Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2017 - 4 StR 320/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:160817B4STR320.17.0
bei uns veröffentlicht am16.08.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 320/17
vom
16. August 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:160817B4STR320.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. August 2017 gemäß § 206a Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 31. März 2017
a) mit den Feststellungen aufgehoben, aa) im Fall II.4 der Urteilsgründe; das Verfahren wird insoweit eingestellt. Im Umfang der Einstellung werden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt, bb) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II.1 der Urteilsgründe, cc) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und dd) insoweit, als das Landgericht von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat,
b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Brandstiftung und der Beleidigung in zwei Fällen schuldig ist. 2. Im Umfang der Aufhebung gemäß Ziffer 1. Buchst. a), bb), cc) und dd) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die verbleibenden Kosten des Rechts- mittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten mit Urteil vom 31. März 2017 (nicht: 2016, wie im Eingang des schriftlichen Urteils versehentlich angeführt) wegen Brandstiftung und Beleidigung in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen bewohnte der Angeklagte eine als Obdachlosenunterkunft genutzte Einliegerwohnung in der Stadthalle B. . Die ehemalige Hausmeisterwohnung ist baulich vollständig in das Gebäude der Stadthalle integriert und besteht aus zwei getrennt nutzbaren und möblierten Räumen, einer Küche und einem Bad. Die Räumlichkeiten sind über einen gemeinsamen Flur verbunden. Als zur Tatzeit "einziger aktiver Bewohner" besaß der Angeklagte sowohl einen Haustür- als auch einen Zimmerschlüssel für seinen Raum. Am 19. August 2016 zwischen 13.15 Uhr und 13.34 Uhr stellte der Angeklagte brennbares Mobiliar unmittelbar in dem Bereich hinter der Zimmertür seines Raumes zusammen und entzündete es sodann. In dem von ihm benutzten Raum entwickelte sich ein Vollbrand; nur umfangreiche Löscharbeiten konnten verhindern, dass sich das Feuer auf die gesamte Stadthalle ausweitete. Allerdings entstanden in dem Saal "Bever" starke Rußanhaftungen an der Decke, so dass dieser Saal und das Foyer der Stadthalle "in der Folgezeit" nicht nutzbar waren. Der von dem Angeklagten benutzte Raum in der Einliegerwohnung brannte vollständig aus.
3
Bei seiner Festnahme (Fall II.2 der Urteilsgründe), auf der Polizeiwache in H. (Fall II.3) und bei der Durchführung der zweiten Blutentnahme (Fall II.4) beleidigte der Angeklagte verschiedene mit dem Fall befasste Polizeibeamte. Die dem Angeklagten am Tattag gegen 17.25 Uhr und 17.55 Uhr entnommenen Blutproben ergaben eine Blutalkoholkonzentration im Mittelwert von 0,96 Promille bzw. 0,86 Promille.

II.


4
1. Das Verfahren ist im Fall II.4 der Urteilsgründe gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen, weil ein Verfahrenshindernis vorliegt.
5
Diesen Fall hatte die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift vom 27. Oktober 2016 dem Angeklagten unter Ziffer 7 zur Last gelegt. Das Landgericht hat u.a. diese Tat auf Antrag der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung vom 31. März 2017 vorläufig gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist nicht erfolgt.
6
Daher steht der erfolgten Verurteilung im Fall II.4 der Urteilsgründe die vorläufige Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO entgegen. Dies führt zur Teileinstellung des dem Beschluss vom 31. März 2017 nachfolgenden Verfahrens gemäß § 206a Abs. 1 StPO (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juni 2013 - 4 StR 192/13, BGHR StPO § 260 Abs. 3 Revisionsinstanz 3 mwN).
7
2. Im Übrigen begegnen die gegen den Angeklagten ergangenen Schuldsprüche keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das gilt auch für die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich einer vollendeten Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig gemacht.
8
Dahinstehen kann, ob im angefochtenen Urteil, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 17. Juli 2017 meint, ein vollendetes Inbrandsetzen hinreichend belegt ist. Der Senat kann den vom Landgericht getroffenen Feststellungen jedenfalls noch entnehmen, dass der Angeklagte ein fremdes Gebäude - nämlich die Stadthalle von B. - durch seine Brandlegung teilweise zerstört hat.
9
Eine teilweise Zerstörung, bei der es sich um eine solche von Gewicht handeln muss (BGH, Urteile vom 12. September 2002 - 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14, 20, und vom 17. November 2010 - 2 StR 399/10, BGHSt 56, 94, 96 zu § 306a Abs. 2, § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB: Verrußung von Kellerräumen in einem Wohnblock) ist gegeben, wenn einzelne wesentliche Teile eines Objekts, die seiner tatbestandlich geschützten Zweckbestimmung entsprechen, unbrauchbar geworden sind oder eine von mehreren tatbestandlich geschützten Zweckbestimmungen brandbedingt aufgehoben ist (BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2011 - 4 StR 344/11, BGHSt 57, 50, 51 f., und vom 14. Januar 2014 - 1 StR 628/13, NJW 2014, 1123, 1124). Für die Unbrauchbarkeit genügt grundsätzlich die Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit für eine "nicht nur unerhebliche Zeit" (BGH, Urteil vom 12. September 2002 - 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14, 20 f.).
10
Bei der Stadthalle handelt es sich um ein gemischt, nämlich einerseits zu Wohnzwecken und andererseits zu öffentlichen Zwecken, genutztes Gebäude. Jedenfalls eine teilweise Zerstörung des Gebäudes, soweit es als Stadthalle genutzt wird, ist durch die Feststellungen hinreichend belegt. Das Landgericht hat festgestellt, dass infolge starker Rußanhaftungen sowohl der Saal "Bever" als auch das Foyer der Stadthalle in der Folgezeit nicht nutzbar waren. Dies genügt für den Begriff der teilweisen Zerstörung. Der Wendung "in der Folgezeit nicht nutzbar" (UA 6) entnimmt der Senat nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass die bestimmungsgemäße Nutzbarkeit für eine nicht nur unerhebliche Zeit beeinträchtigt war.
11
3. Während das Landgericht die Einzelstrafen für die beiden verbleibenden Fälle der Beleidigung rechtsfehlerfrei zugemessen hat, kann der Einzelstrafausspruch wegen Brandstiftung im Fall II.1 der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift das Folgende ausgeführt: "Überdies weist die Einzelstrafe im Fall II.1 der Urteilsgründe einen Rechtsfehler auf, der zur Aufhebung dieser Einzelstrafe führt. Sieht das Gesetz einen minder schweren Fall vor und ist - wie hier nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB - auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, muss bei der Strafrahmenwahl zunächst vorrangig geprüft werden, ob ein minder schwerer Fall vorliegt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zuerst auf die allgemeinen Milderungsgründe abzustellen. Vermögen sie die Annahme eines minder schweren Falls allein zu tragen , stehen die den gesetzlich vertypten Milderungsgrund verwirklichen- den Umstände noch für eine (weitere) Strafrahmenmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB zur Verfügung. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falls abzulehnen, sind auch die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die Bewertung einzubeziehen. Erst wenn das Tatgericht danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf es seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 28. Februar 2013 - 4 StR 430/12, NStZ-RR 2013, 168).
Das Landgericht hat es versäumt, in seine Bewertung, ob ein minder schwerer Fall gemäß § 306 Abs. 2 StGB vorliegt, die den gesetzlich vertypten Milderungsgrund des § 21 StGB erfüllenden Umstände einzubeziehen (UA S. 15)."
12
Dem kann sich der Senat - ungeachtet der strafrechtlichen Vorbelastung des Angeklagten - nicht verschließen.
13
4. Der Wegfall der Einsatzstrafe führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
14
5. Durchgreifenden Bedenken begegnet auch, dass das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB abgesehen hat.
15
Das Landgericht hat entgegen dem in der Hauptverhandlung gehörten Sachverständigen, der einen jedenfalls auf eine Alkoholabhängigkeit des Angeklagten gestützten Hang bejaht hat, einen solchen nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen vermocht. Nach ständiger Rechtsprechung genügt für einen Hang bereits eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei noch keine physische Abhängigkeit bestehen muss (BGH, Beschluss vom 19. April 2016 - 3 StR 566/15 mwN). Unabhängig davon, ob das Landgericht die Abweichung von dem Gutachten des Sachverständigen ausreichend begründet hat, hat es sich für seine Zweifel am Vorliegen eines Hanges auf die für den Tattag ermittelten "Messwerte" bezogen (UA 18). Die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit wird auf UA 17 im Wege der Rückrechnung mit "ca. 1,4 Promille" angegeben. Dies trifft jedoch nicht zu. Bei korrekter Rückrechnung ergibt sich ein deutlich höherer Wert von ca. 1,9 Promille. Das Landgericht hat somit einen Hang auf unzutreffender Tatsachengrundlage verneint. Bereits dies bedingt die Aufhebung der Nichtanordnung der Unterbringung nach § 64 StGB.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Quentin Feilcke

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

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(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils. (2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, gena

Strafprozeßordnung - StPO | § 206a Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis


(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Strafgesetzbuch - StGB | § 306 Brandstiftung


(1) Wer fremde 1. Gebäude oder Hütten,2. Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen,3. Warenlager oder -vorräte,4. Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge,5. Wälder, Heiden oder Moore oder6. land-, ernährungs- o

Strafgesetzbuch - StGB | § 306a Schwere Brandstiftung


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,2. eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder3.

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(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 192/13
vom
4. Juni 2013
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. Juni 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 4. Januar 2013
a) mit den Feststellungen aufgehoben, aa) in den Fällen II. 3 bis II. 6 der Urteilsgründe; das Verfahren wird insoweit eingestellt. Im Umfang der Einstellung werden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt, bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
b) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen schuldig ist, davon in einem Fall unter Mitsichführen einer Schusswaffe. 2. Im Umfang der Aufhebung gemäß 1. a) bb) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, davon in einem Fall unter Mitsichführen einer Schusswaffe, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.
2
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
1. Das Verfahren in den Fällen II. 3 bis II. 6 der Urteilsgründe ist einzustellen.
4
Dazu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 8. Mai 2013 Folgendes ausgeführt: „Die Revision ist teilweise begründet, da bezüglich der Fälle II. 3. bis6. ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis vorliegt, das zur Teileinstellung gemäß § 260 Abs. 3 StPO - und damit verbunden auch zu einer Änderung des Schuldspruchs - führt. Hinsichtlich dieser Fälle (Ziffern 9. bis 16. der Anklageschrift vom 26. September 2012) hat das Landgericht durch Beschluss auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in der Hauptverhandlung vom 04. Januar 2013 vorläufig gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt (Bd. V, Bl. 84 d.A.). In der Anklageschrift vom 26. September 2012 hatte die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten unter den Ziffern 1. bis 18. zur Last gelegt, in den Monaten von März 2011 bis November 2011 dem gesondert verfolgten B. 2 Mal im Monat Betäubungsmittel, deren Art und Mengen genauer bezeichnet sind, verkauft zu haben (Bd. IV, Bl. 87 d.A.).
Die Anklage geht bei der vorgenommenen Bezifferung ersichtlich von einer - einzig auch sinnvollen - chronologischen Reihenfolge aus. So werden etwa die Verkäufe im November 2011 ausdrücklich als Taten 17. und 18. bezeichnet. Die nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Taten, Ziffer 9. bis 16. der Anklageschrift , betreffen daher die Betäubungsmittelverkäufe in den Monaten Juli, August, September und Oktober 2011. Dass die Strafkammer abweichend von der Chronologie der Anklage andere Taten hat einstellen wollen, ist weder den Urteilsgründen noch dem Protokoll der Hauptverhandlung zu entnehmen. Einer solchen Annahme widerspricht auch der am gleichen Tag erfolgte Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 258 Abs. 1 StPO, der ausdrücklich auf die Bezifferung der Anklageschrift Bezug genommen hat (Bd. V, Bl. 84 d.A.). Daher steht der erfolgten Verurteilung in den Fällen II. 3. bis 6. der Urteilsgründe die vorläufige Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO, die mangels Wiederaufnahme des Verfahrens nach wie vor in Kraft ist, entgegen. Dies führt zur Teileinstellung des dem Beschluss vom 04. Januar 2013 nachfolgenden Verfahrens gemäß § 260 Abs. 3 StPO (vgl. Senat; Beschluss vom 27. April 2000, 4 StR 85/00; BGH, Beschluss vom 13. November 2003, 3 StR 359/03). Das Urteil ist im Gesamtstrafenausspruch aufzuheben, da die Einzelstrafen für die Fälle II. 3. bis 6. aufgrund der vorzunehmenden Teileinstellung des Verfahrens entfallen. Trotz der nur sehr geringfügig über der Einsatzstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten liegenden Gesamtstrafe, ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei Berücksichtigung der erfolgten vorläufigen Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO von vier der acht verurteilten Taten eine noch geringere Gesamtfreiheitsstrafe ausgespro- chen hätte.“
5
Dem schließt sich der Senat an.
6
2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
7
Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat, dass die Erwägung der Strafkammer, zu Lasten des Angeklagten sei im Fall II. 8 der Urteilsgründe das Vorhandensein einer scharfen Schuss- waffe zu berücksichtigen, im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet (vgl. Senatsurteil vom 11. April 2002 – 4 StR 537/01, NStZ 2002, 480 zu § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB).

II.


8
Die Sache bedarf daher zum Gesamtstrafenausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung.
9
Infolge der Aufhebung und Zurückverweisung ist die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung erledigt.
10
Zur fortbestehenden Anhängigkeit eines Teils der Tatvorwürfe beim Landgericht verweist der Senat auf Ziff. 4 der Zuschrift des Generalbundesanwalts sowie auf sein Urteil vom 17. August 2000 – 4 StR 245/00, BGHSt 46, 130, 138).
Mutzbauer Cierniak Franke
Bender Quentin

(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.

(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.

(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.

(1) Wer fremde

1.
Gebäude oder Hütten,
2.
Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen,
3.
Warenlager oder -vorräte,
4.
Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge,
5.
Wälder, Heiden oder Moore oder
6.
land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,
2.
eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder
3.
eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wer fremde

1.
Gebäude oder Hütten,
2.
Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen,
3.
Warenlager oder -vorräte,
4.
Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge,
5.
Wälder, Heiden oder Moore oder
6.
land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 344/11
vom
20. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
Auch die teilweise Zerstörung eines zu gewerblichen Zwecken genutzten Gebäudes
erfordert eine solche von Gewicht. Sie liegt wie im Fall der teilweisen
Zerstörung eines Wohngebäudes regelmäßig erst dann vor, wenn das Gebäude
für eine nicht unbeträchtliche Zeit wenigstens für einzelne seiner Zweckbestimmungen
oder wenn ein für die ganze Sache zwecknötiger Teil unbrauchbar
gemacht wird, ferner dann, wenn einzelne Bestandteile des Gebäudes, die für
einen selbständigen Gebrauch bestimmt oder eingerichtet sind, wie etwa eine
einzelne Abteilung des Gebäudes, gänzlich vernichtet werden (im Anschluss an
Senatsurteil vom 12. September 2002
- 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14).
BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2011 – 4 StR 344/11 – LG München II
wegen Brandstiftung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 20. Oktober 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II als Schwurgericht vom 21. Dezember 2010 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall III. 7 der Urteilsgründe wegen vorsätzlicher Brandstiftung verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die weitere Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird mit der Maßgabe verworfen , dass, soweit der Angeklagte wegen Sachbeschädigung zum Nachteil der Firma R. durch Beschädigung der Fensterscheibe zu einer Geldstrafe von fünfzig Tagessätzen verurteilt worden ist (Fall III. 3 der Urteilsgründe), die Höhe des Tagessatzes auf einen Euro festgesetzt wird.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls, Verleumdung und Sachbeschädigung in jeweils zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus einem anderweit ergangenen Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und wegen vorsätzlicher Brandstiftung in Tatmehrheit mit Diebstahl und Sachbeschädigung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat das Landgericht auf Freispruch erkannt.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
Die verfahrensrechtliche Beanstandung greift aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 2. August 2011 nicht durch.

II.


4
Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hat hinsichtlich der Verurteilung in den Fällen III. 1 bis III. 6 der Urteilsgründe keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Hingegen hält die Verurteilung wegen vorsätzlicher Brandstiftung im Fall III. 7 der Gründe rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Annahme des Landge- richts, der Angeklagte habe ein fremdes Gebäude durch eine Brandlegung teilweise zerstört (§ 306 Abs. 1 Nr. 1 2. Variante StGB), wird von den Feststellungen nicht getragen.
5
1. Die Strafkammer hat festgestellt, dass sich der Angeklagte in der Nacht vom 1. auf den 2. November 2009 unter Verwendung eines Nachschlüssels Zutritt zu dem Verwaltungsgebäude der Firma in I. verschaffte. Unter Mitnahme des Mobilteils eines Telefons begab er sich vom Büro des Betriebsleiters aus in die Küche des Gebäudes. Dort stellte er die üblicherweise auf einer Arbeitsplatte stehende Kaffeemaschine auf die linke hintere Herdplatte und schaltete diese auf die Maximalstufe, um die Kaffeemaschine in Brand zu setzen. Ihm war dabei bewusst, dass durch sein Vorgehen trotz des Vorhandenseins eines Rauchmelders die Gefahr erheblicher Brandschäden am Gebäude bestand. Dies nahm er billigend in Kauf, da er den Eindruck erwecken wollte, ein Mitarbeiter des inzwischen statt seines eigenen Unternehmens für die Firma tätigen Sicherheitsdienstes habe den Brand durch Unaufmerksamkeit verursacht. Wie vom Angeklagten beabsichtigt geriet die Kaffeemaschine in Brand, wodurch es an der Küchendecke zu Putzabplatzungen kam und von der Wandverkleidung über dem unmittelbaren Brandherd zwei Fliesen abfielen. Darüber hinaus wurde der gesamte Küchenraum bis zur Unbenutzbarkeit verrußt; ein Vollbrand konnte verhindert werden. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von 15.000 bis 18.000 Euro.
6
2. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass auf der Grundlage dieser Feststellungen eine Strafbarkeit gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB nur in der Variante des teilweisen Zerstörens durch Brandlegung in Betracht kam. Die Voraussetzungen dieser Tatmodalität hat es indes nicht hinreichend belegt.
7
a) Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der teilweisen Zerstörung bei den Brandstiftungsdelikten soll sich nach dem Willen des Gesetzgebers auf die Auslegung der gleichlautenden Tatbestandsfassung in den §§ 305, 305a StGB orientieren (vgl. BTDrucks. 13/8587 S. 88). Danach ist ein Gebäude im Sinne der §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 1, 2 StGB teilweise zerstört, wenn es für eine nicht unbeträchtliche Zeit wenigstens für einzelne seiner Zweckbestimmungen unbrauchbar gemacht, wenn ein für die ganze Sache zwecknötiger Teil unbrauchbar wird oder wenn einzelne Bestandteile der Sache, die für einen selbständigen Gebrauch bestimmt oder eingerichtet sind, gänzlich vernichtet werden (Senatsurteil vom 12. September 2002 – 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14, 20 zu § 306a StGB m. Anm. Radtke, NStZ 2003, 432; LK-StGB/Wolff, 12. Aufl., § 306 Rn. 13 f.; SSW-StGB/Wolters § 306 Rn. 14). Dabei muss schon wegen der im Vergleich zu den §§ 305, 305a StGB deutlich höheren Strafdrohung in den §§ 306, 306a StGB eine Zerstörung von Gewicht vorliegen, das jeweilige Objekt also in einem seiner wesentlichen Bestandteile betroffen sein (Senatsurteil aaO, S. 18). Die teilweise Zerstörung etwa eines Mehrfamilienhauses hat der Bundesgerichtshof daher nicht schon dann angenommen, wenn Mobiliar zerstört wird, sondern erst dann, wenn eine zu Wohnzwecken bestimmte „Un- tereinheit“ wegen der Brandlegungsfolgen aus der Sicht eines „verständigen“ Wohnungsinhabers für eine beträchtliche Zeitspanne nicht mehr benutzbar ist (Senatsbeschluss vom 6. Mai 2008 – 4 StR 20/08, NStZ 2008, 519, Tz. 2; Beschluss vom 10. Januar 2007 – 5 StR 401/06, NStZ 2007, 270, Tz. 11). Dabei kann sich die länger andauernde Unbenutzbarkeit auch aus einer starken Verrußung ergeben (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2001 – 3 StR 422/01, StV 2002, 145).
8
Dieser Auslegungsmaßstab für das Merkmal des teilweisen Zerstörens gilt für nicht zu Wohnzwecken genutzte Gebäude gleichermaßen. In § 306 Abs. 1 StGB ist auch für diese Tatobjekte ein Strafrahmen vorgesehen, der den des § 305 StGB deutlich überschreitet, so dass an die Tathandlung der teilweisen Zerstörung durch Brandlegung dieselben, soeben näher dargelegten erhöhten Anforderungen zu stellen sind. Angesichts der denkbaren Bandbreite von Zweckbestimmungen bei gewerblich genutzten Gebäuden wird der Tatrichter je nach den Umständen des einzelnen Falles den konkreten Zweck zu ermitteln und in wertender Betrachtung unter Berücksichtigung des Erfordernisses der Gewichtigkeit des Taterfolgs zu beurteilen haben, ob die Feststellungen zu Art und Umfang der Unbrauchbarkeit des Gebäudes insgesamt oder seiner zwecknötigen Teile bzw. der gänzlichen Vernichtung einzelner Bestandteile die Annahme einer teilweisen Zerstörung im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB rechtfertigen. Dies muss in den Urteilsgründen im Einzelnen dargelegt werden.
9
b) Gemessen daran bedarf die Frage, ob sich der Angeklagte einer teilweisen Zerstörung des Verwaltungsgebäudes der Firma durch Inbrandsetzung der in dem Gebäude befindlichen Teeküche strafbar gemacht, erneuter tatrichterlicher Prüfung. Dass das Gebäude als Sitz der Verwaltung der Firma für eine seiner Zweckbestimmungen durch Inbrandsetzung der Teeküche für eine nicht unbeträchtliche Zeit unbrauchbar gemacht wurde, ist den Urteilsgründen nicht hinreichend sicher zu entnehmen und liegt insbesondere angesichts der – soweit aus den bisherigen Feststellungen ersichtlich – untergeordneten Bedeutung des betroffenen Raumes für den Widmungszweck des Gesamtgebäudes eher fern. Entsprechendes gilt erst recht für die Frage, ob die Teeküche als für das ganze Gebäude zwecknötiger Teil oder als für einen selbständigen Gebrauch bestimmte und eingerichtete Abteilung anzusehen ist. Ob sich der Angeklagte, sollte das Landgericht zum Vorliegen zumindest einer dieser Voraussetzungen keine Feststellungen treffen können, eines Versuchs im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB oder lediglich einer Sachbeschädigung strafbar gemacht hat, wird im Wesentlichen davon abhängen, welche Vorstellungen des Angeklagten zum Tatverlauf der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter für erwiesen hält.
10
3. Die Aufhebung der Verurteilung wegen vorsätzlicher Brandstiftung entzieht auch dem Ausspruch über die weitere Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten die Grundlage.

III.


11
Der Senat holt ferner in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO die versehentlich unterbliebene Festsetzung der Höhe desTagessatzes auf den Mindestsatz des § 40 Abs. 2 Satz 3 StGB nach, soweit der Angeklagte im Fall III. 3 der Urteilsgründe wegen Sachbeschädigung durch Beschädigung der Fensterscheibe zum Nachteil der Firma R. zu einer Geldstrafe von fünfzig Tagessätzen verurteilt worden ist. Dies ist auch dann erforderlich, wenn aus einer Geldstrafe und Freiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird (BGH, Beschluss vom 20. April 1988 – 3 StR 138/88, BGHR StGB § 54 Abs. 3 Tagessatzhöhe 2).
12
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen, da die verbliebenen Tatvorwürfe die Zuständigkeit des Schwurgerichts nicht mehr begründen können.
Ernemann Roggenbuck Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 628/13
vom
14. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2014 beschlossen
:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Coburg vom 21. Juni 2013

a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass die Angeklagte
der schweren Brandstiftung in Tateinheit mit versuchter
schwerer Brandstiftung in zwei Fällen, davon in einem Fall in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwölf tateinheitlichen
Fällen, mit vorsätzlicher Körperverletzung in drei tateinheitlichen
Fällen und mit Sachbeschädigung sowie im anderen
Fall in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung
und mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie der versuchten
schweren Brandstiftung in Tateinheit mit Sachbeschädigung,
der versuchten Brandstiftung in Tateinheit mit Sachbeschädigung
und der Sachbeschädigung in zwei Fällen schuldig ist,

b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall B.6. der Urteilsgründe
sowie im Gesamtstrafenausspruch unter Aufrechterhaltung
der jeweiligen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte u.a. in zwei Fällen (B.3. und B.6. der Urteilsgründe) wegen schwerer Brandstiftung jeweils in Tateinheit mit Körperverletzungsdelikten und teils mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich deren Revision, mit der sie zahlreiche Verfahrensrügen sowie die näher ausgeführte Sachrüge erhebt.
2
Das Rechtsmittel hat lediglich den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.

I.


3
Die vom Tatgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen in den Fällen B.3. und B.6. der Urteilsgründe den Schuldspruch nicht in vollem Umfang. Der Senat hat diesen daher in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang geändert (§ 349 Abs. 4, § 354 Abs. 1 StPO entsprechend).
4
1. a) Das Landgericht hat zum Fall B.3. der Urteilsgründe festgestellt, dass die Angeklagte am Tattag in einem die Versorgungsanschlüsse des betroffenen Wohnanwesens beherbergenden Kellerraum ein Feuer verursachte, das sich u.a. auf die dort verlaufenden Leitungen, die Raumdecke sowie Fensterrahmen ausdehnte. Das Feuer beschädigte zudem die Heizungsanlage vollständig , führte eine starke Rauchentwicklung herbei und verursachte einen Sachschaden von wenigstens rund 62.000 Euro.
5
Wie der Angeklagten bekannt war, hielt sich eine Bewohnerin des Hauses zum Zeitpunkt des Brandes in ihrer Wohnung auf. Deren Verletzung durch die Einwirkung von Rauchgas oder durch ein sich auf das gesamte Gebäude ausbreitendes Feuer nahm die Angeklagte billigend in Kauf. Zu solchen Beeinträchtigungen kam es jedoch nicht, weil ein Zeuge den Brand bemerkte, die schlafende Bewohnerin durch Klingeln wecken und dadurch auf das Feuer aufmerksam machen konnte. Die Bewohnerin erlitt allerdings einen der ärztlichen Behandlung bedürfenden Schock.
6
b) Das Tatgericht hat die Angeklagte ausweislich des Urteilstenors wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt. Dieser Ausspruch stimmt mit der rechtlichen Würdigung des Landgerichts nicht überein. Unter dem Aspekt von Brandstiftungsdelikten ist es von einer tateinheitlichen Verwirklichung sowohl von § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB als auch von § 306a Abs. 2 i.V.m. § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB ausgegangen (UA S. 66). Die zutreffende Annahme von Tateinheit zwischen § 306a Abs. 1 und Abs. 2 (Fischer, StGB, 61. Aufl., § 306a Rn. 15; LK/Wolff, StGB, 12. Aufl., § 306a Rn. 38; Radtke in MünchKommStGB, 2. Aufl., § 306a Rn. 64) findet im Urteilstenor keinen Ausdruck.
7
c) Die Feststellungen belegen zudem das Vorliegen einer vollendeten schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB weder in der vom Tatrichter angenommenen Variante der teilweisen Zerstörung des Tatobjekts durch Brandlegung noch in der Variante des Inbrandsetzens eines Wohngebäudes.
8
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt bei Bränden in zu Wohnzwecken genutzten Häusern keine teilweise Zerstörung durch Brandlegung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB vor, wenn die brandbedingte zeitweilige Unbenutzbarkeit lediglich solche Teile des Tatobjekts betrifft, die nicht selbst dem Wohnen dienen, sondern lediglich funktional auf die Wohnnut- zung bezogen sind, wie dies bei Kellerräumen typischerweise der Fall ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2007 - 5 StR 401/06, NStZ 2007, 270; vom 6. Mai 2008 - 4 StR 20/08, NStZ 2008, 519 und vom 6. März 2013 - 1 StR 578/12, StV 2013, 632, 634).
9
Die vom Tatrichter festgestellten brandbedingten Schäden sind lediglich in dem unmittelbar brandbetroffenen Kellerraum eingetreten. Auswirkungen auf die zum Wohnen benutzten Räumlichkeiten innerhalb des Gebäudes werden im Rahmen der Beweiswürdigung lediglich insoweit mitgeteilt, dass es in der Wohnung eines Zeugen zu Verrußungen an Wohn- und Schlafzimmermöbeln gekommen sei (UA S. 26). Das belegt eine teilweise Zerstörung durch Brandlegung nicht.
10
Eine teilweise Zerstörung, bei der es sich um eine solche von Gewicht handeln muss (BGH, Urteile vom 12. September 2002 - 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14, 20 und vom 17. November 2010 - 2 StR 399/10, BGHSt 56, 94, 96 Rn. 9; BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2011 - 4 StR 344/11, BGHSt 57, 50, 51 f. Rn. 7 und vom 6. März 2013 - 1 StR 578/12, StV 2013, 632, 634 mwN), ist gegeben, wenn einzelne wesentliche Teile eines Objekts, die seiner tatbestandlich geschützten Zweckbestimmung entsprechen, unbrauchbar geworden sind oder eine von mehreren tatbestandlich geschützten Zweckbestimmungen brandbedingt aufgehoben ist (BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2011 - 4 StR 344/11, BGHSt 57, 50, 51 f. Rn. 7 und vom 6. März 2013 - 1 StR 578/12, StV 2013, 632, 634 mwN). Für die Unbrauchbarkeit genügt grundsätzlich die Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit für eine „nicht nur unerhebliche Zeit“ (BGH, Urteil vom 12. September 2002- 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14, 20 f.). Ob ein Zerstörungserfolg vorliegt, muss der Tatrichter nach den Umständen des einzelnen Falles unter Berücksichtigung der konkre- ten Nutzungszwecke bei wertender Betrachtung beurteilen (BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2011 - 4 StR 344/11, BGHSt 57, 50, 52 Rn. 8; vom6. März 2013 - 1 StR 578/12, StV 2013, 632, 634). Er hat objektiv anhand des Maß- stabs eines „verständigen Wohnungsinhabers“ zu bewerten, ob die Zeitspanne der Nutzungseinschränkung oder -aufhebung für eine teilweise Zerstörung durch Brandlegung ausreicht (BGH, Urteil vom 12. September 2002 - 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14, 20 f.; BGH, Beschlüsse vom 6. Mai 2008 - 4 StR 20/08, NStZ 2008, 519; vom 6. März 2013 - 1 StR 578/12, StV 2013, 632, 634). Die erhebliche Einschränkung oder Aufhebung der Nutzbarkeit für nur wenige Stunden oder einen Tag genügt hierfür regelmäßig nicht (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2008 - 4 StR 20/08, NStZ 2008, 519).
11
Nutzungseinschränkungen oder gar eine zeitweilige Aufhebung der Benutzbarkeit der Wohnung des betroffenen Zeugen werden vom Tatrichter nicht ausdrücklich festgestellt. Solche lassen sich auch dem Gesamtzusammenhang des Urteils nicht entnehmen. Die Mitteilung über vorhandene Verrußungen in der Wohnung genügt dafür nicht. Zwar können erhebliche Verrußungen in einem Tatobjekt grundsätzlich genügen, um einen Taterfolg in Gestalt der teilweisen Zerstörung durch Brandlegung anzunehmen (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2001 - 3 StR 422/01, StV 2002, 145; BGH, Urteil vom 17. November 2010 - 2 StR 399/10, BGHSt 56, 94, 95 Rn. 8; BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2011 - 4 StR 344/11, BGHSt 57, 50, 52 Rn. 7 aE; vom 6. März 2013 - 1 StR 578/12, StV 2013, 632, 634). Dafür bedarf es aber durch die Verrußung selbst oder deren Beseitigung hervorgerufener Beeinträchtigungen der Nutzbarkeit der Wohnung in dem vorgenannten Sinne. Dazu verhält sich das Urteil nicht. Der Hinweis auf Verrußungen an Möbeln und ein auf die Wohnung bezogener Schadensumfang von rund 1.500 Euro tragen einen entsprechenden Schluss ebenfalls nicht.
12
Ob es aufgrund der kompletten Beschädigung der Heizungsanlage zu einer zeitweiligen Unbenutzbarkeit der Wohnungen gekommen ist, teilt das Urteil nicht mit (zu den entsprechenden Anforderungen an die Feststellungen siehe näher BGH, Beschluss vom 6. März 2013 - 1 StR 578/12, StV 2013, 632, 634 f.).
13
bb) Ein vollendetes Inbrandsetzen eines Wohngebäudes ist ebenfalls nicht festgestellt. Zwar handelt es sich bei einem Fensterrahmen um einen wesentlichen Gebäudebestandteil (Nachw. bei Radtke in MünchKommStGB, aaO, § 306 Rn. 52), dessen Brennen an sich den Taterfolg des Inbrandsetzens begründet. Das Inbrandsetzen von nicht dem Wohnen dienenden Gebäudeteilen führt ein vollendetes Inbrandsetzen eines Tatobjekts gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB aber allenfalls dann herbei, wenn das Feuer sich von dort aus auf die als Wohnung genutzten Teile hätte ausbreiten können (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 12. September 2002 - 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14, 19, 21; BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2009 - 3 StR 392/09, NStZ-RR 2010, 279; vom 26. Januar 2010 - 3 StR 442/09, NStZ 2010, 452 und vom 6. März 2013 - 1 StR 578/12, StV 2013, 632, 635). Dazu hat der Tatrichter nichts festgestellt.
14
cc) Die Feststellungen tragen aber einen Schuldspruch wegen versuchter schwerer Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler einen auf das Inbrandsetzen oder die teilweise Zerstörung durch Brandlegung gerichteten Vorsatz der Angeklagten angenommen.
15
d) Ebenso rechtsfehlerfrei hat der Tatrichter die Voraussetzungen einer vollendeten schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 2 i.V.m. § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB angenommen.

16
aa) Eine an einem Wohngebäude (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB), das not- wendig stets auch ein „Gebäude“ im Sinne von § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist, verübte Brandstiftung kann sich bei Verursachung konkreter Gesundheitsgefahr als schwere Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 2 StGB erweisen, wenn zwar keine Wohnräume, aber ein anderer funktionaler Gebäudeteil durch Brandlegung teilweise zerstört wurde, er also für nicht unerhebliche Zeit nicht bestimmungsgemäß verwendet werden konnte (BGH, Urteil vom 17. November2010 - 2 StR 399/10, BGHSt 56, 94, 97 Rn. 10; Beschluss vom 6. März 2013 - 1 StR 578/12, StV 2013, 632, 635). Dafür genügen brandbedingte Schäden in Kellerräumen , wenn diese wegen der Beeinträchtigungen für einen gewissen Zeitraum nicht ihrer sonstigen Bestimmung entsprechend verwendet werden können (BGH, jeweils aaO). Das ist durch die komplette Zerstörung der Heizungsanlage sowie der erheblichen Beschädigungen der Elektroversorgungseinrichtungen im Kellerraum gegeben.
17
bb) Die rechtzeitige Information der schlafenden Bewohnerin hing lediglich von der zufälligen rechtzeitigen Entdeckung des Brandes ab. Die betroffene Bewohnerin befand sich ungeachtet fehlender Feststellungen über die weitere Brandentwicklung jedenfalls aufgrund der bereits vorhandenen starken Rauchgasentwicklung in konkreter Gesundheitsgefahr.
18
Der Eintritt des als körperliche Misshandlung gemäß § 223 Abs. 1 StGB zu wertenden, behandlungsbedürftigen Schocks (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 1996 - 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123 f.) ist der Angeklagten zu ihrer Brandverursachung zuzurechnen. Es handelt sich um eine typische Opferreaktion bei überraschender Konfrontation mit einem Brand.
19
e) Der Senat ändert den Schuldspruch auf der Grundlage des vom Tatrichter Festgestellten. Darüber hinausgehende Erkenntnisse, die zu einem Schuldspruch wegen tateinheitlich neben der vollendeten Tat aus § 306a Abs. 2, § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB verwirklichten vollendeten schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB führen könnten, sind nicht mehr zu erwarten.
20
§ 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen. Die Angeklagte hätte sich nicht anders als geschehen verteidigen können.
21
f) Ebenso vermag der Senat auszuschließen, dass der Tatrichter bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer geringeren Einzelstrafe für die Tat B.3. als die verhängte Freiheitsstrafe von zwei Jahren gelangt wäre. Die tragenden Strafzumessungserwägungen mit dem Abstellen auf die Verwirklichung mehrerer Straftatbestände und der Höhe des verursachten Schadens bleiben unberührt. Auch hätte das Tatgericht keinen minderschweren Fall (§ 306a Abs. 3 StGB) angenommen, weil die vollendete Tat aus § 306a Abs. 2 StGB weiterhin gegeben ist.
22
2. a) Nach den Feststellungen zu B.6. der Urteilsgründe verursachte die Angeklagte gegen 2.30 Uhr in einem näher bezeichneten Kellerraum des auch von ihr bewohnten Mehrfamilienhauses durch Entzünden verschiedener leicht brennbarer Materialien einer Nachbarin ein Feuer. Dieses führte Beschädigungen der an der Kellerdecke geführten Leitungen sowie der Betonkellerdecke selbst herbei. Es kam zudem zu einer starken Rauchentwicklung, die mit Rußablagerungen bis in die in den Obergeschossen gelegenen Wohnungen hinein einherging. Die Verrußungen in den Wohnungen beseitigten die Mieter in Eigenregie (UA S. 59). Weitere Feststellungen hat das Tatgericht insoweit nicht getroffen. Den der Hauseigentümerin entstandenen Sachschaden hat es mit rund 70.000 Euro beziffert.
23
Die Bewohner waren durch einen Rauchmelder auf das Feuer im Keller aufmerksam geworden. Aufgrund der starken Rauchentwicklung kam es bei zwölf von ihnen zu Rauchgasvergiftungen. Die Bewohner wurden durch die Feuerwehr teils über die Balkone gerettet. Im Rahmen der Rettungsmaßnahmen , in einem Fall durch einen Sprung aus einem Fenster, kam es zu Verletzungen bzw. Traumatisierungen mit körperlichen Auswirkungen bei drei (weiteren ) Bewohnern.
24
b) Auf dieser Grundlage hat sich die Angeklagte wegen schwerer Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 2 i.V.m. § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit versuchter schwerer Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB sowie wegen der aus dem Tenor des tatrichterlichen Urteils ersichtlichen, tateinheitlich damit verwirklichten Körperverletzungsdelikte und Sachbeschädigung strafbar gemacht.
25
Soweit das Tatgericht im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung außer einer vollendeten Tat gemäß § 306a Abs. 2 StGB auch eine solche aus § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB angenommen hat (UA S. 68), wird Letzteres durch die Feststellungen nicht getragen. Aus den zu I.1.a) bis c) dargelegten entsprechenden Gründen mangelt es an einem Taterfolg sowohl der teilweisen Zerstörung durch Brandlegung als auch des Inbrandsetzens eines der Wohnung von Menschen dienenden Gebäudes.
26
Die festgestellten „Zerstörungen von Gewicht“ beschränken sich auf den betroffenen Keller. Erkenntnisse zu tatbestandsrelevanten Auswirkungen auf die Nutzbarkeit der Wohneinheiten selbst fehlen. Die Mitteilung von Verrußun- gen bis in die Wohnungen in den Obergeschossen bildet keine tragfähige Grundlage für die Annahme dort eingetretener, hinreichend erheblicher Nutzungsbeeinträchtigungen. Dass die Verschmutzungen von den Bewohnern in Eigenregie beseitigt worden sind, lässt keinen tragfähigen Rückschluss auf den erforderlichen Taterfolg zu, zumal sich das Urteil zu der Dauer der entsprechenden Arbeiten nicht verhält. Die Ausbreitung des Feuers auf die Wohnungen in dem Gebäude hat das Tatgericht ebenfalls nicht festgestellt. Gleiches gilt für eine etwaige, über die theoretische Möglichkeit hinausgehende Ausbreitungsgefahr vom Keller in die darüber liegenden Wohnungen.
27
c) Weitergehende Feststellungen sind zu Fall B.6. der Urteilsgründe ebenfalls nicht zu erwarten. Der Senat ändert daher den Schuldspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich. § 265 StPO steht auch insoweit nicht entgegen.
28
d) Angesichts der Änderung des Schuldspruchs bedarf die verhängte Einzelstrafe von drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe der Aufhebung. Im Hinblick auf die deutlich über die im Fall B.3. verhängte Einzelstrafe hinausgehende Strafe, vermag der Senat eine mildere Bestrafung bei Berücksichtigung des Umstandes, dass in Bezug auf § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB die Tat lediglich das Versuchsstadium erreicht hat, nicht auszuschließen.
29
Der Aufhebung der entsprechenden Feststellungen bedarf es nicht, weil die Aufhebung des Einzelstrafenausspruchs lediglich auf einer rechtlich fehlerhaften Bewertung des Stadiums der verwirklichten Straftat beruht. Der neue Tatrichter ist nicht gehindert, weitere Feststellungen zum Strafausspruch zu treffen, soweit diese nicht in Widerspruch zu den bisherigen stehen.

30
3. Die Aufhebung der die Einsatzstrafe (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB) bildenden Einzelstrafe im Fall B.6. zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

II.


31
Die weitergehende Revision der Angeklagten ist im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet. Die Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 19. November 2013 genannten Gründen keinen Erfolg.
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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Wer fremde

1.
Gebäude oder Hütten,
2.
Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen,
3.
Warenlager oder -vorräte,
4.
Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge,
5.
Wälder, Heiden oder Moore oder
6.
land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 566/15
vom
19. April 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln
ECLI:DE:BGH:2016:190416B3STR566.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 19. April 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 27. April 2015
a) dahin ergänzt, dass aa) der Angeklagte im Übrigen freigesprochen wird; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die ausscheidbaren notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last, bb) die in den Niederlanden erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 auf die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet wird,

b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft von einem Teilfreispruch abgesehen , soweit es sich in acht der dem Angeklagten zur Last gelegten Fälle des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln (Fälle 184, 229, 262, 299, 311, 344, 389 und 399 der Anklageschrift) nicht von dessen Täterschaft zu überzeugen vermocht hat (UA S. 49). Dem Angeklagten waren mit der Anklage 685 tatmehrheitlich begangene Fälle des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln vorgeworfen worden. Dem ist die Strafkammer im Eröffnungsbeschluss gefolgt. Insoweit ist dem Angeklagten unter den Ziffern 184, 229, 262, 299, 311, 344, 389 und 399 zur Last gelegt worden, am 19. September 2013 sowie am 2., 7., 11., 12., 15., 20. und 21. Oktober 2013 im Zusammenwirken mit den drei Mitangeklagten jeweils 1 bis 10 Gramm der unter den Bezeichnungen "Göttin Astarte" und "CM 21" vertriebenen Substanzen, die den in der Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtMG genannten Wirkstoff AKB-48F enthielten, an verschiedene Abnehmer veräußert zu haben. Diese Vorwürfe hat das Landgericht nach der Beweisaufnahme als nicht erwiesen angesehen. Es hätte den Angeklagten deshalb, um den Eröffnungsbeschluss zu erschöpfen, ohne Rücksicht auf die dem Urteil unter dem Gesichtspunkt der Bewertungseinheit zugrunde gelegte konkurrenzrechtliche Beurteilung der Verkaufsfälle als Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen teilweise freisprechen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 - 3 StR 321/11, NStZ 2012, 337, 338 mwN; Beschluss vom 15. Oktober 2014 - 3 StR 321/14, juris Rn. 2).
3
2. Die Strafkammer hat außerdem entgegen der Vorschrift des § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB keine Bestimmung über den Maßstab getroffen, nach dem die von dem Angeklagten in den Niederlanden erlittene Freiheitsentziehung auf die gegen ihn erkannte Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnen ist. Diese Entscheidung muss in der Urteilsformel zum Ausdruck kommen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2003 - 5 StR 162/03, NStZ-RR 2003, 364). Da nach der Sachlage nur eine Anrechnung im Maßstab 1:1 in Betracht kommt, hat der Senat den grundsätzlich dem Tatrichter obliegenden Ausspruch über die Festsetzung des Anrechnungsmaßstabs nachgeholt und die Urteilsformel entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ergänzt (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2003 - 5 StR 162/03, NStZ-RR 2003, 364; vom 13. August 2009 - 3 StR 255/09, NStZ-RR 2009, 370).
4
3. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abzusehen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
5
a) Die Strafkammer hat ihre Entscheidung unter Bezugnahme auf die Ausführungen des in der Hauptverhandlung gehörten psychiatrischen Sachverständigen damit begründet, dass der Angeklagte zwar an einer Abhängigkeit von Cannabinoiden leide (ICD-10 F12.2), ein Hang, psychotrop wirkende Substanzen im Übermaß zu sich zu nehmen, jedoch nicht festzustellen sei. Voraussetzung für die Annahme eines Hanges im Sinne des § 64 StGB sei, dass die berufliche, soziale und gesundheitliche Leistungsfähigkeit des Angeklagten durch seinen Betäubungsmittelkonsum nachhaltig beeinträchtigt werde. Eine nachhaltige Beeinträchtigung könne im Hinblick auf die Komplexität des Tatgeschehens und die herausgehobene organisatorische Position des Angeklagten in der Tätergruppe indes ausgeschlossen werden. Im Übrigen sei mangels jeglicher Motivation des Angeklagten, eine Therapie zu durchlaufen, nicht davon auszugehen, dass eine Entziehungsbehandlung innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen werden könne.
6
b) Diese äußerst knappen Ausführungen lassen zunächst besorgen, dass das Landgericht die Voraussetzungen eines Hanges gemäß § 64 Satz 1 StGB verkannt hat. Ein solcher liegt nicht nur - wovon die Strafkammer möglicherweise ausgegangen ist - im Falle einer chronischen, auf körperlicher Sucht beruhenden Abhängigkeit vor; vielmehr genügt bereits eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei noch keine physische Abhängigkeit bestehen muss (BGH, Beschlüsse vom 4. April 1995 - 4 StR 95/95, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5; vom 13. Januar 2011 - 3 StR 429/10, juris Rn. 4). Im Hinblick auf die von der Strafkammer als gegeben angesehene Abhängigkeitserkrankung des Angeklagten liegt es indes ausgesprochen nahe, dass der Angeklagte eine derartige Neigung hat. Dem steht auch nicht ohne Weiteres entgegen, dass er trotz seiner Abhängigkeit von Cannabinoiden in der Lage war, die abgeurteilten Straftaten zu begehen.
7
Die Beeinträchtigung der Gesundheit oder der Arbeits- und Leistungsfähigkeit durch den Rauschmittelkonsum indiziert zwar einen Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB, ihr Fehlen schließt diesen indes nicht aus (BGH, Urteil vom 15. Mai 2014 - 3 StR 386/13, juris Rn. 10; Beschluss vom 3. Februar 2016 - 1 StR 646/15, juris Rn. 11).
8
Darüber hinaus steht auch die aktuelle Therapieunwilligkeit des Angeklagten seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht notwendig entgegen. Therapieunwilligkeit kann zwar im Einzelfall gegen die Erfolgsaussicht der Maßregel (§ 64 Satz 2 StGB) sprechen. Liegt sie vor, so ist es jedoch geboten, im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgeblichen Umstände die Gründe des Motivationsmangels festzustellen und zu prüfen, ob eine Therapiebereitschaft für eine erfolgversprechende Behandlung geweckt werden kann; denn gerade auch darin kann das Ziel einer Behandlung im Maßregelvollzug bestehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. März 2004 - 2 StR 513/03, NStZ-RR 2004, 263; vom 15. Dezember 2009 - 3 StR 516/09, NStZ-RR 2010, 141).
9
c) Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt deshalb - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9; Beschlüsse vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 485/07, NStZ-RR 2008, 107; vom 27. März 2008 - 3 StR 38/08, StV 2008, 405, 406). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. dazu BGHSt 38, 362 f.).
10
4. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Ergänzend zu der Stellungnahme des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
11
Der Einwand des Beschwerdeführers, dass die - sachverständig beratene - Strafkammer sich bei der Feststellung der Wirkstoffkonzentration der von dem Angeklagten vertriebenen Betäubungsmittel in Widerspruch zu dem von ihr als erwiesen angesehenen Erfahrungssatz gesetzt habe, wonach eine valide Hochrechnung aus einer Teilmenge eines Betäubungsmittels auf die Zusammensetzung und den Wirkstoffgehalt der Gesamtmenge nur vorgenommen werden könne, wenn mindestens 10 bis 30% der gesamten Menge untersucht worden seien, geht fehl. Den Urteilsgründen lässt sich entnehmen, dass dieser Erfahrungssatz dem Gutachten des Sachverständigen zufolge der von der Strafkammer vorgenommenen Hochrechnung nicht entgegen stand, weil der Angeklagte und seine Mittäter die von ihnen bezogenen Substanzen zunächst vermischt und aus der auf diese Weise gewonnenen Gesamtmenge die von ihnen vertriebenen 1- bis 3-Gramm-Päckchen befüllt hatten (UA S. 67).
Becker Schäfer Gericke Spaniol Tiemann

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.