einem Verwaltungsakt kann auch die Zwangsvollstreckung in entsprechender Anwendung der Zivilprozessordnung stattfinden. Der Vollstreckungsschuldner soll vor Beginn der Vollstreckung mit einer Zahlungsfrist von einer Woche gemahnt werden. Die vollstreckbare Ausfertigung erteilt der Behördenleiter, sein allgemeiner Vertreter oder ein anderer auf Antrag eines Leistungsträgers von der Aufsichtsbehörde ermächtigter Angehöriger des öffentlichen Dienstes. Bei den Versicherungsträgern und der Bundesagentur für Arbeit tritt in Satz 3 an die Stelle der Aufsichtsbehörden der Vorstand.
(1) Die Finanzbehörden können Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung, eine sonstige Handlung, eine Duldung oder Unterlassung gefordert wird, im Verwaltungsweg vollstrecken. Dies gilt auch für Steueranmeldungen (§ 168). Vollstreckungsbehörden sind die Finanzämter und die Hauptzollämter sowie die Landesfinanzbehörden, denen durch eine Rechtsverordnung nach § 17 Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 des Finanzverwaltungsgesetzes die landesweite Zuständigkeit für Kassengeschäfte und das Erhebungsverfahren einschließlich der Vollstreckung übertragen worden ist; § 328 Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.
(2) Zur Vorbereitung der Vollstreckung können die Finanzbehörden die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners ermitteln. Die Finanzbehörde darf ihr bekannte, nach § 30 geschützte Daten, die sie bei der Vollstreckung wegen Steuern und steuerlicher Nebenleistungen verwenden darf, auch bei der Vollstreckung wegen anderer Geldleistungen als Steuern und steuerlicher Nebenleistungen verwenden.
(3) Zur Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen können die Vollstreckungsbehörden Auskunfts- und Unterstützungsersuchen nach § 757a der Zivilprozessordnung stellen. § 757a Absatz 5 der Zivilprozessordnung ist dabei nicht anzuwenden.
Bundesfinanzbehörden sind
- 1.
als oberste Behörde: das Bundesministerium der Finanzen; - 2.
als Oberbehörden: das Bundeszentralamt für Steuern, das Informationstechnikzentrum Bund und die Generalzolldirektion; - 3.
als örtliche Behörden: die Hauptzollämter einschließlich ihrer Dienststellen (Zollämter) und die Zollfahndungsämter.
(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.
(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.
(1) Das Verwaltungszwangsverfahren und der Vollstreckungsschutz richten sich im Falle des § 4 nach den Vorschriften der Abgabenordnung (§§ 77, 249 bis 258, 260, 262 bis 267, 281 bis 317, 318 Abs. 1 bis 4, §§ 319 bis 327).
(2) Wird die Vollstreckung im Wege der Amtshilfe von Organen der Länder vorgenommen, so ist sie nach landesrechtlichen Bestimmungen durchzuführen.
Im Vollstreckungsverfahren gilt die Körperschaft als Gläubigerin der zu vollstreckenden Ansprüche, der die Vollstreckungsbehörde angehört.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Nachdem ein Gläubiger Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des in Detmold geschäftsansässigen R. G. (fortan: Schuldner) gestellt hatte, bestellte das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Detmold mit Beschluss vom 9. Januar 2001 den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter ; zugleich ordnete es an, Verfügungen des Schuldners seien nur noch mit Zustimmung des Klägers wirksam (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO). Der Beschluss wurde am 13. Januar 2001 in der Lippischen Landeszeitung, am 15. Januar 2001 in der Lippischen Rundschau und am 22. Januar 2001 im Amtsblatt für den Regierungsbezirk Detmold (fortan: Amtsblatt) veröffentlicht. Am 1. März 2001 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der entsprechende Beschluss wurde am 6. März 2001 in der Lippischen Landeszeitung und am 9. März 2001 im Amtsblatt veröffentlicht.
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- Am 17. Januar 2001 eröffnete der Schuldner ohne Wissen des Klägers ein Girokonto bei der verklagten Bank in Bielefeld, Zweigstelle Stieghorst. In der Zeit vom 18. Januar bis 9. März 2001 verfügte er - teils durch Barabhebungen, teils durch Überweisungsaufträge - über die auf das Konto gelangenden Beträge , ohne dass der Kläger dies wusste. Die Beklagte erbrachte auf diese Weise Leistungen in Höhe von 64.770,28 € an den Schuldner.
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- Der Kläger hat die Beklagte auf Rückzahlung dieses Betrages in Anspruch genommen. In den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Das Rechtsmittel führt - unter Zurückweisung im Übrigen - teilweise zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat zwischen den Verfügungen vor dem Wirksamwerden der öffentlichen Bekanntmachung der Verfügungsbeschränkung und denen danach unterschieden. Als öffentliche Bekanntmachung hat es ausschließlich die Veröffentlichung im Amtsblatt angesehen. Diese sei am dritten Tage nach der Veröffentlichung wirksam geworden. Wegen der bis zum 24. Januar 2001 (diesen Tag eingeschlossen) erfolgten Verfügungen, die sich auf einen Betrag von 20.932,63 € summierten, komme der Beklagten die Vermutung zugute, dass sie die Verfügungsbeschränkung nicht gekannt habe (§ 82 Satz 2 InsO). Diese Vermutung habe der Kläger nicht entkräftet. Auch die danach abverfügten Beträge in Höhe von insgesamt 43.817,91 € müsse die Beklagte nicht zurückzahlen. Denn sie habe bewiesen, weder die Verfügungsbeschränkung noch die am 1. März 2001 erfolgte Insolvenzeröffnung gekannt zu haben (§ 82 Satz 1 InsO). Hierbei komme es allein auf den Kenntnisstand der Filiale Stieghorst als der kontoführenden Stelle an.
II.
- 6
- Die Revision ist unbeschränkt zugelassen. Der Urteilsausspruch enthält insoweit keine Einschränkungen. Solche können sich zwar auch aus den Entscheidungsgründen ergeben (BGHZ 153, 358, 360; BGH, Urt. v. 23. September 2004 - IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494). Dafür ist jedoch erforderlich, dass sich diesen mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt, das Berufungsgericht habe die revisionsrechtliche Nachprüfung nur wegen eines abtrennbaren Teils seiner Entscheidung eröffnen wollen (BGH, Urt. v. 12. Juni 2000 - XII ZR 159/98, WM 2000, 1967, 1968; v. 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02, NJW 2003, 2529). Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Frage, unter welchen Umständen einer juristischen Person Kenntnisse nach § 82 Satz 1 InsO zuzurechnen seien, höchstrichterlich noch nicht geklärt sei. Diese Frage stellt sich hier für die Verfügungen bis zum 24. Januar 2001 und danach in gleicher Weise.
III.
- 7
- Hinsichtlich der Beträge (43.817,91 €), die der Schuldner nach dem 24. Januar 2001 abverfügt hat, ist die Klage derzeit nicht abweisungsreif.
- 8
- 1. Bei dem Guthaben auf dem von dem Schuldner bei der Beklagten eingerichteten Konto handelte es sich um einen Gegenstand der Insolvenzmasse (§ 81 Abs. 1 Satz 1 InsO). Ob die Beklagte dadurch, dass sie die Verfügungen (Barabhebungen und Überweisungsaufträge) des Schuldners ausgeführt hat, von ihren Verpflichtungen aus dem Giroverhältnis freigeworden ist oder von dem Kläger auf nochmalige Leistung in Anspruch genommen werden kann, beurteilt sich nach § 82 Satz 1 InsO. Diese Vorschrift ist auch anwendbar, wenn der Schuldner mit seinen Verfügungen einer Verfügungsbeschränkung nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO zuwidergehandelt hat.
- 9
- a) Im Schrifttum wird teilweise angenommen, mit der absoluten Wirkung der Verfügungsbeschränkungen nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO sei der Ausschluss jeglichen Gutglaubensschutzes verbunden (Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 23 Rn. 2). Diese Ansicht steht jedoch mit § 24 Abs. 1 InsO im Widerspruch, wonach in einem solchen Fall die §§ 81, 82 InsO entsprechend anwendbar sind. Demgemäß geht die herrschende Meinung zutreffend davon aus, dass die in § 23 InsO vorgeschriebene Bekanntmachung der Verfügungsbeschränkungen den - sonst möglichen - gutgläubigen Erwerb einschränken soll (MünchKomm -InsO/Haarmeyer, § 23 Rn. 2; HK-InsO/Kirchhof, 3. Aufl. § 23 Rn. 2; Pape in Kübler/Prütting, InsO § 23 Rn. 3; Mönning in Nerlich/Römermann, InsO § 23 Rn. 8; Braun/Kind, InsO 2. Aufl. § 23 Rn. 2; Gerhardt in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung 2. Aufl. S. 213 Rn. 42; vgl. ferner BGHZ 140, 54, 56 ff., 60).
- 10
- b) Von anderen wird für die Anwendung des § 82 InsO eine wirksame Leistungsbeziehung zwischen dem Schuldner und dem Leistenden vorausgesetzt. Fehle es von vornherein an einer wirksamen Anweisung zur Leistung, könne diese nicht der (künftigen) Masse zugerechnet werden. Das Rückabwicklungsrisiko müsse demgemäß der Bank zur Last fallen (MünchKomm-InsO/Ott, § 82 Rn. 22). Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Obwohl Überweisungsaufträge Verfügungscharakter haben (Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts -Handbuch 2. Aufl. § 50 Rn. 35) und Verfügungen des Schuldners, denen der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO) nicht zugestimmt hat, absolut unwirksam sind, konnte die verklagte Bank, falls sie keine Kenntnis von der Verfügungsbeschränkung hatte, das kreditorische Konto des Schuldners mit befreiender Wirkung belasten (vgl. Schimansky aaO § 50 Rn. 36; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis 5. Aufl. Rn. 3.11). Denn das Giroverhältnis wurde durch die Verfügungsbeschränkung nicht beendet (Schimansky aaO § 50 Rn. 35); es erlischt erst mit der Verfahrenseröffnung (vgl. BGHZ 58, 108, 111; 70, 86, 93; BGH, Beschl. v. 21. März 1995 - XI ZR 189/94, NJW 1995, 1483). Das Überweisungsgesetz vom 21. Juli 1999 (BGBl. I, 1642) ist im vorliegenden Fall noch nicht anwendbar, weil es Inlandsüberweisungen erst ab dem 1. Januar 2002 erfasst.
- 11
- c) Soweit es sich bei den Leistungen der Beklagten um Barauszahlungen gehandelt hat, ist § 82 InsO ohne weiteres anwendbar. Eine Bank, die von den in der Person des Kunden bestehenden Verfügungsbeschränkungen keine Kenntnis hat, kann an jenen mit befreiender Wirkung aus dem vorhandenen Guthaben leisten (Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis 6. Aufl. Rn. 3.572). Für Saldierungen nach Maßgabe des weiterhin wirksamen Girovertrages kann dies nicht anders sein, solange § 82 InsO den guten Glauben der Bank - auch in Bezug auf einen nach § 24 Abs. 1, § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO unwirksamen Überweisungsauftrag - schützt.
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- 2. Indes hat im vorliegenden Fall die Beklagte, welche die Darlegungsund Beweislast trifft (MünchKomm-InsO/Ott, § 82 Rn. 15; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 82 Rn. 13; HK-InsO/Eickmann, aaO § 82 Rn. 11; Lüke in Kübler /Prütting, InsO § 82 Rn. 8; Braun/Kroth, aaO § 82 Rn. 9), bislang nicht nachgewiesen , dass sie zur Zeit der Leistung die Verfügungsbeschränkung ihres Kunden nicht gekannt hat.
- 13
- Insoweit schadet bereits die Kenntnis eines Mitglieds eines Organs einer juristischen Person, auch wenn es mit dem operativen Geschäft an der Basis nicht unmittelbar etwas zu tun hat (BGH, Urt. v. 1. März 1984 - IX ZR 34/83, NJW 1984, 1953, 1954; für § 82 InsO zustimmend MünchKomm-InsO/Ott, § 82 Rn. 14; Lüke in Kübler/Prütting, InsO § 82 Rn. 22; Wittkowski in Nerlich /Römermann, § 82 InsO Rn. 19; für Banken ebenso Schimansky aaO § 50 Rn. 17). Das Wissen eines vertretungsberechtigten Organmitglieds ist als Wissen des Organs anzusehen und damit auch der juristischen Person zuzurechnen (BGHZ 109, 327, 331). Darüber hinaus muss jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation sicherstellen, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden , rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können. Sie muss es deshalb so einrichten, dass ihre Repräsentanten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten (BGHZ 117, 104, 106 f.; 140, 54, 62; MünchKomm-InsO/Ott, aaO; Wittkowski in Nerlich /Römermann, aaO; HK-InsO/Eickmann, aaO § 82 Rn. 6). Hieraus folgt für eine Bank die Notwendigkeit eines internen Informationsaustauschs (Schimansky aaO). Informationen, die auf der Führungsebene vorhanden sind, müssen - soweit sie für diejenigen bedeutsam sind, welche im direkten Kontakt mit den Kunden für die Bank Rechtsgeschäfte vornehmen - an diese weitergegeben werden; erforderlich ist also ein Informationsfluss von oben nach unten. Umgekehrt müssen Erkenntnisse, die von einzelnen Angestellten gewonnen werden, jedoch auch für andere Mitarbeiter und spätere Geschäftsvorgänge erheblich sind, die erforderliche Breitenwirkung erzielen. Dazu kann ein Informationsfluss von unten nach oben, aber auch ein horizontaler, filialübergreifender Austausch erforderlich sein (BGH, Urt. v. 1. Juni 1989 - III ZR 261/87, WM 1989, 1364, 1367; v. 1. Juni 1989 - III ZR 277/87, WM 1989, 1368, 1369 f.; v. 15. Januar 2004 - IX ZR 152/00, WM 2004, 720, 722). Die Notwendigkeit eines Informationsaustauschs innerhalb der Bank bedingt entsprechende organisatorische Maßnahmen. Solche sind wegen des möglichen Zugriffs auf Datenspeicher zumutbar (Lüke in Kübler/Prütting, aaO; Schimansky aaO). Jedenfalls dann, wenn es an derartigen organisatorischen Maßnahmen fehlt, muss sich die Bank das Wissen einzelner Mitarbeiter - auf welcher Ebene auch immer diese angesiedelt sind - zurechnen lassen (LG Dortmund ZIP 1997, 206, 207; MünchKomm-InsO/Ott, aaO; Uhlenbruck, aaO § 82 InsO Rn. 13; Wittkowski in Nerlich/Römermann, aaO; Smid, InsO 2. Aufl. § 82 Rn. 9). Dass sich, wie das Berufungsgericht unter Berufung auf Eickmann (HK-InsO, 2. Aufl. § 82 Rn. 16) gemeint hat, die Frage der Kenntnis allein nach der Wissenslage der kontofüh- renden Stelle beurteile (diese Auffassung hat Eickmann in der 3. Aufl. aufgegeben ; anders nur noch Hess, InsO 2. Aufl. § 82 Rn. 31), ist danach unzutreffend.
- 14
- Die Beklagte - die selbst davon ausgeht, sie müsse in ihrem Geschäftsbereich die Entwicklung des Wirtschaftslebens unter Einbeziehung von Insolvenzen beobachten - hat mithin darzulegen, welche Organisationsstrukturen sie geschaffen hat, um entsprechende Informationen aufzunehmen und intern weiterzugeben. Daran fehlt es bisher. Die Beklagte hat nur vorgetragen, was sie nicht getan hat, etwa dass das Amtsblatt nicht bezogen worden sei. Daher ist für die revisionsrechtliche Beurteilung gemäß der Behauptung des Klägers davon auszugehen, dass Vorstandsmitglieder und andere Wissensvertreter der Beklagten von den gegen G. verhängten Sicherungsmaßnahmen Kenntnis hatten.
IV.
- 15
- Soweit der Kläger die Rückzahlung der bis einschließlich 24. Januar 2001 an den Schuldner erbrachten Leistungen (20.932,63 €) begehrt, bleibt die Revision ohne Erfolg, weil sich die Beklagte auf die Vermutung des § 82 Satz 2 InsO berufen kann. Diese Leistungen hat die Beklagte vor der amtlichen Bekanntmachung erbracht. Dass sie gleichwohl die Verfügungsbeschränkung gekannt habe, hat der Kläger - den insoweit die Beweislast trifft (MünchKommInsO /Ott, § 82 Rn. 15; Uhlenbruck, aaO § 82 Rn. 12) - nicht bewiesen.
- 16
- Das für die amtlichen Bekanntmachungen des Amtsgerichts - Insolvenzgerichts - Detmold bestimmte Blatt im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 InsO war das Amtsblatt für den Regierungsbezirk Detmold. Die Vorschrift geht auf eine Initiative des Rechtsausschusses zurück, der insoweit die Regelung der Konkursordnung beibehalten wollte (BT-Drucks. 12/7302 S. 156). Welches Blatt für die amtlichen Bekanntmachungen eines Gerichts bestimmt ist, richtet sich damit - nicht anders als unter der Geltung des § 76 KO (vgl. hierzu Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 76 Rn. 2) - nach Landesrecht (MünchKommInsO /Ganter, § 9 Rn. 11; Uhlenbruck, aaO § 9 Rn. 3; Prütting in Kübler/Prütting, aaO § 9 Rn. 5b; HK-InsO/Kirchhof, aaO § 9 Rn. 4; Becker in Nerlich /Römermann, aaO § 9 Rn. 9). Im Frühjahr 2001 waren in NordrheinWestfalen noch die Richtlinien für das Regierungsamtsblatt (RV des Justizministeriums vom 22. Oktober 1999, 1243 - I D. 34, MBl. NRW 1999, 1094 ) in Kraft. Danach galt als Amtsblatt das jeweilige Amtsblatt für den Regierungsbezirk. Demgemäß wurden in dem Amtsblatt für den Regierungsbezirk Detmold die Beschlüsse und Anordnungen in Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzsachen für die Landgerichtsbezirke Bielefeld (zum Regierungsbezirk Detmold gehört auch die kreisfreie Stadt Bielefeld), Detmold und Paderborn veröffentlicht. Dagegen wendet sich der Kläger nicht.
- 17
- Er macht lediglich geltend, dass das Insolvenzgericht von der durch § 9 Abs. 2 Satz 1 InsO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, weitere oder wiederholte Veröffentlichungen zu veranlassen. Es habe - entsprechend einer zu Beginn des Geschäftsjahres getroffenen Festlegung - die gegen den Schuldner angeordneten Sicherungsmaßnahmen auch in Lippischen Tageszeitungen bekanntgemacht, und zwar bereits vor der Veröffentlichung im Amtsblatt. Eine Bekanntmachung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 InsO stehe derjenigen im Amtsblatt rangmäßig nicht nach, so dass die Vermutungswirkung nach § 82 Satz 2 InsO weit früher eingesetzt habe, als vom Berufungsgericht angenommen.
- 18
- Diese Ansicht ist unzutreffend. Fraglich ist bereits, ob die vom Insolvenzgericht nach § 9 Abs. 2 Satz 1 InsO angeordneten weiteren Veröffentlichungen in den Tageszeitungen "öffentliche Bekanntmachungen" sind (ablehnend Henckel /Gerhardt, InsO § 9 Rn. 3; Becker in Nerlich/Römermann, aaO § 9 Rn. 13 f.; Eickmann in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 2. Aufl. § 31 Rn. 98; ebenso MünchKomm-InsO/Ganter, § 9 Rn. 13 für den Fall, dass die weiteren Veröffentlichungen der Regel-Veröffentlichung vorausgehen). Jedenfalls kommt die Vermutungswirkung nach § 82 Satz 2 InsO lediglich der dem Regelfall entsprechenden öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt gemäß § 9 Abs. 1 InsO zu (MünchKomm-InsO/Ott, § 82 Rn. 15 a.E.; Uhlenbruck, aaO § 82 Rn. 13; Eickmann in Gottwald, aaO). Da die weiteren Veröffentlichungen nicht dieselbe Aufmerksamkeit des Publikums erwarten lassen wie die Regel-Veröffentlichung im Amtsblatt, haben sie nicht die Wirkung des § 9 Abs. 3 InsO (Henckel /Gerhardt, InsO § 9 Rn. 9; MünchKomm-InsO/Ganter, § 9 Rn. 23; Uhlenbruck , aaO § 9 Rn. 5; Becker in Nerlich/Römermann, aaO § 9 Rn. 14; FKInsO /Schmerbach, 3. Aufl. § 9 Rn. 17). Wenn sie gleichzeitig mit der RegelVeröffentlichung erfolgen oder dieser nachfolgen, kommt es darauf zwar nicht an, weil die Wirkung des § 9 Abs. 3 InsO bereits durch die RegelVeröffentlichung ausgelöst wird. Erfolgen die weiteren Veröffentlichungen vor der Regel-Veröffentlichung, entsteht die Wirkung des § 9 Abs. 3 InsO jedoch erst durch diese. Dann ist es konsequent, den weiteren Veröffentlichungen auch die Vermutungswirkung zu versagen.
- 19
- Ansicht Die des Klägers, es könne nicht angehen, dass niemand Sicherungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO trotz erfolgter Veröffentlichung der gerichtlichen Anordnung in einer Tageszeitung beachten müsse, geht fehl. Auch eine der öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt vorausgehende Veröffentlichung in einer Tageszeitung kann den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis eines Schuldners beseitigen. Dies setzt aber gungsbefugnis eines Schuldners beseitigen. Dies setzt aber voraus, dass die Kenntnis von dieser Veröffentlichung bewiesen wird. Die Möglichkeit dieser Beweisführung erschwert mithin die Entkräftung der mit der RegelVeröffentlichung verbundenen Vermutung.
V.
- 20
- Das Berufungsurteil ist somit teilweise aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). In diesem Umfang ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), damit die bisher fehlenden Feststellungen nachgeholt, insbesondere die zur Unkenntnis der Wissensvertreter angetretenen Beweise erhoben werden.
Kayser Vill
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 04.12.2003 - 4 O 522/02 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 30.06.2004 - 31 U 15/04 -