Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2014 - 4 StR 323/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Die Verurteilung des Angeklagten A. als faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft für E. V. mbH wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und die Verurteilung des Angeklagten O. als Geschäftsführer dieser Gesellschaft wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
Die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit jeher anerkannte Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers bei unterlassener oder verspäteter Konkurs - oder Insolvenzantragstellung (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1952 – 1 StR 153/52, BGHSt 3, 32, 37 f.; Urteil vom 28. Juni 1966 – 1 StR 414/65, BGHSt 21, 101, 103; Urteil vom 22. September 1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118, 122; Urteil vom 10. Mai 2000 – 3 StR 101/00, BGHSt 46, 62, 64 ff.; Urteil vom 17. März 2004 – 5 StR 314/03, NStZ 2004, 582, 583; zustimmend etwa Tiedemann/Rönnau in Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 84 Rn. 21 ff. mwN; ablehnend u.a. Lutter/Hommelhoff/ Kleindiek, GmbHG, 18. Aufl., § 84 Rn. 7) ist durch die Neuregelung in § 15a Abs. 4 InsO nicht entfallen.
Durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 wurden mit Wirkung zum 1. November 2008 die bis dahin bestehenden Vorschriften zur Insolvenzantragstellung in verschiedenen Einzelgesetzen durch § 15a InsO ersetzt. Nach § 15a Abs. 4 InsO wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 der Vorschrift einen Insolvenzantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig stellt. Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler einer juristischen Person, die zahlungsunfähig wird oder überschuldet ist, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen. Der Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO – „Mitglieder desVertretungsorgans“ – schließt entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (vgl. Ulmer/Ransiek, GmbHG, vor § 82 Rn. 60; Kreft/Kleindiek, Insolvenzordnung, 6. Aufl., § 15a Rn. 40) den faktischen Geschäftsführer nicht aus. Die Formulierung umschreibt zusammenfassend die Verantwortlichen verschiedener Gesellschaftsformen. „Mitglied des Vertretungsorgans“ der Gesellschaft mit be- schränkter Haftung ist der Geschäftsführer, dem nach ständiger Rechtsprechung der faktische Geschäftsführer gleichsteht.
Für die Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers spricht auch die Begründung des Gesetzesentwurfs. Durch die Neuregelung sollten die Vorschriften zur Insolvenzantragstellung aus verschiedenen Einzelgesetzen (GmbHG, AktG, GenG, HGB) rechtsformneutral geregelt und wortgleich erfasst werden (BT-Drucks. 16/6140 S. 55). Eine Einschränkung der strafbewehrten Pflicht zur Antragstellung war mit dem MoMiG nicht bezweckt, vielmehr sollten Schutzlücken vermieden werden (BT-Drucks. 16/6140 aaO). Auch ergibt sich aus der Begründung zu § 15a Abs. 3 InsO (BT-Drucks. 16/6140 S. 56), wonach durch die vorgesehene Regelung zu der Fallgruppe der führungslosen Gesellschaft „die Rechtsprechung zum faktischen Ge- schäftsführer und die weitere Rechtsentwicklung hierzu nicht berührt [werden]“, dass der Gesetzgeber die Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers nicht einschränken wollte (so auch Kuhn, Die GmbH-Bestattung [2011] S. 200 f.; Biehl, Geschäftsführer - und Gesellschafterhaftung wegen Insolvenzverschleppung bei der GmbH [2013] S. 62 f.).
Dass durch die Neufassung des § 15a InsO die (strafrechtliche) Haftung des faktischen Geschäftsführers bei Insolvenzverschleppung keine Änderung erfahren hat, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch bereits inzident bejaht worden (Beschluss vom 21. August 2013 – 1 StR 665/12, NJW 2014, 164; Beschluss vom 15. November 2012 – 3 StR 199/12, NJW 2013, 1892; Beschluss vom 26. Mai 2009 – 4 StR 10/09; Urteil vom 1. Februar 2009 – II ZR 209/08, NJW-RR 2010, 1048, 1050).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Bender
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(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.
(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.
(3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag
(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde.
(7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden.