Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 53/16
vom
20. Oktober 2016
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:201016BAK53.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 20. Oktober 2016 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Düsseldorf übertragen.

Gründe:

I.


1
Der Angeklagte wurde am 29. November 2015 vorläufig festgenommen und befand sich seitdem aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Düsseldorf vom 28. Oktober 2015 (Az.: 135 Gs 80 Js 1168/14-151/15) bis zu dessen Außervollzugsetzung am 22. Dezember 2015 in Untersuchungshaft. Nachdem das Oberlandesgericht Düsseldorf den Haftverschonungsbeschluss des Landgerichts Düsseldorf mit Beschluss vom 30. Dezember 2015 aufgehoben und den Haftbefehl wieder in Vollzug gesetzt hatte, wird die Untersuchungshaft wieder vollzogen.
2
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeklagte habe eine gegen das Leben (§§ 211, 212 StGB) oder gegen die persönliche Freiheit (§§ 239a, 239b StGB) gerichtete schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet , die nach den Umständen bestimmt und geeignet gewesen sei, die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen, indem er sich im Bürgerkriegsgebiet in Syrien oder im Irak von Angehörigen der Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) habe ausrüsten, sowie sich im Umgang mit Schusswaffen habe unterweisen lassen indem er sich ein Maschinengewehr verschafft habe (§ 89a Abs. 1 und 2 Nr. 1 und 2 StGB).
3
Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat wegen dieses Vorwurfs am 2. Februar 2016 Anklage zum Landgericht Düsseldorf erhoben, die sie wegen dessen Unzuständigkeit am 11. Februar 2016 zurückgenommen und am selben Tag Anklage zum Amtsgericht Düsseldorf - Jugendschöffengericht - erhoben hat. Dieses hat am 8. Juli 2016 das Hauptverfahren eröffnet und am 28. Juli 2016 mit der Hauptverhandlung begonnen. Mit im Hauptverhandlungstermin vom 19. September 2016 verkündeten Beschluss hat es die Sache gemäß § 270 StPO dem Oberlandesgericht Düsseldorf vorgelegt, weil der Angeklagte aufgrund des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme über den Anklagevorwurf hinaus hinreichend verdächtig sei, sich als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung Islamischer Staat (IS) beteiligt zu haben. Gleichzeitig hat es die Fortdauer der Untersuchungshaft aus den Gründen des Haftbefehls des Amtsgerichts Düsseldorf vom 28. Oktober 2015, den in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 11. Februar 2016 niedergelegten Gründen sowie unter Berücksichtigung der Gründe des genannten Vorlage- und Haftfortdauerbeschlusses angeordnet. Der - erstinstanzlich zuständige - 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat mit Beschluss vom 23. September 2016 seine Zuständigkeit bejaht und die Sache übernommen.
4
Bereits am 10. Mai 2016 hatte der für die Haftprüfung zuständige 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf die Haftfortdauer über sechs Monate hinaus angeordnet und Termin zur nächsten Haftprüfung auf den 9. August 2016 bestimmt.

II.


5
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus liegen vor.
6
1. Gegenstand des Haftprüfungsverfahrens ist der Haftbefehl des Amtsgerichts Düsseldorf vom 28. Oktober 2015 in der Gestalt, die er durch den Haftfortdauerbeschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 19. September 2016 erhalten hat.
7
In diesem Haftbefehl ist das Verhalten des Angeklagten in rechtlicher Hinsicht zwar lediglich als Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gewürdigt worden; dargestellt ist aber bereits, dass sich der Angeklagte einer Gruppe von Kämpfern des IS anschloss und von diesen ausgerüstet und im Umgang mit Waffen unterwiesen wurde. Hinzu kommt, dass ausweislich des Vorlegungs- und Haftfortdauerbeschlusses des Amtsgerichts Düsseldorf vom 19. September 2016 die bisher durchgeführte Beweisaufnahme ergeben hat, dass sich der Angeklagte in der Zeit von August 2014 bis Juli 2015 dem IS angeschlossen hatte, sich für diesen als Kämpfer zur Verfügung stellte und für ihn auch an Kampfhandlungen teilnahm. Das Amtsgericht hat deshalb in dem genannten Beschluss jedenfalls den hinreichenden Verdacht bejaht, der Angeklagte habe sich an einer ausländischen terroristischen Vereinigung als Mitglied beteiligt.
8
Diese Umstände sind auch im vorliegenden Haftprüfungsverfahren zu berücksichtigen. Zwar ist nur der nach § 122 Abs. 1 StPO vorgelegte Haftbefehl Gegenstand der Haftprüfung (vgl. KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rn. 24) und damit grundsätzlich auch ausschließlich der darin gegenüber dem Angeklagten erhobene Vorwurf (BGH, Beschluss vom 28. Juli 2016 - AK 41/16, juris Rn. 9). Diese Beschränkung bezieht sich indes auf den geschilderten Lebenssachverhalt , aus dem sich die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat ergibt (vgl. KK-Schultheis aaO, § 121 Rn. 10 mwN), nicht dagegen auf dessen rechtliche Würdigung. Bereits der Haftbefehl vom 28. Oktober 2015 enthielt die Schilderung der Einbindung des Angeklagten in Strukturen des IS. Es kann darüber hinaus offen bleiben, ob die weiteren Erkenntnisse, die die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Düsseldorf zu Tage gebracht hat, diese Tatsachengrundlage und damit den dem Angeklagten zur Last gelegten Tatvorwurf überhaupt erweitern oder nur verdichten würden. Denn diese Umstände sind in dem Haftfortdauerbeschluss vom 19. September 2016 aufgeführt, der dem in der Hauptverhandlung anwesenden Angeklagten mündlich verkündet wurde. Dadurch wurde dem Zweck der Anhörungsvorschriften (§ 114a, § 115 Abs. 2 StPO) genügt, so dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts , nach der eine Erweiterung des Haftbefehls im Haftprüfungsverfahren nur berücksichtigt werden kann, wenn dieser erweiternde Beschluss wiederum ordnungsgemäß verkündet wurde (Beschluss vom 20. September 2001 - 2 BvR 1144/01, NStZ 2002, 157, 158), einer Einbeziehung der im Haftfortdauerbeschluss vom 19. September 2016 genannten tat- sächlichen Anhaltspunkte in die nunmehr vom Senat vorzunehmende Haftprüfung nicht entgegensteht (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 24. Juni 2003 - 2 Ws 164/03, NStZ-RR 2003, 346, 347; KK-Schultheis aaO, § 121 Rn. 25).
9
2. Der Angeklagte ist der ihm im Haftbefehl vom 28. Oktober 2015 vorgeworfenen Tat unter Berücksichtigung der im Haftfortdauerbeschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 19. September 2016 aufgeführten Umstände dringend verdächtig.
10
a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
11
aa) Der Angeklagte fasste zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor August 2014 den Entschluss, in den Bürgerkrieg in Syrien auf Seiten des IS kämpfend einzugreifen. Dazu begab er sich ab dem 10. August 2014 über die Türkei nach Syrien, wo er sich dem IS anschloss und zunächst für drei Monate ein Training absolvierte, in dem er auch im Umgang mit Schusswaffen unterwiesen wurde. Dadurch wollte er sich befähigen, in Kampfhandlungen Soldaten der syrischen Regierungstruppen töten zu können, wodurch wiederum die staatlichen Strukturen in Syrien zumindest beeinträchtigt werden sollten.
12
Im Anschluss daran beteiligte er sich tatsächlich auf Seiten des IS an Kampfhandlungen, bei denen er möglicherweise auch andere Menschen tötete. Von "der Leitung", mithin von seinen Vorgesetzten beim IS, bekam er ein Gewehr chinesischer Bauart zur Verfügung gestellt und erhielt einen - geringfügigen - Sold ausgezahlt. Davon kaufte er sich später ein Gewehr deutscher Bauart , mit dem er in der Folgezeit kämpfte, weil das chinesische zu schnell überhitzte.
13
Im März 2015 wurde der Angeklagte von türkischen Behörden aufgrund einer Vermisstenmeldung festgehalten und schließlich am 20. März 2015 zurück nach Deutschland überstellt.
14
bb) Der "Islamische Staat" ist eine Organisation mit militantfundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak und das Regime des syrischen Präsidenten Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.
15
In den von ihr kontrollierten Gebieten werden Angehörige von Oppositionsgruppen sowie die Teile der Zivilbevölkerung, die ihren Herrschaftsanspruch in Frage stellen, der Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt, es kam auch schon zu Massakern an Teilen der Zivilbevölkerung und immer wieder zu Terroranschlägen.
16
Der IS hat auch für Anschläge in Europa, etwa in Frankreich und Belgien, die Verantwortung übernommen.
17
b) Der Angeklagte ist der ihm zur Last gelegten Taten dringend verdächtig.
18
Der dringende Tatverdacht ergibt sich hinsichtlich seiner Tathandlungen aus den Angaben von Zeugen, nicht zuletzt der mit ihm nach islamischem Recht verheirateten Zeugin D. , sowie aus der Auswertung des Mobiltelefons des Angeklagten, das Hinweise auf seine Aufenthaltsorte im Tatzeitraum enthält, auf dem mehrere Bilddateien gespeichert waren, die ihn unter anderem mit den genannten Waffen zeigen, und auf dem weitere Dateien aufgefunden wurden, die den Tatvorwurf belegen, etwa ein Selbstportrait, in dem sich der Angeklagte als "IS-Terrorist" bezeichnet. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführliche Darstellung im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 11. Februar 2016 sowie auf die Ausführungen des Amtsgerichts Düsseldorf in seinem Haftfortdauerbeschluss vom 19. September 2016 Bezug.
19
Entstehung, Ziele, Vorgehensweise und Struktur des IS waren bereits mehrfach Gegenstand von Entscheidungen des Senats, dem aus diesen Verfahren Auswertungen des Bundeskriminalamtes und insbesondere gutachterliche Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. bekannt sind, aus denen sich der dringende Tatverdacht ergibt, dass es sich beim IS um eine terroristische Vereinigung handelt.
20
c) In rechtlicher Hinsicht ist aufgrund dieses Ermittlungsergebnisses jedenfalls der dringende Verdacht belegt, dass der Angeklagte sich als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung IS beteiligt hat, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB. Ob er durch seine Handlungen gegebenenfalls weitere Strafvorschriften verletzt hat - Verstöße gegen das WaffG und das KrWaffKontrG hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf nach "§ 154a Abs. 1 StPO" ausgeschieden - und welche Auswirkungen dies auf die Strafbarkeit wegen der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung haben kann (zur konkurrenzrechtlichen Beurteilung von Handlungen , die mitgliedschaftliche Beteiligungsakte an einer terroristischen Vereinigung darstellen und zugleich den Tatbestand einer anderen Strafvorschrift erfüllen vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 311 ff.), kann offen bleiben, weil schon der Verdacht der Mitgliedschaft im IS die Haftfortdauer trägt.
21
Auf die Handlungen des Angeklagten ist deutsches Strafrecht anwendbar : Dies folgt unmittelbar aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 2 StGB, weil der Beschuldigte Deutscher ist (vgl. zum Strafanwendungsrecht nach § 129a Abs. 1 Satz 2 StGB nunmehr auch BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris).
22
3. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr, § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO. Der Angeklagte hat im Fall seiner Verurteilung eine nicht unerhebliche Jugendstrafe zu erwarten, die einen beträchtlichen Fluchtanreiz begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit Bezug auf die Ausführungen in dem Haftbefehl des Amtsgerichts Düsseldorf vom 28. Oktober 2015 und insbesondere auf die zutreffenden Erwägungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf in dem Beschluss vom 30. Dezember 2015, mit dem es den Haftverschonungsbeschluss des Landgerichts Düsseldorf aufgehoben hatte. An den dieser Beurteilung zu Grunde liegenden Umständen hat sich in der Zwischenzeit nichts geändert.
23
Aufgrund des nunmehr gegebenen dringenden Tatverdachts der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung besteht zudem der Haftgrund der Schwerkriminalität, § 112 Abs. 3 StPO. Die die Fluchtgefahr begründenden Umstände begründen auch die Gefahr, dass die Ahndung der Tat ohne die weitere Inhaftierung des Angeklagten vereitelt werden könnte, so dass die Vorschrift auch bei ihrer gebotenen restriktiven Auslegung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) anzuwenden ist.
24
Aus den genannten Gründen kann der Zweck der Untersuchungshaft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 StPO).
25
4. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor.
26
Ein wichtiger Grund im Sinne von § 121 Abs. 1 Variante 3 StPO hat ein Urteil bislang noch nicht zugelassen. Nach der letzten regulären Haftprüfung durch das Oberlandesgericht Düsseldorf am 10. Mai 2016 ist das Verfahren zunächst mit der gebotenen Beschleunigung betrieben worden. Insbesondere hat das seinerzeit noch zuständige Amtsgericht Düsseldorf - Jugendschöffengericht - am 8. Juli 2016 das Hauptverfahren eröffnet und am 28. Juli 2016 mit der Hauptverhandlung begonnen, so dass die vom Oberlandesgericht Düsseldorf auf den 9. August 2016 gesetzte Frist zur Haftprüfung bis zur Urteilsverkündung geruht hätte (§ 121 Abs. 3 Satz 2 StPO).
27
Die in der Hauptverhandlung zu Tage getretenen Umstände, die nunmehr den dringenden Tatverdacht einer Straftat nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB begründen, bedingen zwingend einen Wechsel der gerichtlichen Zuständigkeit (§ 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG), der es erforderlich gemacht hat, die Hauptverhandlung auszusetzen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Übernahme vorzulegen, das nunmehr die Hauptverhandlung neu zu beginnen hat. Damit liegt ein gewichtiger Grund vor, der den beiden in § 121 Abs. 1 Varianten 1 und 2 StPO genannten Verlängerungsgründen gleich zu achten ist (vgl. KK-Schultheis aaO, § 121 Rn. 15 mwN). Das nunmehr zuständige Oberlandesgericht Düsseldorf beabsichtigt, die Hauptverhandlung unverzüglich neu zu terminieren und zu beginnen.
28
5. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach alledem nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe.
Becker Gericke Tiemann

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Strafprozeßordnung - StPO | § 121 Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate


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(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Nötigung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) § 239a Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend.

(1) Wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Eine schwere staatsgefährdende Gewalttat ist eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 oder des § 212 oder gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b, die nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.

(2) Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er

1.
eine andere Person unterweist oder sich unterweisen lässt in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen, Stoffen, die Gift enthalten oder hervorbringen können, anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer der in Absatz 1 genannten Straftaten dienen,
2.
Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder einem anderen überlässt oder
3.
Gegenstände oder Stoffe sich verschafft oder verwahrt, die für die Herstellung von Waffen, Stoffen oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art wesentlich sind.

(2a) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er es unternimmt, zum Zweck der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat oder der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Handlungen aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, um sich in einen Staat zu begeben, in dem Unterweisungen von Personen im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 erfolgen.

(3) Absatz 1 gilt auch, wenn die Vorbereitung im Ausland begangen wird. Wird die Vorbereitung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union begangen, gilt dies nur, wenn sie durch einen Deutschen oder einen Ausländer mit Lebensgrundlage im Inland begangen wird oder die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland oder durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll.

(4) In den Fällen des Absatzes 3 Satz 2 bedarf die Verfolgung der Ermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Wird die Vorbereitung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union begangen, bedarf die Verfolgung der Ermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, wenn die Vorbereitung weder durch einen Deutschen erfolgt noch die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland noch durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll.

(5) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Täter freiwillig die weitere Vorbereitung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat aufgibt und eine von ihm verursachte und erkannte Gefahr, dass andere diese Tat weiter vorbereiten oder sie ausführen, abwendet oder wesentlich mindert oder wenn er freiwillig die Vollendung dieser Tat verhindert. Wird ohne Zutun des Täters die bezeichnete Gefahr abgewendet oder wesentlich gemindert oder die Vollendung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat verhindert, genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, dieses Ziel zu erreichen.

(1) Hält ein Gericht nach Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so verweist es die Sache durch Beschluß an das zuständige Gericht; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. Ebenso ist zu verfahren, wenn das Gericht einen rechtzeitig geltend gemachten Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält.

(2) In dem Beschluß bezeichnet das Gericht den Angeklagten und die Tat gemäß § 200 Abs. 1 Satz 1.

(3) Der Beschluß hat die Wirkung eines das Hauptverfahren eröffnenden Beschlusses. Seine Anfechtbarkeit bestimmt sich nach § 210.

(4) Ist der Verweisungsbeschluß von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht ergangen, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Bekanntmachung des Beschlusses zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, an das die Sache verwiesen worden ist.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

9
Trotz der zahlreichen im vorliegenden Verfahren ergangenen Haftentscheidungen ist Gegenstand der Haftprüfung ausschließlich der Haftbefehl des Amtsgerichts Frankfurt am Main in seiner Fassung vom 24. Februar 2015 und in dessen Folge ausschließlich der darin gegenüber dem Angeklagten erhobene Vorwurf. Es kann dahinstehen, ob in den verschiedenen Haftfortdauerentscheidungen des Landgerichts Frankfurt am Main und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main eine Erweiterung des ursprünglichen Haftbefehls um den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB) zu sehen ist. Die Entscheidungen sind jedenfalls nicht gemäß § 115 StPO verkündet worden, der auch auf die Erweiterung des Haftbefehls entsprechend anwendbar ist. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Verkündung des erweiterten Haftbefehls gemäß § 115 StPO, so darf er in einem Haftfortdauerbeschluss gemäß §§ 121, 122 StPO nicht berücksichtigt werden (BVerfG, Beschluss vom 20. September 2001 - 2 BvR 1144/01, NStZ 2002, 157, 158 mwN; KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rn. 4, 25; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 115 Rn. 11; MüKoStPO/Böhm, § 121 Rn. 11). Soweit das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in der Vergangenheit als Haftprüfungsgericht gemäß §§ 121, 122 StPO entschieden hatte, hätte ihm überdies auch die Kompetenz zur Erweiterung oder Anpassung des Haftbefehls gefehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2014 - AK 31/14, juris Rn. 17; KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rn. 24a mwN).

Dem Beschuldigten ist bei der Verhaftung eine Abschrift des Haftbefehls auszuhändigen; beherrscht er die deutsche Sprache nicht hinreichend, erhält er zudem eine Übersetzung in einer für ihn verständlichen Sprache. Ist die Aushändigung einer Abschrift und einer etwaigen Übersetzung nicht möglich, ist ihm unverzüglich in einer für ihn verständlichen Sprache mitzuteilen, welches die Gründe für die Verhaftung sind und welche Beschuldigungen gegen ihn erhoben werden. In diesem Fall ist die Aushändigung der Abschrift des Haftbefehls sowie einer etwaigen Übersetzung unverzüglich nachzuholen.

(1) Wird der Beschuldigte auf Grund des Haftbefehls ergriffen, so ist er unverzüglich dem zuständigen Gericht vorzuführen.

(2) Das Gericht hat den Beschuldigten unverzüglich nach der Vorführung, spätestens am nächsten Tage, über den Gegenstand der Beschuldigung zu vernehmen.

(3) Bei der Vernehmung ist der Beschuldigte auf die ihn belastenden Umstände und sein Recht hinzuweisen, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ihm ist Gelegenheit zu geben, die Verdachts- und Haftgründe zu entkräften und die Tatsachen geltend zu machen, die zu seinen Gunsten sprechen.

(4) Wird die Haft aufrechterhalten, so ist der Beschuldigte über das Recht der Beschwerde und die anderen Rechtsbehelfe (§ 117 Abs. 1, 2, § 118 Abs. 1, 2, § 119 Abs. 5, § 119a Abs. 1) zu belehren. § 304 Abs. 4 und 5 bleibt unberührt.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 537/14
vom
9. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:090715B3STR537.14.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 9. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Januar 2014, soweit es ihn betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall B.VIII. der Urteilsgründe sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht Wipperfürth - Strafrichter - zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freispruch im Übrigen - wegen Körperverletzung (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe) sowie wegen versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Fall B.VIII. der Urteilsgründe) zu der Gesamt- geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt. Die auf die Rüge der Ver- letzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts rief der Angeklagte am 1. Mai 2011 zwischen 3.00 und 4.00 Uhr auf einer Maifeier in R. lauthals "Sieg Heil". Als ihn ein Besucher deswegen zur Rede stellen wollte, wiederholte er den Ausruf und "schlug dem Zeugen mit der flachen Hand die Brille aus dem Gesicht, ohne ihm dabei Schmerzen zuzufügen oder die Brille zu beschädigen". Anschließend entfernte sich der Angeklagte (Fall B.VIII. der Urteilsgründe).
3
Am 25. November 2011 kam es in W. außerhalb eines Schnellrestaurants zu einer Schlägerei, weswegen der Filialleiter die Polizei informierte. Als er bemerkte, dass die Kämpfenden den Ort des Geschehens verließen, hielt er den sich ebenfalls entfernenden Angeklagten, der in die Filiale gekommen war und zu einer der Gruppe der Kämpfenden gehörte, am Arm fest, um einen Zeugen vor Ort zu haben. Der Angeklagte riss sich los und rannte zur Tür. Als der Filialleiter ihm folgte, drehte sich der Angeklagte um, versetzte ihm einen Schlag mit der Faust ins Gesicht und floh anschließend vom Tatort (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe).
4
2. Die Verurteilung wegen Körperverletzung hinsichtlich des unter B.VII. 10. der Urteilsgründe geschilderten Sachverhalts hat Bestand. Soweit die Revision geltend macht, das Landgericht hätte eine Rechtfertigung des Angeklagten durch Notwehr erörtern müssen, ergeben die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen , dass der Faustschlag des sich ohnehin im Gehen befindlichen Angeklagten jedenfalls nicht erforderlich im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB war.
5
3. Demgegenüber wird der Schuldspruch wegen versuchter Körperverletzung hinsichtlich des Geschehens vom 1. Mai 2011 von den Feststellungen nicht getragen. Insofern fehlt es an Ausführungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten. Es mag zwar naheliegen, dass dessen Angriff nicht ausschließlich der Brille, sondern auch der körperlichen Integrität des Geschädigten galt oder dass der Angeklagte jedenfalls die Möglichkeit erkannte, diesen durch sein Vorgehen zu verletzen und dies billigend in Kauf nahm. Dies festzustellen ist indes Sache des Tatrichters. Darüber hinaus verhält sich das Urteil nicht zum Vorstellungsbild des Angeklagten unmittelbar nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung, welches für die Beurteilung maßgeblich ist, ob der Angeklagte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB von einem etwaigen Versuch strafbefreiend zurückgetreten ist (vgl. zum Rücktrittshorizont BGH, Urteil vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 305 f.).
6
Die deshalb gebotene Aufhebung des Urteils umfasst auch das in Tateinheit zur versuchten Körperverletzung stehende, für sich betrachtet rechtsfehlerfrei festgestellte Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12 mwN). Der Wegfall der Einzelstrafe zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.
7
Nach Ausscheiden des die Zuständigkeit des Landgerichts begründenden Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB verweist der Senat das Verfahren im Umfang der Aufhebung an das für das Geschehen in R. örtlich zuständige Amtsgerichts Wipperfürth - Strafrichter - zurück (§ 354 Abs. 3 StPO).
8
4. Darüber hinaus stellt der Senat klar, dass entgegen den Ausführungen in den schriftlichen Urteilsgründen des Landgerichts für einen Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und vom Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Nr. 1 (12) der Anklage) kein Raum war, und sich dementsprechend der ausgeurteilte Teilfreispruch hierauf nicht erstreckt.
9
Allerdings war die Anklage mit Blick auf das Geschehen vom 1. Mai 2011 von zwei Taten (§ 53 StGB) - dem ersten Ruf "Sieg Heil" auf der einen, dem zweiten Ruf sowie dem Schlag gegen die Brille auf der anderen Seite - ausgegangen. In diesen Fällen ist ein Freispruch auch dann angezeigt, wenn das tatmehrheitlich angeklagte, indes nicht als erwiesen angesehene Geschehen mit dem abgeurteilten Teil eine natürliche Handlungseinheit bilden würde (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 260 Rn. 13 mwN). Dies gilt jedoch nicht, wenn - wie vorliegend - das gesamte angeklagte Geschehen abgeurteilt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2012 - 3 StR 220/12, NStZ-RR 2013, 6, 7). Denn in diesen Fällen ist für eine weitere materiellrechtliche Tat, die Gegenstand eines Freispruchs sein könnte, kein Raum mehr.
10
Ein Freispruch unterbleibt des Weiteren, wenn nicht wegen aller Taten verurteilt wird, die nach dem Eröffnungsbeschluss in Tateinheit zueinander stehen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1984 - 5 StR 270/84, NStZ 1985, 13, 15 f. bei Pfeiffer/Miebach). Deswegen kam ein Freispruch vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, der als in Tateinheit zu der Körperverletzung vom 25. November 2011 stehend angeklagt worden war, nicht in Betracht.
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 52/16
vom
6. Oktober 2016
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:061016BAK52.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Beschuldigten und seiner Verteidiger am 6. Oktober 2016 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:

I.


1
Der Beschuldigte wurde am 22. März 2016 festgenommen und befindet sich seitdem - zunächst aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 23. März 2016 (2 BGs 203/16) - in Untersuchungshaft. Diesen Haftbefehl hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs durch Beschluss vom 9. August 2016 (2 BGs 552/16) aufgehoben und ersetzt.
2
Gegenstand des neuen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe sich spätestens seit Juli 2013 bis zum 22. März 2016 in Syrien und in der Bundesrepublik Deutschland - bis zum 2. Januar 2015 als Jugendlicher und in der Zeit danach als Heranwachsender - in 181 Fällen als Mitglied an der Grup- pierung "Islamischer Staat im Irak und Großsyrien (ISIG)" - seit dem 29. Juni 2014 auftretend unter "Islamischer Staat (IS)" - beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 VStGB) zu begehen (strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 bis 3 StGB, §§ 1, 3, 105 JGG), und habe in 179 dieser Fälle tateinheitlich über Kriegswaffen die tatsächliche Gewalt ausgeübt, ohne dass der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen beruht oder eine Anzeige nach § 12 Abs. 6 Nr. 1 oder § 26a des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen erstattet worden sei (strafbar gemäß § 22a Abs. 1 Nr. 6 KWKG, §§ 1, 3, 105 JGG).

II.


3
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
4
1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vorgeworfenen Taten dringend verdächtig.
5
a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
6
aa) Die Vereinigung "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien (ISIG)" bzw. "Islamischer Staat (IS)"
7
Der "Islamische Staat im Irak und in Großsyrien" (im Folgenden: ISIG) bzw. nunmehr der "Islamische Staat" (im Folgenden: IS) ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak und das Regime des syrischen Präsidenten Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.
8
Die Organisation geht zurück auf die als "al-Qaida im Irak (AQI)" bekannt gewordene, von Abu Musab al-Zarqawi geführte Gruppierung "Tanzim Qa'idat al-Jihad fi Bilad ar-Rafidain" ("Organisation der Basis des Jihad im Zweistromland" ) und deren Vorgängerorganisationen. Im Jahr 2006 schloss sich diese Vereinigung mit anderen Gruppierungen unter der Dachorganisation "SchuraRat der Mudschaheddin im Irak" zusammen, aus der nach dem Tod alZarqawis im Juni 2006 der "Islamische Staat im Irak" (im Folgenden: ISI) unter der Führung von Abu Ayyub al-Masri hervorging. Nachdem dieser im Frühjahr 2010 bei einer Operation der US-Armee getötet worden war, übernahm Abu Bakr al-Baghdadi die Führung des ISI und griff ab dem Jahr 2012 - einem Aufruf des Anführers der al-Qaida, al-Zawahiri, folgend - in den syrischen Bürgerkrieg ein, indem er Kämpfer dorthin entsandte. Nach internen Auseinandersetzungen insbesondere mit der Jabhat al-Nusra, mit der al-Baghdadi zunächst zusammen arbeitete, die er aber als untergeordnete Organisation ansah und deren Zusammenschluss mit dem ISI zum ISIG er im April 2013 verkündete, kam es Anfang des Jahres 2014 zum Bruch al-Baghdadis sowohl mit al-Qaida als auch mit der Jabhat al-Nusra, der im April 2014 mit einer öffentlichen Lossagung des ISIG vom al-Qaida-Netzwerk bestätigt wurde.
9
Dem ISIG gelang es, sich in einigen Regionen Nordsyriens als Ordnungsmacht festzusetzen. Aus dem Kampf gegen das Assad-Regime zog sich die Organisation in der Folge weitgehend zurück und konzentrierte sich auf die Machterhaltung in den von ihr beherrschten Gebieten. Angehörige anderer Oppositionsgruppen sowie die Teile der Zivilbevölkerung, die den Herrschaftsanspruch des ISIG in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Im August 2013 kam es bei Operationen mehrerer Gruppen in der Provinz Latakia unter der Führung des ISIG zu Massakern unter der regierungstreuen alawitischen Zivilbevölkerung, denen 190 Menschen zum Opfer fielen; weitere ca. 200 Personen wurden entführt. Zur Taktik des ISIG gehörte auch die Entführung von ausländischen Journalisten, Mitarbeitern von Nichtregierungsorganisationen oder sonstigen Dritten, die grausam getötet und dabei gefilmt wurden, um diese Aufnahmen später medienwirksam zu Zwecken der Einschüchterung zu verbreiten.
10
Wegen der Parteinahme der libanesischen "Hizbollah" für das AssadRegime verübte der ISIG ferner am 2. Januar 2014 einen Bombenanschlag in einem schiitischen Wohngebiet in Beirut, der vier Menschen tötete und 77 verletzte. Daneben kam es zu weiteren Aktionen im Irak, so zu dem Überfall auf die Gefängnisse in Abu Ghuraib und Tadshi am 22. Juli 2013 sowie einem Selbstmordanschlag in Arbil am 29. September 2013 mit jeweils mehreren Todesopfern.
11
In der Folge verlagerte der ISIG seine Aktivitäten zunehmend in den Irak, wo es ihm Anfang Juni 2014 u.a. gelang, die Stadt Mossul unter seine Gewalt zu bringen. Die Angriffe richteten sich zudem gegen die im Norden des Irak ansässige Minderheit der Jesiden; im August 2014 kam es dabei zu Massenhinrichtungen.
12
Die Führung des ISIG bestand aus dem "Emir" Abu Bakr al-Baghdadi, dem "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche unterstellt waren, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Der Führungsebene zugeordnet waren beratende "Shura-Räte" sowie "Gerichte", die über die Einhaltung der Regeln der Sharia wachten. Veröffentlichungen wurden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-I'tisam" verbreitet. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung bestand aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift: "Allah - Rasul - Muhammad", auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die mehreren Tausend Kämpfer waren dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.
13
Am 29. Juni 2014 rief der offizielle Sprecher des ISIG das "Kalifat" aus und erklärte al-Baghdadi zum "Kalifen", dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Zugleich wurde die Umbenennung des ISIG in "Islamischer Staat" (IS) verkündet. Dadurch verdeutlichte die Vereinigung - bei Beibehaltung der bisherigen ideologischen Ausrichtung - eine Abkehr von der regionalen Selbstbeschränkung auf ein "Großsyrien" und erhob einen Führungs- und Herrschaftsanspruch in Bezug auf das gesamte "Haus des Islam". Zugleich eingeleitete organisatorische Veränderungen, so die Bildung von "Räten" für Einzelressorts , die Einteilung der besetzten Gebiete in Gouvernements und die Ein- richtung eines Geheimdienstapparates, zielen auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen.
14
bb) Die Tathandlungen des Beschuldigten:
15
An einem nicht näher feststellbaren Tag im Jahr 2013, wahrscheinlich im Juni oder Juli 2013, schloss sich der Beschuldigte in seinem Heimatdorf B. auf Veranlassung des Imams und ISIG-Mitglieds T. dem ISIG an. Er identifizierte sich mit dessen Zielen, gliederte sich in dessen Verbandsleben ein und führte die ihm von seinen Vorgesetzten erteilten Befehle aus. Bis zu seiner Festnahme am 22. März 2016 kam es zu folgenden Beteiligungshandlungen:
16
(1) Nach seinem Anschluss an den ISIG nahm der Beschuldigte im Großraum B. an dessen religiöser und militärischer Ausbildung teil, die er jedoch noch im Jahr 2013 abbrach. In der Folge wirkte er für den ISIG - bzw. später für den IS - an der Belagerung eines Flughafens sowie der Belagerung der Stadt E. und an der Lebensmittelbeschaffung zur Versorgung der IS-Mitglieder mit (vgl. hierzu Fälle 2-180). Anfang August 2015 begab sich der Beschuldigte auf Veranlassung seiner Eltern zusammen mit seinem Schwager S. auf die Reise in die Bundesrepublik Deutschland, wo er im August 2015 ankam. Er hielt über sein Smartphone weiterhin Kontakt zum IS, insbesondere zu T. .
17
Um das Wissen des IS über potenzielle Anschlagsziele in Deutschland zu verbessern, kundschaftete der Beschuldigte ab einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt bis zum 10. Februar 2016 für T. in Berlin den Alexanderplatz, das Brandenburger Tor und das Gebiet um den Reichstag aus. Seine Erkenntnisse darüber, wie viele Personen und Reisebusse sich zu welcher Zeit jeweils an diesen Orten befanden, teilte er in der Woche ab dem 10. Februar 2016 T. von Ba. aus telefonisch nach Syrien mit.
18
Spätestens ab Januar 2016 wollte der Beschuldigte wieder nach Syrien zurückzukehren, um dort am bewaffneten Kampf des IS teilzunehmen. Dies teilte er in einem in der Zeit vom 1. Februar 2016 bis zum 19. März 2016 von Ba. , M. und D. aus geführten WhatsApp-Chat gegenüber dem IS-Mitglied G. mit. G. berichtete Verantwortlichen des IS von diesem Vorhaben, die sich damit einverstanden zeigten. Über seine Zusage hinaus, als Kämpfer zurückzukehren, erklärte der Beschuldigte am 2. März 2016 gegenüber G. - der vom IS den Auftrag erhalten hatte, von Syrien aus Attentäter in Europa zu rekrutieren - auch seine Bereitschaft, als Kontaktmann zur Verfügung zu stehen, wenn der IS einen Weg finden würde, Attentäter für einen nicht näher konkretisierten Anschlag nach Deutschland zu schicken, oder alternativ mit zwei unbekannten Personen selbst für den IS in Deutschland einen Anschlag zu begehen. G. unterbreitete dies seinen Vorgesetzten im IS, die nun mit einer Kontaktperson für potenzielle Attentäter und einem möglichen Attentäter in Deutschland rechnen konnten.
19
Neben seinen Kontakten zu G. bemühte sich der Angeklagte in der Zeit vom 17. Januar bis zum 19. März 2016 zusätzlich, seine Rückkehr in den bewaffneten Kampf des IS in Syrien über das IS-Mitglied Da. zu organisieren. In einem während dieser Zeit von Be. aus geführten WhatsApp-Chat bat der Beschuldigte Da. , ihm bei seiner Rückkehr zum IS zu helfen. Da. sagte dem Beschuldigten seine persönliche Hilfe zu und besprach die Angelegenheit mit seinen Vorgesetzten. Sodann teilte er dem Beschuldigten mit, der IS beabsichtige, ihm bei seiner Rückkehr zu helfen.
20
Neben den Bemühungen, seine eigene Rückreise nach Syrien zu organisieren , hatte der Beschuldigte im Januar 2016 Kontakt zu einem nicht näher identifizierten K. . Für diesen erkundigte sich der Beschuldigte bei Verantwortlichen des IS nach den Möglichkeiten, ob bzw. wie sich K. dem IS anschließen könne. Ihm wurde daraufhin mitgeteilt, dass K. nach E. zum IS kommen und dort eine militärische Ausbildung machen könne. Diese Auskunft teilte der Beschuldigte K. sodann mit (Fall 1).
21
(2) Beginnend Mitte des Jahres 2013 - und möglicherweise auch noch zu Beginn des Folgejahres - nahm der Beschuldigte über einen Zeitraum von etwa sechs Monaten und unter der Befehlsgewalt des libyschen ISIGKommandanten L. für den ISIG an der Belagerung eines von B. etwa 30-35 Kilometer entfernten Flughafens teil. Dort leistete er Wachdienste von jeweils drei bis vier Stunden, um einen Ausbruch der sich auf dem Flughafen befindlichen Assad-Truppen zu verhindern. Hierfür bekam der Beschuldigte von Verantwortlichen des ISIG für jeden Einsatz ein vollautomatisches Sturmgewehr des Typs Kalaschnikow ausgehändigt, das er am Ende einer jeden Wache zurückgab. Derartige Wachdienste verrichtete er mindestens zweimal pro Woche, mithin an mindestens 50 Tagen (Fälle 2-51).
22
(3) Nachdem der Beschuldigte von der Belagerung des Flughafens abgezogen worden war, nahm er in der Folge, wahrscheinlich zu Beginn des Jahres 2014, möglicherweise auch schon Ende 2013, für etwa drei Monate auf Seiten des ISIG an der Belagerung der Stadt E. teil. An den Einsatztagen erschien der Beschuldigte an dem ihm von Verantwortlichen des ISIG vorgege- benen Einsatzort und führte auf Befehl seines Vorgesetzten, dem ISIG-Mitglied Ka. , die ihm aufgetragenen Tätigkeiten aus, wobei er überwiegend Wachdienste leistete. Damit wollte er gewährleisten, dass niemand aus der Stadt E. gelangen konnte. Im Rahmen seiner Einsätze erhielt er täglich eine Kalaschnikow, die er am Ende jeden Einsatztages wieder abgab. In diesem etwa dreimonatigen Zeitraum wirkte der Beschuldigte mindestens zweimal pro Woche, insgesamt an mindestens 24 Tagen, an der Belagerung von E. für den ISIG mit (Fälle 52-75).
23
(4) Im Zeitraum von etwa Februar oder März 2014 bis Mai 2015 begleitete der Beschuldigte T. von B. mit einem Land Rover nach M. , um dort gemeinsam Lebensmittel für den ISIG - bzw. später den IS - einzukaufen. Anschließend lieferte er die Lebensmittel in einem Camp der Gruppierung in E. aus. Der Beschuldigte war hierbei stets mit einer Kalaschnikow bewaffnet, die ihm T. zu Beginn aushändigte und die er diesem nach dem Ende einer jeden Fahrt zurückgab. Diese Dienste übte der Beschuldigte mindestens alle vier Tage und insgesamt an mindestens 105 Tagen aus (Fälle 76-180).
24
b) Der Beschuldigte ist der ihm zur Last gelegten Taten dringend verdächtig. Der erforderliche dringende Tatverdacht ergibt sich insbesondere aus seiner Einlassung, mehreren Zeugenaussagen sowie der Auswertung der sichergestellten Chatverläufe. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die ausführliche Darlegung der bisherigen Ermittlungsergebnisse im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. August 2016. Ergänzend gilt Folgendes:
25
Dass sich der Beschuldigte in den ISIG bzw. IS eingliederte, indem er sich einvernehmlich dessen Willen unterwarf und am Verbandsleben teilnahm, wird nicht entscheidend dadurch in Zweifel gezogen, dass er sowohl im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung vom 22. März 2016 als auch in Chats angab, den Treueeid auf den IS nicht geschworen zu haben (vgl. etwa SAO Bd. I, Bl. 274, 276; Chatverlauf Nr. 152, Chat Nr. 31, SAO Bd. III, Bl. 485), und in einem Chat ausführte, er habe einen Kurs in militärischer und religiöser Ausbildung abgebrochen (Chatverlauf Nr. 110, Nr. 1711, Sonderband Mobilfunkauswertung Band 9, Bl. 216). Seine Einbindung in die Organisation und seine Unterordnung unter den Verbandswillen ergeben sich mit der für den dringenden Tatverdacht ausreichenden Wahrscheinlichkeit aus seiner Einlassung und der hieraus folgenden erheblichen Dauer seines Tätigwerdens für den IS sowie daraus, dass er sich in den Fällen 2 bis 180 den ihm erteilten Befehlen unterordnete und er bewaffnet an Belagerungen mitwirkte. Zudem folgt aus einer Chatnachricht vom 11. Februar 2016, dass er (im weiteren Verlauf) nur deshalb nicht den Treueeid leistete, weil er sich auf Veranlassung seiner Eltern nach Europa begeben hatte (Chatverlauf Nr. 153, Nr. 11, Sonderband Mobilfunkauswertung Band 11, Bl. 102). Offen bleiben kann insoweit, ob er - entgegen seiner Einlassung - auch aktiv an Kampfhandlungen mitwirkte; hierfür spricht allerdings die bei ihm am rechten Oberschenkel festgestellte Schussverletzung (vgl. Abschlussvermerk LKA Brandenburg vom 29. Juli 2016, SAO Bd. III, Bl. 596).
26
Die zeitliche Einordnung der in Syrien ausgeübten Tätigkeiten des Beschuldigten ergibt sich aus seinen Angaben zur Dauer seiner jeweiligen Tätigkeiten ; für die zeitliche Rückrechnung ist insoweit maßgeblich, dass er seine Reise in die Bundesrepublik Deutschland gemeinsam mit dem Zeugen S. um den 1. August 2015 herum angetreten hat (Vernehmung S. vom 22. März 2016, SAO Bd. I, Bl. 239).
27
Hinsichtlich des Umfangs seiner Einsätze für den ISIG bzw. den IS in den Fällen 2-75 ergibt sich aus der Niederschrift seiner polizeilichen Vernehmung vom 22. März 2016 zwar keine ausdrücklich von ihm eingeräumte Mindestzahl. Die dem Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. August 2016 zugrunde gelegte Schätzung von mindestens zwei Einsätzen pro Woche wird jedoch von der Bekundung des Beschuldigten getragen, wonach sein Auftrag "jeden Tag" anders gelautet, er meistens jedoch Wachdienste verrichtet habe (Vernehmung des Beschuldigten vom 22. März 2016, SAO Bd. I, Bl. 278).
28
Ob die auf dem Smartphone des Beschuldigten enthaltenen Fotoaufnahmen , die ihn am Berliner Alexanderplatz und am Brandenburger Tor zeigen, der Wertung im Haftbefehl vom 9. August 2016 (dort S. 18 f.) entsprechend ausschließlich damit erklärt werden können, dass der Beschuldigte mit den Bildern das Wissen des IS um potenzielle Anschlagsziele erhöhen wollte, kann offen bleiben. Der dringende Tatverdacht hinsichtlich seiner diesbezüglichen Dienste für den IS ist bereits - wie im Haftbefehl dargelegt - durch die Aussage des Zeugen Ku. begründet.
29
2. a) Es besteht nach alledem der dringende Tatverdacht, dass sich der Beschuldigte in 180 Fällen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB i.V.m. §§ 1, 3, 105 JGG strafbar gemacht hat, indem er sich in den ISIG bzw. den IS eingliederte. Der Beginn der religiösen und militärischen Ausbildung, das Auskundschaften potenzieller Anschlagsziele in Berlin sowie die Weitergabe der hierdurch gewonnenen Erkenntnisse an T. , die gegenüber G. geäußerte Bereitschaft, in Deutschland als Kontaktmann für Attentäter zur Verfügung zu stehen oder alternativ selbst einen Anschlag zu begehen und die entfalteten Tätigkeiten, um dem nicht näher identifizierten K. den Kontakt und die Aufnahme zum IS zu ermöglichen (Fall 1), sowie das Mitwirken an den Belagerungen des Flughafens sowie der Stadt E. (Fälle 2-75) und schließlich das Beschaffen und Ausliefern der Lebensmittel (Fälle 76-180) stellen mitgliedschaftliche Beteiligungshandlungen für die Gruppierung dar. In der Zeit bis zum 2. Januar 2015 handelte der Beschuldigte dabei verantwortlich im Sinne der §§ 1, 3 JGG. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass er zur Tatzeit nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung nicht reif genug war, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
30
In den Fällen 2 bis 180 ist er zudem dringend verdächtig, jeweils tateinheitlich über eine Kriegswaffe die tatsächliche Gewalt ausgeübt zu haben, ohne dass der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen beruht oder eine Anzeige nach § 12 Abs. 6 Nr. 1 oder § 26a des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen erstattet worden ist (§ 22a Abs. 1 Nr. 6 KWKG i.V.m. §§ 1, 3 bzw. §§ 1, 105 JGG). Bei der Kalaschnikow handelt es sich um ein vollautomatisches Sturmgewehr und damit um eine Kriegswaffe im Sinne des § 1 Abs. 1 KWKGi.V.m. Anlage Teil B, Abschnitt V, Nr. 29 Buchst. c.
31
b) Die den Fällen 2 bis 180 zugrunde liegenden Handlungen, durch die der Beschuldigte sich einerseits mitgliedschaftlich im ISIG bzw. IS beteiligte und zugleich auch zur Förderung der Ziele der Vereinigung das Waffendelikt erfüllte, stehen sowohl untereinander als auch zu der Gesamtheit der sonstigen mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte in Tatmehrheit. Auf die Schwere des Un- rechtsgehalts des Waffendelikts kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 311 f., 319 f.).
32
Entgegen der Würdigung im Haftbefehl vom 9. August 2016 bilden die im Fall 1 zunächst in Syrien und später in der Bundesrepublik Deutschland verwirklichten mitgliedschaftlichen Betätigungshandlungen indes nur eine einheitliche materiellrechtliche Tat. Aus der pauschalisierenden Handlungsbeschreibung des § 129a Abs. 1 Alternative 2 StGB folgt, dass die durch das Mitglied der Vereinigung begangenen Betätigungsakte grundsätzlich eine tatbestandliche Handlungseinheit bilden. Aus dieser fallen nach der neueren Rechtsprechung des Senats zwar - wie dargelegt - diejenigen Handlungen heraus, die auch den Tatbestand einer anderen Strafvorschrift erfüllen und der Zwecksetzung der Vereinigung oder sonst deren Interessen dienen. Diese materiellrechtlich eigenständig zu bewertenden Handlungsakte begründen aber keine Zäsur, welche die zwischen den sonstigen Betätigungsakten bestehende tatbestandliche Handlungseinheit durchtrennt und in mehrere materiellrechtlich selbständige Handlungseinheiten aufteilt. Erfüllen mitgliedschaftliche Betätigungshandlungen auch den Tatbestand einer anderen Strafnorm und dienen diese der Zwecksetzung der Vereinigung oder sonst deren Interessen, steht tatmehrheitlich neben diesen Handlungen daher nur die Einheit aller sonstigen mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte als die eine verbleibende tatbestandliche Handlungseinheit, sofern sich nicht nach allgemeinen Grundsätzen etwas anderes ergibt (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 311 f., 318).
33
c) Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Im Fall 1 liegen die Voraussetzungen des § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 1 StGB vor, weil der Angeklagte (auch) im Inland mitgliedschaftlich aktiv war; ob die Anwendung der § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB daneben zusätzlich voraussetzt, dass der Geltungsbereich deutschen Strafrechts nach den §§ 3 ff. StGB eröffnet ist (hierzu unten), kann offen bleiben, weil es sich aufgrund des bestehenden inländischen Handlungsortes um eine Inlandstat (§§ 3, 9 Abs. 1 Variante 1 StGB) handelt. Für die Fälle 2 bis 180, in denen der Angeklagte als Ausländer ausschließlich im nichteuropäischen Ausland tätig war, gilt das Folgende:
34
aa) Der für das Delikt der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemäß § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB erforderliche spezifische Inlandsbezug (vgl. BT-Drucks. 14/8893, S. 8 f.; MüKoStGB/Schäfer, 2. Aufl., § 129b Rn. 15 ff.; S/S-SternbergLieben , StGB, 29. Aufl., § 129b Rn. 7) liegt vor, da sich der Beschuldigte im Inland befindet (§ 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 4 StGB). Diese Regelungsvariante knüpft allein daran an, dass sich der Täter in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, ohne hier - wie der Vergleich mit § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 1 StGB zeigt - mitgliedschaftliche Beteiligungshandlungen vorzunehmen. Der Inlandsaufenthalt eröffnet damit die Anwendbarkeit der §§ 129, 129a, 129b Abs. 1 Satz 1 StGB für sämtliche Taten, die der Täter früher im Ausland begangen hat. Da die Ausübung mitgliedschaftlicher Betätigungshandlungen im Inland bereits durch den § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 1 StGB erfasst wird, die bloße Mitgliedschaft in der (terroristischen) Vereinigung allein noch keine Strafbarkeit begründet (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 313) und bei den Tathandlungen des Unterstützens und Werbens (§ 129a Abs. 5, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB) überdies fehlt, erhält § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 4 StGB nur bei dieser Auslegung einen eigen- ständigen Anwendungsbereich (MüKoStGB/Schäfer, 2. Aufl., § 129b Rn. 20; S/S-Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 129b Rn. 7; Kress JA 2005, 220,

227).


35
Der Senat kann offen lassen, ob sich die Anwendbarkeit der § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB insoweit allein aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 4 StGB ergibt oder ob entsprechend der in Rechtsprechung und Literatur vorherrschend vertretenen Ansicht zusätzlich auch die Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB vorliegen müssen (so BGH, Beschluss vom 2. Juli 2012 - 2 BGs 152/12, BGHR StGB § 129b Anwendbarkeit 5; Altvater NStZ 2003, 179, 181; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129b Rn. 8 ff.; MüKoStGB/Schäfer, 2. Aufl., § 129b Rn. 10; SK-StGB/Stein, 63. Lfg., § 129b Rn. 3; ders. GA 2005, 433, 455 f.; S/S-Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 129b Rn. 5, 7; Zöller, Terrorismusstrafrecht , S. 344 ff.; aA Kress JA 2005, 220, 226 f.; NK-StGBOstendorf , 4. Aufl., §§ 129a, 129b Rn. 9). Zur Begründung dieser Auffassung wird angeführt, dass sich § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB seinem Wortlaut nach ausschließlich auf Vereinigungen in Nicht-EU-Staaten beziehe und deshalb auf Vereinigungen innerhalb des Gebiets der Europäischen Union nicht anwendbar sei. Für Beteiligungshandlungen an kriminellen oder terroristischen Vereinigungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelte daher das allgemeine Strafanwendungsrecht der §§ 3 ff. StGB, da diese sonst unbegrenzt innerstaatlicher Strafgewalt unterlägen, was insbesondere mit völkerrechtlichen Grundsätzen zur Rechtsgeltungserstreckung nicht zu vereinbaren sei (hierzu umfassend Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 337 ff.). Da aber die in § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB aufgestellten Geltungsvoraussetzungen für sich betrachtet teilweise großzügiger seien als diejenigen der §§ 3 ff. StGB - etwa anders als § 7 StGB keine Tatortstrafbarkeit erforderten -, der Rechtsanwendungsbereich der §§ 129, 129a StGB für Vereinigungen im Nicht-EU-Ausland aber nicht weiter sein könne als derjenige für Beteiligungshandlungen an Vereinigungen in EUStaaten , könne § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB nicht im Sinne einer abschließenden , die §§ 3 ff. StGB verdrängenden Spezialregelung verstanden werden (SKStGB /Stein, 63. Lfg., § 129b Rn. 3; ders. GA 2005, 433, 453 ff.).
36
Diese Rechtsauffassung beruht auf dem Ansatz, dass § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB seinem Regelungsgehalt nach keine Strafanwendungsregel enthält (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 2. Juli 2012 - 2 BGs 152/12, BGHR StGB § 129b Anwendbarkeit 5; SK-StGB/Stein, 63. Lfg., § 129b Rn. 3). Hiergegen spricht indes, dass die Regelung des § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB - nach allgemeiner Auffassung - dem Strafanwendungsrecht zuzuordnen ist, diese sich aber sowohl ihrem eindeutigen Wortlaut nach als auch inhaltlich auf Satz 1 der Vorschrift bezieht und diesen einschränkt. Diese Einschränkung ist nur verständlich , wenn § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB neben der vom Gesetzgeber bezweckten Tatbestandserweiterung der §§ 129, 129a StGB in Bezug auf den Vereinigungsbegriff (vgl. BT-Drucks. 14/7025, S. 1) auch der Charakter einer Strafanwendungsvorschrift zukommt. Die Gesetzesmaterialen sprechen dafür, dass dieses Ergebnis auch dem Verständnis des Rechtsausschusses entsprach : Der Regierungsentwurf beschränkte sich auf die Einführung des jetzigen § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB. Dies hielt der Rechtsausschuss für zu weitgehend und sah es als erforderlich an, die Beschränkungen des § 129b Abs. 1 Sätze 2 bis 5 StGB aufzunehmen, um "einer uferlosen Ausdehnung deutschen Strafrechts Grenzen" zu setzen (vgl. BT-Drucks. 14/8893 S. 8 f.). Diese Begründung legt nahe, dass der Rechtsausschuss wenngleich - sich dieses Verständnis auf Grundlage des Regierungsentwurfs nicht aufdrängte (Kress JA 2005, 220, 226; Stein GA 2005, 433, 450; Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 337) - die §§ 3 ff. StGB durch § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB in dessen Anwendungsbereich für außer Kraft gesetzt sah. Kommt § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB aber der Charakter einer Strafanwendungsregel zu, liegt es nahe, deren Regelungsgehalt dahin zu verstehen, dass sie die allgemeinen Vorschriften der §§ 3 ff. StGB verdrängt. Hiermit ist auch stimmig, dass § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB gegenüber den §§ 3 ff. StGB sowohl engere als auch weitere Voraussetzungen statuiert (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2009 - StB 52/09, BGHSt 54, 264, 267, 270; zu weiteren Bedenken gegen die hM in Bezug auf § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB: BGH, Beschluss vom 31. Juli 2009 - StB 34/09, NStZ-RR 2011, 199).
37
Einer Entscheidung vorstehender Frage bedarf es indes nicht, da in den Fällen 2 bis 180 auch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB vorliegen. Der Beschuldigte ist syrischer Staatsangehöriger. Die von ihm in Syrien begangenen Taten sind - wenn nicht ohnehin davon auszugehen ist, dass das Gebiet, in dem sich der Beschuldigte aufhielt, effektiv keiner staatlichen Strafgewalt unterlag - am Tatort mit Strafe bedroht, da die Beteiligung an Personenzusammenschlüssen , die sich terroristischer Akte bedienen, um die grundlegende Gesellschaftsordnung zu ändern, nach Art. 304 bis 306 des syrischen Strafgesetzbuches strafbar ist. Ein Auslieferungsverkehr findet nach Syrien aufgrund der aktuellen Lage nicht statt (vgl. Schreiben des Bundesamtes für Justiz vom 6. April 2016, SA-Sonderheft "Auslieferungsverkehr mit Syrien", Bl. 3).
38
bb) Unabhängig von der Frage, ob § 129b Abs. 1 StGB abschließende strafanwendungsrechtliche Spezialregelungen enthält, würden diese sich - ebenso wie die §§ 5, 6 StGB den Geltungsbereich nur hinsichtlich der dort aufgeführten Strafvorschriften eröffnen (MüKoStGB/Ambos, 2. Aufl., § 3 Rn. 6) - ausschließlich auf die Anwendbarkeit der §§ 129, 129a StGB beziehen. Die mit der mitgliedschaftlichen Betätigung in der (kriminellen oder terroristi- schen) Vereinigung tateinheitlich zusammenfallenden Delikte unterliegen daher - vorbehaltlich bestehender Sonderregelungen - nur dann der deutschen Strafgewalt , wenn die Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB vorliegen. Insoweit sind in Bezug auf die Verstöße des Beschuldigten gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB gegeben. Die Taten sind insbesondere nach syrischem Recht gemäß § 39 i.V.m. § 41 des syrischen Präsidialerlasses Nr. 51 vom 24. September 2001 mit Strafe bedroht (vgl. SAO Bd. 3, Bl. 343 ff., 378 ff., 383; OLG Hamburg, Urteil vom 5. Juli 2016 - 3 St 2/16).
39
d) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat am 13. Oktober 2015 unter Neufassung seiner bisherigen Erklärungen die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von bereits begangenen und künftigen Taten im Zusammenhang mit der sich als "Islamischer Staat im Irak und Großsyrien" sowie als "Islamischer Staat" bezeichnenden ausländischen terroristischen Vereinigung erteilt (II B 1 zu 4030 E (1326) - 21 495/2015).
40
3. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Beschuldigte hat wegen der Taten, derer er dringend verdächtig ist, eine empfindliche, Fluchtanreiz begründende Freiheitsstrafe zu erwarten. Dies gilt auch für den Fall, dass für die Ahndung der ab dem 3. Januar 2015 verwirklichten Taten Jugendstrafrecht zur Anwendung käme. Dem von der Straferwartung ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände gegenüber. Insbesondere bestehen keine tragfähigen sozialen Bindungen an die Bundesrepublik Deutschland. Der Beschuldigte ist syrischer Staatsangehöriger ; in Syrien leben neben seinen Eltern und Geschwistern insbesondere auch seine Ehefrau und sein Sohn. Sowohl in seiner polizeilichen Ver- nehmung vom 22. März 2016 als auch in zahlreichen seit Januar 2016 versendeten Chatnachrichten hat er den unbedingten Willen geäußert, dorthin kurzfristig zurückzukehren. Nach den bisherigen Ermittlungen ist davon auszugehen , dass er in Syrien - seinem Wunsch entsprechend, am bewaffneten Kampf teilzunehmen - auf die Unterstützung durch den IS rechnen kann. Darüber hinaus hat sich der Beschuldigte in Deutschland auch bisher nicht regelmäßig an seiner Meldeadresse, sondern bei verschiedenen Personen im Bundesgebiet aufgehalten.
41
Daneben liegt angesichts des bestehenden dringenden Verdachts einer Straftat nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB auch der Haftgrund der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO) vor. Die genannten Umstände begründen die Gefahr, dass die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat ohne die weitere Inhaftierung des Beschuldigten vereitelt werden könnte, so dass die Vorschrift auch bei ihrer gebotenen restriktiven Auslegung (vgl. MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) anzuwenden ist.
42
Unter den gegebenen Umständen vermögen Maßnahmen nach § 116 Abs. 1 StPO nicht die Erwartung zu begründen, dass auch durch sie der Zweck der Untersuchungshaft erreicht werden kann.
43
4. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Der Umfang der Ermittlungen und ihre besondere Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft:
44
Die Ermittlungsbehörden haben erstmals am 7. März 2016 Hinweise auf die Taten des Beschuldigten erhalten. Nach seiner Festnahme am 22. März 2016 waren umfangreiche Ermittlungen erforderlich, insbesondere zu der Einbindung des Beschuldigten in den ISIG bzw. IS. Das Verfahren war in der Folge maßgeblich geprägt durch die Auswertung der an diesem Tage sichergestellten vier Mobiltelefone, vier SIM-Karten sowie zweier Micro-SD-Speicherkarten. Diese umfassen insgesamt 37.595 Chatnachrichten, 12.691 Bilddateien und 9.810 Videodateien. Zur Übersetzung der nahezu sämtlich in arabischer Sprache verfassten Chats und der gesprochenen Audio-Chats war der Einsatz einer Vielzahl von Dolmetschern erforderlich. Die Auswertung war komplex, da die Kommunikation teilweise konspirativ geführt wurde oder sich auf vergangene, nicht sichergestellte Gespräche bezog. Aus diesem Grunde bedurften die Chatverläufe einer übergreifenden, wechselseitigen Auswertung. Zudem konnten die Audio-Chats aus technischen Gründen nicht in den Protokollen der schriftlichen Chatnachrichten chronologisch eingefügt werden, was die gesonderte Prüfung erforderlich machte, ob zwischen den schriftlichen Chatnachrichten ein Audio-Chat stattgefunden hatte. Neben den vorstehend genannten Speichermedien waren die Ergebnisse der Telekommunikationsüberwachung auszuwerten, die im Zeitraum vom 8. März bis zum 12. April 2016 durchgeführt worden war und - mit jeweils unterschiedlicher Dauer der Überwachung - insgesamt drei Mobilfunknummern, fünf IMEI-Nummern und drei IMSI-Nummern betraf. Die Erkenntnisse waren wiederum auch auf ihre Relevanz im Verhältnis zu den sichergestellten Chats zu prüfen. Gleichwohl ist die Fertigung der Anklageschrift nach Mitteilung des Generalbundesanwalts bereits weit fortgeschritten ; die Anklage soll noch im Oktober 2016 erhoben werden.
45
5. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht zu den gegen den Beschuldigten erhobenen Vorwürfen nicht außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StGB).
Becker Berg Hoch

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) In Strafsachen sind die Oberlandesgerichte, in deren Bezirk die Landesregierungen ihren Sitz haben, für das Gebiet des Landes zuständig für die Verhandlung und Entscheidung im ersten Rechtszug

1.
(weggefallen)
2.
bei Hochverrat (§§ 81 bis 83 des Strafgesetzbuches),
3.
bei Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 94 bis 100a des Strafgesetzbuches) sowie bei Straftaten nach § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes, nach § 9 Abs. 2 des Gebrauchsmustergesetzes in Verbindung mit § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes oder nach § 4 Abs. 4 des Halbleiterschutzgesetzes in Verbindung mit § 9 Abs. 2 des Gebrauchsmustergesetzes und § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes,
4.
bei einem Angriff gegen Organe und Vertreter ausländischer Staaten (§ 102 des Strafgesetzbuches),
5.
bei einer Straftat gegen Verfassungsorgane in den Fällen der §§ 105, 106 des Strafgesetzbuches,
6.
bei einer Zuwiderhandlung gegen das Vereinigungsverbot des § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches,
7.
bei Nichtanzeige von Straftaten nach § 138 des Strafgesetzbuches, wenn die Nichtanzeige eine Straftat betrifft, die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gehört und
8.
bei Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch.

(2) Diese Oberlandesgerichte sind ferner für die Verhandlung und Entscheidung im ersten Rechtszug zuständig

1.
bei den in § 74a Abs. 1 bezeichneten Straftaten, wenn der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles nach § 74a Abs. 2 die Verfolgung übernimmt,
2.
bei Mord (§ 211 des Strafgesetzbuches), Totschlag (§ 212 des Strafgesetzbuches) und den in § 129a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 des Strafgesetzbuches bezeichneten Straftaten, wenn ein Zusammenhang mit der Tätigkeit einer nicht oder nicht nur im Inland bestehenden Vereinigung besteht, deren Zweck oder Tätigkeit die Begehung von Straftaten dieser Art zum Gegenstand hat, und der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt,
3.
bei Mord (§ 211 des Strafgesetzbuchs), Totschlag (§ 212 des Strafgesetzbuchs), erpresserischem Menschenraub (§ 239a des Strafgesetzbuchs), Geiselnahme (§ 239b des Strafgesetzbuchs), schwerer und besonders schwerer Brandstiftung (§§ 306a und 306b des Strafgesetzbuchs), Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306c des Strafgesetzbuchs), Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie in den Fällen des § 307 Abs. 1 und 3 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion in den Fällen des § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuchs, Missbrauch ionisierender Strahlen in den Fällen des § 309 Abs. 1 bis 4 des Strafgesetzbuchs, Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens in den Fällen des § 310 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Strafgesetzbuchs, Herbeiführen einer Überschwemmung in den Fällen des § 313 Abs. 2 in Verbindung mit § 308 Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuchs, gemeingefährlicher Vergiftung in den Fällen des § 314 Abs. 2 in Verbindung mit § 308 Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuchs und Angriff auf den Luft- und Seeverkehr in den Fällen des § 316c Abs. 1 und 3 des Strafgesetzbuchs, wenn die Tat nach den Umständen geeignet ist,
a)
den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen,
b)
Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben,
c)
die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen des Nordatlantik-Pakts oder seiner nichtdeutschen Vertragsstaaten zu beeinträchtigen oder
d)
den Bestand oder die Sicherheit einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen,
und der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt,
4.
bei Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz sowie bei Straftaten nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, wenn die Tat oder im Falle des strafbaren Versuchs auch ihre unterstellte Vollendung nach den Umständen
a)
geeignet ist, die äußere Sicherheit oder die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden, oder
b)
bestimmt und geeignet ist, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören,
und der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt.
Eine besondere Bedeutung des Falles ist auch anzunehmen, wenn in den Fällen des Satzes 1 eine Ermittlungszuständigkeit des Generalbundesanwalts wegen des länderübergreifenden Charakters der Tat geboten erscheint. Die Oberlandesgerichte verweisen bei der Eröffnung des Hauptverfahrens die Sache in den Fällen der Nummer 1 an das Landgericht, in den Fällen der Nummern 2 bis 4 an das Land- oder Amtsgericht, wenn eine besondere Bedeutung des Falles nicht vorliegt.

(3) In den Sachen, in denen diese Oberlandesgerichte nach Absatz 1 oder 2 zuständig sind, treffen sie auch die in § 73 Abs. 1 bezeichneten Entscheidungen. Sie entscheiden ferner über die Beschwerde gegen Verfügungen der Ermittlungsrichter der Oberlandesgerichte (§ 169 Abs. 1 Satz 1 der Strafprozeßordnung) in den in § 304 Abs. 5 der Strafprozeßordnung bezeichneten Fällen.

(4) Diese Oberlandesgerichte entscheiden auch über die Beschwerde gegen Verfügungen und Entscheidungen des nach § 74a zuständigen Gerichts. Für Entscheidungen über die Beschwerde gegen Verfügungen und Entscheidungen des nach § 74a Abs. 4 zuständigen Gerichts sowie in den Fällen des § 100e Absatz 2 Satz 6 der Strafprozessordnung ist ein nicht mit Hauptverfahren in Strafsachen befasster Senat zuständig.

(5) Für den Gerichtsstand gelten die allgemeinen Vorschriften. Die beteiligten Länder können durch Vereinbarung die den Oberlandesgerichten in den Absätzen 1 bis 4 zugewiesenen Aufgaben dem hiernach zuständigen Gericht eines Landes auch für das Gebiet eines anderen Landes übertragen.

(6) Soweit nach § 142a für die Verfolgung der Strafsachen die Zuständigkeit des Bundes begründet ist, üben diese Oberlandesgerichte Gerichtsbarkeit nach Artikel 96 Abs. 5 des Grundgesetzes aus.

(7) Soweit die Länder aufgrund von Strafverfahren, in denen die Oberlandesgerichte in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes entscheiden, Verfahrenskosten und Auslagen von Verfahrensbeteiligten zu tragen oder Entschädigungen zu leisten haben, können sie vom Bund Erstattung verlangen.