Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Aug. 2011 - 5 StR 301/11

bei uns veröffentlicht am17.08.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 301/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 17. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. August 2011

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. Februar 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision gegen das vorgenannte Urteil wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Die Revision des Angeklagten ist hinsichtlich des Schuldspruchs unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Dagegen hält die Strafzumessung rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zwar erkannt, dass dem Angeklagten wegen der vollständigen Verbüßung der an sich gesamtstrafenfähigen Vorverurteilung ein Härteausgleich zu gewähren war, diesen aber mit nur fünf Monaten nicht rechtsfehlerfrei bemessen.
3
1. Der Härteausgleich soll die durch die getrennte Aburteilung entstandenen Nachteile ausgleichen (vgl. BGH, Urteil vom 12. August 1998 – 3 StR 537/97, BGHSt 44, 179, 185 f.). Ziel des Härteausgleichs muss des- halb sein, den Angeklagten so zu stellen, wie er bei einer Gesamtstrafenbildung gestanden hätte. Die hierfür maßgeblichen Umstände zu gewichten und die hiernach angemessene Strafe zu bestimmen, obliegt grundsätzlich dem Tatgericht. Das Revisionsgericht greift – ebenso wie bei der Kontrolle der Gesamtstrafenbildung – nur dann ein, wenn der Umfang des Härteausgleichs nicht mehr ausreichend begründet wurde (BGHSt aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 2. September 1997 – 1 StR 317/97, NStZ 1998, 134).
4
Im vorliegenden Fall war durch die Vollverbüßung eine dem Angeklagten günstige Gesamtstrafenbildung mit Einzelstrafen (dreimal drei Monate, dreimal vier Monate, zweimal fünf Monate und einmal acht Monate), die im Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 27. August 2009 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr zehn Monaten zusammengeführt wurden , verwehrt. Im Rahmen einer solchen Gesamtstrafenbildung hätte berücksichtigt werden müssen, dass sämtliche Taten in einem engen zeitlichen und situativen Zusammenhang standen, mithin ein straffer Zusammenzug der Einzelstrafen zu erwarten gewesen wäre. Hinzu kommt, dass gegen den Angeklagten in dieser Sache während der Strafhaft aufgrund eines Haftbefehls Überhaft notiert war, was zur Folge hatte, dass er von Vollzugslockerungen weitgehend ausgeschlossen war. Angesichts dieser Umstände hätte es einer eingehenderen Darlegung bedurft, wenn die Strafkammer nur einen derart geringen Härteausgleich zuerkennen will.
5
Der vorliegende Begründungsmangel erlaubt es, die Feststellungen zur Strafzumessung im Übrigen aufrecht zu erhalten, weil sie hiervon ersichtlich nicht betroffen sind. Dem neuen Tatgericht ist es jedoch gestattet, weitergehende , Feststellungen zu treffen, die den bisher getroffenen nicht widersprechen. http://www.juris.de/jportal/portal/t/15s6/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE302822010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/15s6/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE302822010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/15s6/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100072233&doc.part=L&doc.price=0.0#focuspoint - 4 -
6
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
7
Zwar hält er an seiner Rechtsauffassung fest, dass es grundsätzlich vorzugswürdig wäre, den gebotenen Härteausgleich im Rahmen der Vollstreckungslösung durch eine Anrechnung vorzunehmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2010 – 5 StR 478/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 18; vom 28. September 2010 – 5 StR 343/10 und vom 11. April 2011 – 5 StR 100/11). Hier ist dieser Weg indes dadurch erschwert, dass das Landgericht bereits einen Härteausgleich im Wege des Strafabschlags vorgenommen hat und deshalb im Falle einer Umstellung Probleme unter dem Gesichtspunkt des Verschlechterungsverbots auftreten könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2008 – 5 StR 62/08, wistra 2008, 266). Es wird deshalb angezeigt sein, die neue Strafe wiederum im Wege des Strafabschlags zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 441/10, NJW 2011, 868).
8
Das neue Tatgericht wird ferner auch zu erläutern haben, warum das Verfahren gegen den bereits am 13. November 2008 im Besitz des erpressten Handys verhafteten Angeklagten erst im Februar 2011 nach Verbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem vorgenannten Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin abgeschlossen werden konnte.
Raum Brause Schaal Schneider Bellay

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Zum Härteausgleich für entgangene Bewährung durch Anwendung
des Vollstreckungsmodells.
BGH, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 5 StR 478/09
LGBremen-

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 26. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Januar 2010

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 18. Mai 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO dahin ergänzt, dass als Härteausgleich für entgangene anderweitige Gesamtstrafbildung vier Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gelten.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten der Revision zu tragen, jedoch wird die Gebühr um ein Viertel ermäßigt. Je ein Viertel der in der Revisionsinstanz entstandenen gerichtlichen Auslagen und notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung (Einzelfreiheitsstrafe sieben Monate), wegen Freiheitsberaubung in zwei Fällen (Einzelfreiheitsstrafen je zwei Monate), wegen unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch in zwei Fällen (Einzelfreiheitsstrafen zwei Monate und ein Monat) und wegen Beleidigung (Einzelfreiheitsstrafe ein Monat) unter Einbeziehung der vom Landgericht Bremen in dessen Urteil vom 9. Oktober 2008 verhängten und zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt und von weiteren Vorwürfen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten ist hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Indes bedarf das Urteil der Ergänzung um einen Härteausgleich wegen entgangener anderweitiger Gesamtstrafbildung.
2
1. Die im angefochtenen Urteil ausgeurteilten Taten waren zwischen Ende Februar und dem 26. März 2007 begangen worden. Nachdem eine Gesamtstrafenbildung mit der zunächst eine Zäsur begründenden Nachverurteilung durch Strafbefehl des Amtsgerichts Bremen vom 2. August 2007 zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je zehn Euro wegen vollständiger Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zehn Tage vor der hier erfolgten Verurteilung nicht mehr möglich gewesen ist, hat das Landgericht folgerichtig, in der Sache zutreffend und unvermeidbar mit der nächsten noch nicht erledigten Strafe – der wegen eines am 14. Februar 2008 begangenen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung durch Urteil des Landgerichts Bremen vom 9. Oktober 2008 verhängten zweijährigen, zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe – die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Zu deren Begründung hat das Landgericht ausgeführt: „Andererseits war nicht zu übersehen, dass die Aussetzung der Vollstreckung der zweijährigen Freiheitsstrafe zur Bewährung zwar somit keinen Bestand mehr haben konnte, die jetzt erforderliche Gesamtstrafenbildung dem Angeklagten wiederum aber insoweit zugute kommt, als bei Einbeziehung allein der Geldstrafe aus dem Strafbefehl vom 02.08.2007 die dann bestehend bleibende zweijährige Einzelstrafe sowie die im Übrigen zu bildende Gesamtstrafe der Summe nach zu einer höheren Gesamtsanktion geführt hätte“ (UA S. 38).
3
2. Die hier erfolgte Gesamtstrafenbildung ist nur aufgrund vollständiger Ersatzfreiheitsstrafenvollsteckung notwendig geworden, die den Wegfall einer den Angeklagten begünstigenden Zäsur zur Folge hatte. Die zitierte Erwägung des Landgerichts lässt diese Besonderheit des Verlusts der gewährten Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich der zweijährigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 9. Oktober 2008 – die Widerrufsvoraussetzungen des § 56f Abs. 1 StGB lagen nicht vor – unberücksichtigt. Der Ange- klagte hat die ausgeurteilten Taten nicht nach der Aussetzungsentscheidung, sondern weit über ein Jahr zuvor begangen. Ohne die vollständige Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung wäre die Strafaussetzung infolge anderweitiger Gesamtstrafenbildung bestehen geblieben.
4
Damit wirkt sich die Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe unter Heranziehung einer erheblichen, zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe als Einsatzstrafe für den Angeklagten überaus nachteilig aus (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 1994 – 2 StR 740/93); dies erfordert die Gewährung eines besonders nachhaltigen Härteausgleichs (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 15 m.w.N.). Diesen nimmt der Senat zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst vor.
5
3. Dabei hält er auch für den in dieser Fallkonstellation vorzunehmenden Härteausgleich nunmehr die Anwendung des Vollstreckungsmodells für vorzugswürdig (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2009 – 5 StR 433/09 Tz. 10 m.w.N., zur Aufnahme in BGHSt bestimmt, für den Fall nicht mehr möglicher Gesamtstrafenbildung von Geldstrafe mit lebenslanger Freiheitsstrafe ). Die Überlegenheit dieser Vorgehensweise gegenüber der herkömmlich vorgenommenen Herabsetzung der (Gesamt-)Strafe hat der Große Senat für Strafsachen in BGHSt 52, 124, 136 der Sache nach anhand von Fällen notwendigerweise systemwidriger Eingriffe in die Strafzumessung zur Verwirklichung des Härteausgleichs (BGHSt 31, 102 – Unterschreiten der Untergrenze des § 54 Abs. 1 StGB; BGHSt 36, 270 – Milderung von Einzelstrafen ) anerkannt.
6
Seine Anwendung ist aber darüber hinaus auch sonst sachlich geboten. Die Verwirklichung des Härteausgleichs knüpft nicht an der maßgeblichen Grundlage der Strafhöhe, der Tatschuld (§ 46 Abs. 1 StGB) an, sondern erstrebt die Festsetzung eines gerechten Ausgleichs dafür, dass aufgrund verfahrensrechtlicher Zufälligkeiten eine den Angeklagten beschwe- rende getrennte bzw. – hier – zusammengefasste Strafbemessung stattgefunden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2009 aaO). Die Anwendung des Vollstreckungsmodells erleichtert die Straffestsetzung ferner, weil bisher zu berücksichtigende, getrennt zu bewertende Umstände nicht mehr berührt werden. Dies erleichtert zudem maßgeblich die in Fällen dieser Art besonders sachgerechte abschließende Entscheidung durch das Revisionsgericht. Zudem wird die Transparenz hinsichtlich des gewährten Härteausgleichs , aber auch bezüglich der Straffestsetzung erhöht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2009 aaO m.w.N.).
7
4. Eine Anrechnung von vier Monaten als verbüßt trägt dem hier gebotenen Härteausgleich ausreichend Rechnung. Hierauf erkennt der Senat bei gleichzeitiger Entscheidung über die Kosten gemäß § 473 Abs. 4 StPO.
Basdorf Brause Schaal Schneider König

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

5 StR 343/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. September 2010

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 26. Februar 2010 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen; jedoch wird das Urteil dahin ergänzt (§ 349 Abs. 4 StPO), dass vier Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gelten.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat übersehen, dass ein Härteausgleich wegen entgangener nachträglicher Gesamtstrafbildung infolge auslieferungsrechtlicher Spezialität nicht nur im Blick auf die teilweise vollstreckte Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Dresden vom 25. März 2002 (UA S. 11 f., 89 f.) angezeigt war, sondern gleichermaßen im Blick auf die teilweise vollstreckte Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 17. Januar 2002 (UA S. 13). Der Senat nimmt diesen Härteausgleich in Anwendung des Vollstreckungsmodells vor (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 18), und zwar nach dem identischen, an der Teilvollstreckung orientierten Maßstab, den das Landgericht für den bereits von ihm zugebilligten Härteausgleich angewendet hat. Dass das Landgericht hierfür eine Verminderung der Gesamtfreiheitsstrafe vorgenommen hat, beschwert den Angeklagten nicht, kann den Senat indes nicht veranlassen, hinsichtlich des versäumten weiteren Härteausgleichs in gleicher Weise zu verfahren.
Basdorf Schaal Schneider König Bellay
5 StR 100/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 11. April 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. April 2011

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 2. Dezember 2010 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, diejenige des Angeklagten K. jedoch aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 22. März 2011 mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO), dass dieser Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten verurteilt ist.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Die vom Generalbundesanwalt beantragte Verfahrensweise, mit der ein Härteausgleich für eine infolge der Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe entgangene nachträgliche Gesamtstrafbildung geschaffen wird, ermöglicht eine den betroffenen Angeklagten ausschließlich begünstigende, sofort abschließende Sachentscheidung.
Aufgrund dieser besonderen Sachlage nimmt der Senat den Fall nicht zum Anlass, im Sinne seiner Beschlüsse vom 26. Januar 2010 (5 StR 478/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 18) und vom 28. September 2010 (5 StR 343/10), wonach in Fällen dieser Art das Vollstreckungsmodell anzuwenden ist (vgl. dazu auch Pohlit in Festschrift für Rissing-van Saan, 2011, S. 453, 468), im Blick auf den entgegenstehenden Beschluss des 4. Strafsenats vom 9. November 2010 (4 StR 441/10, NJW 2011, 868; vgl. dazu Winkler, jurisPR-StrafR 4/2011 Anm. 3) ein Anfrageverfahren nach § 132 Abs. 3 GVG zu erwägen. In seinen zitierten Ausgangsentscheidungen war der Senat zu solcher Verfahrensweise nicht verpflichtet. Denn die Ausgangslage hatte sich durch die Billigung des Vollstreckungsmodells im Beschluss des Großen Senats für Strafsachen vom 17. Januar 2008 (GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 136) gegenüber früheren abweichenden Erkenntnissen des Bundesgerichtshofs geändert (vgl. BGHR aaO Rn. 5; Hannich in KK, 6. Aufl., § 132 GVG Rn. 8).
Basdorf Brause Schaal Schneider König
5 StR 62/08

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 2. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. April 2008
bgbeschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 4. Oktober 2007 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: 1. In den Fällen 13 a und 13 b, 20 a und 20 b, 22 a und 22 b, 23 a und 23 b, 26 a und 26 b, 29 a und 29 b sowie 30 a und 30 b der Urteilsgründe ist das Landgericht jeweils zu Unrecht von Tateinheit ausgegangen. Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbständige Tat im Sinne von § 53 StGB zu werten. Fällt die Abgabe mehrer Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammen, kann ausnahmsweise dann Tateinheit vorliegen, wenn in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthalten sind (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2007 – 5 StR 292/07 Rdn. 20; BGH wistra 2005, 56 f. m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Die unrichtige Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses der Steuerstraftaten beschwert den Angeklagten jedoch nicht.
2. Auch der Strafausspruch hat Bestand.

a) Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung (UA S. 90) dem Umstand hinreichend Rechnung getragen, dass sich die Abgabe unrichtiger – zu nicht gerechtfertigten Steuererstattungen führender – Umsatzsteuervoran- meldungen für den Zeitraum April bis Dezember 2001 und die Nichtabgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2001 dieselbe Steuerart und dasselbe Steueraufkommen betreffen und sich der Unrechtsgehalt damit im Hinblick auf die jeweils verschwiegene Umsatzsteuer überschneidet, wenn auch nicht vollständig deckungsgleich ist (vgl. dazu BGHSt 49, 359, 362 ff.; BGH wistra 2005, 145, 146 f.).

b) Der Umstand, dass das Landgericht eine rechtsstaatswidrige Verzögerung des Verfahrens durch Strafabschläge bei den Einzelstrafen kompensiert hat, gefährdet den Strafausspruch ebenfalls nicht. Zwar entspricht diese Verfahrensweise nicht der – nach dem Erlass der angefochtenen Entscheidung – geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kompensation des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK („Vollstreckungsmodell“, vgl. BGH, Großer Senat, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, NJW 2008, 860, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen). Indes liegt ein besonders gelagerter Einzelfall (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Januar 2008 – 3 StR 388/07 – und vom 13. Februar 2008 – 3 StR 563/07), in dem der – bereits mehrfach, auch wegen einschlägiger Taten, vorbestrafte – Angeklagte durch die vorgenommene, vor der Rechtsprechungsänderung methodisch anerkannte und verfassungsrechtlich unbedenkliche Kompensation beschwert wäre, nicht vor. Dies gilt zumal im Hinblick auf den gewährten Umfang der Kompensation, der mit dem Ergebnis einer Reduzierung der Gesamtfreiheitsstrafe um sechs Monate nach einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von einem Jahr und zwei Monaten die vom Großen Senat für Strafsachen für das „Vollstreckungsmodell“ aufgestellten Maßstäbe (vgl. BGH, Großer Senat aaO S. 866 Rdn. 56) übersteigt. Der Senat lehnt zudem die Annahme einer Beschwer allein im Blick auf die ungesicherte Möglichkeit künftiger Anwendung des § 57 StGB grundsätzlich ab. Andererseits hätte er im Blick auf das Verschlechterungsverbot erhebliche Bedenken, eine verhängte Strafe – auch wenn sie infolge gleichzeitiger Anrechnung zu keiner längeren Vollstreckung führt – zu erhöhen, da sich hieraus für den Rechts- mittelführer zumal nicht stets vollständig absehbare andere Nachteile ergeben können.
Basdorf Gerhardt Brause Schaal Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 441/10
vom
9. November 2010
in der Strafsache
gegen
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Der Ausgleich für eine in dem Ausschluss einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung
liegende Härte ist bei der Verhängung zeitiger Freiheitsstrafen
nicht in Anwendung des Vollstreckungsmodells, sondern bei der
Bemessung der Strafe für die nunmehr abzuurteilende Tat vorzunehmen.
BGH, Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 441/10 - Landgericht Essen -
wegen schwerer Brandstiftung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. November 2010 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. Mai 2010 im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung "unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Essen vom 20. Dezember 2007" zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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Der Gesamtstrafenausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken , weil die Strafkammer einen Härteausgleich für die wegen der Vollstreckung der Strafe nicht mehr mögliche Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe mit der Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 20 Euro aus der Verurteilung durch das Amtsgericht Essen vom 10. Juli 2007 mit nicht tragfähiger Begrün- dung versagt hat. Der Ausgleich für eine in dem Ausschluss einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung liegende Härte ist bei der Verhängung zeitiger Freiheitsstrafen nicht in Anwendung des Vollstreckungsmodells, sondern bei der Bemessung der Strafe für die nunmehr abzuurteilende Tat vorzunehmen.
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1. Grundgedanke der Vorschrift des § 55 StGB ist, dass Taten, die bei gemeinsamer Aburteilung nach §§ 53, 54 StGB behandelt worden wären, auch bei getrennter Aburteilung dieselbe Behandlung erfahren sollen, so dass der Täter im Endergebnis weder besser noch schlechter gestellt ist, als wenn alle Taten in dem zuerst durchgeführten Verfahren abgeurteiltworden wären. Scheitert eine nach § 55 StGB an sich mögliche nachträgliche Gesamtstrafenbildung daran, dass die zunächst erkannte Strafe bereits vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, so erfordert eine darin liegende Härte einen angemessenen Ausgleich (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. Januar 2010 - 2 StR 403/09, NStZ 2010, 386).
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Die Strafkammer hat eine einen Härteausgleich erfordernde Benachteiligung des Angeklagten durch die nicht mehr mögliche Gesamtstrafenbildung mit der Geldstrafe aus der Verurteilung durch das Amtsgericht Essen vom 10. Juli 2007 deshalb verneint, weil sie wegen des Wegfalls der Zäsur durch die Verurteilung vom 10. Juli 2007 eine nachträgliche Gesamtstrafe mit der Freiheitsstrafe von zwei Jahren aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 20. Dezember 2007 gebildet hat. Dabei hat sie allerdings nicht bedacht, dass die Vollstreckung der zweijährigen Freiheitsstrafe im Urteil vom 20. Dezember 2007 zur Bewährung ausgesetzt worden war. Die nur infolge der Erledigung der früher verhängten Strafe zwingend vorzunehmende Gesamtstrafenbildung mit der Freiheitsstrafe von zwei Jahren aus dem Urteil vom 20. Dezember 2007 hat für den Angeklagten den Verlust der gewährten Strafaussetzung zur Bewährung zur Fol- ge, die bei einer nachträglichen Gesamtstrafe unter Einbeziehung der an sich gesamtstrafenfähigen Geldstrafe aus der Verurteilung vom 10. Juli 2007 bestehen geblieben wäre. Hierin liegt ein besonderer Nachteil, welcher einen Härteausgleich erforderlich macht (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 5 StR 478/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 18; Urteil vom 2. März 1994 - 2 StR 740/93).
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2. Der danach gebotene Härteausgleich ist hier bei der Festsetzung der Gesamtfreiheitsstrafe vorzunehmen.
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a) Der Nachteil, der darin liegt, dass eine an sich mögliche nachträgliche Gesamtstrafenbildung nicht mehr in Betracht kommt, weil die frühere Strafe bereits vollstreckt oder anderweitig erledigt ist, ist nach der bisherigen Rechtsprechung aller Strafsenate des Bundesgerichtshofs bei der Bemessung der neu zu erkennenden Strafe auszugleichen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 1982 - 4 StR 75/82, BGHSt 31, 102, 103; vom 23. Januar 1985 - 1 StR 645/84, BGHSt 33, 131, 132; vom 23. Juni 1988 - 4 StR 169/88, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 1; Urteil vom 15. September 1988 - 4 StR 397/88, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 15; vom 2. Mai 1990 - 3 StR 59/89, NStZ 1990, 436; Beschluss vom 9. November 1995 - 4 StR 650/95, BGHSt 41, 310, 311; Urteil vom 30. April 1997 - 1 StR 105/97, BGHSt 43, 79, 80; Beschluss vom 8. Oktober 2003 - 2 StR 328/03, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 13; vom 16. September 2008 - 5 StR 408/08, NStZ-RR 2008, 370; vom 10. März 2009 - 5 StR 73/09, StV 2010, 240). Auf welche Weise der Tatrichter den Härteausgleich vornimmt, steht dabei in seinem Ermessen. Er kann von einer unter Heranziehung der bereits vollstreckten Strafe gebildeten "fiktiven Gesamtstrafe" ausgehen und diese um die vollstreckte Strafe mindern oder den Umstand, dass eine Gesamtstrafenbildung mit der früheren Strafe ausscheidet, unmittelbar bei der Festsetzung der neuen Strafe berücksichtigen. Erforderlich ist nur, dass er einen angemessenen Härteausgleich vornimmt und dies den Urteilsgründen zu entnehmen ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Juli 1982 - 4 StR 75/82, aaO; vom 23. Januar 1985 - 1 StR 645/84, aaO). Kann der Ausgleich ausnahmsweise nicht bei der Gesamtstrafenbildung erfolgen, ist der Nachteil bei der Bemessung der Einzelstrafe zu kompensieren (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1997 - 1 StR 105/97, aaO).
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b) Der 5. Strafsenat erachtet es nunmehr in Anknüpfung an seine Entscheidungen zum Härteausgleich bei lebenslanger Freiheitsstrafe (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 5 StR 433/09, NStZ 2010, 385; vom 23. Juli 2008 - 5 StR 293/08, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 15; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Januar 2010 - 2 StR 403/09, NStZ 2010, 386; vom 9. Dezember 2008 - 4 StR 358/08, NStZ-RR 2009, 104) auch bei der Verhängung zeitiger Freiheitsstrafen für vorzugswürdig, die Kompensation des Nachteils in Anwendung des Vollstreckungsmodells vorzunehmen, weil die Verwirklichung des Härteausgleichs nicht an der Tatschuld als der maßgeblichen Grundlage für die Strafhöhe anknüpfe und die Transparenz hinsichtlich des gewährten Ausgleichs und der Straffestsetzung erhöht werde (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 5 StR 478/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 18; vom 28. September 2010 - 5 StR 343/10).
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c) Der Senat hält demgegenüber bei zeitiger Freiheitsstrafe daran fest, dass die Benachteiligung durch eine entgangene Gesamtstrafenbildung bei der Bemessung der nunmehr zu verhängenden Strafe auszugleichen ist. Bei dem Ausschluss einer an sich möglichen Gesamtstrafenbildung infolge der Vollstreckung der früheren Strafe handelt es sich um einen Nachteil, der aus der Anwendung zwingender strafzumessungsrechtlicher Vorschriften über die Ge- samtstrafe resultiert und damit einen unmittelbaren Zusammenhang zum Vorgang der Strafzumessung aufweist. Er ist vom Tatrichter ebenso wie andere schuld-unabhängige Zumessungsfaktoren im Rahmen der Strafzumessung zu bewerten und kann systematisch stimmig bei der Festsetzung der Strafe berücksichtigt werden. Anders als bei der - mit der Strafzumessung nicht wesensmäßig zusammenhängenden - Kompensation der Konventions- und Rechtstaatswidrigkeit von Verfahrensverzögerungen, für welche der Große Senat für Strafsachen die Vollstreckungslösung entwickelt hat (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124), besteht für den Ausgleich der in einer nicht mehr möglichen Gesamtstrafenbildung liegenden Härte kein Grund, diesen aus dem Vorgang der Strafzumessung herauszulösen und durch die bezifferte Anrechnung auf die verhängte Strafe gesondert auszuweisen.
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d) Durch die Entscheidungen des 5. Strafsenats vom 26. Januar und 28. September 2010 ist der Senat nicht gehindert, wie dargelegt zu entscheiden. Den Beschlüssen ist entscheidungstragend nicht zu entnehmen, dass der gebotene Härteausgleich ausschließlich in Anwendung des Vollstreckungsmodells und nicht jedenfalls auch - entsprechend der bisherigen einheitlichen Rechtsprechung aller Strafsenate des Bundesgerichtshofs - bei der Festsetzung der Strafe erfolgen darf. Für dieses Verständnis spricht im Übrigen, dass der 5. Strafsenat bislang davon abgesehen hat, ein Anfrageverfahren nach § 132 Abs. 3 GVG einzuleiten.
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3. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Die zugehörigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende tatsächliche Feststellungen bleiben möglich.
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Franke Bender