Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juli 2013 - 3 StR 174/13

bei uns veröffentlicht am09.07.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 174/13
vom
9. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen räuberischer Erpressung u.a.
hier: Revision des Angeklagten P.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am 9. Juli
2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 Satz 1 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 25. Januar 2013 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit er und der Mitangeklagte K. in den Fällen V. 3. und V. 4. der Urteilsgründe verurteilt worden sind,
b) soweit es den Angeklagten P. betrifft, im Ausspruch über die Einheitsjugendstrafe,
c) soweit es den Mitangeklagten K. betrifft, im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten der räuberischen Erpressung in zwei Fällen (Fälle V. 1. und 2. der Urteilsgründe), des schweren Raubes (Fall V. 3. der Urteilsgründe) und der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung (Fall V. 4. der Urteilsgründe) schuldig gesprochen, den Angeklagten P. darüber hinaus des Diebstahls in drei Fällen (Fälle V. 5. bis 7. der Urteilsgründe). Den Angeklagten P. hat es deswegen unter Einbeziehung "des Urteils des Amtsgerichts - Jugendschöffengerichts - Mönchengladbach, Az 127 Ls 140/09" zu der Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen den Mitangeklagten K. hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
2
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten P. hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Soweit die Angeklagten in den Fällen V. 3. und 4. der Urteilsgründe verurteilt worden sind, ist die Entscheidung gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den Mitangeklagten K. zu erstrecken.
3
1. Die Schuldsprüche wegen schweren Raubes (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB) im Falle V. 3. der Urteilsgründe haben keinen Bestand.
4
a) Die Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen einer vollendeten Tat. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt : "Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten der Angeklagte und der Mitangeklagte K. bei Wegnahme der Stofftüte weder Kenntnis noch konkrete Vorstellungen von deren Inhalt, sondern lediglich die Hoffnung, diese enthalte Gegenstände, die sie entweder selbst verwenden oder mit Gewinn veräußern könnten (UA S. 11, 16ff). Wie die Angeklagten mit den in der Tüte befindlichen Gegenständen - Prospekten und einem Schlüsselbund nebst Anhänger - letztendlich verfahren waren, konnte nicht geklärt werden. Insbesondere vermochte die Jugendkammer nicht auszuschließen, dass die Angeklagten diese Gegenstände alsbald weggeworfen hatten, weil sie damit nichts anzufangen wussten (UA S. 17). Diese Feststellungen tragen die Annahme eines vollendeten Raubes nicht, weil sich die Zueignungsabsicht der Angeklagten nur auf für sie verwendbare Gegenstände richtete, nicht auf die Tüte selbst oder für sie nutzlose Gegenstände. Auch wenn sich die Angeklagten 'keine konkreten Vorstellungen' vom Inhalt der Tüte machten , andererseits aber auch klar war, dass sie nicht zum Eigengebrauch oder zum Verkauf geeignete Gegenstände alsbald wegwerfen wollten, schließt letzteres aus, dass sie sich den gesamten Inhalt der Tüte - ungeachtet seiner Verwendungsfähigkeit - (zumindest vorübergehend) aneignen wollten. Dies umso mehr, als die Jugendkammer auch festgestellt hatte, dass der Angeklagte die verfahrensgegenständlichen Taten begangen hat, 'um an Geld zu gelangen' (UA S. 15, 24). ... Auch wenn sich die Vorstellung der Angeklagten vom Inhalt der Tüte demnach nicht auf einen bestimmten Gegenstand konkretisiert (vgl. zu Bargeld BGH StV 1983, 460; 1987, 245; 1990, 205f), sondern sich lediglich auf 'zum Eigengebrauch verwendungsfähige oder veräußerbare Gegenstände' erstreckt hatte, setzt eine Tatbestandsvollendung einen diesbezüglichen Inhalt der Tüte voraus (vgl. BGHR StGB § 242 Abs. 1 Zueignungsabsicht 7; BGH JR 1999, 336; NStZ 2004, 333). Andernfalls wäre in denjenigen Fällen, in denen sich die Vorstellung des Täters bei Wegnahme eines Behältnisses auf einen bestimmten Gegenstand als Inhalt konkretisiert hätte, lediglich eine Versuchsstrafbarkeit gegeben, wenn das Behältnis den erwarteten Gegenstand nicht enthielte, während in denjenigen Fällen, in denen sich die Vorstellung des Täters nur auf den späteren Verwendungszweck des Gegenstandes ('brauchbar', 'veräußerbar', etc.) konkretisiert hätte, trotz 'Zweckverfehlung' bereits Vollendung gegeben wäre."
5
Dem schließt sich der Senat an.
6
b) Darüber hinaus entbehrt die Feststellung, der in Mittäterschaft mit dem Angeklagten P. handelnde Mitangeklagte K. habe bei der Wegnahme der Stofftüte einen Griff der Trägerin überwinden müssen, "der fester war als zum bloßen Tragen der Tasche erforderlich", mithin im Sinne von § 249 Abs. 1 StGB Gewalt gegen eine Person ausgeübt, einer sie tragenden rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Das Landgericht stützt diese Annahme ausschließlich auf die Einräumung der Angeklagten, es treffe vollumfänglich zu, was ihnen in der Anklageschrift vorgeworfen werde; nach deren "Maßgabe" habe die Geschädigte die Tüte aber nicht bloß in der Hand gehabt, sondern diese festgehalten.
7
Zwar unterfällt auch die Bewertung eines Geständnisses dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Das Tatgericht muss allerdings, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein. Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das abgelegte Geständnis mit dem Ermittlungsergebnis zu vereinbaren ist, ob es in sich stimmig ist und ob es die getroffenen Feststellungen trägt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 3 StR 335/11, NStZ-RR 2012, 256).
8
Daran mangelt es hier. Unter den gegebenen Umständen hätte sich das Landgericht bei der Prüfung der zur Wegnahme erforderlichen Kraftentfaltung nicht allein auf die pauschale Einräumung der Angeklagten stützen dürfen, die Vorwürfe in der Anklageschrift träfen vollumfänglich zu. Die dort gewählte Formulierung , die Geschädigte habe die Tasche "festgehalten", lässt bereits für sich betrachtet keinen eindeutigen Rückschluss auf das Maß ihres der Wegnahme entgegengesetzten Widerstands zu; ob die Angeklagten gerade auch einen Griff der Geschädigten einräumen wollten, der fester war als zum bloßen Tragen erforderlich, bleibt danach offen. Hinzu kommt, dass der Angeklagte P. die Geschädigte während der Wegnahmehandlung bewusst ablenkte, um die Tatausführung zu erleichtern. Was diesen betrifft, entzog sich der zur Wegnahme erforderliche Kraftaufwand schließlich der unmittelbaren Wahrnehmung.
9
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen auch die Schuldsprüche wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung (§§ 255, 253, 250 Abs. 2 Nr. 1, § 22 StGB) im Falle V. 4. der Urteilsgründe.
10
Nach den Feststellungen forderte der Mitangeklagte K. entsprechend dem gemeinsamen Tatplan den Geschädigten "unter Vorhalt eines Anglermessers" zur Herausgabe seines Mobiltelefons auf. Als der Geschädigte dies ablehnte, flüchteten die Angeklagten. Einen freiwilligen Rücktritt der Angeklagten vom unbeendeten Versuch (§ 24 Abs. 2 StGB) hat das Landgericht danach verneint und hierzu weiter festgestellt, die Angeklagten hätten nach der endgültigen Ablehnung ihres Ansinnens erkannt, dass sie die Tat nicht mehr ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten oder anderen bereitstehenden Mitteln würden vollenden können.
11
Dies hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, denn die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten nach der Weigerung des Geschädigten keine Handlungsalternative mehr gesehen, mit der sie im unmittelbaren Fortgang noch hätten zur Tatvollendung gelangen können, findet im mitgeteilten Beweisergebnis keine Stütze. Zwar liegt es nach den Umständen nahe , dass die Angeklagten unüberwindliche Hemmungen (hierzu BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91) hatten, das Messer nötigenfalls über ein bloßes Mittel der Bedrohung hinaus einzusetzen. Nicht belegt ist aber, dass sie keine Möglichkeit mehr sahen, ihre Einwirkung auf die Willensfreiheit des Geschädigten noch zu verstärken, auch ohne diesen körperlich zu verletzen. Insbesondere lässt die Feststellung, der Mitangeklag- te habe dem Geschädigten das Messer "vorgehalten", nicht erkennen, welche Intensität die Bedrohung bereits erreicht hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 - 3 StR 257/09, NStZ 2009, 688).
12
3. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen V. 3. und 4. der Urteilsgründe führt beim Angeklagten P. weiter zur Aufhebung des Urteils im Ausspruch über die Einheitsjugendstrafe und beim Mitangeklagten K. zum Wegfall der in diesen Fällen bemessenen Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe.
13
Auch unabhängig davon hätte der Ausspruch über die Einheitsjugendstrafe keinen Bestand.
14
Nach den Feststellungen hatte das einbezogene Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach (vom 21. Januar 2010) seinerseits eine Verurteilung des Angeklagten zu Jugendstrafe durch dasselbe Gericht vom 22. Oktober 2009 einbezogen. Das jenem Urteil zugrunde liegende Tatgeschehen teilt das Landgericht nicht mit. Hierzu wäre es indes gehalten gewesen, um die revisionsrechtliche Nachprüfung der Strafzumessung zu ermöglichen, denn im Rahmen der Strafzumessung sind alle einzubeziehenden Straftaten im Wege einer Gesamtwürdigung neu zu bewerten und zur Grundlage einer einheitlichen Sanktion zu machen. Erforderlich ist eine neue, selbstständige, von der früheren Beurteilung unabhängige einheitliche Rechtsfolgenbemessung für die früher und jetzt abgeurteilten Taten (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1992 - 1 StR 531/92, BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 7; Beschlüsse vom 22. September 1999 - 3 StR 358/99, StV 1999, 661; vom 17. Juli 2012 - 3 StR 219/12; vom 19. Mai 2011 - 3 StR 134/11; Eisenberg, JGG, 16. Aufl., § 31 Rn. 62 f.).
15
Der neue Tatrichter wird auch zu beachten haben, dass weitere frühere Entscheidungen, die ihrerseits in ein einzubeziehendes Urteil einbezogen waren , in der Urteilsformel zu bezeichnen sind (Eisenberg, aaO § 54 Rn. 20 mwN).
Becker Pfister Schäfer
Mayer Spaniol

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juli 2013 - 3 StR 174/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juli 2013 - 3 StR 174/13

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juli 2013 - 3 StR 174/13 zitiert 12 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu

Strafgesetzbuch - StGB | § 22 Begriffsbestimmung


Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

Strafgesetzbuch - StGB | § 242 Diebstahl


(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Strafgesetzbuch - StGB | § 24 Rücktritt


(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be

Strafgesetzbuch - StGB | § 249 Raub


(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird m

Strafgesetzbuch - StGB | § 253 Erpressung


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten

Strafgesetzbuch - StGB | § 255 Räuberische Erpressung


Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 31 Mehrere Straftaten eines Jugendlichen


(1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt das Gericht nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtm

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juli 2013 - 3 StR 174/13 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juli 2013 - 3 StR 174/13 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juli 2012 - 3 StR 219/12

bei uns veröffentlicht am 17.07.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 219/12 vom 17. Juli 2012 in der Strafsache gegen wegen Geiselnahme Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 17. J

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2012 - 3 StR 335/11

bei uns veröffentlicht am 07.02.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 335/11 vom 7. Februar 2012 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung u.a. hier: Revisionen der Angeklagten S. , R. ,

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2011 - 3 StR 134/11

bei uns veröffentlicht am 19.05.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 134/11 vom 19. Mai 2011 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - a

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juli 2009 - 3 StR 257/09

bei uns veröffentlicht am 09.07.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 257/09 vom 9. Juli 2009 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u. a.; hier: Revision des Angeklagten S. Ö. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Sept. 2006 - 4 StR 347/06

bei uns veröffentlicht am 26.09.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 347/06 vom 26. September 2006 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. zu Ziff. 1. und 2.: wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu Ziff. 3.: wegen Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung De
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juli 2013 - 3 StR 174/13.

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Apr. 2019 - 3 StR 530/18

bei uns veröffentlicht am 03.04.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 530/18 vom 3. April 2019 in der Strafsache gegen wegen Wohnungseinbruchdiebstahls ECLI:DE:BGH:2019:030419B3STR530.18.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Ge

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juli 2017 - 3 StR 182/17

bei uns veröffentlicht am 26.07.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 182/17 vom 26. Juli 2017 in der Strafsache gegen wegen Wohnungseinbruchdiebstahls ECLI:DE:BGH:2017:260717B3STR182.17.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Ge

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Okt. 2016 - 3 StR 173/16

bei uns veröffentlicht am 13.10.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 173/16 vom 13. Oktober 2016 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen besonders schweren Raubes u.a. ECLI:DE:BGH:2016:131016B3STR173.16.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdefü

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Nov. 2015 - 4 StR 276/15

bei uns veröffentlicht am 17.11.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 276/15 vom 17. November 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen zu 1.: besonders schweren Raubes u.a. zu 2.: Raubes Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der B

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 335/11
vom
7. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung u.a.
hier: Revisionen der Angeklagten S. , R. , L. , B. , K. ,
Br. , Sü. und Re.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts am 7. Februar 2012 gemäß § 349
Abs. 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten S. , R. , L. , B. , K. , Br. , Sü. und Re. wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 11. April 2011, soweit es sie und die Mitangeklagten D. , G. , T. , Ho. , H. , Sch. , Rei. , St. , W. und Ku. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben mit Ausnahme des Schuldspruchs bezüglich der Mitangeklagten D. , Ho. und Rei. in den Fällen C. I., II. und III. der Urteilsgründe, der in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen sowie der Einziehung des Wurfsterns, der Schlagringe, der Patronen und der Kartuschen mit Magazin.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten S. , R. , L. , B. , K. , Br. , Sü. und Re. sowie die nichtrevidierenden Mitangeklagten D. , G. , T. , Ho. , H. , Sch. , Rei. , St. und W. , die unter der Bezeichnung "Widerstand-Radio" ein Internetradio zur Verbreitung rechtsradikalen Gedankenguts betrieben, wegen der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" in Tateinheit mit Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole, öffentlicher Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung, Gewaltdarstellung , Billigung von Straftaten, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener verurteilt. Weiter hat es die Mitangeklagten Ku. und W. - diesen in einem weiteren Fall - der "Bildung einer kriminellen Vereinigung", die Mitangeklagten D. , Ho. und Rei. der Straftaten nach dem Waffengesetz sowie den Mitangeklagten D. der gemeinschädlichen Sachbeschädigung für schuldig befunden. Es hat gegen alle Angeklagten (Gesamt-)Freiheitsstrafen verhängt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revisionen der Angeklagten S. , R. , L. , B. , Ku. , Br. , Sü. und Re. haben mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensbeanstandungen kommt es daher nicht mehr an. Die Aufhebung des Urteils erstreckt sich in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang auf die nichtrevidierenden Mitangeklagten.
2
I. Der Schuldspruch unterliegt in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang der Aufhebung, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht den Mindestanforderungen entspricht, die an die richterliche Überzeugungsbildung zu stellen sind.
3
1. Das Landgericht hat bei der Verurteilung der Angeklagten wegen "Bildung einer kriminellen Vereinigung" und - mit Ausnahme des Mitangeklagten Ku. - wegen zahlreicher mitverwirklichter Äußerungs- und Propagandadelikte unter anderem Feststellungen zu 150 Liedern größtenteils rechtsradikalen Inhalts getroffen, deren textliche Darstellung - teilweise in deutscher Überset- zung der englischen Originalfassung - über siebzig Urteilsseiten umfasst. Es hat weiter bei einem Großteil der Angeklagten über einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahr mit minutengenauer Darstellung der Spielzeiten eine Vielzahl von über das "Widerstand-Radio" gesendeten Liedern und Äußerungen der Angeklagten nach Datum und Uhrzeit festgestellt. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat es lediglich ausgeführt, die getroffenen Feststellungen beruhten "auf den glaubhaften geständigen Einlassungen der Angeklagten in der Hauptverhandlung , den verlesenen Registerauszügen und den glaubhaften Bekundungen der Zeugen KOK Scha. und KOK Sto. , die insbesondere über den Gang des Ermittlungsverfahrens berichtet haben."
4
2. Das Landgericht hat sich damit - auf die Sachrüge beachtlich - seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten auf unzureichender Basis verschafft. Hierzu gilt:
5
a) Das deutsche Strafprozessrecht wird von dem Grundsatz beherrscht, dass die Gerichte von Amts wegen den wahren Sachverhalt aufzuklären haben (§ 244 Abs. 2 StPO). Auf dieser Grundlage (§ 261 StPO) ist der Schuldspruch zu treffen und sind die entsprechenden Rechtsfolgen festzusetzen. Dieser Grundsatz darf - schon wegen der Gesetzesbindung des Richters (Art. 20 Abs. 3 GG) - nicht dem Interesse an einer einfachen und schnellstmöglichen Erledigung des Verfahrens geopfert werden. Es ist daher unzulässig, dem Urteil einen Sachverhalt zu Grunde zu legen, der nicht auf einer Überzeugungsbildung unter vollständiger Ausschöpfung des Beweismaterials beruht. Dies gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte - unter Umständen im Rahmen einer Verfahrensabsprache - geständig zeigt. Zwar unterfällt auch die Bewertung eines Geständnisses dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Das Tatgericht muss allerdings, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein (BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 - 2 StR 156/98, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 31). Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das abgelegte Geständnis mit dem Ermittlungsergebnis zu vereinbaren ist, ob es in sich stimmig ist und ob es die getroffenen Feststellungen trägt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008 - 3 StR 21/08, NStZ 2009, 467 mwN). Die Beschränkung der Beweiswürdigung im Wesentlichen auf den bloßen Hinweis, der Angeklagte sei geständig gewesen, genügt insbesondere dann nicht, wenn aufgrund der Komplexität und der zahlreichen Details des festgestellten Sachverhalts Zweifel bestehen können, dass der Angeklagte an das Tatgeschehen eine auch in den Einzelheiten genügende Erinnerung hat (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 1995 - 4 StR 698/95, StV 1996, 214, 215).
6
b) Nach diesen Maßstäben hält die Beweiswürdigung rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat es ausweislich der Urteilsgründe unterlassen, die Geständnisse der Angeklagten näher zu verifizieren. Damit beruht seine Überzeugung nicht auf einer tragfähigen Grundlage. Insbesondere mit Blick auf die jeweils genauen Texte einer großen Zahl teilweise fremdsprachiger Lieder sowie die Frage, welcher Angeklagte genau bei welcher Moderation genau welche Lieder zu Gehör brachte, liegt es auf der Hand, dass die Angeklagten sich insoweit nicht an die exakten Einzelheiten des zudem einige Zeit zurückliegenden Geschehens erinnern konnten.
7
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs wirkt gemäß § 357 StPO auch zugunsten des Angeklagten Br. , der seine Revision auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2006 - 1 StR 57/06, BGHSt 51, 34, 39), sowie zugunsten der nichtrevidierenden Mitangeklagten D. , G. , T. , Ho. , H. , Sch. , Rei. , St. , W. und Ku. , soweit sie wegen der nämlichen Tat, die sich hier nach der Mitgliedschaft an derselben kriminellen Vereinigung bestimmt, verurteilt worden sind. Der materiell-rechtliche Fehler einer unzureichenden Überzeugungsbildung betrifft den Angeklagten Br. sowie die genannten Mitangeklagten - die Mitangeklagten W. und Ku. (auch) wegen der Verurteilung unter I.2 der Urteilsformel - in gleicher Weise. Bezüglich der Mitangeklagten D. , Ho. und Rei. erstreckt sich die Aufhebung indessen nicht auf die Verurteilung in den Fällen C. I., II. und III. der Urteilsgründe , die jeweils nicht die nämliche Tat im Sinne des § 357 StPO betrifft.
8
Dass sich die Anforderungen an die Urteilsgründe hinsichtlich der nichtrevidierenden Mitangeklagten nur nach dem Maßstab des § 267 Abs. 4 StPO bestimmen, steht einer Erstreckung nicht entgegen, denn es handelt sich hier nicht nur um einen bloßen Erörterungsmangel (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. November 2004 - 5 StR 376/03, NStZ 2005, 223, insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 49, 342 ff.; vom 4. Februar 1997 - 5 StR 12/97; vom 22. September 2011 - 2 StR 383/11, StV 2012, 133, 134). Vielmehr ist das Landgericht aufgrund einer unzureichenden Beweiswürdigung zu einer Verurteilung sämtlicher Angeklagter gelangt. Von der Verpflichtung des Tatgerichts, seine Überzeugung auf eine tragfähige Grundlage zu stützen, vermag aber auch § 267 Abs. 4 StPO, der nur Darstellungspflichten betrifft, nicht zu befreien.
9
II. Die Aufhebung des Schuldspruchs zieht für die Angeklagten S. , R. , L. , B. , K. , Br. , Sü. und Re. sowie die Mitangeklagten G. , T. , H. , Sch. , St. , W. , Ku. , D. , Ho. und Rei. die Aufhebung auch des Rechtsfolgenausspruchs nach sich. Für die Mitangeklagten D. , Ho. und Rei. bleibt es allerdings bei den in den Fällen C. I., II. und III. der Urteilsgründe ver- hängten Einzelstrafen und der auf diesen Taten beruhenden Einziehungsentscheidung.
10
III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
11
1. Das neue Tatgericht wird bei der rechtlichen Würdigung zu beachten haben, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats zum Konkurrenzverhältnis (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216, 235) bei einer Verurteilung nach § 129 StGB im Schuldspruch die konkrete Begehungsform zu bezeichnen ist.
12
Nach den bisherigen Feststellungen waren die Angeklagten Sü. , G. und Ku. Gründer des "Widerstand-Radios" und beteiligten sich unmittelbar im Anschluss daran in der Folgezeit - teils unterschiedlich lang - als Mitglied an der Vereinigung. Sollte sich dies erneut bestätigen, stünde die Gründung, die im Verhältnis zur Beteiligung als Mitglied einen selbständigen Unrechtsgehalt aufweist , zu der mitgliedschaftlichen Betätigung in Tateinheit und wäre nicht nur bei der Bewertung des Schuldumfangs im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. Vielmehr gebietet es das Erfordernis der Rechtsklarheit in diesem Fall, bereits im Schuldspruch zu verdeutlichen, dass über die mitgliedschaftliche Beteiligung hinaus eine weitere, eigenständige Tathandlung des § 129 Abs. 1 StGB verwirklicht wurde (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009, aaO).
13
2. Sollte das neue Tatgericht im Rahmen der Hauptverhandlung erneut das Senden von Liedern und Äußerungen feststellen, wird es - genauer als bisher - jedes Lied und jede Äußerung, die es zur Grundlage des Schuld- und Strafausspruchs macht, unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. insbesondere BVerfG, Beschlüsse vom 25. März 2008 - 1 BvR 1753/03, NJW 2008, 2907; vom 15. September 2008 - 1 BvR 1565/05, NJW 2009, 908; vom 18. Mai 2009 - 2 BvR 2202/08, NJW 2009, 2805) und des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2008 - 3 StR 394/07, juris) daraufhin zu untersuchen haben, ob hierdurch Äußerungs- und Propagandadelikte verwirklicht worden sind. Das gilt insbesondere für die Feststellung der in § 130 StGB unter Strafe gestellten Tathandlungen (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2008, aaO Rn. 13 ff.).
14
3. Die im angefochtenen Urteil vorgenommene mittäterschaftliche Zurechnung zu Lasten aller Angeklagten, die während eines gemeinsamen Zeitraums Mitglied der Vereinigung waren, unabhängig davon, ob sie in eigener Person ein Äußerungs- und Propagandadelikt begangen haben, widerspricht - wie auch die konkurrenzrechtliche Bewertung der einzelnen Taten - der ständigen Rechtsprechung. Danach hat nicht allein der Zusammenschluss zu einer kriminellen Vereinigung zur Folge, dass jede von einem Vereinigungsmitglied begangene Straftat jedem sonstigen Mitglied im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann. Vielmehr ist für jede einzelne Tat nach den allgemeinen Kriterien festzustellen, ob sich die anderen Mitglieder hieran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt oder ob sie gegebenenfalls überhaupt keinen strafbaren Tatbeitrag geleistet haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Dezember 2009 - StB 51/09, NStZ 2010, 445, 447 f.; vom 24. Juli 2008 - 3 StR 243/08, StV 2008, 575; vom 13. Mai 2003 - 3 StR 128/03, StV 2004, 21, 22; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 25 Rn. 12a).
15
Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen ist schon mangels eigener Tathandlung bzw. die fremde Tat fördernder Handlung für eine Zurechnung der Moderationen anderer Beteiligter jeweils wechselseitig über § 25 Abs. 2 StGB oder § 27 StGB kein Raum. Auch der vom Generalbundesanwalt herangezogene Umstand, dass es einen wöchentlichen "Teamspeak" gab - in dem u.a. auch über Aufnahme neuer und Ablösung bisheriger Moderatoren einstimmig abgestimmt wurde - und dieser für alle Mitglieder verpflichtend war, erlaubt keine Zurechnung der jeweils getätigten Äußerungs- und Propagandadelikte eben dieser zu anderen Mitgliedern der Vereinigung. Es stand nach den Feststellungen vielmehr den Betreffenden frei, wann und wie oft sie Moderationen durchführten, wobei jeder Moderator Titel aus seinem eigenen Bestand spielte. Dass die Moderatoren sich untereinander mit Titeln aushalfen und Liedtitel auch in einem nur für sie zugänglichen internen Forum abgelegt waren, kann mangels näherer Feststellungen zur Art der Titel und des Zugriffs darauf die Zurechnung ebenfalls nicht begründen.
16
Deshalb wird möglicherweise bei allen Beteiligten hinsichtlich der - tateinheitlich begangenen - Äußerungs- und Propagandadelikte vor allem darauf abzustellen sein, wie viele Verstöße sie durch eigenes Senden der Beiträge und Lieder verwirklicht haben. Zusätzlich wird zu prüfen sein, ob denjenigen Beteiligten, die einen wesentlichen Beitrag zur tatnotwendigen Infrastruktur geleistet haben, die von anderen Moderatoren gesendeten Inhalte als einheitliches Äußerungs- oder Propagandadelikt im Sinne eines uneigentlichen Organisationsdelikts zugerechnet werden können. Wegen der diesbezüglichen weiteren Einzelheiten verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 19. April 2011 (3 StR 230/10, BGHR StGB § 129 Konkurrenzen 3).
17
4. Schließlich wird das neue Tatgericht zugunsten des Angeklagten S. gegebenenfalls Anlass zur Prüfung einer Strafmilderung nach § 129 Abs. 6 Nr. 1, § 49 Abs. 2 StGB haben.
Becker Pfister Hubert Schäfer Menges

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 347/06
vom
26. September 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
zu Ziff. 1. und 2.: wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung
zu Ziff. 3.: wegen Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 26. September 2006 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 5. April 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:
2
- den Angeklagten H. wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit unerlaubtem Führen einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren;
3
- den Angeklagten N. wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung und mit Beihilfe zum unerlaubten Führen einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und
4
- den Angeklagten M. wegen Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung und zum unerlaubten Führen einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
5
Ferner hat es die Einziehung eines Kraftfahrzeugs des Angeklagten H. angeordnet.
6
Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg.
7
Die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts der Angeklagten H. und N. von dem mittäterschaftlich begangenen Versuch der schweren räuberischen Erpressung und des Angeklagten M. von der hierzu geleisteten Beihilfe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
1. Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte H. - notfalls mit Gewalt - die Herausgabe eines Spielautomaten erzwingen, obwohl er entgegen den getroffenen Vereinbarungen den Kaufpreis nicht bezahlt hatte. Die Angeklagten N. und M. fuhren mit dem Angeklagten H. zu der Halle der Spielautomatenfirma, um den Angeklagten H. bei seinem Vorhaben zu unterstützen. Die zuvor vom Angeklagten H. beschaffte funktionsfähige Pumpgun, die mit mindestens sechs Plastikschrotpatronen geladen und gesichert war, sollte lediglich als Drohmittel eingesetzt werden. Während der Angeklagte M. zunächst in dem Pkw des Angeklagten H. , in dem die Pumpgun verblieb, wartete, gingen die Angeklagten H. und N. in die Halle. Gemeinsam versuchten sie den Verkäufer Serkan A. zur Herausgabe des Spielautomaten zu veranlassen. Der Angeklagte H. bedrohte Serkan A. und Sinan Ö. , der beschwichtigen wollte, mit einem Klappmesser. Nachdem der Angeklagte H. das Messer beiseite geworfen hatte, veranlasste er den Angeklagten N. , die Pumpgun zu holen. Als dieser mit der Waffe in die Halle zurückkehrte und sie dem Angeklagten H. aushändigte , kam der Angeklagte M. in die Halle, um durch seine Anwesenheit dazu beizutragen, dass der Angeklagte H. sein Vorhaben durchsetzen konnte. Der Angeklagte H. richtete die Waffe auf Serkan A. und Sinan Ö. . Er repetierte dreimal, so dass jeweils eine Schrotpatrone aus der Waffe ausgeworfen wurde, und schlug auf Sinan Ö. , der ihm die Waffe aus der Hand reißen wollte, mit dem Griffstück der Pumpgun ein. Um sich weiterer Angriffe zu erwehren, ergriff Sinan Ö. einen Monitor und warf ihn in Richtung des Angeklagten H. . Danach verließen die Angeklagten unter Mitnahme der noch mit mindestens drei Patronen geladenen Pumpgun die Halle.
9
2. Die Frage eines strafbefreienden Rücktritts hat das Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung nur hinsichtlich des Angeklagten H. näher erörtert und einen Rücktritt "entsprechend § 24 StGB" verneint, weil "alleiniger Grund für die Aufgabe der weiteren Tatausführung war, dass der Angeklagte H. erkennen musste und auch erkannt hat, dass er allein durch Drohungen den Automaten nicht erhalten würde. Der Zeuge Sinan Ö. , der dem Verkäufer A. zu Hilfe geeilt war, ließ sich weder durch das Messer noch die Pumpgun nachhaltig beeindrucken. Ein möglicher scharfer Schusswaffengebrauch, um doch noch das Geldspielgerät zu bekommen, war vom Angeklagten H. aber nicht beabsichtigt und gewollt. Der Versuch der Erpressung war damit mit den zur Verfügung stehenden Tatmitteln gescheitert und fehlgeschlagen".
10
Diese Begründung lässt besorgen, dass die Strafkammer dem Tatplan für die Beurteilung der Rücktrittsfrage eine Bedeutung zugemessen hat, die ihr nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr zukommt (vgl. BGHSt 31, 170, 175; 35, 90, 93; 39, 221, 227). Entscheidend ist danach nicht, ob der Angeklagte seinen ursprünglichen Tatplan nicht verwirklichen konnte, sondern ob ihm infolge einer Veränderung der Handlungssituation oder aufkommender innerer Hemmungen das Erreichen seines Zieles nicht mehr möglich erschien. War der Angeklagte aber noch Herr seiner Entschlüsse, hielt er die Ausführung der Tat - wenn auch mit anderen Mitteln - noch für möglich , dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Angeklagte aus sittlich billigenswerten Motiven oder aus anderen Gründen von weiteren Angriffen absah (vgl. BGH StV 1993, 189; StV 2003, 217, jew. m.w.N.).
11
Die Frage, ob nach den vorgenannten Grundsätzen ein fehlgeschlagener Versuch, oder was nach den bisherigen Feststellungen nahe liegt, ein unbeendeter Versuch vorliegt, hätte gemäß § 28 Abs. 2 StGB für jeden Angeklagten gesonderter Prüfung bedurft. Zwar haben die Angeklagten H. und N. als Mittäter und der Angeklagte M. als Gehilfe gehandelt, so dass die Vorschrift des § 24 Abs. 2 StGB zu erörtern war. Auch wenn danach der Rücktritt eines Tatbeteiligten nicht ohne Weiteres zu Gunsten anderer Tatbeteiligter wirkt, kann es hierfür jedoch ausreichen, wenn die Tatbeteiligten nach unbeendetem Versuch einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie dies hätten tun können (vgl. BGHSt 42, 158, 162; 44, 204, 208; BGH StraFo 2003, 207), wobei es ausreicht, dass ein Tatbeteiligter mit dem die Tatvollendung verhindernden Rücktritt eines anderen Tatbeteiligten einverstanden ist (vgl. BGHSt 44, 204, 208 m.w.N.). Da nach den bisherigen Feststellungen, auch soweit es die Angeklagten N. und M. betrifft, die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts in Betracht kommt, bedarf die Sache insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
VRi'inBGH Dr. Tepperwien RiBGH Maatz ist Athing ist krankheitsbedingt an der urlaubsbedingt an der Unterzeichnung gehindert. Unterzeichnung gehindert. Athing Athing
Solin-Stojanović Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 257/09
vom
9. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u. a.;
hier: Revision des Angeklagten S. Ö.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 9. Juli 2009 gemäß § 349 Abs. 4,
§ 357 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten S. Ö. wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 13. März 2009 mit den Feststellungen aufgehoben, auch soweit es den Angeklagten O. Ö. betrifft.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten S. Ö. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten S. Ö. und O. Ö. der versuchten schweren räuberischen Erpressung und des Diebstahls schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten S. Ö. zu einer Jugendstrafe von neun Monaten und den Angeklagten O. Ö. zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten S. Ö. hat mit der Sachrüge Erfolg. Sein Rechtsmittel führt nach § 357 StPO auch zur Aufhebung der Verurteilung des Mitangeklagten O. Ö. .

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen die Angeklagten überein, ein Lebensmittelgeschäft zu überfallen. Sie beabsichtigten, die Inhabe- rin durch Bedrohung mit einem Klappmesser zur Herausgabe von Geld zu veranlassen ; einen "über die Drohung hinausgehenden Einsatz des Messers zum Zwecke der Verletzung anderer Personen schlossen sie jedoch von vornherein in jedem Fall aus". Nach dem Betreten des Geschäfts ging der Angeklagte O. Ö. zur Theke, hielt der Inhaberin das Messer vor und sagte "Geld her". Als die Inhaberin resolut entgegnete "ihr kriegt hier nichts", entschlossen sich beide Angeklagte, das Geschäft unverrichteter Dinge zu verlassen. Beim Hinausgehen entnahm der Angeklagte S. Ö. im Einverständnis mit dem Mitangeklagten zwei Zigarettenschachteln aus einem Regal und steckte sie ein.
3
2. Auf dieser Grundlage kann der Schuldspruch wegen schwerer räuberischer Erpressung keinen Bestand haben. Die Feststellungen legen die Möglichkeit nahe, dass die Angeklagten mit strafbefreiender Wirkung vom Erpressungsversuch zurückgetreten sein könnten (§ 24 Abs. 2 Satz 1 StGB). Hiermit hat sich das Landgericht rechtsfehlerhaft nicht auseinandergesetzt.
4
a) Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB werden bei Tatbeteiligung mehrerer diejenigen Beteiligten nicht wegen Versuchs bestraft, die freiwillig die Tatvollendung verhindern. Hierfür kann es genügen, wenn Mittäter im Falle eines unbeendeten Versuchs einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie dies tun könnten (BGHSt 42, 158, 162; BGH NStZ 2007, 91, 92 m. w. N.). Dies gilt zwar dann nicht, wenn der Versuch fehlgeschlagen ist. Das ist aber nur dann der Fall, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv - sei es auch nur wegen aufkommender innerer Hemmungen (BGH NStZ 2007, 91) - die Vollendung nicht mehr für möglich hält; abzustellen ist daher nicht auf den ursprünglichen Tatplan, sondern auf den Erkenntnishorizont des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (BGH NStZ 2008, 393). Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin, dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse , um den Erfolg herbeizuführen, von seinem Tatplan abweichen. Hält er vielmehr die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (BGH NStZ 2007, 91). Fehlgeschlagen ist der Versuch erst, wenn der Täter erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs (BGHSt 39, 221, 232; 41, 368, 369). Der ursprüngliche Tatplan kann je nach Fallgestaltung nur insoweit eine Rolle für den Erkenntnishorizont des Täters spielen, als die von ihm nach dem Scheitern seiner bisherigen Bemühungen erkannte Notwendigkeit , Tathandlung und -ablauf grundlegend zu ändern oder ein ganz anderes als das bisher verwendete Tatmittel einzusetzen, ein gewichtiges Indiz dafür darstellen kann, dass aus seiner Sicht der Versuch fehlgeschlagen ist (vgl. BGH NStZ 2008, 393).
5
b) Zu den Vorstellungen der Angeklagten nach Misslingen des zunächst ins Auge gefassten Tatablaufs - nach der Weigerung der Geschädigten, Geld herauszugeben - teilt das Urteil nichts mit. Selbst wenn die Feststellungen des Landgerichts dahin zu verstehen sein sollten, dass die Angeklagten unüberwindliche Hemmungen hatten, das Messer über ein bloßes Mittel der Bedrohung hinaus einzusetzen, und insoweit nicht Herr ihrer Entschlüsse waren, verstünde es sich indes nicht von selbst, dass sie keine weitere Handlungsalternative mehr sahen, mit der sie im unmittelbaren Fortgang noch hätten zur Tatvollendung gelangen können. Insbesondere lässt die Feststellung, der Angeklagte O. Ö. habe der Geschädigten das Messer "vorgehalten", nicht erkennen, welche Intensität die Bedrohung bereits erreicht hatte. Ein fehlgeschlagener Versuch ist damit nicht belegt.
6
3. Um dem Landgericht in Anbetracht des eng zusammenhängenden Geschehensablaufs insgesamt neue Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat das Urteil auch hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Diebstahls auf.

II.


7
In Bezug auf den Mitangeklagten O. Ö. hat der Senat nach § 357 Satz 1 StPO so zu erkennen, als ob dieser gleichfalls Revision eingelegt hätte. Das Urteil gegen diesen beruht auf demselben sachlich-rechtlichen Mangel, an dem auch der Schuldspruch gegen den Beschwerdeführer leidet.
8
Eine Entscheidung nach §§ 357 Satz 2, 47 Abs. 3 StPO ist nicht veranlasst , da das Landgericht den Haftbefehl gegen den Angeklagten O. Ö. bereits vor Eintritt der Rechtskraft aufgehoben hat.
Becker von Lienen Sost-Scheible RiBGH Dr. Schäfer ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Becker Mayer

(1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt das Gericht nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nebeneinander angeordnet oder Maßnahmen mit der Strafe verbunden werden. Die gesetzlichen Höchstgrenzen des Jugendarrestes und der Jugendstrafe dürfen nicht überschritten werden.

(2) Ist gegen den Jugendlichen wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig die Schuld festgestellt oder eine Erziehungsmaßregel, ein Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe festgesetzt worden, aber noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt, so wird unter Einbeziehung des Urteils in gleicher Weise nur einheitlich auf Maßnahmen oder Jugendstrafe erkannt. Die Anrechnung bereits verbüßten Jugendarrestes steht im Ermessen des Gerichts, wenn es auf Jugendstrafe erkennt. § 26 Absatz 3 Satz 3 und § 30 Absatz 1 Satz 2 bleiben unberührt.

(3) Ist es aus erzieherischen Gründen zweckmäßig, so kann das Gericht davon absehen, schon abgeurteilte Straftaten in die neue Entscheidung einzubeziehen. Dabei kann es Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel für erledigt erklären, wenn es auf Jugendstrafe erkennt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 219/12
vom
17. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Geiselnahme
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 17. Juli
2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 14. September 2011, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme "unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Stade vom 16. Februar 2010" - in das bereits zwei frühere Urteile einbezogen worden waren - zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Ausspruchs über die Jugendstrafe; im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat auf den zur Tatzeit 19 Jahre alten Angeklagten gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht angewendet und die Verhängung einer Jugendstrafe auf das Vorliegen schädlicher Neigungen sowie die Schwere der Schuld gestützt. Dies ist - für sich betrachtet - aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
3
2. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Höhe der Strafe begründet hat, begegnen jedoch durchgreifenden Bedenken.
4
Gemäß § 18 Abs. 2 JGG bemisst sich die Höhe der Jugendstrafe - auch wenn deren Verhängung vollständig oder teilweise auf die Schwere der Schuld gestützt wird - vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 3 StR 15/12, NStZ-RR 2012, 186, 187 mwN). Diesen Anforderungen genügen die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils nicht.
5
Das Landgericht hat zunächst zugunsten des Angeklagten seine Einlassung zum Tatvorwurf, die Verfahrensdauer, die erlittene Untersuchungshaft, die kurze Dauer der Bemächtigungslage und die Verwendung lediglich einer Gaswaffe berücksichtigt. Strafschärfend hat es die "jugendrechtlichen Vorbelastungen" des Angeklagten gewertet. Bei der "konkreten Strafzumessung" hat die Jugendkammer sodann "im Rahmen des absprachegemäß vereinbarten Strafrahmens einer Freiheitsstrafe zwischen einem Jahr und neun Monaten und zwei Jahren … die Verhängung einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten für ausreichend zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten" erachtet. Eine derartige lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens reicht grundsätzlich nicht aus (BGH, Beschluss vom 19. November 2009 - 3 StR 400/09, NStZ 2010, 281). Die insgesamt wenig sorgfältigen Ausführungen zur "konkreten Strafzumessung" enthalten ansonsten lediglich Erwägungen , die auch im Erwachsenenstrafrecht für die Bemessung der Rechtsfolgen maßgeblich sind; sie lassen deshalb auch in ihrem Zusammenhang ebenso wenig wie die sonstigen Urteilsgründe erkennen, dass die Jugendkammer den Erziehungsgedanken in der erforderlichen Weise beachtet hat.
6
3. Im Übrigen sind bei der Bildung einer Einheitsjugendstrafe dann, wenn in der einzubeziehenden Entscheidung bereits frühere Entscheidungen einbezogen waren, sämtliche Entscheidungen erneut einzubeziehen und im Urteilstenor entsprechend zu kennzeichnen. Im Rahmen der Strafzumessung sind alle einzubeziehenden Straftaten im Wege einer Gesamtwürdigung neu zu bewerten und zur Grundlage einer einheitlichen Sanktion zu machen. Erforderlich ist deshalb eine neue, selbstständige, von der früheren Beurteilung unabhängige einheitliche Rechtsfolgenbemessung für die früher und jetzt abgeurteilten Taten (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1992 - 1 StR 531/92, BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 7). Auch hieran fehlt es. Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 134/11
vom
19. Mai 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 19. Mai
2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der Auswärtigen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 22. November

2010


a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte der Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung in zwei Fällen sowie der Körperverletzung schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Einheitsjugendstrafe aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten "der sexuellen Nötigung im besonders schweren Fall (Vergewaltigung) in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Körperverletzung, sowie der Körperverletzung" schuldig gesprochen und ihn deswegen "unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Moers vom 03.11.2008" zu der Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren.
2
1. Das Rechtsmittel ist bezüglich des Schuldspruchs unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Jedoch fasst der Senat ihn zur Klarstellung neu. Verwirklicht der Täter einer sexuellen Nötigung - wie hier - das Regelbeispiel des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB, so ist die Tat in der Urteilsformel als Vergewaltigung zu bezeichnen, denn sowohl der Gesetzestext als auch die Überschrift heben mit diesem Begriff die mit einem Eindringen in den Körper verbundene Begehungsweise besonders hervor (BGH, Beschluss vom 30. März 2000 - 4 StR 94/00, NStZ-RR 2000, 357; Beschluss vom 27. Mai 1998 - 3 StR 204/98, NJW 1998, 2987).
3
2. Der Ausspruch über die Einheitsjugendstrafe hat dagegen keinen Bestand.
4
Nach den Feststellungen hatte das Urteil des Amtsgerichts Moers vom 3. November 2008 seinerseits Verurteilungen des Angeklagten zu Jugendstrafe durch dasselbe Gericht vom 5. April 2005 und vom 15. Januar 2007 einbezogen. Die diesen beiden Urteilen zugrunde liegenden Sachverhalte teilt das Landgericht indes nicht mit, obwohl es hierzu gehalten war, um die revisionsrechtliche Nachprüfung der Strafzumessung zu ermöglichen (BGH, Beschluss vom 22. September 1999 - 3 StR 358/99, StV 1999, 661; Eisenberg, JGG, 14. Aufl., § 31 Rn. 62 f.).
5
Hierzu wird der neue Tatrichter die erforderlichen ergänzenden Feststellungen zu treffen haben; die bisherigen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können aufrechterhalten bleiben.
6
Der neue Tatrichter wird auch zu beachten haben, dass weitere frühere Entscheidungen, die ihrerseits in ein einzubeziehendes Urteil einbezogen waren , in der Urteilsformel zu bezeichnen sind (Eisenberg aaO § 54 Rn. 20 mwN).
Becker RiBGH von Lienen befindet Schäfer sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Mayer Menges