Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Juli 2015 - III ZR 333/13

bei uns veröffentlicht am23.07.2015
vorgehend
Landgericht Bochum, 5 O 156/10, 09.09.2011
Oberlandesgericht Hamm, 11 U 89/11, 14.06.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 333/13
vom
23. Juli 2015
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juli 2015 durch den Vizepräsidenten
Schlick und die Richter Dr. Herrmann, Tombrink, Dr. Remmert und
Reiter

beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Kläger gegen das Senatsurteil vom 16. April 2015 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens haben die Klägerin zu 1 zu 2/5 und der Kläger zu 2 zu 3/5 zu tragen.

Gründe:


1
Die gemäß § 321a Abs. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Senat hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
2
Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der Senat hat das Vorbringen der Kläger in dem dem Senatsurteil vom 16. Juli 2015 zugrunde liegenden Verfahren vollumfänglich berücksichtigt, ihre Rechtsauffassungen jedoch in den entscheidenden Punkten nicht geteilt. Die Parteien haben nach Art. 103 Abs. 1 GG keinen Anspruch darauf, dass die Gerichte ihre Würdigung des Sachverhalts und der Rechtslage übernehmen. Auch eine Verletzung der Hinweispflicht, die einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG beinhalten kann, ist nicht erkennbar.
3
Hervorzuheben sind folgende Gesichtspunkte:
4
1. Entgegen der Ansicht der Kläger war der Senat nicht gehalten, sie gemäß § 139 Abs. 2 ZPO vor seiner Entscheidung darauf hinzuweisen, dass er die vom Berufungsgericht zu der (verneinten) Remonstrationspflicht der Beklagten getroffenen Feststellungen im Zusammenhang mit dem hinreichend qualifizierten Verstoß der Amtsträger der Beklagten gegen das Unionsrecht und zum insoweitigen Verschulden zu berücksichtigten beabsichtige. Für jeden Rechtskundigen musste sich aufdrängen, dass die vom Berufungsgericht im rechtlichen Zusammenhang mit der Remonstrationspflicht gegen die (vermeintlich) bindende Weisung des Landes erörterte Erkennbarkeit des Unionsrechtsverstoßes für dessen hinreichende Qualifiziertheit und das Verschulden der Beamten der Beklagten ebenfalls von Bedeutung war. Es liegen jeweils dieselben Tatsachen zugrunde; nur der rechtliche Gesichtspunkt, für den sie relevant sind, haben das Berufungsgericht und der Senat unterschiedlich beurteilt.
5
Diese Würdigung gilt vorliegend umso mehr, als das Berufungsgericht in seinem Hinweisbeschluss vom 3. August 2012 die Passivlegitimation der Beklagten noch offen gelassen und eine Haftung der Beklagten wegen des Erlasses und des Vollzugs der Verbotsverfügungen - wieder Senat in seinem Urteil vom 16. April 2015 - mit eben jenen Erwägungen verneint hat, die es im Berufungsurteil zur Remonstrationspflicht angestellt hat. Gerade von dem - insoweit zutreffenden - Rechtsstandpunkt der Kläger aus, dass die Beklagte entgegen der Ansicht der Vorinstanz passiv legitimiert sei, war es für einen Rechtskundigen offensichtlich, dass die in dem Hinweisbeschluss vom 3. August 2012 vorgenommenen weiteren Erwägungen zur Haftung der Beklagten rechtlich Bedeutung erlangen werden, wenn die Passivlegitimation der Beklagten bejaht wird. Darauf, ob der Sachvortrag der Kläger im Zusammenhang mit der Remonstrationspflicht im Berufungsurteil rechtlich falsch eingeordnet worden ist, wie die Anhörungsrüge - nach Auffassung des Senats allerdings unzutreffend - behauptet , kommt es nicht an.
6
2. Unbegründet ist die Anhörungsrüge auch, soweit sie beanstandet, der Senat hätte in Bezug auf den Zeitraum nach dem 8. September 2010 zur Wahrung des rechtlichen Gehörs vorab darauf hinweisen müssen, dass er erwäge, einen Schadensersatzanspruch der Kläger mit der Begründung zu verneinen, es sei nicht dargetan, dass sie bei Außerachtlassung des Sportwettenmonopols - trotz der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zulässigen Erlaubnisvorbehalte und Beschränkungen auf bestimmte Arten von Wetten - einen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis gehabt hätten (Rn. 28 des Senatsurteils). Dass dieser Gesichtspunkt rechtlich von Bedeutung sein werde, musste sich den Prozessbevollmächtigten der Kläger bereits in den Vorinstanzen im Hinblick auf den allgemein gefassten Erlaubnisvorbehalt in § 4 Abs. 1 des Glückspielstaatsvertrags vom 30. Oktober 2007 aufdrängen. Davon, dass mit der Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols der Erlaubnisvorbehalt entfallen würde, konnten sie nicht ausgehen. Dies hätte ihnen Veranlassung geben müssen, zur unabhängig von dem rechtswidrigen Monopol bestehenden Erlaubnisfähigkeit vorzutragen.

7
Hierzu war im dritten Rechtszug schon aus dem vorstehenden Grund kein Hinweis zu erteilen. Hinzu tritt, dass den im Revisionsverfahren tätigen Prozessbevollmächtigten des Klägers die inmitten stehende Problematik - anders als sie mit ihrer Anhörungsrüge behaupten - aus dem Parallelverfahren III ZR 204/13 bekannt, war, über das der Senat zusammen mit dem vorliegenden Rechtsstreit am 16. April 2015 mündlich verhandelt hat. Es ging hierbei um einen Rechtsstreit derselben Kläger gegen das Land N. und die Stadt B. wegen eines im hier entscheidenden Punkt gleichgelagerten Sachverhalts, über den zweitinstanzlich derselbe Berufungssenat entschieden hatte. In jener Sache, in der die Kläger von denselben Prozessbevollmächtigten vertreten wurden, hatte das Berufungsgericht die Tätigkeit der Kläger unabhängig von dem Sportwettenmonopol für nicht erlaubnisfähig gehalten (OLG Hamm, Urteil vom 3. Mai 2013, I-11 U 88/11, juris Rn. 161 ff). In diesem Zusammenhang hat die Vorinstanz auch die in der hiesigen Sache auf Blatt 15 f der Berufungsbegründung angesprochene Frage zum Nachteil der Kläger beschieden , ob sie sich auf die von den gibraltarischen Behörden erteilte Erlaubnis berufen könnten (aaO Rn. 165). Der Senat hat mit seinem Beschluss vom 26. Februar 2015 die Beschwerde des Klägers zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in jenem Berufungsurteil zurückgewiesen. Dabei hat er in seinen Gründen ausdrücklich ausgeführt, dass hinsichtlich der genannten Erwägungen des Berufungsgerichts ein Revisionszulassungsgrund nicht dargetan sei (juris Rn. 1). Für die Prozessbevollmächtigten der Kläger war spätestens hiernach offensichtlich, dass sich in der vorliegenden Sache die gleiche Problematik stellen werde, wenn entsprechend ihrem Rechtsstandpunkt die Passivlegitimation der Beklagten zu bejahen war.
8
Der Senatsbeschluss vom 26. Februar 2015 in der Sache III ZR 204/13 ist den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 12. März 2015 zugestellt worden. Der Senatsbeschluss vom selben Tag, mit dem die Revision in dem vorliegenden Rechtsstreit zugelassen wurde, ist den Prozessbevollmächtigten am 3. März 2015 zugestellt worden. Sie hatten damit auch ausreichend Zeit, in ihrer Revisionsbegründung innerhalb der Frist des § 551 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 544 Abs. 6 Satz 3 ZPO auf die Frage der Erlaubnisfähigkeit der Tätigkeit der Kläger unabhängig vom Sportwettenmonopol einzugehen, was unterblieben ist.
9
Die Kläger können auch nicht mit Erfolg geltend machen, die im Parallelprozess gewonnenen Erkenntnisse seien vorliegend unbeachtlich und machten einen Hinweis des Senats nicht entbehrlich, da es sich um ein getrenntes Verfahren handele. Die Kläger haben sich im hiesigen Rechtsstreit vorinstanzlich selbst eingehend mit dem Urteil des Berufungsgerichts vom 3. Mai 2013 in der Parallelsache I-11 U 88/11 (III ZR 204/13) befasst, dieses in das vorliegende Verfahren eingeführt (z.B. Schriftsatz vom 13. Juni 2013 S. 2, 5, 8, 10, 11, 17 ff; Schriftsatz vom 14. Juni 2013 S. 1 ff, 17 ff) und sich ausdrücklich auf ihr Vorbringen in dem Parallelrechtsstreit bezogen (Schriftsatz vom 13. Juni 2013 S. 24 f; Schriftsatz vom 14. Juni 2013 S. 41).
10
3. Unbegründet ist die Anhörungsrüge auch, soweit sie beanstandet, der Senat habe "den unstreitig gebliebenen Vortrag der Kläger auf Seite 6 der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde und im Schriftsatz vom "01.04.2014" (gemeint offenbar: Schriftsatz vom 1. April 2015) nicht aufgenommen, dass die Beklagte im Jahr 2014 die Untersagungsverfügungen gegen die Kläger aufgehoben , das beigetriebene Zwangsgeld zurückgezahlt und erklärt habe, die Verfahrenskosten übernehmen zu wollen". Zwar waren diese Tatsachen unbe- schadet § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO grundsätzlich noch im dritten Rechtszug berücksichtigungsfähig , da sie unstreitig und nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht eingetreten waren (vgl. z.B. BGH, Urteile vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08, NJW 2009, 3783 Rn. 27 und vom 3. April 1998 - V ZR 143/97, NJW-RR 1998, 1284). Sie sind jedoch unerheblich. Daraus, dass die Beklagte die Bescheide im Jahr 2014 - unter dem Eindruck der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juni 2013 (siehe hierzu Senatsurteil vom 16. April 2015 in dieser Sache Rn. 26) - aufgehoben hat, lässt sich nichts dafür ableiten, dass die Beklagte nach den Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. September 2010 mit der Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols die Erlaubnisfähigkeit des Wettangebots der Kläger bejaht hätte.
11
4. Nicht nachvollziehbar ist schließlich die Rüge der Kläger, der Senat habe es zu Unrecht unterlassen, sie darauf hinzuweisen, dass er davon ausgehe, der Erlass und die Aufrechterhaltung der Untersagungsverfügungen beruhten auf legislativem Unrecht. Bereits das Berufungsgericht hat in seinem Hinweisbeschluss vom 3. August 2012 (dort S. 16 f) diesen Standpunkt eingenommen. Für einen Rechtskundigen musste sich deshalb aufdrängen, dass sich die Frage der Haftung wegen legislativen Unrechts stellen werde, wenn die Klage gegen die Beklagte, wie die Kläger insoweit zutreffend geltend gemacht haben, nicht an der Passivlegitimation scheiterte. Im Übrigen ist die Frage in der münd- lichen Verhandlung des Senats am 16. April 2015 eingehend zur Sprache gekommen.
Schlick Herrmann Tombrink
Remmert Reiter
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 09.09.2011 - 5 O 156/10 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 14.06.2013 - I-11 U 89/11 -

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

Zivilprozessordnung - ZPO | § 559 Beschränkte Nachprüfung tatsächlicher Feststellungen


(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt

Zivilprozessordnung - ZPO | § 321a Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör


(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn1.ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2.das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches G

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 146/08 Verkündet am: 14. Oktober 2009 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 204/13 Verkündet am: 16. April 2015 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GG Art. 34 Satz

Referenzen

(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 204/13
Verkündet am:
16. April 2015
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GG Art. 34 Satz 1; AEUV Art. 340; BGB § 839 A, Cb; OBG NW § 9 Abs. 2
Buchst. a, § 39 Abs. 1 Buchst. b

a) Weisungen einer übergeordneten Körperschaft, die der nachgeordneten
Verwaltung zur gleichmäßigen Ausführung behördlicher Aufgaben allgemein
eine bestimmte Gesetzesauslegung vorschreiben, führen - anders als die
Weisung in einem konkreten Einzelfall - nicht zu einer Haftungsverlagerung
von der nachgeordneten auf die übergeordnete Behörde. Die übergeordnete
Körperschaft kann sich aber dann nicht auf ihre fehlende Passivlegitimation
berufen, wenn sie auf eine entsprechende Nachfrage des Geschädigten diesem
gegenüber den Eindruck erweckt, es sei vom Vorliegen einer haftungsverlagernden
Weisung auszugehen.

b) Die verschuldensunabhängige Haftung nach § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW
erfasst nicht den Fall, dass das von der Ordnungsbehörde zutreffend angewandte
Gesetz verfassungswidrig ist (legislatives Unrecht). Dem steht es
gleich, wenn die Ordnungsbehörde nationales Recht für sich genommen korrekt
ausführt, das - für die Verwaltung nicht ohne weiteres erkennbar - mit
Unionsrecht nicht vereinbar ist.
BGH, Urteil vom 16. April 2015 - III ZR 204/13 - OLG Hamm
LG Bochum
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. April 2015 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Tombrink, Dr. Remmert und Reiter

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Klägerin betrieb im Jahr 2006 in B. ein Wettbüro und leitete auf Grund eines Geschäftsbesorgungsvertrags von dort aus Sportwettenaufträge an ein in Gibraltar ansässiges, dort lizenziertes Wettunternehmen weiter. Mit Datum vom 31. März 2006 gab das Innenministerium des beklagten Landes unter Bezugnahme auf das zur Verfassungsmäßigkeit des Sportwettenmonopols ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 einen Erlass an die Bezirksregierungen heraus. Darin war ausgeführt, die Veranstaltung und Vermittlung privater Sportwetten sei in Nordrhein-Westfalen ebenso wie in anderen Bundesländern verboten und nicht erlaubnisfähig. Wer hiergegen verstoße, müsse mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen. Das Ministerium bat, die bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzten Ordnungsverfügungen zügig zu vollstrecken. Soweit noch keine Unterlassungsverfügungen ergangen seien, werde gebeten, solche unverzüglich zu erlassen und gegebenenfalls parallel strafprozessuale Maßnahmen zu veranlassen.
2
Am 12. September 2006 erließ die Stadt B. eine Ordnungsverfügung , mit der der Klägerin die Vermittlung von Sportwetten untersagt wurde. Diese stellte daraufhin den Betrieb der Wettannahmestelle ein und schloss die Betriebsstätte nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens.
3
Eine gleichartige Ordnungsverfügung erging am 18. November 2010 gegen den vormaligen Kläger zu 2.
4
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass das beklagte Land ihr gegenüber wegen der Ordnungsverfügung der Stadt B. vom 12. September 2006, die gegen die unionsrechtlich gewährleisteten Grundfreiheiten verstoßen habe, zum Schadensersatz verpflichtet sei. Der frühere Kläger zu 2 hat das Land und die Stadt ebenfalls auf Feststellung ihrer Schadensersatzverpflichtungen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision für die Klägerin zugelassen, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Gegen die Nichtzulassung der Revision zu seinen Gunsten hat der vormalige Kläger zu 2 Beschwerde eingelegt, die der Senat mit Beschluss vom 26. Februar 2015 zurückgewiesen hat.

Entscheidungsgründe


5
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.


6
Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin von dem beklagten Land Ersatz weder nach den Grundsätzen des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs noch aus Amtshaftung gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG oder auf der Grundlage von § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW verlangen.
7
Gegen die Passivlegitimation des beklagten Landes in Bezug auf etwaige Schadensersatz- beziehungsweise Entschädigungsansprüche der Klägerin infolge der Untersagungsverfügung der Stadt B. vom 12. September 2006 bestünden allerdings keine Bedenken. Bei dem diesem Verwaltungsakt zu Grunde liegenden Erlass des Innenministeriums des Beklagten vom 31. März 2006 handele es sich um eine bindende Weisung. Dies habe zur Folge, dass den Beklagten die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit für die Untersagungsverfügung und deren Vollziehung treffe. Dies gelte nicht nur im Bereich der Amtshaftung, sondern auch im Zusammenhang mit der verschuldensunabhängigen Haftung aus § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW sowie für den durch den Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch.
8
Für einen Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB, Art. 34 GG fehle es jedoch angesichts der überaus komplizierten europarechtlichen Rechtslage im maßgeblichen Zeitraum an dem erforderlichen Verschulden der handelnden Amtsträger. Sowohl der ministerielle Erlass vom 31. März 2006 als auch die Untersagungsverfügung vom 12. September 2006 sowie der diesbezüglich ergangene Widerspruchsbescheid vom 5. März 2007 hätten im Einklang mit der im damaligen Zeitraum einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung gestanden.
9
Auch unter Geltung des ab dem 1. Januar 2008 gültigen Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV 2008) in Verbindung mit dem nordrhein-westfälischen Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag AG NRW) vom 30. Oktober 2007 (GV. NRW. S 445) fehle es an einem Verschulden auf Seiten des Beklagten. Dass dem Gesetzgeber die Einhaltung der durch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 28. März 2006 statuierten Vorgaben mit dem GlüStV 2008 i.V.m. dem Glücksspielstaatsvertrag AG NRW nicht gelungen gewesen sei, sei jedenfalls nicht derart deutlich gewesen, dass daraus dem zuständigen Amtswalter des Beklagten ein Verschuldensvorwurf zu machen sei. Selbst das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 14. Oktober 2008 den GlüStV 2008 beziehungsweise einzelne Regelungen hieraus mit höherrangigem Recht für vereinbar gehalten.
10
Auch ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch scheide aus. Unabhängig davon, ob ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vorliege, sei ein solcher jedenfalls nicht hinreichend qualifiziert. Bis zu den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2010, insbesondere in Sachen "Winner Wetten", sei die Frage, ob das im nordrhein-westfälischen Sportwettengesetz verankerte staatliche Sportwettenmonopol einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht dargestellt habe und daher bis zu einer nationalen Neuregelung nicht mehr habe angewendet werden dürfen, nicht in dem Maße geklärt gewesen, dass die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Maßnahmen als of- fenkundige Verstöße gegen gemeinschaftsrechtlich gewährleistete Freiheiten einzustufen gewesen wären.
11
Schließlich scheide auch ein Entschädigungsanspruch der Klägerin gegen das beklagte Land nach § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW aus. Der Erlass der Ordnungsverfügung vom 12. September 2006, der im Außenverhältnis zur Klägerin haftungsrechtlicher Anknüpfungspunkt sei, beruhe auf legislativem Unrecht , wozu auch der Fall gehöre, dass der Eingriff nicht durch das verfassungswidrige (formelle) Gesetz selbst, sondern durch einen darauf gestützten Verwaltungsakt erfolge. Die Haftung für legislatives Unrecht sei der deutschen Rechtsordnung fremd und werde insbesondere auch nicht von § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW umfasst.

II.


12
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Klage ist unbegründet.
13
1. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, der Beklagte sei für einen etwaigen Schadensersatzanspruch passiv legitimiert.
14
Allerdings teilt der Senat nicht die Auffassung der Vorinstanz, die davon ausgegangen ist, der Erlass vom 31. März 2006 habe eine Weisung dargestellt, die eine Haftungsverlagerung von den Kommunen als örtliche Ordnungsbehörden auf das beklagte Land bewirkt habe (vgl. dazu z.B. Senatsurteile vom 21. Mai 1959 - III ZR 7/58, NJW 1959, 1629, 1630; vom 16. Dezember 1976 - III ZR 3/74, NJW 1977, 713; vom 7. Februar 1985 - III ZR 212/83, NVwZ 1985, 682, 683 und vom 11. Dezember 2008 - III ZR 216/07, VersR 2009, 930 Rn. 5). Bei diesem Erlass handelte es sich um eine allgemeine Weisung der obersten Aufsichtsbehörde (§ 7 Abs. 3 OGB NW) gemäß § 9 Abs. 2 Buchst. a OGB NW, die die gleichmäßige Durchführung der ordnungsbehördlichen Aufgaben im Gefolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) durch die örtlichen Stellen gewährleisten sollte. Der Erlass, der sich zudem unmittelbar nur an die Bezirksregierungen als Aufsichtsbehörden (§ 7 Abs. 2 OBG NW) richtete, regelte nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts landesweit das weitere Vorgehen der Ordnungsbehörden im Zusammenhang mit dem Verbot privat veranstalteter Sportwetten aufgrund des seinerzeit geltenden Lotteriestaatsvertrags. Er bezog sich dabei auf eine unbestimmte Vielzahl von Einzelfällen, denen zudem unterschiedliche Sachverhalte zugrunde lagen. Der Senat nimmt wegen der Einzelheiten auf seine Ausführungen in dem in der Parallelsache III ZR 333/13 ergangenen Urteil vom selben Tag Bezug. Eine derartige allgemeine Weisung löst keine Haftungsverlagerung von der ausführenden auf die anweisende Behörde aus (vgl. Senatsurteile vom 28. Juni 1971 - III ZR 111/68, NJW 1971, 1699, 1700 und vom 12. Dezember 1974 - III ZR 76/70, BGHZ 63, 319, 324).
15
Jedoch ist es aufgrund der besonderen Umstände dem Beklagten ausnahmsweise versagt, sich auf die fehlende Passivlegitimation zu berufen. Das Ministerium für Inneres und Kommunales hat auf Anfrage der Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 11. November 2010 ausdrücklich bestätigt, dass der Erlass vom 31. März 2006 Weisungscharakter für die Ordnungsbehörden in Nordrhein-Westfalen gehabt habe. Zwar sagt allein die Tatsache, dass die Weisung einer höheren Behörde vorliegt, über die Haftungsverlagerung auf ihren Rechtsträger nichts aus, da eine allgemeine Weisung, wie ausgeführt, dies nicht bewirkt. Im vorliegenden Sachverhalt ist jedoch der Zusammenhang zu beachten, in dem das Ministerium seine dem Wortlaut nach mehrdeutige Erklärung abgegeben hat. Die Anfrage der Bevollmächtigten der Klägerin diente für den Beklagten ersichtlich dazu, die Frage der Passivlegitimation der Stadt und des Landes für die geltend gemachten Schadensersatzansprüche zu klären. Vor diesem Hintergrund mussten die Vertreter der Kläger das Schreiben vom 11. November 2010 dahin verstehen, dass der Beklagte das Vorliegen einer sich auf einen überschaubaren Kreis bestimmter Personen beziehenden, die Haftung auf ihn verlagernden Weisung (vgl. hierzu Senatsurteil vom 12. Dezember 1974 - III ZR 76/70, BGHZ 63, 319, 324) bestätigte. Hieran muss sich der Beklagte festhalten lassen.
16
2. Dessen ungeachtet ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz oder Entschädigung wegen der dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Ordnungsverfügung vom 12. September 2006.
17
a) Ein Anspruch nach den Grundsätzen des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs scheidet aus, da die maßgebenden Amtsträger zwar - bei ex post-Betrachtung - objektiv unionsrechtswidrig handelten, dieser Verstoß jedoch nicht hinreichend qualifiziert ist. Die dahingehende tatrichterliche Würdigung hält den Angriffen der Revision stand. Dies betrifft sowohl den Erlass als auch das Aufrechterhalten der Ordnungsverfügung.
18
aa) Hinsichtlich des Zeitraums bis zum 31. Dezember 2007 nimmt der Senat auf seine Urteile vom 18. Oktober 2012 Bezug (III ZR 197/11, NJW 2013, 168 Rn. 23 ff und III ZR 196/11, EuZW 2013, 194 Rn. 23 ff; Verfassungsbeschwerden gegen diese Urteile nicht angenommen durch BVerfG, Beschluss vom 7. Januar 2014 - 1 BvR 2571/12, juris; siehe auch Senatsbeschluss vom 28. Februar 2013 - III ZR 87/12, juris, Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung nicht angenommen durch BVerfG, Beschluss vom 7. Januar 2014 - 1 BvR 1318/12; Senatsbeschluss vom 5. November 2014 - III ZR 83/13, BeckRS 2014, 22063). Nach diesen Urteilen ergab sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bis zu den Entscheidungen in den Sachen Carmen Media (NVwZ 2010, 1422), Stoß u.a. (NVwZ 2010, 1409) und Winner Wetten (NVwZ 2010, 1419) vom 8. September 2010 nicht mit der für einen qualifizierten Rechtsverstoß im Sinne des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs erforderlichen Deutlichkeit, dass das auf den Lotteriestaatsvertrag 2004 (siehe nordrhein-westfälisches Gesetz zu dem Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland vom 22. Juni 2004 nebst Anlage, GV. NRW. S. 293) gegründete Glücksspiel- und Sportwettenmonopol mit dem Unionsrecht nicht vereinbar war. Allerdings folgte aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) die Europarechtswidrigkeit des seinerzeitigen Monopols, da das Gericht eine mit dem Grundgesetz nicht vereinbare Inkohärenz angenommen und zugleich betont hat, die Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts liefen parallel zu den vom Gerichtshof der Europäischen Union zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben (Senatsurteile vom 18. Oktober 2012 aaO jew. Rn. 27). Gleichwohl konnte ein qualifizierter Verstoß wegen der Aufrechterhaltung des Monopols auch für die Folgezeit nicht angenommen werden, da das Bundesverfassungsgericht eine Übergangsfrist zur gesetzlichen Neuregelung bis zum 31. Dezember 2007 eingeräumt hatte, und die in den damaligen Verfahren des Senats betroffenen bayerischen Behörden die Maßgaben einhielten, die das Gericht zur Beseitigung der von ihm festgestellten Inkohärenz für die Interimszeit aufgestellt hatte (Senat aaO jew. Rn. 32). Dies traf, wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 28. Februar 2013 (aaO Rn. 3) ausgeführt hat, auch auf die Stellen des Landes Nordrhein-Westfalen zu, wie das Bundesverfassungsgericht und die Verwaltungsgerichte bestätigt haben (z.B BVerfG, WM 2007, 183, 185; OVG Münster, Beschluss vom 23. Oktober 2006 - 4 B 1060/06, juris Rn. 16 f; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. November 2007 - 3 K 162/07, juris Rn. 29 ff).
19
Da die verfassungs- und unionsrechtlichen Kriterien für die Kohärenz des Sportwettenmonopols, wie die Revision nicht in Abrede stellt, identisch waren, durften die Behörden davon ausgehen, dass mit Einhaltung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßgaben zur Herstellung der notwendigen Kohärenz nicht nur die verfassungsrechtlichen, sondern auch die unionsrechtlichen Bedenken behoben waren. Daran ändert nichts, dass das Bundesverfassungsgericht formal grundsätzlich nicht abschließend über das Unionsrecht zu befinden hat. Dessen ungeachtet durfte sich die Verwaltung der Sache nach auf die höchstrichterlichen Ausführungen und auf die sich hieraus ohne Weiteres ergebenden Schlussfolgerungen verlassen.
20
Soweit die Revision meint, (insbesondere) für die Amtsträger des Beklagten sei gleichwohl erkennbar gewesen, dass das Sportwettenmonopol dem Unionsrecht widersprochen habe, überzeugt dies angesichts der vorstehend zitierten Rechtsprechung nicht. Fehl geht auch der Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juni 2013 (BVerwGE 147, 47 Rn. 33 ff), das ausgeführt hat, das in Nordrhein-Westfalen bis zum 30. November 2012 bestehende staatliche Sportwettenmonopol sei wegen einer seinen Zielsetzungen widersprechenden Werbepraxis inkohärent und habe deshalb gegen die unionsrechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit verstoßen. Aus dieser ex post im Jahr 2013 getroffenen Feststellung lässt sich nicht ableiten, dass für die Amtsträger des Beklagten im maßgeblichen Zeitraum die vom Bundesverwaltungsgericht beanstandeten Kohärenzmängel entgegen der vorzitierten Rechtsprechung hinreichend deutlich waren. Dessen ungeachtet versucht die Revision ohnehin nur - revisionsrechtlich unbeachtlich - ihre Sachverhaltswürdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts zu setzen.
21
Unbehelflich für ihren Rechtsstandpunkt ist die von der Revision als nicht hinreichend gewürdigt gerügte, mit einem Beweisangebot versehene Behauptung der Klägerin, das ausschlaggebende Motiv für die Aufrechterhaltung des Sportwettenmonopols sei das fiskalische Interesse der Länder gewesen. Ent- scheidend für den Ersatzanspruch der Klägerin ist, ob die Beteiligten davon ausgehen durften, dass die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts eingehalten wurden. Eben dies war nach der zitierten Rechtsprechung der Fall, so dass die handelnden Amtsträger unabhängig von den von der Klägerin behaupteten "wahren" Motiven einzelner (nicht namentlich genannter) "hochrangiger Vertreter" des beklagten Landes von der weiterhin bestehenden Rechtmäßigkeit des Sportwettenmonopols ausgehen durften.
22
Soweit sich die Revision schließlich auf eine zuvor ergangene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 28. Juni 2006 bezieht, in der entgegen der oben zitierten Rechtsprechung noch ausgeführt worden war, dass die Kohärenzdefizite durch die Anordnungen des Innenministeriums des Beklagten und deren Umsetzung durch die W. L. gesellschaft nicht beseitigt worden seien (NVwZ 2006, 1078, 1080), übergeht sie, dass das Gericht die Untersagung der Sportwettenvermittlung im Ergebnis gleichwohl für rechtmäßig gehalten hat (aaO). Die Nichtanwendbarkeit des mit dem EU-Recht nicht zu vereinbarenden Wettmonopols würde zu einer Gefährdung wichtiger Allgemeininteressen führen. In derartigen Fällen könne nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union der Anwendungsvorrang zurücktreten (aaO).
23
bb) Die gleichen Erwägungen gelten, wie sich ohne Weiteres aus der Begründung der Senatsurteile vom 18. Oktober 2012 (jew. aaO Rn. 23 ff) ableiten lässt, ebenso für die Zeit ab dem 1. Januar 2008 bis zu den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. September 2010 (aaO). Ab dem 1. Januar 2008 galt der neue Glücksspielstaatsvertrag (siehe nordrheinwestfälisches Gesetz zum Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 30. Oktober 2007 nebst Anlage, GV. NRW. S. 445), durch den das Sportwettenmonopol unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestell- ten Maßgaben grundsätzlich aufrechterhalten wurde. Davon dass die Maßgaben zur Begrenzung der Gefahren der Glücksspielsucht in dem Vertrag ordnungsgemäß umgesetzt waren, ist auch das Bundesverfassungsgericht ausgegangen (vgl. NVwZ 2008, 1338 Rn. 28 ff). Erst aufgrund der vorgenannten Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. September 2010 wurde hinreichend deutlich, dass auch der neue Staatsvertrag nicht die Einhaltung der unionsrechtlichen Vorgaben gewährleistete und das in dem Staatsvertrag geregelte Monopol für Sportwetten mit der durch Art. 56 AEUV garantierten Dienstleistungsfreiheit nicht in Einklang stand.
24
cc) Für den Zeitraum ab dem 8. September 2010 ist im Ergebnis ebenfalls keine andere Bewertung geboten. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind ungeachtet der Unzulässigkeit des in den bisherigen Staatsverträgen enthaltenen Sportwettenmonopols sowohl Erlaubnisvorbehalte für die Tätigkeit von Wettanbietern (vgl. § 4 Abs. 1 des Glücksspielstaatsvertrags vom 30. Oktober 2007) als auch Beschränkungen auf bestimmte Arten von Wetten möglich (z.B. Urteil vom 8. September 2010 - Carmen Media, NVwZ 2010, 1422 Rn. 84 ff, 102 ff). Die Revision zeigt keinen Sachvortrag in den Vorinstanzen auf, aus dem sich ergibt, dass die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis für das von ihr zu vermittelnde Wettangebot haben könnte, so dass die unterbliebene Aufhebung der Untersagungsverfügung oder auch die unterbliebene Aufhebung des Erlasses vom 31. März 2006 einen hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß darstellen würde.
25
b) Die vorstehenden Erwägungen gelten für eine etwaige Forderung der Klägerin aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG entsprechend, sofern diese Anspruchsgrundlage für Sachverhalte wie den vorliegenden neben dem unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch zur Anwendung kommen kann. Es fehlt aus den vorstehenden Gründen an dem notwendigen Verschulden der handelnden Amtsträger für den Erlass und das Aufrechterhalten der in Rede stehenden Verfügung.
26
c) Schließlich scheidet auch ein Anspruch aus § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW aus. Danach kann derjenige, der durch eine rechtswidrige Maßnahme einer Ordnungsbehörde einen Schaden erlitten hat, diesen ersetzt verlangen, gleichgültig, ob die Behörde ein Verschulden trifft oder nicht. Diese Vorschrift ist jedoch auf den den Amtsträgern objektiv unterlaufenen beziehungsweise haftungsrechtlich zuzurechnenden Verstoß gegen das Grundgesetz und das Unionsrecht nicht anwendbar. Gleiches gilt für das Aufrechterhalten der Verfügung vom 12. September 2006. Entscheidend hierfür ist, dass die Verwaltungsmaßnahmen im Einklang mit den (nationalen) Gesetzen standen. Nach § 5 Abs. 2 und 4 des zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung maßgeblichen, am 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Staatsvertrags zum Lotteriewesen in Deutschland (LoStV) bestand für die hier in Rede stehenden Wetten ein staatliches Veranstaltungsmonopol. Nach § 14 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LoStV - hier in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 2 des nordrhein-westfälischen Sportwettengesetzes in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 14. Dezember 1999 (GV. NRW. S. 687) - durften die Behörden die Vermittlung von gegen das Sportwettenmonopol verstoßenden Wetten untersagen. Für den ab dem 1. Januar 2008 geltenden Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV 2008) folgte das Monopol aus dessen § 10 Abs. 2 und 5. Die Untersagungsbefugnis der Behörden ergab sich aus § 4 Abs. 1 Satz 2, § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 Nr. 3 GlüStV 2008 (siehe jetzt § 10 Abs. 2, 6, § 4 Abs. 1 Satz 2, § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 Nr. 3 unter der Maßgabe von § 10a des in NordrheinWestfalen gemäß Art. 2 § 24 Abs. 1 des Gesetzes zum Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 13. November 2012 mit Anlage, GV. NRW. 524, am 1. Dezember 2012 in Kraft getretenen geltenden GlüStV).

27
Entgegen der Ansicht der Revision beruhten der Erlass der Ordnungsverfügung und die Anordnung ihrer sofortigen Vollziehung nicht auf Ermessensfehlern der Stadt. Nach der (nationalen) Rechtslage erfüllte die Vermittlung von Sportwetten außerhalb des Monopols den Straftatbestand des § 284 Abs. 1 StGB. Vor diesem Hintergrund war das sofortige Einschreiten der Ordnungsbehörden lediglich die Folge einer konsequenten Durchsetzung des nationalen Rechts und nicht die einer unzureichenden Ermessensausübung. Ob, wie das Berufungsgericht - naheliegend - gemeint hat, die Revision jedoch in Abrede stellt, sogar eine Ermessensreduzierung auf null bestanden hat, kann dabei auf sich beruhen.
28
Soweit die Revision auch im vorliegenden Zusammenhang weiter geltend macht, die Werbung für die von den Monopolträgern veranstalteten Wetten habe - entgegen den oben (unter Buchstaben a, aa) zitierten Entscheidungen der nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte - nicht den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kohärenzanforderungen entsprochen, führt dies nicht dazu, dass sich die Durchsetzung des Sportwettenmonopols als zum Schadensersatz nach § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW verpflichtendes administratives Unrecht darstellt. Vielmehr ist nach dem Maßstab des Verfassungsrechts aus dem auf einer den Kohärenzanforderungen widersprechenden Werbung beruhenden strukturellen Vollzugsdefizit auf die Unverhältnismäßigkeit der Monopolregelung im engeren Sinne und damit auf einen normativen Mangel zu schließen (BVerfGE 115, 276, 309, 313 ff; BVerwGE 147, 47 Rn. 50 a.E., vgl. auch Rn. 20).
29
Damit beruht die objektive Rechtswidrigkeit der in Rede stehenden Maßnahmen ausschließlich darauf, dass das (nationale) Recht, das die Verwaltung für sich genommen zutreffend angewandt hat, dem Verfassungs- und dem Uni- onsrecht widersprach. Diese Fallgestaltung wird von § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW nicht erfasst.
30
aa) Bei dem verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch für Schäden infolge rechtswidriger Maßnahmen der Ordnungsbehörden nach § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW handelt es sich um eine spezialgesetzliche Konkretisierung der Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff (Senatsurteile vom 16. Oktober 1978 - III ZR 9/77, BGHZ 72, 273, 276; vom 12. Oktober 1978 - III ZR 162/76, NJW 1979, 34, 36 jeweils zu § 42 Abs. 1 Buchst. b OBG NW in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes; Krohn, Enteignung, Entschädigung, Staatshaftung , 1993, S. 102 Rn. 95; Schönenbroicher/Heusch, Ordnungsbehördengesetz Nordrhein-Westfalen, § 39 Rn. 24; Denninger/Rachor, Handbuch des Polizeirechts , 5. Aufl., M Rn. 69 f). Aus diesem Grund ist zur Auslegung dieser Vorschrift die zum enteignungsgleichen Eingriff ergangene Rechtsprechung heranzuziehen (Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., § 33 S. 664 f). Im Zusammenhang mit dem richterrechtlich geprägten und ausgestalteten Institut des enteignungsgleichen Eingriffs hat der Senat wiederholt entschieden , dass eine Haftung für legislatives Unrecht in Gestalt eines mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarenden formellen Gesetzes ausscheidet (Senatsurteile vom 12. März 1987 - III ZR 216/85, BGHZ 100, 136, 145; vom 10. Dezember 1987 - III ZR 220/86, BGHZ 102, 350, 359 und vom 7. Juli 1988 - III ZR 198/87, VersR 1988, 1046, 1047; siehe auch Krohn, VersR 1991, 1085, 1087; Papier in Maunz/Dürig, GG, Stand 2014, Art. 34 Rn. 45). Dies beruht nicht zuletzt auf der Erwägung, die Haushaltsprärogative des Parlaments in möglichst weitgehendem Umfang zu wahren und die Gewährung von Entschädigungen für legislatives Unrecht angesichts der hiermit verbundenen erheblichen finanziellen Lasten für die öffentliche Hand der Entscheidung des Parlamentsgesetzgebers vorzubehalten (Senatsurteil vom 12. März 1987 aaO, S. 145 f; Papier in Maunz/Dürig, aaO). Auch für den Vollzug eines verfas- sungswidrigen Gesetzes haftet die öffentliche Hand nicht unter dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen Eingriffs (Senatsurteile vom 12. März 1987 aaO S. 145; vom 10. Dezember 1987 aaO; Krohn aaO). Ansonsten würde der Ausschluss der verschuldensunabhängigen Haftung für legislatives Unrecht in weiten Teilen unterlaufen, da Gesetze regelmäßig erst mit der Umsetzung durch die Verwaltung ihre Wirkung auf das Eigentum des Einzelnen entfalten.
31
Eine Erstreckung der Haftungsregelung des § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG auf die Fälle legislativen Unrechts käme deshalb nur in Betracht, wenn der Gesetzgeber eine entsprechende Haftungsausweitung beabsichtigt hätte. Ein solcher Wille kann vorliegend jedoch nicht angenommen werden (vgl. BVerwGE 147, 47 Rn. 20). Vielmehr ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, dass der Gesetzgeber lediglich in Orientierung an dem richterrechtlich entwickelten Institut des enteignungsgleichen Eingriffs die Haftung für den Bereich des Verwaltungshandelns von Ordnungsbehörden gesetzlich regeln wollte. So wurde die vom Ausschuss für Innere Verwaltung vorgeschlagene Ausweitung der Haftung auf die Schädigung von Personen, die als Störer in Anspruch genommen wurden (Beschlussvorschlag des Ausschusses vom 11. Oktober 1955, LT-Drucks. 3/243 S. 19 zu § 48), im Landtagsplenum dahin erläutert, dass in Anlehnung an das in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelte Institut des enteignungsgleichen Eingriffs eine Haftung auch für rechtswidrig-schuldlose Verwaltungsmaßnahmen eingeführt werden solle (vgl. das Protokoll der 2. Lesung des Entwurfs des Ordnungsbehördengesetzes, LT-Protokolle 3. Wahlperiode Bd. 1 S. 827 f, 837). Auch die Ablehnung eines Antrags der Fraktion des Zentrums, den Haftungsumfang auf entgangenen Gewinn zu erstrecken (LTDrucks. 3/273 S. 3 zu § 48), und die Ablehnung einer Haftung für immaterielle Schäden wurden auf die richterrechtlich konkretisierten Anforderungen aus Art. 14 GG zurückgeführt (LT-Protokolle aaO).
32
Der Umstand, dass die Rechtsprechung zum Ausschluss der Haftung für legislatives Unrecht im Zusammenhang mit dem Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff zeitlich nach Schaffung des Ordnungsbehördengesetzes ergangen ist, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die entsprechende Haftungsbegrenzung wurde durch die Rechtsprechung des Senats nicht neu geschaffen , diese ist vielmehr dem Rechtsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs immanent (BVerwG aaO). Zwar hat der Senat, worauf die Revision hingewiesen hat, in seinem Urteil vom 29. März 1971 (III ZR 110/68, BGHZ 56, 40) in einem obiter dictum eine Haftung auf dieser Grundlage auch für einen unmittelbaren Eingriff in das Eigentum durch ein Gesetz für denkbar gehalten. Im Urteil vom 12. März 1987 hat er jedoch klargestellt, dass sich die Haftung für legislatives Unrecht nicht im Rahmen dieses richterrechtlich geprägten und ausgestalteten Haftungsinstitut hält (III ZR 216/85, BGHZ 100, 136, 145), mithin mit ihm konzeptionell nicht vereinbar ist.
33
Mangels ausdrücklicher Regelung im Gesetz und ohne Anhaltspunkte für einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber mit der Entschädigungshaftung nach dem Ordnungsbehördengesetz auch die Fälle erfassen wollte, in denen Nachteile durch - von der Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff nicht umfasstes - legislatives Unrecht entstanden sind (so auch OLG Köln, ZfWG 2012, 287, 29; OLG Hamburg, Urteil vom 30. November 2012 - 1 U 74/11, juris Rn. 69 f; Dietlein /Burgi/Hellermann, Öffentliches Recht Nordrhein-Westfalen, 5. Aufl., S. 441 f. Rn. 281a; a. A. Schönenbroicher/Heusch aaO § 39 Rn. 30).
34
bb) (1) Ist hiernach die Haftung für legislatives Unrecht und seinen verwaltungsmäßigen Vollzug von § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW nicht erfasst, gilt dies nicht nur für die Fälle des Verstoßes eines Gesetzes gegen nationales Verfassungsrecht , sondern gleichermaßen, wenn, wie hier, ein innerstaatliches Gesetz gegen Recht der Europäischen Union verstößt (so auch OLG Köln aaO). Der Senat hat nach seinem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union in der Sache "Brasserie du Pêcheur" (Senatsbeschluss vom 28. Januar 1993 - III ZR 127/91, ZIP 1993, 345) auf der Grundlage der Antworten des Gerichtshofs auf die Vorlagefragen (Urteil vom 5. März 1996 - C-46/93 - Brasserie du Pêcheur und Factortame, NJW 1996, 1267) bereits entschieden, dass eine Haftung des Gesetzgebers nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs auch für Nachteile ausscheidet, die durch ein gegen das europäische Unionsrecht verstoßendes formelles Gesetz verursacht werden (Senatsurteil vom 24. Oktober 1996 - III ZR 127/91, BGHZ 134, 30, 33 ff). Der Gerichtshof hat auf die Frage des Senats, ob die Entschädigung für die Nichtanpassung des nationalen Rechts an das europäische Recht davon abhängig gemacht werden kann, dass den verantwortlichen staatlichen Amtsträgern ein Verschulden zur Last fällt, ausgeführt, dass die Haftung nicht von einem Verschulden abhängig gemacht werden dürfe, das über den hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht hinausgehe (aaO Rn. 78 ff). Dem ist im Umkehrschluss zu entnehmen, dass es bei Verstößen des Gesetzgebers gegen Unionsrecht einer vom Verschuldenserfordernis beziehungsweise von den Voraussetzungen eines hinreichend qualifizierten EURechtsverstoßes losgelösten (auf nationalem Recht beruhenden) Haftung nicht bedarf. Es reicht vielmehr aus, wenn das nationale Gericht in solchen Fällen eine Haftung (nur) unmittelbar aus dem europäischen Gemeinschaftsrecht herleitet (Senatsurteil vom 24. Oktober 1996 aaO).
35
Da § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW aus den vorgenannten Gründen eine Konkretisierung des Grundsatzes der Haftung für enteignungsgleiche Eingriffe darstellt, sind die vorstehenden Erwägungen auf diese Bestimmung übertragbar.
36
(2) Soweit der Ersatzanspruch, wie im vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt , nicht unmittelbar auf das gegen höherrangiges Recht verstoßende Gesetz selbst gestützt wird, sondern auf dessen Vollzug, ist allerdings der folgende - im Ergebnis jedoch nicht entscheidende - Gesichtspunkt zu beachten. Widerspricht die betreffende Norm nationalem Verfassungsrecht, hat die Verwaltung sie gleichwohl anzuwenden, da sie keine Verwerfungskompetenz hat. Diese ist gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. Demgegenüber sind aufgrund des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs auch die Behörden verpflichtet, dem Unionsrecht widersprechende mitgliedstaatliche Normen von sich aus unangewendet zu lassen (z.B. EuGH, Urteil vom 22. Juni 1989 - C-103/88 - Costanzo, juris Rn. 31; Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl., EUV Art. 4 Rn. 37, 39; siehe auch EuGH NJW 1978, 1741 f zur Verwerfungskompetenz der Gerichte). Wendet die Verwaltung das nationale Recht gleichwohl an, könnte dieses Vorgehen bei einer rein begrifflichen Betrachtung deshalb eher dem administrativen als dem legislativen Unrecht zuzuordnen sein, so dass ein Anspruch aus § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW im Ausgangspunkt in Betracht zu ziehen sein könnte. Diese Erwägung greift jedoch in der vorliegenden Fallgestaltung bei der gebotenen wertenden Betrachtung nicht durch.
37
Der mit dem Ausschluss legislativen Unrechts vom Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW verfolgte Zweck trifft auf die vorliegende Fallgestaltung ebenfalls zu. Würde man auch dann, wenn es nicht um Vollzugsdefizite der Verwaltung im Einzelfall geht, sondern um den für sich genommen korrekten Gesetzesvollzug in einer Vielzahl von Fällen, die verschuldensunabhängige Haftung nach dem Ordnungsbehördengesetz durchgreifen lassen, würde der Ausschluss der Haftung der öffentlichen Hand wegen legislativen Unrechts weitgehend leerlaufen. Darüber hinaus wäre eine Erstreckung der "reinen Erfolgshaftung" der Ordnungsbehörden auf den Vollzug eines ge- gen Unionsrecht verstoßenden Gesetzes mit so weit reichenden finanziellen Folgen für die öffentlichen Haushalte verbunden, dass sich ohne einen eindeutig feststellbaren gesetzgeberischen Willen eine derartige Ausweitung der Haftung verbietet.
38
Damit ist das "administrative" Unrecht in der vorliegenden Fallgestaltung der Vollziehung von dem Unionsrecht widersprechenden nationalen Recht dem legislativen Unrecht im Sinne des enteignungsgleichen Eingriffs und des § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW gleichzusetzen. Denn die Ursache für die Rechtswidrigkeit der Verwaltungsmaßnahme liegt ihrem Schwerpunkt nach in der Sphäre der Legislative, wenn, wie hier, die Verwaltung ein nationales Gesetz vollzieht, das - für sie nicht ohne weiteres erkennbar - mit dem Unionsrecht unvereinbar ist.
39
(3) Der Ausschluss der verschuldensunabhängigen Haftung nach § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW für die Vollziehung von dem Unionsrecht widersprechenden nationalen Recht ist seinerseits mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar, so dass auch die unionsrechtskonforme Auslegung von § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW zu keinem anderen Ergebnis führt. Wie bereits erwähnt , hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 5. März 1996 (NJW 1996, 1267) auf die entsprechende Frage des Senats ausgeführt , dass die Haftung für ein dem europäischen Recht widersprechendes Gesetz (nur) nicht von einem Verschulden abhängig gemacht werden dürfe, das über den hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht hinausgehe (aaO Rn. 78 f). Dem ist im Umkehrschluss zu entnehmen, dass bei Verstößen des Gesetzgebers gegen Unionsrecht eine hiervon unabhängige Haftung , nicht anders als in Fällen verfassungswidrigen nationalen Rechts, nicht geboten ist. Dafür, dass dies nur für die Haftung des Gesetzgebers gelten soll, nicht aber für die Exekutive, die das EU-rechtswidrige nationale Gesetz anwen- det, gibt es keinen Anhaltspunkt. Eine solche Einschränkung ist dem Urteil des Gerichtshofs nicht zu entnehmen. Sie wäre auch mit der Erwägung nicht in Einklang zu bringen, dass den Erfordernissen der vollen Wirksamkeit des Unionsrecht und des effektiven Schutzes der aus ihm folgenden Rechte mit einer Staatshaftung unter den genannten einschränkenden Voraussetzungen genüge getan ist. Hinzu tritt auch in diesem Zusammenhang, dass die nach der Entscheidung des Gerichtshofs jedenfalls für die Legislative zulässige Beschränkung der Haftung auf Sachverhalte, in denen ein hinreichend qualifizierter und unmittelbar schadenskausaler Verstoß gegen Unionsrecht vorliegt, weitgehend leerliefe, wenn die Exekutive für den Vollzug des entsprechenden nationalen Gesetzes unabhängig von diesen Voraussetzungen haften müsste.
40
Weiterhin ist das Erfordernis erfüllt, dass die Voraussetzungen für eine Haftung wegen eines Unionsrechtsverstoßes nicht ungünstiger sein dürfen als bei entsprechenden Ansprüchen wegen Verletzung innerstaatlichen Rechts (vgl. hierzu EuGH aaO Rn. 67, 70). § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW ist im Fall eines gegen nationales Verfassungsrecht verstoßenden Gesetzes ebenso wenig anwendbar wie bei einem dem Unionsrecht widersprechenden Gesetz. Schließlich wird durch den Ausschluss der von einem hinreichend qualifizierten Unionsrechtsverstoß unabhängigen Haftung in diesen Fällen auch nicht die Erlangung einer Entschädigung praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert (vgl. hierzu EuGH aaO), da der Geschädigte unter den Voraussetzungen des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs Ersatz für seine Schäden erlangen kann.
41
3. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 2, 3 AEUV ist entbehrlich.
42
Die Würdigung, ob ein Verstoß des Beklagten gegen das Unionsrecht im konkreten Einzelfall hinreichend qualifiziert ist, obliegt nach den vom Gerichtshof der Europäischen Union hierfür entwickelten Leitlinien den nationalen Gerichten (vgl. Senatsurteile vom 18. Oktober 2012 - III ZR 197/11, NJW 2013, 168 Rn. 38 und III ZR 196/11, EuZW 2013, 194 Rn. 38 jew. mwN). Unionsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Frage des hinreichend qualifizierten Charakters des EU-Rechtsverstoßes des Beklagten, die über die bloße Anwendung der Grundsätze des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs auf den vorliegenden konkreten Sachverhalt hinausgehen, wirft der Fall nicht auf.
43
Soweit die Anwendbarkeit von § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW auf die vorliegende Fallgestaltung betroffen ist, steht aufgrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 5. März 1996 (NJW 1996, 1267) mit der nach der "acte-clair-" beziehungsweise "acte-éclairé-Doktrin" erforderlichen Gewissheit (siehe hierzu z.B. EuGH, Urteil vom 15. September 2005 - C-495/03 - Intermodal Transports, Slg. 2005, I-8191 Rn. 33) fest, dass die Erwägungen des Senats zur Vereinbarkeit seiner Auslegung der Vorschrift mit dem Unionsrecht zutreffen. Den Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil vom 5. März 1996 ist - wie erwähnt - unzweifelhaft zu entnehmen, dass das Unionsrecht keine verschuldensunabhängige, von einem hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß losgelöste Haftung gebietet, wenn das nationale Recht im Widerspruch zum Unionsrecht steht. Dass dies nicht nur für die Haftung der gesetzgebenden Körperschaft gilt, sondern auch für die Behörde, die ein solchermaßen rechtswidriges nationales Gesetz anwendet, folgt ebenfalls mit der erforderlichen Gewissheit aus der genannten Entscheidung. Auch wenn Gegenstand des Urteils - bezogen auf die vom Senat und dem Londoner High Court unterbreiteten Sachverhalte - unmittelbar lediglich die Haftung der Legislative war, enthält es keinerlei Einschränkung, dass die Zulässigkeit des Ausschlusses einer vom Verschulden und einem qualifizierten Verstoß unabhängigen Haftung nur für die gesetzgebende Körperschaft gelten soll. Die hierzu angestellte ergänzende Erwägung des Senats, dass anderenfalls die Beschränkung der Haftung wegen "legislativen" Unrechts auf qualifizierte Verstöße de facto weitgehend leerliefe, wenn für den Vollzug unionsrechtswidriger nationaler Gesetze verschuldensunabhängig gehaftet werden müsste, ist in dem Urteil des Gerichtshofs - den zugrunde liegenden Sachverhalten entsprechend - zwar nicht enthalten. Sie liegt aber so klar auf der Hand, dass ernsthafte Zweifel ebenfalls nicht bestehen.
44
Die vorstehende Würdigung wird bestätigt durch die Begründung der Schlussanträge des Generalanwalts in jener Sache. Dieser hat seine Erörterung der Haftung auf der Grundlage des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs und ihrer Grenzen auch auf die Schäden bezogen, die durch die Anwendung eines nationalen Gesetzes entstanden sind, das im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht steht (Schlussanträge vom 28. November 1995 zu C-46/93, juris Rn. 3, 10). Zu einer Differenzierung danach, ob der Schaden unmittelbar durch das Gesetz verursacht wurde oder erst infolge seines verwaltungsmäßigen Vollzugs, hat er offensichtlich keinen Anlass gesehen.
45
Gleichfalls auf der Hand liegen die Würdigungen, dass mit der Nichtanwendbarkeit von § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG auf die vorliegende Fallgestaltung die Haftung für einen Unionsrechtsverstoß nicht ungünstiger ausgestaltet ist als für einen Anspruch wegen eines gleichartigen Verstoßes gegen höherrangiges nationales Recht und dass die Erlangung einer Entschädigung nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird.
Schlick Herrmann Tombrink
Remmert Reiter
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 09.09.2011 - 5 O 5/11 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 03.05.2013 - I-11 U 88/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 204/13
vom
26. Februar 2015
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Februar 2015 durch den
Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann, Hucke, Tombrink und
Dr. Remmert

beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. Mai 2013 - I-11 U 88/11 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu 2 zu tragen.
Streitwert: 25.000 €

Gründe:


1
Ein Revisionszulassungsgrund (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) besteht nicht. Die Abweisung der Klage des Klägers zu 2 wird sowohl hinsichtlich der gegenüber dem beklagten Land als auch bezüglich der beklagten Stadt geltend gemachten Ansprüche von der selbständigen Erwägung des Berufungsgerichts getragen, dass der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens durchgreift. Hierbei handelt es sich um eine im Wesentlichen dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung, gegenüber der die Beschwerde vergeblich versucht, einen Revisionszulassungsgrund aufzuzeigen. Insbesondere besteht insoweit kein Grund für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 2, 3 AEUV, da die unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens maßgeblichen europarechtlichen Fragen mit der nach der sogenann- ten acte-clair-Doktrin erforderlichen Gewissheit geklärt sind (siehe insbesondere EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C-46/08 - Carmen Media, Slg. 2010, I-8178 Rn. 84 ff, 102 ff).
2
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO abgesehen.
Schlick Herrmann Hucke
Tombrink Remmert
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 09.09.2011 - 5 O 5/11 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 03.05.2013 - I-11 U 88/11 -

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

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b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO allerdings einschränkend dahin auszulegen, dass in bestimmtem Umfang auch Tatsachen, die sich erst während der Revisionsinstanz ereignen, in die Urteilsfindung einfließen können, soweit sie unstreitig sind oder ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz ohnehin von Amts wegen zu beachten ist und schützenswerte Belange der Gegenseite nicht entgegenstehen. Der Gedanke der Konzentration der Revisionsinstanz auf die rechtliche Bewertung eines festgestellten Sachverhalts verliert nämlich an Gewicht, wenn die Berücksichtigung von neuen tatsächlichen Umständen keine nennenswerte Mehrarbeit verursacht und die Belange des Prozessgegners gewahrt bleiben. Dann kann es aus prozessökonomischen Gründen nicht zu verantworten sein, die vom Tatsachenausschluss betroffene Partei auf einen weiteren, ggf. durch mehrere Instanzen zu führenden Prozess zu verweisen. In einem solchen Fall ist vielmehr durch die Zulassung neuen Vorbringens im Revisionsverfahren eine rasche und endgültige Streitbereinigung herbeizuführen (Senatsurteil vom 21. November 2001 - XII ZR 162/99 - FamRZ 2002, 318, 319 m.w.N.).