Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juli 2017 - 3 StR 182/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:260717B3STR182.17.0
bei uns veröffentlicht am26.07.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 182/17
vom
26. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchdiebstahls
ECLI:DE:BGH:2017:260717B3STR182.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 26. Juli 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 30. Januar 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II. Fall 2 der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
c) soweit eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in fünf Fällen und versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Im Fall II. Fall 2 der Urteilsgründe hat der Schuldspruch keinen Bestand.
3
a) Das Landgericht hat insoweit folgende Feststellungen getroffen: Der Angeklagte brach mit einem unbekannten Mittäter in ein Wohnhaus ein, durchsuchte es und entwendete einen Schmuckkoffer mit Modeschmuck im Ge- samtwert von 125 €. Ein Nachbar der Geschädigten fand den Koffer samt Inhalt einen Tag später im Wald, sodass sie diesen letztlich zurückbekam.
4
b) Auf der Grundlage dieser Feststellungen kann die Verurteilung wegen vollendeten Wohnungseinbruchdiebstahls in diesem Fall keinen Bestand haben ; denn sie tragen nicht die Annahme, dass der Angeklagte und sein Tatgenosse bezüglich des Schmuckkoffers samt Modeschmuck die nach § 242 Abs. 1 StGB erforderliche Zueignungsabsicht hatten.
5
Enthält ein Behältnis, das der Täter in seinen Gewahrsam bringt, nicht die vorgestellte werthaltige Beute, auf die es ihm bei der Tat allein ankommt, und entledigt er sich - nachdem er dies festgestellt hat - deswegen des Behältnisses sowie des ggf. darin befindlichen, ihm nutzlos erscheinenden Inhalts, so kann er mangels Zueignungsabsicht bezüglich der erlangten Beute nicht wegen eines vollendeten, sondern nur wegen versuchten (fehlgeschlagenen) Diebstahls bestraft werden (BGH, Beschlüsse vom 13. Oktober 2016 - 3 StR 173/16, juris Rn. 5; vom 1. Februar 2000 - 4 StR 564/99, NStZ 2000, 531 f.; vom 9. Juli 2013 - 3 StR 174/13, NStZ-RR 2013, 309; jeweils mwN; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 162). So liegt es möglicherweise hier. Da der Nachbar den Schmuckkoffer samt dem Modeschmuck (ersichtlich in Tatortnähe) fand, liegt es nahe, dass der Angeklagte und sein Mittäter sich dessen entledigten, weil es sich hierbei nicht um die erhoffte wertvolle Beute handelte. Da Feststellungen zum konkreten Inhalt der Zueignungsabsicht der beiden bei der Tatbegehung fehlen, insbesondere nichts dafür dargetan ist, dass diese sich auf den Schmuckkoffer an sich oder jegliche darin befindlichen Sachen bezog, ist somit ein vollendeter Diebstahl nicht belegt.
6
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass zu den Vorstellungen des Angeklagten und seines Mittäters bei Wegnahme des Schmuckkoffers weitere Feststellungen getroffen werden können, ist das Urteil insoweit aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Aufhebung des Schuldspruches in diesem Fall führt zum Wegfall der hierfür bemessenen Einzelstrafe sowie zur Aufhebung der Gesamtstrafe.
7
2. Auch die Entscheidung, den Angeklagten nicht in einer Entziehungsanstalt unterzubringen, ist rechtsfehlerhaft.
8
a) Das Landgericht hat - insoweit den Angaben des Angeklagten folgend - festgestellt, dass dieser die Taten zur Finanzierung seiner Heroinsucht begangen hat. Von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es gleichwohl abgesehen, weil eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht nicht bestehe. Der Angeklagte verweigere die Exploration und zeige keine Therapiebereitschaft. Diese könne auch nicht geweckt werden, da der Angeklagte selbst mit Hilfe von Methadon vom Heroinkonsum weggekommen sei, in der Justizvollzugsanstalt keine Entzugserscheinungen gezeigt habe und ihm deshalb die Überzeugung fehle, überhaupt drogenabhängig zu sein. Aufgrund fehlender Erfolgsaussicht sei die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht gefordert gewesen.
9
b) Diese Begründung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Tatrichter ist grundsätzlich verpflichtet, einen Sachverständigen anzuhören, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt in Betracht kommt und deshalb eine Anordnung dieser Maßregel konkret zu erwägen ist (§ 246a Satz 2 StPO). Diese muss sich auch auf die Behandlungsaussichten beziehen (§ 246a Abs. 1 StPO). Nur wenn der Tatrichter die Maßregelanordnung allein in Ausübung seines Ermessens nicht treffen will und diese Entscheidung von sachverständigen Feststellungen unabhängig ist, ist er von dieser Verpflichtung befreit (BGH, Beschluss vom 20. September 2011 - 4 StR 434/11, NStZ 2012, 463, 464; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 246a Rn. 8; beide mwN). Verweigert der Angeklagte seine Untersuchung , so gestattet dies nicht den Verzicht auf eine gutachterliche Stellungnahme (LR/Becker aaO Rn. 9).
10
Vorliegend ergeben die Ausführungen im Urteil, dass das Landgericht eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in Betracht gezogen, mithin also erwogen hat. Damit war es auch gehalten, einen Sachverständigen beizuziehen. Dieses Verfahrenserfordernis konnte es nicht durch eine eigene Beurteilung der Erfolgsaussicht ersetzen, für die es sich nach dem Gesetz gerade sachverständiger Hilfe bedienen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 1999 - 4 StR 231/99 juris Rn. 4; vom 20. Januar 2004 - 4 StR 464/03, NStZ-RR 2004, 204, 205). Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob ausnahmsweise dann von einer Begutachtung abgesehen werden darf, wenn eine grundsätzlich in Betracht kommende Maßregelanordnung nach § 64 StGB nicht in Erwägung gezogen wird, weil nach den Umständen des Einzelfalls das Fehlen einer hin- reichenden Erfolgsaussicht auf der Hand liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2011 - 4 StR 434/11, NStZ 2012, 463, 464 mwN zum Meinungsstand). Denn hierfür sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich.
11
Über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss somit - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2009 - 3 StR 458/08, NStZ 2009, 261). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362 f.).
Becker RiBGH Dr. Schäfer befindet sich Spaniol im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Berg Hoch

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 242 Diebstahl


(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Strafprozeßordnung - StPO | § 246a Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung


(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Ange

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

5
Auf der Grundlage dieser Feststellungen können die Verurteilungen wegen vollendeten besonders schweren Raubes keinen Bestand haben. Denn die Zueignungsabsicht der Angeklagten richtete sich nicht auf die - auch nach den Ausführungen der Strafkammer geringwertige - Geldkassette, sondern auf das darin nach ihrer Vorstellung vorhandene Bargeld. Befindet sich in einem Behältnis , das die Täter in ihren Gewahrsam bringen, indes nicht die vorgestellte werthaltige Beute, kann in diesen Fällen nicht wegen eines vollendeten Diebstahls oder Raubes, sondern nur wegen (fehlgeschlagenen) Versuchs verurteilt werden (BGH, Beschlüsse vom 1. Februar 2000 - 4 StR 564/99, NStZ 2000, 531; vom 9. Juli 2013 - 3 StR 174/13, NStZ-RR 2013, 309; jeweils mwN; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 162).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 564/99
vom
1. Februar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 1. Februar 2000
gemäß §§ 349 Abs. 2 und 4, 357 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 18. Juni 1999, 1. auch soweit es die Mitangeklagten O. und H. betrifft, im Schuldspruch geändert und wie folgt neu gefaßt: Es sind schuldig,
a) der Angeklagte B. des versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit versuchter gefährlicher Körperverletzung ,
b) der Angeklagte O. des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und des versuchten Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit Totschlag, gefährlicher Körperverletzung und mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen Schlagring,
c) der Angeklagte H. des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und des versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. 2. Bezüglich des Angeklagten B. im Strafausspruch da- hin ergänzt, daß er unter Einbeziehung der Urteile des Amtsgerichts Rostock vom 22. Januar 1998 - 20 Ds 421/97 - und vom 27. März 1998 - 26 Ds 15/98 - zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt wird. II. Die weiter gehende Revision wird verworfen. III. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten des "schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung" schuldig gesprochen und ihn unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Rostock vom 27. März 1998 zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Mitangeklagten O. hat es "wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit dem Ausüben der tatsächlichen Gewalt über einen Schlagring" zu einer Jugendstrafe von acht Jahren und den Mitangeklagten H. "wegen schweren Raubes in Tatein-
heit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Ä nderung des Schuldspruchs, die entsprechend § 357 StPO auch auf die Mitangeklagten O. und H. , die keine Revision eingelegt haben, zu erstrecken ist. Im übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Schuldspruch im Fall III der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten und den Mitangeklagten H. jeweils wegen eines tateinheitlich begangenen vollendeten schweren Raubes und den Mitangeklagten O. wegen eines tateinheitlich begangenen vollendeten Raubes mit Todesfolge verurteilt hat:
Nach den Feststellungen hatten sich die Angeklagten zu dem Raubüberfall entschlossen, weil sie sich Geld für den Kauf von Kokain beschaffen wollten und aufgrund von Ä ußerungen eines früheren Mitgefangenen des Angeklagten H. annahmen, daß der mit anderen in einem Haus in B. wohnende G. , der mit Drogen handelte, dort in einer Kassette "die Drogen und sein Geld" aufbewahrte. Als der Angeklagte O. , nachdem einer der Bewohner des Hauses tödlich und ein weiterer schwer verletzt worden war, in dem Haus schließlich eine Stahlblechkassette gefunden hatte, zeigten "die dreiTäter" D. (einem anderen Hausbewohner ) die Kassette und fragten ihn, ob dies "die Kassette mit dem Geld" sei. Obwohl dieser ihnen erklärte, es handele sich nicht um die Geldkassette des G. , gingen die Angeklagten davon aus, die "gesuchte Kassette mit dem
Geld und den Drogen erbeutet zu haben", und nahmen sie mit nach Rostock. Dort brachen sie in einer Wohnung die Kassette auf. Da sich darin weder Geld noch Drogen befanden, ließen sie die Kassette in der Wohnung zurück.
Danach kam es den Angeklagten bei der Wegnahme der Kassette aber entgegen der Auffassung des Landgericht nicht (auch) auf die Zueignung des Behältnisses, sondern ausschließlich auf dessen vermuteten Inhalt an, so daß insoweit bei dem Angeklagten und dem Mitangeklagten H. lediglich ein versuchter schwerer Raub und bei dem Mitangeklagten O. ein versuchter Raub mit Todesfolge vorliegt (vgl. BGH StV 1983, 460; 1990, 408; BGHR StGB § 249 Abs. 1 Zueignungsabsicht 5; BGH, Beschluß vom 1. August 1995 - 4 StR 404/95). Ein strafbefreiender Rücktritt der Angeklagten, der hier nach § 24 Abs. 2 StGB nur bei einer einvernehmlichen Aufgabe der weiteren Tatausführung in Betracht käme, ist nach den Feststellungen ausgeschlossen, da ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt. Zwar kann ein Täter, der nach der letzten Ausführungshandlung den Erfolgseintritt zunächst für möglich hält, unmittelbar darauf aber erkennt, daß er sich geirrt hat, durch Abstandnahme von weiteren möglichen Ausführungshandlungen mit strafbefreiender Wirkung vom Versuch zurücktreten (vgl. BGHSt 39, 221, 227, 228; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1, Versuch , beendeter, jeweils m.w.N.). Eine Vollendung des geplanten Raubes ohne zeitliche Zäsur kam aber - auch nach den Vorstellungen der Angeklagten - schon deshalb nicht in Betracht, weil die Angeklagten ihren Irrtum erst nach der Rückfahrt von B. in die Wohnung in Rostock erkannten und sie zudem davon ausgingen, daß der Mitangeklagte O. einem der Hausbewohner tödliche Verletzungen zugefügt hatte; deshalb beseitigten sie die bei dem Überfall verwendeten Tatmittel und vereinbarten, daß sich der Angeklagte O. gegebenenfalls der Polizei stellen sollte.
§ 265 StPO steht der danach gebotenen Schuldspruchänderung, die entsprechend § 357 StPO auch auf die Mitangeklagten zu erstrecken ist, nicht entgegen. Der Senat schließt aus, daß sich die Angeklagten gegen den geänderten Schuldvorwurf anders als geschehen verteidigt hätten. Dies gilt - entgegen der Auffassung der Revision - auch für den Angeklagten, der ebenso wie die Mitangeklagten eingeräumt hat, daß sie es bei dem Überfall auf das in der Kassette vermutete Geld abgesehen hatten. Soweit der Angeklagte sich dahin eingelassen hat, er habe erst während der Rückfahrt nach Rostock bemerkt, daß die Mitangeklagten die Kassette mitgenommen hatten, läge im übrigen auch nach dieser - vom Landgericht aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme rechtsfehlerfrei für widerlegt erachteten - Aussage ein fehlgeschlagener Versuch vor.
Die Schuldspruchänderungen lassen die gegen den Angeklagten und den Mitangeklagten O. v erhängten Jugendstrafen und die in diesem Fall gegen den Angeklagten H. v erhängte Einzelfreiheitsstrafe unberührt, denn sie wirken sich auf den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat, den das Landgericht bei der Bemessung der Strafen zugrundegelegt hat, nicht aus. Der Unrechtsgehalt des allein deshalb, weil sich die gesuchte Beute in dem mitgenommenen Behältnis nicht befand, fehlgeschlagenen Versuchs reicht nahe an den Unwert eines vollendeten Raubes heran (vgl. Kuckein in KK-StPO 4. Aufl. § 354 Rdn. 18). Er wird zudem entscheidend durch die hierzu in Tateinheit stehenden Delikte geprägt, nämlich bei dem Angeklagten durch die vollendete und die versuchte gefährliche Körperverletzung, bei dem Mitangeklagten H. durch die gefährliche Körperverletzung und bei dem Angeklagten O. durch den Totschlag, die gefährliche Körperverletzung und die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen Schlagring.
In die Entscheidung des Amtsgerichts Rostock vom 27. März 1998, die bei der Bildung der gegen den Angeklagten verhängten Einheitsjugendstrafe einbezogen worden ist, war bereits die frühere Entscheidung des Amtsgerichts Rostock vom 22. Januar 1998 einbezogen. Zwar hat das Landgericht in den Urteilsgründen zutreffend ausgeführt, daß beide Entscheidungen des Amtsgerichts bei der Bildung der Einheitsjugendstrafe einzubeziehen waren. Demgemäß hätten aber nicht nur die Entscheidung des Amtsgerichts Rostock vom 27. März 1998 sondern auch die darin bereits einbezogene frühere Entscheidung im Urteilstenor entsprechend gekennzeichnet werden müssen (vgl. BGH NStZ 1999, 426; BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 7). Der Senat hat den Ausspruch über die gegen den Angeklagten verhängte Einheitsjugendstrafe entsprechend ergänzt.
Meyer-Goßner Kuckein Athing

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 174/13
vom
9. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen räuberischer Erpressung u.a.
hier: Revision des Angeklagten P.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am 9. Juli
2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 Satz 1 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 25. Januar 2013 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit er und der Mitangeklagte K. in den Fällen V. 3. und V. 4. der Urteilsgründe verurteilt worden sind,
b) soweit es den Angeklagten P. betrifft, im Ausspruch über die Einheitsjugendstrafe,
c) soweit es den Mitangeklagten K. betrifft, im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten der räuberischen Erpressung in zwei Fällen (Fälle V. 1. und 2. der Urteilsgründe), des schweren Raubes (Fall V. 3. der Urteilsgründe) und der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung (Fall V. 4. der Urteilsgründe) schuldig gesprochen, den Angeklagten P. darüber hinaus des Diebstahls in drei Fällen (Fälle V. 5. bis 7. der Urteilsgründe). Den Angeklagten P. hat es deswegen unter Einbeziehung "des Urteils des Amtsgerichts - Jugendschöffengerichts - Mönchengladbach, Az 127 Ls 140/09" zu der Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen den Mitangeklagten K. hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
2
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten P. hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Soweit die Angeklagten in den Fällen V. 3. und 4. der Urteilsgründe verurteilt worden sind, ist die Entscheidung gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den Mitangeklagten K. zu erstrecken.
3
1. Die Schuldsprüche wegen schweren Raubes (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB) im Falle V. 3. der Urteilsgründe haben keinen Bestand.
4
a) Die Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen einer vollendeten Tat. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt : "Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten der Angeklagte und der Mitangeklagte K. bei Wegnahme der Stofftüte weder Kenntnis noch konkrete Vorstellungen von deren Inhalt, sondern lediglich die Hoffnung, diese enthalte Gegenstände, die sie entweder selbst verwenden oder mit Gewinn veräußern könnten (UA S. 11, 16ff). Wie die Angeklagten mit den in der Tüte befindlichen Gegenständen - Prospekten und einem Schlüsselbund nebst Anhänger - letztendlich verfahren waren, konnte nicht geklärt werden. Insbesondere vermochte die Jugendkammer nicht auszuschließen, dass die Angeklagten diese Gegenstände alsbald weggeworfen hatten, weil sie damit nichts anzufangen wussten (UA S. 17). Diese Feststellungen tragen die Annahme eines vollendeten Raubes nicht, weil sich die Zueignungsabsicht der Angeklagten nur auf für sie verwendbare Gegenstände richtete, nicht auf die Tüte selbst oder für sie nutzlose Gegenstände. Auch wenn sich die Angeklagten 'keine konkreten Vorstellungen' vom Inhalt der Tüte machten , andererseits aber auch klar war, dass sie nicht zum Eigengebrauch oder zum Verkauf geeignete Gegenstände alsbald wegwerfen wollten, schließt letzteres aus, dass sie sich den gesamten Inhalt der Tüte - ungeachtet seiner Verwendungsfähigkeit - (zumindest vorübergehend) aneignen wollten. Dies umso mehr, als die Jugendkammer auch festgestellt hatte, dass der Angeklagte die verfahrensgegenständlichen Taten begangen hat, 'um an Geld zu gelangen' (UA S. 15, 24). ... Auch wenn sich die Vorstellung der Angeklagten vom Inhalt der Tüte demnach nicht auf einen bestimmten Gegenstand konkretisiert (vgl. zu Bargeld BGH StV 1983, 460; 1987, 245; 1990, 205f), sondern sich lediglich auf 'zum Eigengebrauch verwendungsfähige oder veräußerbare Gegenstände' erstreckt hatte, setzt eine Tatbestandsvollendung einen diesbezüglichen Inhalt der Tüte voraus (vgl. BGHR StGB § 242 Abs. 1 Zueignungsabsicht 7; BGH JR 1999, 336; NStZ 2004, 333). Andernfalls wäre in denjenigen Fällen, in denen sich die Vorstellung des Täters bei Wegnahme eines Behältnisses auf einen bestimmten Gegenstand als Inhalt konkretisiert hätte, lediglich eine Versuchsstrafbarkeit gegeben, wenn das Behältnis den erwarteten Gegenstand nicht enthielte, während in denjenigen Fällen, in denen sich die Vorstellung des Täters nur auf den späteren Verwendungszweck des Gegenstandes ('brauchbar', 'veräußerbar', etc.) konkretisiert hätte, trotz 'Zweckverfehlung' bereits Vollendung gegeben wäre."
5
Dem schließt sich der Senat an.
6
b) Darüber hinaus entbehrt die Feststellung, der in Mittäterschaft mit dem Angeklagten P. handelnde Mitangeklagte K. habe bei der Wegnahme der Stofftüte einen Griff der Trägerin überwinden müssen, "der fester war als zum bloßen Tragen der Tasche erforderlich", mithin im Sinne von § 249 Abs. 1 StGB Gewalt gegen eine Person ausgeübt, einer sie tragenden rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Das Landgericht stützt diese Annahme ausschließlich auf die Einräumung der Angeklagten, es treffe vollumfänglich zu, was ihnen in der Anklageschrift vorgeworfen werde; nach deren "Maßgabe" habe die Geschädigte die Tüte aber nicht bloß in der Hand gehabt, sondern diese festgehalten.
7
Zwar unterfällt auch die Bewertung eines Geständnisses dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Das Tatgericht muss allerdings, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein. Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das abgelegte Geständnis mit dem Ermittlungsergebnis zu vereinbaren ist, ob es in sich stimmig ist und ob es die getroffenen Feststellungen trägt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 3 StR 335/11, NStZ-RR 2012, 256).
8
Daran mangelt es hier. Unter den gegebenen Umständen hätte sich das Landgericht bei der Prüfung der zur Wegnahme erforderlichen Kraftentfaltung nicht allein auf die pauschale Einräumung der Angeklagten stützen dürfen, die Vorwürfe in der Anklageschrift träfen vollumfänglich zu. Die dort gewählte Formulierung , die Geschädigte habe die Tasche "festgehalten", lässt bereits für sich betrachtet keinen eindeutigen Rückschluss auf das Maß ihres der Wegnahme entgegengesetzten Widerstands zu; ob die Angeklagten gerade auch einen Griff der Geschädigten einräumen wollten, der fester war als zum bloßen Tragen erforderlich, bleibt danach offen. Hinzu kommt, dass der Angeklagte P. die Geschädigte während der Wegnahmehandlung bewusst ablenkte, um die Tatausführung zu erleichtern. Was diesen betrifft, entzog sich der zur Wegnahme erforderliche Kraftaufwand schließlich der unmittelbaren Wahrnehmung.
9
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen auch die Schuldsprüche wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung (§§ 255, 253, 250 Abs. 2 Nr. 1, § 22 StGB) im Falle V. 4. der Urteilsgründe.
10
Nach den Feststellungen forderte der Mitangeklagte K. entsprechend dem gemeinsamen Tatplan den Geschädigten "unter Vorhalt eines Anglermessers" zur Herausgabe seines Mobiltelefons auf. Als der Geschädigte dies ablehnte, flüchteten die Angeklagten. Einen freiwilligen Rücktritt der Angeklagten vom unbeendeten Versuch (§ 24 Abs. 2 StGB) hat das Landgericht danach verneint und hierzu weiter festgestellt, die Angeklagten hätten nach der endgültigen Ablehnung ihres Ansinnens erkannt, dass sie die Tat nicht mehr ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten oder anderen bereitstehenden Mitteln würden vollenden können.
11
Dies hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, denn die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten nach der Weigerung des Geschädigten keine Handlungsalternative mehr gesehen, mit der sie im unmittelbaren Fortgang noch hätten zur Tatvollendung gelangen können, findet im mitgeteilten Beweisergebnis keine Stütze. Zwar liegt es nach den Umständen nahe , dass die Angeklagten unüberwindliche Hemmungen (hierzu BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91) hatten, das Messer nötigenfalls über ein bloßes Mittel der Bedrohung hinaus einzusetzen. Nicht belegt ist aber, dass sie keine Möglichkeit mehr sahen, ihre Einwirkung auf die Willensfreiheit des Geschädigten noch zu verstärken, auch ohne diesen körperlich zu verletzen. Insbesondere lässt die Feststellung, der Mitangeklag- te habe dem Geschädigten das Messer "vorgehalten", nicht erkennen, welche Intensität die Bedrohung bereits erreicht hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 - 3 StR 257/09, NStZ 2009, 688).
12
3. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen V. 3. und 4. der Urteilsgründe führt beim Angeklagten P. weiter zur Aufhebung des Urteils im Ausspruch über die Einheitsjugendstrafe und beim Mitangeklagten K. zum Wegfall der in diesen Fällen bemessenen Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe.
13
Auch unabhängig davon hätte der Ausspruch über die Einheitsjugendstrafe keinen Bestand.
14
Nach den Feststellungen hatte das einbezogene Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach (vom 21. Januar 2010) seinerseits eine Verurteilung des Angeklagten zu Jugendstrafe durch dasselbe Gericht vom 22. Oktober 2009 einbezogen. Das jenem Urteil zugrunde liegende Tatgeschehen teilt das Landgericht nicht mit. Hierzu wäre es indes gehalten gewesen, um die revisionsrechtliche Nachprüfung der Strafzumessung zu ermöglichen, denn im Rahmen der Strafzumessung sind alle einzubeziehenden Straftaten im Wege einer Gesamtwürdigung neu zu bewerten und zur Grundlage einer einheitlichen Sanktion zu machen. Erforderlich ist eine neue, selbstständige, von der früheren Beurteilung unabhängige einheitliche Rechtsfolgenbemessung für die früher und jetzt abgeurteilten Taten (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1992 - 1 StR 531/92, BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 7; Beschlüsse vom 22. September 1999 - 3 StR 358/99, StV 1999, 661; vom 17. Juli 2012 - 3 StR 219/12; vom 19. Mai 2011 - 3 StR 134/11; Eisenberg, JGG, 16. Aufl., § 31 Rn. 62 f.).
15
Der neue Tatrichter wird auch zu beachten haben, dass weitere frühere Entscheidungen, die ihrerseits in ein einzubeziehendes Urteil einbezogen waren , in der Urteilsformel zu bezeichnen sind (Eisenberg, aaO § 54 Rn. 20 mwN).
Becker Pfister Schäfer
Mayer Spaniol

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 434/11
vom
20. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und auf Antrag des Beschwerdeführers am 20. September 2011
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 25. Mai 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
2. Die weiter gehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Kammer des Landgerichts Frankenthal zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen, in weiterer Tateinheit mit versuchtem schweren Raub, zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Von der Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Mit seiner hiergegen eingelegten Revision macht der Angeklagte einen Verstoß gegen § 246a StPO geltend und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Nachprüfung des Schuld-, und Strafausspruchs hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Nichtanordnung einer Maßregel gemäß § 64 StGB hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

I.


2
Die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat das Landgericht ohne sachverständige Hilfe verneint, weil es das Vorliegen eines Hanges im Sinne von § 64 Satz 1 StGB nicht festzustellen vermochte. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass es an hinreichenden Erkenntnissen über die Trinkgewohnheiten des Angeklagten fehle. Zwar habe der Angeklagte schon Straftaten in alkoholisiertem Zustand begangen, doch spreche vieles dafür, dass der Angeklagte lediglich bei gelegentlichen Alkoholeskapaden zu aggressiven Übergriffen neige. Auch seine berufliche und familiäre Integration stünden der Annahme eines Hanges entgegen.

II.


3
Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat, begegnen schon deshalb durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil - wie die Revision zu Recht rügt - entgegen § 246a Satz 2 StPO kein Sachverständiger hinzugezogen wurde.
4
Nach § 246a Satz 2 StPO ist ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und seine Behandlungsaussichten zu vernehmen, wenn das Gericht eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt erwägt. Diese durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatri- schen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I. S. 1327) neu geschaffene Vorschrift ist § 454 Abs. 2 Satz 1 StPO nachgebildet und trägt nach dem Willen des Gesetzgebers in erster Linie der zugleich vorgenommenen Umwandlung von § 64 StGB in eine Soll-Vorschrift Rechnung (BTDrucks. 16/1344, S. 17; 16/5137 S. 11; 16/1110, S. 25). Danach ist der Tatrichter auch weiterhin grundsätzlich verpflichtet, einen Sachverständigen anzuhören , wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt in Betracht kommt und deshalb eine Anordnung dieser Maßregel konkret zu erwägen ist (Löwe/Rosenberg-Becker, StPO, 26. Aufl., § 246a, Rn. 8; Berg in BeckOK, StPO, § 246a, Rn. 2). Von dieser Verpflichtung ist er allerdings dann befreit, wenn er die Maßregelanordnung nach § 64 StGB allein in Ausübung seines Ermessens nicht treffen will und diese Entscheidung von sachverständigen Feststellungen unabhängig ist (BTDrucks. 16/1344, S. 17; 16/5137 S. 11; Löwe/Rosenberg-Becker, StPO, 26. Aufl., § 246a, Rn. 8; KK-Fischer, 6. Aufl., § 246a, Rn. 2). Ob darüber hinaus von einer Begutachtung auch dann abgesehen werden darf, wenn eine grundsätzlich in Betracht kommende Maßregelanordnung nach § 64 StGB nicht in Erwägung gezogen wird, weil nach den Umständen des Einzelfalls das Fehlen einer hinreichenden Erfolgsaussicht auf der Hand liegt (vgl. BT-Drucks. 16/1110, S. 25; BT-Drucks. 16/1344, S. 17; SK-StPO/Frister, § 246a, Rn. 6; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 246a, Rn. 3; a.A. BT-Drucks. 16/5137, S. 11; Löwe/ Rosenberg-Becker, StPO, 26. Aufl., § 246a, Rn. 8; Berg in BeckOK, StPO, § 246a, Rn. 2; Schneider NStZ 2008, 68, 70), braucht der Senat nicht zu entscheiden.
5
Das Landgericht hat die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB im Einzelnen erörtert und damit konkret in Erwägung gezogen. Dabei hat es die Annahme eines Hanges unter anderem mit der Begründung verneint, dass kei- ne ergiebigen Erkenntnisse über die Trinkgewohnheiten des Angeklagten gewonnen werden konnten. Seine Negativentscheidung beruht damit weder auf einem sicheren Ausschluss einer hinreichenden Erfolgsaussicht kraft eigener Sachkunde, noch auf einer Ausübung des durch § 64 StGB eingeräumten Ermessens. Kann über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine im Raum stehende Maßregelanordnung nach § 64 StGB keine Klarheit gewonnen werden, weil die Erkenntnismöglichkeiten des Tatrichters zur Beurteilung des Zustands des Angeklagten nicht ausreichen, ist die Beiziehung eines Sachverständigen nach § 246a Satz 2 StPO geboten. Dabei gehört es auch zu den Aufgaben des Sachverständigen, durch eine entsprechende Befragung des Angeklagten im Rahmen der Exploration und die Auswertung - gegebenenfalls noch herbeizuschaffenden - Aktenmaterials Defizite des Gerichts bei der Tatsachenfeststellung auszugleichen (vgl. Rössner in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 1, S. 410 f.).
6
Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Nichtanordnung einer Maßregel nach § 64 StGB auf diesem Rechtsfehler beruht.
Ernemann Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 464/03
vom
20. Januar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 20. Januar 2004 einstimmig beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Neubrandenburg vom 24. April 2003 mit
Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Sachverhalt
aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt; eine Unterbringung nach § 64 StGB hat es abgelehnt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Sachverhalt; eines Eingehens auf die Verfahrensrügen, die die Nichtanordnung der Unterbringung betreffen, bedarf es deshalb nicht.
1. Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte seit Jahren regelmäßig alkoholische Getränke im Übermaß zu sich. Auch am Tattag trank er mit
dem später Geschädigten Manfred W. und weiteren Personen erhebliche Mengen Alkohol, bevor er sich am späten Nachmittag schlafen legte. Etwa zwei Stunden später wurde er von dem ebenfalls hochgradig alkoholisierten Manfred W. geweckt, der lautstark weiteren Alkohol forderte. Um ihn zur Ruhe zu bringen, wollte der Angeklagte, wie er es schon öfter getan hatte, Manfred W. in dessen Wohnung einschließen; er stieß ihn hinein und schlug ihn mehrfach mit der Faust. Es entwickelte sich eine Rangelei, in deren Verlauf Manfred W. ein Messer mit feststehender Klinge zog und dem Angeklagten vor das Gesicht hielt. Der Angeklagte, der eine BAK von 3,72 ‰ hatte, nahm ihm das Messer ab, wie er dies in der Vergangenheit bereits mehrfach problemlos getan hatte. Aus Wut über das Verhalten des Geschädigten und um dafür zu sorgen , daß dieser ihn künftig nicht nochmals so bedrohen werde, stach der Angeklagte das Messer dreimal mit erheblicher Intensität in den Rücken beziehungweise die Flanke des Geschädigten. Einer der Stiche verursachte eine Lungenverletzung, die zum alsbaldigen Tod des Opfers führte. Der Angeklagte begab sich in seine eigene Wohnung und teilte der Polizei telefonisch mit, er sei von Manfred W. angegriffen worden und befürchte eine weitere Bedrohung.
2. Der Schuldspruch wegen Totschlags hat keinen Bestand, weil der Tötungsvorsatz nicht ausreichend festgestellt ist. Das Landgericht hat das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes allein aus der besonders gefährlichen Gewaltanwendung gefolgert. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen der Schluß auf einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz nahe liegt, doch ist dieser nur dann rechtsfehlerfrei , wenn der Tatrichter alle nach Sachlage in Betracht kommenden Tatumstände in seine Erwägungen einbezogen hat, die dieses Ergebnis in Frage
stellen können (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 50 m.w.N.). Hier fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten, der zur Tatzeit eine BAK von 3,72 ‰ aufwies. Wegen dieser Alkohol-intoxikation hat das Landgericht - den Ausführungen des zur Schuldfähigkeitsbeurteilung gehörten Sachverständigen folgend - eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB angenommen. Bei dieser Sachlage versteht es sich nicht von selbst, daß der über das Verhalten des Manfred W. in Wut geratene Angeklagte trotz seiner erheblichen Alkoholisierung erkannt hat, daß seine Gewalthandlungen zum Tode des Opfers führen könnten, und diese Folge auch billigend in Kauf genommen hat (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 26, 55). Wenn ein Täter durch Alkohol oder andere Rauschmittel in seiner Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigt war, bedarf es besonderer Begründung, wenn der Tatrichter das Wissenselement des bedingten Vorsatzes aus der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung herleiten will. Eine solche Begründung läßt das angefochtene Urteil vermissen: Das Landgericht hat sich mit der erheblichen Alkoholisierung nur bei der Schuldfähigkeitsprüfung, nicht aber bei der Erörterung des Vorsatzes auseinandergesetzt. Das Urteil ist deswegen aufzuheben.
Da die Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf, insbesondere zum Fehlen einer Notwehrlage, von diesem Rechtsfehler nicht betroffen sind, können sie aufrechterhalten bleiben.
3. Der neu entscheidende Tatrichter wird auch über die Frage einer Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB zu befinden haben, und zwar, wie § 246 a StPO vorschreibt, unter Hinzuziehung eines Sachverständigen. Eine Unterbringungsentscheidung ist - wie die Revision zu Recht gerügt hat -
rechtsfehlerhaft, wenn das Gericht es unterläßt, in der Hauptverhandlung einen Sachverständigen über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen (vgl. BGHR StPO § 246 a Satz 1 Sachverständiger 1). Sowohl bei der Feststellung eines Hanges als auch bei der erforderlichen Gefährlichkeitsprognose ist das Gericht gehalten, sich sachverständiger Hilfe zu bedienen. Dieses Verfahrenserfordernis kann nicht etwa durch die in anderen Verfahren erworbenen und andere Angeklagte betreffende "eigene Sachkunde" des Gerichts ersetzt werden (BGH, Beschluß vom 15. Juli 1999 - 4 StR 231/99; vgl. auch Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 246 a Rdn. 1).
Bezüglich der Frage, ob bei dem bisher nicht bestraften Angeklagten infolge seines Hanges die Gefahr künftiger erheblicher Straftaten besteht, wird der neu entscheidende Tatrichter zu bedenken haben, daß die von § 64 Abs. 1 StGB geforderte Gefahr allein durch die Anlaßtat begründet werden kann (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 2; BGH, Beschluß vom 18. Juli 2000 - 5 StR 289/00; vgl. auch Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 64 Rdn. 11 m.w.N.).
Tepperwien Kuckein Athing

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 458/08
vom
7. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
7. Januar 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 12. Juni 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung unter Einbeziehung von Strafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in sieben Fällen, davon in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung, sowie wegen Urkundenfälschung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Zum Schuld- und Strafausspruch hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts nahm der Angeklagte seit 2003 bis zu seiner Festnahme im November 2007 Kokain zu sich und benötigte zuletzt pro Woche ca. vier bis fünf Gramm des Betäubungsmittels. Die abgeurteilten Straftaten beging der Angeklagte, um sich Drogen zu beschaffen und seine finanzielle Notlage zu verbessern. Dies drängte zu der Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gegeben sind.
4
Über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss nach alledem - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht gefährlich im Sinne dieser Vorschrift ist oder keine hinreichend konkrete Aussicht besteht, ihn durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt von seinem Hang zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB), sind nicht ersichtlich.
5
Der Generalbundesanwalt hat die Verwerfung der Revision des Angeklagten beantragt und im Hinblick auf die fehlende Entscheidung zu § 64 StGB ausgeführt, der Beschwerdeführer sei durch die Nichtanordnung der Maßregel nicht beschwert. Insoweit gilt Folgendes:
6
Die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB beschwert den Angeklagten nach bisheriger Rechtsprechung nicht. Dies führt zur Unzulässigkeit eines Rechtsmittels des Angeklagten, mit dem dieser allein die Nichtanordnung der Maßregel beanstandet (st. Rspr.; BGHSt 28, 327, 330; 37, 5, 7; 38, 4, 7; 38, 362, 363; BGH NStZ-RR 2008, 142). Dies hindert das Revisionsgericht indes nicht, auf eine zulässig erhobene - und die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht ausdrücklich vom Angriff ausnehmende (vgl. BGHSt 38, 362 f.) - Revision des Angeklagten das Urteil aufzuheben, wenn eine Prüfung der Maßregel unterblieben ist, obwohl die tatrichterlichen Feststellungen dazu gedrängt haben (st. Rspr.; BGHSt 37, 5; BGH, Beschl. vom 5. Februar 2002 - 1 StR 9/02; Beschl. vom 20. Februar 2008 - 2 StR 37/08; Beschl. vom 3. März 2008 - 3 StR 51/08; Beschl. vom 7. Oktober 2008 - 4 StR 257/08; Beschl. vom 13. November 2008 - 5 StR 507/08). Aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit ist das Revisionsgericht nicht gezwungen, auch bei solchen Rechtsfehlern einzugreifen, die den Angeklagten nicht beschweren. Die Berechtigung zu einem Eingriff ist dadurch nicht berührt. "Durch das Verschlechterungsverbot ist der Angeklagte nur davor geschützt, dass das Urteil in Art und Höhe der Strafe zu seinem Nachteil geändert wird. Eine Verschärfung im Schuldspruch muss er dagegen mit der Einlegung des Rechtsmittels in Kauf nehmen (BGHSt 21, 256, 260; BGH JZ 1978, 245). Ebenso wenig ist er davor bewahrt, dass in der Rechtsmittelinstanz oder nach Zurückverweisung die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet wird (§ 331 Abs. 2, § 358 Abs. 2 Satz 2 [jetzt: Satz 3] StPO). Auch diese Folge nimmt er mit der Einlegung des Rechtsmittels in Kauf. Deshalb kann das Revisionsgericht, ohne dass es auf eine Beschwer des Angeklagten ankommt, auf die Sachrüge in den Rechtsfolgenausspruch eingreifen, sofern dieser keine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt enthält" (BGHSt 37,

5).


7
An dieser Möglichkeit des Revisionsgerichts hat die Novellierung der §§ 64, 67 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) nichts geändert. Gegenteiliges kann auch dem Beschluss vom 22. Januar 2008 - 1 StR 607/07 - (juris - bei dem in NStZ 2008, 353 abgedruckten Beschluss vom selben Tag unter demselben Aktenzeichen handelt es sich um eine Parallelsache) nicht entnommen werden. Der 1. Strafsenat hat in dieser Sache der Revision des Angeklagten, mit der neben anderen Beanstandungen auch die Nichtanwendung des § 64 StGB gerügt worden war, den Erfolg versagt, weil "die Strafkammer bei der Prüfung und Verneinung der Notwendigkeit einer Unterbringung von zutreffenden Maßstäben ausgegangen ist" (BGH aaO). Auf eine Beschwer des Angeklagten kam es, nachdem die Prüfung einen Rechtsfehler gerade nicht erbracht hatte, nicht an.
8
Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
9
Der neue Tatrichter wird im Falle der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB über die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafe und Maßregel zu befinden haben (vgl. BGH NStZ 2008, 28; NStZ-RR 2008, 74). Die Dreijahresgrenze des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB ist auch überschritten, wenn - wie hier - zwei Gesamtstrafen gebildet worden sind, die nur zusammen mehr als drei Jah- re betragen. Bei Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe wird es für dessen Berechnung notwendig sein, die für den Angeklagten voraussichtlich erforderliche Therapiedauer zu bestimmen. Becker Miebach Pfister Sost-Scheible Hubert

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.