Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 363/15
vom
27. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 27. Oktober 2015 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 10. Juni 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den bereits aufgrund des Urteils des Landgerichts Hannover vom 23. April 2012 rechtskräftig des Mordes für schuldig befundenen Angeklagten zur lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere seiner Schuld festgestellt. Die hiergegen gerichtete, auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.


2
Das Landgericht Hannover hatte den Angeklagten durch Urteil vom 23. April 2012 wegen Mordes zu 14 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Senat dieses Urteil, soweit es den Angeklagten betraf, durch Urteil vom 20. Dezember 2012 (3 StR 426/12, StV 2013, 629) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Das Landgericht hatte die Anwendung des gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemäß § 46b StGB nicht rechtsfehlerfrei begründet. Im Umfang der Aufhebung hatte der Senat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3
Durch Urteil vom 12. August 2013 hatte das Landgericht Hannover den Angeklagten sodann (wiederum) zur Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Diese Entscheidung hatte der Senat auf die Revision der Staatsanwaltschaft durch Urteil vom 12. Juni 2014 (3 StR 139/14, NStZ 2015, 182) mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen. Dieses Urteil des Landgerichts Hannover hatte der rechtlichen Nachprüfung nicht standgehalten, da es gegen den Grundsatz der innerprozessualen Bindung an nicht aufgehobene Feststellungen des früheren Urteils vom 23. April 2012 verstoßen hatte. Das Landgericht war in seiner neuen Entscheidung aufgrund der auch in der zweiten Hauptverhandlung abgegebenen Einlassung des Angeklagten davon ausgegangen, dass während dessen Aufenthalts in der Wohnung des Opfers bei ihm das Verlangen hinzugekommen sei, den durch Erinnerungen an Kindheitserlebnisse aufkommenden Hass an dem Tatopfer auszulassen und einem Gefühl, sich gegen zuvor erlebtes Unrecht wehren zu müssen, nachzugeben, indem er das Opfer umbringt. Auf der Grundlage dieser neuen Feststellungen hatte die sachverständig beratene Strafkammer - anders als die Strafkammer im früheren Urteil - angenommen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB gewesen sei und hatte den Strafrahmen des § 211 Abs. 1 StGB gemäß § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Indes hatte das Landgericht in seinem ersten Urteil die diesen zusätzlichen Feststellungen zugrunde liegende Einlassung des Angeklagten als widerlegt angesehen und festgestellt, dass beide Täter sich schon vor ihrem Aufbruch zum Tatort einig waren, dass der Angeklagte das Tatopfer töten sollte und dass es dabei (allein) um die Erlangung von Laptops und den Bezug der Wohnung des Opfers ging. Diese Feststellungen waren durch die Entscheidung des Senats nicht aufgehoben worden und für den neuen Tatrichter daher bindend. Diese Bindungswirkung hatte das Landgericht bei seinen neuen Feststellungen, die den bisherigen widersprachen, nicht beachtet.

II.


4
Das angefochtene Urteil des Landgerichts Hildesheim hält der aufgrund der Sachbeschwerde des Angeklagten veranlassten materiell-rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat es versäumt, (selbst) zu prüfen und zu entscheiden, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB gewesen ist.
5
Im Einzelnen:
6
1. Allerdings ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass die Schuldfähigkeit eines Täters keiner näheren Prüfung und Erörterung bedarf, wenn Anhaltspunkte für ihre Beeinträchtigung völlig fehlen (vgl. LK/Schöch, StGB, 12. Aufl., § 20 Rn. 234 mwN). Werden jedoch tatsächliche Gründe behauptet (§ 267 Abs. 2 StPO) oder liegen Umstände vor, die den Ausschluss oder die (erhebliche) Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB auch nur möglich erscheinen lassen, so bedarf es regelmäßig - gegebenenfalls unter Heranziehung eines Sachverständigen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 5 StR 542/08, NStZ-RR 2009, 115; MüKoStGB/Streng, 2. Aufl., § 20 Rn. 162 ff.; LK/Schöch aaO, Rn. 236 f.) - von Amts wegen ihrer Prüfung, Erörterung und Darlegung im Urteil (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 20 Rn. 19 mwN; S/S-Perron/Weißer, 29. Aufl., § 20 Rn. 45; Schäfer /Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1416).
7
Gemessen daran war hier die Prüfung und Erörterung der Schuldfähigkeit des Angeklagten sachlich-rechtlich geboten.
8
a) Dies ergibt sich schon aus den vom Landgericht im angefochtenen Urteil - zutreffend selbst getroffenen - Feststellungen zum Lebensweg des Angeklagten und seiner Persönlichkeit: Danach schlugen der Vater und die Stiefmutter den Angeklagten häufig und sperrten ihn wiederholt über längere Zeit ein. Sein Vater missbrauchte ihn sexuell. Kurz vor seinem siebten Lebensjahr kam der Angeklagte wegen der Inhaftierung seines Vaters in ein Heim und wuchs in den Folgejahren in verschiedenen Heimen auf, weil es stets nach nicht allzu langer Zeit zu Problemen kam. In einem dieser Heime kam es zu sexuellen Übergriffen auf ihn mit Oral- und Analverkehr durch ältere Mitbewohner. Der Angeklagte fiel durch Schreianfälle auf, war leicht erregbar, fühlte sich schnell angegriffen und zeigte neben einem geringen Selbstwertgefühl auch Kontaktschwierigkeiten. Außerdem provozierte, bedrohte und beschimpfte er Mitmenschen. Ab April 1997 wurde der - damals sieben Jahre alte - Angeklagte psychotherapeutisch und im Jahr 1998 erstmals stationär psychiatrisch behandelt. In den Folgejahren kam es wegen zunehmender Verhaltensauffälligkeiten und Selbstschädigungen zweimal für mehrere Monate zu weiteren stationären Behandlungen. Ab dem Jahr 2003 verstärkten sich seine Verhaltensauffälligkeiten : Der Angeklagte zeigte wenig Empathie, eine geringe Frustrationstoleranz, Distanzschwierigkeiten, eine herabgesetzte Kritikfähigkeit und oppositionelles Verhalten mit aggressiven Durchbrüchen.
9
b) Aber auch die - vom Landgericht Hannover durch sein Urteil vom 23. April 2012 insoweit bindend festgestellten - besonderen Tatumstände, insbesondere das außergewöhnliche Verhalten des Angeklagten bei der Tatausführung , machten die Prüfung seiner Schuldfähigkeit erforderlich (vgl. BGH, Urteile vom 15. Dezember 1988 - 1 StR 612/88, NJW 1989, 2958 und 4 StR 535/88, NStZ 1989, 190 mwN; LK/Schöch aaO, Rn. 236 mwN). Insoweit ist im Wesentlichen von Bedeutung, dass der Angeklagte - nachdem er seinem Opfer in dessen Wohnung zunächst den Hals durchstochen hatte - diesem über einen Zeitraum von etwa einer Stunde in unterschiedlichen Zeitabständen weitere verschiedene, insgesamt 61 Stich- und Schnittverletzungen beibrachte, darunter einen Stich durch die Schädeldecke, die teilweise nicht lebensgefährlich, aber schmerzhaft waren, um sein Opfer über längere Zeit besonders leiden zu lassen. Schließlich legte er seinem klagenden Opfer ein Kissen auf das Gesicht , setzte sich darauf und wartete, eine Zigarette rauchend, bis dieses kein Lebenszeichen mehr von sich gab.
10
c) Sollte das Landgericht Hildesheim - wofür die Urteilsgründe sprechen könnten - davon ausgegangen sein, dass die Verneinung einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten durch das Landgericht Hannover in seinem Urteil vom 23. April 2012 für die Strafkammer bindend gewesen sei, so wäre dies rechtlich unzutreffend. Das ergibt sich aus dem Folgenden:
11
Hebt das Revisionsgericht ein Urteil in Anwendung des § 353 Abs. 2 StPO im Strafausspruch mit den (dazugehörigen) Feststellungen auf, so bezieht sich diese Aufhebung auf solche Umstände tatrichterlicher Sachverhaltsfeststellung , die ausschließlich die Straffrage betreffen. Hinsichtlich des nicht beanstandeten Schuldspruchs tritt Teilrechtskraft ein. Tatrichterliche Feststellungen , die ausschließlich die Schuldfrage betreffen, und solche, die als dop- pelrelevante Umstände zugleich für Schuld- und Straffrage von Bedeutung sind, bleiben aufrechterhalten und sind für das weitere Verfahren bindend. Hierzu zählen nicht die Feststellungen zur erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten; diese gehören nur zum Rechtsfolgenausspruch (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 353 Rn. 20 mwN). Daher bezieht sich die Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen auch auf die Feststellungen und die Entscheidung des früheren Tatgerichts zur Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Täters im Sinne von § 21 StGB. Eine Bindung des neuen Tatrichters an das insoweit teilweise aufgehobene Urteil besteht in der Regel nur in dem vom Senat in seiner Entscheidung vom 12. Juni 2014 dargelegten Umfang, also an festgestellte Sachverhaltsumstände, in denen die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftat gefunden worden sind und an solche Bestandteile der Sachverhaltsschilderung, aus denen der frühere Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten abgeleitet hat und die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben, zum Beispiel die Umstände schildern, die der Tatausführung das entscheidende Gepräge gegeben haben. Hierzu darf der neue Tatrichter keine neuen, den bisherigen widersprechende Feststellungen treffen und seiner Entscheidung zugrunde legen (vgl. auch LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 353 Rn. 29 ff.).
12
Danach war die - für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandende - Feststellung des Landgerichts Hannover in dessen Urteil vom 23. April 2012, die Schuldfähigkeit des Angeklagten sei nicht erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB gewesen, nach der Aufhebung dieses Urteils im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen weggefallen. Da das Landgericht die Schuldfähigkeit unter den gegebenen Umständen nach sachlich-rechtlichen Grundsätzen nicht unerörtert lassen konnte, war es daher gehalten, die Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten selbst zu prüfen und (neu) zu entscheiden.
13
Die Sache bedarf daher zum Strafausspruch (erneut) neuer Verhandlung und Entscheidung.
14
2. Der neue Tatrichter wird darauf hingewiesen, dass die im angefochtenen Urteil für das Vorliegen der besonderen Schuldschwere gegebene Begründung zum Teil rechtlichen Bedenken begegnet.
15
Das Landgericht Hildesheim hat die besondere Schwere der Schuld festgestellt (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB; vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1992 - 2 BvR 1041/88 u.a., BVerfGE 86, 288) und dies unter anderem zu Lasten des Angeklagten damit begründet, dass er mehrere Straftaten mit körperlichen Übergriffen zum Nachteil verschiedener Personen begangen habe , welche das Landgericht Hannover festgestellt hatte. Darüber hinaus habe der Angeklagte nur wenige Stunden nach der menschenverachtenden Tat zum Nachteil des L. auf dem Weg zurück zu dem von ihm und seinem Mittäter bewohnten Zelt Gegenstände aus mehreren Autos entwendet und sei später in ein Restaurant eingebrochen. Eigene Feststellungen zu diesen Straftaten - beruhend etwa auf diesbezüglichen Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung oder sonstigen Beweiserhebungen - hat das Landgericht Hildesheim nach den Urteilsgründen nicht getroffen, sondern sich insoweit ersichtlich allein auf die entsprechenden - im Wortlaut wiedergegebenen - früheren Feststellungen des Landgerichts Hannover bezogen. Dies ist rechtlich bedenklich. Denn aufgrund der Revisionsentscheidungen des Senats, durch die der Strafausspruch der früheren Urteile mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben worden war, hatte der neue Tatrichter zum Strafausspruch, zu dem auch die Feststellung der besonderen Schuldschwere gehört, eigene Feststellungen zu treffen. Es stellt daher einen sachlich-rechtlichen Fehler dar, wenn der neue Tatrichter - wie hier - sein Urteil auf aufgehobene Feststellungen stützt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 353 Rn. 20 ff.; BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 - 3 StR 156/12, wistra 2012, 356).
16
Unabhängig davon gilt allgemein: Sollen aus Vortaten und Vorstrafen gewichtigere Konsequenzen gezogen werden, ist es in der Regel sachlichrechtlich geboten, die früheren Taten mit einer (zusammengefassten) Sachverhaltsschilderung und ggf. auch mit relevanten früheren Strafzumessungserwägungen festzustellen und mitzuteilen (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren aaO, Rn. 1387). In solchen Fällen kann unter Umständen die bloße Mitteilung des Bundeszentralregisterinhaltes nicht genügen. Dies hat das Landgericht Hildesheim hier nur hinsichtlich des Urteils des Amtsgerichts Lehrte vom 21. Februar 2013 beachtet.
Becker Pfister Hubert Mayer Gericke

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2015 - 3 StR 363/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2015 - 3 StR 363/15

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2015 - 3 StR 363/15 zitiert 11 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafgesetzbuch - StGB | § 46b Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten


(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, 1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs.

Strafgesetzbuch - StGB | § 57a Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe


(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,2. nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und3

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2015 - 3 StR 363/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2015 - 3 StR 363/15 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2012 - 3 StR 426/12

bei uns veröffentlicht am 20.12.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 426/12 vom 20. Dezember 2012 in der Strafsache gegen wegen Mordes Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Dezember 2012, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richte

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Mai 2012 - 3 StR 156/12

bei uns veröffentlicht am 29.05.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 156/12 vom 29. Mai 2012 in der Strafsache gegen wegen Betruges u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 29. Mai 2012 gemäß § 349 Abs. 4

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Juni 2014 - 3 StR 139/14

bei uns veröffentlicht am 12.06.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 S t R 1 3 9 / 1 4 vom 12. Juni 2014 in der Strafsache gegen wegen Mordes Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juni 2014, an der teilgenommen haben: Richter am Bundesger
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2015 - 3 StR 363/15.

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juni 2017 - 1 StR 458/16

bei uns veröffentlicht am 20.06.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 458/16 vom 20. Juni 2017 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ________________________ StPO § 353 Abs. 2 1. Für die Frage, wann Schuldspruch und Strafzumessung so miteinander

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 426/12
vom
20. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Dezember
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt (GL)
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 23. April 2012, soweit es den Angeklagten B. betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu 14 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen richtet sich die zuungunsten des Angeklagten eingelegte, wirksam auf den Strafausspruch beschränkte und auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das - vom Generalbundesanwalt vertretene - Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben. Die Strafrahmenbestimmung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Anwendung des gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes gemäß § 46b StGB ist nicht rechtsfehlerfrei begründet.
3
Der Generalbundesanwalt hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt: "Gemäß § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB kann das Gericht anstelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe von nicht unter zehn Jahren verhängen, wenn der Angeklagte durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 46b Abs. 3 StGB) wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Straftat im Sinne von § 100a Abs. 2 StPO aufgedeckt werden konnte. Dabei muss sich der Beitrag des Angeklagten zur Aufklärung der Tat, sofern er an ihr beteiligt war, über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken (§ 46b Abs. 1 Satz 3 StGB). Sind diese Voraussetzungen nach den Feststellungen des Tatrichters gegeben, ist diesem ein mit der Revision nur eingeschränkt überprüfbarer Ermessensspielraum eröffnet , innerhalb dessen er aufgrund einer umfassenden Würdigung sämtlicher relevanten Umstände zu entscheiden hat, ob eine Strafmilderung nach Abs. 1 Satz 1 geboten ist (Fischer StGB 59. Aufl. § 46b Rn. 25). Das Gesetz führt hierzu in § 46b Abs. 2 StGB - nicht abschließend - Kriterien auf, anhand derer die gerichtliche Entscheidung zu treffen ist (vgl. BT-Drucks. 16/6268, S. 13 und Fischer aaO Rn. 26 ff.). Während § 46b Abs. 2 Nr. 1 StGB mit der Art und dem Umfang der offenbarten Tatsachen, deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, dem Zeitpunkt der Offenbarung, dem Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und der Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, vornehmlich 'aufklärungsspezifische Kriterien' umfasst, enthält § 46b Abs. 2 Nr. 2 StGB 'unrechts - und schuldspezifische Kriterien', zu denen die unter Nr. 1 genannten Gesichtspunkte ins Verhältnis zu setzen sind (Fischer aaO Rn. 27 f. und Kinzig in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. § 46b Rn. 16). An der danach vorzunehmenden Gesamtabwägung, der im Hinblick auf den Schuldgrundsatz besondere Bedeutung zukommt (so BVerfG NJW 1993, 190 f. zu §§ 1 und 2 der vormaligen 'Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten', Art. 4 des Gesetz[es] zur 'Änderung des Strafgesetzbuches , der Strafprozessordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten' vom 9. Juni 1989, BGBl. I S. 1059), fehlt es im vorliegenden Fall. Das Schwurgericht hat im Rahmen seiner Ermessensausübung lediglich festgestellt, die Aussage des Angeklagten B. , ohne die der Mitangeklagte T. nicht zu überführen gewesen wäre, habe zur Aufklärung einer 'schweren Straftat' geführt und sei mit dem nicht notwendigen Geständnis verbunden gewesen, selbst an der Tat beteiligt gewesen zu sein. Dass der Angeklagte B. eine 'außerordentlich schwerwiegende Straftat' begangen habe, stehe einer Strafmilderung gemäß § 46b StGB nicht entgegen; denn andernfalls könne eine Anwendung der Norm bei Mord, für den der Gesetzgeber in § 46b Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz StGB eine 'spezielle Strafzumessungsregel' geschaffen habe, nie in Betracht kommen (UA S. 60 f.). Diese Ausführungen genügen für eine rechtsfehlerfreie Ausübung des in § 46b StGB eingeräumten Ermessens nicht. Sie lassen besorgen, dass das Tatgericht bei seiner Entscheidung allein 'aufklärungsspezifische Kriterien' in den Blick genommen hat, ohne diese konkret zu der Schwere des Unrechts der abgeurteilten Tat und zu dem Grad des Verschuldens des Angeklagten in Relation zu setzen. Eine besonders sorgfältige, auf den Einzelfall bezogene Abwägung aller infrage kommenden Gesichtspunkte erscheint vorliegend aber schon deshalb unentbehrlich , weil eine Strafmilderung angesichts der Gesamtumstände - vor allem der äußerst brutalen, von erheblicher krimineller Energie zeugenden und insgesamt drei Mordmerkmale erfüllenden Handlungen des Angeklagten auf der einen Seite sowie seines mehrfach wechselnden Aussageverhaltens auf der anderen Seite (zu letzterem siehe BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1984 - 2 StR 467/84, StV 1985, 14, Beschluss vom 30. August 2011 - 2 StR 141/11, BGHR StGB § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Aufdeckung 2 und BT-Drucks. 16/6268, S. 14) - nicht nahe lag.
4
Dem stimmt der Senat zu.
5
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Vermeidung des aufgezeigten Rechtsfehlers von der fakultativen Strafmilderung abgesehen und gegen den Angeklagten die lebenslange Freiheitsstrafe verhängt hätte.
Becker Pfister Hubert Mayer Spaniol

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 1 3 9 / 1 4
vom
12. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juni
2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 12. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten B. und den früheren Mitangeklagten T. durch Urteil vom 23. April 2012 jeweils wegen Mordes schuldig gesprochen. Den Angeklagten T. hatte es zur lebenslangen, den Angeklagten B. zur Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Auf die zuungunsten des Angeklagten B. eingelegte, wirksam auf den Strafausspruch beschränkte und auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Senat dieses Urteil, soweit es den Angeklagten B. betraf, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben , da die Strafkammer die Anwendung des gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes gemäß § 46b StGB nicht rechtsfehlerfrei begründet hatte. Im Umfang der Aufhebung war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen worden.

2
Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten wiederum zur Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft erneut und stützt ihr zuungunsten des Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel auf die mit Einzelbeanstandungen ausgeführte Sachbeschwerde. Das - vom Generalbundesanwalt vertretene - Rechtsmittel hat Erfolg.
3
Das Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Es verstößt gegen den Grundsatz der innerprozessualen Bindung an nicht aufgehobene Feststellungen des früheren Urteils vom 23. April 2012.
4
1. Das Landgericht hatte in diesem Urteil zur Tat des Angeklagten Folgendes festgestellt:
5
Der frühere Mitangeklagte T. und der Angeklagte B. lebten seit etwa Ende Februar 2011 in einem Zelt. In T. , der mit dieser Wohnsituation unzufrieden war, reifte der Plan, den Angeklagten B. zu veranlassen, den mit ihm befreundeten L. zu töten, um dessen Wohnung zu übernehmen und außerdem zwei Laptops des Opfers zu erlangen. Am Abend des 23. Mai 2011 gab der Angeklagte B. , auf den T. nach einem gemeinsamen Besuch in der Wohnung des L. täglich mehrfach eingewirkt hatte, diesen "platt zu machen", nach anfänglicher Ablehnung dieses Ansinnens dem T. zu verstehen, dass er das Opfer aufsuchen und töten wolle. Beide waren sich dahin einig, dass der Angeklagte B. den L. töten wollte und sollte sowie, dass es um die Erlangung der Laptops und den Bezug der Wohnung des Opfers ging. Um den - im Wesentlichen abgesprochenen - gemeinsamen Tatplan umzusetzen, brachen die beiden am 24. Mai 2011 kurz nach 0:00 Uhr von ihrem Zeltplatz auf.
6
Der Angeklagte B. begab sich schließlich gegen 01:00 Uhr in die Wohnung des abwesenden L. und öffnete diese mit einem Schlüssel, den T. in Besitz hatte. Die Wohnungstür versperrte er hinter sich wieder, um zu vermeiden, dass L. bei seiner Rückkehr Verdacht schöpfte. Nach ca. zehn Minuten erschien dieser und betrat nach dem Wohnzimmer das Schlafzimmer , hinter dessen Tür sich der Angeklagte B. versteckt hatte. Sofort sprühte dieser in Beginn der Ausführung der geplanten Tötung Reizgas gegen L. , um dann sogleich einen tödlichen Stich mit dem hierzu mitgeführten Messer setzen zu können. Nach einem weiteren Einsatz des Reizgases, von dem der Angeklagte selbst getroffen worden war, lief er zunächst in die Küche und öffnete ein Fenster. Danach ging er sofort ins Wohnzimmer, wohin sich L. mittlerweile begeben hatte, und versetzte diesem in Ausführung des Tatplans einen Stich gegen den Hals, durch den dieser durchstochen wurde. Im Verlauf eines Zeitraumes von etwa einer Stunde bis zu einer Stunde und 30 Minuten brachte der Angeklagte B. dem L. weitere - für sich jeweils nicht tödliche - 61 Stich-/Schnittverletzungen bei, um sein Opfer besonders leiden zu lassen und ihm erhebliche Schmerzen zuzufügen. Schließlich tötete der Angeklagte den L. , indem er ihm ein Kissen auf das Gesicht legte und sich - eine Zigarette rauchend - solange darauf setzte, bis sein Opfer kein Lebenszeichen mehr von sich gab.
7
Der Angeklagte B. hatte eingeräumt, L. getötet zu haben, und die Ereignisse im Vorfeld der Tat und das Tatgeschehen so wie festgestellt geschildert. Weiter hatte er nach den Urteilsgründen zu dem Tatgeschehen angegeben:
8
Er habe sich in L. gesehen, als dieser ihn gebeten hatte aufzuhören , weil er nichts getan habe, sowie in diesem Moment daran gedacht, dass sein Vater ihn früher auf brutale Art und Weise misshandelt und vergewaltigt habe. Er habe seinen Vater damals ebenfalls gebeten aufzuhören, weil er nichts getan habe. Den Umstand, dass L. homosexuell gewesen sei, habe er mit seinem Vater in Verbindung gebracht, weil er von diesem sexuell missbraucht worden sei. Deshalb habe er extremen Hass empfunden, als er gegen L. vorgegangen sei. Wegen dessen Homosexualität habe er bereits beim Kennlernen einen leichten Hass gegen ihn verspürt.
9
Im Rahmen der Beweiswürdigung hatte das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte B. den Tatentschluss gefasst hatte, bevor er mit dem Angeklagten T. den Zeltplatz verließ, und dass er L. nach gemeinsamem Tatentschluss mit dem Mitangeklagten T. getötet hatte, um diesen in den Besitz der Wohnung sowie des Laptops und des Netbooks zu bringen. Weiterhin hatte das Landgericht ausgeführt, dass die Einlassung des Angeklagten , er habe die Tat begangen, weil er sich in L. gesehen habe, zur Überzeugung der Strafkammer widerlegt sei.
10
2. In dem nunmehr angefochtenen Urteil hat das Landgericht festgestellt, dass zugunsten des Angeklagten B. aufgrund seiner Einlassung in der neuen Hauptverhandlung "das Folgende zumindest nicht auszuschließen" sei:
11
Als er sich in der Wohnung des L. befand und im Schlafzimmer auf diesen wartete, erinnerte er sich wieder an seine Kindheit und hierbei insbesondere an die Misshandlungen durch seinen Vater, wie auch an die Vorfälle, in denen er von diesem und dem älteren Heimmitbewohner sexuell missbraucht worden war. Er dachte mit Abscheu daran, dass L. homosexuell war, ihm dies gegenüber in der Vergangenheit offen gezeigt und er, B. , sich dadurch belästigt gefühlt hätte. Dies führte dazu, dass er, insbesondere aufgrund der Anteile seiner Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus, den L. absolut entwertet wahrnahm. Das hatte zur Folge, dass zu dem ursprünglichen - von der 13. großen Strafkammer bindend festgestellten - Plan, L. um seiner Habseligkeiten und der Wohnung willen umzubringen, das Verlangen hinzukam , den durch die vorgenannten Erinnerungen aufkommenden Hass an L. auszulassen und einem Gefühl, sich gegen zuvor erlebtes Unrecht wehren zu müssen, nachzugeben, indem er L. umbringt.
12
3. Diese Vorgehensweise begegnet mit Blick auf die innerprozessuale Bindungswirkung der nicht aufgehobenen Feststellungen des Urteils vom 23. April 2012 durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
13
Im Einzelnen:
14
a) Hebt das Revisionsgericht ein Urteil in Anwendung des § 353 Abs.2 StPO nur im Strafausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen auf, so bezieht sich diese Aufhebung nur auf solche Umstände tatrichterlicher Sachverhaltsdarstellung , die ausschließlich die Straffrage betreffen. Hinsichtlich des nicht beanstandeten Schuldspruchs tritt Teilrechtskraft ein. Tatrichterliche Feststellungen , die ausschließlich die Schuldfrage betreffen, und solche, die als doppelrelevante Umstände zugleich für Schuld- und Straffrage von Bedeutung sind, bleiben aufrechterhalten (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1971 - 2 StR 522/71, BGHSt 24, 274, 275; vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 366 ff.).
15
An die nicht aufgehobenen Feststellungen ist der Tatrichter im weiteren Verfahren gebunden. Er darf diese zwar noch ergänzen; diese zusätzlichen Feststellungen dürfen den bestehen gebliebenen und mithin bindend gewordenen jedoch nicht widersprechen. Die den Schuldspruch tragenden Feststellungen sind nämlich die "unantastbare Grundlage für das weitere Verfahren und wesentlicher Teil des abschließenden Urteils". Dies folgt aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit (inneren Einheit) und damit notwendigen Widerspruchsfreiheit der Entscheidung, der unabhängig davon Gültigkeit beansprucht, ob ein Urteil über die Schuld- und Straffrage gleichzeitig entscheidet, oder ob nach rechtskräftigem Schuldspruch die Strafe aufgrund einer zum Strafausspruch erfolgreichen Revision neu festgesetzt wird. Beweiserhebungen, die darauf abzielen , aufrechterhaltene und damit bindende Feststellungen in Zweifel zu ziehen , sind unzulässig. Beweisergebnisse, die im Widerspruch zu bindenden Feststellungen stehen, haben außer Betracht zu bleiben (BGH, Urteil vom 14. Januar 1982 - 4 StR 642/81, BGHSt 30, 340, 342 ff.; vgl. Winkler in StraFo 2004, 369, 370 f.; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 353 Rn. 27 ff., 34).
16
Nicht erfasst von der (Teil-)Aufhebung werden zunächst einmal alle jene Umstände der Sachverhaltsdarstellung, in denen die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftaten gefunden wurden. Hätte dabei von mehreren Tatsachen bereits ein Teil ausgereicht, um ein Tatbestandsmerkmal zu erfüllen, so gehören gleichwohl alle zum Schuldspruch. An dessen Bindungswirkung nimmt also nicht etwa nur das Mindestmaß an Tatsachen teil, ohne das der Schuldspruch überhaupt keinen Bestand mehr hätte. Vielmehr unterliegen auch solche Abweichungen, durch die nur der Schuldumfang betroffen , die rechtliche Beurteilung aber nicht in Frage gestellt wird, dem Widerspruchsverbot (vgl. BGH, Urteil vom 30. August 1978 - 2 StR 323/78, BGHSt 28, 119, 121). Ebenfalls teil an der Bindungswirkung haben die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über den Zeitpunkt des Tatentschlusses (BGH, Urteil vom 14. November 1978 - 1 StR 439/78, juris Rn. 6), das tatauslösende Moment (BGH, Beschluss vom 15. April 1977 - 2 StR 97/77; Urteil vom 6. Mai 1981 - 2 StR 105/81) sowie die Beweggründe für die Tatbegehung (BGH, Beschluss vom 23. Februar 1979 - 2 StR 728/78; vgl. auch KK-Gericke, 7. Aufl., § 353 Rn. 24 ff., 31 mwN).
17
Über die Tatumstände hinaus, die die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat ausfüllen oder auszufüllen geeignet sind, entfalten zum einen auch die Bestandteile der Sachverhaltsschilderung innerprozessuale Bindungswirkung, aus denen der Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten abgeleitet hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1966 - 2 StR 254/66). Zum anderen nehmen aber auch jene Teile der Sachverhaltsdarstellung als den Schuldspruch tragend an der Bindungswirkung teil, die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben, zum Beispiel die Umstände schildern , die der Tatausführung das entscheidende Gepräge gegeben haben. Der geschichtliche Vorgang, der dem Schuldspruch zugrunde liegt, bildet ein geschlossenes Ganzes, aus dem nicht Einzelteile heraus gegriffen und zum Gegenstand neuer, abweichender Feststellungen gemacht werden dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 1978 - 2 StR 632/78; Urteile vom 14. Januar 1982 - 4 StR 642/81, NJW 1982, 1295 f. und vom 24. September 1987 - 4 StR 413/87, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 3; Beschlüsse vom 31. Oktober 1995 - 1 StR 454/95, NStZ-RR 1996, 203, 204; vom 17. November 1998 - 4 StR 528/98, NStZ 1999, 259, 260 und vom 16. Mai 2002 - 3 StR 124/02, bei Becker NStZ-RR 2003, 97, 101, juris Rn. 3 f.; Urteil vom 30. November 2005 - 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318). Die Bindungswirkung des im Schuldspruch rechtskräftigen Urteils macht allein vor sol- chen Feststellungen Halt, die nicht zum Tatgeschehen gehören (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2009 - 3 StR 301/09, juris Rn. 4; Urteil vom 4. Dezember 1984 - 1 StR 430/84, NJW 1985, 638, juris Rn. 7; Beschlüsse vom 22. Januar 2002 - 1 StR 564/01, juris Rn. 5, und vom 27. Juni 2006 - 4 StR 190/06, StV 2007, 23 [fortdauernde Folgen der Tat]; Beschluss vom 26. Mai 2004 - 4 StR 149/04, bei Becker NStZ-RR 2005, 257, 262, juris Rn. 7 [Nachtatverhalten ]; vgl. KK-Gericke, aaO, § 353 Rn. 31).
18
b) Danach hätte das Landgericht die aufgrund der Einlassung des Angeklagten in der neuen Hauptverhandlung getroffenen zusätzlichen Feststellungen seiner Entscheidung nicht zugrunde legen dürfen. Denn diese widersprechen den auf der Grundlage der damaligen Beweiswürdigung des Landgerichts getroffenen und durch die Entscheidung des Senats nicht aufgehobenen Feststellungen des Urteils vom 23. April 2012 zum Zeitpunkt des Tatentschlusses sowie zu den Motiven und Beweggründen des Angeklagten und seinem inneren Zustand einschließlich seiner Gedanken und Gefühlsregungen vor und bei Begehung des Mordes. Während das Landgericht in seinem ersten Urteil hierzu festgestellt hatte, dass der Angeklagte den Tatentschluss gefasst hatte, bevor er mit dem Mittäter T. den Zeltplatz verließ, und dass er L. ausschließlich deshalb tötete, um T. in den Besitz der Wohnung sowie des Laptops und des Netbooks zu bringen, hat das Landgericht nunmehr festgestellt, dass bei dem Angeklagten - zusätzlich zu den bereits im ersten Urteil festgestellten Motiven - das erst in der Wohnung seines Opfers entstandene Verlangen hinzukam, den durch seine Erinnerungen an seinen Vater und frühere Missbrauchsgeschehnisse aufkommenden Hass an dem L. auszulassen sowie einem Gefühl, sich gegen das früher erlebte Unrecht wehren zu müssen, nachzugeben, indem er diesen umbringt. Diese neuen Feststellungen beruhen auf derselben Einlassung des Angeklagten, die das Landgericht in seinem ers- ten Urteil ausdrücklich als widerlegt angesehen hat. Insoweit war die Strafkammer durch das erste Urteil gebunden.
19
Soweit der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass die sich auf den Ausschluss einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit beziehenden Feststellungen zur Alkoholisierung eines Angeklagten (ausschließlich) die Straffrage betreffen und nach Aufhebung (allein) des Strafausspruches und Zurückverweisung der Sache das Tatgericht zur Trinkmenge eigene (neue) Feststellungen treffen muss (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 4. November 2008 - 3 StR 336/08, NStZ-RR 2009, 148; vom 12. September 2000 - 4StR 358/00, juris Rn. 5, sowie Urteil vom 15. April 1997 - 5 StR 24/97, NStZ-RR 1997, 237) steht dies der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen. Denn diese Rechtsprechung bezieht sich nur auf Feststellungen, die sich auf den rechtsfehlerhaften Ausschluss einer alkoholbedingten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten beziehen und betrifft daher eine andere Fallkonstellation als die vorliegende.
20
4. Auf dem dargelegten Rechtsfehler beruht das Urteil, da das Landgericht aufgrund seiner zusätzlichen Feststellungen davon ausgegangen ist, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat erheblich vermindert war und gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB die nach § 211 Abs. 1 StGB zu verhängende lebenslange Freiheitsstrafe in zeitige Strafe gemildert hat.
21
Dies hat die Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Folge. Auf die Einzelbeanstandungen der Revision kommt es danach nicht mehr an.
22
Der Senat hat von § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative StPO Gebrauch gemacht und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Hildesheim zurückverwiesen.
Schäfer RiBGH Pfister befindet sich Hubert im Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Schäfer Mayer Gericke

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,
2.
nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und
3.
die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
§ 57 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 gilt entsprechend.

(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.

(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend.

(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 156/12
vom
29. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 29. Mai 2012 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 22. Dezember 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
I. Der Angeklagte war durch Urteil des Landgerichts vom 22. Februar 2011 wegen Betruges in drei Fällen, Untreue in 33 Fällen und Bankrotts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Außerdem hatte das Landgericht festgestellt, dass von der verhängten Freiheitsstrafe neun Monate als vollstreckt gelten.
2
Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat den Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte (neben zwei durch Verwerfung der Revision im Übrigen in Rechtskraft erwachsenen weiteren Fällen) im Tatkomplex II. 3. der Urteilsgründe des Betruges in 18 Fällen sowie des versuchten Betruges in zwei Fällen schuldig sei. Außerdem hatte er das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Untreue in 33 Fällen und Bankrotts verurteilt worden war, im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 3. der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
3
Das Landgericht hat nach Einstellung der im ersten Durchgang als Untreue und Bankrott bewerteten Taten nach § 154 Abs. 2 StPO den Angeklagten "wegen Betruges in 22 Fällen, davon in zwei Fällen im Versuch, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt" und wieder- holt, dass von der "verhängten Freiheitsstrafe … neun Monate als vollstreckt" gelten.
4
Die dagegen gerichtete und auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachbeschwerde Erfolg.
5
II. Das Landgericht hat, soweit ihm eine Festsetzung der Einzelstrafen noch oblag, die versuchten und vollendeten Betrugstaten als besonders schwere Fälle (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB) beurteilt. Es hat dazu das Urteil vom 22. Februar 2011 im Anschluss an die Eingangsbemerkung, der "Verurteilung" lägen "damit folgende Feststellungen zu Grunde", wörtlich dahin zitiert, der Angeklagte habe jeweils in der Absicht gehandelt, "sich durch die fortge- setzte Begehung von Betrugstaten … eine nichtnur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen". Eigene, mit einer eigenständigen Beweiswürdigung belegte Feststellungen (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2012 - 2 StR 592/11) zur gewerbsmäßigen Handlungsweise des Angeklagten hat es nicht getroffen.
6
Damit hat das Landgericht seine Beurteilung auf Feststellungen des Urteils vom 22. Februar 2011 gestützt, die - weil die Strafzumessung betreffend (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2008 - 3 StR 52/08, juris Rn. 5) - durch den Beschluss des Senats im ersten Revisionsverfahren mit aufgehoben waren. Dies führt zur Aufhebung der Einzelstrafen sowie des Gesamtstrafausspruchs; denn das Fehlen eigener entscheidungserheblicher Feststellungen des Tatrichters ist ein sachlich-rechtlicher Mangel, der auf die allgemeine Sachrüge hin zu beachten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 2007 - 2 StR 62/07, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Tenorierung 1).
7
III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass der neue Tatrichter eigene - und nicht nur ergänzende - Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten zu treffen haben wird (BGH, Beschluss vom 25. Juni 1999 - 3 StR 239/99, NStZ-RR 2000, 39 mwN; MeyerGoßner , StPO, 54. Aufl., § 353 Rn. 19).
Becker Pfister Hubert Schäfer Menges