Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2010 - 5 StR 478/09
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten der Revision zu tragen, jedoch wird die Gebühr um ein Viertel ermäßigt. Je ein Viertel der in der Revisionsinstanz entstandenen gerichtlichen Auslagen und notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung (Einzelfreiheitsstrafe sieben Monate), wegen Freiheitsberaubung in zwei Fällen (Einzelfreiheitsstrafen je zwei Monate), wegen unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch in zwei Fällen (Einzelfreiheitsstrafen zwei Monate und ein Monat) und wegen Beleidigung (Einzelfreiheitsstrafe ein Monat) unter Einbeziehung der vom Landgericht Bremen in dessen Urteil vom 9. Oktober 2008 verhängten und zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt und von weiteren Vorwürfen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten ist hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Indes bedarf das Urteil der Ergänzung um einen Härteausgleich wegen entgangener anderweitiger Gesamtstrafbildung.
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- 1. Die im angefochtenen Urteil ausgeurteilten Taten waren zwischen Ende Februar und dem 26. März 2007 begangen worden. Nachdem eine Gesamtstrafenbildung mit der zunächst eine Zäsur begründenden Nachverurteilung durch Strafbefehl des Amtsgerichts Bremen vom 2. August 2007 zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je zehn Euro wegen vollständiger Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zehn Tage vor der hier erfolgten Verurteilung nicht mehr möglich gewesen ist, hat das Landgericht folgerichtig, in der Sache zutreffend und unvermeidbar mit der nächsten noch nicht erledigten Strafe – der wegen eines am 14. Februar 2008 begangenen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung durch Urteil des Landgerichts Bremen vom 9. Oktober 2008 verhängten zweijährigen, zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe – die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Zu deren Begründung hat das Landgericht ausgeführt: „Andererseits war nicht zu übersehen, dass die Aussetzung der Vollstreckung der zweijährigen Freiheitsstrafe zur Bewährung zwar somit keinen Bestand mehr haben konnte, die jetzt erforderliche Gesamtstrafenbildung dem Angeklagten wiederum aber insoweit zugute kommt, als bei Einbeziehung allein der Geldstrafe aus dem Strafbefehl vom 02.08.2007 die dann bestehend bleibende zweijährige Einzelstrafe sowie die im Übrigen zu bildende Gesamtstrafe der Summe nach zu einer höheren Gesamtsanktion geführt hätte“ (UA S. 38).
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- 2. Die hier erfolgte Gesamtstrafenbildung ist nur aufgrund vollständiger Ersatzfreiheitsstrafenvollsteckung notwendig geworden, die den Wegfall einer den Angeklagten begünstigenden Zäsur zur Folge hatte. Die zitierte Erwägung des Landgerichts lässt diese Besonderheit des Verlusts der gewährten Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich der zweijährigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 9. Oktober 2008 – die Widerrufsvoraussetzungen des § 56f Abs. 1 StGB lagen nicht vor – unberücksichtigt. Der Ange- klagte hat die ausgeurteilten Taten nicht nach der Aussetzungsentscheidung, sondern weit über ein Jahr zuvor begangen. Ohne die vollständige Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung wäre die Strafaussetzung infolge anderweitiger Gesamtstrafenbildung bestehen geblieben.
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- Damit wirkt sich die Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe unter Heranziehung einer erheblichen, zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe als Einsatzstrafe für den Angeklagten überaus nachteilig aus (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 1994 – 2 StR 740/93); dies erfordert die Gewährung eines besonders nachhaltigen Härteausgleichs (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 15 m.w.N.). Diesen nimmt der Senat zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst vor.
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- 3. Dabei hält er auch für den in dieser Fallkonstellation vorzunehmenden Härteausgleich nunmehr die Anwendung des Vollstreckungsmodells für vorzugswürdig (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2009 – 5 StR 433/09 Tz. 10 m.w.N., zur Aufnahme in BGHSt bestimmt, für den Fall nicht mehr möglicher Gesamtstrafenbildung von Geldstrafe mit lebenslanger Freiheitsstrafe ). Die Überlegenheit dieser Vorgehensweise gegenüber der herkömmlich vorgenommenen Herabsetzung der (Gesamt-)Strafe hat der Große Senat für Strafsachen in BGHSt 52, 124, 136 der Sache nach anhand von Fällen notwendigerweise systemwidriger Eingriffe in die Strafzumessung zur Verwirklichung des Härteausgleichs (BGHSt 31, 102 – Unterschreiten der Untergrenze des § 54 Abs. 1 StGB; BGHSt 36, 270 – Milderung von Einzelstrafen ) anerkannt.
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- Seine Anwendung ist aber darüber hinaus auch sonst sachlich geboten. Die Verwirklichung des Härteausgleichs knüpft nicht an der maßgeblichen Grundlage der Strafhöhe, der Tatschuld (§ 46 Abs. 1 StGB) an, sondern erstrebt die Festsetzung eines gerechten Ausgleichs dafür, dass aufgrund verfahrensrechtlicher Zufälligkeiten eine den Angeklagten beschwe- rende getrennte bzw. – hier – zusammengefasste Strafbemessung stattgefunden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2009 aaO). Die Anwendung des Vollstreckungsmodells erleichtert die Straffestsetzung ferner, weil bisher zu berücksichtigende, getrennt zu bewertende Umstände nicht mehr berührt werden. Dies erleichtert zudem maßgeblich die in Fällen dieser Art besonders sachgerechte abschließende Entscheidung durch das Revisionsgericht. Zudem wird die Transparenz hinsichtlich des gewährten Härteausgleichs , aber auch bezüglich der Straffestsetzung erhöht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2009 aaO m.w.N.).
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- 4. Eine Anrechnung von vier Monaten als verbüßt trägt dem hier gebotenen Härteausgleich ausreichend Rechnung. Hierauf erkennt der Senat bei gleichzeitiger Entscheidung über die Kosten gemäß § 473 Abs. 4 StPO.
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(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.
(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.
(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.
(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.
(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person
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in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat, - 2.
gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß sie erneut Straftaten begehen wird, oder - 3.
gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.
(2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht,
- 1.
weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, insbesondere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin oder einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder - 2.
die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern.
(3) Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder entsprechenden Anerbieten nach § 56b Abs. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen heimtückisch begangenen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Sache ist im Beschlussverfahren ohne die vom Verteidiger Rechtsanwalt M. begehrten Vorentscheidungen entscheidungsreif (BGH NStZ 2007, 538, 539; BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2006 – 5 StR 382/06 m.w.N.). Die Revision des Angeklagten bleibt zum Schuld- und Strafausspruch erfolglos im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Allerdings hat es das Landgericht unterlassen, für in Unterbrechung der Untersuchungshaft vollstreckte 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe einen Härteausgleich zu gewähren. Dies hat der Senat nachzuholen (§ 349 Abs. 4, § 354 Abs. 1 StPO).
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- 1. Der Vornahme eines Härteausgleichs stehen prinzipielle Bedenken nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt ein Härteausgleich (vgl. BGHSt 31, 102, 103; 33, 131, 132) bei Zusammentreffen von Freiheits- und Geldstrafe zumindest dann in Betracht, wenn die Geldstrafe als Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt worden ist und daher bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung nicht mehr einbezogen werden kann (BGH NStZ 1990, 436). So liegt es hier. Die Ersatzfreiheitsstrafe wurde – was grundsätzlich zulässig ist (vgl. § 122 StVollzG; s. aber BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 – 5 StR 217/09) – in Unterbrechung von Untersuchungshaft vollständig vollstreckt. Dementsprechend konnte keine Gesamtstrafe mehr gebildet werden.
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- 2. Ohne Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe hätte das Landgericht in Anwendung der § 55 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Satz 1 StGB auf eine lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe erkennen müssen. Der Geldstrafe lag ein Strafbefehl des Amtsgerichts Göttingen wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr vom 18. November 2008 zugrunde, der für das hier abgeurteilte Tötungsverbrechen vom 4. September 2008 zäsurbegründend ist. Die Annahme besonderer Schwere der Schuld in Anwendung des § 57b StGB (hierzu BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 15; BGH, Beschluss vom 28. Mai 2009 – 5 StR 184/09) wäre bei der Einbeziehung der im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung nicht schwer wiegenden Geldstrafe ausgeschlossen gewesen (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 57b Rdn. 2 m.w.N.).
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- 3. Mithin ist ein Härteausgleich für den entstandenen Nachteil zu gewähren.
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- a) Dies gilt in Ansehung der Bedeutung des Freiheitsgrundrechts des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 GG auch für den im Vergleich zur erkannten lebenslangen Freiheitsstrafe hier eher geringfügigen Nachteil. Einen Nachteil hat der Angeklagte unzweifelhaft erlitten. Im Falle einer gemäß § 55 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Satz 1 StGB möglichen Gesamtstrafenbildung bezöge sich die Mindestverbüßungszeit des § 57a Abs. 1 Nr. 1 StGB nach § 57a Abs. 2 StGB nicht auf die lebenslange Freiheitsstrafe allein, sondern auf alle Taten, deren Strafen in die Gesamtstrafe einzubeziehen waren (vgl. Fischer aaO § 57a Rdn. 22). Die Verbüßungszeit einer noch nicht vollständig vollstreckten Ersatzfreiheitsstrafe wäre deshalb auf die Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren anzurechnen gewesen (vgl. BGHSt 21, 186, 187 f.). Mithin wäre dem Angeklagten bei einer Gesamtstrafenbildung die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe im Ergebnis erspart geblieben.
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- b) Im Hinblick darauf, dass das Landgericht die besondere Schuldschwere nicht festgestellt hat, kann die vollständige Absorption der einzubeziehenden Strafe auch nicht im Vollstreckungsverfahren bei der Festsetzung der Verlängerungsdauer der Mindestverbüßungszeit der verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe (§ 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB) ausgeglichen werden (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 104). Die Gewährung des gleichwohl erforderlichen Härteausgleichs kann dementsprechend nicht anders als durch eine Herausnahme der diesem zugrundeliegenden Haftzeit aus der Mindestverbüßungsdauer erfolgen (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 15).
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- Dem steht nicht die Erwägung entgegen, dass bei einer gemeinsamen Aburteilung beider Taten neben der lebenslangen Freiheitsstrafe (theoretisch ) gesondert auf Geldstrafe hätte erkannt werden können (§ 53 Abs. 2 Satz 2 StGB). Im Rahmen des Härteausgleichs kommt es nämlich allein auf die hier durch die vollständige Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe geprägte tatsächliche Situation für den neu entscheidenden Richter an (BGH NStZ 1990, 436). Ohnehin erscheint die Anwendung des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB neben lebenslanger Freiheitsstrafe grundlegend zweifelhaft, weil sonst der zu Freiheitsstrafe Verurteilte gleichheitswidrig besser gestellt wäre als der zu Geldstrafe Verurteilte.
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- c) Der zu gewährende Härteausgleich ist durch Anrechnung auf die Mindestverbüßungszeit (§ 57a Abs. 1 Nr. 1 StGB) unter doppelt analoger Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB vorzunehmen.
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- § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB sieht eine Anrechnung erlittener Haft zwar nur für die zeitige Freiheitsstrafe vor. Indes ist – mangels jeder Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung – eine entsprechende Anwendung im Falle erlittener Untersuchungshaft und anderer Freiheitsentziehung auch für die Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer der lebenslangen Freiheitsstrafe anerkannt und geboten (BGHR StGB § 51 Abs. 4 Anrechnung 4; Fischer aaO § 51 Rdn. 4). Ferner ist die Möglichkeit einer Anrechung einer im Einzelnen zu bestimmenden Zeit eines Freiheitsentzuges zum Ausgleich von erlittenem Verfahrensunrecht auf die Mindestverbüßungsdauer in den Fällen rechtsstaatwidriger Verfahrensverzögerung gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK (BGHSt – GS – 52, 124, 136) und eines Verstoßes gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK (BGHSt 52, 48, 56 f.) anerkannt.
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- Das von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelte Vollstreckungsmodell ist auch für die Vornahme eines Härteausgleichs nach Festsetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe anzuwenden. Nicht anders als in den Fällen, in denen erlittenes Verfahrensunrecht im Wege schadensersatzrechtlicher Naturalrestitution ausgeglichen wird, gestattet es das Vollstreckungsmodell , den gebotenen Ausgleich eines Übermaßes von Strafe aufgrund zufällig getrennter Aburteilungen ohne systemwidrige Eingriffe in die Strafbemessung zu beseitigen. Diese Lösung hat der Große Senat für Strafsachen in BGHSt 52, 124, 136 vorgegeben (vgl. dazu auch EGMR StV 2009, 561, 563). Der erkennende Senat vollzieht sie – nach der Ankündigung in BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 15 – hier tragend nach. Ob und gegebenenfalls in welchem Maße das Vollstreckungsmodell in anderen Fällen zu gewährenden Härteausgleichs anstelle des bisher gewährten, indessen oftmals nicht deutlich erkennbar werdenden Strafabschlags angewendet werden sollte (vgl. hierzu schon die Regelungen in § 58 Abs. 2 Satz 2, § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB), braucht der Senat hier nicht zu entscheiden.
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- d) Als Härteausgleich sind hier 60 Tage auf die Mindestverbüßungsdauer des § 57a Abs. 1 Nr. 1 StGB anzurechnen, weil bei einer Gesamtstrafenbildung genau diese 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe nicht vollstreckt worden wären. Für eine verminderte Anrechnung ist kein Anlass ersichtlich. Zwar liegt hierin eine gewisse Privilegierung eines zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten. Dies ist aber Folge der sich aus den § 54 Abs. 1 Satz 1, §§ 57a und 57b StGB ergebenden Regeln über die Bildung von Gesamtstrafen auf der Grundlage lebenslanger Freiheitsstrafe. Eine mögliche Verlängerung der Mindestverbüßungsdauer aufgrund des Schuldgehalts des Tötungsverbrechens bleibt unberührt.
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- Der Senat ist entsprechend § 354 Abs. 1 StPO zu eigener Entscheidung befugt, weil rechtliche Erwägungen ein anderes Ergebnis verbieten (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2001 – 4 StR 587/00; BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 12).
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- 4. Dahingestellt bleiben kann, inwieweit und in welcher Form der Gedanke des Härteausgleichs in anders gelagerten Fällen Anwendung finden müsste. Zu denken ist etwa an Konstellationen, in denen die Aufklärung der vor einer Verurteilung begangenen, mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu ahndenden Tat über lange Zeit hinweg wegen noch nicht vorhanden gewesener technischer Mittel nicht möglich gewesen ist, oder an Fälle mit nicht erkennbaren Tatzusammenhängen. Bei solchen Sachverhalten ist die getrennte Aburteilung Gegebenheiten geschuldet, die außerhalb des Verantwortungsbereichs der Justiz liegen; hinsichtlich der früheren Vollstreckung der erkannten Strafe hatte sie lediglich ihre Vollstreckungspflicht erfüllt (BVerfGE 46, 214, 222 f.; 51, 324, 343). Unter solchen Umständen kann die Verpflichtung zur Gewährung eines Härteausgleichs, jedenfalls in Vollanrechnung, in Frage gestellt sein.
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- 5. Der erzielte Teilerfolg der unbeschränkt geführten Revision ist derart gering, dass es unter den Billigkeitsgesichtspunkten des § 473 Abs. 4 StPO nicht angezeigt erscheint, eine Kostenteilung vorzunehmen.
(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.
(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.
(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.