Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Feb. 2015 - 1 StR 629/14

bei uns veröffentlicht am11.02.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 6 2 9 / 1 4
vom
11. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Februar 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4, § 357 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten L. M. wird das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 28. Juli 2014 im Strafausspruch , auch soweit es den Angeklagten B. M. betrifft , aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Nach Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten der Angeklagten hat das Landgericht sie wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von jeweils vier Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte L. M. mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, der auf den Mitangeklagten zu erstrecken ist.
2
1. a) Nach den Feststellungen der Strafkammer entwickelten sich im Sommer 2011 Streitigkeiten zwischen den Angeklagten und dem Geschädigten.
Als die angeklagten Brüder ihn im September 2011 auf ihrem Nachhauseweg sahen, fassten sie deswegen den Entschluss, ihm aufzulauern und ihm sodann eine Abreibung zu verpassen. In Umsetzung dieses Vorhabens passten sie ihn an einem Straßenübergang ab. Sie stiegen aus ihrem Fahrzeug aus, wobei der Angeklagte B. M. mit Kenntnis seines Bruders einen hölzernen Knüppel mit sich führte, und setzten dem Geschädigten nach. Nachdem sie ihn eingeholt hatten, schubste der Angeklagte L. M. den Geschädigten gezielt in Richtung seines Bruders, des Angeklagten B. M. . Dieser versetzte ihm mindestens zwei mit großer Wucht geführte Schläge auf den Kopf. Beide Angeklagte nahmen dabei den Tod des Geschädigten billigend in Kauf. Aufgrund der Schläge erlitt der Geschädigte zwei Schädelfrakturen, die eine akute Lebensgefahr auslösten, und eine offene Wunde am Kopf. Aufgrund dieser Verletzungen kam er zu Fall. Er stürzte auf sein Gesicht, wodurch er sich eine Kiefer- und Jochbeinfraktur sowie Schürfwunden im Gesicht zuzog. Die Angeklagten, die erkannten, dass die Kopfverletzungen tödlich sein konnten (UA S. 8), flüchteten.
3
b) Das Landgericht hat sich vor allem im Hinblick auf die bei den Schlägen aufgewandte "ganz erhebliche Krafteinwirkung" vom Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes bei beiden Angeklagten überzeugt. Es ist daher vom versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in den Begehungsvarianten des § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB ausgegangen.
4
Im Rahmen der Strafzumessung hat es - für beide Angeklagte gleichlautend - zunächst geprüft, ob ein minder schwerer Fall der gefährlichen Körperverletzung vorliegt, einen solchen aber auch wegen der besonderen Rohheit der Tatausführung abgelehnt. Sodann hat es das Vorliegen eines minder schweren Falls des Totschlags nach "§ 213 StGB" geprüft, dies aber ebenfalls abgelehnt. Dabei hat es sowohl auf die Schwere der Verletzungen und die psychischen Folgen für den Geschädigten abgestellt, als auch auf die schon bei der Prüfung der Voraussetzungen des minder schweren Falls der Körperverletzung erörterten Aspekte. Sodann hat es den Strafrahmen gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Bei den dann folgenden Zumessungserwägungen innerhalb des so gefundenen Strafrahmens hat es auch den "geänderten Schuldspruch berücksichtigt".
5
2. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, auch soweit es sich vom Handeln mit bedingtem Tötungsvorsatz überzeugt hat, weist keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Soweit die Revision beanstandet, das Landgericht habe den bedingten Tötungsvorsatz auf den "Bewusstseinszustand bei dem anschließenden Unterlassen" gegründet und rechtsfehlerhaft nicht die Voraussetzungen einer Unterlassensstrafbarkeit geprüft, geht sie fehl. Denn als Tathandlung knüpft das Landgericht an die Schläge mit dem Knüppel, mithin an aktives Tun, an. Auf diesen Zeitpunkt bezieht es auch die Prüfung des Wissens- und Willenselements des bedingten Vorsatzes. Das unmittelbare Nachtatverhalten, das Zurücklassen des auf dem Boden liegenden, ersichtlich erheblich verletzten Geschädigten, hat es lediglich bei der für die Prüfung erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 - 1 StR 262/88, BGHSt 36,1, 9 f.; vom 21. Dezember 2011 - 1 StR 400/11, NStZ-RR 2012, 105 und vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 f.) eingestellt.
6
Einen Rücktritt vom Versuch des Totschlags hat das Landgericht rechtsfehlerfrei verneint und das Vorliegen einer tateinheitlich begangenen gefährli- chen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB) ohne Rechtsfehler bejaht.
7
Auch steht § 373 Abs. 2 Satz 1 StPO der - gegenüber dem Vorverfahren (jeweils Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung) - Verschärfung des Schuldspruchs nicht entgegen. Das in dieser Vorschrift enthaltene Verbot der Schlechterstellung bei Wiederaufnahme zugunsten des Angeklagten entspricht dem Regelungsgehalt der § 331, § 358 Abs. 2 StPO (BGH, Urteil vom 29. November 1972 - 2 StR 498/72, MDR 1973, 191 bei Dallinger; MeyerGoßner , StPO, 57. Aufl., § 373 Rn. 13). Danach richtet sich das Verbot nicht gegen eine ungünstigere Beurteilung der Schuldfrage (RG, Urteil vom 25. Juni 1925 - II 166/25, RGSt 59, 291, 292; BGH, Urteil vom 14. Oktober 1959 - 2 StR 291/59, BGHSt 14, 5, 7 und vom 13. Februar 1985 - 3 StR 525/84, NStZ 1986, 206, 209 bei Pfeiffer/Miebach).
8
3. Jedoch kann der Strafausspruch keinen Bestand haben.
9
a) Das Landgericht hat die gebotene Prüfungsreihenfolge nicht beachtet. Sieht das Gesetz einen minder schweren Fall vor und ist - wie hier gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB - auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben , muss bei der Strafrahmenwahl zunächst vorrangig geprüft werden, ob ein minder schwerer Fall vorliegt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zuerst auf die allgemeinen Milderungsgründe abzustellen. Vermögen sie die Annahme eines minder schweren Falls allein zu tragen, stehen die den gesetzlich vertypten Milderungsgrund verwirklichenden Umstände noch für eine (weitere ) Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB zur Verfügung. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falls abzulehnen, sind auch die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die Bewertung einzubeziehen.
Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (BGH, Beschluss vom 8. August 2012 - 2 StR 279/12, NStZ-RR 2013, 7, 8; Urteil vom 28. Februar 2013 - 4 StR 430/12; Beschlüsse vom 8. Juli 2014 - 2 StR 144/14 und vom 5. August 2014 - 3 StR 138/14).
10
Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Indem das Landgericht für die Verneinung eines minder schweren Falls lediglich allgemeine Strafzumessungsgründe gewürdigt hat, hat es die Prüfung versäumt, ob nicht wegen Vorliegens des vertypten Milderungsgrundes nach § 23 Abs. 2 StGB ein sonstiger minder schwerer Fall des Totschlags nach § 213 Alt. 2 StGB vorliegt, der einen dem Angeklagten günstigeren Strafrahmen eröffnet.
11
b) Die über die Bezugnahme in die Prüfung auch des minder schweren Falls des Totschlags eingestellte Berücksichtigung der besonderen Rohheit der Tatausführung begegnet hier im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB Bedenken. Das Landgericht erläutert den strafschärfend berücksichtigten Umstand nicht näher. Sollte es hiermit - was nahe liegt - allein den erheblichen Kraftaufwand bei Beibringung der Verletzungen erfasst haben, wäre damit ein den Tötungsvorsatz maßgeblich begründender Faktor und die zur Umsetzung dieses Vorsatzes erforderliche Gewalt nochmals nachteilig berücksichtigt.
12
c) Der Senat kann weder ausschließen, dass das Landgericht von einem anderen Strafrahmen ausgegangen wäre, noch dass es dann zu niedrigeren Strafen gelangt wäre.
13
4. Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Aufhebung auf den nicht revidierenden Mitangeklagten B. M. zu erstrecken, denn insoweit beruht die Zumessung der Freiheitsstrafe auf demselben sachlich-rechtlichen Mangel.
14
5. Die Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen und können deswegen bestehen bleiben. Die neu entscheidende Strafkammer ist jedoch nicht gehindert , ergänzende Feststellungen zu treffen, die zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen.
15
6. Für das neu zuständige Tatgericht weist der Senat auf Folgendes hin:
16
Gemäß § 52 Abs. 2 StGB ist die Strafe bei Tateinheit der Vorschrift zu entnehmen, die die schwerste Strafe androht. Dies ist aber hier § 212 StGB, selbst bei Annahme eines minder schweren Falls würde nichts anderes gelten. Vorangestellte Erörterungen zur Annahme eines minder schweren Falls der gefährlichen Körperverletzung sind daher nicht veranlasst.
17
Eine Berücksichtigung des gegenüber dem ersten Urteil geänderten Schuldspruchs erfolgt bereits über die Wahl des schwereren Strafrahmens. Weitere strafzumessungsrelevante Umstände in diesem Zusammenhang wären inhaltlich auszufüllen.
Rothfuß Cirener Radtke
Mosbacher Fischer

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 400/11
vom
21. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
21. Dezember 2011, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof ,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt , in der Verhandlung,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwältin
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 1. März 2011 werden verworfen. 2. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft trägt die Staatskasse. Die Kosten des Rechtsmittels des Nebenklägers trägt dieser selbst. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und der Nebenkläger je zur Hälfte. Die dem Angeklagten durch die Revisionen entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe:



1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung (mittels eines gefährlichen Werkzeugs und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung) in Tateinheit mit Beleidigung zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Weiter hat es festgestellt, dass der Angeklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, den materiellen und immateriellen Schaden des Nebenklägers, der diesem aus der vorliegend abgeurteilten Tat erwachsen ist und noch erwächst, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Versicherer übergegangen sind. Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger beanstanden mit ihrem Rechtsmittel die Verletzung materiellen Rechts, der Nebenkläger erhebt zudem eine Formalrüge. Beide erstreben letztlich die Verurteilung wegen eines versuchten Tötungsdelikts. Den Revisionen bleibt der Erfolg versagt.

I.


2
Seiner Entscheidung hat das Landgericht Folgendes zugrunde gelegt:
3
1. Zur Person des Angeklagten:
4
Der zur Tatzeit 24-jährige Angeklagte gehört der neonationalsozialistisch orientierten rechtsradikalen Szene an. Er bezeichnet sich selbst als Neonazi. Von 2004 bis 2008 war er aktives Mitglied der NPD. Dann schloss er sich dem „Freien Netzwerk Süd“ an.
5
Seit 2004 beobachtete die Polizei den Angeklagten, der „durchaus dem Führungsbereich zuzuordnen sei“, in mindestens 40 Fällen als Aktivisten der rechten Szene. Er wird von der Polizei als sehr gewaltbereit eingestuft.
6
Der Angeklagte ist begeisterter Kampfsportanhänger. Im Alter von 16 oder 17 Jahren hatte er mit dem Boxtraining begonnen. Besonders begeistert ihn das Kickboxen, das er seit 2007 in und außerhalb eines „Fight-Clubs“ be- treibt. Der Angeklagte trainiert nicht nur aus sportlichen Gründen. Als Zuhörer in der Hauptverhandlung in einem Strafverfahren gegen zwei andere Rechtsextremisten im Mai 2009 war er mit einem schwarzen Langarmshirt mit der weißen Aufschrift „Spezialist für Körperverletzungen“ bekleidet aufgefallen.
7
Wegen (gefährlicher) Körperverletzung ist der Angeklagte auch vorbestraft. Im Februar 2008 griffen er und ein Mittäter eine 18-jährige Teilnehmerin und einen 19-jährigen Teilnehmer einer Demonstration gegen eine Mahnwache der NPD zur Erinnerung an die Zerstörung Dresdens auf deren Rückweg zum Bahnhof unvermittelt mit Faustschlägen gegen den Kopf und mit Fußtritten an. Dies führte neben Prellungen zu Kopfschmerzen und Schwindel, die mehrere Tage anhielten, und bei der geschädigten Frau zudem zu einem dreiwöchigen Tinnitus an einem Ohr. Der Angeklagte wurde deshalb zu der Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung bis zum 19. März 2012 zur Bewährung ausgesetzt wurde.
8
2. Zum Tatgeschehen und dessen Folgen:
9
a) Der Angeklagte, seine Freundin L. und deren Arbeitskollegin bestiegen am 28. April 2010 am Hauptbahnhof in Nürnberg gegen 13.45 Uhr die U-Bahnlinie U2. L. trug eine Bauchtasche der Marke „Thor Steinar“, deren Kleidung von der rechtsextremen Szene getragen wird. Etwa 1 ½ Minuten danach stieg an der nächsten Haltestelle (Opernhaus) der 17-jährige B. zu, der spätere Verletzte. Er war seit ca. zwei Jahren in der „Antifa-Bewegung“ politisch aktiv. Sein Blick fiel auf die Bauchtasche der Freundin des Angeklagten. Er stellte sich breitbeinig vor L. auf, beugte sich mit dem Oberkörper nach vorne und warf dieser abfäl- lig die Worte „Thor Steinar“ entgegen. Dies hörte der Angeklagte und erkannte in B. einen politischen Gegner. Verärgert über dessen abfällige Bemerkung schlug der Angeklagte mit der Faust gegen dessen Kopf. Als sich B. daraufhin dem Angeklagten zuwandte, trat dieser ihm wuchtig mit dem gestreckten Bein gegen den Oberkörper, um ihn zu verletzen. B. stürzte zu Boden und riss den Angeklagten mit sich. Es kam etwa fünf Sekunden lang zu einem Gerangel mit wechselseitigen Schlägen. Dann wurden sie von einer zusteigenden Reinigungskraft der Verkehrsbetriebe getrennt. Der Angeklagte stand auf und trat beim Weggehen einmal wuchtig mit seinem Fuß, an dem er straßentaugliche Turnschuhe trug, von der Seite gegen das Gesicht des noch am Boden liegenden B. . Dieser erlitt dadurch eine blutende Verletzung an der Nase.
10
Der Angeklagte verließ die U-Bahn. Beim Aussteigen beschimpfte er B. , der ebenfalls aufgestanden und im Aussteigen begriffen war, noch mit dem Wort Fotze. Der Angeklagte fuhr die Rolltreppe nach oben. Dort traf er seine Begleiterinnen, die auf seine Aufforderung „Los raus hier“ ebenfalls den Zug verlassen hatten.
11
Wenige Sekunden nach dem Aussteigen erlitt B. einen Herzstillstand und brach auf dem Bahnsteig zusammen. Die Ursache dafür war entweder der Tritt des Angeklagten gegen den Oberkörper, bei dem der So- larplexus getroffen wurde, oder eine durch die Angriffe des Angeklagten hervorgerufene affektive Erregung.
12
Ein zufällig anwesender Krankenpfleger leitete sofort Wiederbelebungsversuche ein. Nach wenigen Minuten übernahmen dies über die Dauer von 45 Minuten der Notarzt und mit ihm eingetroffene Sanitäter. Der Notarzt defibrillierte währenddessen neunmal und setzte die maximale Dosis an herzanregenden Mitteln ein. Als die Sanitäter B. bereits aufgegeben hatten, führte der Notarzt die Herzdruckmassage noch zehn Minuten lang durch. Unmittelbar bevor auch er abbrechen wollte, begann das Herz von B. wieder zu schlagen. B. wurde bewusstlos in ein Krankenhaus eingeliefert und für fünf Tage in ein künstliches Koma versetzt. Er musste sich zweier Herzkatheteruntersuchungen unterziehen. Er erlitt zudem ein Kompartmentsyndrom im Bereich des rechten Unterschenkels. Deshalb musste er achtmal operiert werden. Die Strafkammer konnte nicht feststellen, ob das Kompartmentsyndrom unmittelbare Folge eines Angriffs des Angeklagten gegen das rechte Bein des Opfers oder die Folge eines Anstoßes bei der Pflege des Komapatienten war. B. leidet noch immer unter Schmerzen und an den psychischen Folgen der Tat. Er ist zu 40 % schwerbehindert.
13
Der Angeklagte hatte den Zusammenbruch seines Opfers nicht mehr gesehen. Als er von dem Fahndungsaufruf erfuhr, stellte er sich am 29. April 2011 (ein Tag nach dem Geschehen) der Polizei. Von den gravierenden Folgen seiner Tat war er sichtlich überrascht.
14
In der Hauptverhandlung entschuldigte sich der Angeklagte bei B. . Allerdings hatte er in den Tagen nach seiner Verhaftung noch versucht, seine Freundin und deren Arbeitskollegin dazu zu bewegen, bei der Polizei an- zugeben, B. habe sie angegriffen und beleidigt. Am 27. Juli 2010 schrieb er aus der Untersuchungshaft an einen Bekannten: „……. Frau futsch, Wohnung futsch, alles futsch. Warum? Weil ich getan habe, was Mann tun muss. Weil ich mich gerade gemacht habe …..“.
15
b) Die Strafkammer hat festgestellt, dass der Angeklagte mit Verletzungsvorsatz , aber nicht mit - auch nicht mit bedingtem - Tötungsvorsatz gehandelt hat.
16
Der Angeklagte hat es weit von sich gewiesen, dass er B. habe töten wollen. Er wisse zwar aufgrund seiner Kickboxerfahrung, dass bei einem Tritt gegen den Oberkörper immer was passieren könne, aber er habe nie damit gerechnet, dass sein Angriff tödliche Folgen haben könnte. Motiv seiner Tat sei gewesen, dass das spätere Opfer seine Freundin „dumm angeredet“ habe. Er habe sich über dessen politische Einstellung keine Gedanken gemacht; er habe nicht erkannt, dass B. links orientiert sei.
17
Letzteres ist nach den Feststellungen der Strafkammer widerlegt, zumal der Angeklagte sein Opfer unmittelbar nach der Tat als „Zecke“ bezeichnete. Die Strafkammer hat dazu ausgeführt: „Allein die Tatsache, dass der Angeklagte die politische Motivation seines Handelns bestreitet und er in der Vergangenheit bereit war, politischen Gegnern gewaltbereit entgegenzutreten, rechtfertigt es jedoch nicht, bei jeglichem körperlichem Angriff gegen einen Linken davon auszugehen, dass der Angeklagte einen möglichen Todeseintritt billigend in Kauf genommen hat. Hier müssen sämtliche tatrelevanten Gesichtspunkte in eine Gesamtwürdigung einbezogen werden.“
18
Die medizinisch-sachverständig beratene Strafkammer hat bei ihrer umfassenden Würdigung insbesondere auf folgende Punkte abgestellt: - Der Tritt gegen den Oberkörper, bei dem der Solarplexus getroffen wurde, war objektiv geeignet, den Tod von B. herbeizuführen. Allerdings tritt diese Folge bei einem einmaligen Tritt extrem selten ein.
- Ein wuchtiger Tritt mit dem beschuhten Fuß gegen den Kopf, stellt eine Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung dar. Der Angeklagte führte den Tritt jedoch seitlich gegen das Gesicht aus, sodass der Kopf des Opfers nach hinten bewegt wurde. Zu einer „Widerlagerverletzung“ konnte es so nicht kommen. Der Tritt hat deshalb auch außer einer Beschädigung der Nasenschleimhaut keine Verletzungen hervorgerufen. Als Ursache für den Herzstillstand scheidet er aus. - Bei der Auseinandersetzung handelte es sich um ein spontanes Geschehen. Es dauerte lediglich 14 Sekunden und wurde nicht von Drohungen des Angeklagten begleitet, die einen Rückschluss auf seine Motivation zugelassen hätten. - Der Angeklagte war von der Mitteilung der Folgen seiner Tat vollkommen überrascht und darüber erschrocken, wie nicht nur sein Umfeld, sondern auch der Polizeibeamte bestätigte, dem sich der Angeklagte stellte.
19
„Die Kammer ist daher überzeugt, dass der Angeklagte zwar um die be- sondere Gefährlichkeit eines Trittes gegen den Oberkörper und den Kopf wuss- te, den Tod des B. jedoch für völlig fernliegend erachtet und darauf vertraut hat, dass ein solcher auch nicht eintritt.“

II.


20
1. Die vom Nebenkläger erhobene Formalrüge - fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags als bedeutungslos aus tatsächlichen Gründen - ist, wie vom Generalbundesanwalt schon in seiner Antragsschrift vom 10. August 2011 zutreffend dargelegt, unbegründet.
21
2. Die sachlich-rechtliche Überprüfung aufgrund der von beiden Revisionsführern erhobenen Rüge der Verletzung materiellen Rechts gefährdet den Bestand des Urteils im Ergebnis nicht.
22
a) Ob das Landgericht den Tötungsvorsatz rechtsfehlerfrei verneint hat (dazu unten aa), kann letztlich dahinstehen, da der Angeklagte von einem Tötungsversuch jedenfalls freiwillig zurückgetreten ist (unten bb).
23
aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 1 StR 501/11 mwN).
24
Die Strafkammer kam nach Würdigung der von ihr getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis, der Angeklagte habe B. verletzen, aber nicht - auch nicht bedingt vorsätzlich - töten wollen.
25
Das Willenselement des bedingten Vorsatzes ist bei Tötungsdelikten dann gegeben, wenn der Täter den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Todes billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen damit abfindet. Dabei genügt für eine vorsätzliche Tatbegehung, dass der Täter den konkreten Erfolgseintritt akzeptiert und er sich innerlich mit ihm abgefunden hat, mag er auch seinen Wünschen nicht entsprochen haben. Hatte der Täter dagegen begründeten Anlass darauf zu vertrauen und vertraute er darauf, es werde nicht zum Erfolgseintritt kommen, kann bedingter Vorsatz nicht angenommen werden (BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10 Rn. 34 mwN).
26
Bei der Prüfung, ob der Täter vorsätzlich gehandelt hat, muss sowohl das Wissens- als auch das Willenselement im Rahmen einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Dabei liegt zwar die Annahme einer Billigung des Todes des Opfers nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz erkannter Lebensgefährlichkeit durchführt. Allein aus dem Wissen um den möglichen Erfolgseintritt oder die Gefährlichkeit des Verhaltens kann aber nicht ohne Berücksichtigung etwaiger sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebender Besonderheiten geschlossen werden, dass auch das Willenselement des Vorsatzes gegeben ist (vgl. BGH aaO Rn. 35).
27
Den sich hieraus ergebenden Anforderungen wird das landgerichtliche Urteil zwar weitgehend gerecht. Die Strafkammer hat bei ihrer Gesamtbetrachtung insbesondere erwogen, dass dem Angeklagten - einem Kampfsportler (Kickboxer) - die Gefährlichkeit seiner Tritte gegen die Brust (Solarplexus) und gegen den Kopf des Geschädigten bewusst war. Das Landgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass allein aus der objektiven Gefährlichkeit nicht zwingend auf den - bedingten - Tötungsvorsatz geschlossen werden kann. Die Strafkammer gelangte dann - auch aufgrund des Nachtatverhaltens - zu der Überzeugung, dass der Angeklagte bei seiner Spontantat den Tod des B. für völlig fernliegend erachtet und darauf vertraut hat, dass ein solcher auch nicht eintritt.
28
Die Strafkammer hat allerdings bei der Bewertung der Tathandlungen im Hinblick auf das Willenselement eine etwas verkürzte Betrachtung angestellt. Sie bewertet die beiden Tritte insoweit jeweils für sich: „Auch der wuchtig geführte einmalige Tritt in das Gesicht des am Boden liegenden Opfers reicht für sich allein nicht aus von einem bedingten Tötungsvorsatz auszugehen.“ Das Landgericht hebt dann im Weiteren vor allem darauf ab, dass dieser Tritt - ex post betrachtet - zu keinen gravierenden Verletzungen führte und nicht die Ursache für den späteren Zusammenbruch B. s war. Damitkommt der maßgebliche Umstand etwas kurz, dass der Angeklagte in einer Angriffsfolge zwei - vom ersten Faustschlag ganz abgesehen - höchstlebensgefährliche Angriffe gegen sein Opfer führte. Deshalb spricht auch die Tatsache, dass die Auseinandersetzung insgesamt nur 14 Sekunden dauerte, nicht gegen einen - bedingten - Tötungsvorsatz.
29
Die fehlende - jedenfalls fehlende ausdrückliche - Bewertung der rasch aufeinanderfolgenden Verletzungshandlungen im Zusammenhang könnte eine Lücke und damit einen Rechtsfehler in der Beweiswürdigung darstellen. Ob dieser durchgreifend wäre, ob also auszuschließen ist, dass die Strafkammer bei deutlicher Gewichtung auch dieses Aspekts in der Beweiswürdigung zur Feststellung eines bedingten Tötungsvorsatzes gekommen wäre, kann jedoch dahinstehen.
30
bb) Denn hätte der Angeklagte bedingt vorsätzlich versucht, B. zu töten, so wäre er nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Strafkammer von diesem Tötungsversuch - freiwillig - strafbefreiend zurückgetreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB).
31
Von einem unbeendeten Versuch kann der Täter durch bloßes Nichtweiterhandeln zurücktreten (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 228). Unbeendet ist der Versuch, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung nach seinem Kenntnisstand nicht mit dem Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs rechnet, und sei es auch nur in Verkennung der durch seine Handlung verursachten Gefährdung des Opfers, und die Vollendung aus seiner Sicht noch möglich ist (BGH aaO, 227).
32
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Zwar wurden die am Boden liegenden Kämpfenden, der Angeklagte und B. , von einer Reinigungskraft der Verkehrsbetriebe zunächst getrennt. Nach dem Aufstehen war der Angeklagte jedoch in der Lage, seinen Angriff sofort fortzusetzen und er tat dies auch mit einem wuchtigen Tritt in das Gesicht seines noch am Boden liegenden Opfers. An weiteren Fußtritten - in schneller Folge - war er nicht gehindert. Er entfernte sich jedoch. Davon, dass er B. bereits in extreme Lebensgefahr gebracht und damit im Grunde schon alles getan hatte, um ihn zu töten, wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nichts.
33
b) Die Strafzumessungserwägungen enthalten keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil oder zum Nachteil (§ 301 StPO) des Angeklagten.

34
Zwar darf der Vollzug der Untersuchungshaft an sich nicht mildernd berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2011 - 1 StR 407/11 Rn. 9). Die Strafkammer erwähnt dies aber allein in dem Zusammenhang, dass der Angeklagte „sich am Tag nach der Tat selbst bei der Polizei gestellt hat und sich seit diesem Tag in Untersuchungshaft befindet“. Das Landgericht hält ihm somit nur zugute, dass er sich freiwillig der Strafverfolgung stellte, mit vorhersehbar für ihn sofort einschneidenden Folgen (Untersuchungshaft). Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Wahl Rothfuß Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 558/11
vom
22. März 2012
in der Strafsache
gegen
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
Zur "Hemmschwellentheorie" bei Tötungsdelikten.
BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11 - LG Saarbrücken
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. März
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 17. Juni 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist,
b) in den Aussprüchen über die Gesamtfreiheitsstrafe, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtstrafe vor der Unterbringung.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben ,
a) soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und
c) im gesamten Ausspruch über die verhängten Maßnahmen.
3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtstrafe angeordnet sowie Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB verhängt. Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Staatsanwaltschaft hat ihr Rechtsmittel nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist mit Einzelausführungen zur Verneinung des Tötungsvorsatzes und zur Anordnung der Unterbringung in dem angefochtenen Urteil näher begründet; im danach verbleibenden Umfang hat ihre Revision Erfolg. Der Angeklagte erzielt mit seinem Rechtsmittel einen Teilerfolg.

A.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
I. Nach den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen war der Angeklagte vor den hier abgeurteilten Taten u.a. bereits wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten: Am 8. Juni 2009 ordnete das Amtsgericht Saarbrücken gegen ihn wegen gefährlicher Körperverletzung eine Erziehungsmaßregel und ein Zuchtmittel an. Der Angeklagte hatte im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung zweimal mit einem Schraubenzieher in den linken Mittelbauch des Geschädigten gestochen. Wegen einer etwa sechs Wochen nach dieser Ahndung begangenen (ersichtlich: vorsätzlichen) Körperverletzung verhängte das Amtsgericht Saarbrücken gegen ihn mit Strafbefehl vom 2. Oktober 2009 eine Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen. Er hatte seine damalige Lebensgefährtin so lange gewürgt, bis diese Angst hatte zu ersticken; von ihr hatte er erst abgelassen, als sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Sechs Tage vor dem hier abgeurteilten Angriff auf den Nebenkläger (nachfolgend zu Ziff. III.) stellte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken ein gegen den Angeklagten geführtes Ermittlungsverfahren mangels öffentlichen Interesses ein; der Angeklagte hatte einem Besucher der Saarbrücker Diskothek „ “ angedroht, er werde ihn „abstechen, wenn er herauskomme“.
4
Bei der konkreten Strafzumessung teilt das Landgericht mit, dass der Angeklagte sich darauf berufen habe, in sämtlichen Fällen von den Zeugen bewusst der Wahrheit zuwider belastet worden zu sein.
5
II. Am 12. Oktober 2010 befuhr der Angeklagte mit einem entliehenen und abredewidrig weiter genutzten Pkw Smart gegen 5.45 Uhr öffentliche Straßen in Saarbrücken, u.a. die Straße in Saarbrücken-St. Johann. Infolge seiner alkoholischen Beeinflussung – er wies bei der Tat einen Blutalko- holgehalt von mindestens 1,35 ‰ auf – verkannteer den Straßenverlauf und überfuhr ein Stopp-Schild. Es kam beinahe zu einem Zusammenstoß mit dem Kleinbus des V. , der die vorfahrtberechtigte straße befuhr. An der Kreuzung Straße/ straße stieß der Angeklagte an ei- nen eisernen Begrenzungspfosten und riss diesen um; er kam mit dem von ihm gefahrenen, schwer beschädigten Fahrzeug erst auf einem angrenzenden Schulhof zum Stehen. Seine Fahrunsicherheit hätte er bei gewissenhafter Prüfung vor Antritt der Fahrt erkennen können.
6
III. In der Nacht zum 18. November 2010 beobachtete der Angeklagte in der Saarbrücker Diskothek „ “ einen Streit zwischen zwei ihm nicht näher bekannten Personen. Als der Nebenkläger diesen Streit schlichten wollte, mischte sich auch der Angeklagte in die Auseinandersetzung ein und geriet mit dem Nebenkläger in Streit. Es kam zu wechselseitigen Beleidigungen; der Angeklagte schlug dem Nebenkläger ins Gesicht. Anschließend trennten die Türsteher die Streitenden. Etwa 20 Minuten später lebte die Auseinandersetzung vor der Diskothek erneut auf; nach weiteren wechselseitigen Beleidigungen schlug nunmehr der Nebenkläger dem Angeklagten ins Gesicht. Auch dieses Mal trennten die Türsteher die Streitenden. Nachdem man sich kurzzeitig in unterschiedliche Richtungen entfernt hatte, setzte der Nebenkläger dem Angeklagten nach und schlug ihm ein weiteres Mal ins Gesicht; im Rahmen der sich anschließenden Rangelei blieb der Angeklagte der körperlich Unterlegene. Ein drittes Mal trennten die herbeigeeilten Türsteher die Streitenden. Der Angeklagte entfernte sich. Der Nebenkläger begab sich in Begleitung eines Freundes zu einem Taxistand, an dem sich eine Gruppe von „Nachtschwärmern“ ver- sammelt hatte.
7
Nach etwa 15 Minuten kam der Angeklagte plötzlich hinter einer Ecke hervor. Er lief unmittelbar auf den Nebenkläger zu und stach seinem nichts ahnenden Opfer sofort von seitlich hinten kommend in den Rücken. Mit den Wor- ten „Verreck‘, du Hurensohn“ rammte er ihm ein 22 cm langesdoppelklingiges Messer mit einer Klingenlänge von 11 cm derart heftig in den Rücken, dass die achte Rippe des Opfers durchtrennt wurde und die Klinge anschließend noch in die Lunge eindrang. Der Nebenkläger sackte auf dem Boden zusammen. Es entwickelten sich tumultartige Zustände; der Begleiter des Nebenklägers brachte den Angeklagten zu Boden und hielt ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest. Die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit betrug beim Angeklagten maximal 1,58 ‰.
8
Der Nebenkläger erlitt einen Hämatopneumothorax; es bestand akute Lebensgefahr. Ohne eine sofort durchgeführte Notoperation wäre er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verstorben. Er leidet nach wie vor unter erheblichen physischen und psychischen Beeinträchtigungen.

B.


9
Die Revision des Angeklagten
10
I. Der Angeklagte hat mit seinem Revisionsangriff Erfolg, soweit er sich gegen seine Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2 StGB und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wendet.
11
1. Die Feststellungen des Landgerichts belegen die für die Annahme einer Tat nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2 StGB vorausgesetzte Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert nicht. Nach gefestigter Rechtsprechung muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt haben, in der - was nach all- gemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (BGH, Urteile vom 30. März 1995 – 4 StR 725/94, NJW 1995, 3131 f., zu § 315 c StGB, und vom 4. September 1995 – 4 StR 471/95, NJW 1996, 329 f., zu § 315 b StGB; vgl. weiter SSW-Ernemann, StGB, § 315 c Rn. 22 ff.).
12
Da für den Eintritt des danach erforderlichen konkreten Gefahrerfolgs das vom Angeklagten geführte fremde Fahrzeug nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1976 – 4 StR 465/76, BGHSt 27, 40; Beschluss vom 19. Januar 1999 – 4 StR 663/98, NStZ 1999, 350, 351), auch der Verkehrswert und die Höhe des Schadens an dem Begrenzungspfosten nicht festgestellt sind (vgl. OLG Stuttgart DAR 1974, 106, 107; OLG Jena OLGSt § 315 c StGB Nr. 16; zur maßgeblichen Wertgrenze s. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215), kommt es auf die Begegnung mit dem Kleinbus des V. an. Nach den in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Maßstäben genügen die hierauf bezogenen Feststellungen des Landgerichts den Anforderungen zur Darlegung einer konkreten Gefahr nicht. Einen Verkehrsvorgang, bei dem es zu einem "Beinahe-Unfall" gekommen wäre - also ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, "das sei noch einmal gut gegangen" (Senat, Urteile vom 30. März 1995 und vom 4. September 1995, jew. aaO) -, hat das Schwurgericht nicht mit Tatsachen belegt. Dass sich beide Fahrzeuge beim Querverkehr in enger räumlicher Nähe zueinander befunden haben, genügt für sich allein nicht. Insbesondere ergeben die bisher getroffenen Feststellungen nicht, dass es dem Angeklagten und V. etwa nur auf Grund überdurchschnittlich guter Re- aktion sozusagen im allerletzten Moment gelungen ist, einer sonst drohenden Kollision durch Ausweichen zu begegnen.
13
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs entzieht der hierwegen verhängten Einzelstrafe, der Gesamtstrafe und den Maßnahmen nach §§ 69, 69 a StGB die Grundlage.
14
3. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht ist „vollumfänglich“ der psychiatrischen Sachverständigen gefolgt, welche die negative Gefahrenprognose mit „seiner (des Angeklagten) offenkundigen sich steigernden Neigung zu körperlichen Übergriffen“ begründet hat.Im Rahmen der konkreten Strafzumessung teilt das Schwurgericht mit, dass es, nachdem der Angeklagte behauptet hatte, früherer Aggressionsdelikte bewusst wahrheitswidrig beschuldigt worden zu sein, „die Anträge der Verteidigung auf Sachverhaltsaufklärung aller vorheriger Verfahren zurückgewiesen“ und „lediglich die Warn- funktion der beiden Vorstrafen“ berücksichtigt hat. Danach findet die die Prog- nose tragende Erwägung in den getroffenen Feststellungen keine ausreichende Grundlage.
15
II. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
16
III. 1. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird zunächst die Verkehrssituation, in der sich die beiden beteiligten Fahrzeuge bei ihrer Annäherung im Vorfallszeitpunkt befanden, näher aufzuklären haben. Auch wenn an die diesbezüglichen Feststellungen im Urteil keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. Senat, Urteil vom 30. März 1995, aaO), wird sich der Tatrichter um nähere Ermittlung der von beiden Fahrzeugen im Vorfallszeitpunkt gefahrenen Geschwindigkeiten, ihrer Entfernung zueinander, zur Beschaffenheit des Straßenverlaufs und der Kreuzung sowie der am Vorfallsort bestehenden Ausweichmöglichkeiten zu bemühen und das Ergebnis in einer Weise im Urteil darzulegen haben, die dem Revisionsgericht eine Nachprüfung ermöglicht, ob eine - wie beschrieben - konkrete Gefahr im Sinne eines "Beinahe -Unfalls" bereits vorlag.
17
2. Der neue Tatrichter wird auch die Einwendungen der revisionsführenden Staatsanwaltschaft und des Generalbundesanwalts gegen die Unterbringungsanordnung zu berücksichtigen haben.

C.


18
Die Revision der Staatsanwaltschaft
19
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg.
20
I. Das Rechtsmittel ist zulässig.
21
1. Zwar hat die Staatsanwaltschaft entgegen § 344 Abs. 1 StPO innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 Satz 2 StPO) keinen Revisionsantrag gestellt. Sie hat bis zu diesem Zeitpunkt lediglich die bereits in ihrer Einlegungsschrift vorgebrachte allgemeine Sachrüge erhoben. Diese – auch Nr. 156 Abs. 2 RiStBV widersprechende – Verfahrensweise ist in dem hier gegebenen Einzelfall aber unschädlich. Freilich hat der Bundesgerichtshof wie- derholt Revisionen der Staatsanwaltschaft, die ohne Antragstellung lediglich mit der allgemeinen Sachrüge begründet waren, für unzulässig gehalten. Dies betraf jedoch Strafverfahren, in denen einem (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2003 – 5 StR 69/03, bei Becker NStZ-RR 2004, 228) oder mehreren Angeklagten (BGH, Beschluss vom 7. November 2002 – 5 StR 336/02, NJW 2003, 839) eine Vielzahl von Straftaten zur Last gelegt oder in denen der Angeklagte teilweise freigesprochen worden war und die Angriffsrichtung des Rechtsmittels bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist unklar blieb (BGH, Beschluss vom 5. November 2009 – 2 StR 324/09, NStZ-RR 2010, 288). So verhält es sich hier nicht: Gegenstand des von der Staatsanwaltschaft angefochtenen Urteils sind lediglich zwei Taten; in der Erhebung der uneingeschränkten allgemeinen Sachrüge ist daher die Erklärung der revisionsführenden Staatsanwaltschaft zu sehen, dass das Urteil insgesamt angefochten werde (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 344 Rn. 3 m.w.N.).
22
2. Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hat die Staatsanwaltschaft mit Schriftsatz vom 12. September 2011 einen umfassenden Aufhebungsantrag gestellt. Mit ihren Einzelausführungen hat sie sodann jedoch lediglich gerügt, dass das Landgericht in dem oben unter A. III. geschilderten Fall zu Unrecht den Tötungsvorsatz des Angeklagten verneint hat; außerdem hat sie die Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beanstandet. Dies ist als Teilrücknahme gemäß § 302 Abs. 1 Satz 1 StPO zu werten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2005 – 5 StR 86/05 und vom 6. Juli 2005 – 2 StR 131/05) und führt dazu, dass der Schuldspruch wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, die dieserhalb verhängte Einzelstrafe und die Maßnahmen nach §§ 69, 69 a StGB nicht (mehr) auf Revision der Staatsanwaltschaft zu überprüfen sind.
23
II. In dem vorgenannten Umfang erweist sich das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft als begründet. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
24
1. Nach Auffassung des Schwurgerichts sprechen zwar nicht unerhebliche Gesichtspunkte für einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz, nämlich insbesondere die erhebliche Wucht des von dem Ausspruch „Verreck‘, du Hurensohn“ begleiteten Messerstichs. Dagegenstehe indes die Tatsache, dass der Angeklagte lediglich einen Stich ausgeführt habe und darüber hinaus auch nicht unerheblich alkoholisiert gewesen sei. „Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Hemmschwellentheorie sieht die Kammer im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten einen Tötungsvorsatz als nicht mit letzter Sicherheit erwiesen an.“
25
2. Diese Beweiserwägungen halten – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11, m.w.N.) – rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Begründung, mit der das Landgericht meinte, dem Angeklagten nicht wenigstens bedingten Tötungsvorsatz nachweisen zu können, ist lückenhaft und teilweise widersprüchlich.
26
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 m.w.N.). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; Schroth NStZ 1990, 324, 325) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f., vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260, 262, und vom 21. Dezember 2011 – 1StR 400/11) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; vgl. zusammenfassend zuletzt BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11 m.w.N.).
27
b) Diese Prüfung lässt das Landgericht vermissen. Seinen knappen Ausführungen kann der Senat schon nicht die erforderliche Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände entnehmen. Es wird darüber hinaus nicht erkennbar, ob das Schwurgericht bereits Zweifel daran hatte, dass der Angeklagte den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkannte, oder nur daran, dass er ihn billigte oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfand.
28
aa) Soweit die Alkoholisierung des Angeklagten angesprochen wird, könnte dies für Zweifel des Landgerichts auch am Wissenselement sprechen. Abgesehen davon jedoch, dass eine maximale Alkoholkonzentration von 1,58 ‰ bei dem zur Tatzeit trinkgewohnten Angeklagten keinen Anhalt für solche Zweifel begründet, leidet das angefochtene Urteil an dieser Stelle – wie der Generalstaatsanwalt in Saarbrücken zu Recht geltend macht – an einem inneren Widerspruch: Während die Alkoholisierung bei der Prüfung des Tötungsvorsatzes als „nicht unerheblich“ bezeichnet wird, geht das Schwurgericht im Zusammenhang mit § 64 StGB – in Übereinstimmung mit der gehörten Sachverständigen – von einer „lediglich geringe(n) Beeinträchtigung durch Alkohol“ aus. Auch bei der Prüfung verminderter Schuldfähigkeit gelangt das sachverständig beratene Landgericht „nicht zu der Annahme einer erheblichen Beeinflussung“ des Angeklagten. Es legt auch nicht dar, wieso die den Stich begleitende Bemerkung überhaupt Raum für Zweifel daran lässt, dass der Angeklagte, dem die Lebensgefährlichkeit des Messerstichs bewusst war (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB), die Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs erkannt hat. Insgesamt ergeben sich aus den bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen könnten, eine psychische Beeinträchtigung habe dem Angeklagten die Erkenntnis einer möglichen tödlichen Wirkung seines in den oberen Rückenbereich zielenden, in hohem Maße lebensgefährlichen Angriffs verstellt (vgl. zur Allgemeinkundigkeit dieses Umstands BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08 und zur Entbehrlichkeit medizinischen Detailwissens BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 – 1 StR 410/05, NStZ 2006, 444, 445).
29
bb) Die Annahme einer Billigung liegt nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz erkannter Lebensgefährlichkeit durchführt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2005 – 4 StR 109/05, NStZ-RR 2005, 372; Urteil vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.). Hierbei sind die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise –, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Mo- tivation in die Beweiswürdigung mit einzubeziehen (vgl. BGH, Urteile vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372, und vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Vertrauen auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolgs regelmäßig dann zu verneinen, wenn der vorgestellte Ablauf des Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahe kommt, dass nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern kann (BGH, Urteile vom 16. September 2004 – 1 StR 233/04, NStZ 2005, 92, vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630, und vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 360/11).
30
Rechtlich tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte trotz der Lebensgefährlichkeit des Messerstichs ernsthaft und nicht nur vage (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1990 – 3 StR 332/90, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 24) darauf vertraut haben könnte, der Nebenkläger würde nicht zu Tode kommen, hat das Landgericht nicht festgestellt und liegen bei dem Tatgeschehen auch fern (vgl. BGH, Urteile vom 6. März 1991 – 2 StR 333/90, NStE Nr. 27 zu § 212 StGB, und vom 18. Oktober 2006 – 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151). Entgegen der Meinung des Landgerichts spricht insbesondere das Unterlassen weiterer Angriffe nicht gegen die Billigung des Todes. Nach dem Messerstich sackte der – nach dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen konkret lebensbedrohlich verletzte – Nebenkläger zu Boden; es ist schon nicht festgestellt, ob der Angeklagte davon ausging, ihn bereits tödlich verletzt zu haben, so dass es aus seiner Sicht weiterer Stiche nicht bedurfte (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08). Außerdem brachte der Begleiter des Nebenklägers den Angeklagten mit Gewalt zu Boden und hielt ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest; auch brach infolge der Tat ein Tumult aus. Danach liegt es nicht nahe, dass der Angeklagte überhaupt noch die Gelegenheit zu einem weiteren Messerstich auf sein am Boden liegendes Opfer hatte.
31
cc) Soweit das Landgericht sich ergänzend auf eine „Hemmschwellentheorie“ berufen hat, hat es deren Bedeutung für die Beweiswürdigung verkannt.
32
Es hat schon nicht mitgeteilt, was es darunter im Einzelnen versteht und in welchem Bezug eine solche „Theorie“ zu dem von ihm zu beurteilenden Fall stehen soll. Die bloße Erwähnung dieses Schlagworts wird vom Generalstaatsanwalt in Saarbrücken und vom Generalbundesanwalt daher mit Recht als „pauschal“ bzw. „formelhaft“ bezeichnet. Zwarhat auch der Bundesgerichtshof immer wieder auf die „für Tötungsdelikte deutlich höhere Hemmschwelle“ hin- gewiesen (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; abl. z.B. Brammsen JZ 1989, 71, 78; Fahl NStZ 1997, 392; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 212 Rn. 15 f.; Geppert Jura 2001, 55, 59; SSW-StGB/Momsen § 212 Rn. 12; Paeffgen, FS für Puppe, 791, 797 Fn. 25, 798 Fn. 30; NKStGB /Puppe, 3. Aufl., § 212 Rn. 97 ff.; Rissing-van Saan, FS für Geppert, 497, 505 f., 510; Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, 4. Aufl., § 12 Rn. 79 ff.; MünchKommStGB /Schneider § 212 Rn. 48 f.; SK-StGB/Sinn § 212 Rn. 35; Trück NStZ 2005, 233, 234 f.; Verrel NStZ 2004, 233 ff.; vgl. auch Altvater NStZ 2005, 22, 23), allerdings auch gemeint, in Fällen des Unterlassens bestünden „generell keine psychologisch vergleichbaren Hemmschwellen vor einem Tötungs- vorsatz“ (BGH,Urteil vom 7. November 1991 – 4 StR 451/91, NJW 1992, 583, 584; dazu Puppe NStZ 1992, 576, 577: „Anfang vom Ende der Hemm- schwellentheorie“).Für Fälle des positiven Tuns hat er an das Postulat einer Hemmschwelle anknüpfend weiter ausgeführt, dass selbst die offen zutage tretende Lebensgefährlichkeit zugefügter Verletzungen ein zwar gewichtiges Indiz, nicht aber einen zwingenden Beweisgrund für einen (bedingten) Tötungsvorsatz des Täters bedeute, der Tatrichter vielmehr gehalten sei, in seine Beweiserwägungen alle Umstände einzubeziehen, welche die Überzeugung von einem Handeln mit (bedingtem) Tötungsvorsatz in Frage stellen könnten (BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 1997 – 3 StR 569/97, NStZ-RR 1998, 101, vom 8. Mai 2001 – 1 StR 137/01, NStZ 2001, 475, 476, und vom 2. Februar 2010 – 3 StR 558/09, NStZ 2010, 511, 512);sachlich vergleichbar fordern andere Entscheidungen vom Tatrichter, immer auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen , dass der Täter die Gefahr der Tötung nicht erkannt oder jedenfalls darauf vertraut habe, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten (BGH, Beschlüsse vom 8. Mai 2008 – 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91, und vom 22. April 2009 – 5 StR 88/09, NStZ 2009, 503; Urteil vom 25. März 2010 – 4 StR 594/09 m.w.N.). Wieder andere Entscheidungen verlangen „eine eingehende Prüfung anhand aller Umstände des Einzelfalles“ (BGH, Urteil vom 8. März 2001 – 4 StR 477/00, StV 2001, 572; ähnlich bereits BGH, Beschluss vom 27. November 1975 – 4 StR 637/75, VRS 50, 94, 95).
33
An den rechtlichen Anforderungen ändert sich indessen nichts, wenn die zur Annahme oder Verneinung bedingten Tötungsvorsatzes führende Beweiswürdigung ohne Rückgriff auf das Postulat einer Hemmschwelle überprüft wird (BGH, Urteile vom 3. Juli 1986 – 4 StR 258/86, NStZ 1986, 549, 550, und vom 7. August 1986 – 4 StR 308/86, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3 [jeweils: sorgfältige Prüfung], sowie vom 11. Dezember 2001 – 1 StR 408/01, NStZ 2002, 541, 542 [Ausführungen zu einer Hemmschwelle bei stark alkoholisiertem Täter ohne Motiv nicht geboten]; ebenso für Fälle affektiv erregter, alkoholisierter , ohne Motiv, spontan oder unüberlegt handelnder Täter BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 1986 – 4 StR 563/86, StV 1987, 92, vom 7. Juli 1999 – 2 StR 177/99, NStZ 1999, 507, 508,und vom 7. November 2002 – 3 StR 216/02, NStZ 2004, 51; Urteil vom 14. November 2001 – 3 StR 276/01; Beschluss vom 2. Dezember 2003 – 4 StR 385/03, NStZ 2004, 329, 330; Urteil vom 14. Dezember 2004 - 4 StR 465/04; Beschluss vom 20. September2005 – 3StR 324/05, NStZ 2006, 169, 170; Urteile vom 30. August 2006 – 2 StR 198/06, NStZ-RR 2007, 43, 44 [zusätzlich gruppendynamischer Prozess], vom 18. Januar 2007 – 4 StR 489/06, NStZ-RR 2007, 141, 142, und vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630; Beschluss vom 6. Dezember 2011 – 3 StR 398/11; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Januar 2003 – 4 StR 526/02, NStZ 2003, 369).
34
Im Verständnis des Bundesgerichtshofs erschöpft sich die „Hemmschwellentheorie“ somit in einem Hinweis auf § 261 StPO (BGH, Urteil vom 11. Januar 1984 – 2 StR 615/83, StV 1984, 187, Beschluss vom 27. Juni 1986 – 2 StR 312/86, StV 1986, 421, Urteile vom 22. November 2001 – 1 StR 369/01, NStZ 2002, 314, 315, vom 23. April 2003 – 2 StR 52/03, NStZ 2003, 603, 604, und vom 16. Oktober 2008 – 4 StR 369/08, NStZ 2009, 210, 211: jeweils sorgfältige Prüfung; vgl. weiter BGH, Urteil vom 25. November 1987 – 3 StR 449/87, NStZ 1988, 175; Beschlüsse vom 19. Juli 1994 – 4 StR 348/94, NStZ 1994, 585, und vom 25. November 2010 – 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338, 339; Urteil vom 15. Dezember 2010 – 2 StR 531/10, NStZ 2011, 210, 211; MünchKommStGB/Schneider § 212 Rn. 48: „prozessuale Selbstver- ständlichkeit“).Der Bundesgerichtshof hat demgemäß immer wieder hervorgehoben , dass durch sie die Wertung der hohen und offensichtlichen Lebensge- fährlichkeit von Gewalthandlungen als ein gewichtiges auf Tötungsvorsatz hinweisendes Beweisanzeichen (BGH, Urteil vom 24. April 1991 – 3 StR 493/90) in der praktischen Rechtsanwendung nicht in Frage gestellt oder auch nur relativiert werden solle (BGH, Urteile vom 24. März 1993 – 3 StR 485/92, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 35, vom 12. Januar 1994 – 3 StR 636/93, NStE Nr. 33 zu § 212 StGB, vom 11. Oktober 2000 – 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51, und vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372), auch nicht bei Taten zum Nachteil des eigenen Kindes (BGH, Urteil vom 17. Juli 2007 – 5 StR 92/07, NStZ-RR 2007, 304, 305). Zur Verneinung des voluntativen Vorsatzelements bedarf es vielmehr in jedem Einzelfall tragfähiger Anhaltspunkte dafür, dass der Täter ernsthaft darauf vertraut haben könnte, der Geschädigte werde nicht zu Tode kommen (BGH, Urteile vom 24. März 2005 – 3 StR 402/04, vom 9. August 2005 – 5 StR 352/04, NStZ 2006, 98, 99, vom 25. Mai 2007 – 1 StR 126/07, NStZ 2007, 639, 640, und vom 16. Oktober 2008 aaO; Trück aaO S. 239 f.). Daran fehlt es hier (vgl. vorstehend unter bb).
35
Der Hinweis des Landgerichts auf eine „Hemmschwellentheorie“ entbehrt somit jedes argumentativen Gewichts. Im Übrigen hätte das Schwurgericht sich – von seinem Standpunkt aus – damit auseinander setzen müssen, dass schon der festgestellte Handlungsablauf, nämlich das wuchtige und zielgerichtete Stechen eines Messers aus schnellem Lauf in den Rücken eines ahnungslosen Opfers, das Überwinden einer etwa vorhandenen Hemmschwelle voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08). Auch ist eine erhebliche Alkoholisierung (oder ein Handeln in affektiver Erregung und aufgrund spontanen Entschlusses) nach sicherer Erfahrung gerade besonders geeignet, eine etwa vorhandene Hemmschwelle auch für äußerst gefährliche Gewalthandlungen herabzusetzen (BGH, Urteil vom 24. Februar 2010 – 2 StR 577/09, NStZ- RR 2010, 214, 215; NK-StGB/Puppe, 3. Aufl., § 15 Rn. 93; Rissing-van Saan, aaO, S. 515; Roxin, aaO, Rn. 81; MünchKommStGB/Schneider § 212 Rn. 50; Trück aaO S. 238; Verrel aaO S. 311).
36
dd) Nach alledem kann der Senat offen lassen, ob die zusammenfassende Bemerkung des Landgerichts, es sehe „einen Tötungsvorsatz als nicht mit letzter Sicherheit erwiesen an“, nicht auf eine Überspannung der Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung hindeutet. Auch bedarf es keiner Entscheidung, ob hier nicht – etwa im Blick auf die den Messerstich begleitende Äußerung des Angeklagten – die Annahme direkten Tötungsvorsatzes näher liegt.
37
3. Auf der fehlerhaften Beweiswürdigung beruht der Schuldspruch wegen der Tat zum Nachteil des Nebenklägers. Nach den bisherigen Feststellungen liegt die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts vom Tötungsversuch nicht nahe (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2010 – 2 StR 536/10, NStZ 2011, 209).
38
III. Der aufgezeigte Mangel zwingt zur Aufhebung der für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung , weil ein versuchtes Tötungsdelikt hierzu in Tateinheit stünde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, NStZ 1997, 276; Beschluss vom 27. Juni 2000 – 4 StR 211/00). Dies entzieht der hierwegen verhängten Einzelfreiheitsstrafe , der Gesamtfreiheitsstrafe und der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nebst teilweisem Vorwegvollzug der Gesamtstrafe die Grundlage.
39
IV. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung anderer Senate des Bundesgerichtshofs zum Tötungsvorsatz ab. Er legt ihr vielmehr die sog. Hemmschwellentheorie in dem in der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Verständnis zu Grunde (vgl. oben C. II. 2. b) cc).
Ernemann Cierniak Franke
Mutzbauer Quentin

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) In der erneuten Hauptverhandlung ist entweder das frühere Urteil aufrechtzuerhalten oder unter seiner Aufhebung anderweit in der Sache zu erkennen.

(2) Das frühere Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Verurteilten geändert werden, wenn lediglich der Verurteilte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt hat. Diese Vorschrift steht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht entgegen.

(1) Das Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt hat.

(2) Diese Vorschrift steht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht entgegen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 279/12
vom
8. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. August 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Marburg vom 4. April 2012
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte der besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit zweifacher fahrlässiger Körperverletzung schuldig ist,
b) im Straf- sowie im Maßregelausspruch aufgehoben, im Hinblick auf den Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit zweifacher fahrlässiger Körperverletzung“ zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Zudem hat das Landgericht die Unter- bringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit zweifacher fahrlässiger Körperverletzung nach den §§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, 229, 52 StGB. Die Strafkammer hat es jedoch - worauf sie selbst in den Urteilsgründen (UA S. 13) hingewiesen hat - versäumt, die Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB in der Ur- teilsformel durch die Bezeichnung der Tat als „besonders“ schwere räuberische Erpressung zum Ausdruck zu bringen. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend berichtigt, weil die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat eine Kennzeichnung der begangenen Qualifikation erfordert (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 260 Rn. 25a).
3
Der Strafausspruch und die Maßregelanordnung weisen dagegen durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt: „1. Rechtlich zutreffend hat die Strafkammer zwar zunächst ohne Be- rücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB und unter alleiniger Heranziehung der allgemeinen Strafmilderungsgründe geprüft, ob die Tat als minder schwerer Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB zu werten ist (UA S. 14 f.). Auch hält sich die Wertung der Strafkammer, dass die allgemeinen Milderungsgründe allein die Annahme eines minderschweren Falles nicht tragen können , im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens. Die Strafkammer hätte jedoch im Anschluss an die Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände weiter prüfen müssen, ob der mildere Sonderstrafrahmen unter zusätzlicher Heranziehung des gesetzlich ver- typten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB der Strafzumessung im engeren Sinne hätte zu Grunde gelegt werden können. Erst wenn sie danach weiterhin keinen minderschweren Fall für gerechtfertigt gehalten hätte, hätte sie - wie geschehen (UA S. 15) - den wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen der Strafzumessung zu Grunde legen dürfen (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - 2 StR 218/11, NStZ 2012, 271; BGH, Beschluss vom 21. November 2007 - 2 StR 449/07, NStZRR 2008, 105; Fischer, StGB, 59. Auflage 2012, § 50 Rn. 4 m.w.N.). Diese rechtlich zwingende Prüfungsreihenfolge hat das Landgericht nicht beachtet. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer bei zusätzlicher Heranziehung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB einen minder schweren Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB bejaht hätte. Zwar wäre der gesetzlich vertypte Straf- milderungsgrund damit „verbraucht“ gewesen (§ 50StGB), der Sonderstrafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB (1 Jahr bis 10 Jahre Freiheitsstrafe ) wäre jedoch für den Angeklagten günstiger gewesen als der nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderte Regelstrafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB (2 Jahre bis 11 Jahre 3 Monate). Im Hinblick auf die von der Strafkammer festgestellten gewichtigen allgemeinen Strafminderungsgründe ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des Sonderstrafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB eine mildere Freiheitsstrafe gegen den Angeklagten verhängt hätte. Deshalb bedarf es einer Aufhebung des angefochtenen Urteils im Strafausspruch. Da die zum Strafausspruch getroffenen Feststellungen von diesem Rechtsfehler nicht berührt werden, können diese indes bestehen bleiben. 2. Die Maßregelanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB weist ebenfalls durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
a) Zwar hat die Strafkammer einen Hang des langjährig opiatabhängigen Angeklagten zu übermäßigem Rauschmittelkonsum mit rechtlich tragfähiger Begründung bejaht (UA S. 3, 12). Die Urteilsgründe belegen jedoch nicht, dass die verfahrensgegenständliche Tat eine Symptomtat im Sinne des § 64 Satz 1 StGB war. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die verfahrensgegenständliche Tat in einem (hinreichenden ) symptomatischen Zusammenhang mit der Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten stand. Insbesondere sind keine An- haltspunkte dafür erkennbar, dass die Tat der Beschaffung von Finanzmitteln zum Drogenerwerb dienen sollte. Hiergegen spricht zum einen, dass der Angeklagte mit Methadon substituiert wurde (UA S. 3, 7), und zum anderen, dass seine (erhebliche) bisherige Delinquenz nicht durch Taten gekennzeichnet ist, die dem Bereich der Beschaffungskriminalität zuzuordnen sind. Zwar hatte der Angeklagte im unmittelbaren Tatvorfeld erhebliche Mengen Alkohol konsumiert (UA S. 7), was die sachverständig beratene Strafkammer veranlasst hat, in Verbindung mit dem konkreten Methadon- und Rohpynolkonsum des Angeklagten am Tattag von einer rauschbedingten erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit auszugehen (UA S. 12). Dies genügt jedoch nicht zum Beleg für eine Rauschtat im Sinne des § 64 StGB. Denn zum einen hat die Strafkammer den angenommenen Rauschzustand bei der Tatbegehung maßgeblich auf den stattgehabten Alkoholkonsum zurückgeführt, zum anderen ist sie von der Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten ausgegangen, dass dieser in den letzten drei Jahren vor der Tat keinerlei Alkohol konsumiert hatte, mithin kein Hang zu übermäßigem Alkoholkonsum vorlag (UA S. 3, 11 f.). Einem alkoholbedingten Rausch zur Tatzeit kann damit kein Symptomwert für einen Hang im Sinne des § 64 StGB zuerkannt werden, weil sich der vorhandene Hang des Angeklagten zum Rauschmittelkonsum nicht auf Alkohol, sondern auf Betäubungsmittel bezieht.
b) Im Übrigen hat die Strafkammer die konkrete Erfolgsaussicht einer Behandlung in einer Entziehungsanstalt im Sinne des § 64 Satz 2 StGB nicht rechtsfehlerfrei dargetan. Denn die Strafkammer ist - in Übereinstimmung mit den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen - zu der Feststellung gelangt, dass eine Therapiedauer von etwa drei Jahren erforderlich sei (UA S. 18). Die maximale Dauer einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beläuft sich allerdings gemäß § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB auf „lediglich“ zwei Jahre. Eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Sinne des § 64 Satz 2 StGB kann deshalb nicht bejaht werden, wenn sie die voraussichtlich notwendige Dauer einer Behandlung die Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB überschreitet (BGH, Beschluss vom 17. April 2012 - 3 StR 65/12).“
4
Dem schließt sich der Senat an.
Becker Fischer Berger Krehl Ott

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 430/12
vom
28. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Februar
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
– in der Verhandlung –,
Staatsanwalt
– bei der Verkündung –
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 2. August 2012 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt er die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen lebte der Angeklagte mit der später Geschädigten M. K. in einer konfliktbelasteten Beziehung. Am 9. November 2011 suchte er sie in ihrer Wohnung auf und führte mit ihr im Wohnzimmer ein längeres Gespräch. Dabei sprach er sie auch auf den von ihm gehegten Verdacht an, dass sie eine Beziehung mit einem anderen Mann habe. M. K. stritt dies zunächst ab. Als auf ihrem Mobiltelefon eine Kurznachricht eintraf, nahm es der Angeklagte an sich. M. K. wehrte sich hiergegen heftig und versuchte , dem Angeklagten das Mobiltelefon zu entreißen. Nachdem es dem Angeklagten gelungen war, sie mit der rechten Hand abzuwehren, las er die ange- kommene Nachricht. Diese hatte den Wortlaut: „Ich liebe dich“. M. K. räumte daraufhin ein, mit einem anderen Mann geschlafen zu haben. Hierüber empört, „rastete der Angeklagte aus“ und begann, mit den Händen auf den Kopf, den Oberkörper und die Beine von M. K. einzuschlagen. Der erheblich alkoholisierten und dem Angeklagten körperlich unterlegenen Geschädigten war eine Abwehr der Schläge nicht möglich. Als sie in ihr Schlafzimmer flüchtete, folgte ihr der Angeklagte nach und prügelte weiter auf sie ein. Dabei schlug er sie so heftig, dass sie mit dem Gesicht gegen die Heizung fiel und hierdurch Nasenbluten bekam. Der Aufprall war so wuchtig, dass ein eine Etage tiefer wohnender Nachbar zuerst dachte, sein eigener Heizkörper sei heruntergefallen. Der Angeklagte setzte seine Schläge fort und trieb die vor ihm flüchtende Geschädigte bis ins Badezimmer, wo er weiter auf sie einschlug. Durch die heftigen Schläge fiel M. K. gegen das Waschbecken und fing erneut an zu bluten. Während der Schläge rief sie laut um Hilfe und bat den Angeklagten aufzuhören. Kurz vor dem Eintreffen der von einem Nachbarn alarmierten Polizei beendete der Angeklagte seine Tätlichkeiten und sagte zu M. K. , dass ihre Beziehung nun beendet sei. Dem Angeklagten war bewusst, dass seine Übergriffe unter den gegebenen Umständen „abstrakt geeignet waren, eine Lebensgefahr zu begründen“.
3
M. K. erlitt durch die massiven Schläge des Angeklagten einen verschobenen Bruch des Nasenbeins, eine Oberkiefer-/Maxillafraktur, einen linksseitigen Jochbeinbruch, ein leichtes bis mittleres Schädelhirntrauma sowie ein stumpfes Thoraxtrauma mit Frakturen der fünften und sechsten Rippe und Anspießung des Rippenfelles, des Lungenfelles und der Lunge. Ferner erlitt sie einen Riss der Oberlippe, der bis in die Nasennebenhöhle reichte, ein Brillenhämatom sowie erhebliche Hämatome im Bauchbereich, an den Armen und an den Beinen. Infolge der Rippenfrakturen kam es bei ihr zu einem akut lebensgefährlichen Pneumothorax, der eine Notoperation erforderlich machte. Einige Tage später wurde eine kosmetisch-chirurgische Operation durchgeführt, um die Brüche im Gesicht zu richten.
4
Nach der Tat suchte der Angeklagte die Geschädigte im Krankenhaus auf und war geschockt, als er ihre Verletzungen sah. Er entschuldigte sich für seine Tat. M. K. nahm die Entschuldigung an.
5
Das Landgericht hat das festgestellte Geschehen als gefährliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB gewertet. Bei der Strafzumessung hat es die Annahme eines minder schweren Falls (§ 224 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB) mit Rücksicht auf die Vielzahl und die Schwere der zugefügten Verletzungen verneint. In diesem Zusammenhang hat es zu- gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass es sich um eine Tat „im Spannungsfeld zwischen einem Beziehungsdrama und einer Gewalteskalation“ ge- handelt habe. Auch sei der Angeklagte alkoholbedingt enthemmt und aufgrund seiner problematischen Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigt gewesen (UA 21). Den Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB hat das Landgericht nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemindert, weil die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten infolge einer „Affektstörung“ erheblich herabgesetztgewesen sei. Diese Störung sei durch das tiefgreifende Enttäuschungserlebnis, in Zukunft keine gefestigte, harmonische Beziehung mit M. K. mehr führen zu können, ausgelöst worden (UA 10). Bei der konkreten Strafzumessung hat es dem Angeklagten sein Geständnis und die von der Geschädigten angenommene Entschuldigung positiv angerechnet (UA 22).

II.


6
Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
7
1. Soweit sich der Angeklagte gegen den Schuldspruch wendet, ist sein Rechtsmittel aus den von dem Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom 10. Oktober 2012 angeführten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Annahme einer lebensgefährdenden Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB erfordert nicht den Einsatz gefährlicher Werkzeuge. Die vom Landgericht festgestellten Misshandlungen und die dadurch hervorgerufenen schweren Verletzungen insbesondere am Kopf der Geschädigten belegen hinreichend deutlich, dass der Angeklagte sowohl den objektiven, als auch den subjektiven Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB erfüllt hat.
8
2. Die Bemessung der Strafe ist frei von den Angeklagten belastenden Rechtsfehlern.
9
a) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 224 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB abgelehnt hat, halten rechtlicher Überprüfung stand.
10
Sieht das Gesetz einen minder schweren Fall vor und ist – wie hier nach den §§ 21, 49 StGB – auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, muss bei der Strafrahmenwahl zunächst vorrangig geprüft werden, ob ein minder schwerer Fall vorliegt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zuerst auf die allgemeinen Milderungsgründe abzustellen. Vermögen sie die Annahme eines minder schweren Falls allein zu tragen, stehen die den gesetzlich vertypten Milderungsgrund verwirklichenden Umstände noch für eine (weitere) Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB zur Verfügung. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falls abzulehnen, sind auch die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die Bewertung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (BGH, Beschluss vom 8. August 2012 – 2 StR 279/12, NStZ-RR 2013, 7, 8; Beschluss vom 26. Oktober 2011 – 2 StR 218/11, NStZ 2012, 271, 272; Beschluss vom 21. November 2007 – 2 StR 449/07, NStZ-RR 2008, 105; Urteil vom 8. September 1999 – 3 StR 327/99, NStZ 1999, 610).
11
Diese Prüfungsreihenfolge hat das Landgericht beachtet. Mit Rücksicht auf das Tatbild und die erheblichen Vorstrafen des Angeklagten bedurfte es keiner näheren Erörterung, dass allein die allgemeinen Milderungsgründe nicht zur Annahme eines minder schweren Falls führen können (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2009 – 3 StR 188/09, NStZ-RR 2010, 57, 58). Soweit das Landgericht einen minder schweren Fall trotz der Einordnung der Tat „im Span- nungsfeld zwischen einem Beziehungsdrama und einer Gewalteskalation“aus- drücklich ausgeschlossen hat, kann dem hinreichend deutlich entnommen werden , dass in diese Bewertung auch die für die Annahme verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB maßgebenden Umstände („Affektstörung“ infolge enttäuschter Beziehungserwartung) eingeflossen sind.
12
b) Die Tatsache, dass das Landgericht eine Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB nicht ausdrücklich geprüft hat, begründet keinen durchgreifenden Rechtsfehler.
13
Die Vorschrift des § 46a Nr. 1 StGB ist in den Urteilsgründen nur dann zu erörtern, wenn der Täter einen Ausgleich mit dem Verletzten zumindest ernsthaft erstrebt hat und eine Strafmilderung nicht von vorneherein ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2001 – 4 StR 551/00, StV 2001, 346, 347; MüKoStGB/Maier, 2. Aufl., § 46a Rn. 52 mit weiteren Beispielen aus der Rechtsprechung).
14
Angesichts der Schwere der begangenen Tat und der gravierenden Verletzungsfolgen bei der Geschädigten war eine bloße Entschuldigung des Angeklagten ersichtlich nicht ausreichend, um eine Strafrahmenverschiebung nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB zu rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 1999 – 3 StR 327/99, NStZ 1999, 610). Das Landgericht war daher auch nicht gehalten, diese Möglichkeit in den Urteilsgründen näher abzuhandeln.
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(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.