Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juli 2017 - 3 StR 182/17

ECLI: ECLI:DE:BGH:2017:260717B3STR182.17.0
published on 26/07/2017 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juli 2017 - 3 StR 182/17
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 182/17
vom
26. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchdiebstahls
ECLI:DE:BGH:2017:260717B3STR182.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 26. Juli 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 30. Januar 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II. Fall 2 der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
c) soweit eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in fünf Fällen und versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Im Fall II. Fall 2 der Urteilsgründe hat der Schuldspruch keinen Bestand.
3
a) Das Landgericht hat insoweit folgende Feststellungen getroffen: Der Angeklagte brach mit einem unbekannten Mittäter in ein Wohnhaus ein, durchsuchte es und entwendete einen Schmuckkoffer mit Modeschmuck im Ge- samtwert von 125 €. Ein Nachbar der Geschädigten fand den Koffer samt Inhalt einen Tag später im Wald, sodass sie diesen letztlich zurückbekam.
4
b) Auf der Grundlage dieser Feststellungen kann die Verurteilung wegen vollendeten Wohnungseinbruchdiebstahls in diesem Fall keinen Bestand haben ; denn sie tragen nicht die Annahme, dass der Angeklagte und sein Tatgenosse bezüglich des Schmuckkoffers samt Modeschmuck die nach § 242 Abs. 1 StGB erforderliche Zueignungsabsicht hatten.
5
Enthält ein Behältnis, das der Täter in seinen Gewahrsam bringt, nicht die vorgestellte werthaltige Beute, auf die es ihm bei der Tat allein ankommt, und entledigt er sich - nachdem er dies festgestellt hat - deswegen des Behältnisses sowie des ggf. darin befindlichen, ihm nutzlos erscheinenden Inhalts, so kann er mangels Zueignungsabsicht bezüglich der erlangten Beute nicht wegen eines vollendeten, sondern nur wegen versuchten (fehlgeschlagenen) Diebstahls bestraft werden (BGH, Beschlüsse vom 13. Oktober 2016 - 3 StR 173/16, juris Rn. 5; vom 1. Februar 2000 - 4 StR 564/99, NStZ 2000, 531 f.; vom 9. Juli 2013 - 3 StR 174/13, NStZ-RR 2013, 309; jeweils mwN; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 162). So liegt es möglicherweise hier. Da der Nachbar den Schmuckkoffer samt dem Modeschmuck (ersichtlich in Tatortnähe) fand, liegt es nahe, dass der Angeklagte und sein Mittäter sich dessen entledigten, weil es sich hierbei nicht um die erhoffte wertvolle Beute handelte. Da Feststellungen zum konkreten Inhalt der Zueignungsabsicht der beiden bei der Tatbegehung fehlen, insbesondere nichts dafür dargetan ist, dass diese sich auf den Schmuckkoffer an sich oder jegliche darin befindlichen Sachen bezog, ist somit ein vollendeter Diebstahl nicht belegt.
6
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass zu den Vorstellungen des Angeklagten und seines Mittäters bei Wegnahme des Schmuckkoffers weitere Feststellungen getroffen werden können, ist das Urteil insoweit aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Aufhebung des Schuldspruches in diesem Fall führt zum Wegfall der hierfür bemessenen Einzelstrafe sowie zur Aufhebung der Gesamtstrafe.
7
2. Auch die Entscheidung, den Angeklagten nicht in einer Entziehungsanstalt unterzubringen, ist rechtsfehlerhaft.
8
a) Das Landgericht hat - insoweit den Angaben des Angeklagten folgend - festgestellt, dass dieser die Taten zur Finanzierung seiner Heroinsucht begangen hat. Von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es gleichwohl abgesehen, weil eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht nicht bestehe. Der Angeklagte verweigere die Exploration und zeige keine Therapiebereitschaft. Diese könne auch nicht geweckt werden, da der Angeklagte selbst mit Hilfe von Methadon vom Heroinkonsum weggekommen sei, in der Justizvollzugsanstalt keine Entzugserscheinungen gezeigt habe und ihm deshalb die Überzeugung fehle, überhaupt drogenabhängig zu sein. Aufgrund fehlender Erfolgsaussicht sei die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht gefordert gewesen.
9
b) Diese Begründung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Tatrichter ist grundsätzlich verpflichtet, einen Sachverständigen anzuhören, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt in Betracht kommt und deshalb eine Anordnung dieser Maßregel konkret zu erwägen ist (§ 246a Satz 2 StPO). Diese muss sich auch auf die Behandlungsaussichten beziehen (§ 246a Abs. 1 StPO). Nur wenn der Tatrichter die Maßregelanordnung allein in Ausübung seines Ermessens nicht treffen will und diese Entscheidung von sachverständigen Feststellungen unabhängig ist, ist er von dieser Verpflichtung befreit (BGH, Beschluss vom 20. September 2011 - 4 StR 434/11, NStZ 2012, 463, 464; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 246a Rn. 8; beide mwN). Verweigert der Angeklagte seine Untersuchung , so gestattet dies nicht den Verzicht auf eine gutachterliche Stellungnahme (LR/Becker aaO Rn. 9).
10
Vorliegend ergeben die Ausführungen im Urteil, dass das Landgericht eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in Betracht gezogen, mithin also erwogen hat. Damit war es auch gehalten, einen Sachverständigen beizuziehen. Dieses Verfahrenserfordernis konnte es nicht durch eine eigene Beurteilung der Erfolgsaussicht ersetzen, für die es sich nach dem Gesetz gerade sachverständiger Hilfe bedienen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 1999 - 4 StR 231/99 juris Rn. 4; vom 20. Januar 2004 - 4 StR 464/03, NStZ-RR 2004, 204, 205). Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob ausnahmsweise dann von einer Begutachtung abgesehen werden darf, wenn eine grundsätzlich in Betracht kommende Maßregelanordnung nach § 64 StGB nicht in Erwägung gezogen wird, weil nach den Umständen des Einzelfalls das Fehlen einer hin- reichenden Erfolgsaussicht auf der Hand liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2011 - 4 StR 434/11, NStZ 2012, 463, 464 mwN zum Meinungsstand). Denn hierfür sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich.
11
Über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss somit - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2009 - 3 StR 458/08, NStZ 2009, 261). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362 f.).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.