Bundesgerichtshof Urteil, 12. Juni 2014 - 3 StR 139/14

bei uns veröffentlicht am12.06.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 1 3 9 / 1 4
vom
12. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juni
2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 12. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten B. und den früheren Mitangeklagten T. durch Urteil vom 23. April 2012 jeweils wegen Mordes schuldig gesprochen. Den Angeklagten T. hatte es zur lebenslangen, den Angeklagten B. zur Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Auf die zuungunsten des Angeklagten B. eingelegte, wirksam auf den Strafausspruch beschränkte und auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Senat dieses Urteil, soweit es den Angeklagten B. betraf, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben , da die Strafkammer die Anwendung des gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes gemäß § 46b StGB nicht rechtsfehlerfrei begründet hatte. Im Umfang der Aufhebung war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen worden.

2
Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten wiederum zur Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft erneut und stützt ihr zuungunsten des Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel auf die mit Einzelbeanstandungen ausgeführte Sachbeschwerde. Das - vom Generalbundesanwalt vertretene - Rechtsmittel hat Erfolg.
3
Das Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Es verstößt gegen den Grundsatz der innerprozessualen Bindung an nicht aufgehobene Feststellungen des früheren Urteils vom 23. April 2012.
4
1. Das Landgericht hatte in diesem Urteil zur Tat des Angeklagten Folgendes festgestellt:
5
Der frühere Mitangeklagte T. und der Angeklagte B. lebten seit etwa Ende Februar 2011 in einem Zelt. In T. , der mit dieser Wohnsituation unzufrieden war, reifte der Plan, den Angeklagten B. zu veranlassen, den mit ihm befreundeten L. zu töten, um dessen Wohnung zu übernehmen und außerdem zwei Laptops des Opfers zu erlangen. Am Abend des 23. Mai 2011 gab der Angeklagte B. , auf den T. nach einem gemeinsamen Besuch in der Wohnung des L. täglich mehrfach eingewirkt hatte, diesen "platt zu machen", nach anfänglicher Ablehnung dieses Ansinnens dem T. zu verstehen, dass er das Opfer aufsuchen und töten wolle. Beide waren sich dahin einig, dass der Angeklagte B. den L. töten wollte und sollte sowie, dass es um die Erlangung der Laptops und den Bezug der Wohnung des Opfers ging. Um den - im Wesentlichen abgesprochenen - gemeinsamen Tatplan umzusetzen, brachen die beiden am 24. Mai 2011 kurz nach 0:00 Uhr von ihrem Zeltplatz auf.
6
Der Angeklagte B. begab sich schließlich gegen 01:00 Uhr in die Wohnung des abwesenden L. und öffnete diese mit einem Schlüssel, den T. in Besitz hatte. Die Wohnungstür versperrte er hinter sich wieder, um zu vermeiden, dass L. bei seiner Rückkehr Verdacht schöpfte. Nach ca. zehn Minuten erschien dieser und betrat nach dem Wohnzimmer das Schlafzimmer , hinter dessen Tür sich der Angeklagte B. versteckt hatte. Sofort sprühte dieser in Beginn der Ausführung der geplanten Tötung Reizgas gegen L. , um dann sogleich einen tödlichen Stich mit dem hierzu mitgeführten Messer setzen zu können. Nach einem weiteren Einsatz des Reizgases, von dem der Angeklagte selbst getroffen worden war, lief er zunächst in die Küche und öffnete ein Fenster. Danach ging er sofort ins Wohnzimmer, wohin sich L. mittlerweile begeben hatte, und versetzte diesem in Ausführung des Tatplans einen Stich gegen den Hals, durch den dieser durchstochen wurde. Im Verlauf eines Zeitraumes von etwa einer Stunde bis zu einer Stunde und 30 Minuten brachte der Angeklagte B. dem L. weitere - für sich jeweils nicht tödliche - 61 Stich-/Schnittverletzungen bei, um sein Opfer besonders leiden zu lassen und ihm erhebliche Schmerzen zuzufügen. Schließlich tötete der Angeklagte den L. , indem er ihm ein Kissen auf das Gesicht legte und sich - eine Zigarette rauchend - solange darauf setzte, bis sein Opfer kein Lebenszeichen mehr von sich gab.
7
Der Angeklagte B. hatte eingeräumt, L. getötet zu haben, und die Ereignisse im Vorfeld der Tat und das Tatgeschehen so wie festgestellt geschildert. Weiter hatte er nach den Urteilsgründen zu dem Tatgeschehen angegeben:
8
Er habe sich in L. gesehen, als dieser ihn gebeten hatte aufzuhören , weil er nichts getan habe, sowie in diesem Moment daran gedacht, dass sein Vater ihn früher auf brutale Art und Weise misshandelt und vergewaltigt habe. Er habe seinen Vater damals ebenfalls gebeten aufzuhören, weil er nichts getan habe. Den Umstand, dass L. homosexuell gewesen sei, habe er mit seinem Vater in Verbindung gebracht, weil er von diesem sexuell missbraucht worden sei. Deshalb habe er extremen Hass empfunden, als er gegen L. vorgegangen sei. Wegen dessen Homosexualität habe er bereits beim Kennlernen einen leichten Hass gegen ihn verspürt.
9
Im Rahmen der Beweiswürdigung hatte das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte B. den Tatentschluss gefasst hatte, bevor er mit dem Angeklagten T. den Zeltplatz verließ, und dass er L. nach gemeinsamem Tatentschluss mit dem Mitangeklagten T. getötet hatte, um diesen in den Besitz der Wohnung sowie des Laptops und des Netbooks zu bringen. Weiterhin hatte das Landgericht ausgeführt, dass die Einlassung des Angeklagten , er habe die Tat begangen, weil er sich in L. gesehen habe, zur Überzeugung der Strafkammer widerlegt sei.
10
2. In dem nunmehr angefochtenen Urteil hat das Landgericht festgestellt, dass zugunsten des Angeklagten B. aufgrund seiner Einlassung in der neuen Hauptverhandlung "das Folgende zumindest nicht auszuschließen" sei:
11
Als er sich in der Wohnung des L. befand und im Schlafzimmer auf diesen wartete, erinnerte er sich wieder an seine Kindheit und hierbei insbesondere an die Misshandlungen durch seinen Vater, wie auch an die Vorfälle, in denen er von diesem und dem älteren Heimmitbewohner sexuell missbraucht worden war. Er dachte mit Abscheu daran, dass L. homosexuell war, ihm dies gegenüber in der Vergangenheit offen gezeigt und er, B. , sich dadurch belästigt gefühlt hätte. Dies führte dazu, dass er, insbesondere aufgrund der Anteile seiner Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus, den L. absolut entwertet wahrnahm. Das hatte zur Folge, dass zu dem ursprünglichen - von der 13. großen Strafkammer bindend festgestellten - Plan, L. um seiner Habseligkeiten und der Wohnung willen umzubringen, das Verlangen hinzukam , den durch die vorgenannten Erinnerungen aufkommenden Hass an L. auszulassen und einem Gefühl, sich gegen zuvor erlebtes Unrecht wehren zu müssen, nachzugeben, indem er L. umbringt.
12
3. Diese Vorgehensweise begegnet mit Blick auf die innerprozessuale Bindungswirkung der nicht aufgehobenen Feststellungen des Urteils vom 23. April 2012 durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
13
Im Einzelnen:
14
a) Hebt das Revisionsgericht ein Urteil in Anwendung des § 353 Abs.2 StPO nur im Strafausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen auf, so bezieht sich diese Aufhebung nur auf solche Umstände tatrichterlicher Sachverhaltsdarstellung , die ausschließlich die Straffrage betreffen. Hinsichtlich des nicht beanstandeten Schuldspruchs tritt Teilrechtskraft ein. Tatrichterliche Feststellungen , die ausschließlich die Schuldfrage betreffen, und solche, die als doppelrelevante Umstände zugleich für Schuld- und Straffrage von Bedeutung sind, bleiben aufrechterhalten (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1971 - 2 StR 522/71, BGHSt 24, 274, 275; vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 366 ff.).
15
An die nicht aufgehobenen Feststellungen ist der Tatrichter im weiteren Verfahren gebunden. Er darf diese zwar noch ergänzen; diese zusätzlichen Feststellungen dürfen den bestehen gebliebenen und mithin bindend gewordenen jedoch nicht widersprechen. Die den Schuldspruch tragenden Feststellungen sind nämlich die "unantastbare Grundlage für das weitere Verfahren und wesentlicher Teil des abschließenden Urteils". Dies folgt aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit (inneren Einheit) und damit notwendigen Widerspruchsfreiheit der Entscheidung, der unabhängig davon Gültigkeit beansprucht, ob ein Urteil über die Schuld- und Straffrage gleichzeitig entscheidet, oder ob nach rechtskräftigem Schuldspruch die Strafe aufgrund einer zum Strafausspruch erfolgreichen Revision neu festgesetzt wird. Beweiserhebungen, die darauf abzielen , aufrechterhaltene und damit bindende Feststellungen in Zweifel zu ziehen , sind unzulässig. Beweisergebnisse, die im Widerspruch zu bindenden Feststellungen stehen, haben außer Betracht zu bleiben (BGH, Urteil vom 14. Januar 1982 - 4 StR 642/81, BGHSt 30, 340, 342 ff.; vgl. Winkler in StraFo 2004, 369, 370 f.; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 353 Rn. 27 ff., 34).
16
Nicht erfasst von der (Teil-)Aufhebung werden zunächst einmal alle jene Umstände der Sachverhaltsdarstellung, in denen die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftaten gefunden wurden. Hätte dabei von mehreren Tatsachen bereits ein Teil ausgereicht, um ein Tatbestandsmerkmal zu erfüllen, so gehören gleichwohl alle zum Schuldspruch. An dessen Bindungswirkung nimmt also nicht etwa nur das Mindestmaß an Tatsachen teil, ohne das der Schuldspruch überhaupt keinen Bestand mehr hätte. Vielmehr unterliegen auch solche Abweichungen, durch die nur der Schuldumfang betroffen , die rechtliche Beurteilung aber nicht in Frage gestellt wird, dem Widerspruchsverbot (vgl. BGH, Urteil vom 30. August 1978 - 2 StR 323/78, BGHSt 28, 119, 121). Ebenfalls teil an der Bindungswirkung haben die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über den Zeitpunkt des Tatentschlusses (BGH, Urteil vom 14. November 1978 - 1 StR 439/78, juris Rn. 6), das tatauslösende Moment (BGH, Beschluss vom 15. April 1977 - 2 StR 97/77; Urteil vom 6. Mai 1981 - 2 StR 105/81) sowie die Beweggründe für die Tatbegehung (BGH, Beschluss vom 23. Februar 1979 - 2 StR 728/78; vgl. auch KK-Gericke, 7. Aufl., § 353 Rn. 24 ff., 31 mwN).
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Über die Tatumstände hinaus, die die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat ausfüllen oder auszufüllen geeignet sind, entfalten zum einen auch die Bestandteile der Sachverhaltsschilderung innerprozessuale Bindungswirkung, aus denen der Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten abgeleitet hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1966 - 2 StR 254/66). Zum anderen nehmen aber auch jene Teile der Sachverhaltsdarstellung als den Schuldspruch tragend an der Bindungswirkung teil, die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben, zum Beispiel die Umstände schildern , die der Tatausführung das entscheidende Gepräge gegeben haben. Der geschichtliche Vorgang, der dem Schuldspruch zugrunde liegt, bildet ein geschlossenes Ganzes, aus dem nicht Einzelteile heraus gegriffen und zum Gegenstand neuer, abweichender Feststellungen gemacht werden dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 1978 - 2 StR 632/78; Urteile vom 14. Januar 1982 - 4 StR 642/81, NJW 1982, 1295 f. und vom 24. September 1987 - 4 StR 413/87, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 3; Beschlüsse vom 31. Oktober 1995 - 1 StR 454/95, NStZ-RR 1996, 203, 204; vom 17. November 1998 - 4 StR 528/98, NStZ 1999, 259, 260 und vom 16. Mai 2002 - 3 StR 124/02, bei Becker NStZ-RR 2003, 97, 101, juris Rn. 3 f.; Urteil vom 30. November 2005 - 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318). Die Bindungswirkung des im Schuldspruch rechtskräftigen Urteils macht allein vor sol- chen Feststellungen Halt, die nicht zum Tatgeschehen gehören (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2009 - 3 StR 301/09, juris Rn. 4; Urteil vom 4. Dezember 1984 - 1 StR 430/84, NJW 1985, 638, juris Rn. 7; Beschlüsse vom 22. Januar 2002 - 1 StR 564/01, juris Rn. 5, und vom 27. Juni 2006 - 4 StR 190/06, StV 2007, 23 [fortdauernde Folgen der Tat]; Beschluss vom 26. Mai 2004 - 4 StR 149/04, bei Becker NStZ-RR 2005, 257, 262, juris Rn. 7 [Nachtatverhalten ]; vgl. KK-Gericke, aaO, § 353 Rn. 31).
18
b) Danach hätte das Landgericht die aufgrund der Einlassung des Angeklagten in der neuen Hauptverhandlung getroffenen zusätzlichen Feststellungen seiner Entscheidung nicht zugrunde legen dürfen. Denn diese widersprechen den auf der Grundlage der damaligen Beweiswürdigung des Landgerichts getroffenen und durch die Entscheidung des Senats nicht aufgehobenen Feststellungen des Urteils vom 23. April 2012 zum Zeitpunkt des Tatentschlusses sowie zu den Motiven und Beweggründen des Angeklagten und seinem inneren Zustand einschließlich seiner Gedanken und Gefühlsregungen vor und bei Begehung des Mordes. Während das Landgericht in seinem ersten Urteil hierzu festgestellt hatte, dass der Angeklagte den Tatentschluss gefasst hatte, bevor er mit dem Mittäter T. den Zeltplatz verließ, und dass er L. ausschließlich deshalb tötete, um T. in den Besitz der Wohnung sowie des Laptops und des Netbooks zu bringen, hat das Landgericht nunmehr festgestellt, dass bei dem Angeklagten - zusätzlich zu den bereits im ersten Urteil festgestellten Motiven - das erst in der Wohnung seines Opfers entstandene Verlangen hinzukam, den durch seine Erinnerungen an seinen Vater und frühere Missbrauchsgeschehnisse aufkommenden Hass an dem L. auszulassen sowie einem Gefühl, sich gegen das früher erlebte Unrecht wehren zu müssen, nachzugeben, indem er diesen umbringt. Diese neuen Feststellungen beruhen auf derselben Einlassung des Angeklagten, die das Landgericht in seinem ers- ten Urteil ausdrücklich als widerlegt angesehen hat. Insoweit war die Strafkammer durch das erste Urteil gebunden.
19
Soweit der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass die sich auf den Ausschluss einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit beziehenden Feststellungen zur Alkoholisierung eines Angeklagten (ausschließlich) die Straffrage betreffen und nach Aufhebung (allein) des Strafausspruches und Zurückverweisung der Sache das Tatgericht zur Trinkmenge eigene (neue) Feststellungen treffen muss (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 4. November 2008 - 3 StR 336/08, NStZ-RR 2009, 148; vom 12. September 2000 - 4StR 358/00, juris Rn. 5, sowie Urteil vom 15. April 1997 - 5 StR 24/97, NStZ-RR 1997, 237) steht dies der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen. Denn diese Rechtsprechung bezieht sich nur auf Feststellungen, die sich auf den rechtsfehlerhaften Ausschluss einer alkoholbedingten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten beziehen und betrifft daher eine andere Fallkonstellation als die vorliegende.
20
4. Auf dem dargelegten Rechtsfehler beruht das Urteil, da das Landgericht aufgrund seiner zusätzlichen Feststellungen davon ausgegangen ist, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat erheblich vermindert war und gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB die nach § 211 Abs. 1 StGB zu verhängende lebenslange Freiheitsstrafe in zeitige Strafe gemildert hat.
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Dies hat die Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Folge. Auf die Einzelbeanstandungen der Revision kommt es danach nicht mehr an.
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Der Senat hat von § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative StPO Gebrauch gemacht und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Hildesheim zurückverwiesen.
Schäfer RiBGH Pfister befindet sich Hubert im Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Schäfer Mayer Gericke

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Bundesgerichtshof Urteil, 12. Juni 2014 - 3 StR 139/14 zitiert 6 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafgesetzbuch - StGB | § 46b Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten


(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, 1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs.

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(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

5 StR 344/05
(alt: 5 StR 94/04)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 30. November 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 29. und 30. November 2005, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K
alsVerteidigerfürdenA ngeklagten H ,
Rechtsanwalt R
alsVerteidigerfürdenAngek lagten S ,
Rechtsanwalt Sa
alsVertreterderNebenklägerin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
in der Sitzung vom 30. November 2005 für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. Februar 2005
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten wegen Totschlags verurteilt sind,
b) in den Strafaussprüchen aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Die Revision des Angeklagten H gegen das genannte Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zu tragen.
4. Die Sache wird zur Neufestsetzung der Strafen und zur Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hatte die Angeklagten zunächst mit seinem Urteil vom 14. August 2003 wegen Totschlags zu Freiheitsstrafen von jeweils sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revisionen der Nebenklägerin hat der Senat die Schuldsprüche aufgehoben und – bei Aufrechterhaltung der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen – das Verfahren an eine andere Schwurgerichtskammer zurückverwiesen (NStZ-RR 2004, 332). Diese hat die Angeklagten nunmehr wegen Körperverletzung mit Todesfolge wiederum zu Freiheitsstrafen von jeweils sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, und die Rechtsmittel der Nebenklägerin jeweils mit der Sachrüge. Der Angeklagte H greift mit seiner beschränkten Revision die vom Landgericht gefundene Strafe an. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin haben Erfolg, soweit das Landgericht nicht auf Totschlag erkannt hat. Die Revision des Angeklagten H ist unbegründet.
1. Das Landgericht hatte in seinem Urteil vom 14. August 2003 folgende Feststellungen getroffen:
a) Die Angeklagten besuchten gegen Mittag des 26. Januar 2003 den ihnen bekannten wesentlich älteren, körperlich und seelisch angegriffenen He in dessen Wohnung in Berlin-Lichtenberg. Sie trafen dort auf die Zeugen Ra und Sh ; letzterer entfernte sich alsbald. Nach reichlichem Genuss von Rotwein und Wodka verletzten die Angeklagten den He zwischen 18.00 und 19.00 Uhr zunächst wie folgt: S rammte dem neben ihm sitzenden Wohnungsinhaber völlig unvermittelt seinen rechten Ellenbogen in die seitliche Halsgegend. H trat He mit dem beschuhten Fuß kräftig ins Gesicht. S schubste den Zeugen Ra zur Seite, der He vor einem Angriff schützen wollte. H schlug He mit der Faust auf das rechte Auge. Nachdem der Zeuge Ra im Badezimmer die von H verursachten Wunden ausgewaschen hatte, schlug dieser Angeklagte erneut mehrfach mit der Faust auf die Wunden und gegen den rechten Kieferbereich. Der Angeklagte S schlug ebenfalls mehrmals mit den Fäusten auf den jetzt wieder blutenden Verletzten ein. H packte dann das keinerlei Widerstand leistende Opfer an den Haaren und schlug dessen Kopf gegen die Wand. Er urinierte auf den an der Stirn, aus der Nase und am Ohr blutenden Schwerverletzten. Um diesen noch stärker zu erniedrigen , rasierten ihm die Angeklagten die Kopfhaare teilweise ab. Unter dem Ausruf: „Mal sehen, wie widerstandsfähig er ist!“ würgte einer der Angeklagten ihr Opfer, während der andere mit äußerster Gewalt die Nase zuhielt und so stark an ihr zerrte, dass der Nasenknorpel abriss. In der sicheren Erwartung , der Schwerverletzte werde in Kürze versterben, verließen die Angeklagten die Wohnung. Gemeinsam mit dem Zeugen Ra suchten sie gegen 22.00 Uhr den Bundesgrenzschutz im Bahnhof Lichtenberg auf. Dort und gegenüber der später eingetroffenen Notärztin erklärten sie, sie hätten mit einem „gesoffen“ und machten sich Sorgen, dass derjenige eventuell tot sei.
Infolge der massiven Tätlichkeiten der Angeklagten erlitt He neben Haut- und Weichteilunterblutungen eine Fraktur der rechten Augenhöhle, eine Verletzung der Leber und der rechten Niere, Rippenfrakturen sowie eine Blutung unter die harte Hirnhaut, an der er im Zusammenhang mit einer Hirnschwellung und einer Bluteinatmung noch in seiner Wohnung verstarb.

b) Die Schwurgerichtskammer hatte sich vom bedingten Tötungsvorsatz aufgrund der Geständnisse der Angeklagten überzeugt, aber kein Tatmotiv feststellen können.
2. Der Senat hat auf die Revisionen der Nebenklägerin die Schuldsprüche aufgehoben, weil die fehlerfrei getroffenen Feststellungen nach den anzuwendenden Maßstäben von BGHSt 47, 128 tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme niedriger Beweggründe geboten hätten, deren Erörterung notwendig gewesen wäre. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen hat der Senat aufrechterhalten.
3. Die neu berufene Schwurgerichtskammer hat, nachdem die Angeklagten von ihrem Recht zu schweigen Gebrauch gemacht haben, das Tatgeschehen umfassend neu aufgeklärt, zum Vor- und Nachtatgeschehen weitergehende Feststellungen getroffen und ein Motiv der Angeklagten festgestellt :
a) Zwischen den muskulös gebauten, noch jungen Angeklagten und dem 48 Jahre alten, durch längeren starken Alkoholkonsum geschwächten He kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen und Streit, weil He nach eigenem, von ihm als ausreichend empfundenen Alkoholgenuss den Angeklagten den Zutritt zu seiner Wohnung gelegentlich versagte. Nachdem He die Angeklagten wieder einmal nicht eingelassen hatte, griffen diese am 30. Dezember 2002 ihren Gastgeber massiv an. He begab sich am nächsten Tag wegen stärker werdender Schmerzen in der Brust ins Krankenhaus. Die Ärzte stellten mehrere frische und mehrere ältere Rippenbrüche sowie eine Nasenbeinfraktur fest. Des Weiteren erlitt He am 30. Dezember , möglicherweise aber auch einige Tage davor oder danach eine subdurale Hirnblutung im Hinterkopf.

b) Das Landgericht hat als Motiv der mit einer Blutalkoholkonzentration von über drei Promille handelnden Angeklagten festgestellt, diese hätten He verletzt, um ihn dafür zu bestrafen, dass er die Angeklagten am Tag zuvor nicht in seine Wohnung eingelassen hatte. Die bis zum Abriss des Nasenknorpels übereinstimmend mit den Feststellungen des Urteils vom 14. August 2003 erneut zu Grunde gelegten Tätlichkeiten der Angeklagten seien aber immer wieder durch Zeiten des gemeinsamen Trinkens unterbrochen worden, während derer die Angeklagten Vorwürfe wegen des abweisenden Verhaltens des He erhoben. Das Landgericht konnte nicht sicher feststellen, dass einzelne oder alle Faustschläge mit voller Kraft und Wucht ausgeführt wurden und dass die Angeklagten den Tod des He auch nur billigend in Kauf genommen haben. Die Angeklagten hätten sich um ihr Opfer auf vielfältige Weise bemüht: Sie führten den malträtierten Geschädigten gemeinsam mit dem Zeugen Ra nochmals ins Badezimmer, duschten ihn mit kaltem Wasser ab, um so seinen Zustand wieder zu verbessern. Dann wechselten sie ihm seine Kleidung und brachten ihn ins Wohnzimmer zurück, wo sie ihn auf dem Sofa absetzten. Kurze Zeit später verlor He das Bewusstsein und rutschte – unerwartet für den Zeugen Ra und nicht sicher ausschließbar auch für die beiden Angeklagten – ohne Einwirkung Dritter zu Boden. In diesem Moment erkannten die Angeklagten und der Zeuge Ra , dass sich die Hautfarbe des Geschädigten im Bereich des Gesichts und der Hände blau verfärbt hatte. Der Angeklagte H begann daraufhin, möglicherweise ebenso wie der Angeklagte S – erst jetzt in Sorge um das Leben von He – bei diesem eine Herzmassage vorzunehmen. Da dies nicht zu einer Besserung des Zustandes des Geschädigten führte, drang Ra darauf, die Feuerwehr oder die Polizei zu rufen, zumal er jetzt befürchtete, He könnte bei einem weiteren Zuwarten möglicherweise versterben. Er verließ mit den beiden Angeklagten die Wohnung. Auch die Angeklagten hatten dabei nicht sicher ausschließbar das Ziel, Hilfe für He zu holen und so die nun erkannte Lebensgefahr zu bannen.

c) Zur Todesursache hat die Schwurgerichtskammer mit sachverständiger Hilfe festgestellt, dass durch den Schlag des Kopfes gegen die Wand die durch den Heilungsprozess der älteren subduralen Hirnblutung entstandene Bindegewebsorganisation aufgerissen sei und eine frische Blutung ausgelöst habe, die zu der tödlichen Hirnschwellung und starken Bluteinatmung geführt hätte. Sämtliche frischen Verletzungen seien nicht sehr erheblich , insbesondere im Einzelnen nicht konkret lebensbedrohlich gewesen. Das Landgericht hat die Rippenbrüche und die Verletzung der Leber nicht mehr dem Tatgeschehen zugerechnet. Diese seien durch die Reanimationsbemühungen des Angeklagten H entstanden.
4. Die Revisionen der Nebenklägerin sind zulässig.
Zwar enthält die Begründung der Rechtsmittel (erneut) keine ausdrückliche Erklärung im Sinne von § 344 Abs. 1 StPO, inwieweit die Beschwerdeführerin das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage. Solches ergibt sich vorliegend aber aus der innerhalb der Revisionsbegründungsfrist ausgeführten Sachrüge, mit der die Nebenklägerin geltend macht, das Landgericht habe die Bindungswirkung der Aufhebungsansicht des Revisionsurteils verkannt und den Prüfungsauftrag nicht erfüllt, festzustellen, ob das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe vorliegt. Damit hat die Nebenklägerin schließlich erklärt, sie verfolge das Ziel ihrer Rechtsmittel gegen das erste tatrichterliche Urteil weiter, nämlich eine Verurteilung der Angeklagten wegen Mordes zu erreichen (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 2), und hat – wie von § 400 Abs. 1 StPO geboten – auch klargestellt, dass sie das Urteil mit dem Ziel einer Änderung der Schuldsprüche wegen einer Gesetzesverletzung anfechte, die zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 5).
5. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin führen zur Änderung der Schuldsprüche.

a) Die Verurteilungen wegen Körperverletzung mit Todesfolge können nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht die innerprozessuale Bindung an die aufrecht erhaltenen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) des ersten in dieser Sache ergangenen Urteils nicht hinreichend beachtet hat (vgl. BGH NStZ 1999, 259). Zwar ist das Landgericht von einer Bindung an die Feststellungen zum äußeren Tatablauf ausgegangen und hat die einzelnen Tathandlungen in die von ihm getroffenen Feststellungen übernommen. Das Landgericht hat sie aber zum Teil in einen anderen Zusammenhang gestellt, in das festgestellte Gesamtgeschehen weitere Handlungen eingefügt und die Erheblichkeit der Gewalthandlungen der Angeklagten anders bewertet. Damit hat das Landgericht das Tatgeschehen unzulässigerweise im Sinne eines anderen geschichtlichen Vorgangs näher beschrieben (vgl. BGHSt 30, 340, 343, 344; BGH NStZ 1999, 259, 260). Die Beweiswürdigung des Landgerichts , mit der es einen bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten verneint, beruht demnach auf einer unzutreffenden Grundlage.
aa) Im ersten Urteil ist festgestellt, dass die Rippenfrakturen und die Leberverletzung des Tatopfers durch die aggressiven massiven Tätlichkeiten der Angeklagten hervorgerufen wurden. Hiervon weicht das nunmehr angefochtene Urteil in unzulässiger Weise ab, indem es diese Verletzungen unter Anwendung des Zweifelssatzes als mögliche Folge einer vom Angeklagten H vorgenommenen Herzmassage ansieht und diesen Umstand im Rahmen der Beweiswürdigung als einen gegen den Tötungsvorsatz sprechenden Gesichtspunkt anführt.
bb) Das Landgericht hat den festgestellten Tatablauf ferner durch Handlungen unterbrochen gesehen und weitere Feststellungen getroffen, die den gesamten Tatverlauf als für die Angeklagten weitaus günstiger erscheinen lassen. Im Einzelnen handelt es sich um die nunmehr festgestellten Pausen zwischen den einzelnen Misshandlungen, während derer die Angeklagten mit dem Opfer gemeinsam weiter Alkohol getrunken haben, die Versuche der Angeklagten, den Zustand ihres Opfers durch Abduschen und Umkleiden zu verbessern, das Ergreifen lebensrettender Maßnahmen und das Einschalten Dritter.
cc) Das Landgericht hat schließlich die vom Erstgericht als massiv beschriebenen Tätlichkeiten, rückschließend aus der nicht hochgradigen Gefährlichkeit der Verletzungen, höchstens als durchschnittlich bewertet („mittlere Wucht“, UA S. 25). Damit wird die im ersten Urteil bindend festgestellte Dimension der Tätlichkeiten zugunsten der Angeklagten verringert.

b) Der Senat kann die Schuldsprüche selbst entsprechend der Anklage und der Erstverurteilung auf Totschlag umstellen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 57 m.w.N.). Schon die Prüfung des ersten tatrichterlichen Urteils hat keinerlei Bedenken aufkommen lassen, der damals eingestandene bedingte Tötungsvorsatz könnte im Widerspruch zu den objektiven Tatumständen stehen und nicht ebenfalls das Ergebnis einer auf ihnen beruhenden Schlussfolgerung sein. Solches gilt auf der Grundlage der gleichen verbindlichen Feststellungen (siehe unter 1 a der hiesigen Urteilsgründe ) und an Hand der nunmehr vom Landgericht fehlerfrei getroffenen zusätzlichen Feststellungen zur Vorschädigung des Opfers und zum Motiv der Angeklagten sogar in verstärktem Maße.
Die Feststellungen belegen, dass sich die Angeklagten der Vornahme lebensbedrohlicher Gewalthandlungen bewusst waren. Sie sind mit sich steigernder Gewalt gegen ihren Gastgeber vorgegangen, um sich für die Abweisung vom Vortag zu rächen. Sie waren nach ihren eigenen Worten bereit, die Grenze der Widerstandsfähigkeit ihres Opfers zu erreichen, und – vor dem Hintergrund der massiven Verletzung des Kopfes des Opfers und der besonderen Schwierigkeiten, das Ausmaß und die Wirkungen der weiteren Gewalthandlungen gegen den Kopf im Einzelnen steuern zu können (vgl. BGH, Urt. vom 9. August 2005 – 5 StR 352/04) – auch bereit, die Grenzen der Widerstandsfähigkeit zu überschreiten. Dies gilt vorliegend umso mehr: Das Ausmaß der objektiv erforderlichen Gewalt als Grundlage für einen Schluss auf das Erkennen der Lebensgefährlichkeit der aktuellen Gewalthandlungen war sogar herabgesetzt; denn die Angeklagten hatten ihr Opfer schon am 30. Dezember 2002 erheblich verletzt. Bei dieser Sachlage sind keine Umstände erkennbar, nach denen die Angeklagten ernsthaft darauf vertraut haben könnten, der Geschädigte werde nicht zu Tode kommen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 57; BGH, Urt. vom 24. März 2005 – 3 StR 402/04).
Die vom Landgericht – insoweit auf Grund zulässiger ergänzender Feststellungen – gegen einen bedingten Tötungsvorsatz angeführten Umstände gebieten keine andere Wertung.
Das Motiv der Angeklagten, He „lediglich“ für dessen abweisendes Verhalten zu bestrafen, streitet nicht gegen einen bedingten Tötungsvorsatz. Es liegt in der Natur der Sache, dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter in Verfolgung seines anders gelagerten Handlungsantriebs in der Regel über kein Tötungsmotiv verfügt (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 22). Allerdings kann die Art des Motivs die Stärke des vom Täter empfundenen Handlungsimpulses beeinflussen (vgl. BGH aaO). Vorliegend handelten die Angeklagten in Verfolgung ihres Bestrafungsmotivs in einem zeitlich gestreckten Vorgehen unter Inkaufnahme der Überschreitung der Widerstandsfähigkeit des Opfers. Damit steht das Motiv der Angeklagten der Annahme des voluntativen Vorsatzelements nicht entgegen (vgl. Schneider NStZ 2005, 629, 631).
Auch die Erwägung des Landgerichts, der Tod des Opfers sei nicht im Sinne der Angeklagten gewesen, weil damit die Anlaufstelle für gemeinsame Trinkgelage aufgegeben würde, spricht nicht gegen eine Billigung des Todes (vgl. BGHSt 7, 363, 369). Der Erfolg muss den Wünschen des Täters nicht entsprechen (vgl. BGHSt aaO). Allenfalls hochgradig interessenwidrige Tatfolgen widerstreiten der Annahme einer Billigung des Erfolges durch einen in der Steuerungsfähigkeit beeinträchtigten, ohnehin überaus unüberlegt handelnden Täter. Solches liegt hier nicht vor. Das Landgericht hat nämlich fehlerfrei festgestellt, dass He die Angeklagten schon mehrmals abgewiesen hatte, obwohl sie gekommen waren, um mitgebrachten Alkohol zu konsumieren. Danach stand die Wohnung des He den Angeklagten bereits nur noch in beschränktem Umfang zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund vermag der vollständige Verlust (nur) eines Ortes für Trinkgelage keine hochgradig interessenwidrigen Tatfolgen zu begründen.

c) Das Landgericht hat im ersten Urteil rechtsfehlerfrei festgestellt, dass das Opfer an den Folgen der ihm zugefügten als Einheit zu beurteilenden gesamten Gewalthandlungen verstorben ist, insbesondere an den Kopfverletzungen , die ihm in der entscheidenden besonders brutalen späten Ge- schehensphase zugefügt worden waren. Wie ausgeführt, war das Geschehen insoweit – nicht anders als das massive Blutungen verursachende Abreißen des Nasenknorpels in dieser Phase – von bedingtem Tötungsvorsatz getragen. Diese von der Teilaufrechterhaltung erfassten bindenden Feststellungen zur Kausalität hindern die vom Generalbundesanwalt erwogene zweifelhafte Aufspaltung des Geschehens mit einem möglicherweise allein todesverursachenden Teil der Verletzungen in der ersten, noch nicht vom Tötungsvorsatz erfassten Tatphase. Soweit den Feststellungen des Landgerichts , das freilich auch von einer Todesverursachung durch Bluteinatmung ausgeht (UA S. 16, 26), Abweichendes zu entnehmen sein sollte, würde auch dies gegen die innerprozessuale Bindungswirkung verstoßen. Eine Verurteilung wegen eines lediglich versuchten Kapitalverbrechens in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge scheidet schon deshalb aus.

d) Die Voraussetzungen für das Vorliegen niedriger Beweggründe lassen sich den insoweit fehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts nicht entnehmen. Zwar ist die nunmehr festgestellte (wiederholte) Bestrafungsaktion grundsätzlich geeignet, das Vorliegen niedriger Beweggründe zu belegen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 39; BGH, Urt. vom 1. September 2005 – 4 StR 290/05). Es liegt nicht gänzlich fern, die von den Angeklagten ausgelebte Rache für ein ihnen unverständliches, als undankbar empfundenes Bestehen des betrunkenen Opfers auf seinem Hausrecht als ebenfalls auf niedrigen Beweggründen beruhend anzusehen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 36; BGH NStZ-RR 2003, 147, 149). Indes reichen die bisherigen Feststellungen als Grundlage für eine sichere Wertung nicht aus. Der Senat schließt namentlich aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung bewiesen werden kann, dass die Angeklagten, die erst nach sechsstündigem gemeinsamen Alkoholgenuss ihre zunächst mit Worten ausgedrückte Verärgerung in stark angetrunkenem Zustand in dumpfem Unmut zur affektgeladenen, fast blindwütigen Racheaktion steigerten, ihr Vergeltungsstreben für ein verwehrtes Gastrecht in seiner Bedeutung für die Tatausführung in ihr Bewusstsein aufgenommen haben (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 26 und 36). Damit hat es mit der Umstellung der Schuldsprüche auf Totschlag sein Bewenden.
6. Die Strafen müssen neu bemessen werden. Dazu bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen. Der neu berufene Tatrichter wird die Strafen für den von den Angeklagten gemeinschaftlich begangenen Totschlag auf der Grundlage der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen (1 a der hiesigen Urteilsgründe), der zulässigerweise getroffenen weiteren Feststellungen zur Person der Angeklagten (UA S. 4 bis 10), deren Motiv (UA S. 12, 20, 31) und zu der Tat vom 30. Dezember 2002 (UA S. 10 f.) zu bemessen haben, wobei von einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit (UA S. 26 bis 28) auszugehen ist. Der Senat wiederholt seinen im Urteil vom 17. August 2004 unter IV. erteilten Hinweis zur Anwendung von § 49 Abs. 1 StGB (vgl. auch sub 8).
7. Mit den Teilerfolgen der Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin erledigen sich deren Kostenbeschwerden.
8. Die wirksam auf das Strafmaß beschränkte Revision des Angeklagten H ist unbegründet. Soweit sich die Revision mit der Sachrüge gegen die versagte Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wendet, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat das mit dem vorliegenden Tatbild übereinstimmende Vortatgeschehen vom 30. Dezember 2002 als Vorerfahrung der Angeklagten gewürdigt, wonach der sie unter dem Einfluss erheblicher Mengen Alkohols objektiv und subjektiv vorhersehbar zu weiteren gewalttätigen Übergriffen gegen ihr Opfer neigten. Solches begründet die Versagung der Strafrahmenverschiebung (vgl. BGHSt 49, 239, 243, 245 f.).
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4
2. Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Durch die Aufhebung des Urteils des Landgerichts Kiel vom 26. November 2007 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen waren die Feststellungen zu den Vorstrafen des Angeklagten (vgl. BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 15), zu seinem Nachtatverhalten (vgl. BGH bei Becker NStZ-RR 2005, 262) und den Tatfolgen (vgl. BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 19; BGH StV 2007, 23) sowie zu den nicht verfahrensgegenständlichen Körperverletzungen entfallen, weil diese für den Schuldspruch nicht tragend waren. Deshalb hätte das Landgericht in der zweiten Hauptverhandlung insoweit eigene Feststellungen treffen und diese in den Urteilsgründen mitteilen müssen. Dies hat das Landgericht unterlassen. Dennoch hat es bei der Bemessung der Einzelstrafen wegen der Körperverletzungsdelikte u. a. zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er einschlägig vorbestraft war, in den Wochen vor den Taten - wenn auch geringfügigere - Körperverletzungen zum Nachteil des Tatopfers, eines neun Jahre alten Jungen, begangen und diesem im Fall 1. der Urteilsgründe mangels einer ordnungsgemäßen Versorgung der am Oberarm zugefügten Fraktur über einen Zeitraum von mehreren Wochen hinweg erhebliche Schmerzen zugefügt hatte.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 336/08
vom
4. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 4. November 2008 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 3. März 2008, soweit es den Beschwerdeführer betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hatte den Angeklagten in einem ersten Urteil wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat - unter Verwerfung des Rechtsmittels im Übrigen - das Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, da die für die Höhe der Jugendstrafe gegebene Begründung, diese sei zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten erforderlich, ohne Beleg in den Feststellungen geblieben war. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ausgesprochen, dass im Hinblick auf die Verletzung des Gebotes zügiger Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 MRK) drei Monate der erkannten Strafe als verbüßt gelten. Die hiergegen gerichtete, auf sachlichrechtliche Beanstan- dungen gestützte Revision hat Erfolg. Die Strafzumessung hält erneut rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
2
1. Die Strafe kann schon deshalb nicht bestehen bleiben, weil das Urteil keine eigenen Feststellungen der Strafkammer zur alkoholischen Beeinflussung des Angeklagten bei der Tatbegehung enthält. Das Landgericht hat lediglich aus dem aufgehobenen Urteil die Darlegungen des Sachverständigen zu der in Betracht kommenden Blutalkoholkonzentration sowie die Überzeugung der damals entscheidenden Strafkammer wiedergegeben, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt voll schuldfähig war. Dabei hat es rechtsfehlerhaft nicht beachtet, dass die sich auf den seinerzeit angenommenen Ausschluss einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten beziehenden Feststellungen die Straffrage betreffen und deshalb durch die Revisionsentscheidung des Senats mit aufgehoben sind (vgl. BGH StV 2001, 179 m. w. N.). Das Landgericht hätte mithin zu den Trinkmengen in prozessordnungsgemäßer Weise eigene Feststellungen treffen und über eine Einschränkung der Schuldfähigkeit erneut entscheiden müssen. Der Senat kann - anders als bei dem Mitangeklagten , bei dem das Landgericht zwar denselben Fehler begangen hat, indes von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit ausgegangen ist - ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler nicht ausschließen.
3
2. Zudem hat das Landgericht die Dauer der zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten notwendigen Jugendstrafe im Wesentlichen damit begründet, dass bei ihm "auch in der erneuten Hauptverhandlung kein Anzeichen vor Reue darüber zu erkennen" gewesen sei, was er dem Opfer "angetan hat". Seine mangelnde Bereitschaft, "selbst Verantwortung für sein Verhalten und dessen Folgen zu übernehmen", komme "auch in seiner Erklärung zum Ausdruck, dass er sich … mit Rücksicht auf das noch nicht abgeschlossene Zivilverfahren bislang nicht entschuldigt hat". Da sich aus dem Urteil nicht er- gibt, ob sich der Angeklagte, der im ersten Durchgang geschwiegen hatte, in der neuen Hauptverhandlung überhaupt und gegebenenfalls in welcher Weise zur Sache eingelassen hat, kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht mit dieser Begründung das Verteidigungsverhalten des Angeklagten zu dessen Nachteil verwertet hat. Dies ist auch dann nicht zulässig, wenn der Schuldspruch bereits rechtskräftig und nur noch über die Strafe zu befinden ist (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 19 m. w. N.).
4
3. Da die Jugendstrafe schon aus den vorgenannten Gründen aufzuheben ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob das Landgericht den Umfang der im bisherigen Verfahren geschehenen Verletzung des Gebotes zügiger Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 MRK) zutreffend bestimmt hat. In Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt vermag der Senat allerdings eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung für die Zeit, in der das Verfahren nicht gefördert worden ist, weil die im ersten Durchgang zuständige Jugendkammer vordringlichere (erkennbar: Haft-)Sachen erledigen musste, nicht zu erkennen. Dieser Zeitraum ist zwar lang, denn bei unmittelbarer Bearbeitung hätte die Terminierung neun Monate früher erfolgen können; indes hat sich keiner der Angeklagten in Untersuchungshaft befunden oder war auch nur von ihr verschont , so dass in Ansehung der notwendigen vorrangigen Bearbeitung von Haftsachen diese Zeitspanne noch nicht als Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 MRK anzusehen ist. Dies gilt hier auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich um ein Strafverfahren gegen einen Heranwachsenden handelt.
5
4. Die Strafe muss erneut zugemessen werden. Sollte der neue Tatrichter wieder eine den Strafverfolgungsorganen zuzurechnende Verfahrensverzögerung darin sehen, dass die Strafakten zeitweilig in Verlust geraten waren und dem Revisionsverfahren deshalb erst mit neunmonatiger Verspätung Fortgang verschafft werden konnte, verweist der Senat zur Kompensation solcher Verstöße im Jugendstrafverfahren auf die Entscheidungen BGH - GS - BGHSt 52, 124 sowie BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 15. Sost-Scheible Miebach Pfister Hubert Schäfer

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.