Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Nov. 2016 - AK 54/16

bei uns veröffentlicht am17.11.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 54/16
vom
17. November 2016
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Kriegsverbrechen gegen Personen u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:171116BAK54.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Angeschuldigten und seines Verteidigers am 17. November 2016 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Düsseldorf übertragen.

Gründe:

1
Der Angeschuldigte wurde am 6. April 2016 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 30. März 2016 (4 BGs 33/16) festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe zu nicht näher bekannten Zeitpunkten im September und im Oktober 2012 in Aleppo (Syrien) im Zusammenhang mit einem dort herrschenden nichtinternationalen bewaffneten Konflikt durch 41 rechtlich selbständige Handlungen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam und unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden zugefügt, insbesondere sie gefoltert habe (Kriegsverbrechen gegen Personen); außerdem habe er durch sechs rechtlich selbständige Handlungen geplündert (Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte), strafbar gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 6 Nr. 2 und Nr. 3, § 9 Abs. 1 Variante 1, § 4 Abs. 2 Satz 1 VStGB, § 53 StGB.
3
Wegen der dem Angeschuldigten mit dem Haftbefehl zur Last gelegten Kriegsverbrechen gegen Personen sowie wegen weiterer Vorwürfe hat der Generalbundesanwalt - mit abweichender konkurrenzrechtlicher Bewertung - unter dem 24. Oktober 2016 vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf Anklage erhoben ; von der Verfolgung der im Haftbefehl angeführten Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte hat er gemäß § 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO abgesehen.
4
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
5
1. Der Senat lässt im Hinblick auf die zwischenzeitliche Verfolgungsbeschränkung dahinstehen, ob wegen der Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte hinreichender Tatverdacht besteht. Der Angeschuldigte ist jedenfalls der ihm mit dem Haftbefehl zur Last gelegten Kriegsverbrechen gegen Personen dringend verdächtig; bereits dies trägt den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft.
6
a) Insoweit ist nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand im Sinne eines dringenden Tatverdachts im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt auszugehen :
7
aa) Die seit Februar 2011 in Syrien gegen die Regierung des Staatspräsidenten Bashar al-Assad schwelenden Proteste eskalierten ab dem 15. März 2011 aufgrund des repressiven und gewaltsamen Vorgehens syrischer Sicherheitskräfte , Milizen und Armee gegen Demonstranten und Oppositionelle. Die dadurch bewirkte Militarisierung der Protestbewegung entwickelte sich zu einem bewaffneten Aufstand, der Anfang 2012 schließlich weite Teile des Landes erfasste und sich zu einem großflächigen Bürgerkrieg ausweitete. Spätestens seit dieser Zeit herrschte in Syrien ein nichtinternationaler bewaffneter Konflikt.
8
Zu Beginn des Bürgerkrieges trat auf Seiten der bewaffneten Opposition die sog. Freie Syrische Armee (im Folgenden: FSA) als Hauptakteur in Erscheinung , die als Dachvereinigung eine Vielzahl inhomogener Kampfverbände und Gruppierungen mit unterschiedlichsten Motivationslagen zu vertreten versuchte. Die unter ihrem Verbund agierenden Milizen verfolgten teilweise sehr unterschiedliche Interessen und Ideologien und begannen bereits zu einem frühen Zeitpunkt des Aufstandes damit, sich auch untereinander zu bekämpfen. Im Laufe einer zunehmenden Radikalisierung der nichtstaatlichen Gewaltakteure , u.a. auch von Gruppierungen, die sich zunächst der FSA angeschlossen hatten, wurde diese ab dem Jahr 2013 von nunmehr dominierenden islamistischen Milizen - u.a. von der "Jabhat al-Nusra" und dem sog. Islamischen Staat - bekämpft und aus großen Teilen der von ihr bis dahin kontrollierten Gebiete verdrängt. Dem syrischen Regime mit offizieller Armee, Polizei, Sicherheitskräften und zivilen Milizen steht gegenwärtig eine Vielzahl von kämpfenden Gruppierungen gegenüber, die zumeist islamistisch motiviert sind und ihrerseits keine einheitliche Front bilden; demgegenüber spielt die FSA im Kriegsgebiet nur noch eine untergeordnete Rolle.
9
Im Rahmen der intensiv geführten kriegerischen Auseinandersetzungen wurden in zunehmendem Maße von allen Konfliktparteien gravierende Verletzungen des humanitären Völkerrechts begangen, unter anderem schwerste Verbrechen gegenüber nicht an den Kampfhandlungen beteiligten Personen.
10
bb) Der in Aleppo aufgewachsene und jedenfalls bis Anfang August 2013 dort wohnhafte Angeschuldigte war zumindest von September bis Anfang Dezember 2012 als Anführer einer örtlichen Miliz maßgeblich in den auch in Aleppo herrschenden Bürgerkrieg verwickelt. Er führte in dieser Zeit unter seinem Kampfnamen "A. " eine mindestens 150-köpfige Miliz mit wechselnden Namen, die eine Untereinheit der bewaffneten Gruppierung "Ghoraba ashSham" (übersetzt: "Die Fremden von Syrien") bildete. Diese Gruppierung gehörte offiziell der FSA an und beteiligte sich spätestens ab dem Sommer 2012 an dem bewaffneten Kampf gegen syrische Sicherheitskräfte, regierungsnahe Milizen und die reguläre syrische Armee in Aleppo. Die Einheit des Angeschuldigten kontrollierte zunächst den im Nordosten der Stadt gelegenen Stadtteil Sakhour.
11
Der Angeschuldigte nutzte die durch den militärischen Einsatz seiner Gruppierung und die Kriegswirren gewonnene Herrschaftsgewalt aus, um sich und seine Miliz in den von ihr kontrollierten Gebieten durch Plünderungen zu bereichern, zunächst in Sakhour, in der Folgezeit aber auch in benachbarten Stadtteilen wie Bustan al-Pascha. Dort raubten der Angeschuldigte und die Angehörigen seiner Miliz vor allem Geschäfte von christlichen Inhabern aus, die unter Zurücklassung ihres Hab und Guts aus Aleppo geflüchtet waren, weil sie sich nach dem Rückzug der Regierungskräfte der Willkür der zumindest auch islamistisch motivierten Milizen hilflos ausgesetzt gesehen hatten.
12
Personen, die sich den Plünderungen widersetzten, sich der durch Waffengewalt begründeten Herrschaft des Angeschuldigten nicht bedingungslos unterwarfen oder ihm aufgrund anderer Umstände missliebig waren, wurden durch seine Milizionäre gefangengenommen und in von ihm geführte Gefängnisse in den Stadtvierteln Sakhour und Bustan al-Pascha verschleppt. Dort wurden sie körperlich misshandelt und in der Regel erst gegen eine Geldzahlung entlassen. Der Angeschuldigte hatte insoweit als Anführer die oberste Befehlsgewalt in den von seiner Miliz unterhaltenen Gefängnissen. An den Misshandlungen nahm er entweder selbst teil oder er hielt seine Untergebenen zu diesen Taten an. Die Misshandlungen hatten in erster Linie den Zweck, Widerstände gegen die Miliz des Angeschuldigten zu brechen und deren Herrschaftsanspruch in den von ihr kontrollierten Gebieten zu sichern. Opfer solcher Misshandlungen wurden insbesondere die Zeugen H. , As. , S. sowie die Brüder N. , B. , T. und M. . D. .
13
(1) H. und As. stammten aus Bustan al-Pascha und gehörten einer bewaffneten Gruppierung an, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, ihren Stadtteil nach dem Abzug der syrischen Sicherheitskräfte vor Plünderungen zu schützen , namentlich die aufgrund der Kriegswirren verwaisten Geschäfte. Sie übten deshalb in Bustan al-Pascha polizeiähnliche Tätigkeiten aus. Dabei hielten sie an einem nicht näher feststellbaren Tag zwischen dem 16. September und dem 24. Oktober 2012 Milizionäre, die entweder der Miliz des Angeschuldigten oder einer Miliz angehörten, die dem Angeschuldigten zumindest nahe stand und mit ihm zusammenarbeitete, unter Vorhalt von Waffen davon ab, Geschäfte zu plündern.
14
Deshalb wurde H. kurze Zeit später von bewaffneten Kämpfern gefangengenommen und im Beisein des Angeschuldigten in eines von dessen Gefängnissen in Sakhour gebracht. Dort schlugen und traten der Angeschuldigte sowie seine Begleiter auf H. ein. Sie warfen ihm vor, die Regierung zu unterstützen, Kurde zu sein sowie geplündert, Alkohol getrunken und Geschlechtsverkehr mit zwei unverheirateten Frauen gehabt zu haben. H.
wurde sodann über einen Zeitraum von vier bis fünf Tagen in mindestens vier Fällen von Milizionären des Angeschuldigten und von diesem persönlich getreten sowie mit Kabeln, Ketten, Wasserschläuchen und Stöcken auf den ganzen Körper geschlagen. Unter anderem wurde H. auf Füße und Fußsohlen geschlagen , nachdem er mit dem Rücken auf einen klappbaren Tisch gefesselt worden war. Der Angeschuldigte und einer seiner Milizionäre traten ihm auch auf den Kopf. In einem Fall wurde überdies der Kopf von H. so lange in einem Wasserbassin unter Wasser gedrückt, bis er fast ertrank.
15
Kurze Zeit nach der Gefangennahme von H. nahmen Angehörige der Miliz des Angeschuldigten in dessen Beisein und auf dessen Befehl unter Einsatz von Schusswaffen auch As. aus dem gleichen Grund wie H. fest. As. wurde ebenfalls in das Gefängnis in Sakhour verschleppt und dort in derselben Zelle wie H. eingesperrt. Er wurde etwa 40 Tage lang dort festgehalten. Während dieser Zeit wurde er mindestens 30 Mal mittels eines etwa einen Meter langen, abgeschnittenen gummiummantelten Kupferkabels mit einem Durchmesser von etwa 2,5 Zentimetern geschlagen, getreten sowie mit einem Elektroschockstab oder auf andere Weise misshandelt, und zwar wiederholt in Anwesenheit des Angeschuldigten sowie teilweise von diesem selbst. As. erlitt dadurch gravierende Schmerzen und Verletzungen, die zu länger sichtbaren Narben führten.
16
(2) S. , der in einer Bäckerei im Stadtteil Bustan al-Pascha gearbeitet und sich geweigert hatte, Brot an Kämpfer der FSA herauszugeben, weil dieses für Zivilisten und nicht für Milizionäre bestimmt sei, wurde deshalb etwa Mitte September 2012 von Milizionären des Angeschuldigten auf offener Straße in Aleppo unter Einsatz von Waffen gefangengenommen und in einem Kellergefängnis an einem unbekannten Ort in Aleppo eingesperrt. Nach zwei Tagen wurde er in ein von dem Angeschuldigten unterhaltenes Gefängnis in Sakhour gebracht und dort weitere 22 Tage lang festgehalten. Die Leitung dieses Gefängnisses hatte der Angeschuldigte seinem Cousin Ar. übertragen. Dieser zwang S. wenige Stunden nach dessen Ankunft, sich nackt auszuziehen. Anschließend trat er ihn und schlug mit einem zusammengeflochtenen , etwa einen Meter langen Kabel auf dessen Rücken ein. S. wurde vorgeworfen, Spion der syrischen Regierung und "ungläubig" zu sein. Ab der zweiten Woche seiner Gefangenschaft wurde S. in mindestens zwei Fällen erneut misshandelt, indem Milizionäre des Angeschuldigten ihn an den Händen jeweils bis zu zwei Stunden lang mit Eisenketten an einem Haken an der Decke fesselten und ihn daran hochzogen, so dass seine Füße nur noch mit den Zehenspitzen , zeitweise gerade nicht mehr den Boden berührten. Sodann wurde er geschlagen und getreten, während des ersten dieser beiden Vorfälle auch von dem Angeschuldigten persönlich. Bei einer der insgesamt mindestens drei Misshandlungen wurde S. durch einen Tritt oder Schlag ins Gesicht die Nase gebrochen.
17
(3) N. , B. , T. und M. D. wurden einige Tage nach der Gefangennahme von H. und As. im Beisein des Angeschuldigten in das Gefängnis in Sakhour gebracht, weil sie sich gegen die Plünderung ihrer Bäckerei und ihres Obstladens in Bustan al-Pascha durch die Miliz des Angeschuldigten gewehrt hatten. Sie wurden noch am Tag ihrer Inhaftierung unter anderem von dem Angeschuldigten persönlich so lange und brutal geschlagen , bis der Raum voller Blutspuren war; aufgrund der dadurch erlittenen Verletzungen waren alle vier zwei Tage lang nicht in der Lage zu sprechen. Auch ihnen wurde vorgeworfen, Spione der Regierung zu sein.
18
b) Die Erkenntnisse über die Entwicklung des syrischen Bürgerkrieges beruhen auf den Gutachten der Sachverständigen Dr. St. und Dr. K. . Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der dem Angeschuldigten zur Last gelegten Misshandlungen ergibt sich im Wesentlichen aus Zeugenvernehmungen.
19
Nach den übereinstimmenden Angaben verschiedener Zeugen, insbesondere denjenigen von As. , dessen Cousin Mo. und H. , war es allgemein bekannt, dass der Angeschuldigte in Sakhour eine Stadtteilmiliz der "Ghoraba ash-Sham" anführte, der schließlich etwa 150 Milizionäre angehörten. Aus den Zeugenaussagen ergibt sich auch, dass der Angeschuldigte die Befehlsgewalt in den von ihm geführten Gefängnissen innehatte. As. , H. und S. haben zudem die jeweils zu ihrem Nachteil begangenen Taten sowie die Beteiligung des Angeschuldigten daran im Einzelnen geschildert. Die Bekundungen von As. und H. werden durch diejenigen von Mo. bestätigt, der seinen Angaben zufolge bereits einen Tag früher als As. und H. gefangengenommen worden war und deren Misshandlungen dann miterlebte. As. und H. haben zudem die in ihrem Beisein begangenen Taten zum Nachteil von N. , B. , T. und M. D. geschildert.
20
Die den Angeschuldigten belastenden Zeugenaussagen werden durch Erkenntnisse gestützt, die im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung sowie durch den Einsatz einer Vertrauensperson und von Verdeckten Ermittlern gewonnenen wurden. Aus den Äußerungen, die der Angeschuldigte in diesem Zusammenhang gemacht hat, ergibt sich unter anderem, dass ihm die betreffenden Vorfälle, die sich in seinem Machtbereich ereigneten, durchaus geläufig sind.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht begründenden Umstände wird auf die Ausführungen in dem Haftbefehl sowie der Anklageschrift und die dort in Bezug genommenen Beweismittel verwiesen.
22
c) Danach fallen dem Angeschuldigten in den ihm mit dem Haftbefehl vorgeworfenen Fällen mit hoher Wahrscheinlichkeit Kriegsverbrechen gegen Personen im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB zur Last.
23
aa) Bei den im Tatzeitraum in Syrien stattfindenden Kämpfen zwischen der staatlichen syrischen Armee und oppositionellen Gruppierungen handelte es sich um einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt im Sinne des § 8 Abs. 1 VStGB. Maßgebend für das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts ist der Einsatz von Waffengewalt, die einer der beteiligten Konfliktparteien zuzurechnen ist (BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157, 166). Während ein internationaler bewaffneter Konflikt die Anwendung von Waffengewalt zwischen Staaten voraussetzt, sind unter einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt solche Auseinandersetzungen zu verstehen, bei denen Streitkräfte innerhalb eines Staates gegen organisierte bewaffnete Gruppen oder solche Gruppen untereinander kämpfen, sofern die Kampfhandlungen von einer gewissen Dauer und Intensität sind. Die Erfordernisse einer gewissen Organisationsstruktur der betreffenden Gruppen sowie der Intensität und Dauer der bewaffneten Auseinandersetzungen stellen sicher, dass bloße innere Unruhen, Spannungen, Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen nicht als bewaffnete Konflikte eingestuft werden (vgl. zu allem BT-Drucks. 14/8524, S. 25; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 4. Aufl., Rn. 1131, 1136, 1148 ff.; MüKoStGB/Zimmermann/Geiß, 2. Aufl., § 8 VStGB Rn. 96, 108 ff.).
24
Die in Syrien stattfindenden Kämpfe zwischen den syrischen Streitkräften und oppositionellen bewaffneten Gruppen gingen zur Tatzeit über bloße innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte oder vereinzelt auftretende Gewalttaten weit hinaus. Sie dauerten im Herbst 2012 bereits längere Zeit an und hatten nahezu das ganze Land erfasst. Zumindest solche Konfliktparteien wie die FSA, die "Jabhat al-Nusra" und der - damals noch so genannte - "Islamische Staat im Irak und in Syrien" waren zudem in hohem Maße organisiert: Sie waren hierarchisch strukturiert, verfügten über ein großes Ausmaß an militärischer Ausrüstung, kontrollierten weite Landesteile und waren in der Lage, ihre Kämpfer militärisch auszubilden sowie koordinierte Angriffe durchzuführen (vgl. zu diesen Kriterien Werle/Jeßberger, aaO Rn. 1152 Fn. 194). Dementsprechend handelte es sich um einen bewaffneten Konflikt, der jedenfalls zur Tatzeit noch als nichtinternationaler anzusehen war. Ungeachtet dessen, ob der Bürgerkrieg durch das Eingreifen ausländischer Kräfte inzwischen soweit "internationalisiert" ist, dass mittlerweile von einem internationalen bewaffneten Konflikt auszugehen wäre (vgl. zur Internationalisierung nichtinternationaler bewaffneter Konflikte MüKoStGB/Zimmermann/Geiß, aaO Rn. 101 ff.), war dies zumindest im Herbst 2012 noch nicht der Fall.
25
bb) Bei den Geschädigten H. , As. , S. sowie N. , B. , T. und M. D. handelte es sich um nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen. Das ergibt sich aus § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB, wonach in einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt insbesondere solche Personen als nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende anzusehen sind, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen (vgl. dazu MüKoStGB/Zimmermann/Geiß, aaO Rn. 93 mwN) und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden. Hier haben alle Geschädigten nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilgenommen. Das gilt auch für H. und As. .
Sie gehörten zwar ihrerseits einer bewaffneten Gruppierung an, die es sich aber nur zum Ziel gesetzt hatte, nach dem Rückzug der syrischen Sicherheitskräfte in dem Stadtviertel Bustan al-Pascha polizeiähnliche Aufgaben wahrzunehmen und Plünderungen zu verhindern.
26
Die Geschädigten befanden sich auch in der Gewalt der gegnerischen Partei. Das ergibt sich im Hinblick auf die Besonderheiten von nichtinternationalen bewaffneten Konflikten im Allgemeinen sowie diejenigen des innersyrischen Konflikts im Besonderen daraus, dass sie nicht der an den Kampfhandlungen beteiligten Gruppierung des Angeschuldigten angehörten und deren Absichten entgegen stehende Ziele verfolgten. Ein anderes Abgrenzungskriterium kommt angesichts der Komplexität des syrischen Bürgerkrieges nicht in Betracht. Das gilt insbesondere für das Kriterium der Staatsangehörigkeit, das sich bei nichtinternationalen bewaffneten Konflikten regelmäßig als untauglich erweist (Werle/Jeßberger, aaO Rn. 1185; vgl. auch BGH,Urteil vom 21. Februar 2001 - 3 StR 372/00, BGHSt 46, 292, 300 f.), sowie für das Kriterium der ethnischen Zugehörigkeit. Bei dem Bürgerkrieg in Syrien handelt es sich nicht um einen interethnischen Konflikt. Die Anzahl und die Ausrichtung der in die Kämpfe verwickelten Gruppen war und ist kaum überschaubar und wechselnd. Einzelne Gruppierungen entstehen, lösen sich wieder auf und kämpfen in wechselnden Koalitionen mal gemeinsam, mal gegeneinander. Letztlich sind die Geschädigten von der Miliz des Angeschuldigten gefangengenommen worden, weil sie von ihr als der Regierung nahe stehend und deshalb als Gegner betrachtet wurden, und die Miliz des Angeschuldigten stellte sich aus der Sicht der Geschädigten ihrerseits als Gegner dar.
27
cc) Es besteht der dringende Tatverdacht, dass der Angeschuldigte oder Angehörige seiner Miliz die Geschädigten durch Zufügung erheblicher körperli- cher oder seelischer Leiden unmenschlich behandelt haben. Das Tatbestandsmerkmal der unmenschlichen Behandlung ist weit auszulegen. Es erfasst die Zufügung erheblicher körperlicher oder seelischer Schäden oder Leiden. Die Erheblichkeit ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles zu beurteilen, insbesondere der Art der Handlung sowie ihres Kontextes. Das Ausmaß der Beeinträchtigung muss über dasjenige einer körperlichen Misshandlung im Sinne von § 223 StGB deutlich hinausgehen (vgl. zu allem MüKoStGB/Zimmermann/Geiß, aaO Rn. 137 f. mwN).
28
Das ist hier auf der Grundlage des gegenwärtigen Sachstandes der Fall, ohne dass es darauf ankommt, ob sich jede einzelne dem Angeschuldigten zur Last gelegte Misshandlung als eine in § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB beispielhaft angeführte Folterung darstellt. Die Geschädigten sind jeweils willkürlich gefangengenommen und unter unwürdigen Umständen festgehalten sowie in erniedrigender Weise brutal misshandelt worden. Dadurch sind ihnen nach Lage der Dinge gravierende körperliche und seelische Leiden zugefügt worden.
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dd) Die Taten sind auch im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt begangen worden. Der insoweit erforderliche funktionale Zusammenhang ist gegeben, wenn das Vorliegen des bewaffneten Konfliktes für die Fähigkeit des Täters, das Verbrechen zu begehen, für seine Entscheidung zur Tatbegehung , für die Art und Weise der Begehung oder für den Zweck der Tat von wesentlicher Bedeutung war; die Tat darf nicht lediglich "bei Gelegenheit" des bewaffneten Konflikts begangen werden (Werle/Jeßberger, aaO Rn. 1163 ff.). Eine Tatausführung während laufender Kampfhandlungen oder eine besondere räumliche Nähe dazu sind hingegen nicht erforderlich (BT-Drucks. 14/8524, S. 25).
30
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Angeschuldigte war militärischer Anführer einer aktiv in den syrischen Bürgerkrieg eingebundenen Kampfeinheit , die in ihrem Machtbereich frei schalten und walten konnte, nachdem die Regierungskräfte geflohen waren. Alle Geschädigten wurden angegriffen, weil sie sich dem Herrschaftsanspruch der Miliz des Angeschuldigten in den von ihr kontrollierten Gebieten nicht bedingungslos unterworfen hatten und deshalb aus seiner Sicht der Regierung nahestanden.
31
ee) Schließlich ist der Angeschuldigte im Hinblick auf alle Taten als Täter anzusehen. Soweit er die Misshandlungen nicht selbst vorgenommen hat, ergibt sich seine Verantwortlichkeit jedenfalls aus § 4 VStGB. Wenngleich er mangels rechtlicher Legitimation nicht als "militärischer Befehlshaber" seiner Einheit im Sinne des § 4 Abs. 1 VStGB angesehen werden kann, so steht er doch gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 VStGB einem militärischen Befehlshaber gleich (vgl. zu dieser Differenzierung Werle/Jeßberger, aaO Rn. 640; MüKoStGB/Weigend, 2. Aufl., § 4 VStGB Rn. 19). Er übte als Anführer seiner hierarchisch strukturierten Miliz die tatsächliche Führungsgewalt und Kontrolle aus. Der Angeschuldigte hatte zu jeder Zeit die Möglichkeit, das Verhalten seiner Untergebenen zu bestimmen und insbesondere die Begehung von Straftaten zu unterbinden. Er hielt sie jedoch dazu an, Straftaten zu begehen, und beteiligte sich regelmäßig auch selbst daran.
32
d) Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts und damit auch diejenige des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs sowie des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist gegeben (§ 120 Abs. 1 Nr. 8, § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG, § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO).
33
2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Angeschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer hohen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Insbesondere verfügt der Angeschuldigte in Deutschland über keine persönlichen und familiären Bindungen, die geeignet sind, den Fluchtanreiz zu relativieren. Seine Ehefrau nach islamischem Ritus, Ba. , hat sich von ihm getrennt und ist mit ihren Kindern, deren Vater nicht der Angeschuldigte ist, zu ihrem Bruder nach Ne. gezogen. Gegenüber der im Ermittlungsverfahren eingesetzten Vertrauensperson hat er wiederholt, zuletzt im Januar 2016, geäußert, dass er sich in Deutschland sehr unwohl fühle, weil er die Sprache nicht beherrsche, nicht arbeiten könne und weder einen Führerschein noch genug Geld habe, um einen für ihn angemessenen Lebensstil zu führen. Er hat dabei erkennen lassen, dass er mit dem Gedanken spielt, Deutschland zu verlassen und in ein arabisches Land zu gehen. Der Angeschuldigte verfügt zudem über vielfältige Beziehungen in die Türkei und andere Länder, und zwar - wie sich aus seinen Äußerungen gegenüber der Vertrauensperson ergibt - auch zu Passfälschern und Schleusern, sodass eine Flucht aus Deutschland für ihn leicht zu realisieren wäre. In Anbetracht dessen ist zu erwarten, dass sich der Angeschuldigte, sollte er in Freiheit gelangen, dem weiteren Strafverfahren durch Flucht entziehen wird.
34
Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob darüber hinaus der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO) besteht.
35
Der Haftzweck kann nur durch den Vollzug der Untersuchungshaft erreicht werden; weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO reichen nicht aus.
36
3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen entgegen der Auffassung des Verteidigers ebenfalls vor. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen.
37
Im Zusammenhang mit der Festnahme des Angeschuldigten am 6. April 2016 wurden mehrere Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt und zahlreiche Beweismittel, insbesondere Datenträger verschiedener Art, sichergestellt, deren Auswertung noch andauert. Auch eine Datenrekonstruktion, die sich als technisch aufwändig und schwierig erwiesen hat, konnte noch nicht abgeschlossen werden. Sie ist erforderlich, weil im Rahmen von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen bekannt geworden ist, dass der Angeschuldigte Fotos und Videos aus der Zeit in Syrien von Datenträgern gelöscht hat, und mehrere Zeugen bekundet haben, dass der Angeschuldigte im Besitz eines Datenträgers mit zumindest einem Video war, auf dem zu sehen ist, wie er selbst die Geschädigten H. und As. misshandelte. Das Vorbringen des Verteidigers, dass es ein derartiges Video "nach Auskunft" des Angeschuldigten - der sich bislang nicht zur Sache eingelassen hat - "nie gegeben" habe, hat nicht zur Folge, dass die weitere Sachaufklärung insoweit entbehrlich ist. Überdies konnten mehrere Zeugen aus ermittlungstaktischen Gründen erst nach der Festnahme des Angeschuldigten vernommen werden. Schließlich ist auch die Auswertung der Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung wegen deren außerordentlichen Umfangs noch nicht abgeschlossen. Der Angeschuldigte führte jeden Tag eine Vielzahl von Telefonaten in arabischer Sprache, die übersetzt und zusammengefasst werden mussten. Die Inhaltsprotokolle der aufgezeichneten Gespräche umfassen 35 Sachakten-Sonderordner.
38
Gleichwohl ist bereits unter dem 24. Oktober 2016 Anklage beim Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben worden. In Anbetracht dessen ist das Verfahren bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
39
4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht schließlich auch nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Becker Gericke Tiemann

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 57/17 vom 27. Juli 2017 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja VStGB § 8 Abs. 1 Nr. 9 Zur Strafbarkeit von Leichenschändungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 9 VStGB. BGH, Urteil vom 27

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Feb. 2019 - AK 4/19

bei uns veröffentlicht am 20.02.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS AK 4/19 vom 20. Februar 2019 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen Kriegsverbrechen gegen Personen u.a. ECLI:DE:BGH:2019:200219BAK4.19.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschuldigten

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2019 - AK 12/19

bei uns veröffentlicht am 04.04.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS AK 12/19 vom 4. April 2019 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte u.a. ECLI:DE:BGH:2019:040419BAK12.19.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörun

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2018 - StB 40/18

bei uns veröffentlicht am 25.09.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS StB 40/18 vom 25. September 2018 in dem Ermittlungsverfahren gegen alias: alias: alias: wegen Verdachts der Begehung von Kriegsverbrechen (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB) hier: Beschwerde des Beschuldigten vom 13. August 201

Referenzen

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Ein militärischer Befehlshaber oder ziviler Vorgesetzter, der es unterlässt, seinen Untergebenen daran zu hindern, eine Tat nach diesem Gesetz zu begehen, wird wie ein Täter der von dem Untergebenen begangenen Tat bestraft. § 13 Abs. 2 des Strafgesetzbuches findet in diesem Fall keine Anwendung.

(2) Einem militärischen Befehlshaber steht eine Person gleich, die in einer Truppe tatsächliche Befehls- oder Führungsgewalt und Kontrolle ausübt. Einem zivilen Vorgesetzten steht eine Person gleich, die in einer zivilen Organisation oder einem Unternehmen tatsächliche Führungsgewalt und Kontrolle ausübt.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
_____________
AK 3/10
vom
17. Juni 2010
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________________
1. Militärischer Befehlshaber im Sinne des § 4 VStGB ist, wer die faktisch ausübbare
, gegebenenfalls auch rechtlich fundierte Möglichkeit hat, Untergebenen
verbindliche Anweisungen zu erteilen und die Ausführung dieser Anweisungen
durchzusetzen.
2. Der subjektive Tatbestand des § 4 VStGB setzt mindestens bedingten Vorsatz
des Vorgesetzten voraus. Dieser muss u. a. erkennen oder mit der
konkreten Möglichkeit rechnen, dass der Untergebene eine Straftat nach
dem Völkerstrafgesetzbuch zu begehen beabsichtigt. Dabei genügt es,
wenn sein bedingter Vorsatz die Art der zu begehenden Straftat umfasst und
sich weiter darauf erstreckt, dass derartige Taten bei dem Einsatz der ihm
unterstellten Truppen im Kampfgebiet begangen werden; ein hierüber hinausgehendes
Detailwissen ist nicht erforderlich.
BGH, Beschl. vom 17. Juni 2010 - AK 3/10 - Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie des Beschuldigten und seiner Verteidiger am 17. Juni 2010
gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:

1
Der Beschuldigte wurde aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. November 2009 (4 BGs 31/09) am 17. November 2009 festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe sich als Präsident der in den Provinzen Nord-Kivu und Süd-Kivu der Demokratischen Republik Kongo (im Folgenden: DRC) operierenden paramilitärischen MilizenOrganisation "Forces Démocratiques de Libération du Rwanda" (im Folgenden: FDLR) wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und wegen Kriegsverbrechen , für die er jeweils als Vorgesetzter verantwortlich sei, sowie zugleich als Rädelsführer einer terroristischen Vereinigung im Ausland strafbar gemacht.
3
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
4
1. Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Geschehen auszugehen:
5
a) Zwischen den in der Republik Ruanda ansässigen Bevölkerungsgruppen - insbesondere den Hutu, welche die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung stellte, und den Tutsi - kam es bereits in der Vergangenheit zu zahlreichen gewaltsamen Auseinandersetzungen. Diesen fielen insbesondere Angehörige der Tutsi zum Opfer. Eine Vielzahl von ihnen floh deshalb in die benachbarte Republik Uganda. Eine dort unter dem Namen "Ruandische Patriotische Front" (im Folgenden: RPF) zusammengestellte Rebellenarmee griff im Jahre 1990 die Republik Ruanda an, um das dortige Regime, dessen maßgebende Funktionen von Angehörigen der Hutu ausgeübt wurden, zu beseitigen und den Flüchtlingen die Heimkehr zu ermöglichen. Nach militärischen Erfolgen der RPF und Verhandlungen über eine Teilung der Macht und Demokratisierung Ruandas wurde im August 1993 das Friedensabkommen von Arusha geschlossen. Danach sollte die bis dahin allein regierende Partei des Präsidenten Habyarimana Teile ihrer Macht abgeben, demokratische Prozesse zulassen und den Angehörigen der Tutsi eine Teilhabe am Staatswesen ermöglichen. Das Abkommen wurde jedoch in der Folgezeit insbesondere aufgrund des Widerstands einflussreicher Kreise der Hutu nicht umgesetzt.
6
Am 6. April 1994 wurde das Flugzeug des damaligen Staatspräsidenten Habyarimana von bis heute nicht zweifelsfrei ermittelten Attentätern abgeschossen ; Habyarimana fand dabei den Tod. Dieses Ereignis war Beginn einer Tötungswelle, in deren Verlauf schätzungsweise 500.000 bis 800.000 Angehörige der Tutsi sowie gemäßigte Hutu umgebracht wurden. Um dieser Massentö- tung Einhalt zu gebieten, rückte die bisher im Norden Ruandas befindliche RPF vor und eroberte schließlich die übrigen Landesteile. Die Soldaten und Offiziere der staatlichen Armee flüchteten mit Teilen der hutustämmigen Bevölkerung, insbesondere Angehörigen der paramilitärischen Interahamwe-Miliz, teilweise nach Tansania, teilweise aber auch nach Zaire, der heutigen DRC, in die dortigen Provinzen Nord- und Süd-Kivu. Dort setzten sich die Hutu-Verbände fest; ihre Angehörigen versuchten, wieder Einfluss auf die Politik Ruandas zu erlangen. Sie bildeten eine auf der früheren Armee basierende Organisation, die sich seit etwa 1999/2000 als FDLR bezeichnet. Dieser gehören etwa 6.000 Personen an; sie ist damit die größte und einflussreichste Milzengruppierung im Osten der DRC. Mit Hilfe ihres Machtapparates wurde die in Nord- und Süd-Kivu einheimische kongolesische Zivilbevölkerung unterworfen. Strategisches Ziel der FDLR war und ist die Übernahme der Macht in der Republik Ruanda.
7
Die FDLR wurde lange Zeit durch die Regierung und die Armee der DRC unterstützt; auch diese betrachteten die gegenwärtige Regierung der Republik Ruanda als Feind, den es zu bekämpfen galt. So gelang es der FDLR, quasistaatliche Strukturen im Ostkongo aufzubauen, beispielsweise Steuern und Zölle zu erheben sowie den Abbau und Export der dort vorhandenen Bodenschätze zu kontrollieren. Diese Lage änderte sich Ende 2008/Anfang 2009. Zu diesem Zeitpunkt kam es zu einer Annäherung der Regierungen der DRC und der Republik Ruanda; beide Länder nahmen gemeinsam den Kampf gegen die FDLR auf. Im Frühjahr 2009 führten die kongolesische Regierungsarmee und die ruandischen Regierungstruppen gegen die FDLR die gemeinsamen Militäraktionen "Umuja Wetu", "Kimia II" und "Amani Leo" durch. Seit diesem Zeitpunkt war die FDLR wiederholt gezwungen, die Herrschaft über von ihr kontrollierte Gebiete abzugeben, sich zurück zu ziehen und neue Herrschaftsbereiche zu erobern. Dabei wurde der Operationsschwerpunkt in letzter Zeit von Nordnach Süd-Kivu verlagert. Als Reaktion auf die Angriffe der kongolesischen und ruandischen Truppen intensivierte die FDLR ihre Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung im Ostkongo. Dabei wurde die Devise ausgegeben, eine humanitäre Katastrophe in der Bürgerkriegsregion herbeizuführen, um die Zivilbevölkerung gegen die Militäroffensive der kongolesischen Armee aufzubringen. Die FDLR entwickelte die Strategie der "operations punitives" bzw. "actions punitives". Die nicht mit der FDLR kooperierenden Zivilpersonen - auch Frauen und Kinder - wurden von ihr als Feinde betrachtet. Die einheimische Bevölkerung wurde unter anderem durch in den Dörfern hinterlassene schriftliche Mitteilungen für den Fall mit Straf- oder Racheaktionen bedroht, dass sie nicht mit der FDLR zusammenarbeite. Diese Drohungen wurden von der FDLR regelmäßig in die Tat umgesetzt; es kam zu einer Vielzahl von gewaltsamen Übergriffen bis hin zu Massakern, bei denen ganze Dörfer vernichtet und zahlreiche Menschen getötet wurden. Auch sexuelle Gewalt gegen die einheimische Zivilbevölkerung wurde als Teil der Kampfstrategie der FDLR angewendet.
8
U. a. aufgrund von Zeugenaussagen in diesem Verfahren sind insbesondere die folgenden Vorfälle der FDLR zuzuordnen:
9
- Am 13. Februar 2009 brannten Angehörige der FDLR als Reaktion auf einen Angriff der kongolesischen Regierungstruppen zahlreiche Häuser des Dorfes Kipopo im Territorium Masisi/Nord-Kivu nieder. Bei der Aktion wurden mehr als ein Dutzend Zivilisten getötet, von denen viele in ihren Häusern verbrannten.
10
- Bei einem Vergeltungs- bzw. Racheangriff der FDLR auf das Dorf Mianga im Territorium Walikale/Nord-Kivu am 12. April 2009 wurden ebenfalls zahlreiche Häuser niedergebrannt und Zivilisten getötet.
11
- Am 17. April 2009 griff die FDLR die Dörfer Luofo und Kasiki im Territorium Lubero/Nord-Kivu an und setzte zahlreiche Häuser in Brand. Auch bei die- ser Aktion verbrannten mehrere Zivilisten. Ziel des Angriffs war es u. a., internationale Organisationen auf die Situation aufmerksam zu machen und so Druck auf die Regierung der Republik Ruanda auszuüben, mit der FDLR zu verhandeln.
12
- Am 9. Mai 2009 wurden bei einem Angriff der FDLR im Rahmen der "operations punitives" auf das Dorf Busurungi im Territorium Walikale/Nord-Kivu eine große Anzahl Häuser niedergebrannt und zivile Dorfbewohner umgebracht. Die Zeugin 1, die ebenso wie der Zeuge 2 den Angriff als Einwohner Busurungis selbst miterlebte, erhielt von einem Angehörigen der FDLR einen Schlag mit einer Machete gegen den Kopf. Der Zeuge 2 überlebte, weil er sich in einem Gebüsch versteckte. Von dort musste er u. a. ansehen, wie seine Nachbarn getötet wurden.
13
- Am 10. Mai 2009 zündeten Mitglieder der FDLR das Dorf Ekingi im Territorium Kalehe/Süd-Kivu an und töteten zahlreiche Zivilisten. Dabei handelte es sich um eine Racheaktion der FDLR, weil die kongolesische Dorfbevölkerung nicht mehr auf ihrer Seite gewesen sei.
14
- In zahlreichen Fällen kam es zu schwersten Körperverletzungen und sexuellen Gewalttaten von Angehörigen der FDLR gegenüber der einheimischen kongolesischen Bevölkerung, wobei insbesondere die geschädigten Frauen vielfach brutal misshandelt wurden; sie verstarben teilweise an den ihnen zugefügten Verletzungen.
15
- Die FDLR rekrutierte mehrfach Kinder im Alter von unter 15 Jahren. Diese wurden teilweise als sog. Kadogos zu Hilfsarbeiten herangezogen, teilweise erhielten sie noch im Kindesalter eine militärische Ausbildung und beteiligten sich an den Kämpfen.
16
- Angehörige der FDLR pressten der einheimischen Bevölkerung in zahlreichen Fällen Geld ab und stahlen bei Bedarf Nahrung und sonstige ihnen besitzenswert erscheinende Gegenstände wie Macheten oder Geschirr.
17
b) Die FDLR ist hierarchisch organisiert und nach sachlichen Zuständigkeitsbereichen gegliedert; ihre Funktionäre gehen arbeitsteilig vor. An der Spitze steht der Präsident, der zugleich auch oberster militärischer Befehlshaber ist. Er wird von zwei Vizepräsidenten vertreten, von denen der eine für den administrativen Bereich und die Außendarstellung, der andere für die militärischen Belange zuständig ist. Weiteres Mitglied der Führung ist der Exekutivsekretär, der die operativen Tagesgeschäfte maßgeblich mitbestimmt. Darüber hinaus gibt es in der politischen Führung mehrere Exekutivkommissionen (z. B. für Propaganda oder für Sicherheit) und ein sog. presidential cabinet. Die FDLR ist darauf bedacht, sich nach außen als im Kern politische Organisation darzustellen ; sie erhebt den Anspruch, gleichberechtigt an Verhandlungen über die Zukunft der Kivu-Provinzen der DRC und die Rückführung der Mitglieder der FDLR nach Ruanda mitzuwirken sowie dort an der Macht beteiligt zu werden. Sie sieht letztlich ausschließlich Angehörige der Volksgruppe der Hutu als berechtigt an, die Macht in Ruanda auszuüben, und verfolgt deshalb das Ziel, die Tutsi wieder zu vertreiben. Die FDLR verfügt über eine militärische Unterorganisation , die "Forces Combattantes Abacunguzi" (im Folgenden: FOCA), die maßgeblich in die gegenwärtigen gewaltsamen Auseinandersetzungen in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu verwickelt ist. Die FOCA ist wie eine Armee aufgebaut und verfügt über eine bürokratische Struktur mit einem Oberkommando sowie über ein Netzwerk zur Rekrutierung von Kämpfern. Sie gliedert sich in zwei Divisionen sowie eine Reserve-Brigade und hält Ausbildungseinheiten vor. Kommandeur und damit militärischer Oberbefehlshaber der FOCA vor Ort im Kampfgebiet ist Generalmajor Sylvestre Mudacumura (alias Bernard Mpenzi).
Die Entscheidungen der Führung der FOCA stehen unter dem Vorbehalt der Billigung durch die FDLR-Gesamtorganisation.
18
c) Der Beschuldigte studierte ab dem Jahre 1989 in Deutschland; 1998 promovierte er an der Universität Köln auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften. Während des Genozids in Ruanda im Jahre 1994 und danach hielt er sich dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland auf. Nach Gründung der FDLR übernahm er das Amt des Beauftragten für Außenbeziehungen der Organisation. Im Jahr 2001 wurde er zum Präsidenten der FDLR gewählt. In der Folgezeit unternahm er wiederholt Reisen in die DRC, um die dort maßgeblichen Mitglieder der Organisation zu treffen, seine Stellung in der FDLR zu festigen , aber auch um eine militärische Grundausbildung zu absolvieren. Im Juni 2005 wurde er erneut zum Präsidenten der FDLR gewählt. Nachdem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gegen die FDLR ein Embargo verhängt hatte, ergriff er auch gegen den Beschuldigten Maßnahmen in Form von Reisebeschränkungen und Restriktionen für Finanztransfers. Die Stadt Mannheim verbot dem Beschuldigten mit Bescheid vom 2. Mai 2006, sich politisch zu äußern und für die FDLR zu betätigen. Nach Missachtung dieses Verbots durch Presseerklärungen und Internetveröffentlichungen in der Zeit von September 2007 bis November 2008 wurde der Beschuldigte im Juni 2009 vom Landgericht Mannheim wegen mehrfachen Verstoßes gegen § 95 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 47 Abs. 1 Satz 2 AufenthaltsG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beschuldigte wurde in der Bundesrepublik Deutschland zunächst als Asylberechtigter anerkannt. Mit Bescheid vom 22. Februar 2006 wurde die Anerkennung mit der Begründung widerrufen, der Beschuldigte sei als Vorsitzender der FDLR für die von deren Kämpfern im Osten der DRC begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verantwortlich. Zudem rechtfertige seine Nennung in der Liste der Verletzer des von den Vereinten Nationen verhängten Waffenembargos gegen die DRC die Annahme, dass er sich Handlungen habe zu Schulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderliefen. Die hiergegen gerichtete Klage wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof durch - nicht rechtskräftiges - Urteil vom 13. Dezember 2009 abgewiesen.
19
Der Beschuldigte genießt innerhalb der FDLR bzw. FOCA eine uneingeschränkte Autorität. Er nimmt nicht lediglich nominell die Stellung des Präsidenten der FDLR ein; er ist vielmehr auch tatsächlich der höchste Führer der in der DRC operierenden Streitkräfte. Als solcher hatte er maßgeblichen Einfluss auf das Kriegsgeschehen in den Bürgerkriegsprovinzen der DRC und auf die dortigen , von Mitgliedern der FDLR begangenen Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht. Der Beschuldigte hielt sich im Tatzeitraum zwar in der Bundesrepublik Deutschland auf. Er stand jedoch in regem und kontinuierlichem Austausch mit den verantwortlichen Führern der FOCA vor Ort und ließ sich über die aktuelle militärische Lage in Nord- und Süd-Kivu fortlaufend informieren. Er gab die Richtlinien der FDLR vor und initiierte auch strategische militärische Pläne. Ihm wurden Entscheidungsvorschläge zur militärischen Planung unterbreitet , die er teilweise annahm, teilweise veränderte und in seltenen Fällen ablehnte. Er ist selbst niederrangigen FDLR-Milizionären namentlich bekannt. Seine Kenntnis von der tatsächlichen Situation im Osten der DRC umfasste das Wissen um die von den Mitgliedern seiner Organisation begangenen Gräueltaten. Die Strategie der FDLR, im Rahmen des Kampfes gegen die jeweiligen Kriegsgegner auch und gerade in den Jahren 2008 und 2009 gewaltsam gegen die im Kampfgebiet ansässige Zivilbevölkerung vorzugehen, war dem Beschuldigten bekannt. Ihm war bewusst, dass die Kämpfer der FDLR als Mittel des Kampfes und der Disziplinierung der Zivilbevölkerung auch Vergewaltigungen, Brandschatzungen, Plünderungen sowie Entführungen einsetzten und selbst vor Tötungen nicht zurückschreckten. Als allgemein in der FDLR bzw. FOCA anerkannter und respektierter oberster Führer war er in der Lage, andere führende FDLR-Mitglieder, die sich seinen Anweisungen widersetzten, aus dem Weg zu räumen und dafür zu sorgen, dass ausstiegswillige FDLR-Kämpfer mit Bestrafungen von ihrem Vorhaben abgebracht wurden. Aufgrund seiner unumschränkten Befehls- und Verfügungsgewalt hatte er somit auch die Möglichkeit, die Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung, deren er sich bewusst war, durch entsprechende Direktiven zu verhindern.
20
2. Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus den Bekundungen zahlreicher Zeugen, den durch die Beschlagnahme des E-Mail-Verkehrs des Beschuldigten und die Überwachung seiner Telekommunikation gewonnenen Erkenntnissen sowie aus Berichten der Vereinten Nationen, deren Teilorganisationen sowie von Nichtregierungsorganisationen. Hinsichtlich der Einzelheiten nimmt der Senat auf die ausführlichen Darlegungen in dem Haftbefehl vom 16. November 2009, dem Haftfortdauerbeschluss vom 1. April 2010, sowie den Schriftsätzen des Generalbundesanwalts vom 22. Februar und 11. Mai 2010 Bezug. Die bisher ermittelten Beweise begründen bei der gebotenen vorläufigen Würdigung auch unter Beachtung der Einlassung des Beschuldigten vor dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs anlässlich seiner Haftprüfung am 30. März 2010 eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beschuldigte Straftaten nach den §§ 4, 7, 8 VStGB sowie den §§ 129 a, 129 b StGB begangen hat.
21
Bezüglich der in diesem Verfahren vernommenen Zeugen verweist der Senat beispielhaft auf die Bekundungen des Zeugen H. zu dem Angriff der FDLR auf das Dorf Kipopo, die Aussagen der Zeugen N. und B. zu der Verwüstung des Dorfes Mianga, die Angaben des Zeugen B. zu den Übergriffen in den Dörfern Luofo und Kasiki, die Beschreibungen der Zeugen 1 und 2, N. sowie B. zu dem Massaker von Busurungi und die Schilderung des Zeugen B. zu dem Überfall auf das Dorf Ekingi. Die Zeugen 7 und 9 haben von zahlreichen weiteren, in diesem Beschluss nicht im Einzelnen aufgeführten Zerstörungen von Dörfern durch die FDLR im Jahre 2009 berichtet. Dem Zeugen 9 wurde dabei von einem Angehörigen der FDLR durch einen Hieb mit einer Machete ein Teil seiner Hand abgetrennt. Die Zeuginnen 4, 5, 8 und 10 haben anschaulich massive sexuelle Übergriffe durch Angehörige der FDLR geschildert. Die Zeugen T. , Nt. , B. und Ng. haben zu der Rekrutierung und dem Einsatz von Kindersoldaten Angaben gemacht. Die Zeugen 5 und 9 sowie der Zeuge Ha. haben von der Ausbeutung der Zivilbevölkerung durch die FDLR berichtet.
22
Die Rolle des Beschuldigten in der FDLR und seine Möglichkeiten, auf das Geschehen im Ostkongo Einfluss zu nehmen, werden belegt durch die aufgrund der Beschlagnahme des E-Mail-Verkehrs und der Überwachung der Telekommunikation des Beschuldigten gewonnenen Erkenntnisse sowie die Aussagen etwa der Zeugen W. , Hi. , M. , R. , Bi. , B. , N. und Ng. . Der Beschuldigte selbst hat in einem Interview für den TV-Sender MDR im Oktober/November 2008 betont, er als Präsident der FDLR wisse ganz genau, was in der FDLR passiere. In einem weiteren Interview hat er am 10. August 2009 erklärt, er sei der Präsident und stehe dem militärischen und politischen Arm vor. Als solcher sei er der Oberbefehlshaber.
23
3. Danach besteht der dringende Tatverdacht, dass die in der DRC operierenden Angehörigen der FDLR Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 6 VStGB, Kriegsverbrechen gegen Personen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4 und 5 VStGB sowie Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte nach § 9 Abs. 1 VStGB begangen haben, für die der Beschuldigte als Vorgesetzter nach § 4 VStGB strafrechtlich verantwortlich ist. Daneben hat sich der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 129 b Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
a) Für die Strafbarkeit nach dem Völkerstrafgesetzbuch gilt:
24
aa) Nach dem Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 VStGB macht sich strafbar , wer im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung und damit einer Gesamttat zumindest eine der in den Nummern 1 bis 10 näher aufgeführten Tatbestandsalternativen verwirklicht (vgl. Zimmermann NJW 2002, 3068, 3069; Werle/Jeßberger JZ 2002, 725, 727 f.).
25
(1) Ein Angriff gegen eine Zivilbevölkerung ist nach der Legaldefinition in Art. 7 Abs. 2 (a) IStGH-Statut eine Verhaltensweise, die mit der mehrfachen Begehung der in Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut genannten Handlungen gegen eine Zivilbevölkerung verbunden ist, in Ausführung oder zur Unterstützung der Politik eines Staates oder einer Organisation, die einen solchen Angriff zum Ziel hat. Hinter dem Angriff muss also ein Kollektiv stehen, bei dem es sich allerdings nicht notwendigerweise um einen Staat im Völkerrechtssinne zu handeln braucht. Somit ist ein militärischer Angriff im Sinne des humanitären Völkerrechts zur Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich (BTDrucks. 14/8524 S. 20).
26
Diese Voraussetzungen liegen mit Blick auf die zahlreichen gewaltsamen Übergriffe der FDLR auf die in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu der DRC lebende einheimische Zivilbevölkerung vor. Dabei bedarf es keiner näheren Betrachtung , ob zur Verwirklichung dieses Tatbestandsmerkmals auch im Rahmen des § 7 Abs. 1 VStGB das in Art. 7 Abs. 2 (a) IStGH-Statut genannte "Politikelement" erforderlich oder dieses entbehrlich ist (vgl. Werle/Burchards in MünchKomm § 7 VStGB Rdn. 30 ff.); denn die Gewalttaten gegen die Zivilbe- völkerung beruhten auf der Politik der FDLR, die diese Übergriffe als Mittel des Kampfes einsetzte, um die kongolesische Zivilbevölkerung für ihre Zwecke gefügig zu machen, ihren Herrschafts- und Einflussbereich zu sichern bzw. auszubauen und Druck auf die DRC, Ruanda sowie die internationale Gemeinschaft auszuüben.
27
(2) Ein Angriff ist dann ausgedehnt, wenn er in einem großen Umfang durchgeführt wird und mit einer erheblichen Anzahl von Opfern in der Zivilbevölkerung verbunden ist. Dies kann sich insbesondere daraus ergeben, dass er sich gegen eine Vielzahl von Personen richtet oder sich über ein großes geografisches Gebiet erstreckt. Er kann auch in einer einzigen Handlung bestehen, wenn dieser zahlreiche Zivilpersonen zum Opfer fallen. Ein Angriff ist systematisch , wenn die Gewaltanwendung organisiert ist und planmäßig im Sinne eines konsequenten Handelns ausgeführt wird (Werle/Burchards aaO Rdn. 25 ff.).
28
Auch diese Voraussetzungen sind jedenfalls für die Zeit ab dem Beginn des Jahres 2009 sowohl bezüglich des quantitativen als auch des qualitativen Elements gegeben. Die Übergriffe auf die Zivilbevölkerung führten zu zahlreichen Opfern. Die Gewalt wurde nicht nur isoliert und zufällig angewendet; vielmehr wurde sie - etwa in Form von Strafaktionen im Rahmen der "operations punitives" - der Strategie der FDLR folgend instrumentalisiert und regelmäßig ausgeführt, um die Zivilbevölkerung zur Loyalität gegenüber der Organisation zu "erziehen".
29
(3) Im Rahmen dieses Angriffs verursachten Angehörige der FDLR durch ihr Verhalten vorsätzlich den Tod zahlreicher Menschen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 VStGB) und verübten eine Vielzahl von sexuellen Gewaltverbrechen (§ 7 Abs. 1 Nr. 6 VStGB).
30
bb) Wegen Kriegsverbrechen gegen Personen macht sich nach § 8 Abs. 1 VStGB strafbar, wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine der in den Nummern 1 bis 9 umschriebenen Handlungen begeht. Anders als bei den Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 VStGB ist hier die Einbettung der Taten in einen ausgedehnten oder systematischen Angriff gegen die Zivilbevölkerung nicht erforderlich.
31
(1) Bei den Kämpfen zwischen der FDLR und den kongolesischen bzw. ruandischen Truppen im Osten der DRC handelt es sich um einen bewaffneten Konflikt im Sinne des § 8 Abs. 1 VStGB. Maßgebend hierfür ist, dass Waffengewalt eingesetzt wird und diese einer der beteiligten Konfliktparteien zuzurechnen ist. Formelle Voraussetzungen wie etwa eine förmliche Kriegserklärung sind nicht entscheidend. Die seit Jahren andauernden heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten gehen über nicht von der Norm erfasste innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen weit hinaus. Die FDLR ist aufgrund ihrer Struktur und ihres Organisationsgrades als taugliche Konfliktpartei anzusehen (vgl. Ambos in MünchKomm vor §§ 8 ff. VStGB Rdn. 23).
32
(2) Für die Beurteilung der Strafbarkeit nach § 8 Abs. 1 VStGB bedarf es keiner näheren Betrachtung, ob die Auseinandersetzungen zwischen der FDLR und ihren Gegnern im Osten der DRC als internationaler oder nichtinternationaler Konflikt zu bewerten sind. Der deutsche Gesetzgeber hat insoweit die Unterscheidung des IStGH-Statuts zwischen Kriegsverbrechen im internationalen und (Bürger)Kriegsverbrechen im nichtinternationalen Konflikt als wesentliches Strukturprinzip für den Gesetzesaufbau aufgegeben (BTDrucks. 14/8524 S. 24; Werle/Jeßberger JZ 2002, 725, 731 f.).
33
(3) Es besteht ein dringender Tatverdacht dahin, dass Angehörige der FDLR im Zusammenhang mit den bewaffneten Auseinandersetzungen zahlreiche - nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende - Zivilpersonen getötet (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB), sie durch Zufügung erheblicher körperlicher und seelischer Schäden (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB) grausam oder unmenschlich behandelt , sie sexuell genötigt und vergewaltigt (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB) sowie Kinder unter 15 Jahren in die FDLR eingegliedert und sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet haben (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 VStGB). Diese Taten entsprachen der Kampfstrategie der FDLR; sie standen deshalb in einem funktionalen Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt und geschahen nicht lediglich "bei Gelegenheit" desselben (BTDrucks. 14/8524 S. 25; Zimmermann NJW 2002, 3068, 3070).
34
cc) Mit großer Wahrscheinlichkeit haben Angehörige der FDLR daneben Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte nach § 9 Abs. 1 VStGB begangen, indem sie im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt im Rahmen ihrer Aktionen gegen die Zivilbevölkerung dieser Nahrung und sonstige Gegenstände weggenommen und damit geplündert haben. Eine Plünderung liegt entsprechend der in § 125 a Satz 2 Nr. 4 StGB gebrauchten Umschreibung (BTDrucks. 14/8524 S. 31) vor, wenn unter Ausnutzung der Gesamtsituation fremde bewegliche Sachen gestohlen oder einem anderen in Zueignungsabsicht abgenötigt werden (vgl. BGH JZ 1952, 369); der Begriff umfasst im Ergebnis alle Formen der rechtswidrigen Aneignung von Eigentum in einem bewaffneten Konflikt. Er kann durch isolierte Taten einzelner Kämpfer verwirklicht werden oder Teil einer organisierten Aneignung und systematischen Ausbeutung eines besetzten oder militärisch kontrollierten Gebietes sein (vgl. Ambos aaO § 9 VStGB Rdn. 6 f.). Diese Voraussetzungen sind durch das bisherige Ermittlungsergebnis im Sinne eines dringenden Tatverdachts ausreichend belegt.
35
dd) Der Beschuldigte ist mit hoher Wahrscheinlichkeit für die von den Angehörigen der FDLR begangenen Verstöße gegen das VStGB als Vorgesetzter nach § 4 VStGB strafrechtlich verantwortlich. Nach dieser Vorschrift werden militärische und zivile Vorgesetzte wie ein Täter der von ihren Untergebenen begangenen Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch bestraft, wenn sie diese Straftaten bewusst geschehen lassen. Danach wird im Unterschied zu den allgemeinen Regeln des deutschen Strafrechts zum einen auch eine bloße Unterstützung der Straftat eines Untergebenen durch Nichtstun als Täterschaft des Vorgesetzten eingestuft, ohne dass es auf eine Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme im Einzelfall ankommt. Zum anderen bleibt dem untätigen Vorgesetzten aufgrund seiner besonderen Verantwortung die Möglichkeit der Strafmilderung nach § 13 Abs. 2 StGB versagt (BTDrucks. 14/8524 S. 19; vgl. im Einzelnen auch Weigend, ZStW 116 [2004], 999).
36
(1) Als militärischer Befehlshaber gilt, wer die faktisch ausübbare, gegebenenfalls auch rechtlich fundierte Möglichkeit hat, Untergebenen verbindliche Anweisungen zu erteilen und die Ausführung dieser Anweisungen durchzusetzen. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist innerhalb einer militärischen Hierarchie jedes Glied der Befehlskette als Befehlshaber anzusehen. Befehlshaber kann demnach sowohl der oberste Führer als auch ein unterer Führer sein, dem nur eine kleine Gruppe von Kämpfern untersteht. Hieraus folgt, dass mehrere Vorgesetzte unterschiedlicher Ebenen für ein und dieselbe Straftat eines Untergebenen gleichermaßen nach § 4 VStGB verantwortlich sein können. Allein der Titel oder die formelle rechtliche Stellung vermag eine Haftung nach § 4 VStGB nicht zu begründen. Hinzukommen muss stets, dass der Vorgesetzte die Möglichkeit hat, das Verhalten seiner Untergebenen faktisch zu bestimmen, insbesondere Straftaten wirksam zu unterbinden (Weigend ZStW 116 [2004], 999, 1008). Innerhalb von Entscheidungsgremien sind nicht ohne Weiteres alle Mitglieder Vorgesetzte im Sinne des § 4 VStGB. Auch hier kommt es maßgebend auf die Befugnis an, die gemeinsam getroffene Entscheidung gegenüber den Untergebenen verbindlich anzuordnen (vgl. Weigend in MünchKomm § 4 VStGB Rdn. 17 ff.). Personen wie Stabsoffiziere oder Militärberater, die zwar tatsächlichen Einfluss auf die Entscheidungsfindung, aber keine unmittelbare Befehlsgewalt besitzen, fallen nicht in den Anwendungsbereich der Vorgesetztenverantwortlichkeit (Weigend ZStW 116 [2004], 999, 1009).
37
Nach diesen Maßstäben ist der Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit als Vorgesetzter im Sinne des § 4 VStGB anzusehen. Er war nicht nur nominell Präsident der FDLR, sondern übte auch faktisch die Funktion des obersten militärischen Befehlshabers aus. Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist davon auszugehen, dass er in ständigem Kontakt mit den Entscheidungsträgern vor Ort stand und tatsächlich sowie nach den innerhalb der FDLR bestehenden Befehlsstrukturen in der Lage war, für deren Verbände verbindliche Anweisungen strategischen Inhalts, aber auch für konkrete Kampfhandlungen und -methoden zu erteilen.
38
(2) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Vorgesetzten nach § 4 VStGB erfordert, dass er es unterlässt, den Untergebenen an der Tat zu hindern. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Dabei kann dahinstehen, ob der Vorgesetzte dem Wortlaut des § 4 VStGB folgend eine Strafbarkeit wegen der Tat des Untergebenen nur dann vermeiden kann, wenn er erfolgreich in dem Sinne tätig wird, dass die Tat aufgrund seiner Intervention unterbleibt, oder ob es ausreicht, dass der Vorgesetzte alles tut, was in seiner Macht steht und was angemessen und erforderlich ist, um den Untergebenen von der Tat abzubringen (vgl. Weigend in MünchKomm § 4 VStGB Rdn. 47 ff.). Denn nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis hat der Beschuldigte keine ernsthaften und nachhaltigen Maßnahmen ergriffen, um die ihm bekannten gewalttätigen Übergriffe auf die kongolesische Zivilbevölkerung zu verhindern. Diese waren viel- mehr wesentlicher Bestandteil der maßgeblich von dem Beschuldigten geprägten allgemeinen militärischen und politischen Strategie der FDLR, mit der sie ihre Ziele zu erreichen trachtete.
39
(3) In subjektiver Hinsicht ist gemäß § 2 VStGB i. V. m. § 15 StGB mindestens bedingter Vorsatz hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale erforderlich (Satzger NStZ 2002, 125, 127 f.).
40
(a) Im Gegensatz zur völkerstrafrechtlichen Vorgesetztenverantwortlichkeit reicht im Rahmen des § 4 VStGB auch für militärische Vorgesetzte somit Fahrlässigkeit nicht aus. Die Regelung des Völkerstrafgesetzbuchs bleibt damit hinter derjenigen nach Art. 28 IStGH-Statut zurück. Der Vorsatz muss sich zunächst auf die Merkmale der Vorgesetzteneigenschaft des Täters sowie den Umstand beziehen, dass der konkret handelnde Täter sein Untergebener ist; auch muss der Vorgesetzte wissen oder es konkret für möglich halten, dass er durch Ausübung seiner Befehls- oder Führungsgewalt die Ausführung der Tat des Untergebenen verhindern kann.
41
Der Vorgesetzte muss ferner erkennen oder mit der konkreten Möglichkeit rechnen, dass der Untergebene eine Straftat nach dem VStGB zu begehen beabsichtigt. Dabei reicht es jedenfalls aus, wenn sein bedingter Vorsatz die Art der zu begehenden Straftat - etwa Tötungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 oder § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB - umfasst und sich weiter darauf erstreckt, dass derartige Taten bei dem Einsatz der ihm unterstellten Truppen im Kampfgebiet begangen werden. Ein hierüber hinausgehendes Detailwissen ist nicht erforderlich. Ob sogar die Kenntnis von einer bloß abstrakten Möglichkeit der Begehung von Menschlichkeits- oder Kriegsverbrechen durch einen Untergebenen ausreicht, um den notwendigen Vorsatz des Vorgesetzten zu begründen (vgl. die Nach- weise bei Weigend aaO Rdn. 56), bedarf hier vor dem Hintergrund des Ermittlungsergebnisses keiner Entscheidung.
42
Liegen die dargelegten Voraussetzungen vor, so beseitigen Abweichungen etwa hinsichtlich der Ausführungsweise oder der Schwere des durch den Untergebenen begangenen Unrechts die Vorgesetztenverantwortlichkeit nicht. Allerdings scheidet die Strafbarkeit des Vorgesetzten nach § 4 VStGB aus, wenn der Untergebene eine qualitativ andere Straftat nach dem Völkerstrafgesetzbuch begeht als diejenige die der Vorgesetzte erwartet hat und geschehen lassen wollte (z. B. eine Vergewaltigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB statt der vom Vorgesetzten erwarteten Plünderung nach § 9 Abs. 1 VStGB oder umgekehrt , vgl. insoweit zutreffend Weigend aaO Rdn. 57).
43
Darüber hinaus ist es nicht erforderlich, dass der Vorgesetzte - etwa den bei der Anstiftung nach § 26 StGB oder der Beteiligung nach § 30 StGB entwickelten Grundsätzen entsprechend - eine wenn auch nicht in allen Einzelheiten, so doch in den wesentlichen Merkmalen und Grundzügen konkretisierte Haupttat vor Augen haben muss (so aber Weigend aaO Rdn. 56). Der Wortlaut der Norm erfordert eine derart einschränkende Auslegung nicht. Die undifferenzierte Übertragung der bei der Beteiligung an Straftaten nach den Maßgaben des Allgemeinen Teil des deutschen Strafgesetzbuchs entwickelten Grundsätze widerspricht zudem dem Sinn und Zweck des § 4 VStGB; sie würde den spezifischen Besonderheiten der Zurechnung von Verstößen gegen das Völkerstrafgesetzbuch in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht. Dieses unterscheidet sich vom allgemeinen Strafgesetzbuch namentlich dadurch, dass es den regelmäßig kollektiven Charakter der von ihm erfassten Delikte in den Vordergrund stellt. Zentraler Aspekt seiner Strafkonzeption ist gerade die Ahndung der Tatbeteiligung einer Vielzahl von Personen, die auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen an der Deliktsverwirklichung mitwirken. Mit Blick auf die - völkerstraf- rechtliche - Vorprägung des Gesetzes ist es unabdingbar, diese Besonderheiten bei dessen Auslegung wesentlich mit einzubeziehen (vgl. Zimmermann NJW 2002, 3068, 3069). Hieraus folgt:
44
Zum einen trifft die Pflicht, Straftaten eines Untergebenen nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu verhindern, den Vorgesetzten nicht erst dann, wenn ihm die zu begehende Straftat in ihren wesentlichen Merkmalen bekannt ist. Denn von dem ihm unterstellten Personal geht regelmäßig etwa aufgrund von deren Bewaffnung eine große Gefahr für besonders hochwertige Rechtsgüter bis hin zu Leib und Leben der potentiellen Opfer aus (Weigend ZStW 116 [2004], 999, 1003). Dieses Gefahrenpotential begründet eine besondere Verantwortung des Vorgesetzten (BTDrucks. 14/8524 S. 18 f.) und macht es in besonderer Weise erforderlich, dass dieser die ihm Untergebenen zu einer rechtskonformen Ausübung ihres Einsatzes anhält. Die Allgemeinheit muss deshalb darauf vertrauen können, dass der Befehlshaber die Gefahren, die mit bewaffneten Einheiten immer latent verbunden sind, durch geeignete Maßnahmen frühzeitig unter Kontrolle hält und nicht erst eingreift, wenn ihm Straftaten in konkretisierter Form bekannt werden.
45
Zum anderen bezweckt § 4 VStGB nicht nur die Zurechnung von Straftaten Untergebener auf Vorgesetzte, die mit dem konkreten Geschehen vor Ort derart intensiv betraut sind, dass ihr bedingter Vorsatz sogar Einzelheiten der in Betracht kommenden Verstöße gegen das Völkerstrafgesetzbuch umfasst. Zur Rechenschaft gezogen werden sollen vielmehr gerade auch Vorgesetzte, die an der Spitze der Befehlskette stehen und damit regelmäßig von dem tatsächlichen Geschehen vor Ort so weit entfernt sind, dass sie keine detaillierten Kenntnisse etwa bezüglich des genauen Ortes, der genauen Zeit und der konkreten Opfer haben. Die Vorschrift würde weitgehend leer laufen und könnte die ihr zugedachte Funktion nur in äußerst eingeschränktem Umfang erfüllen, woll- te man an den Vorsatz des Vorgesetzten bezüglich der von dem Untergebenen zu begehenden Straftat zu hohe Anforderungen stellen. Dies wird besonders deutlich in Fällen wie dem vorliegenden, die ihr wesentliches Gepräge dadurch erhalten, dass die Verstöße gegen das Völkerstrafgesetzbuch Teil der allgemeinen Strategie der Organisation sind. Diese allgemeinen Direktiven gehen indes regelmäßig von den Führern der Organisation aus; gerade diese wären bei zu hohen Anforderungen an das Wissenselement des Vorsatzes mangels ausreichend konkreter Kenntnisse von den einzelnen Übergriffen von der Haftung nach § 4 VStGB ausgenommen.
46
Schließlich kommt hinzu, dass im Rahmen bewaffneter Auseinandersetzungen sich typischerweise häufig erst kurzfristig ergibt, welche genauen Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch in Betracht kommen, so dass die Zurechnung der Taten nach § 4 VStGB auch aus diesem Grunde nur ganz eingeschränkt möglich wäre, wollte man detaillierte Kenntnisse des Vorgesetzten verlangen.
47
(b) Nach diesen Maßstäben ist der dringende Tatverdacht auch für den Vorsatz des Beschuldigten zu bejahen. Ihm war die Strategie der FDLR bewusst , gewaltsame Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung als Mittel des Kampfes einzusetzen. Aufgrund zahlreicher Informationsquellen, darunter persönliche Unterrichtungen durch die örtlichen Kommandanten der FDLR bzw. FOCA im Ostkongo war ihm bekannt, dass diese Strategie auch tatsächlich umgesetzt wurde und es dabei zu zahlreichen Verstößen gegen das Völkerstrafgesetzbuch in der dargelegten jeweiligen Art kam. Er war sich darüber im Klaren, dass die ihm unterstehenden Milizionäre etwa Tötungen, Vergewaltigungen, schwere Körperverletzungen und Plünderungen begingen sowie Kindersoldaten rekrutierten und einsetzten, solange er dies nicht unterbinden würde. Dass er möglicherweise nicht in jedem Einzelfall im Vorhinein die dann tatsächlich begange- nen Straftaten konkret kannte, steht seiner strafrechtlichen Verantwortung nach § 4 VStGB nach alldem im Ergebnis nicht entgegen.
48
b) Für die Strafbarkeit nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 129 b StGB gilt:
49
aa) Die FDLR stellt aufgrund ihrer Organisationsstruktur, der Anzahl und willensmäßigen Einbindung ihrer Mitglieder sowie der Dauerhaftigkeit der Verbindung eine Vereinigung im Ausland im Sinne der §§ 129, 129 a, 129 b StGB dar (vgl. hierzu im Einzelnen BGH NJW 2009, 3448, 3459 f.; 2010, 1979, 1981).
50
Das Vorliegen einer Vereinigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die FDLR auch als militärische Organisation nach den §§ 7, 8 VStGB anzusehen ist (vgl. Werle/Burchards in MünchKomm § 7 VStGB Rdn. 35; aA wohl Weigend in MünchKomm § 4 VStGB Rdn. 23). Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck der §§ 129 ff. StGB oder der §§ 7 ff. VStGB legen eine solche Ansicht nahe. Das Völkerstrafgesetzbuch trifft keine abschließende Sonderregelung für Straftaten, die in bewaffneten Konflikten oder im Zusammenhang mit Angriffen gegen die Zivilbevölkerung begangen werden (BTDrucks. 14/8524 S. 13). Nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB können die Zwecke oder Tätigkeit einer terroristischen Vereinigung vielmehr gerade darauf gerichtet sein, Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu begehen. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund dies nur für Verbände gelten soll, die im Normgefüge des Völkerstrafgesetzbuchs keine Rolle spielen können. Der Schutzzweck der §§ 129 ff. StGB würde ebenfalls nicht unerheblich beeinträchtigt, wenn militärische Einheiten von vorneherein aus dem Anwendungsbereich der Vorschriften herausfielen ; denn gerade von solchen Gruppierungen gehen regelmäßig etwa aufgrund ihrer Bewaffnung und Struktur besondere Gefahren für die öffentliche Sicherheit aus. Verwirklicht ein Täter durch sein Verhalten sowohl einen Tatbestand des allgemeinen Strafrechts als auch einen solchen des Völkerstrafgesetzbuchs, so gelten die allgemeinen Konkurrenzregeln (BTDrucks. 14/8524 S. 13). Deshalb gilt für das Verhältnis zwischen den §§ 129 ff. StGB und den von dem Täter in Verfolgung des Zwecks der Vereinigung ausgeführten Straftaten keine Besonderheiten , wenn als konkrete Straftaten solche nach dem Völkerstrafgesetzbuch in Rede stehen.
51
bb) Die Zwecke oder Tätigkeit der FDLR sind darauf gerichtet, Straftaten nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB, namentlich Tötungsdelikte und Straftaten nach den §§ 7, 8 VStGB, zu begehen. Hierfür genügt es, wenn sich die Mitglieder der Vereinigung bewusst sind, dass es bei der Verfolgung ihrer Pläne zur Begehung von Katalogtaten kommen kann und sie dies auch wollen; die Vereinigung muss nicht ausschließlich das Ziel der Begehung solcher Taten verfolgen.
52
cc) Der Beschuldigte hat sich an dieser Vereinigung durch seine in der Bundesrepublik Deutschland entfalteten umfangreichen Tätigkeiten für die FDLR als Mitglied beteiligt. Als Präsident hatte er innerhalb der FDLR eine maßgebliche Führungsrolle inne, so dass er als Rädelsführer im Sinne des § 129 a Abs. 4 StGB anzusehen ist.
53
dd) Die Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz gemäß § 129 b Abs. 1 Satz 3 StGB zur Verfolgung von Taten nach den §§ 129 a, 129 b StGB in Deutschland, die im Zusammenhang mit der FDLR stehen, wurde am 8. Dezember 2008 erteilt.
54
4. Bereits der dringende Tatverdacht bezüglich der genannten Delikte rechtfertigt die Fortdauer der Untersuchungshaft. Es bedarf deshalb keiner näheren Betrachtung, ob der Beschuldigte weitere Verstöße gegen das Völkerstrafgesetzbuch , etwa wie im Haftbefehl angenommen nach § 8 Abs. 1 Nr. 2, 6 und 9, § 11 Abs. 1 Nr. 4 VStGB, jeweils i. V. m. § 4 VStGB, begangen hat. Der Senat weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass die endgültige Bewertung der Beweislage gegebenenfalls nach Durchführung der Beweisaufnahme in einer Hauptverhandlung zu treffen sein wird. Erst auf der Grundlage von deren Ergebnis wird auch abschließend zu beurteilen sein, ob sich eine für eine Verurteilung ausreichende richterliche Überzeugung insbesondere von denjenigen Übergriffen auf die kongolesische Zivilbevölkerung bilden lässt, für die unmittelbare Tatzeugen nicht zur Verfügung stehen und die nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen etwa lediglich durch Berichte verschiedener Organisationen mittelbar belegt sind.
55
5. Da der Beschuldigte der Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 129 b StGB) dringend verdächtig ist, liegt der Haftgrund der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO) vor. Daneben sind die Haftgründe der Flucht- und der Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StPO) gegeben.
56
Der Beschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen, unter Umständen sogar lebenslangen Freiheitsstrafe zu rechnen. Von dieser Straferwartung geht ein hoher Fluchtanreiz aus. Dem stehen ausreichend gewichtige , die Fluchtgefahr hemmende Umstände nicht entgegen. Es ist deshalb wahrscheinlicher, dass der Beschuldigte, in Freiheit belassen, sich dem Verfahren entziehen als sich ihm stellen wird.
57
Daneben sind für den Fall, dass der Beschuldigte nicht in Haft gehalten wird, mit großer Wahrscheinlichkeit Verdunkelungshandlungen zu erwarten. Es ist davon auszugehen, dass er als Präsident der FDLR Kontakt zu seinen Untergebenen in der DRC aufnehmen und diese veranlassen würde, auf die namentlich bekannten Zeugen in unlauterer Weise einzuwirken, um diese an weiteren Aussagen zu hindern. Daneben ist zu erwarten, dass versucht werden würde, die anonymisierten Opferzeugen ausfindig zu machen, um sie ebenfalls von weiteren Bekundungen abzuhalten.
58
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat jeweils auf die zutreffenden Ausführungen in dem Haftbefehl vom 16. November 2009 und dem Haftfortdauerbeschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 1. April 2010 Bezug.
59
Unter diesen Umständen vermögen Maßnahmen nach § 116 Abs. 1, 2 StPO nicht die Erwartung zu begründen, dass durch sie der Zweck der Untersuchungshaft auch erreicht werden kann bzw. die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindert wird.
60
6. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen die Fortdauer der Untersuchungshaft.
61
Nach der Festnahme des Beschuldigten waren zahlreiche, zum Teil aufwändige und zeitintensive Ermittlungsmaßnahmen vorzunehmen. Das Tatgeschehen hat sich zu einem großen Teil in der DRC und damit in einem zentralafrikanischen Land zugetragen. Seine Aufarbeitung durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden erfordert u. a. zahlreiche Ermittlungshandlungen im Rechtshilfewege. Sowohl die Stellung der Rechtshilfeersuchen an mehrere Länder sowie die Vereinten Nationen als auch die Durchführung der erbetenen Rechtshilfe sind mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Dies gilt insbesondere für die Vernehmung von Zeugen in der DRC. Die dortige gegenwärtige Situation erfordert intensive Maßnahmen zur Lokalisierung von aussagebereiten Zeugen sowie zur Vorbereitung und Durchführung der Vernehmungen. Hin- zu kommt, dass sich die Auswertung der überwachten Telekommunikation des Beschuldigten sowie der anlässlich der Durchsuchung sichergestellten Dokumente als besonders zeit- und arbeitsintensiv darstellt. So müssen etwa die zum größten Teil in der Sprache Kiryawanda geführten Gespräche in die deutsche Sprache übersetzt werden, was sich auch deswegen als schwierig gestaltet , weil der Kreis der zur Verfügung stehenden Dolmetscher begrenzt ist. Schließlich erfordert die Verknüpfung der vielen Einzelergebnisse ebenfalls einen erheblichen Aufwand.
62
7. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht zu den gegen den Beschuldigten erhobenen Tatvorwürfen nicht außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Becker von Lienen Schäfer

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Ein militärischer Befehlshaber oder ziviler Vorgesetzter, der es unterlässt, seinen Untergebenen daran zu hindern, eine Tat nach diesem Gesetz zu begehen, wird wie ein Täter der von dem Untergebenen begangenen Tat bestraft. § 13 Abs. 2 des Strafgesetzbuches findet in diesem Fall keine Anwendung.

(2) Einem militärischen Befehlshaber steht eine Person gleich, die in einer Truppe tatsächliche Befehls- oder Führungsgewalt und Kontrolle ausübt. Einem zivilen Vorgesetzten steht eine Person gleich, die in einer zivilen Organisation oder einem Unternehmen tatsächliche Führungsgewalt und Kontrolle ausübt.

(1) In Strafsachen sind die Oberlandesgerichte, in deren Bezirk die Landesregierungen ihren Sitz haben, für das Gebiet des Landes zuständig für die Verhandlung und Entscheidung im ersten Rechtszug

1.
(weggefallen)
2.
bei Hochverrat (§§ 81 bis 83 des Strafgesetzbuches),
3.
bei Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 94 bis 100a des Strafgesetzbuches) sowie bei Straftaten nach § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes, nach § 9 Abs. 2 des Gebrauchsmustergesetzes in Verbindung mit § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes oder nach § 4 Abs. 4 des Halbleiterschutzgesetzes in Verbindung mit § 9 Abs. 2 des Gebrauchsmustergesetzes und § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes,
4.
bei einem Angriff gegen Organe und Vertreter ausländischer Staaten (§ 102 des Strafgesetzbuches),
5.
bei einer Straftat gegen Verfassungsorgane in den Fällen der §§ 105, 106 des Strafgesetzbuches,
6.
bei einer Zuwiderhandlung gegen das Vereinigungsverbot des § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches,
7.
bei Nichtanzeige von Straftaten nach § 138 des Strafgesetzbuches, wenn die Nichtanzeige eine Straftat betrifft, die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gehört und
8.
bei Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch.

(2) Diese Oberlandesgerichte sind ferner für die Verhandlung und Entscheidung im ersten Rechtszug zuständig

1.
bei den in § 74a Abs. 1 bezeichneten Straftaten, wenn der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles nach § 74a Abs. 2 die Verfolgung übernimmt,
2.
bei Mord (§ 211 des Strafgesetzbuches), Totschlag (§ 212 des Strafgesetzbuches) und den in § 129a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 des Strafgesetzbuches bezeichneten Straftaten, wenn ein Zusammenhang mit der Tätigkeit einer nicht oder nicht nur im Inland bestehenden Vereinigung besteht, deren Zweck oder Tätigkeit die Begehung von Straftaten dieser Art zum Gegenstand hat, und der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt,
3.
bei Mord (§ 211 des Strafgesetzbuchs), Totschlag (§ 212 des Strafgesetzbuchs), erpresserischem Menschenraub (§ 239a des Strafgesetzbuchs), Geiselnahme (§ 239b des Strafgesetzbuchs), schwerer und besonders schwerer Brandstiftung (§§ 306a und 306b des Strafgesetzbuchs), Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306c des Strafgesetzbuchs), Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie in den Fällen des § 307 Abs. 1 und 3 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion in den Fällen des § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuchs, Missbrauch ionisierender Strahlen in den Fällen des § 309 Abs. 1 bis 4 des Strafgesetzbuchs, Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens in den Fällen des § 310 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Strafgesetzbuchs, Herbeiführen einer Überschwemmung in den Fällen des § 313 Abs. 2 in Verbindung mit § 308 Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuchs, gemeingefährlicher Vergiftung in den Fällen des § 314 Abs. 2 in Verbindung mit § 308 Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuchs und Angriff auf den Luft- und Seeverkehr in den Fällen des § 316c Abs. 1 und 3 des Strafgesetzbuchs, wenn die Tat nach den Umständen geeignet ist,
a)
den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen,
b)
Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben,
c)
die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen des Nordatlantik-Pakts oder seiner nichtdeutschen Vertragsstaaten zu beeinträchtigen oder
d)
den Bestand oder die Sicherheit einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen,
und der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt,
4.
bei Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz sowie bei Straftaten nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, wenn die Tat oder im Falle des strafbaren Versuchs auch ihre unterstellte Vollendung nach den Umständen
a)
geeignet ist, die äußere Sicherheit oder die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden, oder
b)
bestimmt und geeignet ist, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören,
und der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt.
Eine besondere Bedeutung des Falles ist auch anzunehmen, wenn in den Fällen des Satzes 1 eine Ermittlungszuständigkeit des Generalbundesanwalts wegen des länderübergreifenden Charakters der Tat geboten erscheint. Die Oberlandesgerichte verweisen bei der Eröffnung des Hauptverfahrens die Sache in den Fällen der Nummer 1 an das Landgericht, in den Fällen der Nummern 2 bis 4 an das Land- oder Amtsgericht, wenn eine besondere Bedeutung des Falles nicht vorliegt.

(3) In den Sachen, in denen diese Oberlandesgerichte nach Absatz 1 oder 2 zuständig sind, treffen sie auch die in § 73 Abs. 1 bezeichneten Entscheidungen. Sie entscheiden ferner über die Beschwerde gegen Verfügungen der Ermittlungsrichter der Oberlandesgerichte (§ 169 Abs. 1 Satz 1 der Strafprozeßordnung) in den in § 304 Abs. 5 der Strafprozeßordnung bezeichneten Fällen.

(4) Diese Oberlandesgerichte entscheiden auch über die Beschwerde gegen Verfügungen und Entscheidungen des nach § 74a zuständigen Gerichts. Für Entscheidungen über die Beschwerde gegen Verfügungen und Entscheidungen des nach § 74a Abs. 4 zuständigen Gerichts sowie in den Fällen des § 100e Absatz 2 Satz 6 der Strafprozessordnung ist ein nicht mit Hauptverfahren in Strafsachen befasster Senat zuständig.

(5) Für den Gerichtsstand gelten die allgemeinen Vorschriften. Die beteiligten Länder können durch Vereinbarung die den Oberlandesgerichten in den Absätzen 1 bis 4 zugewiesenen Aufgaben dem hiernach zuständigen Gericht eines Landes auch für das Gebiet eines anderen Landes übertragen.

(6) Soweit nach § 142a für die Verfolgung der Strafsachen die Zuständigkeit des Bundes begründet ist, üben diese Oberlandesgerichte Gerichtsbarkeit nach Artikel 96 Abs. 5 des Grundgesetzes aus.

(7) Soweit die Länder aufgrund von Strafverfahren, in denen die Oberlandesgerichte in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes entscheiden, Verfahrenskosten und Auslagen von Verfahrensbeteiligten zu tragen oder Entschädigungen zu leisten haben, können sie vom Bund Erstattung verlangen.

(1) Der Generalbundesanwalt übt in den zur Zuständigkeit von Oberlandesgerichten im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen gemäß § 120 Absatz 1 und 2 das Amt der Staatsanwaltschaft auch bei diesen Gerichten aus. Für die Übernahme der Strafverfolgung durch den Generalbundesanwalt genügt es, dass zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die seine Zuständigkeit begründenden Voraussetzungen gegeben sind. Vorgänge, die Anlass zu der Prüfung einer Übernahme der Strafverfolgung durch den Generalbundesanwalt geben, übersendet die Staatsanwaltschaft diesem unverzüglich. Können in den Fällen des § 120 Abs. 1 die Beamten der Staatsanwaltschaft eines Landes und der Generalbundesanwalt sich nicht darüber einigen, wer von ihnen die Verfolgung zu übernehmen hat, so entscheidet der Generalbundesanwalt.

(2) Der Generalbundesanwalt gibt das Verfahren vor Einreichung einer Anklageschrift oder einer Antragsschrift (§ 435 der Strafprozessordnung) an die Landesstaatsanwaltschaft ab,

1.
wenn es folgende Straftaten zum Gegenstand hat:
a)
Straftaten nach den §§ 82, 83 Abs. 2, §§ 98, 99 oder 102 des Strafgesetzbuches,
b)
Straftaten nach den §§ 105 oder 106 des Strafgesetzbuches, wenn die Tat sich gegen ein Organ eines Landes oder gegen ein Mitglied eines solchen Organs richtet,
c)
Straftaten nach § 138 des Strafgesetzbuches in Verbindung mit einer der in Buchstabe a bezeichneten Strafvorschriften oder
d)
Straftaten nach § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes, nach § 9 Abs. 2 des Gebrauchsmustergesetzes in Verbindung mit § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes oder nach § 4 Abs. 4 des Halbleiterschutzgesetzes in Verbindung mit § 9 Abs. 2 des Gebrauchsmustergesetzes und § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes;
2.
in Sachen von minderer Bedeutung.

(3) Eine Abgabe an die Landesstaatsanwaltschaft unterbleibt,

1.
wenn die Tat die Interessen des Bundes in besonderem Maße berührt oder
2.
wenn es im Interesse der Rechtseinheit geboten ist, daß der Generalbundesanwalt die Tat verfolgt.

(4) Der Generalbundesanwalt gibt eine Sache, die er nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder § 74a Abs. 2 übernommen hat, wieder an die Landesstaatsanwaltschaft ab, wenn eine besondere Bedeutung des Falles nicht mehr vorliegt.

(1) In Sachen, die nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Zuständigkeit des Oberlandesgerichts im ersten Rechtszug gehören, können die im vorbereitenden Verfahren dem Richter beim Amtsgericht obliegenden Geschäfte auch durch Ermittlungsrichter dieses Oberlandesgerichts wahrgenommen werden. Führt der Generalbundesanwalt die Ermittlungen, so sind an deren Stelle Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes zuständig.

(2) Der für eine Sache zuständige Ermittlungsrichter des Oberlandesgerichts kann Untersuchungshandlungen auch dann anordnen, wenn sie nicht im Bezirk dieses Gerichts vorzunehmen sind.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.