Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Apr. 2017 - AK 14/17

bei uns veröffentlicht am06.04.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 14/17
vom
6. April 2017
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:060417BAK14.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Beschuldigten und seiner Verteidiger am 6. April 2017
beschlossen:
Eine Haftprüfung durch den Senat nach den §§ 121, 122 StPO ist derzeit nicht veranlasst.

Gründe:

I.


1
Der Beschuldigte wurde am 2. Juni 2016 festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 1. Juni 2016 (2 BGs 353/16). Gegenstand dieses Haftbefehls war im Wesentlichen der Vorwurf, der Beschuldigte habe sich als Mitglied an der Gruppierung "Islamischer Staat" (im Folgenden: IS) und damit an einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB) sowie gemeingefährliche Straftaten in den Fällen des § 308 Abs. 1 bis 4 StGB und Straftaten nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen zu begehen, und sich zugleich mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen (Mord, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und vorsätzlicher unerlaubter Erwerb der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe) zu begehen, indem er im Oktober 2014 im Auftrag einer Führungsperson des IS als Angehöriger einer sog. Schläferzelle nach Deutschland gereist sei, um sich an einem in Düsseldorf geplanten terroristi- schen Anschlag zu beteiligen, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 4, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, §§ 211, 308 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 2, § 52 StGB, § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 2, § 22a Abs. 1 Nr. 2 KWKG i.V.m. Nr. 29c der Kriegswaffenliste. Außerdem wurde dem Beschuldigten mit dem Haftbefehl vom 1. Juni 2016 vorgeworfen, sich seit dem Jahr 2013 in Raqqa durch eine weitere selbständige Handlung als Mitglied an der Gruppierung "Jabhat alNusra Li-Ahli Sham" (im Folgenden: Jabhat al-Nusra) und damit an einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, beteiligt und eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben, indem er sich zumindest im Jahr 2013 als Anführer der zur Jabhat al-Nusra gehörenden Gruppe "Katiba Mohamed Ibm Abd Allah" (im Folgenden: Katiba) an den Kämpfen gegen das Regime des Staatspräsidenten Bashar alAssad beteiligt und zu dieser Zeit in Raqqa Sprenggürtel und Granaten hergestellt habe, die zum Einsatz bei bewaffneten Auseinandersetzungen und bei Anschlägen auf syrische Soldaten bestimmt gewesen seien, strafbar gemäß § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, Abs. 4 Satz 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, §§ 52, 53 StGB.
2
Der Senat hat mit Beschluss vom 15. Dezember 2016 (AK 63 - 65/16) die Haftfortdauer über sechs Monate hinaus angeordnet.
3
Am 13. März 2017 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Haftbefehl vom 1. Juni 2016 abgeändert und neu gefasst. Gegenstand des neu gefassten Haftbefehls ist - über die bereits dem früheren Haftbefehl zugrunde liegenden Tatvorwürfe hinaus - der Vorwurf, der Beschuldigte habe sich durch eine weitere rechtlich selbständige Handlung als Mitglied an der Gruppierung Jabhat al-Nusra und damit an einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB) sowie gemeingefährliche Straftaten in den Fällen des § 308 Abs. 1 bis 4 StGB und Straftaten nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen zu begehen; zugleich habe er gemeinschaftlich handelnd in 36 tateinheitlichen Fällen im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person aus niedrigen Beweggründen getötet, indem er sich im März 2013 als "Emir" der zur Jabhat al-Nusra gehörenden Katiba gemeinsam mit anderen an der Hinrichtung von 36 behördlichen Mitarbeitern der syrischen Regierung beteiligt habe, strafbar gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 2 VStGB, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 4, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, §§ 211, 25 Abs. 2, §§ 52, 53 StGB.
4
Der Generalbundesanwalt hat vorsorglich beantragt, gemäß §§ 121, 122 StPO die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus anzuordnen. Er hält es indes für zweifelhaft, ob die Vorlagepflicht nach § 122 Abs. 1 StPO zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt besteht.

II.


5
Der Senat gibt die Sache an den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs zurück, weil eine Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO derzeit nicht veranlasst ist. Der Beschuldigte befindet sich zwar mittlerweile seit mehr als neun Monaten in Untersuchungshaft. Im Hinblick auf die ihm mit dem Haftbefehl vom 13. März 2017 vorgeworfene Beteiligung an der Hinrichtung von 36 syrischen Regierungsmitarbeitern ist jedoch eine neue Sechsmonatsfrist im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO in Gang gesetzt worden, deren Ablauf noch nicht bevorsteht.
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1. Gemäß § 121 Abs. 1 StPO darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat vor dem Erlass eines Urteils nur unter besonderen Voraussetzungen länger als sechs Monate aufrechterhalten werden. Dadurch soll dem Anspruch des in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten auf beschleunigte Durchführung des Verfahrens (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EMRK) sowie dem aus Art. 2 Abs. 2 GG herzuleitenden verfassungsmäßigen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 1966 - 1 BvR 58/66, NJW 1966, 1259) Rechnung getragen werden. Der Senat teilt die in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur inzwischen nahezu einhellig vertretene Auffassung, dass der Begriff "derselben Tat" im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO mit Rücksicht auf diesen Schutzzweck der Norm weit auszulegen ist und deshalb alle Taten des Beschuldigten von dem Zeitpunkt an erfasst, in dem sie - im Sinne eines dringenden Tatverdachts - bekannt geworden sind und in den bestehenden Haftbefehl hätten aufgenommen werden können, und zwar unabhängig davon, ob sie Gegenstand desselben Verfahrens oder getrennter Verfahren sind (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 22. Juni 2016 - 1 Ws 257/16 H, juris Rn. 6, 16; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 22. April 2015 - 1 Ws 7/15 (H), juris Rn. 7; KG, Beschluss vom 15. August 2013 - 4 Ws 108/13, juris Rn. 13; OLG Rostock, Beschluss vom 13. Juni 2013 - 2 HEs 9/13 (5/13), juris Rn. 9; OLG Celle, Beschluss vom 9. Februar 2012 - 32 HEs 1/12, juris Rn. 21; OLG Jena, Beschluss vom 16. November 2010 - 1 Ws 446/10 (32), juris Rn. 9; OLG Koblenz (2. Strafsenat), Beschluss vom 30. Juli 2009 - 2 HEs 8/09, juris Rn. 8; OLG Dresden, Beschluss vom 31. März 2009 - 2 AK 6/09, NJW 2010, 952; OLG Naumburg, Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 1 Ws 674/08, juris Rn. 7 f.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 6. Juni 2007 - 4 HEs 86/07, juris Rn. 6; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - 3 Ws 460/03, NStZ-RR 2004, 125 f.; OLG Koblenz (1. Strafsenat), Beschluss vom 3. Januar 2001 - (1) 4420 BL - III - 71/00, NStZ-RR 2001, 152; OLG Hamm, Beschluss vom 21. April 1998 - 2 BL 62/98, NStZ-RR 1998, 277, 278; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26. Januar1998 - 1 BL 4/98, NStZ-RR 1998, 182; OLG Brandenburg, Beschluss vom 3. März 1997, 2 (3) HEs 16/97, StV 1997, 536, 537; OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. März 1990 - 1 HEs 259/88, NJW 1990, 2144; OLG Hamburg, Beschluss vom 29. August 1989 - 1 Ws 243/89, StV 1989, 489; KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rn. 10; LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 121 Rn. 14b; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 121 Rn. 11). Dadurch wird vermieden, dass von Anfang an bekannte oder im Laufe der Ermittlungen bekannt werdende Taten des Beschuldigten zunächst zurückgehalten und erst kurz vor Ablauf der Sechsmonatsfrist zum Gegenstand eines neuen oder erweiterten Haftbefehls gemacht werden mit dem Ziel, eine neue Sechsmonatsfrist zu eröffnen (sog. Reservehaltung von Tatvorwürfen).
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Danach beginnt keine neue Sechsmonatsfrist zu laufen, falls ein neuer Haftbefehl lediglich auf Tatvorwürfe gestützt bzw. durch sie erweitert wird, die schon bei Erlass des ersten Haftbefehls - im Sinne eines dringenden Tatverdachts - bekannt waren. Gleiches hat zu gelten, falls der Haftbefehl um Tatvorwürfe erweitert wird, die erst während der Ermittlungen im vorgenannten Sinne bekannt geworden sind, für sich allein den Erlass eines Haftbefehls jedoch nicht rechtfertigen (OLG Nürnberg, Beschluss vom 22. Juni 2016 - 1 Ws 257/16 H, juris Rn. 11; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 22. April 2015 - 1 Ws 7/15 (H), juris Rn. 11; OLG Celle, Beschluss vom 9. Februar 2012 - 32 HEs 1/12, juris Rn. 26; vgl. auch OLG Koblenz (2. Strafsenat), Beschluss vom 30. Juli 2009 - 2 HEs 8/09, juris Rn. 8; OLG Jena, Beschluss vom 16. November 2010 - 1 Ws 446/10 (32), juris Rn. 9; KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rn. 10 f.).
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Tragen dagegen die erst im Laufe der Ermittlungen bekannt gewordenen Tatvorwürfe für sich genommen den Erlass eines Haftbefehls und ergeht deswegen ein neuer oder erweiterter Haftbefehl, so wird dadurch ohne Anrechnung der bisherigen Haftdauer eine neue Sechsmonatsfrist in Gang gesetzt; für den Fristbeginn ist indes der Zeitpunkt maßgeblich, in dem sich der Verdacht hinsichtlich der neuen Tatvorwürfe zu einem dringenden verdichtet hat. Entscheidend ist insoweit mithin, wann der neue bzw. erweiterte Haftbefehl hätte erlassen werden können, nicht hingegen, wann die Staatsanwaltschaft ihn erwirkt hat. Regelmäßig ist davon auszugehen, dass der Haftbefehl spätestens an dem auf die Beweisgewinnung folgenden Tag der veränderten Sachlage anzupassen ist (vgl. etwa KG, Beschluss vom 15. August 2013 - 4 Ws 108/13, juris Rn. 13 mwN).
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Demgegenüber gebietet es der Gesetzeszweck nicht, auch in den letztgenannten Fällen die bisherige Haftdauer mit zu berücksichtigen (so aber OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28. September 2010 - 1 Ws 202 - 204/10, juris Rn. 3; OLG Koblenz (2. Strafsenat), Beschluss vom 10. April 2000 - (2) 4420 BL - III - 97/00, aufgegeben durch Beschluss vom 30. Juli 2009 - 2 HEs 8/09, juris Rn. 9). Denn die zeitliche Begrenzung der Untersuchungshaft nach § 121 Abs. 1 StPO soll die Strafverfolgungsbehörden dazu anhalten, die Ermittlungen hinsichtlich der dem Haftbefehl zugrunde liegenden Tat und das weitere Verfahren zu beschleunigen. Anlass, diesem Beschleunigungsgebot entsprechend Ermittlungen wegen weiterer Taten durchzuführen, die ihrerseits zum Erlass eines Haftbefehls führen oder in einen bestehenden Haftbefehl aufgenommen werden können, haben die Ermittlungsbehörden aber erst dann, wenn sie von den betreffenden Taten Kenntnis erlangen. Die nachträglich im Sinne eines dringenden Tatverdachts bekannt gewordene Straftat setzt daher eine neue Sechsmonatsfrist in Gang, um den Strafverfolgungsbehörden Gelegenheit zur Durchführung weiterer Ermittlungen zu geben (OLG Koblenz (1. Strafsenat), Beschluss vom 3. Januar 2001 - (1) 4420 BL - III - 71/00), NStZ-RR 2001, 152, 154 mwN; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - III - 3 Ws 460/03, NStZ-RR 2004, 125 f.; KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rn. 10; LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 121 Rn. 14b).
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2. An diesen Maßstäben gemessen hat der erweiterte Haftbefehl vom 13. März 2017 eine neue Sechsmonatsfrist eröffnet.
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a) Der Beschuldigte ist der ihm nunmehr über die dem Haftbefehl vom 1. Juni 2016 zugrunde liegenden Tatvorwürfe hinaus zur Last gelegten Beteiligung an der Hinrichtung von 36 Mitarbeitern der syrischen Regierung dringend verdächtig.
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aa) Insoweit ist nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
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(1) Bei der Jabhat al-Nusra handelt es sich um eine Ende 2011 von Abu Muhammad al-Jaulani in Syrien gegründete Vereinigung, die es sich - von radikal religiösen Anschauungen geleitet - zum Ziel gesetzt hat, das Assad-Regime in Syrien zu stürzen und durch einen islamischen Staat auf der Grundlage ihrer eigenen Interpretation der Sharia zu ersetzen. Darüber hinaus erstrebt sie die "Befreiung" des historischen Großsyrien, das heißt Syriens einschließlich von Teilen der südlichen Türkei, des Libanons, Jordaniens, Israels und der palästinensischen Gebiete. Diese Ziele verfolgt die Jabhat al-Nusra mittels militärischer Operationen, aber auch durch Sprengstoffanschläge, Selbstmordattentate , Entführungen sowie gezielte Tötungen von Angehörigen des syrischen Militär - und Sicherheitsapparates. Insgesamt werden der Gruppierung allein bis Ende 2014 mehr als 1.500 Anschläge zugerechnet, bei denen mindestens 8.700 Menschen getötet wurden. So hat sich die Jabhat al-Nusra auch zu mehreren Selbstmordanschlägen auf Angehörige der syrischen Armee am 14. April 2014 und am 25. Mai 2014 mittels mit Sprengstoff beladener Fahrzeuge bekannt.
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Die Jabhat al-Nusra ist militärisch-hierarchisch organisiert. Abu Muhammad al-Jaulani, der die Organisation nach wie vor anführt, ist ein aus fünf bis sechs Personen gebildeter Shura-Rat zugeordnet. Unterhalb dieser Führungsebene stehen die Kommandeure der kämpfenden Einheiten, die ihrerseits untergliedert sind in die vor Ort agierenden Kampfgruppen. Die Zahl der Kämpfer der Jabhat al-Nusra wird derzeit auf 4.000 bis 6.000 geschätzt. Ihre militärische Ausbildung erhalten diese in einem verzweigten Netz von Trainingslagern. Daneben gibt es Hinweise auf sogenannte "Scharia-Komitees" in den von der Jabhat al-Nusra kontrollierten Gebieten, die religiöse Angelegenheiten regeln und den Aufbau eines eigenen Justiz- und Verwaltungssystems vorantreiben. Für ihre Öffentlichkeitsarbeit bedient sich die Jabhat al-Nusra der eigenen Medienstelle "al-manara al-baida" ("Der weiße Leuchtturm"), über die sie im Internet Verlautbarungen, Operationsberichte und Anschlagsvideos verbreitet. Darüber hinaus unterhält sie ein Netzwerk von "Korrespondenten" in Syrien, die ihre Berichte über Twitter-Kanäle veröffentlichen.
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Seit Juli 2016 nennt sich die Organisation offiziell "Jabhat Fath al-Sham". Am 28. Januar 2017 hat sie sich mit weiteren Gruppierungen zu dem Bündnis "Hai´at Tahrir al-Sham" zusammengeschlossen.
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(2) Der Beschuldigte beteiligte sich zumindest im Jahr 2013 als Anführer der zur Jabhat al-Nusra gehörenden Gruppe Katiba an den Kämpfen gegen das Regime des Staatspräsidenten Bashar al-Assad. Gemeinsam mit den anderweitig verfolgten A. und H. sowie weiteren Personen tötete er im März 2013 auf einem Müllplatz entlang einer Straße zwischen den syrischen Städten Tabka und Al Safsafa insgesamt 36 behördliche Mitarbeiter der syrischen Regierung, insbesondere Polizeibeamte, Sicherheitsdienstmitarbeiter , Grenzschützer, Armeeangehörige und Milizionäre, durch das Erschlagen mit einem Stein sowie unter Verwendung eines Maschinengewehrs, mehrerer Pistolen und eines Messers. Die Getöteten hatte die Katiba zuvor bei der Eroberung des Gouverneurspalasts in Raqqa gefangen genommen. Die Hinrichtung der gefangen genommenen Opfer wurde durch den Beschuldigten und seine Mittäter auf Anweisung des Scharia-Richters von Tabka, der selbst Mitglied der Jabhat al-Nusra war, vollzogen. Dem Beschuldigten und den anderen an den Exekutionen beteiligten Personen ging es dabei um die Beseitigung von Angehörigen des politischen Gegners, um letztlich den Weg für die Übernahme der Macht in Syrien durch die Jabhat al-Nusra vorzubereiten.
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bb) Hinsichtlich der Umstände, die den dringenden Tatverdacht betreffend die terroristische Vereinigung Jabhat al-Nusra und die mitgliedschaftliche Beteiligung des Beschuldigten an der Organisation begründen, nimmt der Senat auf seine Haftfortdauerentscheidung vom 15. Dezember 2016 Bezug. Im Hinblick auf die dem Beschuldigten zur Last gelegte Beteiligung an der Hinrichtung von 36 syrischen Regierungsangestellten ergibt sich der dringende Tatverdacht aus den Angaben eines am 9. Februar 2017 vernommenen Zeugen, die durch weitere Ermittlungsergebnisse gestützt werden.
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Der Zeuge, dessen Personalien nach § 68 Abs. 3 Satz 1 StPO gesperrt sind, hat die Hinrichtung der 36 syrischen Regierungsmitarbeiter, die er seiner Darstellung zufolge miterlebt hat, detailreich und anschaulich geschildert. Insbesondere hat er bekundet, dass der Beschuldigte, den er im Rahmen einer Lichtbildvorlage als Anführer der Katiba wiedererkannt hat, die anderen Kämp- fer ermutigt habe, die Gefangenen zu töten, und dem letzten Gefangenen selbst die Kehle durchgeschnitten habe. Bei daraufhin durchgeführten Internetrecherchen wurden u.a. zwei am 7. März 2013 im Internet veröffentlichte Videoaufnahmen gefunden, welche die Angaben des Zeugen stützen. In einem der Videos wird über die Gefangennahme von 36 Personen im Zusammenhang mit der Eroberung des Gouverneurspalasts in Raqqa durch die Katiba berichtet, und in dem anderen Video ist zu sehen, wie gefangen genommene Personen in einen Bus verbracht werden, wobei eine männliche Person arabisch spricht.
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Der sich daraus ergebende Tatverdacht wird durch Äußerungen des Beschuldigten erhärtet, die er am 21. Januar 2016 im Rahmen einer "Facebook"Kommunikation mit einer Person namens "M. " gemacht hat. Dabei berichtete er darüber, dass "Interpol" drei Monate lang gegen ihn ermittelt habe. In diesem Zusammenhang sprach er davon, "verraten" worden zu sein, obwohl er keinem "davon" erzählt habe; er wisse dies, da er "mit dem Massaker konfrontiert" worden sei: "Sie" hätten ihm "Details von dem GouvernementGefangenen -Massaker" erzählt, die er selbst vergessen gehabt habe. Ein - verhältnismäßig geringer - Beweiswert kommt insoweit schließlich auch den Angaben des Zeugen Ma. zu, wonach Angehörige der Katiba zwischen August und Dezember 2013 nach den Kämpfen um das Rathaus in Raqqa insgesamt 176 Zivilisten töteten und Ma. von einem "Augenzeugen" erfuhr, dass der Beschuldigte dabei gewesen sei und selbst acht Menschen getötet habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht begründenden Umstände wird auf die Ausführungen in dem Haftbefehl vom 13. März 2017 und die dort in Bezug genommenen Beweismittel verwiesen.
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Wenngleich den Angaben eines Zeugen, dessen Identität dem Gericht nicht bekannt ist, nur ein eingeschränkter Beweiswert zukommt (vgl. BGH, Urteile vom 12. Januar 1996 - 5 StR 756/94, BGHSt 42, 15, 25; vom 11. Februar 2000 - 3 StR 377/99, NJW 2000, 1661 jeweils mwN), und noch nicht alle im Rahmen der Internetrecherche aufgefundenen Videoaufnahmen übersetzt und ausgewertet werden konnten, begründen die Angaben des am 9. Februar 2017 vernommenen Zeugen in der Gesamtschau mit den beiden am 7. März 2013 im Internet veröffentlichten Videos sowie den weiteren Beweisanzeichen die für die Annahme eines dringenden Tatverdachts notwendige hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte wegen seiner Beteiligung an der Hinrichtung der 36 syrischen Regierungsmitarbeiter verurteilt werden wird.
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cc) Danach hat sich der Beschuldigte im Zusammenhang mit diesem Vorfall mit hoher Wahrscheinlichkeit als Mitglied an der Jabhat al-Nusra und damit an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt und zugleich in 36 rechtlich zusammentreffenden Fällen aus niedrigen Beweggründen einen Menschen getötet, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 4, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, §§ 211, 25 Abs. 2, § 52 StGB. Es kann dahinstehen , ob er zugleich in 36 rechtlich zusammentreffenden Fällen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person getötet hat (strafbar nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 2 VStGB), oder ob ihm unter dem Gesichtspunkt eines Kriegsverbrechens lediglich zur Last fällt, in 36 tateinheitlichen Fällen gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe, vollstreckt zu haben, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist, strafbar nach § 8 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 6 Nr. 2 VStGB. Denn schon der dringende Tatverdacht wegen des (in Tateinheit mit der Mitgliedschaft in der Jabhat alNusra stehenden) Kriegsverbrechens im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 7 VStGB in 36 rechtlich zusammentreffenden Fällen sowie des tateinheitlich damit verwirk- lichten Mordes in 36 tateinheitlichen Fällen trägt für sich die Anordnung der Untersuchungshaft.
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(1) Bei den im Tatzeitraum in Syrien stattfindenden Kämpfen zwischen der staatlichen syrischen Armee und oppositionellen Gruppierungen handelte es sich um einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt im Sinne des § 8 Abs. 1 VStGB. Maßgebend für das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts ist der Einsatz von Waffengewalt, die einer der beteiligten Konfliktparteien zuzurechnen ist (BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157, 166). Während ein internationaler bewaffneter Konflikt die Anwendung von Waffengewalt zwischen Staaten bezeichnet, sind unter einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt solche Auseinandersetzungen zu verstehen, bei denen Streitkräfte innerhalb eines Staates gegen organisierte bewaffnete Gruppen oder solche Gruppen untereinander kämpfen, sofern die Kampfhandlungen von einer gewissen Dauer und Intensität sind. Die Erfordernisse einer gewissen Organisationsstruktur der betreffenden Gruppen sowie der Intensität und Dauer der bewaffneten Auseinandersetzungen stellen sicher, dass bloße innere Unruhen , Spannungen, Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen nicht als (nichtinternationale) bewaffnete Konflikte eingestuft werden (vgl. zu allem: BT-Drucks. 14/8524, S. 25; BGH, Beschluss vom 17. November 2016 - AK 54/16, juris Rn. 23; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 4. Aufl., Rn. 1131, 1136, 1148 ff.; MüKoStGB/Zimmermann/Geiß, 2. Aufl., § 8 VStGB Rn. 96, 108 ff.).
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Die in Syrien stattfindenden Kämpfe zwischen den syrischen Streitkräften und oppositionellen bewaffneten Gruppen gingen zur Tatzeit über bloße innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte oder vereinzelt auftretende Gewalttaten weit hinaus. Sie dauerten im Frühjahr 2013 bereits längere Zeit an und hatten nahezu das ganze Land erfasst. Zumindest solche Konfliktparteien wie die FSA, die Jabhat al-Nusra und der - damals noch so genannte - "Islamische Staat im Irak und in Syrien" (ISIG) waren zudem in hohem Maße organisiert : Sie waren hierarchisch strukturiert, verfügten über ein großes Ausmaß an militärischer Ausrüstung, kontrollierten weite Landesteile und waren in der Lage , ihre Kämpfer militärisch auszubilden sowie koordinierte Angriffe durchzuführen (vgl. zu diesen Kriterien Werle/Jeßberger, aaO Rn. 1152 Fn. 194). Dementsprechend handelte es sich um einen bewaffneten Konflikt, der jedenfalls zur Tatzeit noch als nichtinternationaler anzusehen war. Ungeachtet dessen , ob der Bürgerkrieg durch das Eingreifen ausländischer Kräfte inzwischen soweit "internationalisiert" ist, dass von einem internationalen bewaffneten Konflikt auszugehen wäre (vgl. zur Internationalisierung nichtinternationaler bewaffneter Konflikte MüKoStGB/Zimmermann/Geiß, aaO Rn. 101 ff.), war dies zumindest im Frühjahr 2013 noch nicht der Fall.
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(2) Bei den getöteten 36 Mitarbeitern der syrischen Regierung handelte es sich um nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen. Das ergibt sich aus § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB, wonach in einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt insbesondere solche Personen als nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende anzusehen sind, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden. Das war hier hinsichtlich der 36 Getöteten der Fall. Sie haben - auch soweit es sich um Grenzschützer, Armeeangehörige und Milizionäre handelte - nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilgenommen, sondern waren im Zusammenhang mit der Eroberung des Gouverneurspalasts in Raqqa gefangen genommen worden.
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Die Geschädigten befanden sich infolgedessen auch in der Gewalt der gegnerischen Partei. Das ergibt sich schon daraus, dass es sich um Mitarbeiter der syrischen Regierung handelte, gegen die sich die Kampfhandlungen der Jabhat al-Nusra richteten.
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(3) Die Tat ist schließlich auch im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt begangen worden. Der insoweit erforderliche funktionale Zusammenhang ist gegeben, wenn das Vorliegen des bewaffneten Konfliktes für die Fähigkeit des Täters, das Verbrechen zu begehen, für seine Entscheidung zur Tatbegehung, für die Art und Weise der Begehung oder für den Zweck der Tat von wesentlicher Bedeutung war; die Tat darf nicht lediglich "bei Gelegenheit" des bewaffneten Konflikts begangen werden (Werle/Jeßberger, aaO Rn. 1163 ff.). Eine Tatausführung während laufender Kampfhandlungen oder eine besondere räumliche Nähe dazu sind hingegen nicht erforderlich (BT-Drucks. 14/8524, S. 25).
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Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Beschuldigte war militärischer Anführer einer aktiv in den syrischen Bürgerkrieg eingebundenen Kampfeinheit. Die Getöteten waren im Zuge von Kampfhandlungen von der Katiba gefangen genommen worden und wurden getötet, weil sie als Angehörige der gegnerischen syrischen Regierung angesehen wurden.
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(4) Die Gefangenen wurden auch aus niedrigen Beweggründen im Sinne des § 211 Abs. 2 Variante 4 StGB getötet. Beweggründe sind niedrig, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Anschauung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 13. Mai 2015 - 3 StR 460/14, NStZ-RR 2015, 308, 309). Das ist der Fall, wenn sich der Täter in Verfolgung seiner selbst gesetzten Ziele mit der Tötung über gesell- schaftliche Wertentscheidungen bewusst hinwegsetzt, deren Beachtung für das Funktionieren eines demokratisch und rechtsstaatlich verfassten Gemeinwesens schlechthin konstitutiv ist, insbesondere indem er einen Gegner allein aufgrund von dessen politischer Betätigung oder Überzeugung tötet (MüKoStGB /Schneider, 2. Aufl., § 211 Rn. 89 f.). So verhielt es sich hier. Es ging dem Beschuldigten und seinen Mittätern nach Lage der Dinge ausschließlich darum, die wehrlosen Gefangenen zu töten, weil es sich aus ihrer Sicht um Angehörige des politischen Gegners und damit um "Ungläubige" handelte, die es zu töten galt, um den Machtanspruch der Jabhat al-Nusra in Syrien durchzusetzen.
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dd) Die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts folgt hinsichtlich des dem Beschuldigten zur Last gelegten Kriegsverbrechens gegen Personen unmittelbar aus § 1 VStGB, bezüglich der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der außereuropäischen terroristischen Vereinigung Jabhat al-Nusra infolge seines Aufenthalts im Inland aus § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB (BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.) und im Hinblick auf die Mordtat zumindest aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB. Mord aus niedrigen Beweggründen ist gemäß Art. 534 Nr. 1 des syrischen Strafgesetzbuchs auch in Syrien mit Strafe bedroht, und eine Auslieferung des Beschuldigten kommt angesichts der Verhältnisse in Syrien derzeit nicht in Betracht.
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ee) Die nach § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern der Jabhat al-Nusra liegt vor.
32
b) Wie sich bereits den Ausführungen unter II. 2. a) bb) entnehmen lässt, hat sich der dringende Tatverdacht hinsichtlich der Beteiligung des Beschuldigten an der Hinrichtung der 36 syrischen Regierungsmitarbeiter erst nach Erlass des Haftbefehls am 1. Juni 2016 ergeben. Er resultiert aus einer Gesamtschau der Angaben des am 9. Februar 2017 vernommenen Zeugen, der anschließend bei einer Internetrecherche aufgefundenen Videoaufnahmen, der Äußerungen des Beschuldigten im Rahmen einer "Facebook"-Kommunikation vom 21. Januar 2016 sowie der Angaben des Zeugen Ma. . Bei Erlass des Haftbefehls vom 1. Juni 2016 waren den Ermittlungsbehörden lediglich die Äußerungen des Beschuldigten anlässlich des am 29. April 2016 ausgewerteten "Facebook"-Chats bekannt. Sie allein begründeten indes ebenso wenig einen dringenden Tatverdacht wie die Angaben des Zeugen Ma. , der am 29. Juni 2016 vernommen wurde, und die - in ihrem Beweiswert eingeschränkten - Angaben des am 9. Februar 2017 vernommenen gesperrten Zeugen. Auch aus einer Gesamtschau dieser Umstände ergab sich noch keine hohe Verurteilungswahrscheinlichkeit. Zum dringenden Tatverdacht haben sich die Verdachtsmomente erst durch die Übersetzung und islamwissenschaftliche Bewertung der bei der Internetrecherche gefundenen Videoaufnahmen am 14. und 16. Februar 2017 verdichtet.
33
c) Die dem Beschuldigten vorgeworfene Beteiligung an der Hinrichtung der 36 syrischen Regierungsmitarbeiter ist nicht dieselbe Tat im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO, wie sie dem Beschuldigten im Haftbefehl vom 1. Juni 2016 angelastet worden ist; sie rechtfertigt auch für sich genommen den Erlass eines Haftbefehls.
34
aa) Das dem Beschuldigten nunmehr angelastete Kriegsverbrechen gegen Personen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 oder jedenfalls § 8 Abs. 1 Nr. 7 VStGB) nebst mehrfachem Mord steht zwar ebenso in Tateinheit zur mitgliedschaftlichen Beteiligung des Beschuldigten an der außereuropäischen terroristischen Vereinigung Jabhat al-Nusra wie die ihm in dem ursprünglichen Haftbefehl vorgeworfene Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Indes verbin- det diese mitgliedschaftliche Beteiligung die beiden Tatkomplexe nicht zu einer Tat im materiell-rechtlichen Sinn (§ 52 Abs. 1 StGB). Da es sich um unterschiedliche geschichtliche Vorgänge handelt, liegt auch keine einheitliche Tat im prozessualen Sinne des § 264 StPO vor (zu allem BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 319 f.). Unbeschadet der Frage, unter welchen - hier nicht gegebenen - besonderen Umständen bei Beachtung haftrechtlicher Gesichtspunkte die beiden Tatkomplexe dennoch als dieselbe Tat gemäß § 121 Abs. 1 StPO zu bewerten wären (s. oben II. 1.), handelt es sich somit auch nach den allgemeinen materiell- und verfahrensrechtlichen Maßstäben bei dem neuen Tatvorwurf nicht um eine schon von dem ursprünglichen Haftbefehl erfasste Tat.
35
bb) Der Beschuldigte hat schon im Falle seiner Verurteilung wegen des ihm nunmehr zur Last gelegten Kriegsverbrechens gegen Personen sowie Mordes mit einer so hohen Freiheitsstrafe zu rechnen, dass angesichts fehlender fluchthemmender Umstände - insoweit nimmt der Senat auf seine Haftfortdauerentscheidung vom 15. Dezember 2016 Bezug - zumindest die Gefahr besteht , dass die Ahndung der Tat ohne weitere Inhaftierung des Beschuldigten vereitelt werden könnte. Die Anordnung der Untersuchungshaft ist deshalb auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung der Vorschrift (vgl. MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) jedenfalls auf den Haftgrund der Schwerkriminalität gemäß § 112 Abs. 3 StPO zu stützen.
36
Weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO sind nicht erfolgversprechend.
37
cc) Schließlich steht die Anordnung der Untersuchungshaft im Hinblick auf die Beteiligung des Beschuldigten an der Hinrichtung der 36 syrischen Regierungsmitarbeiter nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 112 Abs. 1 Satz 2, § 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem in Haftsachen allgemein geltenden Beschleunigungsgebot besondere Bedeutung zukommt, falls sich - wie hier - die Haftdauer insgesamt verlängert , weil während des Vollzugs der Untersuchungshaft eine neue Sechsmonatsfrist in Gang gesetzt worden ist und eine (erneute) Haftprüfung gemäß den §§ 121, 122 StPO deshalb nicht stattfindet (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 22. Juni 2016 - 1 Ws 257/16 H, juris Rn. 10; OLG Koblenz, Beschluss vom 3. Januar 2001 - (1) 4420 BL - III - 71/00, NStZ-RR 2001, 152, 153).
38
3. Der Ablauf der durch den Haftbefehl vom 13. März 2017 in Gang gesetzten Sechsmonatsfrist steht noch nicht bevor. Da der dringende Tatverdacht hinsichtlich der Beteiligung des Beschuldigten an der Hinrichtung der 36 syrischen Regierungsmitarbeiter letztlich seit dem 16. Februar 2017 besteht, ist davon auszugehen, dass der Haftbefehl spätestens am 17. Februar 2017 um den neuen Tatvorwurf hätte erweitert werden können. Die neue Sechsmonatsfrist hat folglich erst an diesem Tag zu laufen begonnen.
Becker Gericke Tiemann

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafprozeßordnung - StPO | § 112 Voraussetzungen der Untersuchungshaft; Haftgründe


(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßr

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafprozeßordnung - StPO | § 121 Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate


(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafgesetzbuch - StGB | § 129a Bildung terroristischer Vereinigungen


(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, 1. Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völ

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

Strafgesetzbuch - StGB | § 129b Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Einziehung


(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausg

Strafprozeßordnung - StPO | § 116 Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls


(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werd

Strafprozeßordnung - StPO | § 122 Besondere Haftprüfung durch das Oberlandesgericht


(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es be

Strafprozeßordnung - StPO | § 120 Aufhebung des Haftbefehls


(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sich

Strafgesetzbuch - StGB | § 30 Versuch der Beteiligung


(1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend. (

Strafgesetzbuch - StGB | § 89a Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat


(1) Wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Eine schwere staatsgefährdende Gewalttat ist eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 oder des § 212 od

Völkerstrafgesetzbuch - VStGB | § 8 Kriegsverbrechen gegen Personen


(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt 1. eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,2. eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,3. ein

Strafgesetzbuch - StGB | § 7 Geltung für Auslandstaten in anderen Fällen


(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt. (2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, g

Strafgesetzbuch - StGB | § 308 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion


(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter e

Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes


Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen

Völkerstrafgesetzbuch - VStGB | § 1 Anwendungsbereich


Dieses Gesetz gilt für alle in ihm bezeichneten Straftaten gegen das Völkerrecht, für Taten nach den §§ 6 bis 12 auch dann, wenn die Tat im Ausland begangen wurde und keinen Bezug zum Inland aufweist. Für Taten nach § 13, die im Ausland begangen wurd

Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen - KrWaffKontrG | § 22a Sonstige Strafvorschriften


(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer1.Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 2 Abs. 1 herstellt,2.die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 2 Abs. 2 von einem anderen erwirbt oder einem an

Strafprozeßordnung - StPO | § 68 Vernehmung zur Person; Beschränkung von Angaben, Zeugenschutz


(1) Die Vernehmung beginnt damit, dass der Zeuge über Vornamen, Nachnamen, Geburtsnamen, Alter, Beruf und vollständige Anschrift befragt wird. In richterlichen Vernehmungen in Anwesenheit des Beschuldigten und in der Hauptverhandlung wird außer bei Z

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS AK 38-40/17 vom 13. September 2017 in dem Strafverfahren gegen 1. 2. 3. wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a. ECLI:DE:BGH:2017:130917BAK38.17.0 Der 3. Strafsenat des Bundes

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2017 - AK 38/17

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(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Verursacht der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.
Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 2 Abs. 1 herstellt,
2.
die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 2 Abs. 2 von einem anderen erwirbt oder einem anderen überläßt,
3.
im Bundesgebiet außerhalb eines abgeschlossenen Geländes Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 3 Abs. 1 oder 2 befördern läßt oder selbst befördert; dies gilt nicht für Selbstbeförderungen in den Fällen des § 12 Absatz 6 Nummer 1 sowie für Inhaber einer Waffenbesitzkarte für Kriegswaffen gemäß § 59 Absatz 4 des Waffengesetzes von 1972 im Rahmen von Umzugshandlungen durch den Inhaber der Erlaubnis,
4.
Kriegswaffen einführt, ausführt, durch das Bundesgebiet durchführt oder aus dem Bundesgebiet verbringt, ohne daß die hierzu erforderliche Beförderung genehmigt ist,
5.
mit Seeschiffen, welche die Bundesflagge führen, oder mit Luftfahrzeugen, die in die Luftfahrzeugrolle der Bundesrepublik Deutschland eingetragen sind, absichtlich oder wissentlich Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 4 befördert, die außerhalb des Bundesgebietes ein- und ausgeladen und durch das Bundesgebiet nicht durchgeführt werden,
6.
über Kriegswaffen sonst die tatsächliche Gewalt ausübt, ohne daß
a)
der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach diesem Gesetz beruht oder
b)
eine Anzeige nach § 12 Abs. 6 Nr. 1 oder § 26a erstattet worden ist,
oder
7.
einen Vertrag über den Erwerb oder das Überlassen ohne Genehmigung nach § 4a Abs. 1 vermittelt oder eine Gelegenheit hierzu nachweist oder einen Vertrag ohne Genehmigung nach § 4a Abs. 2 abschließt.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 4, 6 oder 7 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Straftaten verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds handelt.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

(4) Wer fahrlässig eine in Absatz 1 Nummer 1 bis 4, 6 oder Nummer 7 bezeichnete Handlung begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Nach Absatz 1 Nr. 3 oder 4 wird nicht bestraft, wer Kriegswaffen, die er in das Bundesgebiet eingeführt oder sonst verbracht hat, freiwillig und unverzüglich einer Überwachungsbehörde, der Bundeswehr oder einer für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörde oder Dienststelle abliefert. Gelangen die Kriegswaffen ohne Zutun desjenigen, der sie in das Bundesgebiet eingeführt oder sonst verbracht hat, in die tatsächliche Gewalt einer der in Satz 1 genannten Behörden oder Dienststellen, so genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Kriegswaffen abzuliefern.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Verursacht der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sich bereit erklärt, wer das Erbieten eines anderen annimmt oder wer mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Eine schwere staatsgefährdende Gewalttat ist eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 oder des § 212 oder gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b, die nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.

(2) Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er

1.
eine andere Person unterweist oder sich unterweisen lässt in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen, Stoffen, die Gift enthalten oder hervorbringen können, anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer der in Absatz 1 genannten Straftaten dienen,
2.
Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder einem anderen überlässt oder
3.
Gegenstände oder Stoffe sich verschafft oder verwahrt, die für die Herstellung von Waffen, Stoffen oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art wesentlich sind.

(2a) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er es unternimmt, zum Zweck der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat oder der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Handlungen aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, um sich in einen Staat zu begeben, in dem Unterweisungen von Personen im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 erfolgen.

(3) Absatz 1 gilt auch, wenn die Vorbereitung im Ausland begangen wird. Wird die Vorbereitung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union begangen, gilt dies nur, wenn sie durch einen Deutschen oder einen Ausländer mit Lebensgrundlage im Inland begangen wird oder die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland oder durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll.

(4) In den Fällen des Absatzes 3 Satz 2 bedarf die Verfolgung der Ermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Wird die Vorbereitung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union begangen, bedarf die Verfolgung der Ermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, wenn die Vorbereitung weder durch einen Deutschen erfolgt noch die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland noch durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll.

(5) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Täter freiwillig die weitere Vorbereitung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat aufgibt und eine von ihm verursachte und erkannte Gefahr, dass andere diese Tat weiter vorbereiten oder sie ausführen, abwendet oder wesentlich mindert oder wenn er freiwillig die Vollendung dieser Tat verhindert. Wird ohne Zutun des Täters die bezeichnete Gefahr abgewendet oder wesentlich gemindert oder die Vollendung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat verhindert, genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, dieses Ziel zu erreichen.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Verursacht der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.
Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 2 Abs. 1 herstellt,
2.
die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 2 Abs. 2 von einem anderen erwirbt oder einem anderen überläßt,
3.
im Bundesgebiet außerhalb eines abgeschlossenen Geländes Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 3 Abs. 1 oder 2 befördern läßt oder selbst befördert; dies gilt nicht für Selbstbeförderungen in den Fällen des § 12 Absatz 6 Nummer 1 sowie für Inhaber einer Waffenbesitzkarte für Kriegswaffen gemäß § 59 Absatz 4 des Waffengesetzes von 1972 im Rahmen von Umzugshandlungen durch den Inhaber der Erlaubnis,
4.
Kriegswaffen einführt, ausführt, durch das Bundesgebiet durchführt oder aus dem Bundesgebiet verbringt, ohne daß die hierzu erforderliche Beförderung genehmigt ist,
5.
mit Seeschiffen, welche die Bundesflagge führen, oder mit Luftfahrzeugen, die in die Luftfahrzeugrolle der Bundesrepublik Deutschland eingetragen sind, absichtlich oder wissentlich Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 4 befördert, die außerhalb des Bundesgebietes ein- und ausgeladen und durch das Bundesgebiet nicht durchgeführt werden,
6.
über Kriegswaffen sonst die tatsächliche Gewalt ausübt, ohne daß
a)
der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach diesem Gesetz beruht oder
b)
eine Anzeige nach § 12 Abs. 6 Nr. 1 oder § 26a erstattet worden ist,
oder
7.
einen Vertrag über den Erwerb oder das Überlassen ohne Genehmigung nach § 4a Abs. 1 vermittelt oder eine Gelegenheit hierzu nachweist oder einen Vertrag ohne Genehmigung nach § 4a Abs. 2 abschließt.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 4, 6 oder 7 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Straftaten verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds handelt.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

(4) Wer fahrlässig eine in Absatz 1 Nummer 1 bis 4, 6 oder Nummer 7 bezeichnete Handlung begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Nach Absatz 1 Nr. 3 oder 4 wird nicht bestraft, wer Kriegswaffen, die er in das Bundesgebiet eingeführt oder sonst verbracht hat, freiwillig und unverzüglich einer Überwachungsbehörde, der Bundeswehr oder einer für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörde oder Dienststelle abliefert. Gelangen die Kriegswaffen ohne Zutun desjenigen, der sie in das Bundesgebiet eingeführt oder sonst verbracht hat, in die tatsächliche Gewalt einer der in Satz 1 genannten Behörden oder Dienststellen, so genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Kriegswaffen abzuliefern.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.



Tenor

Eine Entscheidung des Senats über die Fortdauer der Untersuchungshaft ist nicht veranlasst.

Gründe

I.

1

Der Angeklagte befand sich zunächst in dem Ermittlungsverfahren 101 Js 60/09 StA Aachen aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Aachen vom 24. Januar 2009 (Bl. 36 ff. d.A. 8031 Js 6122/09 StA Trier) seit diesem Tag in Untersuchungshaft. Tatvorwurf war der unerlaubte Besitz von und unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Im PKW des Angeklagten war am 22. Januar 2009 eine Heroinmenge von insgesamt 62,13 g gefunden worden.

2

Aufgrund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Trier gegen den gesondert verfolgten Mario S. ergaben sich Hinweise, dass der Angeklagte als Kurierfahrer des gesondert verfolgten Ahmet M. Kokain, Amphetamin und Cannabis in nicht geringer Menge nach Deutschland eingeführt haben soll. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft Trier am 28. Januar 2009 gegen den Angeklagten ein Ermittlungsverfahren ein (8031 Js 3866/09). Aufgrund der am 9. Februar 2009 abgeschlossenen Auswertung der umfangreichen Telefonüberwachung aus dem Verfahren der Staatsanwaltschaft Koblenz gegen David W. (2090 Js 485/09 StA Koblenz), das der Staatsanwaltschaft Trier am 30. Januar 2009 zur Verfügung gestellt worden war, ergab sich der dringende Tatverdacht weiterer Betäubungsmittelstraftaten des Angeklagten. Am 13. Februar 2009 erließ das Amtsgericht Trier daraufhin Haftbefehl gegen ihn wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben in nicht geringer Menge in vier Fällen. Ihm wurde vorgeworfen, als Kurierfahrer im Zeitraum vom 9. Januar bis 15. Januar 2009 in vier Fällen Amphetamin und Marihuana nach Deutschland zu dem gesondert verfolgten Simon verbracht zu haben. Es wurde Überhaft notiert.

3

Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Aachen wurde von der Staatsanwaltschaft Trier am 9. März 2009 übernommen. Nach umfangreichen Vernehmungen des gesondert verfolgten S. und der ergänzenden Vernehmung der gesondert verfolgten Nadine Sch. ergab sich der dringende Verdacht, dass der Angeklagte über die in dem Haftbefehl vom 13. Februar 2009 bereits aufgeführten Taten hinaus weitere Betäubungsmittelstraftaten begangen hatte. Daraufhin ergänzte und fasste das Amtsgericht Trier auf Antrag der Staatsanwaltschaft den Haftbefehl am 6. April 2009 neu. Gegenstand des Haftbefehls vom 6. April 2009 ist der Vorwurf, der Angeklagte habe in der Zeit von Februar 2008 bis zum 15. Januar 2009 in 23 Fällen Betäubungsmittel in nicht geringer Menge (31,5 kg Amphetamin, 18.500 Ecstasys, 5,5 kg Marihuana, 100 g Kokain) von Vaals/NL nach Prüm, Lahnstein und andere Orte eingeführt und mit ihnen Handel getrieben.

4

Mit Verfügung vom 7. Mai 2009 stellte die Staatsanwaltschaft das von der Staatsanwaltschaft Aachen übernommene Verfahren gemäß § 154 Abs. 1 StPO vorläufig ein (Bl. 92, 130 d.A. 8031 Js 6122/09 StA Trier). Mit Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 7. Mai 2009 wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft Trier der Haftbefehl des Amtsgerichts Aachen vom 24. Januar 2009 aufgehoben (Bl. 98 d.A. 8031 Js 6122/09 StA Trier).

5

In dem vorliegenden Verfahren 8031 Js 3866/09 - 5 KLs StA Trier befindet sich der Angeklagte aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Trier vom 13. Februar 2009 (Bl. 44 ff. d.A.), ergänzt und neu gefasst am 6. April 2009 (Bl. 180 ff. d.A.), seit dem 7. Mai 2009 in Untersuchungshaft (Bl. 205 ff., 292 d.A.). Die Staatsanwaltschaft erhob wegen der im Haftbefehl vom 6. April 2009 aufgeführten Taten am 11. Mai 2009 Anklage zum Landgericht Trier (Bl. 278 ff. d.A.). Mit Beschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Trier vom 25. Juni 2009 wurde das Hauptverfahren eröffnet (Bl. 320 d.A.). Termin zur Hauptverhandlung bestimmte der Vorsitzende auf den 6. August 2009 mit Fortsetzungsterminen am 13. und 19. August 2009 (Bl. 321 d.A.).

6

Die Akten wurden dem Senat zur Entscheidung nach § 121 StPO vorgelegt.

II.

7

Eine Entscheidung des Senats ist nicht veranlasst. Der Angeklagte befindet sich zwar schon sechs Monate in Untersuchungshaft, jedoch nicht wegen derselben Tat i.S.d. § 121 Abs. 1 StPO.

8

1. Der Begriff „derselben Tat“ in § 121 Abs. 1 StPO kann nicht mit dem Tatbegriff des § 264 StPO oder dem des § 53 StGB gleichgesetzt werden kann. Nach dem in der überwiegenden Rechtsprechung und Literatur vertretenen „erweiterten Tatbegriff“ fallen unter „dieselbe Tat“ alle Taten des Beschuldigten von dem Zeitpunkt an, in dem sie - i.S. eines dringenden Tatverdachts - bekannt geworden sind und in den bestehenden Haftbefehl hätten aufgenommen werden können, gleichgültig, ob sie Gegenstand desselben Verfahrens oder getrennter Verfahren sind (vgl. OLG Naumburg NStZ-RR 2009, 157 (LS); OLG Dresden StV 2009, 366; OLG Stuttgart StV 2008, 85; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2004, 125; OLG Koblenz NStZ-RR, 2001, 152; OLG Hamm NStZ-RR 2000, 382; OLG Stuttgart NStZ-RR 1999, ; OLG Zweibrücken NStZ-RR 1998, ; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl. § 121 Rdnr. 14; Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. § 112 Rdnr. 14 ff.; Schultheiß in Karlsruher-Kommentar, StPO, 6. Aufl. § 112 Rdnr. 10; AnwK-StPO/Lammer § 121 Rdnr. 6). Wird erst nach dem Erlass des ersten Haftbefehls eine weitere, schon vor Erlass dieses Haftbefehls begangene Straftat bekannt, beginnt die Sechsmonatsfrist jedenfalls hinsichtlich dieser neuen Tat von dem Zeitpunkt an, ab dem wegen dieses neuen Vorwurfs erstmals die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls vorlagen. Maßgeblich für den Fristbeginn ist der Tag, an dem der neue Haftbefehl hätte erlassen oder der bestehende Haftbefehl hätte erweitert werden können (vgl. Meyer-Goßner a.a.O.).

9

Dieser in Rechtsprechung und Literatur herrschenden Ansicht schließt sich der Senat unter Aufgabe seiner abweichenden Auffassung (vgl. Senatsbeschluss NStZ-RR 2001, 124) an. Sie führt zu sachgerechten Ergebnissen, ohne den von § 121 Abs. 1 StPO eingeräumten Schutz des Beschuldigten in unzulässiger Weise einzuschränken.

10

2. Unter Anwendung der Grundsätze des „erweiterten Tatbegriffs“ ist eine Entscheidung des Senats gemäß §§ 121, 122 StPO nicht veranlasst. Insoweit ist für den (Neu-) Beginn der Sechsmonatsfrist des § 121 StPO auf den Zeitpunkt abzustellen, ab dem wegen der neuen Tatvorwürfe erstmals die Voraussetzungen für den Erlass oder die Erweiterung eines Haftbefehls vorgelegen haben.

11

Die dem Haftbefehl des Amtsgerichts Trier vom 13. Februar 2009 zugrunde liegenden Taten wurden erstmals aufgrund der am 9. Februar 2009 abgeschlossenen Auswertung der Telefonüberwachung im Sinne eines dringenden Tatverdachts bekannt, so dass Haftbefehl am 9. Februar 2009 hätte erlassen werden können. Die Frist des § 121 StPO wurde ab diesem Zeitpunkt neu in Gang gesetzt. Die in der ergänzten Fassung des Haftbefehls vom 6. April 2009 enthaltenen weiteren Taten wurden erstmals aufgrund der Angaben des gesondert Verfolgten Mario S. in den Vernehmungen vom 9., 10. und 17. März 2009 (Bl. 98 ff., 118 ff., 153 ff. d.A.) sowie der gesondert Verfolgten Nadine Sch. in der Vernehmung vom 23. März 2009 (Bl. 158 ff., 161 d.A.) i.S. eines dringenden Tatverdachts konkretisierbar mit der Folge, dass der Haftbefehl an dem der Beweisgewinnung nachfolgenden Tag erlassen bzw. angepasst werden konnte. Damit begann am 24. März 2009 erneut die Sechsmonatsfrist (§ 121 Abs. 1 StGB), die noch nicht abgelaufen ist. Durch die am 6. August 2009 beginnende Hauptverhandlung ruht der Fristenlauf (§ 121 Abs. 3 Satz 2 StPO). Eine Notwendigkeit der besonderen Haftprüfung durch den Senat gemäß §§ 121, 122 StPO besteht daher nicht.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) Die Vernehmung beginnt damit, dass der Zeuge über Vornamen, Nachnamen, Geburtsnamen, Alter, Beruf und vollständige Anschrift befragt wird. In richterlichen Vernehmungen in Anwesenheit des Beschuldigten und in der Hauptverhandlung wird außer bei Zweifeln über die Identität des Zeugen nicht die vollständige Anschrift, sondern nur dessen Wohn- oder Aufenthaltsort abgefragt. Ein Zeuge, der Wahrnehmungen in amtlicher Eigenschaft gemacht hat, kann statt der vollständigen Anschrift den Dienstort angeben.

(2) Einem Zeugen soll zudem gestattet werden, statt der vollständigen Anschrift seinen Geschäfts- oder Dienstort oder eine andere ladungsfähige Anschrift anzugeben, wenn ein begründeter Anlass zu der Besorgnis besteht, dass durch die Angabe der vollständigen Anschrift Rechtsgüter des Zeugen oder einer anderen Person gefährdet werden oder dass auf Zeugen oder eine andere Person in unlauterer Weise eingewirkt werden wird. In richterlichen Vernehmungen in Anwesenheit des Beschuldigten und in der Hauptverhandlung soll dem Zeugen gestattet werden, seinen Wohn- oder Aufenthaltsort nicht anzugeben, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 bei dessen Angabe vorliegen.

(3) Besteht ein begründeter Anlass zu der Besorgnis, dass durch die Offenbarung der Identität oder des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen Leben, Leib oder Freiheit des Zeugen oder einer anderen Person gefährdet wird, so kann ihm gestattet werden, Angaben zur Person nicht oder nur über eine frühere Identität zu machen. Er hat jedoch in der Hauptverhandlung auf Befragen anzugeben, in welcher Eigenschaft ihm die Tatsachen, die er bekundet, bekannt geworden sind. Ist dem Zeugen unter den Voraussetzungen des Satzes 1 gestattet worden, Angaben zur Person nicht oder nur über eine frühere Identität zu machen, darf er sein Gesicht entgegen § 176 Absatz 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes ganz oder teilweise verhüllen.

(4) Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Voraussetzungen der Absätze 2 oder 3 vorliegen, ist der Zeuge auf die dort vorgesehenen Befugnisse hinzuweisen. Im Fall des Absatzes 2 soll der Zeuge bei der Benennung einer ladungsfähigen Anschrift unterstützt werden. Die Unterlagen, die die Feststellung des Wohn- oder Aufenthaltsortes, der vollständigen Anschrift oder der Identität des Zeugen gewährleisten, werden bei der Staatsanwaltschaft verwahrt. Zu den Akten sind sie erst zu nehmen, wenn die Besorgnis der Gefährdung entfällt. Wurde dem Zeugen eine Beschränkung seiner Angaben nach Absatz 2 Satz 1 gestattet, veranlasst die Staatsanwaltschaft von Amts wegen bei der Meldebehörde eine Auskunftssperre nach § 51 Absatz 1 des Bundesmeldegesetzes, wenn der Zeuge zustimmt.

(5) Die Absätze 2 bis 4 gelten auch nach Abschluss der Zeugenvernehmung. Soweit dem Zeugen gestattet wurde, Daten nicht anzugeben, ist bei Auskünften aus und Einsichtnahmen in Akten sicherzustellen, dass diese Daten anderen Personen nicht bekannt werden, es sei denn, dass eine Gefährdung im Sinne der Absätze 2 und 3 ausgeschlossen erscheint.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
_____________
AK 3/10
vom
17. Juni 2010
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________________
1. Militärischer Befehlshaber im Sinne des § 4 VStGB ist, wer die faktisch ausübbare
, gegebenenfalls auch rechtlich fundierte Möglichkeit hat, Untergebenen
verbindliche Anweisungen zu erteilen und die Ausführung dieser Anweisungen
durchzusetzen.
2. Der subjektive Tatbestand des § 4 VStGB setzt mindestens bedingten Vorsatz
des Vorgesetzten voraus. Dieser muss u. a. erkennen oder mit der
konkreten Möglichkeit rechnen, dass der Untergebene eine Straftat nach
dem Völkerstrafgesetzbuch zu begehen beabsichtigt. Dabei genügt es,
wenn sein bedingter Vorsatz die Art der zu begehenden Straftat umfasst und
sich weiter darauf erstreckt, dass derartige Taten bei dem Einsatz der ihm
unterstellten Truppen im Kampfgebiet begangen werden; ein hierüber hinausgehendes
Detailwissen ist nicht erforderlich.
BGH, Beschl. vom 17. Juni 2010 - AK 3/10 - Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie des Beschuldigten und seiner Verteidiger am 17. Juni 2010
gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:

1
Der Beschuldigte wurde aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. November 2009 (4 BGs 31/09) am 17. November 2009 festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe sich als Präsident der in den Provinzen Nord-Kivu und Süd-Kivu der Demokratischen Republik Kongo (im Folgenden: DRC) operierenden paramilitärischen MilizenOrganisation "Forces Démocratiques de Libération du Rwanda" (im Folgenden: FDLR) wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und wegen Kriegsverbrechen , für die er jeweils als Vorgesetzter verantwortlich sei, sowie zugleich als Rädelsführer einer terroristischen Vereinigung im Ausland strafbar gemacht.
3
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
4
1. Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Geschehen auszugehen:
5
a) Zwischen den in der Republik Ruanda ansässigen Bevölkerungsgruppen - insbesondere den Hutu, welche die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung stellte, und den Tutsi - kam es bereits in der Vergangenheit zu zahlreichen gewaltsamen Auseinandersetzungen. Diesen fielen insbesondere Angehörige der Tutsi zum Opfer. Eine Vielzahl von ihnen floh deshalb in die benachbarte Republik Uganda. Eine dort unter dem Namen "Ruandische Patriotische Front" (im Folgenden: RPF) zusammengestellte Rebellenarmee griff im Jahre 1990 die Republik Ruanda an, um das dortige Regime, dessen maßgebende Funktionen von Angehörigen der Hutu ausgeübt wurden, zu beseitigen und den Flüchtlingen die Heimkehr zu ermöglichen. Nach militärischen Erfolgen der RPF und Verhandlungen über eine Teilung der Macht und Demokratisierung Ruandas wurde im August 1993 das Friedensabkommen von Arusha geschlossen. Danach sollte die bis dahin allein regierende Partei des Präsidenten Habyarimana Teile ihrer Macht abgeben, demokratische Prozesse zulassen und den Angehörigen der Tutsi eine Teilhabe am Staatswesen ermöglichen. Das Abkommen wurde jedoch in der Folgezeit insbesondere aufgrund des Widerstands einflussreicher Kreise der Hutu nicht umgesetzt.
6
Am 6. April 1994 wurde das Flugzeug des damaligen Staatspräsidenten Habyarimana von bis heute nicht zweifelsfrei ermittelten Attentätern abgeschossen ; Habyarimana fand dabei den Tod. Dieses Ereignis war Beginn einer Tötungswelle, in deren Verlauf schätzungsweise 500.000 bis 800.000 Angehörige der Tutsi sowie gemäßigte Hutu umgebracht wurden. Um dieser Massentö- tung Einhalt zu gebieten, rückte die bisher im Norden Ruandas befindliche RPF vor und eroberte schließlich die übrigen Landesteile. Die Soldaten und Offiziere der staatlichen Armee flüchteten mit Teilen der hutustämmigen Bevölkerung, insbesondere Angehörigen der paramilitärischen Interahamwe-Miliz, teilweise nach Tansania, teilweise aber auch nach Zaire, der heutigen DRC, in die dortigen Provinzen Nord- und Süd-Kivu. Dort setzten sich die Hutu-Verbände fest; ihre Angehörigen versuchten, wieder Einfluss auf die Politik Ruandas zu erlangen. Sie bildeten eine auf der früheren Armee basierende Organisation, die sich seit etwa 1999/2000 als FDLR bezeichnet. Dieser gehören etwa 6.000 Personen an; sie ist damit die größte und einflussreichste Milzengruppierung im Osten der DRC. Mit Hilfe ihres Machtapparates wurde die in Nord- und Süd-Kivu einheimische kongolesische Zivilbevölkerung unterworfen. Strategisches Ziel der FDLR war und ist die Übernahme der Macht in der Republik Ruanda.
7
Die FDLR wurde lange Zeit durch die Regierung und die Armee der DRC unterstützt; auch diese betrachteten die gegenwärtige Regierung der Republik Ruanda als Feind, den es zu bekämpfen galt. So gelang es der FDLR, quasistaatliche Strukturen im Ostkongo aufzubauen, beispielsweise Steuern und Zölle zu erheben sowie den Abbau und Export der dort vorhandenen Bodenschätze zu kontrollieren. Diese Lage änderte sich Ende 2008/Anfang 2009. Zu diesem Zeitpunkt kam es zu einer Annäherung der Regierungen der DRC und der Republik Ruanda; beide Länder nahmen gemeinsam den Kampf gegen die FDLR auf. Im Frühjahr 2009 führten die kongolesische Regierungsarmee und die ruandischen Regierungstruppen gegen die FDLR die gemeinsamen Militäraktionen "Umuja Wetu", "Kimia II" und "Amani Leo" durch. Seit diesem Zeitpunkt war die FDLR wiederholt gezwungen, die Herrschaft über von ihr kontrollierte Gebiete abzugeben, sich zurück zu ziehen und neue Herrschaftsbereiche zu erobern. Dabei wurde der Operationsschwerpunkt in letzter Zeit von Nordnach Süd-Kivu verlagert. Als Reaktion auf die Angriffe der kongolesischen und ruandischen Truppen intensivierte die FDLR ihre Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung im Ostkongo. Dabei wurde die Devise ausgegeben, eine humanitäre Katastrophe in der Bürgerkriegsregion herbeizuführen, um die Zivilbevölkerung gegen die Militäroffensive der kongolesischen Armee aufzubringen. Die FDLR entwickelte die Strategie der "operations punitives" bzw. "actions punitives". Die nicht mit der FDLR kooperierenden Zivilpersonen - auch Frauen und Kinder - wurden von ihr als Feinde betrachtet. Die einheimische Bevölkerung wurde unter anderem durch in den Dörfern hinterlassene schriftliche Mitteilungen für den Fall mit Straf- oder Racheaktionen bedroht, dass sie nicht mit der FDLR zusammenarbeite. Diese Drohungen wurden von der FDLR regelmäßig in die Tat umgesetzt; es kam zu einer Vielzahl von gewaltsamen Übergriffen bis hin zu Massakern, bei denen ganze Dörfer vernichtet und zahlreiche Menschen getötet wurden. Auch sexuelle Gewalt gegen die einheimische Zivilbevölkerung wurde als Teil der Kampfstrategie der FDLR angewendet.
8
U. a. aufgrund von Zeugenaussagen in diesem Verfahren sind insbesondere die folgenden Vorfälle der FDLR zuzuordnen:
9
- Am 13. Februar 2009 brannten Angehörige der FDLR als Reaktion auf einen Angriff der kongolesischen Regierungstruppen zahlreiche Häuser des Dorfes Kipopo im Territorium Masisi/Nord-Kivu nieder. Bei der Aktion wurden mehr als ein Dutzend Zivilisten getötet, von denen viele in ihren Häusern verbrannten.
10
- Bei einem Vergeltungs- bzw. Racheangriff der FDLR auf das Dorf Mianga im Territorium Walikale/Nord-Kivu am 12. April 2009 wurden ebenfalls zahlreiche Häuser niedergebrannt und Zivilisten getötet.
11
- Am 17. April 2009 griff die FDLR die Dörfer Luofo und Kasiki im Territorium Lubero/Nord-Kivu an und setzte zahlreiche Häuser in Brand. Auch bei die- ser Aktion verbrannten mehrere Zivilisten. Ziel des Angriffs war es u. a., internationale Organisationen auf die Situation aufmerksam zu machen und so Druck auf die Regierung der Republik Ruanda auszuüben, mit der FDLR zu verhandeln.
12
- Am 9. Mai 2009 wurden bei einem Angriff der FDLR im Rahmen der "operations punitives" auf das Dorf Busurungi im Territorium Walikale/Nord-Kivu eine große Anzahl Häuser niedergebrannt und zivile Dorfbewohner umgebracht. Die Zeugin 1, die ebenso wie der Zeuge 2 den Angriff als Einwohner Busurungis selbst miterlebte, erhielt von einem Angehörigen der FDLR einen Schlag mit einer Machete gegen den Kopf. Der Zeuge 2 überlebte, weil er sich in einem Gebüsch versteckte. Von dort musste er u. a. ansehen, wie seine Nachbarn getötet wurden.
13
- Am 10. Mai 2009 zündeten Mitglieder der FDLR das Dorf Ekingi im Territorium Kalehe/Süd-Kivu an und töteten zahlreiche Zivilisten. Dabei handelte es sich um eine Racheaktion der FDLR, weil die kongolesische Dorfbevölkerung nicht mehr auf ihrer Seite gewesen sei.
14
- In zahlreichen Fällen kam es zu schwersten Körperverletzungen und sexuellen Gewalttaten von Angehörigen der FDLR gegenüber der einheimischen kongolesischen Bevölkerung, wobei insbesondere die geschädigten Frauen vielfach brutal misshandelt wurden; sie verstarben teilweise an den ihnen zugefügten Verletzungen.
15
- Die FDLR rekrutierte mehrfach Kinder im Alter von unter 15 Jahren. Diese wurden teilweise als sog. Kadogos zu Hilfsarbeiten herangezogen, teilweise erhielten sie noch im Kindesalter eine militärische Ausbildung und beteiligten sich an den Kämpfen.
16
- Angehörige der FDLR pressten der einheimischen Bevölkerung in zahlreichen Fällen Geld ab und stahlen bei Bedarf Nahrung und sonstige ihnen besitzenswert erscheinende Gegenstände wie Macheten oder Geschirr.
17
b) Die FDLR ist hierarchisch organisiert und nach sachlichen Zuständigkeitsbereichen gegliedert; ihre Funktionäre gehen arbeitsteilig vor. An der Spitze steht der Präsident, der zugleich auch oberster militärischer Befehlshaber ist. Er wird von zwei Vizepräsidenten vertreten, von denen der eine für den administrativen Bereich und die Außendarstellung, der andere für die militärischen Belange zuständig ist. Weiteres Mitglied der Führung ist der Exekutivsekretär, der die operativen Tagesgeschäfte maßgeblich mitbestimmt. Darüber hinaus gibt es in der politischen Führung mehrere Exekutivkommissionen (z. B. für Propaganda oder für Sicherheit) und ein sog. presidential cabinet. Die FDLR ist darauf bedacht, sich nach außen als im Kern politische Organisation darzustellen ; sie erhebt den Anspruch, gleichberechtigt an Verhandlungen über die Zukunft der Kivu-Provinzen der DRC und die Rückführung der Mitglieder der FDLR nach Ruanda mitzuwirken sowie dort an der Macht beteiligt zu werden. Sie sieht letztlich ausschließlich Angehörige der Volksgruppe der Hutu als berechtigt an, die Macht in Ruanda auszuüben, und verfolgt deshalb das Ziel, die Tutsi wieder zu vertreiben. Die FDLR verfügt über eine militärische Unterorganisation , die "Forces Combattantes Abacunguzi" (im Folgenden: FOCA), die maßgeblich in die gegenwärtigen gewaltsamen Auseinandersetzungen in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu verwickelt ist. Die FOCA ist wie eine Armee aufgebaut und verfügt über eine bürokratische Struktur mit einem Oberkommando sowie über ein Netzwerk zur Rekrutierung von Kämpfern. Sie gliedert sich in zwei Divisionen sowie eine Reserve-Brigade und hält Ausbildungseinheiten vor. Kommandeur und damit militärischer Oberbefehlshaber der FOCA vor Ort im Kampfgebiet ist Generalmajor Sylvestre Mudacumura (alias Bernard Mpenzi).
Die Entscheidungen der Führung der FOCA stehen unter dem Vorbehalt der Billigung durch die FDLR-Gesamtorganisation.
18
c) Der Beschuldigte studierte ab dem Jahre 1989 in Deutschland; 1998 promovierte er an der Universität Köln auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften. Während des Genozids in Ruanda im Jahre 1994 und danach hielt er sich dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland auf. Nach Gründung der FDLR übernahm er das Amt des Beauftragten für Außenbeziehungen der Organisation. Im Jahr 2001 wurde er zum Präsidenten der FDLR gewählt. In der Folgezeit unternahm er wiederholt Reisen in die DRC, um die dort maßgeblichen Mitglieder der Organisation zu treffen, seine Stellung in der FDLR zu festigen , aber auch um eine militärische Grundausbildung zu absolvieren. Im Juni 2005 wurde er erneut zum Präsidenten der FDLR gewählt. Nachdem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gegen die FDLR ein Embargo verhängt hatte, ergriff er auch gegen den Beschuldigten Maßnahmen in Form von Reisebeschränkungen und Restriktionen für Finanztransfers. Die Stadt Mannheim verbot dem Beschuldigten mit Bescheid vom 2. Mai 2006, sich politisch zu äußern und für die FDLR zu betätigen. Nach Missachtung dieses Verbots durch Presseerklärungen und Internetveröffentlichungen in der Zeit von September 2007 bis November 2008 wurde der Beschuldigte im Juni 2009 vom Landgericht Mannheim wegen mehrfachen Verstoßes gegen § 95 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 47 Abs. 1 Satz 2 AufenthaltsG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beschuldigte wurde in der Bundesrepublik Deutschland zunächst als Asylberechtigter anerkannt. Mit Bescheid vom 22. Februar 2006 wurde die Anerkennung mit der Begründung widerrufen, der Beschuldigte sei als Vorsitzender der FDLR für die von deren Kämpfern im Osten der DRC begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verantwortlich. Zudem rechtfertige seine Nennung in der Liste der Verletzer des von den Vereinten Nationen verhängten Waffenembargos gegen die DRC die Annahme, dass er sich Handlungen habe zu Schulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderliefen. Die hiergegen gerichtete Klage wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof durch - nicht rechtskräftiges - Urteil vom 13. Dezember 2009 abgewiesen.
19
Der Beschuldigte genießt innerhalb der FDLR bzw. FOCA eine uneingeschränkte Autorität. Er nimmt nicht lediglich nominell die Stellung des Präsidenten der FDLR ein; er ist vielmehr auch tatsächlich der höchste Führer der in der DRC operierenden Streitkräfte. Als solcher hatte er maßgeblichen Einfluss auf das Kriegsgeschehen in den Bürgerkriegsprovinzen der DRC und auf die dortigen , von Mitgliedern der FDLR begangenen Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht. Der Beschuldigte hielt sich im Tatzeitraum zwar in der Bundesrepublik Deutschland auf. Er stand jedoch in regem und kontinuierlichem Austausch mit den verantwortlichen Führern der FOCA vor Ort und ließ sich über die aktuelle militärische Lage in Nord- und Süd-Kivu fortlaufend informieren. Er gab die Richtlinien der FDLR vor und initiierte auch strategische militärische Pläne. Ihm wurden Entscheidungsvorschläge zur militärischen Planung unterbreitet , die er teilweise annahm, teilweise veränderte und in seltenen Fällen ablehnte. Er ist selbst niederrangigen FDLR-Milizionären namentlich bekannt. Seine Kenntnis von der tatsächlichen Situation im Osten der DRC umfasste das Wissen um die von den Mitgliedern seiner Organisation begangenen Gräueltaten. Die Strategie der FDLR, im Rahmen des Kampfes gegen die jeweiligen Kriegsgegner auch und gerade in den Jahren 2008 und 2009 gewaltsam gegen die im Kampfgebiet ansässige Zivilbevölkerung vorzugehen, war dem Beschuldigten bekannt. Ihm war bewusst, dass die Kämpfer der FDLR als Mittel des Kampfes und der Disziplinierung der Zivilbevölkerung auch Vergewaltigungen, Brandschatzungen, Plünderungen sowie Entführungen einsetzten und selbst vor Tötungen nicht zurückschreckten. Als allgemein in der FDLR bzw. FOCA anerkannter und respektierter oberster Führer war er in der Lage, andere führende FDLR-Mitglieder, die sich seinen Anweisungen widersetzten, aus dem Weg zu räumen und dafür zu sorgen, dass ausstiegswillige FDLR-Kämpfer mit Bestrafungen von ihrem Vorhaben abgebracht wurden. Aufgrund seiner unumschränkten Befehls- und Verfügungsgewalt hatte er somit auch die Möglichkeit, die Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung, deren er sich bewusst war, durch entsprechende Direktiven zu verhindern.
20
2. Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus den Bekundungen zahlreicher Zeugen, den durch die Beschlagnahme des E-Mail-Verkehrs des Beschuldigten und die Überwachung seiner Telekommunikation gewonnenen Erkenntnissen sowie aus Berichten der Vereinten Nationen, deren Teilorganisationen sowie von Nichtregierungsorganisationen. Hinsichtlich der Einzelheiten nimmt der Senat auf die ausführlichen Darlegungen in dem Haftbefehl vom 16. November 2009, dem Haftfortdauerbeschluss vom 1. April 2010, sowie den Schriftsätzen des Generalbundesanwalts vom 22. Februar und 11. Mai 2010 Bezug. Die bisher ermittelten Beweise begründen bei der gebotenen vorläufigen Würdigung auch unter Beachtung der Einlassung des Beschuldigten vor dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs anlässlich seiner Haftprüfung am 30. März 2010 eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beschuldigte Straftaten nach den §§ 4, 7, 8 VStGB sowie den §§ 129 a, 129 b StGB begangen hat.
21
Bezüglich der in diesem Verfahren vernommenen Zeugen verweist der Senat beispielhaft auf die Bekundungen des Zeugen H. zu dem Angriff der FDLR auf das Dorf Kipopo, die Aussagen der Zeugen N. und B. zu der Verwüstung des Dorfes Mianga, die Angaben des Zeugen B. zu den Übergriffen in den Dörfern Luofo und Kasiki, die Beschreibungen der Zeugen 1 und 2, N. sowie B. zu dem Massaker von Busurungi und die Schilderung des Zeugen B. zu dem Überfall auf das Dorf Ekingi. Die Zeugen 7 und 9 haben von zahlreichen weiteren, in diesem Beschluss nicht im Einzelnen aufgeführten Zerstörungen von Dörfern durch die FDLR im Jahre 2009 berichtet. Dem Zeugen 9 wurde dabei von einem Angehörigen der FDLR durch einen Hieb mit einer Machete ein Teil seiner Hand abgetrennt. Die Zeuginnen 4, 5, 8 und 10 haben anschaulich massive sexuelle Übergriffe durch Angehörige der FDLR geschildert. Die Zeugen T. , Nt. , B. und Ng. haben zu der Rekrutierung und dem Einsatz von Kindersoldaten Angaben gemacht. Die Zeugen 5 und 9 sowie der Zeuge Ha. haben von der Ausbeutung der Zivilbevölkerung durch die FDLR berichtet.
22
Die Rolle des Beschuldigten in der FDLR und seine Möglichkeiten, auf das Geschehen im Ostkongo Einfluss zu nehmen, werden belegt durch die aufgrund der Beschlagnahme des E-Mail-Verkehrs und der Überwachung der Telekommunikation des Beschuldigten gewonnenen Erkenntnisse sowie die Aussagen etwa der Zeugen W. , Hi. , M. , R. , Bi. , B. , N. und Ng. . Der Beschuldigte selbst hat in einem Interview für den TV-Sender MDR im Oktober/November 2008 betont, er als Präsident der FDLR wisse ganz genau, was in der FDLR passiere. In einem weiteren Interview hat er am 10. August 2009 erklärt, er sei der Präsident und stehe dem militärischen und politischen Arm vor. Als solcher sei er der Oberbefehlshaber.
23
3. Danach besteht der dringende Tatverdacht, dass die in der DRC operierenden Angehörigen der FDLR Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 6 VStGB, Kriegsverbrechen gegen Personen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4 und 5 VStGB sowie Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte nach § 9 Abs. 1 VStGB begangen haben, für die der Beschuldigte als Vorgesetzter nach § 4 VStGB strafrechtlich verantwortlich ist. Daneben hat sich der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 129 b Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
a) Für die Strafbarkeit nach dem Völkerstrafgesetzbuch gilt:
24
aa) Nach dem Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 VStGB macht sich strafbar , wer im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung und damit einer Gesamttat zumindest eine der in den Nummern 1 bis 10 näher aufgeführten Tatbestandsalternativen verwirklicht (vgl. Zimmermann NJW 2002, 3068, 3069; Werle/Jeßberger JZ 2002, 725, 727 f.).
25
(1) Ein Angriff gegen eine Zivilbevölkerung ist nach der Legaldefinition in Art. 7 Abs. 2 (a) IStGH-Statut eine Verhaltensweise, die mit der mehrfachen Begehung der in Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut genannten Handlungen gegen eine Zivilbevölkerung verbunden ist, in Ausführung oder zur Unterstützung der Politik eines Staates oder einer Organisation, die einen solchen Angriff zum Ziel hat. Hinter dem Angriff muss also ein Kollektiv stehen, bei dem es sich allerdings nicht notwendigerweise um einen Staat im Völkerrechtssinne zu handeln braucht. Somit ist ein militärischer Angriff im Sinne des humanitären Völkerrechts zur Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich (BTDrucks. 14/8524 S. 20).
26
Diese Voraussetzungen liegen mit Blick auf die zahlreichen gewaltsamen Übergriffe der FDLR auf die in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu der DRC lebende einheimische Zivilbevölkerung vor. Dabei bedarf es keiner näheren Betrachtung , ob zur Verwirklichung dieses Tatbestandsmerkmals auch im Rahmen des § 7 Abs. 1 VStGB das in Art. 7 Abs. 2 (a) IStGH-Statut genannte "Politikelement" erforderlich oder dieses entbehrlich ist (vgl. Werle/Burchards in MünchKomm § 7 VStGB Rdn. 30 ff.); denn die Gewalttaten gegen die Zivilbe- völkerung beruhten auf der Politik der FDLR, die diese Übergriffe als Mittel des Kampfes einsetzte, um die kongolesische Zivilbevölkerung für ihre Zwecke gefügig zu machen, ihren Herrschafts- und Einflussbereich zu sichern bzw. auszubauen und Druck auf die DRC, Ruanda sowie die internationale Gemeinschaft auszuüben.
27
(2) Ein Angriff ist dann ausgedehnt, wenn er in einem großen Umfang durchgeführt wird und mit einer erheblichen Anzahl von Opfern in der Zivilbevölkerung verbunden ist. Dies kann sich insbesondere daraus ergeben, dass er sich gegen eine Vielzahl von Personen richtet oder sich über ein großes geografisches Gebiet erstreckt. Er kann auch in einer einzigen Handlung bestehen, wenn dieser zahlreiche Zivilpersonen zum Opfer fallen. Ein Angriff ist systematisch , wenn die Gewaltanwendung organisiert ist und planmäßig im Sinne eines konsequenten Handelns ausgeführt wird (Werle/Burchards aaO Rdn. 25 ff.).
28
Auch diese Voraussetzungen sind jedenfalls für die Zeit ab dem Beginn des Jahres 2009 sowohl bezüglich des quantitativen als auch des qualitativen Elements gegeben. Die Übergriffe auf die Zivilbevölkerung führten zu zahlreichen Opfern. Die Gewalt wurde nicht nur isoliert und zufällig angewendet; vielmehr wurde sie - etwa in Form von Strafaktionen im Rahmen der "operations punitives" - der Strategie der FDLR folgend instrumentalisiert und regelmäßig ausgeführt, um die Zivilbevölkerung zur Loyalität gegenüber der Organisation zu "erziehen".
29
(3) Im Rahmen dieses Angriffs verursachten Angehörige der FDLR durch ihr Verhalten vorsätzlich den Tod zahlreicher Menschen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 VStGB) und verübten eine Vielzahl von sexuellen Gewaltverbrechen (§ 7 Abs. 1 Nr. 6 VStGB).
30
bb) Wegen Kriegsverbrechen gegen Personen macht sich nach § 8 Abs. 1 VStGB strafbar, wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine der in den Nummern 1 bis 9 umschriebenen Handlungen begeht. Anders als bei den Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 VStGB ist hier die Einbettung der Taten in einen ausgedehnten oder systematischen Angriff gegen die Zivilbevölkerung nicht erforderlich.
31
(1) Bei den Kämpfen zwischen der FDLR und den kongolesischen bzw. ruandischen Truppen im Osten der DRC handelt es sich um einen bewaffneten Konflikt im Sinne des § 8 Abs. 1 VStGB. Maßgebend hierfür ist, dass Waffengewalt eingesetzt wird und diese einer der beteiligten Konfliktparteien zuzurechnen ist. Formelle Voraussetzungen wie etwa eine förmliche Kriegserklärung sind nicht entscheidend. Die seit Jahren andauernden heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten gehen über nicht von der Norm erfasste innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen weit hinaus. Die FDLR ist aufgrund ihrer Struktur und ihres Organisationsgrades als taugliche Konfliktpartei anzusehen (vgl. Ambos in MünchKomm vor §§ 8 ff. VStGB Rdn. 23).
32
(2) Für die Beurteilung der Strafbarkeit nach § 8 Abs. 1 VStGB bedarf es keiner näheren Betrachtung, ob die Auseinandersetzungen zwischen der FDLR und ihren Gegnern im Osten der DRC als internationaler oder nichtinternationaler Konflikt zu bewerten sind. Der deutsche Gesetzgeber hat insoweit die Unterscheidung des IStGH-Statuts zwischen Kriegsverbrechen im internationalen und (Bürger)Kriegsverbrechen im nichtinternationalen Konflikt als wesentliches Strukturprinzip für den Gesetzesaufbau aufgegeben (BTDrucks. 14/8524 S. 24; Werle/Jeßberger JZ 2002, 725, 731 f.).
33
(3) Es besteht ein dringender Tatverdacht dahin, dass Angehörige der FDLR im Zusammenhang mit den bewaffneten Auseinandersetzungen zahlreiche - nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende - Zivilpersonen getötet (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB), sie durch Zufügung erheblicher körperlicher und seelischer Schäden (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB) grausam oder unmenschlich behandelt , sie sexuell genötigt und vergewaltigt (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB) sowie Kinder unter 15 Jahren in die FDLR eingegliedert und sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet haben (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 VStGB). Diese Taten entsprachen der Kampfstrategie der FDLR; sie standen deshalb in einem funktionalen Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt und geschahen nicht lediglich "bei Gelegenheit" desselben (BTDrucks. 14/8524 S. 25; Zimmermann NJW 2002, 3068, 3070).
34
cc) Mit großer Wahrscheinlichkeit haben Angehörige der FDLR daneben Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte nach § 9 Abs. 1 VStGB begangen, indem sie im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt im Rahmen ihrer Aktionen gegen die Zivilbevölkerung dieser Nahrung und sonstige Gegenstände weggenommen und damit geplündert haben. Eine Plünderung liegt entsprechend der in § 125 a Satz 2 Nr. 4 StGB gebrauchten Umschreibung (BTDrucks. 14/8524 S. 31) vor, wenn unter Ausnutzung der Gesamtsituation fremde bewegliche Sachen gestohlen oder einem anderen in Zueignungsabsicht abgenötigt werden (vgl. BGH JZ 1952, 369); der Begriff umfasst im Ergebnis alle Formen der rechtswidrigen Aneignung von Eigentum in einem bewaffneten Konflikt. Er kann durch isolierte Taten einzelner Kämpfer verwirklicht werden oder Teil einer organisierten Aneignung und systematischen Ausbeutung eines besetzten oder militärisch kontrollierten Gebietes sein (vgl. Ambos aaO § 9 VStGB Rdn. 6 f.). Diese Voraussetzungen sind durch das bisherige Ermittlungsergebnis im Sinne eines dringenden Tatverdachts ausreichend belegt.
35
dd) Der Beschuldigte ist mit hoher Wahrscheinlichkeit für die von den Angehörigen der FDLR begangenen Verstöße gegen das VStGB als Vorgesetzter nach § 4 VStGB strafrechtlich verantwortlich. Nach dieser Vorschrift werden militärische und zivile Vorgesetzte wie ein Täter der von ihren Untergebenen begangenen Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch bestraft, wenn sie diese Straftaten bewusst geschehen lassen. Danach wird im Unterschied zu den allgemeinen Regeln des deutschen Strafrechts zum einen auch eine bloße Unterstützung der Straftat eines Untergebenen durch Nichtstun als Täterschaft des Vorgesetzten eingestuft, ohne dass es auf eine Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme im Einzelfall ankommt. Zum anderen bleibt dem untätigen Vorgesetzten aufgrund seiner besonderen Verantwortung die Möglichkeit der Strafmilderung nach § 13 Abs. 2 StGB versagt (BTDrucks. 14/8524 S. 19; vgl. im Einzelnen auch Weigend, ZStW 116 [2004], 999).
36
(1) Als militärischer Befehlshaber gilt, wer die faktisch ausübbare, gegebenenfalls auch rechtlich fundierte Möglichkeit hat, Untergebenen verbindliche Anweisungen zu erteilen und die Ausführung dieser Anweisungen durchzusetzen. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist innerhalb einer militärischen Hierarchie jedes Glied der Befehlskette als Befehlshaber anzusehen. Befehlshaber kann demnach sowohl der oberste Führer als auch ein unterer Führer sein, dem nur eine kleine Gruppe von Kämpfern untersteht. Hieraus folgt, dass mehrere Vorgesetzte unterschiedlicher Ebenen für ein und dieselbe Straftat eines Untergebenen gleichermaßen nach § 4 VStGB verantwortlich sein können. Allein der Titel oder die formelle rechtliche Stellung vermag eine Haftung nach § 4 VStGB nicht zu begründen. Hinzukommen muss stets, dass der Vorgesetzte die Möglichkeit hat, das Verhalten seiner Untergebenen faktisch zu bestimmen, insbesondere Straftaten wirksam zu unterbinden (Weigend ZStW 116 [2004], 999, 1008). Innerhalb von Entscheidungsgremien sind nicht ohne Weiteres alle Mitglieder Vorgesetzte im Sinne des § 4 VStGB. Auch hier kommt es maßgebend auf die Befugnis an, die gemeinsam getroffene Entscheidung gegenüber den Untergebenen verbindlich anzuordnen (vgl. Weigend in MünchKomm § 4 VStGB Rdn. 17 ff.). Personen wie Stabsoffiziere oder Militärberater, die zwar tatsächlichen Einfluss auf die Entscheidungsfindung, aber keine unmittelbare Befehlsgewalt besitzen, fallen nicht in den Anwendungsbereich der Vorgesetztenverantwortlichkeit (Weigend ZStW 116 [2004], 999, 1009).
37
Nach diesen Maßstäben ist der Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit als Vorgesetzter im Sinne des § 4 VStGB anzusehen. Er war nicht nur nominell Präsident der FDLR, sondern übte auch faktisch die Funktion des obersten militärischen Befehlshabers aus. Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist davon auszugehen, dass er in ständigem Kontakt mit den Entscheidungsträgern vor Ort stand und tatsächlich sowie nach den innerhalb der FDLR bestehenden Befehlsstrukturen in der Lage war, für deren Verbände verbindliche Anweisungen strategischen Inhalts, aber auch für konkrete Kampfhandlungen und -methoden zu erteilen.
38
(2) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Vorgesetzten nach § 4 VStGB erfordert, dass er es unterlässt, den Untergebenen an der Tat zu hindern. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Dabei kann dahinstehen, ob der Vorgesetzte dem Wortlaut des § 4 VStGB folgend eine Strafbarkeit wegen der Tat des Untergebenen nur dann vermeiden kann, wenn er erfolgreich in dem Sinne tätig wird, dass die Tat aufgrund seiner Intervention unterbleibt, oder ob es ausreicht, dass der Vorgesetzte alles tut, was in seiner Macht steht und was angemessen und erforderlich ist, um den Untergebenen von der Tat abzubringen (vgl. Weigend in MünchKomm § 4 VStGB Rdn. 47 ff.). Denn nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis hat der Beschuldigte keine ernsthaften und nachhaltigen Maßnahmen ergriffen, um die ihm bekannten gewalttätigen Übergriffe auf die kongolesische Zivilbevölkerung zu verhindern. Diese waren viel- mehr wesentlicher Bestandteil der maßgeblich von dem Beschuldigten geprägten allgemeinen militärischen und politischen Strategie der FDLR, mit der sie ihre Ziele zu erreichen trachtete.
39
(3) In subjektiver Hinsicht ist gemäß § 2 VStGB i. V. m. § 15 StGB mindestens bedingter Vorsatz hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale erforderlich (Satzger NStZ 2002, 125, 127 f.).
40
(a) Im Gegensatz zur völkerstrafrechtlichen Vorgesetztenverantwortlichkeit reicht im Rahmen des § 4 VStGB auch für militärische Vorgesetzte somit Fahrlässigkeit nicht aus. Die Regelung des Völkerstrafgesetzbuchs bleibt damit hinter derjenigen nach Art. 28 IStGH-Statut zurück. Der Vorsatz muss sich zunächst auf die Merkmale der Vorgesetzteneigenschaft des Täters sowie den Umstand beziehen, dass der konkret handelnde Täter sein Untergebener ist; auch muss der Vorgesetzte wissen oder es konkret für möglich halten, dass er durch Ausübung seiner Befehls- oder Führungsgewalt die Ausführung der Tat des Untergebenen verhindern kann.
41
Der Vorgesetzte muss ferner erkennen oder mit der konkreten Möglichkeit rechnen, dass der Untergebene eine Straftat nach dem VStGB zu begehen beabsichtigt. Dabei reicht es jedenfalls aus, wenn sein bedingter Vorsatz die Art der zu begehenden Straftat - etwa Tötungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 oder § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB - umfasst und sich weiter darauf erstreckt, dass derartige Taten bei dem Einsatz der ihm unterstellten Truppen im Kampfgebiet begangen werden. Ein hierüber hinausgehendes Detailwissen ist nicht erforderlich. Ob sogar die Kenntnis von einer bloß abstrakten Möglichkeit der Begehung von Menschlichkeits- oder Kriegsverbrechen durch einen Untergebenen ausreicht, um den notwendigen Vorsatz des Vorgesetzten zu begründen (vgl. die Nach- weise bei Weigend aaO Rdn. 56), bedarf hier vor dem Hintergrund des Ermittlungsergebnisses keiner Entscheidung.
42
Liegen die dargelegten Voraussetzungen vor, so beseitigen Abweichungen etwa hinsichtlich der Ausführungsweise oder der Schwere des durch den Untergebenen begangenen Unrechts die Vorgesetztenverantwortlichkeit nicht. Allerdings scheidet die Strafbarkeit des Vorgesetzten nach § 4 VStGB aus, wenn der Untergebene eine qualitativ andere Straftat nach dem Völkerstrafgesetzbuch begeht als diejenige die der Vorgesetzte erwartet hat und geschehen lassen wollte (z. B. eine Vergewaltigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB statt der vom Vorgesetzten erwarteten Plünderung nach § 9 Abs. 1 VStGB oder umgekehrt , vgl. insoweit zutreffend Weigend aaO Rdn. 57).
43
Darüber hinaus ist es nicht erforderlich, dass der Vorgesetzte - etwa den bei der Anstiftung nach § 26 StGB oder der Beteiligung nach § 30 StGB entwickelten Grundsätzen entsprechend - eine wenn auch nicht in allen Einzelheiten, so doch in den wesentlichen Merkmalen und Grundzügen konkretisierte Haupttat vor Augen haben muss (so aber Weigend aaO Rdn. 56). Der Wortlaut der Norm erfordert eine derart einschränkende Auslegung nicht. Die undifferenzierte Übertragung der bei der Beteiligung an Straftaten nach den Maßgaben des Allgemeinen Teil des deutschen Strafgesetzbuchs entwickelten Grundsätze widerspricht zudem dem Sinn und Zweck des § 4 VStGB; sie würde den spezifischen Besonderheiten der Zurechnung von Verstößen gegen das Völkerstrafgesetzbuch in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht. Dieses unterscheidet sich vom allgemeinen Strafgesetzbuch namentlich dadurch, dass es den regelmäßig kollektiven Charakter der von ihm erfassten Delikte in den Vordergrund stellt. Zentraler Aspekt seiner Strafkonzeption ist gerade die Ahndung der Tatbeteiligung einer Vielzahl von Personen, die auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen an der Deliktsverwirklichung mitwirken. Mit Blick auf die - völkerstraf- rechtliche - Vorprägung des Gesetzes ist es unabdingbar, diese Besonderheiten bei dessen Auslegung wesentlich mit einzubeziehen (vgl. Zimmermann NJW 2002, 3068, 3069). Hieraus folgt:
44
Zum einen trifft die Pflicht, Straftaten eines Untergebenen nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu verhindern, den Vorgesetzten nicht erst dann, wenn ihm die zu begehende Straftat in ihren wesentlichen Merkmalen bekannt ist. Denn von dem ihm unterstellten Personal geht regelmäßig etwa aufgrund von deren Bewaffnung eine große Gefahr für besonders hochwertige Rechtsgüter bis hin zu Leib und Leben der potentiellen Opfer aus (Weigend ZStW 116 [2004], 999, 1003). Dieses Gefahrenpotential begründet eine besondere Verantwortung des Vorgesetzten (BTDrucks. 14/8524 S. 18 f.) und macht es in besonderer Weise erforderlich, dass dieser die ihm Untergebenen zu einer rechtskonformen Ausübung ihres Einsatzes anhält. Die Allgemeinheit muss deshalb darauf vertrauen können, dass der Befehlshaber die Gefahren, die mit bewaffneten Einheiten immer latent verbunden sind, durch geeignete Maßnahmen frühzeitig unter Kontrolle hält und nicht erst eingreift, wenn ihm Straftaten in konkretisierter Form bekannt werden.
45
Zum anderen bezweckt § 4 VStGB nicht nur die Zurechnung von Straftaten Untergebener auf Vorgesetzte, die mit dem konkreten Geschehen vor Ort derart intensiv betraut sind, dass ihr bedingter Vorsatz sogar Einzelheiten der in Betracht kommenden Verstöße gegen das Völkerstrafgesetzbuch umfasst. Zur Rechenschaft gezogen werden sollen vielmehr gerade auch Vorgesetzte, die an der Spitze der Befehlskette stehen und damit regelmäßig von dem tatsächlichen Geschehen vor Ort so weit entfernt sind, dass sie keine detaillierten Kenntnisse etwa bezüglich des genauen Ortes, der genauen Zeit und der konkreten Opfer haben. Die Vorschrift würde weitgehend leer laufen und könnte die ihr zugedachte Funktion nur in äußerst eingeschränktem Umfang erfüllen, woll- te man an den Vorsatz des Vorgesetzten bezüglich der von dem Untergebenen zu begehenden Straftat zu hohe Anforderungen stellen. Dies wird besonders deutlich in Fällen wie dem vorliegenden, die ihr wesentliches Gepräge dadurch erhalten, dass die Verstöße gegen das Völkerstrafgesetzbuch Teil der allgemeinen Strategie der Organisation sind. Diese allgemeinen Direktiven gehen indes regelmäßig von den Führern der Organisation aus; gerade diese wären bei zu hohen Anforderungen an das Wissenselement des Vorsatzes mangels ausreichend konkreter Kenntnisse von den einzelnen Übergriffen von der Haftung nach § 4 VStGB ausgenommen.
46
Schließlich kommt hinzu, dass im Rahmen bewaffneter Auseinandersetzungen sich typischerweise häufig erst kurzfristig ergibt, welche genauen Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch in Betracht kommen, so dass die Zurechnung der Taten nach § 4 VStGB auch aus diesem Grunde nur ganz eingeschränkt möglich wäre, wollte man detaillierte Kenntnisse des Vorgesetzten verlangen.
47
(b) Nach diesen Maßstäben ist der dringende Tatverdacht auch für den Vorsatz des Beschuldigten zu bejahen. Ihm war die Strategie der FDLR bewusst , gewaltsame Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung als Mittel des Kampfes einzusetzen. Aufgrund zahlreicher Informationsquellen, darunter persönliche Unterrichtungen durch die örtlichen Kommandanten der FDLR bzw. FOCA im Ostkongo war ihm bekannt, dass diese Strategie auch tatsächlich umgesetzt wurde und es dabei zu zahlreichen Verstößen gegen das Völkerstrafgesetzbuch in der dargelegten jeweiligen Art kam. Er war sich darüber im Klaren, dass die ihm unterstehenden Milizionäre etwa Tötungen, Vergewaltigungen, schwere Körperverletzungen und Plünderungen begingen sowie Kindersoldaten rekrutierten und einsetzten, solange er dies nicht unterbinden würde. Dass er möglicherweise nicht in jedem Einzelfall im Vorhinein die dann tatsächlich begange- nen Straftaten konkret kannte, steht seiner strafrechtlichen Verantwortung nach § 4 VStGB nach alldem im Ergebnis nicht entgegen.
48
b) Für die Strafbarkeit nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 129 b StGB gilt:
49
aa) Die FDLR stellt aufgrund ihrer Organisationsstruktur, der Anzahl und willensmäßigen Einbindung ihrer Mitglieder sowie der Dauerhaftigkeit der Verbindung eine Vereinigung im Ausland im Sinne der §§ 129, 129 a, 129 b StGB dar (vgl. hierzu im Einzelnen BGH NJW 2009, 3448, 3459 f.; 2010, 1979, 1981).
50
Das Vorliegen einer Vereinigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die FDLR auch als militärische Organisation nach den §§ 7, 8 VStGB anzusehen ist (vgl. Werle/Burchards in MünchKomm § 7 VStGB Rdn. 35; aA wohl Weigend in MünchKomm § 4 VStGB Rdn. 23). Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck der §§ 129 ff. StGB oder der §§ 7 ff. VStGB legen eine solche Ansicht nahe. Das Völkerstrafgesetzbuch trifft keine abschließende Sonderregelung für Straftaten, die in bewaffneten Konflikten oder im Zusammenhang mit Angriffen gegen die Zivilbevölkerung begangen werden (BTDrucks. 14/8524 S. 13). Nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB können die Zwecke oder Tätigkeit einer terroristischen Vereinigung vielmehr gerade darauf gerichtet sein, Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu begehen. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund dies nur für Verbände gelten soll, die im Normgefüge des Völkerstrafgesetzbuchs keine Rolle spielen können. Der Schutzzweck der §§ 129 ff. StGB würde ebenfalls nicht unerheblich beeinträchtigt, wenn militärische Einheiten von vorneherein aus dem Anwendungsbereich der Vorschriften herausfielen ; denn gerade von solchen Gruppierungen gehen regelmäßig etwa aufgrund ihrer Bewaffnung und Struktur besondere Gefahren für die öffentliche Sicherheit aus. Verwirklicht ein Täter durch sein Verhalten sowohl einen Tatbestand des allgemeinen Strafrechts als auch einen solchen des Völkerstrafgesetzbuchs, so gelten die allgemeinen Konkurrenzregeln (BTDrucks. 14/8524 S. 13). Deshalb gilt für das Verhältnis zwischen den §§ 129 ff. StGB und den von dem Täter in Verfolgung des Zwecks der Vereinigung ausgeführten Straftaten keine Besonderheiten , wenn als konkrete Straftaten solche nach dem Völkerstrafgesetzbuch in Rede stehen.
51
bb) Die Zwecke oder Tätigkeit der FDLR sind darauf gerichtet, Straftaten nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB, namentlich Tötungsdelikte und Straftaten nach den §§ 7, 8 VStGB, zu begehen. Hierfür genügt es, wenn sich die Mitglieder der Vereinigung bewusst sind, dass es bei der Verfolgung ihrer Pläne zur Begehung von Katalogtaten kommen kann und sie dies auch wollen; die Vereinigung muss nicht ausschließlich das Ziel der Begehung solcher Taten verfolgen.
52
cc) Der Beschuldigte hat sich an dieser Vereinigung durch seine in der Bundesrepublik Deutschland entfalteten umfangreichen Tätigkeiten für die FDLR als Mitglied beteiligt. Als Präsident hatte er innerhalb der FDLR eine maßgebliche Führungsrolle inne, so dass er als Rädelsführer im Sinne des § 129 a Abs. 4 StGB anzusehen ist.
53
dd) Die Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz gemäß § 129 b Abs. 1 Satz 3 StGB zur Verfolgung von Taten nach den §§ 129 a, 129 b StGB in Deutschland, die im Zusammenhang mit der FDLR stehen, wurde am 8. Dezember 2008 erteilt.
54
4. Bereits der dringende Tatverdacht bezüglich der genannten Delikte rechtfertigt die Fortdauer der Untersuchungshaft. Es bedarf deshalb keiner näheren Betrachtung, ob der Beschuldigte weitere Verstöße gegen das Völkerstrafgesetzbuch , etwa wie im Haftbefehl angenommen nach § 8 Abs. 1 Nr. 2, 6 und 9, § 11 Abs. 1 Nr. 4 VStGB, jeweils i. V. m. § 4 VStGB, begangen hat. Der Senat weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass die endgültige Bewertung der Beweislage gegebenenfalls nach Durchführung der Beweisaufnahme in einer Hauptverhandlung zu treffen sein wird. Erst auf der Grundlage von deren Ergebnis wird auch abschließend zu beurteilen sein, ob sich eine für eine Verurteilung ausreichende richterliche Überzeugung insbesondere von denjenigen Übergriffen auf die kongolesische Zivilbevölkerung bilden lässt, für die unmittelbare Tatzeugen nicht zur Verfügung stehen und die nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen etwa lediglich durch Berichte verschiedener Organisationen mittelbar belegt sind.
55
5. Da der Beschuldigte der Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 129 b StGB) dringend verdächtig ist, liegt der Haftgrund der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO) vor. Daneben sind die Haftgründe der Flucht- und der Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StPO) gegeben.
56
Der Beschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen, unter Umständen sogar lebenslangen Freiheitsstrafe zu rechnen. Von dieser Straferwartung geht ein hoher Fluchtanreiz aus. Dem stehen ausreichend gewichtige , die Fluchtgefahr hemmende Umstände nicht entgegen. Es ist deshalb wahrscheinlicher, dass der Beschuldigte, in Freiheit belassen, sich dem Verfahren entziehen als sich ihm stellen wird.
57
Daneben sind für den Fall, dass der Beschuldigte nicht in Haft gehalten wird, mit großer Wahrscheinlichkeit Verdunkelungshandlungen zu erwarten. Es ist davon auszugehen, dass er als Präsident der FDLR Kontakt zu seinen Untergebenen in der DRC aufnehmen und diese veranlassen würde, auf die namentlich bekannten Zeugen in unlauterer Weise einzuwirken, um diese an weiteren Aussagen zu hindern. Daneben ist zu erwarten, dass versucht werden würde, die anonymisierten Opferzeugen ausfindig zu machen, um sie ebenfalls von weiteren Bekundungen abzuhalten.
58
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat jeweils auf die zutreffenden Ausführungen in dem Haftbefehl vom 16. November 2009 und dem Haftfortdauerbeschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 1. April 2010 Bezug.
59
Unter diesen Umständen vermögen Maßnahmen nach § 116 Abs. 1, 2 StPO nicht die Erwartung zu begründen, dass durch sie der Zweck der Untersuchungshaft auch erreicht werden kann bzw. die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindert wird.
60
6. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen die Fortdauer der Untersuchungshaft.
61
Nach der Festnahme des Beschuldigten waren zahlreiche, zum Teil aufwändige und zeitintensive Ermittlungsmaßnahmen vorzunehmen. Das Tatgeschehen hat sich zu einem großen Teil in der DRC und damit in einem zentralafrikanischen Land zugetragen. Seine Aufarbeitung durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden erfordert u. a. zahlreiche Ermittlungshandlungen im Rechtshilfewege. Sowohl die Stellung der Rechtshilfeersuchen an mehrere Länder sowie die Vereinten Nationen als auch die Durchführung der erbetenen Rechtshilfe sind mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Dies gilt insbesondere für die Vernehmung von Zeugen in der DRC. Die dortige gegenwärtige Situation erfordert intensive Maßnahmen zur Lokalisierung von aussagebereiten Zeugen sowie zur Vorbereitung und Durchführung der Vernehmungen. Hin- zu kommt, dass sich die Auswertung der überwachten Telekommunikation des Beschuldigten sowie der anlässlich der Durchsuchung sichergestellten Dokumente als besonders zeit- und arbeitsintensiv darstellt. So müssen etwa die zum größten Teil in der Sprache Kiryawanda geführten Gespräche in die deutsche Sprache übersetzt werden, was sich auch deswegen als schwierig gestaltet , weil der Kreis der zur Verfügung stehenden Dolmetscher begrenzt ist. Schließlich erfordert die Verknüpfung der vielen Einzelergebnisse ebenfalls einen erheblichen Aufwand.
62
7. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht zu den gegen den Beschuldigten erhobenen Tatvorwürfen nicht außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Becker von Lienen Schäfer
23
aa) Bei den im Tatzeitraum in Syrien stattfindenden Kämpfen zwischen der staatlichen syrischen Armee und oppositionellen Gruppierungen handelte es sich um einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt im Sinne des § 8 Abs. 1 VStGB. Maßgebend für das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts ist der Einsatz von Waffengewalt, die einer der beteiligten Konfliktparteien zuzurechnen ist (BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157, 166). Während ein internationaler bewaffneter Konflikt die Anwendung von Waffengewalt zwischen Staaten voraussetzt, sind unter einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt solche Auseinandersetzungen zu verstehen, bei denen Streitkräfte innerhalb eines Staates gegen organisierte bewaffnete Gruppen oder solche Gruppen untereinander kämpfen, sofern die Kampfhandlungen von einer gewissen Dauer und Intensität sind. Die Erfordernisse einer gewissen Organisationsstruktur der betreffenden Gruppen sowie der Intensität und Dauer der bewaffneten Auseinandersetzungen stellen sicher, dass bloße innere Unruhen, Spannungen, Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen nicht als bewaffnete Konflikte eingestuft werden (vgl. zu allem BT-Drucks. 14/8524, S. 25; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 4. Aufl., Rn. 1131, 1136, 1148 ff.; MüKoStGB/Zimmermann/Geiß, 2. Aufl., § 8 VStGB Rn. 96, 108 ff.).

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 4 6 0 / 1 4
vom
13. Mai 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
19. März 2015 in der Sitzung am 13. Mai 2015, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Vertreter des Nebenklägers E. W. ,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Vertreter der Nebenklägerin B. W. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin D. W. ,
Justizamtsinspektor - in der Verhandlung - ,
Justizangestellte bei der - Verkündung -
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Nebenkläger und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aurich vom 25. März 2014 werden verworfen.
Der Angeklagte und die Nebenkläger haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zur Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt sowie Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die Revisionen der Nebenkläger erstreben die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes; sie beanstanden das Verfahren und rügen die Verletzung materiellen Rechts. Der Angeklagte begründet seine Revision mit der Sachrüge und beanstandet im Einzelnen die Beweiswürdigung sowie den Strafausspruch des angefochtenen Urteils. Beide Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
3
Der Angeklagte begab sich am 25. Juli 2013 gegen 2:30 Uhr nach einem Diskothekenbesuch mit der Studentin A. W. , der Tochter bzw. der Schwester der Nebenkläger, auf der Insel Juist an den Strand, wo sie sich in einem Strandkorb niederließen, sich küssten und Zärtlichkeiten austauschten. Der erheblich alkoholisierte Angeklagte wies eine Blutalkoholkonzentration von jedenfalls 3,1 g‰ auf, die Geschädigte eine solche von 1,29 g‰. Als sie ihre Verwunderung darüber ausdrückte, dass der Angeklagte keine Erektion bekam, kam es zum Streit zunächst mit wechselseitigen Beleidigungen und sodann mit Handgreiflichkeiten, in deren Verlauf er ihr mehrere Faustschläge in den Bereich des Gesichts und des Kopfes versetzte. Auch die Geschädigte schlug dem Angeklagten im Rahmen ihrer Gegenwehr mindestens einmal ins Gesicht. Im Anschluss an das nachfolgende Gerangel, bei dem sich beide im Sand wälzten, hielt der Angeklagte die Geschädigte, die mit dem Gesicht auf dem Sand zu liegen kam, derart fest, dass sie ihren Kopf nicht ausreichend hochnehmen oder drehen konnte, so dass sie gezwungen war, Sand teils hinunterzuschlucken und teils einzuatmen. Hierdurch gelangten größere Mengen Sand in ihren Magen und in die Atemwege bis in die tiefen Verästelungen der Bronchien. Sodann übte der Angeklagte entweder durch Würgen oder durch Ziehen an dem Schal und der Lederhalskette der Geschädigten massive Gewalt gegen ihren Hals aus. Dabei war ihm - trotz seiner erheblichen Alkoholisierung und der emotionalen Erregung - bewusst, dass eine solche Gewaltanwendung zu erheblichen Verletzungen führen und letztlich tödlich sein kann. Einen solchen Ausgang nahm er bei seinen Handlungen billigend in Kauf. Aufgrund der Alkoholisierung und der emotionalen Erregung war seine Steuerungsfähigkeit jedoch möglicherweise erheblich eingeschränkt.
4
Die Gewalteinwirkung gegen den Hals führte gemeinsam mit der Verlegung der Atemwege durch Sand zum Ersticken der Geschädigten und war somit todesursächlich.

II.


5
Die zulässigen (§ 400 Abs. 1, § 401 Abs. 1 und 2 StPO) Rechtsmittel der Nebenkläger sind unbegründet.
6
1. Die erhobenen Verfahrensrügen bleiben aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen ohne Erfolg.
7
2. Die auf die Sachrügen veranlasste umfassende Überprüfung des Schuldspruchs hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zugunsten oder zulasten des Angeklagten (§ 301 StPO analog; vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 301 Rn. 2) ergeben.
8
Das Landgericht hat das Vorliegen von Mordmerkmalen im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Der näheren Erörterung bedürfen nur die Merkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe. Insoweit gilt:
9
a) Die Strafkammer ist zutreffend davon ausgegangen, dass heimtückisch handelt, wer sein Opfer unter Ausnutzung von dessen Arg- und Wehrlosigkeit tötet. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tö- tungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen - tätlichen - Angriff rechnet. Ein bloßer, der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen schließen die Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2007 - 4 StR 467/06, juris Rn. 8 mwN). Das Opfer muss gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein.
10
Das Landgericht hat die Verneinung der Arg- und Wehrlosigkeit im Ausgangspunkt damit begründet, dass der Angeklagte bei den Schlägen gegen Gesicht und Kopf der Geschädigten noch nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt habe. Diese Schlussfolgerung ist angesichts der dadurch zugefügten, geringfügigeren Verletzungen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
11
Soweit die Strafkammer weiter ausgeführt hat, die Geschädigte habe durch diesen Angriff ihre Arglosigkeit verloren, weshalb die Voraussetzungen einer heimtückischen Begehungsweise nicht erfüllt seien, erweist sich dies als nicht frei von Rechtsbedenken. Denn eine auf Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit kann auch dann gegeben sein, wenn der Täter sein argloses Opfer zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz angreift, diesen - die Arglosigkeit des Opfers in der Regel beseitigenden - Angriff ohne zeitliche Zäsur mit Tötungsvorsatz fortsetzt und es dem Opfer wegen des unmittelbaren Übergangs des überraschenden ersten Angriffs zur Tötungshandlung nicht mehr möglich ist, sich erfolgversprechend zur Wehr zu setzen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 1. März 2012 - 3 StR 425/11, NStZ 2012, 691, 693; vom 28. Juni 2007 - 3 StR 185/07, juris Rn. 5; sowie schon Urteil vom 9. Dezember 1986 - 1 StR 596/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; MüKoStGB/Schneider, 2. Aufl., § 211 Rn. 151 jew. mwN).
12
Es gefährdet den Bestand des Urteils indes nicht, dass das Landgericht die sich aus dieser Rechtsprechung ergebenden - geringeren - Anforderungen an das Merkmal der auf Arglosigkeit beruhenden Wehrlosigkeit nach den Urteilsgründen nicht erkennbar im Blick gehabt hat. Denn der Senat kann ausschließen , dass es bei Anwendung dieses zutreffenden Prüfungsmaßstabes zur Annahme eines heimtückischen Mordes gelangt wäre. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen liegt ein Tathergang, wie ihn diese Rechtsprechung voraussetzt, nicht nahe: Die Geschädigte setzte sich mit mindestens einem Schlag zur Wehr, brachte dem Angeklagten damit eine - wenn auch eher geringfügige - Verletzung und Hämatome bei und rangelte anschließend noch mit ihm; all dies spricht - auch mit Blick darauf, dass sie erheblich größer und schwerer als der Angeklagte war - deutlich gegen eine auf Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit im Sinne der genannten Rechtsprechung.
13
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die gegen 2:30 Uhr in unmittelbarer Nähe des Tatortes anwesenden Zeuginnen K. und Ka. keine auffälligen Wahrnehmungen bekundet haben, denn das Landgericht hat den Tatzeitpunkt nicht sicher feststellen können. Damit bleibt offen, ob sich das vom Angeklagten angegebene Geschehen zu einem Zeitpunkt ereignete, als die Zeuginnen "wenige zehn Meter" vom Tatort entfernt anwesend waren, oder den von ihnen belegten Strandkorb bereits verlassen hatten.
14
b) Auch die vom Landgericht vorgenommene Prüfung des Vorliegens niedriger Beweggründe im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings ist nicht unbedenklich, dass die Strafkammer lediglich ausgeführt hat, dass sie für sonst niedrige Beweggründe vorliegend keine Anhaltspunkte zu sehen vermochte.
15
aa) Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung dieser Voraussetzung erfordert grundsätzlich eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; vgl. nur etwa BGH, Beschlüsse vom 15. Mai 2003 - 3 StR 149/03, NStZ 2004, 34 und vom 22. Juli 2010 - 4 StR 180/10, NStZ 2011, 35 jew. mwN).
16
bb) Eine solche umfassende Gesamtwürdigung kann den Urteilsgründen zwar nicht entnommen werden. Der Senat kann aber ausschließen, dass das Landgericht bei Vornahme einer solchen die Voraussetzungen dieses Mordmerkmales bejaht hätte. Denn es hat die maßgeblichen Beweggründe des Angeklagten für die Tötung nicht aufzuklären und mithin nicht festzustellen vermocht , dass es sich dabei um niedrige im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB handelte. Angesichts der gegebenen Beweislage schließt der Senat auch aus, dass weitergehende Feststellungen insoweit getroffen werden könnten.

III.


17
Die aufgrund der allgemein erhobenen Sachrüge des Angeklagten veranlasste umfassende Rechtsprüfung des Urteils hat aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen keinen durchgreifenden , zum Nachteil des Beschwerdeführers wirkenden Rechtsfehler erbracht (§ 349 Abs. 2 StPO).

IV.


18
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Eine gegenseitige Erstattung der notwendigen Auslagen des Angeklagten und der Nebenkläger findet nicht statt, da sämtliche Rechtsmittel erfolglos geblieben sind (KK-Gieg, StPO, 7. Aufl. § 473 Rn. 13).
Becker Pfister Hubert Mayer Gericke

Dieses Gesetz gilt für alle in ihm bezeichneten Straftaten gegen das Völkerrecht, für Taten nach den §§ 6 bis 12 auch dann, wenn die Tat im Ausland begangen wurde und keinen Bezug zum Inland aufweist. Für Taten nach § 13, die im Ausland begangen wurden, gilt dieses Gesetz unabhängig vom Recht des Tatorts, wenn der Täter Deutscher ist oder die Tat sich gegen die Bundesrepublik Deutschland richtet.

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

33
c) Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Im Fall 1 liegen die Voraussetzungen des § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 1 StGB vor, weil der Angeklagte (auch) im Inland mitgliedschaftlich aktiv war; ob die Anwendung der § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB daneben zusätzlich voraussetzt, dass der Geltungsbereich deutschen Strafrechts nach den §§ 3 ff. StGB eröffnet ist (hierzu unten), kann offen bleiben, weil es sich aufgrund des bestehenden inländischen Handlungsortes um eine Inlandstat (§§ 3, 9 Abs. 1 Variante 1 StGB) handelt. Für die Fälle 2 bis 180, in denen der Angeklagte als Ausländer ausschließlich im nichteuropäischen Ausland tätig war, gilt das Folgende:

(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.

(2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter

1.
zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist oder
2.
zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen innerhalb angemessener Frist nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist.

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 537/14
vom
9. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:090715B3STR537.14.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 9. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Januar 2014, soweit es ihn betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall B.VIII. der Urteilsgründe sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht Wipperfürth - Strafrichter - zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freispruch im Übrigen - wegen Körperverletzung (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe) sowie wegen versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Fall B.VIII. der Urteilsgründe) zu der Gesamt- geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt. Die auf die Rüge der Ver- letzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts rief der Angeklagte am 1. Mai 2011 zwischen 3.00 und 4.00 Uhr auf einer Maifeier in R. lauthals "Sieg Heil". Als ihn ein Besucher deswegen zur Rede stellen wollte, wiederholte er den Ausruf und "schlug dem Zeugen mit der flachen Hand die Brille aus dem Gesicht, ohne ihm dabei Schmerzen zuzufügen oder die Brille zu beschädigen". Anschließend entfernte sich der Angeklagte (Fall B.VIII. der Urteilsgründe).
3
Am 25. November 2011 kam es in W. außerhalb eines Schnellrestaurants zu einer Schlägerei, weswegen der Filialleiter die Polizei informierte. Als er bemerkte, dass die Kämpfenden den Ort des Geschehens verließen, hielt er den sich ebenfalls entfernenden Angeklagten, der in die Filiale gekommen war und zu einer der Gruppe der Kämpfenden gehörte, am Arm fest, um einen Zeugen vor Ort zu haben. Der Angeklagte riss sich los und rannte zur Tür. Als der Filialleiter ihm folgte, drehte sich der Angeklagte um, versetzte ihm einen Schlag mit der Faust ins Gesicht und floh anschließend vom Tatort (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe).
4
2. Die Verurteilung wegen Körperverletzung hinsichtlich des unter B.VII. 10. der Urteilsgründe geschilderten Sachverhalts hat Bestand. Soweit die Revision geltend macht, das Landgericht hätte eine Rechtfertigung des Angeklagten durch Notwehr erörtern müssen, ergeben die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen , dass der Faustschlag des sich ohnehin im Gehen befindlichen Angeklagten jedenfalls nicht erforderlich im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB war.
5
3. Demgegenüber wird der Schuldspruch wegen versuchter Körperverletzung hinsichtlich des Geschehens vom 1. Mai 2011 von den Feststellungen nicht getragen. Insofern fehlt es an Ausführungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten. Es mag zwar naheliegen, dass dessen Angriff nicht ausschließlich der Brille, sondern auch der körperlichen Integrität des Geschädigten galt oder dass der Angeklagte jedenfalls die Möglichkeit erkannte, diesen durch sein Vorgehen zu verletzen und dies billigend in Kauf nahm. Dies festzustellen ist indes Sache des Tatrichters. Darüber hinaus verhält sich das Urteil nicht zum Vorstellungsbild des Angeklagten unmittelbar nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung, welches für die Beurteilung maßgeblich ist, ob der Angeklagte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB von einem etwaigen Versuch strafbefreiend zurückgetreten ist (vgl. zum Rücktrittshorizont BGH, Urteil vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 305 f.).
6
Die deshalb gebotene Aufhebung des Urteils umfasst auch das in Tateinheit zur versuchten Körperverletzung stehende, für sich betrachtet rechtsfehlerfrei festgestellte Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12 mwN). Der Wegfall der Einzelstrafe zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.
7
Nach Ausscheiden des die Zuständigkeit des Landgerichts begründenden Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB verweist der Senat das Verfahren im Umfang der Aufhebung an das für das Geschehen in R. örtlich zuständige Amtsgerichts Wipperfürth - Strafrichter - zurück (§ 354 Abs. 3 StPO).
8
4. Darüber hinaus stellt der Senat klar, dass entgegen den Ausführungen in den schriftlichen Urteilsgründen des Landgerichts für einen Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und vom Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Nr. 1 (12) der Anklage) kein Raum war, und sich dementsprechend der ausgeurteilte Teilfreispruch hierauf nicht erstreckt.
9
Allerdings war die Anklage mit Blick auf das Geschehen vom 1. Mai 2011 von zwei Taten (§ 53 StGB) - dem ersten Ruf "Sieg Heil" auf der einen, dem zweiten Ruf sowie dem Schlag gegen die Brille auf der anderen Seite - ausgegangen. In diesen Fällen ist ein Freispruch auch dann angezeigt, wenn das tatmehrheitlich angeklagte, indes nicht als erwiesen angesehene Geschehen mit dem abgeurteilten Teil eine natürliche Handlungseinheit bilden würde (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 260 Rn. 13 mwN). Dies gilt jedoch nicht, wenn - wie vorliegend - das gesamte angeklagte Geschehen abgeurteilt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2012 - 3 StR 220/12, NStZ-RR 2013, 6, 7). Denn in diesen Fällen ist für eine weitere materiellrechtliche Tat, die Gegenstand eines Freispruchs sein könnte, kein Raum mehr.
10
Ein Freispruch unterbleibt des Weiteren, wenn nicht wegen aller Taten verurteilt wird, die nach dem Eröffnungsbeschluss in Tateinheit zueinander stehen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1984 - 5 StR 270/84, NStZ 1985, 13, 15 f. bei Pfeiffer/Miebach). Deswegen kam ein Freispruch vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, der als in Tateinheit zu der Körperverletzung vom 25. November 2011 stehend angeklagt worden war, nicht in Betracht.
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.