Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Juni 2016 - 2 StR 150/15

bei uns veröffentlicht am01.06.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 150/15
vom
1. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2016:010616B2STR150.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Juni 2016 gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
1. Die Hauptverhandlung wird unterbrochen. 2. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Beim vorsätzlichen Tötungsdelikt kann die Feststellung von Tötungsabsicht zu Lasten des Angeklagten strafschärfend berücksichtigt werden. 3. Er fragt deshalb bei den anderen Strafsenaten an, ob dem zugestimmt oder an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Verfahrensbeanstandungen und sachlich-rechtliche Einwendungen gestützte Revision des Angeklagten.

A.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts beschloss der 74 Jahre alte Angeklagte R. am 22. Oktober 2013, seine erheblich jüngere und Trennungsabsichten hegende Ehefrau R. zu töten. In Ausführung dieses Tatentschlusses griff er sie auf der Kellertreppe des gemeinsamen Wohnanwesens an und schlug ihr einen Gegenstand gegen den Kopf, wodurch sie die Kellertreppe hinunterstürzte und zu Boden fiel. Nunmehr ergriff der Angeklagte einen etwa 2,8 Kilogramm schweren Feuerlöscher und schlug damit in Tötungsabsicht mindestens fünf Mal wuchtig auf den Kopf seiner am Boden liegenden Ehefrau ein. Sie erlitt durch diese mehrfachen, massiven Gewalteinwirkungen multiple offene Schädel-Hirn-Verletzungen. Weitere stumpfe Gewalteinwirkungen gegen den Oberkörper des Tatopfers führten zu zahlreichen Rippenbrüchen , die linksseitig zu einer mehrfachen Durchsetzung der Brusthöhle und zu Einblutungen in die Lunge führten. Die Ehefrau des Angeklagten verstarb aufgrund der erlittenen massiven Verletzungen innerhalb weniger Minuten.
3
Nach der Tat benachrichtigte der Angeklagte den Rettungsdienst und behauptete in dem Bemühen, ein Sturzgeschehen vorzutäuschen, er habe seine Ehefrau nach Gartenarbeiten blutüberströmt und verletzt im Keller aufgefunden.

B.

4
Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend hält der Senat die Revision des Angeklagten für unbegründet. Allerdings hat das Schwurgericht im Rahmen der Strafzumessung bei der Prüfung der Frage, ob die Tat als ein (sonst) minder schwerer Fall des Totschlags im Sinne des § 213 StGB anzusehen ist, zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass „der Angeklagte den Tod seiner Ehefrau absichtlich und zielgerichtet herbeiführen wollte“.Auch im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne hat das Schwurgericht neben der brutalen Tatausführung strafschärfend „die Tatsache“ berücksichtigt, dass der Angeklagte seine Ehefrau „absichtlich getötet hat“. Die strafschärfende Be- rücksichtigung der – rechtsfehlerfrei festgestellten – Tötungsabsicht erweist sich nach bisher gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als rechtsfehlerhaft , weil dem Angeklagten damit strafschärfend allein das subjektive Tatbestandsmerkmal direkten Tötungsvorsatzes zur Last gelegt wird und dies gegen das in § 46 Abs. 3 StGB verankerte Verbot der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen verstößt (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 7; Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 5 StR 355/15; Senat, Beschluss vom 25. Juni 2015 – 2 StR 83/15; BGH, Beschluss vom 11. März 2015 – 1 StR 3/15, NStZRR 2015, 171; Senat, Beschluss vom 23. Oktober 1992 – 2 StR 483/92, StV 1993, 72).
5
Demgegenüber hat der Senat in seinem Beschluss vom 28. Juni 2012 (2 StR 61/12, NStZ 2012, 689) seiner Auffassung Ausdruck verliehen, dass es zwar „in der Regel“ gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoße, wenn der Tatrichter das Vorliegen direkten Tötungsvorsatzes straferschwerend bewerte, dies jedoch nicht für Tötungsabsicht gelte. Der Umstand, dass der Täter handelt, um den tödlichen Erfolg herbeizuführen, dürfe strafschärfend berücksichtigt werden.
6
Zu dieser Rechtsauffassung will der Senat zurückkehren und beabsichtigt zu entscheiden, dass beim vorsätzlichen Tötungsdelikt die Feststellung von Tötungsabsicht zu Lasten des Angeklagten strafschärfend berücksichtigt werden kann. Er fragt deshalb wegen Divergenz bei den anderen Strafsenaten an, ob diese ihm folgen oder an ihrer bisherigen Rechtsprechung festhalten.

I.

7
1. a) Ausgehend von dem in § 46 Abs. 3 StGB verankerten Doppelverwertungsverbot von Tatbestandsmerkmalen haben der 3. und der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs bereits früh entschieden, dass das Tatbestandsmerkmal des Tötungsvorsatzes bei der Strafzumessung nicht noch einmal strafschärfend berücksichtigt werden dürfe (BGH, Urteil vom 28. Juni 1968 – 4 StR 226/68, unveröffentlicht; Beschluss vom 16. September 1986 – 4 StR 457/86, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 1; Beschluss vom 26. April 1988 – 4 StR 157/88,NStE Nr. 41 zu § 46 StGB; Beschluss vom 30. Juli 1998 – 4 StR 346/98, NStZ 1999, 23; Beschluss vom 3. Februar2004 – 4 StR 403/03). Der Tatbestand des Totschlags setze vorsätzliche Tatbegehung voraus, deren „Regelfall“ die Tötung mit direktem Vorsatz sei (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 1977 – 3 StR 369/77 –, juris Rn. 6; BGH, Urteil vom 14. August 2008 – 4 StR 223/08, NStZ 2008, 624). Der Tötung mit direktem Tötungsvorsatz komme deshalb kein gesteigerter Unrechtsgehalt zu, während die Tötung mit bedingtem Tötungsvorsatz eine geringere Tatschwere aufweise (BGH, Beschluss vom 19. März 2009 – 4 StR 53/09, NStZ 2009, 564). In seinem Beschluss vom 17. September 1990 (3 StR 313/90; BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4 – dolus directus) hat der 3. Strafsenat allerdings darauf hingewiesen , dass die strafschärfende Wertung direkten Vorsatzes im Zusammenhang mit den Vorstellungen und Zielen des Angeklagten nicht rechtsfehlerhaft sein müsse.
8
b) Der Rechtsauffassung des 3. und des 4. Strafsenats, wonach die strafschärfende Berücksichtigung des direkten Tötungsvorsatzes gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoße, sind der 1. Strafsenat (Beschluss vom 11. März 2015 – 1 StR 3/15) und der 5. Strafsenat (Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 5 StR 355/15, NStZ-RR 2016,
8) beigetreten.
9
c) Der Senat hatte sich der Auffassung des 3. und 4. Strafsenats zunächst angeschlossen (Beschluss vom 1. Dezember 1989 – 2 StR 555/89, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 3 – dolus directus) und in der strafschärfenden Berücksichtigung direkten Tötungsvorsatzes einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot von Tatbestandsmerkmalen gesehen (§ 46 Abs. 3 StGB). Dabei hat er – auch hierin der Rechtsprechung des 3. und 4. Strafsenats folgend (vgl. Beschluss vom 13. Mai 1981 – 3 StR 126/81, NJW 1981, 2204) folgend – die Anerkennung einer strafzumessungsrelevanten Schuldabstufung innerhalb des direkten Vorsatzes und eine Schuldabstufung zwischen Absicht und Wissentlichkeit abgelehnt.
10
d) In seinem Beschluss vom 28. Juni 2012 – 2 StR 61/12 (NStZ 2012, 689) – hat der Senat demgegenüber die vom Tatrichter strafschärfend berücksichtigte Vorsatzform von Tötungsabsicht unbeanstandet gelassen.
11
e) Der 4. Strafsenat hat in seiner Entscheidung vom 26. April 2016 – 4 StR 104/16 die Frage, ob die strafschärfende Berücksichtigung von Tö- tungsabsicht gegen § 46 Abs. 3 StGB verstoße, ausdrücklich offen gelassen.
12
2. Die Rechtsauffassung, wonach die Vorsatzform als eine selbstständige Strafzumessungstatsache ausscheide oder gegen das Verbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoße, hat in der Literatur Zustimmung, aber auch Kritik erfahren (zustimmend Fischer StGB, 63. Aufl. § 46 Rn. 30 aE und § 212 Rn. 18; LK StGB/Jähnke, 11. Aufl. § 212 Rn. 45; LK StGB/Theune, 12. Aufl. § 46 Rn. 77; MüKoStGB/Miebach § 46 Rn. 86; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., S. 173, 174; Bruns, Recht der Strafzumessung , 2. Aufl., S. 214; Lackner/Kühl StGB, 28. Aufl. § 46 Rn. 33; zweifelnd Jescheck/Weigend Strafrecht AT, 5. Aufl. S. 887; ablehnend SSWStGB /Eschelbach, 2. Aufl. § 46 Rn. 93, 185; Frisch in 50 Jahre Bundesgerichtshof , Festgabe aus der Wissenschaft, 2000, S. 269, 290 f.; Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, 1999, S. 260, 263; Grünewald, Das vorsätzliche Tötungsdelikt , 2010, S. 148 ff.; Foth, JR 1985, 397, 398; Bruns, JR 1981, 512, 513). Ihr ist entgegen gehalten worden, dass der Tatbestand des § 212 StGB bereits bei Vorliegen bedingten Tötungsvorsatzes erfüllt sei und die Feststellung direkten Tötungsvorsatzes als eine Schuldsteigerung anzusehen sei, welche die Tatschuld erhöhe (vgl. Bruns aaO). Die strafschärfende Berücksichtigung der hierin liegenden Schuldsteigerung gerate mit dem in § 46 Abs. 3 StGB verankerten Doppelverwertungsverbot von Tatbestandsmerkmalen deshalb nicht in Konflikt (SSW-StGB/Eschelbach, 2. Aufl. § 46 Rn. 93, 185). Darüber hinaus ist darauf hingewiesen worden, dass einem Täter, dem es auf die Beseitigung oder Zerstörung eines durch die Strafrechtsordnung geschützten, fundamentalen Rechtsguts ankomme, die Rechtsordnung nachhaltiger in Frage stelle als der nur bedingt vorsätzlich handelnde Täter (Frisch, BGH-FG, 269, 290; ders., Vorsatz und Risiko, 1983, 498, 499; ZStW 99 (1987) 349, 387 f., 768 ff.; Grünewald aaO S. 154 ff.). Insbesondere der mit „Absicht“ Tötende erschüttere das Vertrauen der Bevölkerung in die Normgeltung in besonderem Maße. Darüber hinaus könne sein zielstrebig auf die Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges gerichtetes Verhalten auf seine besondere Gefährlichkeit hindeuten (Frisch, BGH-FG, aaO). Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass das Handlungsunrecht zwischen bedingt vorsätzlichem Handeln einerseits und absichtlichem bzw. wissentlichem Handeln andererseits sich auch deshalb in erhöhter Tatschuld niederschlage, weil das Ausmaß der Bedrohlichkeit des Täterhandelns aus Opferperspektive unterschiedlich sei (Hörnle, aaO, S. 263).

II.

13
Handelt der Angeklagte mit Tötungsabsicht, so ist dies eine die Tatschuld erhöhende und damit taugliche Strafzumessungstatsache. Die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht verstößt nicht gegen das in § 46 Abs. 3 StGB verankerte Doppelverwertungsverbot von Tatbestandsmerkmalen.
14
1. Tötungsabsicht als tauglicher Strafschärfungsgrund
15
a) Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB ist die Schuld des Täters Grundlage für die Zumessung der Strafe. Zur Ermittlung der für die Straffrage maßgeblichen Strafzumessungsschuld sind alle Umstände heranzuziehen, die den Unrechts - und Schuldgehalt der Tat im Einzelfall kennzeichnen. § 46 Abs. 2 StGB benennt beispielhaft und nicht abschließend einige Bereiche derjenigen Umstände , die für die Strafzumessung aussagekräftig sind. Bewertungsrichtung und Gewicht dieser Strafzumessungstatsachen bestimmt in erster Linie der Tatrichter, dem hierbei ein weiter Entscheidungsspielraum eingeräumt ist.
16
b) Zu den Umständen, die § 46 Abs. 2 StGB beispielhaft als für die Strafzumessung im Einzelfall relevante Tatsachen aufführt, zählen die „Beweggründe und die Ziele des Täters“. Der damit angesprochene subjektive Bereich, die innere Einstellung des Täters zu seiner Tat und die mit ihr verfolgten Absichten, ist für die Strafzumessung bedeutsam. Er umfasst nicht nur die vom Täter mit seiner – tatbestandsmäßigen – Handlung verfolgten weiteren Ziele, sondern auch seine innere Einstellung zum Taterfolg. Die unterschiedlichen, in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend anerkannten, nach heute herrschender Dogmatik nicht mehr der Schuld, sondern dem Unrecht zuzurechnenden unterschiedlichen Vorsatzformen sind daher strafzumessungsrelevant.
17
aa) Nach herrschender, terminologisch nicht in jeder Hinsicht einheitlicher Auffassung sind im Bereich des Vorsatzes drei Vorsatzformen zu unterscheiden. Der bedingt vorsätzlich handelnde Täter hält bei Vornahme der – rechtsgutsgefährdenden – Handlung den Eintritt des tatbestandlichen Erfol- ges für möglich und findet sich mit seinem Eintritt ab, auch wenn er auf dessen Eintritt weder abzielt noch ihm dieser auch nur erwünscht ist. Demgegenüber sieht der mit unbedingtem Vorsatz handelnde Täter den Eintritt des tatbestand- lichen Erfolges sicher voraus (dolus directus 2. Grades oder „Wissentlichkeit“) oder er hält den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges für sicher oder möglich und erstrebt seinen Eintritt in dem Sinne, dass es ihm auf die Erreichung des tatbestandlichen Erfolges ankommt (dolus directus 1. Grades).
18
bb) Die gesetzgeberische Anerkennung einer Schuldschwereskala gerade auch im Bereich des subjektiven Tatbestands steht außer Frage. Sie zeigt sich nicht nur in den unterschiedlichen gesetzlichen Strafrahmen, die das Strafgesetzbuch für die vorsätzliche (§§ 211, 212 StGB) und die fahrlässige Tötung (§ 222 StGB) bereitstellt. Der Gesetzgeber differenziert auch in einer Reihe weiterer Vorschriften des Strafgesetzbuchs je nach der Vorsatzform. So sieht der Qualifikationstatbestand des § 226 Abs. 2 StGB in Fällen absichtlicher oder wissentlicher Erfolgsverursachung einer schweren Folge im Sinne des § 226 Abs. 1 StGB einen höheren Strafrahmen vor. Eine Vielzahl von weiteren Straftatbeständen (vgl. nur §§ 87 Abs. 1, 145, 167a, 183a, 258 ff. StGB) setzt bereits auf der Ebene des Straftatbestands absichtliches oder wissentliches Handeln voraus. Eine Reihe von Staatsschutzdelikten wiederum (§§ 88 Abs. 1, 89, 90 Abs. 3 (Qualifikation des § 90 Abs. 1), 90a Abs. 3 (Qualifikation des § 90a Abs. 1), 90b Abs. 1 StGB) stellt ausdrücklich „absichtliches“ Handeln unter Strafe. Mit Absicht sind „gezielte Handlungen“ gemeint, also solche, die mit dolus directus 1. Grades ausgeführt werden (Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT–Drucks. V/2860, S. 11).
19
Auch sah der Entwurf eines Strafgesetzbuches 1962 in § 16 eine Definition der drei Vorsatzformen und in § 17 eine Differenzierung zwischen Absicht und Wissentlichkeit vor (BT-Drucks. IV/650, S. 14: „Der Entwurf unterscheidet nach alledem scharf zwischen Absicht und Wissentlichkeit“).Die Normen sollten wissenschaftliche Herleitung und Richterrecht kodifizieren (BTDrucks. IV/650, S. 101) und wurden allein aus redaktionellen Gründen nicht Gesetz.
20
Insbesondere die gesetzgeberische Entscheidung, Qualifikationstatbestände für absichtliches oder wissentliches Handeln bereit zu stellen, zeigt eindrucksvoll , dass nach der Wertentscheidung des Gesetzgebers diesen beiden Vorsatzformen ein höherer Schuldgehalt beizumessen ist als bedingt vorsätzlichem Handeln.
21
cc) Die gesetzgeberischen Formulierungen belegen zugleich die Anerkennung der unterschiedlichen Vorsatzarten innerhalb des unbedingten oder unmittelbaren Vorsatzes. Die generelle gesetzliche Differenzierung zwischen Absicht und Wissentlichkeit ist ein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber auch insoweit eine graduelle Schuldabstufung als selbstverständlich voraussetzt (ablehnend Dencker, aaO, S. 220; Jakobs, Strafrecht AT, 2. Aufl., S. 261). Denn anderenfalls hätte es näher gelegen, den beide Vorsatzformen umfas- senden Begriff des „unbedingten Vorsatzes“ zu verwenden.
22
dd) Diese grundsätzliche gesetzgeberische Anerkennung einer Schuldschwereskala im Bereich des subjektiven Tatbestands gilt – ungeachtet des Umstands, dass der Gesetzgeber insoweit auf eine ausdrückliche Differenzierung im Rahmen der §§ 211, 212 StGB verzichtet hat – auch und gerade für die Tötungsdelikte.
23
(a) Zwischen Absicht, Wissentlichkeit und bedingtem Vorsatz besteht ein strafzumessungsrelevanter Unterschied (in diesem Sinne Grünewald, Das vorsätzliche Tötungsdelikt, 2010, S. 157 ff.). Während der mit bedingtem Vorsatz handelnde Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges zwar als naheliegend voraussieht und sich um der von ihm verfolgten Handlungsziele willen mit dessen Eintritt abfindet, sieht der wissentlich handelnde Täter den Eintritt des tat- bestandlichen Erfolges als sicher voraus. Er handelt „trotz besseren Wissens“ und kalkuliert die Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolges und die hierin liegende Verletzung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts überlegt ein. Das Handeln trotz sicherer Voraussicht des Erfolgseintritts erhöht das Handlungsunrecht gegenüber dem bedingt vorsätzlich handelnden Täter, bleibt jedoch seinerseits hinter dem des absichtlich Handelnden, den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges erstrebenden Täters zurück.
24
(b) Zwar haben die Verfasser des Entwurfs 1962 die beiden Vorsatzformen des dolus directus als in der Regel gleich strafwürdig bezeichnet (BT– Drucks. IV/650, S. 131: „Die beiden verschiedenen Fälle werden sich jedoch regelmäßig an Strafwürdigkeit gleichkommen. Der bösen Absicht im einen Falle steht das sichere Wissen im anderen gegenüber“), zugleich jedoch darauf hin- gewiesen, dass „die Gleichstellung von Absicht und Wissentlichkeit nicht immer passt.“ (BT-Drucks. IV/650, S. 131).
25
Dies gilt in besonderem Maße für die Tötungsdelikte. Der mit Tötungsabsicht handelnde Täter setzt sich nicht nur über die durch § 212 StGB strafbewehrte Verhaltensnorm, Handlungen zu unterlassen, durch die eine andere Person zu Tode kommen kann, hinweg und nimmt dabei den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges in Kauf. Es kommt ihm vielmehr auf die Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges an. Sein Handeln zielt im Wortsinne auf die Herbeiführung des Todes einer anderen Person ab, diese ist nicht nur billigend in Kauf genommene oder wissentlich herbeigeführte Folge, sondern Ziel seines Handelns. Dieses Streben ist im besonderen Maße mit einem sozialen Unwerturteil belegt. Dass der auf die Rechtsgutsverletzung gerichtete Wille eine höhere Gefahr für das geschützte Rechtsgut darstellt, weil der mit dolus directus 1. Grades handelnde Täter sein Handlungsziel zielstrebig verfolgt, liegt auf der Hand.
26
c) Das (unbedingte) Streben nach der Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges ist – je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls – geeignet , die individuelle Tatschuld zu erhöhen (vgl. auch Theune, StV 1985, 205,

206).

27
Zwar deutet ein Handeln mit direktem Tötungsvorsatz für sich genommen nicht stets und schlechthin auf eine besonders verwerfliche Gesinnung oder auf eine besondere Stärke des verbrecherischen Willens eines Täters hin. Eine mit bedingtem Tötungsvorsatz begangene Tat kann – je nach den Umständen des Einzelfalls – eine höhere Tatschuld aufweisen als eine mit direktem Tötungsvorsatz begangene Tat. Deshalb kann der (isolierte) Hinweis auf die Vorsatzform im Einzelfall zur Beschreibung höherer Tatschuld zu kurz greifen (Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl. Rn. 618; Theune, aaO; Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 498, 499; ablehnend Foth, JR 1985, 397, 398; SSW-StGB/Eschelbach, 2. Aufl. § 46 Rn. 185 aE). Darüber hinaus empfiehlt es sich, die Vorsatzform stets im Zusammenhang mit den Vorstellungen und Zielen des Täters und seinen Handlungsmotiven zu würdigen (BGH, Beschluss vom 29. August 1984 – 3 StR 353/84; Urteil vom 25. Oktober 1989 – 3 StR 180/89, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Strafzumessung 1; BGH, Beschluss vom 17. September 1990 – 3 StR 313/90, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4). Die grundsätzliche Tauglichkeit der Strafzumes- sungstatsache Tötungsabsicht als Strafschärfungsgrund ist damit jedoch nicht in Frage gestellt.
28
2. Die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht verstößt nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB.
29
a) Nach dem in § 46 Abs. 3 StGB verankerten „Doppelverwertungsverbot von Tatbestandsmerkmalen“ dürfen Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestands sind, im Rahmen der Strafzumessung nicht noch einmal berücksichtigt werden. Das Doppelverwertungsverbot von Tatbestandsmerkmalen hindert den Tatrichter jedoch nicht daran, im Rahmen der Strafzumessung zugunsten oder zum Nachteil eines Angeklagten den Ausprägungsgrad oder die konkrete Modalität eines – objektiven oder subjektiven – Merkmals des gesetzlichen Tatbestands zu berücksichtigen, wenn dieses steigerungsfähig ist (vgl. Fahl, ZStW 111 (1999), 156; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, 1991, S. 205; Bruns, aaO). Sind Tatbestandmerkmale steigerungsfähig, so kann die Form ihrer Verwirklichung im Einzelfall im Rahmen der Strafzumessung (§ 46 Abs. 2 StGB) berücksichtigt werden. Darüber hinaus greift das Doppelverwertungsverbot auch dann nicht ein, wenn ein Straftatbestand zwei unterschiedlich schwer wiegende Alternativen zur Verfügung stellt (BGH, Urteil vom 30. Januar 1980 – 3 StR 471/79, NJW 1980, 1344; RG GA 56 (1909), 96).
30
b) Gemessen hieran verstößt die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht nicht gegen § 46 Abs. 3 StGB.
31
Jedenfalls bei Tötungsabsicht handelt es sich um gegenüber dem zur Tatbestandserfüllung hinreichenden bedingten Tötungsvorsatz um eine Schuldsteigerung , die den Unrechtsgehalt der Tat erhöht. Sie kann zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden.
32
c) Zwar wird die Unzulässigkeit der strafschärfenden Berücksichtigung von Tötungsabsicht auch damit begründet, dass es sich in beiden Spielarten des dolus directus Absicht und Wissentlichkeit um den „Regelfall“ des Totschlags im Sinne des § 212 StGB handele, der dem Gesetzgeber bei Schaffung des Strafrahmens für die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen vor Augen gestanden habe (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 5 StR 355/15, NStZ-RR 2016, 8: “normativer Regelfall“; Senat, Beschluss vom 25. Juni 2015 – 2 StR 83/15, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 7; BGH, Beschluss vom 19. März 2009 – 4 StR 53/09, NStZ 2009, 564, 565; BGH, Urteil vom 14. August 2008 – 4 StR 223/08, NStZ 2008, 624; BGH, Beschluss vom 3. Februar 2004 – 4 StR 403/03, juris; BGH, Beschluss vom 30. Juli 1998 – 4 StR 346/98, NStZ 1999, 23; Senat, Beschluss vom 23. Oktober 1992 – 2 StR 483/92, StV 1993, 72; Senat, Beschluss vom 1. Dezember 1989 – 2 StR 555/89, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 3;BGH, Beschluss vom 15. November 1983 – 3 StR 447/83, EzSt StGB § 212 Nr. 7; BGH, Beschluss vom 13. Mai 1981 – 3 StR 126/81, NJW 1981, 2204; BGH, Beschluss vom 8. Februar 1978 – 3 StR 425/77, juris; BGH, Beschluss vom 5. Oktober 1977 – 3 StR 369/77, juris). Dies erscheint aber schon aufgrund der praktischen Erfahrung zweifelhaft, wonach in der überwiegenden Zahl der Fälle bedingter Vorsatz und nur in seltenen Einzelfällen Absicht festgestellt wird. Im Übrigen ist es auch nicht naheliegend, die ganz unterschiedlichen Motivationslagen des direkten Vorsatzes (Inkaufnehmen auch des unerwünschten, aber als sicher vorausgesehenen Erfolges um eines weiteren Ziels willen) und der Absicht (Tatmotivation gerade mit dem Ziel der Erfolgsherbeiführung) zu einem einzigen „normativen Regelfall“ zusammenzufassen. Fischer Krehl Eschelbach Zeng Bartel

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 61/12 vom 28. Juni 2012 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. Juni 2012 gem

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2015 - 5 StR 355/15

bei uns veröffentlicht am 14.10.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 355/15 vom 14. Oktober 2015 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2015 beschlossen : 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juni 2015 - 2 StR 83/15

bei uns veröffentlicht am 25.06.2015

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Bundesgerichtshof Beschluss, 11. März 2015 - 1 StR 3/15

bei uns veröffentlicht am 11.03.2015

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5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Juni 2016 - 2 StR 150/15.

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Jan. 2018 - 2 StR 334/15

bei uns veröffentlicht am 17.01.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 334/15 vom 17. Januar 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2018:170118U2STR334.15.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 20.

Bundesgerichtshof Urteil, 14. März 2018 - 2 StR 416/16

bei uns veröffentlicht am 14.03.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 416/16 vom 14. März 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen Untreue ECLI:DE:BGH:2018:140318U2STR416.16.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vo

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Feb. 2018 - 1 StR 351/17

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Bundesgerichtshof Urteil, 10. Jan. 2018 - 2 StR 150/15

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Nachträglicher Leitsatz Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja BGHR: ja Veröffentlichung: ja StGB § 46 Abs. 2 und 3 1. Der Umstand, dass der Täter mit Tötungsabsicht gehandelt hat, kann beim vorsätzlichen Tötungsdelikt strafschärfend berücksichtigt

Referenzen

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 355/15
vom
14. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2015 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Berlin vom 13. Februar 2015 nach § 349
Abs. 4 StPO in den Einzelstrafaussprüchen zu den Fällen
II.3 bis II.6 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafausspruch
aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen
Feststellungen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen sexueller Nötigung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Strafausspruch hält in den Fällen II.3 bis II.6, in denen der Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Insoweit hat das Landgericht bei der Strafzumessung jeweils strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte mit direktem Tötungsvorsatz gehandelt hat. Diese Erwägung verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Der Tatbestand des Totschlags setzt vorsätzliche Tatbegehung voraus, deren normativer Regelfall die Tötung mit direktem Vorsatz ist. Der Umstand, dass der Angeklagte mit direktem Vorsatz gehandelt hat, darf daher als solcher nicht straferschwerend berücksichtigt werden (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Dezember 1989 – 2 StR 555/89, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 3 mwN; vom 17. September 1990 – 3 StR 313/90, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4; vom 19. März 2009 – 4 StR 53/09, NStZ 2009, 564, und vom 11. März 2015 – 1 StR 3/15).
4
Außerdem hat das Landgericht in den vier Fällen des versuchten Mordes rechtsfehlerhaft (§ 46 Abs. 3 StGB) jeweils die Tatausführung straferschwerend gewertet, wonach der Angeklagte bei der Tat II.3 dem Geschädigten T. „nach dem ersten Messerstich sogar noch nachsetzte und ihm einen zweiten Messer- stich in den Rücken beibrachte, um seine Tat zu vollenden“ (UA S. 44), bei der Tat II.4 „sofort einen gezielten Messerstich gegen den Hals des Geschädigten und somit gegen eine besonders empfindliche Körperregion“ und „mit Wucht“ führte (UA S. 45), bei der Tat II.5 „seinen ersten Stich sofort in Richtung des Kopfes des Geschädigten M. und somit gegen eine besonders empfindli- che Körperregion“ führte (UA S. 47) und er bei der Tat II.6 „den Geschädigten durch den Halsschnitt in potentielle Lebensgefahr versetzte“ (UA S. 48). Es kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnommen werden, dass der Angeklagte das Maß an Gewalt überschritten hat, das zur Verwirklichung seines jeweiligen Entschlusses, die von ihm angegriffene Person zu töten, erforderlich war. Die Anwendung der zur Tötung erforderlichen Gewalt darf indes grundsätzlich nicht straferschwerend gewertet werden (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 1988 – 5 StR 657/87, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 2; vom 28. September 1995 – 4 StR 561/95, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 6; vom 24. März 1998 – 4 StR 34/98, StV 1998, 657 und vom 8. Oktober 2008 – 4 StR 226/08, StV 2009, 464).
5
b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet weiter die jeweils straferschwerende Wertung des Landgerichts, dass die Messerangriffe des Angeklagten jeweils „völlig grundlos“ erfolgt seien. Die Schwurgerichtskammer hat sich – wie sie selbst ausdrücklich festhält (UA S. 6) – von einem Motiv für diese vom Angeklagten pauschal bestrittenen Taten keine sichere Überzeugung bilden können. Bei dieser Sachlage verbietet es sich, eine Grund- bzw. Anlasslosigkeit der Taten zu berücksichtigen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. März 2011 – 2 StR 56/11). Soweit die Schwurgerichtskammer die Grundlosigkeit der Taten beispielhaft im Fall II.4 mit der weiteren Erwägung charakterisiert , dass auch eine Provokation durch den Geschädigten als Motiv für die Tat nicht erfolgt sei, hat sie verkannt, dass ein solcher Umstand in der Regel zugunsten eines Täters wirkt. Das Fehlen eines solchen möglichen Strafmilderungsgrundes darf nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden.
6
2. Ungeachtet der Angemessenheit der verhängten Strafen kann der Senat nicht gänzlich ausschließen, dass sich die aufgezeigten Rechtsfehler im Fall II.4 bei der Wahl des Strafrahmens des § 211 Abs. 1 StGB ohne die fakul- tative Versuchsmilderung gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB und in den drei übrigen Fällen bei der konkreten Strafzumessung ausgewirkt haben. Die Aufhebung der betreffenden Einzelstrafen entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.
7
Die getroffenen Feststellungen werden durch die Wertungsfehler nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Im Rahmen der neuen Strafzumessung sind ergänzende Feststellungen möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
Sander Schneider Berger
Bellay Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 8 3 / 1 5
vom
25. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. Juni 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 2. September 2014 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere als Schwurgericht tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat im Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Das Landgericht hat bei der Prüfung des minder schweren Falles nach § 213 2. Alt. StGB zu Lasten des Angeklagten unter anderem berücksichtigt, dass er "noch dazu mit unbedingtem Tötungsvorsatz gegen sein Opfer" vorgegangen ist. Dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB und erweist sich daher als rechtsfehlerhaft (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 - 2 StR 166/15; Beschluss vom 11. März 2015 - 1 StR 3/15). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei rechtsfehlerfreier Würdigung zur Annahme eines minder schweren Falles gelangt und eine niedrigere Freiheitsstrafe verhängt hätte.
3
Da es sich um einen Wertungsfehler handelt, bedarf es der Aufhebung von Feststellungen nicht. Der Tatrichter ist nicht gehindert, neue Feststellungen zu treffen, die zum feststehenden Sachverhalt nicht in Widerspruch stehen. Krehl Eschelbach Ott Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 3 / 1 5
vom
11. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. März 2015 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 1. Oktober 2014 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts Landshut zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten. Die mit der näher ausgeführten Sachrüge begründete Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs; im Übrigen ist sie im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
2
1. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht ausdrücklich strafschärfend gewertet, dass es dem Angeklagten unbedingt darauf angekommen sei, seine Ehefrau zu töten, und er nicht nur mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe. Dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Februar 2004 – 4 StR 403/03 und vom 19. März 2009 – 4 StR 53/09, NStZ 2009, 564). Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Strafausspruch auf diesem Rechtsfehler beruht, der einen von drei bei der konkreten Strafzumessung ausdrücklich genannten Strafschärfungsgründe betrifft.
3
2. Bei dem Vorbehalt der Sicherungsverwahrung ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es diesen aussprechen muss, weil die Voraussetzungen des § 66a Abs. 2 StGB vorliegen. Dies ist rechtsfehlerhaft. Bei § 66a Abs. 2 StGB handelt es sich schon nach dem Wortlaut der Norm („kann“) um eine Ermessensvorschrift (vgl. Stree/Kinzig, in Schönke/Schröder, 29. Aufl., § 66a Rn. 20). Da das Landgericht den Ermessenscharakter der Vorschrift verkannt hat, hat es kein Ermessen ausgeübt. Dem Senat ist es verwehrt, insoweit eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. August 2003 – 3 StR 251/03, NStZ-RR 2004, 12). Dies führt zur Aufhebung der Vorbehaltsanordnung.
4
In diesem Zusammenhang nicht unbedenklich sind Formulierungen des Landgerichts, wonach bei dem die Tatumstände zum Teil bestreitenden Ange- klagten eine „echte Reue“ nicht ersichtlich sei,auch weil er sich in der Hauptverhandlung bei der Geschädigten mit der Begründung nicht entschuldigt habe, sie habe in der Hauptverhandlung gelogen. Rechtsfehlerhaft wäre es, mit einem zulässigen Verteidigungsverhalten des Angeklagten dessen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten oder dessen hangbedingte Gefährlichkeit zu begründen (vgl. Senat, Beschluss vom 21. August 2014 – 1 StR 320/14, NStZ-RR 2015, 9 mwN).
5
3. Um dem neuen Tatgericht insgesamt eine widerspruchsfreie neue Entscheidung über die Rechtsfolgen zu ermöglichen, hat der Senat die zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
RiBGH Prof. Dr. Jäger befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschriftsleistung verhindert. Raum Graf Raum
RiBGH Prof. Dr. Radtke befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschriftsleistung verhindert. Raum Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 61/12
vom
28. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. Juni 2012
gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 25. Mai 2011 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Urteilsformel dahin ergänzt wird, dass die in Griechenland erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1 : 1 auf die erkannte Strafe angerechnet wird. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: Zwar verstößt es in der Regel gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB, wenn der Umstand, dass der Angeklagte mit direktem Tötungsvorsatz gehandelt hat, als solcher straferschwerend verwertet wird, weil damit nur der Normalfall des § 212 StGB gekennzeichnet wird (BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 1, 3, 4, 5; BGH NStZ 2008, 624; aA S/S/WStGB /Eschelbach § 46 Rn. 185). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Täter - wie hier festgestellt - absichtlich einen Menschen tötet, er also nicht nur um den Todeseintritt sicher weiß, sondern es ihm vielmehr darauf ankommt. Ebenso ist es nicht ausgeschlossen, eine zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges notwendige, das Mordmerkmal der Grausamkeit noch nicht erfüllende Tötungshandlung unter dem Gesichtspunkt der besonderen Handlungsintensität strafschärfend zu berücksichtigen.
Ernemann Fischer Appl Schmitt Eschelbach

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 223/08
vom
14. August 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. August
2008, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 20. Dezember 2007 wird verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen suchte der damals 65 Jahre alte Angeklagte am 8. Juni 2007 seine 68 Jahre alte Ehefrau Lidia, die sich im Oktober 2000 von ihm getrennt hatte, in deren Wohnung auf. Als der Angeklagte erkannte, dass Lidia, die seinen Versuch, sie zu umarmen, zurückgewiesen hatte, den Abend nicht, wie von ihm erhofft, gemeinsam mit ihm verbringen wollte, reagierte er gereizt. Als seine Ehefrau ihn bewegen wollte, die Wohnung zu verlassen, geriet der auf Grund einer hirnorganischen Erkrankung sehr leicht reizbare Angeklagte in Wut und zerschlug ein Bierglas auf dem Küchentisch. Seine darüber erboste Ehefrau schlug zweimal mit der Hand nach dem Angeklagten und schimpfte lauthals auf ihn ein. Der Angeklagte ergriff im Verlauf der Auseinandersetzung eine Ahle (Gesamtlänge: etwa 25 cm), folgte seiner Ehefrau, die sich in das Wohnzimmer zurückgezogen hatte, und stach neunmal wuchtig mit der Ahle auf seine Ehefrau ein. "Jedenfalls die sechs Stiche in die Brust ver- setzte der Angeklagte seiner Frau in rascher Folge nacheinander in der Vorstellung , damit ihren Tod herbeizuführen". Die Ehefrau des Angeklagten verstarb innerhalb kurzer Zeit auf Grund des durch diese Stiche verursachten massiven Blutverlustes.
3
Bei Begehung der Tat war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten auf Grund seiner hirnorganischen Erkrankung in Verbindung mit der affektiv aufgeladenen Tatsituation erheblich vermindert. Im Hinblick darauf hat das Landgericht einen minder schweren Fall im Sinne der zweiten Alternative des § 213 StGB bejaht und die Strafe dem danach zur Verfügung stehenden Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe entnommen.
4
2. Die Überprüfung des Schuldspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch die von der Revision angegriffene Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
5
Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann auf Grund der Sachrüge nur prüfen, ob dem Tatrichter hierbei Rechtsfehler unterlaufen sind (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33 m. N.). Das ist hier nicht der Fall. Insbesondere begegnet die Überzeugungsbildung zur Täterschaft des Angeklagten keinen rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat aus den sicher festgestellten Beweisanzeichen nahe liegende Schlüsse gezogen. Auch wenn einzelne Indizien für sich allein nicht ausreichen würden und sich einzelne Umstände auch anders erklären ließen , so durfte sich die Strafkammer doch aufgrund einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände die Überzeugung bilden, dass dem Tatopfer die Stichverletzungen , die „innerhalb kurzer Zeit“ zum Tode führten, am 8 Juni 2007 zwischen 18:00 Uhr und 18:40 Uhr zugefügt wurden, und zwar vom Angeklagten, der sich in dieser Zeit in der Wohnung des Tatopfers aufhielt. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Revisionsbegründung eine eigene Beweiswürdigung vornimmt, kann er damit im Revisionsverfahren nicht gehört werden.
6
3. Auch der Strafausspruch hat Bestand.
7
a) Es kann dahinstehen, ob das Landgericht Äußerungen des Tatopfers zugunsten des Angeklagten als schwere Beleidigung oder die zwei Schläge, die dem Angeklagten von seiner Ehefrau versetzt wurden, als Misshandlungen im Sinne der ersten Alternative des § 213 StGB hätte werten müssen. Jedenfalls ist der Angeklagte nach den Feststellungen nicht, wie nach § 213 StGB erforderlich , ohne eigene Schuld zum Zorn gereizt und zur Tat hingerissen worden. Vielmehr hat er mit seiner von ihm seit Jahren getrennt lebenden Ehefrau einen Streit angefangen und, als diese ihn zum Verlassen ihrer Wohnung bewegen wollte, das Bierglas, ein Geschenk des gemeinsamen Sohnes, zerschlagen.
8
Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Landgericht einen minder schweren Fall nicht schon aufgrund der hier vorliegenden übrigen Milderungsgründe bejaht hat. Die Annahme des Landgerichts, dass der Strafrahmen des § 213 StGB nur unter Verbrauch des vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB anzuwenden sei, obwohl der Angeklagte nicht vorbestraft ist, er die Tat in einer schwierigen Lebenssituation spontan begangen hat und aufgrund seines Alters und Charakters besonders haftempfindlich ist, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Entgegen der Auffassung der Revision ist daher für eine nochmalige Milderung des Strafrahmens des § 213 StGB gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB kein Raum.
9
b) Allerdings beanstanden die Revision und der Generalbundesanwalt zu Recht, dass das Landgericht als Straferschwerungsgrund herangezogen hat, dass der Angeklagte „mit direktem Tötungsvorsatz und nicht nur bedingtem“ gehandelt hat. Der Tatbestand des Totschlags setzt vorsätzliche Tatbegehung voraus, deren Regelfall die Tötung mit direktem Vorsatz ist. Daher verstößt es gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB, wenn der Umstand , dass der Angeklagte mit direktem Tötungsvorsatz gehandelt hat, als solcher strafschärfend verwertet wird (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 1, 3, 4; Senatsbeschluss vom 30. Juli 1998 - 4 StR 346/98). Dieser Rechtsfehler nötigt jedoch unter den hier gegebenen Umständen nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs.
10
Dabei kann dahinstehen, ob das Urteil auf diesem Strafzumessungsfehler beruht, weil die verhängte Rechtsfolge jedenfalls angemessen ist (§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO).
11
Die bei verfassungskonformer Auslegung erforderlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung des Revisionsgerichts nach dieser Vorschrift (vgl. dazu BVerfG NStZ 2007, 598) liegen vor. Dem Senat steht ein zutreffend ermittelter , vollständiger und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur Verfügung. Es gibt keine Anhaltspunkte für erst nach der erstinstanzlichen Hauptverhandlung eingetretene und dementsprechend bisher nicht berücksichtigte Entwicklungen oder Ereignisse, die ein neuer Tatrichter nahe liegend feststellen und zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigen würde.
12
Unter Abwägung aller für die Strafzumessung bedeutsamen Urteilsfeststellungen und unter Berücksichtigung des gesamten hierauf bezogenen Vorbringens der Verfahrensbeteiligten hält der Senat die vom Landgericht verhäng- te Freiheitsstrafe von sechs Jahren für angemessen. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Angeklagte die maßgeblichen Ursachen für den Streit mit seiner Ehefrau, die sich bereits im Oktober 2000 von ihm getrennt hatte , gesetzt hat. Er hat sich über das Hausrecht seiner Ehefrau hinweggesetzt und hat seine Ehefrau mit dem Zerschlagen des Bierglases, das ihr einer ihrer Söhne geschenkt hatte, noch zusätzlich provoziert.
Maatz Kuckein Athing
Solin-Stojanović Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 53/09
vom
19. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. März 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 18. Juli 2008 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt: "Die Kammer hat wegen nicht ausschließbarer verminderter Steuerungsfähigkeit i.S.d. § 21 StGB den Strafrahmen nach § 49 Abs. 1 StGB gemindert. Straferschwerend hat sie sodann allein folgende Erwägung herangezogen : 'Zu Lasten des Angeklagten war der in der Tat zum Ausdruck kommende unbedingte Vernichtungswille zu berücksichtigen, der für den waffenerfahrenen Angeklagten bei einem Kopfschuss mit einem Schrotgewehr aus nächster Nähe deutlich zum Ausdruck kommt, und auch innerhalb der tatbestandserfassten Fälle des direkten Tötungsvorsatzes im Hinblick auf Anlass und Ziel der Tat sowie das vorausgegangene Verhalten des Tatopfers besonders schwerwiegend erscheint' (UA S. 39). Diese Erwägung begegnet unter dem Gesichtspunkt des Doppelverwertungsverbots (§ 46 Abs. 3 StGB) durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Kammer hat damit maßgeblich auf den die Tat prägenden 'unbedingten Vernichtungswillen' abgestellt. Dass der Täter eines Tötungsdeliktes, von derartiger Absicht angetrieben, dem Opfer bewusst keine Überlebenschance lässt, verwertet aber lediglich erneut zu Lasten des Angeklagten das Tatbestandsmerkmal des Tötungsvorsatzes (vgl. Senat BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 1; Beschluss vom 3. Februar 2004 - 4 StR 403/03 -). Zwar hat die Kammer versucht, ihre Überlegungen im Folgenden weiter zu konkretisieren; dass darin tatsächlich eine Anknüpfung der Strafzumessung an zulässige Straferschwerungsgründe liegt, lässt sich indes der wenig geglückten Formulierung jedenfalls nicht zweifelsfrei entnehmen, zumal die Kammer offenbar Abstufungen innerhalb der Fälle direkten Vorsatzes vorgenommen sowie den nach dem Tatgeschehen auf der Hand liegenden direkten Tötungsvorsatz schon im Rahmen der Beweiswürdigung näher erörtert und als 'bewusst, gewollt und gezielt' (UA S. 34 unten) gekennzeichnet hat. Zudem unterliegen auch die in Betracht zu ziehenden Interpretationsmöglichkeiten Bedenken. Selbst wenn man die Wendung, der 'unbedingte Vernichtungswille' sei 'für den waffenerfahrenen Angeklagten bei einem Kopfschuss mit einem Schrotgewehr aus nächster Nähe deutlich zum Ausdruck gekommen', letztlich als eine Beschreibung der Art der Tatausführung (§ 46 Abs. 2 StGB) werten wollte (vgl. hierzu BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 5), bliebe im Kern doch nur der Vorwurf, der Angeklagte habe mit der Abgabe des Schusses aus naher Distanz die zur Erreichung seines Tatziels - die Tötung des Tatopfers - nötige Gewalt angewandt; auch dies wäre mit § 46 Abs. 3 StGB nicht vereinbar (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 2, 6). Eine solche Interpretation geriete auch mit dem Grundsatz in Konflikt, dass im Verhältnis zu dem gesetzlichen Regelfall einer Tötung mit bedingtem Vorsatz eine geringere Tatschwere zukommt, nicht aber eine Tötung mit direktem Tötungsvorsatz einen gesteigerten Unrechtsgehalt aufweist. Auch im Übrigen lassen die Ausführungen selbst bei weiter Auslegung nicht erkennen, dass die Kammer in rechtlich zulässiger Weise auf erschwerende Gesichtspunkte der Tatausführung verweisen wollte, wie etwa die durch das Bereitstellen und Verdecken der Tatwaffen vom Angeklagten bewusst geschaffene Gefährlichkeit der Situation. Zwar lässt sich der weiteren Erwägung, der Vernichtungswille erscheine 'im Hinblick auf Anlass und Ziel der Tat sowie das vorangegangene Verhalten des Tatopfers besonders schwerwiegend' ein Bezug zur Tatmotivation entnehmen. Die Herleitung strafschärfender Umstände wird insofern durch die Feststellungen aber nicht getragen. Zum Anlass der Tat hat die Kammer festgestellt, dass der von jeher eifersüchtige (UA S. 5) Angeklagte, der erhebliche Investitionen in die von seiner Lebensgefährtin betriebene Gaststätte geleistet hatte (UA S. 3, 20), die Tat beging aus 'Angst, seine Lebensgefährtin zu verlieren und aus spontaner Wut gegen den Getöteten, dem sie sich endgültig zugewandt hatte' (UA S. 14, 33). Inwiefern hieraus - jenseits der von der Kammer verneinten niedrigen Beweggründe - ein erhöhter Unrechtsgehalt folgen soll, hätte zumindest näherer Begründung bedurft. Auch aus dem Vorverhalten des Tatopfers, dessen Äußerung 'ich nehm sie dir weg' die Tat unmittelbar ausgelöst hatte (UA S. 35), ist eine Steigerung des Schuld- und Unrechtsgehalts jedenfalls ohne nähere Darlegung nicht ohne Weiteres abzuleiten. Einer Auslegung, die Kammer habe in noch zulässiger Weise strafschärfend nicht den Tötungsvorsatz, sondern eine aus der Art der Ausführung und der Tatmotivation folgende erhöhte kriminelle Energie herangezogen , steht schließlich auch die angenommene eingeschränkte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten entgegen. Denn nach den Feststellungen bestand bei ihm aufgrund seiner Alkoholisierung eine toxische Reizoffenheit , in Folge derer er nicht mehr in vollem Umfang in der Lage war, die von Außen und Innen kommenden Reize zu filtrieren, abzuwägen und bedürfnisgerecht zu reagieren (vgl. UA S. 16). Im Hinblick darauf, dass sich die Kammer bei der Zumessung der Strafe ersichtlich an der Obergrenze des rechtsfehlerfrei nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB (und nicht nach § 213, 2. Alt. StGB) gemilderten Strafrahmens orientiert hatte, lässt sich ein Beruhen des Strafausspruches auf dem dargelegten Rechtsverstoß nicht ausschließen. Eine Anwendung von § 354 Abs. 1a StPO erscheint deshalb ebenfalls nicht angebracht. Die Sache bedarf daher hinsichtlich des Strafausspruches neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen können aufrecht erhalten bleiben, weil es sich lediglich um einen Wertungsfehler handelt; ergänzende Feststellungen sind möglich."
3
Dem verschließt sich der Senat nicht. Tepperwien Maatz Athing Franke Mutzbauer

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 355/15
vom
14. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2015 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Berlin vom 13. Februar 2015 nach § 349
Abs. 4 StPO in den Einzelstrafaussprüchen zu den Fällen
II.3 bis II.6 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafausspruch
aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen
Feststellungen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen sexueller Nötigung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Strafausspruch hält in den Fällen II.3 bis II.6, in denen der Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Insoweit hat das Landgericht bei der Strafzumessung jeweils strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte mit direktem Tötungsvorsatz gehandelt hat. Diese Erwägung verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Der Tatbestand des Totschlags setzt vorsätzliche Tatbegehung voraus, deren normativer Regelfall die Tötung mit direktem Vorsatz ist. Der Umstand, dass der Angeklagte mit direktem Vorsatz gehandelt hat, darf daher als solcher nicht straferschwerend berücksichtigt werden (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Dezember 1989 – 2 StR 555/89, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 3 mwN; vom 17. September 1990 – 3 StR 313/90, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4; vom 19. März 2009 – 4 StR 53/09, NStZ 2009, 564, und vom 11. März 2015 – 1 StR 3/15).
4
Außerdem hat das Landgericht in den vier Fällen des versuchten Mordes rechtsfehlerhaft (§ 46 Abs. 3 StGB) jeweils die Tatausführung straferschwerend gewertet, wonach der Angeklagte bei der Tat II.3 dem Geschädigten T. „nach dem ersten Messerstich sogar noch nachsetzte und ihm einen zweiten Messer- stich in den Rücken beibrachte, um seine Tat zu vollenden“ (UA S. 44), bei der Tat II.4 „sofort einen gezielten Messerstich gegen den Hals des Geschädigten und somit gegen eine besonders empfindliche Körperregion“ und „mit Wucht“ führte (UA S. 45), bei der Tat II.5 „seinen ersten Stich sofort in Richtung des Kopfes des Geschädigten M. und somit gegen eine besonders empfindli- che Körperregion“ führte (UA S. 47) und er bei der Tat II.6 „den Geschädigten durch den Halsschnitt in potentielle Lebensgefahr versetzte“ (UA S. 48). Es kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnommen werden, dass der Angeklagte das Maß an Gewalt überschritten hat, das zur Verwirklichung seines jeweiligen Entschlusses, die von ihm angegriffene Person zu töten, erforderlich war. Die Anwendung der zur Tötung erforderlichen Gewalt darf indes grundsätzlich nicht straferschwerend gewertet werden (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 1988 – 5 StR 657/87, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 2; vom 28. September 1995 – 4 StR 561/95, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 6; vom 24. März 1998 – 4 StR 34/98, StV 1998, 657 und vom 8. Oktober 2008 – 4 StR 226/08, StV 2009, 464).
5
b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet weiter die jeweils straferschwerende Wertung des Landgerichts, dass die Messerangriffe des Angeklagten jeweils „völlig grundlos“ erfolgt seien. Die Schwurgerichtskammer hat sich – wie sie selbst ausdrücklich festhält (UA S. 6) – von einem Motiv für diese vom Angeklagten pauschal bestrittenen Taten keine sichere Überzeugung bilden können. Bei dieser Sachlage verbietet es sich, eine Grund- bzw. Anlasslosigkeit der Taten zu berücksichtigen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. März 2011 – 2 StR 56/11). Soweit die Schwurgerichtskammer die Grundlosigkeit der Taten beispielhaft im Fall II.4 mit der weiteren Erwägung charakterisiert , dass auch eine Provokation durch den Geschädigten als Motiv für die Tat nicht erfolgt sei, hat sie verkannt, dass ein solcher Umstand in der Regel zugunsten eines Täters wirkt. Das Fehlen eines solchen möglichen Strafmilderungsgrundes darf nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden.
6
2. Ungeachtet der Angemessenheit der verhängten Strafen kann der Senat nicht gänzlich ausschließen, dass sich die aufgezeigten Rechtsfehler im Fall II.4 bei der Wahl des Strafrahmens des § 211 Abs. 1 StGB ohne die fakul- tative Versuchsmilderung gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB und in den drei übrigen Fällen bei der konkreten Strafzumessung ausgewirkt haben. Die Aufhebung der betreffenden Einzelstrafen entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.
7
Die getroffenen Feststellungen werden durch die Wertungsfehler nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Im Rahmen der neuen Strafzumessung sind ergänzende Feststellungen möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
Sander Schneider Berger
Bellay Feilcke

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 61/12
vom
28. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. Juni 2012
gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 25. Mai 2011 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Urteilsformel dahin ergänzt wird, dass die in Griechenland erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1 : 1 auf die erkannte Strafe angerechnet wird. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: Zwar verstößt es in der Regel gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB, wenn der Umstand, dass der Angeklagte mit direktem Tötungsvorsatz gehandelt hat, als solcher straferschwerend verwertet wird, weil damit nur der Normalfall des § 212 StGB gekennzeichnet wird (BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 1, 3, 4, 5; BGH NStZ 2008, 624; aA S/S/WStGB /Eschelbach § 46 Rn. 185). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Täter - wie hier festgestellt - absichtlich einen Menschen tötet, er also nicht nur um den Todeseintritt sicher weiß, sondern es ihm vielmehr darauf ankommt. Ebenso ist es nicht ausgeschlossen, eine zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges notwendige, das Mordmerkmal der Grausamkeit noch nicht erfüllende Tötungshandlung unter dem Gesichtspunkt der besonderen Handlungsintensität strafschärfend zu berücksichtigen.
Ernemann Fischer Appl Schmitt Eschelbach

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person

1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3)

1.
die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht oder
2.
die Farben, die Flagge, das Wappen oder die Hymne der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder verunglimpft,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine öffentlich gezeigte Flagge der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ein von einer Behörde öffentlich angebrachtes Hoheitszeichen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder entfernt, zerstört, beschädigt, unbrauchbar oder unkenntlich macht oder beschimpfenden Unfug daran verübt. Der Versuch ist strafbar.

(3) Die Strafe ist Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, wenn der Täter sich durch die Tat absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einsetzt.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 355/15
vom
14. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2015 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Berlin vom 13. Februar 2015 nach § 349
Abs. 4 StPO in den Einzelstrafaussprüchen zu den Fällen
II.3 bis II.6 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafausspruch
aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen
Feststellungen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen sexueller Nötigung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Strafausspruch hält in den Fällen II.3 bis II.6, in denen der Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Insoweit hat das Landgericht bei der Strafzumessung jeweils strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte mit direktem Tötungsvorsatz gehandelt hat. Diese Erwägung verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Der Tatbestand des Totschlags setzt vorsätzliche Tatbegehung voraus, deren normativer Regelfall die Tötung mit direktem Vorsatz ist. Der Umstand, dass der Angeklagte mit direktem Vorsatz gehandelt hat, darf daher als solcher nicht straferschwerend berücksichtigt werden (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Dezember 1989 – 2 StR 555/89, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 3 mwN; vom 17. September 1990 – 3 StR 313/90, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4; vom 19. März 2009 – 4 StR 53/09, NStZ 2009, 564, und vom 11. März 2015 – 1 StR 3/15).
4
Außerdem hat das Landgericht in den vier Fällen des versuchten Mordes rechtsfehlerhaft (§ 46 Abs. 3 StGB) jeweils die Tatausführung straferschwerend gewertet, wonach der Angeklagte bei der Tat II.3 dem Geschädigten T. „nach dem ersten Messerstich sogar noch nachsetzte und ihm einen zweiten Messer- stich in den Rücken beibrachte, um seine Tat zu vollenden“ (UA S. 44), bei der Tat II.4 „sofort einen gezielten Messerstich gegen den Hals des Geschädigten und somit gegen eine besonders empfindliche Körperregion“ und „mit Wucht“ führte (UA S. 45), bei der Tat II.5 „seinen ersten Stich sofort in Richtung des Kopfes des Geschädigten M. und somit gegen eine besonders empfindli- che Körperregion“ führte (UA S. 47) und er bei der Tat II.6 „den Geschädigten durch den Halsschnitt in potentielle Lebensgefahr versetzte“ (UA S. 48). Es kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnommen werden, dass der Angeklagte das Maß an Gewalt überschritten hat, das zur Verwirklichung seines jeweiligen Entschlusses, die von ihm angegriffene Person zu töten, erforderlich war. Die Anwendung der zur Tötung erforderlichen Gewalt darf indes grundsätzlich nicht straferschwerend gewertet werden (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 1988 – 5 StR 657/87, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 2; vom 28. September 1995 – 4 StR 561/95, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 6; vom 24. März 1998 – 4 StR 34/98, StV 1998, 657 und vom 8. Oktober 2008 – 4 StR 226/08, StV 2009, 464).
5
b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet weiter die jeweils straferschwerende Wertung des Landgerichts, dass die Messerangriffe des Angeklagten jeweils „völlig grundlos“ erfolgt seien. Die Schwurgerichtskammer hat sich – wie sie selbst ausdrücklich festhält (UA S. 6) – von einem Motiv für diese vom Angeklagten pauschal bestrittenen Taten keine sichere Überzeugung bilden können. Bei dieser Sachlage verbietet es sich, eine Grund- bzw. Anlasslosigkeit der Taten zu berücksichtigen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. März 2011 – 2 StR 56/11). Soweit die Schwurgerichtskammer die Grundlosigkeit der Taten beispielhaft im Fall II.4 mit der weiteren Erwägung charakterisiert , dass auch eine Provokation durch den Geschädigten als Motiv für die Tat nicht erfolgt sei, hat sie verkannt, dass ein solcher Umstand in der Regel zugunsten eines Täters wirkt. Das Fehlen eines solchen möglichen Strafmilderungsgrundes darf nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden.
6
2. Ungeachtet der Angemessenheit der verhängten Strafen kann der Senat nicht gänzlich ausschließen, dass sich die aufgezeigten Rechtsfehler im Fall II.4 bei der Wahl des Strafrahmens des § 211 Abs. 1 StGB ohne die fakul- tative Versuchsmilderung gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB und in den drei übrigen Fällen bei der konkreten Strafzumessung ausgewirkt haben. Die Aufhebung der betreffenden Einzelstrafen entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.
7
Die getroffenen Feststellungen werden durch die Wertungsfehler nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Im Rahmen der neuen Strafzumessung sind ergänzende Feststellungen möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
Sander Schneider Berger
Bellay Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 8 3 / 1 5
vom
25. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. Juni 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 2. September 2014 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere als Schwurgericht tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat im Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Das Landgericht hat bei der Prüfung des minder schweren Falles nach § 213 2. Alt. StGB zu Lasten des Angeklagten unter anderem berücksichtigt, dass er "noch dazu mit unbedingtem Tötungsvorsatz gegen sein Opfer" vorgegangen ist. Dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB und erweist sich daher als rechtsfehlerhaft (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 - 2 StR 166/15; Beschluss vom 11. März 2015 - 1 StR 3/15). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei rechtsfehlerfreier Würdigung zur Annahme eines minder schweren Falles gelangt und eine niedrigere Freiheitsstrafe verhängt hätte.
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Da es sich um einen Wertungsfehler handelt, bedarf es der Aufhebung von Feststellungen nicht. Der Tatrichter ist nicht gehindert, neue Feststellungen zu treffen, die zum feststehenden Sachverhalt nicht in Widerspruch stehen. Krehl Eschelbach Ott Zeng Bartel

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 53/09
vom
19. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. März 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 18. Juli 2008 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt: "Die Kammer hat wegen nicht ausschließbarer verminderter Steuerungsfähigkeit i.S.d. § 21 StGB den Strafrahmen nach § 49 Abs. 1 StGB gemindert. Straferschwerend hat sie sodann allein folgende Erwägung herangezogen : 'Zu Lasten des Angeklagten war der in der Tat zum Ausdruck kommende unbedingte Vernichtungswille zu berücksichtigen, der für den waffenerfahrenen Angeklagten bei einem Kopfschuss mit einem Schrotgewehr aus nächster Nähe deutlich zum Ausdruck kommt, und auch innerhalb der tatbestandserfassten Fälle des direkten Tötungsvorsatzes im Hinblick auf Anlass und Ziel der Tat sowie das vorausgegangene Verhalten des Tatopfers besonders schwerwiegend erscheint' (UA S. 39). Diese Erwägung begegnet unter dem Gesichtspunkt des Doppelverwertungsverbots (§ 46 Abs. 3 StGB) durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Kammer hat damit maßgeblich auf den die Tat prägenden 'unbedingten Vernichtungswillen' abgestellt. Dass der Täter eines Tötungsdeliktes, von derartiger Absicht angetrieben, dem Opfer bewusst keine Überlebenschance lässt, verwertet aber lediglich erneut zu Lasten des Angeklagten das Tatbestandsmerkmal des Tötungsvorsatzes (vgl. Senat BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 1; Beschluss vom 3. Februar 2004 - 4 StR 403/03 -). Zwar hat die Kammer versucht, ihre Überlegungen im Folgenden weiter zu konkretisieren; dass darin tatsächlich eine Anknüpfung der Strafzumessung an zulässige Straferschwerungsgründe liegt, lässt sich indes der wenig geglückten Formulierung jedenfalls nicht zweifelsfrei entnehmen, zumal die Kammer offenbar Abstufungen innerhalb der Fälle direkten Vorsatzes vorgenommen sowie den nach dem Tatgeschehen auf der Hand liegenden direkten Tötungsvorsatz schon im Rahmen der Beweiswürdigung näher erörtert und als 'bewusst, gewollt und gezielt' (UA S. 34 unten) gekennzeichnet hat. Zudem unterliegen auch die in Betracht zu ziehenden Interpretationsmöglichkeiten Bedenken. Selbst wenn man die Wendung, der 'unbedingte Vernichtungswille' sei 'für den waffenerfahrenen Angeklagten bei einem Kopfschuss mit einem Schrotgewehr aus nächster Nähe deutlich zum Ausdruck gekommen', letztlich als eine Beschreibung der Art der Tatausführung (§ 46 Abs. 2 StGB) werten wollte (vgl. hierzu BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 5), bliebe im Kern doch nur der Vorwurf, der Angeklagte habe mit der Abgabe des Schusses aus naher Distanz die zur Erreichung seines Tatziels - die Tötung des Tatopfers - nötige Gewalt angewandt; auch dies wäre mit § 46 Abs. 3 StGB nicht vereinbar (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 2, 6). Eine solche Interpretation geriete auch mit dem Grundsatz in Konflikt, dass im Verhältnis zu dem gesetzlichen Regelfall einer Tötung mit bedingtem Vorsatz eine geringere Tatschwere zukommt, nicht aber eine Tötung mit direktem Tötungsvorsatz einen gesteigerten Unrechtsgehalt aufweist. Auch im Übrigen lassen die Ausführungen selbst bei weiter Auslegung nicht erkennen, dass die Kammer in rechtlich zulässiger Weise auf erschwerende Gesichtspunkte der Tatausführung verweisen wollte, wie etwa die durch das Bereitstellen und Verdecken der Tatwaffen vom Angeklagten bewusst geschaffene Gefährlichkeit der Situation. Zwar lässt sich der weiteren Erwägung, der Vernichtungswille erscheine 'im Hinblick auf Anlass und Ziel der Tat sowie das vorangegangene Verhalten des Tatopfers besonders schwerwiegend' ein Bezug zur Tatmotivation entnehmen. Die Herleitung strafschärfender Umstände wird insofern durch die Feststellungen aber nicht getragen. Zum Anlass der Tat hat die Kammer festgestellt, dass der von jeher eifersüchtige (UA S. 5) Angeklagte, der erhebliche Investitionen in die von seiner Lebensgefährtin betriebene Gaststätte geleistet hatte (UA S. 3, 20), die Tat beging aus 'Angst, seine Lebensgefährtin zu verlieren und aus spontaner Wut gegen den Getöteten, dem sie sich endgültig zugewandt hatte' (UA S. 14, 33). Inwiefern hieraus - jenseits der von der Kammer verneinten niedrigen Beweggründe - ein erhöhter Unrechtsgehalt folgen soll, hätte zumindest näherer Begründung bedurft. Auch aus dem Vorverhalten des Tatopfers, dessen Äußerung 'ich nehm sie dir weg' die Tat unmittelbar ausgelöst hatte (UA S. 35), ist eine Steigerung des Schuld- und Unrechtsgehalts jedenfalls ohne nähere Darlegung nicht ohne Weiteres abzuleiten. Einer Auslegung, die Kammer habe in noch zulässiger Weise strafschärfend nicht den Tötungsvorsatz, sondern eine aus der Art der Ausführung und der Tatmotivation folgende erhöhte kriminelle Energie herangezogen , steht schließlich auch die angenommene eingeschränkte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten entgegen. Denn nach den Feststellungen bestand bei ihm aufgrund seiner Alkoholisierung eine toxische Reizoffenheit , in Folge derer er nicht mehr in vollem Umfang in der Lage war, die von Außen und Innen kommenden Reize zu filtrieren, abzuwägen und bedürfnisgerecht zu reagieren (vgl. UA S. 16). Im Hinblick darauf, dass sich die Kammer bei der Zumessung der Strafe ersichtlich an der Obergrenze des rechtsfehlerfrei nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB (und nicht nach § 213, 2. Alt. StGB) gemilderten Strafrahmens orientiert hatte, lässt sich ein Beruhen des Strafausspruches auf dem dargelegten Rechtsverstoß nicht ausschließen. Eine Anwendung von § 354 Abs. 1a StPO erscheint deshalb ebenfalls nicht angebracht. Die Sache bedarf daher hinsichtlich des Strafausspruches neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen können aufrecht erhalten bleiben, weil es sich lediglich um einen Wertungsfehler handelt; ergänzende Feststellungen sind möglich."
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Dem verschließt sich der Senat nicht. Tepperwien Maatz Athing Franke Mutzbauer

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.