Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Dez. 2017 - 1 StR 542/17

bei uns veröffentlicht am19.12.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 542/17
vom
19. Dezember 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
hier: Revision des Angeklagten S.
ECLI:DE:BGH:2017:191217B1STR542.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 4. auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 i.V.m. § 206a, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts München II vom 8. Dezember 2015 im Fall III. 2b der Urteilsgründe, auch soweit es den Mitangeklagten K. betrifft, aufgehoben und das Verfahren eingestellt. Insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last.
2. Das vorbezeichnete Urteil wird
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass aa) der Angeklagte S. des Besitzes von Betäubungsmitteln und bb) der Mitangeklagte K. des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie des versuchten Erwerbs von Betäubungsmitteln schuldig ist,
b) im Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten S. , im Gesamtstrafausspruch und im Ausspruch über den Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe vor der Maßregel der Un- terbringung in einer Entziehungsanstalt hinsichtlich des Mitangeklagten K. aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung gemäß Ziffer 2b wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weitergehende Revision des Angeklagten S. wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, neun Monaten und einer Woche verurteilt. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Den nicht revidierenden Mitangeklagten K. hat es wegen bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit versuchtem Erwerb von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass (noch) drei Monate der Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind.
2
Die hiergegen vom Angeklagten S. gerichtete Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, führt zur Aufhebung des Urteils im Fall III. 2b der Urteilsgründe und insoweit zur Einstellung des Verfahrens (§ 206a Abs. 1, § 354 Abs. 1 StPO) sowie zur Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
Die Aufhebung des Urteils im Fall III. 2b der Urteilsgründe erstreckt sich gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten K. . Auch insoweit ist das Verfahren einzustellen mit der Folge, dass die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe und der angeordnete Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe vor der Maßregel aufzuheben ist.
4
1. Soweit das Landgericht den Angeklagten S. im Fall III. 2b der Urteilsgründe wegen der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat, fehlt es an der Verfahrensvoraussetzung einer darauf bezogenen Anklageschrift und demzufolge an einem entsprechenden Eröffnungsbeschluss.
5
a) Dem Angeklagten S. war insoweit mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift zur Last gelegt worden, sechs Kilogramm Marihuana, das K. zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt Ende November 2014 gekauft und zum gewinnbringenden Weiterverkauf an eine Vielzahl von Abnehmern übernommen hatte, für diesen in seiner Woh- nung bzw. dem zugehörigen Garten bis zum späteren Weiterverkauf aufbewahrt zu haben.
6
b) Das Landgericht hat hierzu festgestellt, dass K. seit mindestens Frühjahr 2014 einen regen Handel mit Marihuana in H. und Umgebung betrieb, das er zuvor unter anderem im Raum Kö. erworben hatte. Das Rauschgift lagerte er nach Verbringung in sein Absatzgebiet bei Freunden und Bekannten ein, so auch beim Angeklagten S. . Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitraum im Sommer 2014 kaufte er bei einer namentlich nicht bekannten Person 600 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von zehn Prozent Tetrahydrocannabinol. Er verbrachte das Marihuana, das in sechs vakuumierten Tüten verpackt war, in Absprache mit dem Angeklagten S. zu dessen Wohnung. Entsprechend der Vereinbarung mit K. verwahrte der Angeklagte S. die Betäubungsmittel entweder in der Wohnung oder im Garten des Anwesens bis zu deren Weiterverkauf bzw. teilweisen Eigenkonsum durch K. . Eine Entlohnung hierfür erhielt er von K. nicht.
7
2. Diese vom Landgericht als Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bewertete Tathandlung des Angeklagten S. war nicht Gegenstand des Verfahrens. Es handelt sich vielmehr im Verhältnis zum anklagegegenständlichen Sachverhalt um eine andere Tat im Sinne des § 264 StPO.
8
a) Der prozessuale Tatbegriff umfasst den von der zugelassenen Anklage betroffenen geschichtlichen Vorgang, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Den Rahmen der Untersuchung bildet also zunächst das tatsächliche Geschehen, wie es die Anklage beschreibt. Dabei kommt es im Einzelfall darauf an, ob zwischen den zu beurtei- lenden Verhaltensweisen unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung eine so enge innere Verknüpfung besteht, dass eine getrennte Aburteilung in verschiedenen Verfahren einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde. Das Tatgericht muss hierbei seine Untersuchung auch auf Teile der Tat erstrecken, die erst in der Hauptverhandlung bekannt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 20. November 2014 – 4 StR 153/14, StraFo 2015, 68; Beschluss vom 27. November 2011 – 3 StR 255/11, NStZ 2012, 268 f.). Die Umgestaltung der Strafklage darf aber nicht dazu führen, dass die Identität der von der Anklage umfassten Tat nicht mehr gewahrt ist, weil das von ihr zugrunde liegende Geschehen durch ein anderes ersetzt wird (BGH, Urteil vom 30. Oktober 2008 – 3 StR 375/08, StraFO 2009, 71). Für die Beurteilung, ob ein bestimmtes tatsächliches Geschehen Teil der prozessualen Tat ist, lassen sich über das Vorgenannte hinaus kaum generalisierende Kriterien angeben. Maßgeblich sind stets die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Ausschöpfung 5 mwN).
9
b) Gemessen daran ist der abgeurteilte Sachverhalt nicht Gegenstand der Anklageschrift gewesen. Die Feststellungen des Landgerichts weichen hinsichtlich der Tatzeit und Menge des verwahrten Betäubungsmittels so erheblich vom Anklagevorwurf ab, dass mit ihnen eine andere als die angeklagte Tat be- schrieben ist. Entgegen den Ausführungen der Strafkammer ist die „Nämlichkeit“ derTat nicht damit zu begründen, dass die Ermittlungsbehörden bei der Beurteilung der Aussage des Zeugen P. einem Missverständnis unterlegen sein sollen. Dieser Zeuge schilderte in seiner Vernehmung zwei unterschiedliche Vorfälle, zum einen den anklagegegenständlichen „Sechs-Kilo- Vorfall“ (UA S. 27), von dem er vom Hörensagen Kenntnis erlangt habe. Der Zeuge ordnete den Vorgang zeitlich etwa zehn bis fünfzehn Tage vor seiner Vernehmung vom 8. Dezember 2014 ein, demnach wie in der Anklageschrift zugrunde gelegt Ende November 2014. Zum anderen beschrieb der Zeuge P. einen Vorfall, ohne diesen jedoch zeitlich näher einzuordnen, bei dem er persönlich den Mitangeklagten K. zum Angeklagten S. begleitet und hierbei sechs vakuumierte Tüten mit etwa je 100 Gramm Marihuana von diesem gezeigt bekommen habe. Bereits diese Schilderung zeigt eindeutig auf, dass es sich bei den beiden Vorgängen nicht um einen einheitlichen Vorgang im Sinne einer prozessualen Tat gehandelt hat.
10
3. Der Rechtsfehler führt hinsichtlich des Angeklagten S. zur Aufhebung des Urteils im Fall III. 2b der Urteilsgründe und insoweit zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 206a Abs. 1, § 354 Abs. 1 StPO. Der Senat hebt des Weiteren den Strafausspruch auf, um dem neuen Tatgericht mit Blick auf die verhängte Geldstrafe wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln die Möglichkeit einer angemessenen Kompensationsentscheidung zu eröffnen, nachdem zwischen Urteilsverkündung und Eingang des Revisionsverfahrens beim Generalbundesanwalt über 22 Monate vergangen sind.
11
4. Die Urteilsaufhebung und die Verfahrenseinstellung bezüglich Fall III. 2b der Urteilsgründe ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten K. zu erstrecken. Diese Vorschrift findet auch in Fällen Anwendung, in den die Aufhebung eines Urteils wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses oder einer fehlenden Verfahrensvoraussetzung erfolgt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2017 – 2 StR 252/16, NJW 2018, 1268). Der neue Tatrichter wird aus den beiden Einzelfreiheitsstrafen eine neue Gesamtstrafe zu bilden und gegebenenfalls einen Vorwegvollzug der Strafe vor der Maßregel, deren Anordnung bestehen bleibt, zu bestimmen haben.
Raum Jäger Bellay
Cirener Fischer

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

Strafprozeßordnung - StPO | § 206a Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis


(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

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(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 153/14
vom
20. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. November
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt aus Waldshut-Tiengen
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 28. November 2013 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 1. wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert , dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung, schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Es hat bestimmt, dass von der Gesamtfreiheitsstrafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung fünf Monate als vollstreckt gelten. Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten mit näheren Ausführungen zum materiellen Recht. Das Rechtsmittel führt zur Einstellung des Verfahrens, soweit der Angeklagte im Fall II. 1. wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes verurteilt worden ist und zu einer entsprechenden Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
1. Hinsichtlich der unter II. 1. der Urteilsgründe abgeurteilten Straftat fehlt es an der Verfahrensvoraussetzung der Anklageerhebung. Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage vom 17. November 2010 wurde dem Angeklagten vorgeworfen, in der Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 30. April 2010 seine am 15. Januar 2003 geborene Stieftochter H. in der Familienwohnung mindestens einmal pro Monat, insgesamt also mindestens zehn Mal, über der Kleidung am Geschlechtsteil angefasst zu haben (Ziffern 2 bis 11 der Anklage).
3
Gegenstand der Verurteilung durch das Landgericht ist eine diesem Tatbild entsprechende Tat im Mai oder Juni 2010. Das Landgericht hat in der Hauptverhandlung „9 der 10 FälleZiffern 2 bis 11 der Anklage gemäß § 154 StPO eingestellt" und den rechtlichen Hinweis erteilt, „dassbei einer Tat der Anklagepunkte 2 bis 11 eine Tatzeit im Mai 2010 in Betracht kommt“.
4
a) Der abgeurteilte Fall des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil der Nebenklägerin war von der zugelassenen Anklage nicht umfasst.
5
Gemäß § 264 Abs. 1 StPO ist Gegenstand der Urteilsfindung die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. Gegenstand der zugelassenen Anklage sind u.a. zehn Taten in der oben näher beschriebenen Ausführung in der Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 30. April 2010. Auf diese Taten erstreckte sich die Kognitionspflicht des Gerichts. Die abgeurteilte Straftat betrifft einen anderen Zeitraum. Zwar braucht eine Veränderung oder Erweiterung des Tatzeitraums die Identität zwischen Anklage und abgeurteilter Tat nicht aufzuheben (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 1994 – 3 StR 457/93, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 8), wenn die in der Anklage beschriebene Tat unabhängig von der Tatzeit nach anderen Merkmalen individualisiert und dadurch weiterhin als einmaliges, unverwechselbares Geschehen gekennzeichnet ist (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2013 – 2 StR 311/13 Rn. 4; Urteil vom 17. August 2000 – 4 StR 245/00, BGHSt 46, 130, 133; Beschluss vom 13. März 1996 – 3 StR 43/96, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 19). Bei gleichartigen, nicht durch andere individuelle Tatmerkmale als die Tatzeit unterscheidbaren Serientaten heben dagegen Veränderungen und Erweiterungen des Tatzeitraumes die Identität zwischen angeklagten und abgeurteilten Taten auf.
6
So verhält es sich im abgeurteilten Fall II. 1. der Urteilsgründe. Die angeklagten Taten sind durch eine jeweils gleichförmige Tatausführung an einem jeweils identischen Tatort gekennzeichnet und nicht auf andere Weise unabhängig von der Tatzeit nach individuellen Merkmalen unverwechselbar charakterisiert. Insofern kommt dem in der Anklageschrift genannten Tatzeitraum eine wesentliche, die Kognitionspflicht des Gerichts im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO bestimmende und vor allem begrenzende Funktion zu.
7
b) Da eine Nachtragsanklage nicht erhoben ist, muss das Verfahren im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen des von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernisses fehlender Anklage eingestellt werden. Die Einstellung des Verfahrens bedingt eine entsprechende Änderung des Schuldspruchs.
8
2. Die Verurteilung wegen tateinheitlicher fahrlässiger Körperverletzung im Fall II. 3. der Urteilsgründe ist zu Recht erfolgt. Eine Verfahrensrüge ist nicht erhoben. Jedenfalls ist die fahrlässige Körperverletzung zum Nachteil von G. wieder in das Verfahren einbezogen worden, wie sich aus dem Vermerk des Vorsitzenden vom 27. Mai 2014 ergibt.
9
3. Hinsichtlich einer fahrlässigen Körperverletzung zum Nachteil von H. ist das Landgericht entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts seiner Kognitionspflicht nachgekommen. Es hat ausdrücklich festgestellt , dass der Angeklagte bei H. keine Verletzungen verursacht hat (UA 9).

II.


10
1. Eine etwa erhobene Aufklärungsrüge entspricht nicht den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO:
11
Nach Ansicht des Revisionsführers hätte „dringender Anlass“ bestanden, durch einen Sachverständigen feststellen zu lassen, inwieweit der Angeklagte für die vorgeworfenen Taten strafrechtlich verantwortlich im Sinne der §§ 20 und 21 StGB sei. Das Gericht habe die evidenten Persönlichkeitsdefizite des Angeklagten nicht zum Anlass genommen, genauer zu hinterfragen, inwieweit er noch in der Lage gewesen sei, das Unrecht seines Handelns zu verstehen und dagegen anzusteuern.
12
Selbst wenn dem das zu erwartende Beweisergebnis einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit noch entnommen werden kann (vgl. Sander/ Cirener, NStZ-RR 2008, 4 f.; Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 51 jeweils mwN), ist dieses jedenfalls nicht bestimmt behauptet (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2003 – 4 StR 264/02, NStZ 2004, 112).
13
2. Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler aufgezeigt.
14
Das Landgericht hat eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit mit tragfähigen Erwägungen zum Ausmaß der alkoholischen Beeinflussung bei den Taten verneint. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt musste es nicht erörtern, weil aufgrund der Feststellungen zur Persönlichkeit des Angeklagten sicher ausgeschlossen werden kann, dass beim Angeklagten die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs besteht (vgl. hierzu BVerfG, StV 1994, 594).
15
Die Beanstandungen, mit denen sich die Revision gegen die Strafzumessung wendet, sind offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Revisionsrechtlich unbedenklich ist auch, dass das Landgericht dem Angeklagten die Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung versagt hat. Die gemäß § 56 Abs. 1 StGB getroffene negative Prognoseentscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand. Dass es hierbei den Zeitablauf seit den Taten aus dem Blick verloren haben könnte, ist angesichts der ausdrücklichen Berücksichtigung dieses Umstands bei der Strafzumessung und der Erörterung der Alkoholtherapie im Jahre 2011 bei der Prognoseentscheidung auszuschließen.

III.


16
Die Gesamtfreiheitsstrafe bleibt trotz Einstellung des Tatvorwurfs zu II. 1. der Urteilsgründe bestehen. Angesichts der Einsatzstrafe von einem Jahr und drei Monaten sowie der verbleibenden Einzelstrafen kann der Senat ausschließen , dass der Tatrichter ohne die wegen der Verfahrenseinstellung im Fall II. 1. der Urteilsgründe entfallende Einzelstrafe von zehn Monaten eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.
17
Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig , den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 375/08
vom
30. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. Oktober
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Pfister,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
der Richter am Bundesgerichtshof
Hubert
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwältin bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft, der Nebenklägerin und des Angeklagten wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Tatkomplex 2. b) bb) der Urteilsgründe in einem Fall (Wohnwagen in W. ) wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) das Urteil des Landgerichts Stade vom 21. Februar 2008 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen sowie des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen schuldig ist.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft, der Nebenklägerin und des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
4. Der Angeklagte und die Nebenklägerin haben die verbleibenden Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in drei Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Im Übrigen hat es ihn von dem mit der Anklageschrift erhobenen Vorwurf der Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in 97 weiteren Fällen freigesprochen.
2
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Die im Jahr 1990 geborene Nebenklägerin K. lebte seit der Scheidung ihrer Eltern im Jahre 1992 im Haushalt ihrer Großmutter, der Zeugin R. , die der Angeklagte im Jahr 1998 heiratete. K. hatte zu ihrer Großmutter und dem Angeklagten, die sie versorgten, betreuten und erzogen , ein gutes Verhältnis. Im März 2000 trat die Zeugin R. eine mehrjährige Haftstrafe an, aus der sie im September 2003 entlassen wurde. Während dieser Zeit kam es zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten auf K. , zu deren Beginn der Angeklagte in mindestens einem Fall seine Arme um sie legte, sie küsste und ihr die Zunge in den Mund steckte. In drei weiteren Fällen der im Laufe der Zeit intensiver werdenden sexuellen Handlungen steckte der Angeklagte seinen Finger in die Scheide der Nebenklägerin, wobei diese sich wehrte, indem sie versuchte, ihn wegzustoßen und ihre Beine zusammenpresste. Der körperlich überlegene Angeklagte überwand den Widerstand, indem er gegen ihren Willen ihre Beine auseinander dr ückte. Zwei dieser Taten ereigneten sich im Zimmer der Nebenklägerin, die dritte in einem Wohnwagen auf einem Campingplatz in W. , in dem der Angeklagte und die Nebenklägerin übernachteten, wenn sie die Zeugin R. in der Haft besuchten.
4
Weitere Taten hat die Kammer nicht zu individualisieren vermocht. Sie hat aber - ohne konkretisieren zu können, wann und wie häufig diese Handlungen stattfanden bzw. ob sie den vier festgestellten Einzeltaten zugeordnet werden können - darüber hinausgehend festgestellt, dass der Angeklagte der Nebenklägerin abends in deren Zimmer beim Eincremen half und sie dabei wiederholt gegen deren Willen, den sie ihm gegenüber auch äußerte, an Brust, Gesäß, Oberschenkeln und im Genitalbereich berührte. Er betrat häufig ihr Zimmer, wenn sie sich bereits zum Schlafen hingelegt hatte und zog ihr die Boxershorts herunter, die sie zum Schlafen trug. In mindestens einem Fall hatte der Angeklagte einen Samenerguss. Er leckte an der Scheide der Nebenklägerin und forderte sie mehrfach - erfolglos - auf, ihn mit der Hand oder oral zu befriedigen. Ebenso versuchte er mehrfach vergeblich - zum Teil ungeschützt, zum Teil mit einem Kondom - in sie einzudringen, obwohl sie sich wegdrehte und ihre Beine zusammendrückte.
5
II. Die Revisionen aller Beschwerdeführer führen zur Einstellung des Verfahrens , soweit der Angeklagte im Tatkomplex 2. b) bb) der Urteilsgründe wegen des sexuellen Übergriffs auf die Nebenklägerin im Wohnwagen auf dem Campingplatz in W. wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen verurteilt worden ist. Denn es fehlt in diesem Fall an der Verfahrensvoraussetzung der Anklageerhebung. Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage vom 19. Juni 2007 war dem Angeklagten zur Last gelegt worden, die Nebenklägerin in 100 Fällen vergewaltigt und sexuell missbraucht zu haben, wobei sich die Taten jeweils im Schlafzimmer der Nebenklägerin ereignet hätten. Dort habe der Angeklagte sich und - gegen deren Widerstand - auch die Nebenklägerin entkleidet, sie geküsst, an der Brust berührt und sei unter Einsatz seiner Körperkräfte gegen ihren Widerstand mit dem Finger vaginal in sie eingedrungen. Die Anzahl der Taten hat die Staatsanwaltschaft anhand der Eckdaten des Tatzeitraums im Wege einer Hochrechnung geschätzt.
6
Die von der Strafkammer abgeurteilte Tat im Wohnwagen ist von dem in der Anklage geschilderten geschichtlichen Vorgang nicht erfasst, so dass der Angeklagte deswegen ohne Erhebung einer Nachtragsanklage nicht verurteilt werden durfte.
7
Gegenstand der Urteilsfindung ist nur die in der Anklage bezeichnete Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Allerdings hat das Gericht die angeklagte Tat im verfahrensrechtlichen Sinne erschöpfend abzuurteilen; zur Tat in diesem Sinne gehört das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Lebensauffassung einen einheitlichen Vorgang darstellt (BGHSt 32, 215, 216). In diesem Rahmen muss der Tatrichter seine Untersuchung auch auf Teile der Tat erstrecken , die erst in der Hauptverhandlung bekannt werden (BGHSt 16, 200, 202).
8
Diese Umgestaltung der Strafklage darf aber nicht dazu führen, dass das der Anklage zu Grunde liegende Geschehen vollständig verlassen und durch ein anderes ersetzt wird, mag dieses auch gleichartig sein (Engelhardt in KK 6. Aufl. § 264 Rdn. 17 m. w. N.). So verhält es sich hier: Bei der von der Kammer aufgrund der Aussage der Nebenklägerin festgestellten Tat im Wohnwagen auf dem Campingplatz in W. anlässlich eines Besuches der Zeugin R. in der Haftanstalt - also an einem anderen Tatort und unter anderen Begleitumständen - handelt es sich um einen geschichtlichen Vorgang, der sich von den Anklagevorwürfen, die sich allein auf Taten im Schlafzimmer der Nebenklägerin bezogen, deutlich unterscheidet. Die erforderliche Tatidentität im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO liegt daher nicht mehr vor.
9
Da auch eine Nachtragsanklage nicht erhoben wurde, war das Verfahren auf die Revision des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft (§ 301 StPO) und der Nebenklägerin (vgl. Paul in KK § 301 Rdn. 2) in dem genannten Fall gemäß § 354 Abs. 1, § 206 a Abs. 1 StPO einzustellen; dies führt wegen des Wegfalls der verhängten Einzelstrafe zur Aufhebung der Gesamtstrafe.
10
III. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen zeigt sie keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf.
11
1. Soweit sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision gegen den Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung in 97 Fällen wendet, ist sie unbegründet.
12
Wie bei jeder Verurteilung muss der Tatrichter auch bei Serienstraftaten, wie sie in länger andauernden Missbrauchsbeziehungen vorkommen, von jeder einzelnen individuellen Straftat überzeugt sein (BGHSt 42, 107, 109). Zur Vermeidung unvertretbarer Strafbarkeitslücken dürfen aufgrund der Feststellungs- schwierigkeiten solcher oft gleichförmig verlaufenden Taten über einen langen Zeitraum zum Nachteil von Kindern und/oder Schutzbefohlenen, die in der Regel allein als Beweismittel zur Verfügung stehen, zwar keine überzogenen Anforderungen an die Individualisierbarkeit der einzelnen Taten im Urteil gestellt werden (BGH NStZ 1994, 502). Der Tatrichter muss sich aber in objektiv nachvollziehbarer Weise zumindest die Überzeugung verschaffen, dass es in einem gewissen Zeitraum zu einer bestimmten Mindestzahl von Straftaten gekommen ist (BGH StV 2002, 523). Dabei steht nicht in erster Linie die Ermittlung einer Tatfrequenz, sondern die des konkreten Lebenssachverhalts im Vordergrund; dieser ist ausgehend vom Beginn der Tatserie mit den unterschiedlichen Details etwa zu Tatausführung und Tatort der einzelnen Straftaten in dem gegebenen Tatzeitraum - notfalls auch ohne genaue zeitliche Einordnung und lediglich unter Festlegung einer Mindestzahl der begangenen Delikte nach dem Zweifelssatz - festzustellen und abzuurteilen (vgl. BGHR StGB vor § 1/Serienstraftaten Kindesmissbrauch 2).
13
Die entsprechende Überzeugungsbildung ist eine Frage der Beweiswürdigung. Diese obliegt dem Tatrichter. Er hat sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist oder mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht. Sind derartige Rechtsfehler nicht feststellbar, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich gewesen wäre (BGH NStZ-RR 2008, 146, 147; NJW 2005, 2325, 2326).
14
Nach diesen Grundsätzen zeigt die Revision einen Rechtsfehler, insbesondere eine Überspannung der Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung , nicht auf. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist die vom Landgericht vorgenommene Würdigung, dass es im Schlafzimmer der Nebenklägerin mit Sicherheit lediglich zu zwei Vergewaltigungen und zu dem ebenfalls von der Nebenklägerin geschilderten Fall des sexuellen Missbrauchs zu Beginn der Übergriffe gekommen ist, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
15
Das Landgericht ist sich des Umstandes bewusst gewesen, dass die Aussage der Nebenklägerin, es sei "sehr oft" zu den Übergriffen gekommen, eine häufigere Tatbegehung nahe legte. Es hat sich - im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den notwendigen Feststellungen bei Serientaten des sexuellen Missbrauchs - keine Überzeugung von einer bestimmten größeren Anzahl von Vergewaltigungen zu verschaffen vermocht, weil insoweit lediglich eine bloße Schätzung ohne gesicherte Tatsachengrundlage möglich gewesen wäre. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Landgericht hat sich zum Nachweis der angeklagten Taten nur auf die Aussage der Nebenklägerin stützen können. Deren Angaben zur Tatfrequenz haben gewechselt. Während sie zunächst ausgesagt hatte, es sei fast jeden Abend dazu gekommen, dass der Angeklagte ihr den Finger in die Scheide gesteckt habe, ist sie davon später abgerückt und hat erklärt, es sei jedenfalls sehr oft gewesen , ohne allerdings eine Zahl angeben zu können. Auch mit wiederkehrenden Situationen im familiären Zusammenleben hat sie die Taten nicht zu verknüpfen vermocht. Ebenso wenig hat sie die weiteren von der Strafkammer festgestellten Details einer oder mehreren der festgestellten oder weiteren Taten zuordnen können. Zu den Tatorten hat sie lediglich angegeben, dass es in einem Fall auch im Wohnwagen zu einem Übergriff durch den Angeklagten gekommen sei.
16
Die Überzeugungsbildung der Strafkammer lässt vor diesem Hintergrund keinen Rechtsfehler im dargestellten Sinn erkennen. Sie ist daher - ungeachtet der Frage, ob auch die Annahme einer größeren Anzahl von Taten möglich gewesen wäre - vom Revisionsgericht hinzunehmen.
17
2. Im Strafausspruch kann das angefochtene Urteil jedoch hinsichtlich der verbliebenen Einzelstrafen keinen Bestand haben. Die Nichtanwendung des Regelstrafrahmens des § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB, die bei Vorliegen gewichtiger Milderungsgründe möglich ist (Fischer, StGB 55. Aufl. § 177 Rdn. 65, 74 m. w. N.), ist hier rechtsfehlerhaft. Gleiches gilt für die Annahme eines minder schweren Falles im Sinne des § 176 Abs. 1 letzter Halbs. StGB aF bei der ersten abgeurteilten Tat.
18
Zwar ist es Sache des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von Tat und Täter gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht bestimmende Strafzumessungsfaktoren oder rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Betracht lässt oder wenn sich die Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGHSt 29, 319, 320 m. w. N.). All dies gilt namentlich auch für die Strafrahmenwahl. Die Entscheidung über die Annahme eines minder schweren Falles und - entsprechend - über das Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 2 StGB ist jedoch aufgrund einer Gesamtbetrachtung zu treffen, die alle Umstände einzubeziehen hat, die für die Wertung der Tat und des Täters bedeutsam sind, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung 8). Eine Bewertung nur des engeren Tatgeschehens ist unzulässig (BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung 5; Gesamtwürdigung , unvollständige 10). Es stellt daher einen durchgreifenden Rechtsfehler dar, wenn der Tatrichter bei der Strafrahmenwahl einen bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt (vgl. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) erkennbar außer Betracht lässt.
19
So liegt es hier. Die Strafkammer hat die weiteren Tathandlungen des Angeklagten, die sie sicher festgestellt hat, bei der Strafrahmenwahl aus dem Blick verloren. Sie hat insbesondere nicht gewürdigt, dass der Angeklagte mehrfach versuchte, mit der Nebenklägerin den Geschlechtsverkehr zu vollziehen und sie - wenn auch erfolglos - aufforderte, ihn oral oder manuell zu befriedigen. Diese Handlungen hat die Kammer zwar weder einer der abgeurteilten Taten zuordnen können, noch anhand dieser Feststellungen weitere Taten zu konkretisieren vermocht. Gleichwohl hätten sie als bestimmender Strafzumessungsfaktor in die Gesamtwürdigung einfließen müssen:
20
Handelte es sich insoweit um weitere Varianten sexueller Handlungen im Rahmen der abgeurteilten Taten, so waren sie bei der Strafzumessung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. vom 22. Dezember 1998 - 3 StR 530/98) und deshalb auch in die Gesamtbetrachtung zur Strafrahmenwahl einzustellen. Gleiches gilt, wenn es sich bei diesen Handlungen um weitere selbständige Taten gehandelt hätte; denn in diesem Fall war der Umstand, dass die abgeurteilten Taten nur einen Teil einer Tatserie bildeten, als wesentlicher Strafzumessungsgesichtspunkt zu würdigen (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 2; BGH NStZ-RR 1997, 130; BGH, Beschl. vom 9. Oktober 2003 - 4 StR 359/03 - jeweils m. w. N.).
21
Voraussetzung der Einbeziehung der weiteren sexuellen Handlungen in die Strafzumessung ist es in derartigen Fällen allerdings, dass sie prozessord- nungsgemäß und so bestimmt festgestellt sind, dass sie in ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt abgeschätzt werden können und eine unzulässige strafschärfende Berücksichtigung des bloßen Verdachts der Begehung weiterer Straftaten ausgeschlossen ist (BGHR aaO; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 14). So verhält es sich hier. Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass der Angeklagte die weiteren sexuellen Handlungen zum Nachteil der Nebenklägerin beging; lediglich die Zuordnung zu den begangenen oder die Einordnung als selbständige andere - angeklagte - Taten war ihm nicht möglich. Angesichts dessen handelte es sich nicht um den bloßen Verdacht weiterer Straftaten oder Tatvarianten; vielmehr sind die zusätzlichen sexuellen Handlungen des Angeklagten festgestellt, so dass deren Unrechtsgehalt ohne Weiteres erfasst werden kann. Die Strafkammer hat deshalb, als sie die Regelwirkung des § 177 Abs. 2 StGB unter anderem auch deshalb verneint hat, weil die eigentliche sexuelle Handlung bei den konkret festgestellten Vergewaltigungen nicht besonders schwerwiegend gewesen sei, einen unzutreffenden Schuldumfang zu Grunde gelegt. Gleiches gilt bei der Annahme eines minder schweren Falles nach § 176 Abs. 1 letzter Halbs. StGB aF. Dies führt zur Aufhebung der entsprechenden Einzelstrafen.
22
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Strafausspruch können hingegen bestehen bleiben. Ergänzende, dazu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen kann der neue Tatrichter treffen.
23
IV. Soweit sich die Nebenklägerin gegen den Teilfreispruch des Angeklagten wendet, hat ihre Revision aus den unter III. 1. genannten Gründen in der Sache keinen Erfolg. Hinsichtlich ihrer Einwendungen gegen den Strafausspruch , insbesondere gegen die Nichtanwendung des Strafrahmens des § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB, ist die Revision bereits unzulässig (BGH NStZ-RR 2003, 306; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 400 Rdn. 3).
24
V. Die weitergehende Revision des Angeklagten hat ebenfalls keinen Erfolg.
25
Die Rüge der Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens (§ 338 Nr. 6 StPO) ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 27. August 2008 hinsichtlich der Verlesung eines Gutachtens in der Hauptverhandlung vom 3. Dezember 2007 unzulässig und im Übrigen unbegründet.
26
Die umfassende Überprüfung des Urteils auf die allgemein erhobene Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
27
VI. Eine Erstattung der notwendigen Auslagen, die dem Angeklagten sowie der Nebenklägerin durch die gegenseitigen Revisionen entstanden sind, findet nicht statt, da die Rechtsmittel beider Seiten ohne Erfolg geblieben sind (Meyer-Goßner aaO § 473 Rdn. 10 m. w. N.). Becker Miebach Pfister Sost-Scheible Hubert

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 415/12
vom
18. Dezember 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
1. Ein nach § 145a Satz 1 StGB tatbestandsmäßiger Weisungsverstoß setzt eine
hinreichend bestimmte Weisung voraus. Maßgeblich dafür ist allein der durch das
Vollstreckungsgericht festgelegte Inhalt.
2. Versäumt der Verurteilte bei einer Meldeweisung die Vorstellung bei seinem Bewährungshelfer
innerhalb des gerichtlich festgelegten Meldezeitraums, liegt ein Weisungsverstoß
selbst dann vor, wenn mit dem Bewährungshelfer Termine außerhalb
dieses Zeitraums abgesprochen waren.
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 - 1 StR 415/12 - LG Passau
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
18. Dezember 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. a) Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Passau vom 12. März 2012 insoweit mit den Feststellungen aufgehoben, als der Angeklagte vom Vorwurf der (einfachen) Körperverletzung/Nötigung freigesprochen worden ist.
b) Die weitergehende Revision wird verworfen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Passau - Strafrichter - zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und ihm dem Grunde nach eine Entschädigung für die erlittene Untersuchungshaft zugesprochen.
2
1. Diesem war mit der Anklage vorgeworfen worden, in dem Zeitraum zwischen August und Oktober 2010 in drei Fällen gegen Weisungen während der Führungsaufsicht verstoßen und tatmehrheitlich eine besonders schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Lasten der Nebenklägerin, der Zeugin A. , begangen zu haben. Im Einzelnen war ihm Folgendes zur Last gelegt worden:
3
a) Das Amtsgericht Leipzig hatte den Angeklagten im Jahre 2003 wegen Vergewaltigung in zwei Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. In Bezug auf die nach Vollverbüßung eintretende Führungsaufsicht habe das Landgericht Landshut eine Dauer von fünf Jahren angeordnet und in dem entsprechenden Beschluss dem Angeklagten die strafbewehrte Weisung erteilt, sich einmal monatlich zwischen dem 10. und 28. eines jeden Monats bei seinem Bewährungshelfer zu melden. Gegen diese ihm bekannte Weisung habe der Angeklagte in drei Fällen verstoßen, indem er die für August 2010 und für den 29. September 2010 vereinbarten Termine nicht eingehalten habe und einem für den 6. Oktober 2010 abgesprochenen Termin unentschuldigt ferngeblieben sei.
4
b) In dem Zeitraum vom 1. Dezember 2010, 18.00 Uhr, und 2. Dezember 2010, 2.00 Uhr, habe sich die geschädigte Zeugin A. in der Wohnung des Angeklagten in Pocking aufgehalten. Als dieser die Zeugin zu küssen versuchte, sie ihn jedoch wegzustoßen vermochte, habe der Angeklagte sie anschließend auf den Boden geworfen, sich auf sie gesetzt, ihr den Mund zugehalten und ihr gedroht, sie umzubringen. Unmittelbar danach habe der Angeklagte die Zeugin mit wenigstens einer Hand am Hals gewürgt, so dass diese keine Luft bekommen habe. Als die Zeugin sich gegen den Angeklagten zur Wehr setzen wollte, habe dieser mit der Faust auf ihr Auge geschlagen, um ih- ren Widerstand zu brechen. Sodann habe er der Zeugin die Jeans und den Slip aus- sowie seine Hose und Unterhose bis zu den Knien heruntergezogen.
5
Unter der Einwirkung der vorherigen Drohung und Gewaltanwendung habe der Angeklagte dann gegen den Widerstand der Zeugin den Vaginalverkehr mit dieser ausgeführt und dabei die von ihr erlittenen erheblichen Unterleibsschmerzen billigend in Kauf genommen. Nachdem die Zeugin zunächst der Aufforderung, seinen Penis in den Mund zu nehmen, nicht nachgekommen sei, habe der Angeklagte die Wangen der Zeugin gewaltsam so zusammengedrückt , dass diese den Mund öffnen musste und er sein Geschlechtsteil in deren Mund schieben konnte. Anschließend habe er den Oralverkehr ausgeführt. Die Zeugin A. habe durch das Vorgehen erhebliche Verletzungen im Bereich der Schamlippen und der Vagina sowie Hämatome im Gesicht, am Hals und im Körperbereich einschließlich eines Monokelhämatoms am linken Auge, eine Jochbeinfraktur und Würgemale am Hals erlitten.
6
2. Die Kammer hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
7
a) Bezüglich der nach voll verbüßter Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten wegen Vergewaltigung eingetretenen Führungsaufsicht ordnete die zuständige Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 2. April 2009 eine Dauer von fünf Jahren an. Das Strafvollstreckungsgericht erteilte dem Angeklagten zudem die Weisung, sich einmal monatlich jeweils zwischen dem 10. und 28. eines Monats bei dem zuständigen Bewährungshelfer zu melden. Eine solche Meldung fand in den Monaten August, September und Oktober 2010 nicht statt; der Angeklagte hielt die vereinbarten Vorsprachetermine bei seiner Bewährungshelferin nicht ein. Die versäumten Termine waren auf den 29. September und 6. Oktober 2010 festgelegt worden. Ab Oktober kam der Angeklagte den Gesprächsterminen mit seiner Bewährungshelferin wieder nach. Es kam nicht zu Auffälligkeiten in der Person des Angeklagten, der zudem Kontakt zu dem für ihn zuständigen Sachbearbeiter im sog. HEADSProgramm bei der KPI Passau hielt (Fall II.2.a. des Urteils).
8
b) Im Hinblick auf den Vorwurf der Vergewaltigung und gefährlichen Körperverletzung zu Lasten der Zeugin A. konnte die Strafkammer lediglich feststellen, dass diese sich für einen nicht näher bekannten Zeitraum am 1. und 2. Oktober 2010 in der Wohnung des Angeklagten aufhielt. Jedenfalls vor 2.00 Uhr am 2. Oktober 2012 (richtig: 2010; insoweit handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler im tatrichterlichen Urteil) war die Zeugin (wieder) in der Wohnung des Angeklagten und verließ diese kurz nach 2.00 Uhr erneut. Bei dem Verlassen wies sie blutende Gesichtsverletzungen auf. Der Angeklagte verständigte gegen 2.15 Uhr selbst die Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums in Straubing und wies in dem Telefonat auf die erheblichen Verletzungen der Zeugin hin, deren Ursache er sich nicht erklären könne. Die daraufhin entsandten polizeilichen Einsatzkräfte trafen A. in der Wohnung des Zeugen S. an. Die Zeugin wies Schwellungen, Hautrötungen und Hautabschürfungen im Gesicht auf. Zudem hatte sie ein Monokelhämatom um das linke Auge und eine Jochbeinfraktur erlitten. Ihr Hals wies ebenfalls Hautrötungen, oberflächliche Hautdefekte und -abschürfungen auf. Weitere ähnliche Hautverletzungen fanden sich im Bereich des Rückens sowie an den Außen- und Innenseiten der Oberschenkel. Zudem hatte die Zeugin einen kleineren Schleimhautdefekt im Bereich der rechten großen Schamlippe sowie einen weiteren solchen Defekt im Scheidenvorhofbereich erlitten.
9
Nach dem Eintreffen der Polizei hatte die Zeugin A. auf die Frage eines der eingesetzten Beamten, ob der Angeklagte sie geschlagen und vergewaltigt habe, angegeben, dieser sei der Verursacher ihrer Gesichtsverletzungen (Fall II.2.b. des Urteils).
10
3. a) Das Tatgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf des Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht (§ 145a StGB) auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Es fehle an der für die Tatbestandsmäßigkeit erforderlichen Gefährdung des Zwecks der Maßregel.
11
b) Der Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung und Körperverletzung zu Lasten der Zeugin A. ist dagegen aus tatsächlichen Gründen erfolgt. Die Strafkammer hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Vergewaltigungs- und Körperverletzungshandlungen begangen hat. Eine Täterschaft des Angeklagten sei zwar angesichts der im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigten Indizien möglich. Aufgrund der erhobenen Beweistatsachen und Indizien verblieben aber so erhebliche Zweifel an der Verursachung der Verletzungen der Zeugin durch den Angeklagten , dass eine Verurteilung nicht in Betracht komme. Vieles spreche sogar für eine Tatbegehung durch einen anderen Täter, nämlich den Zeugen S. , der Frau A. auch bereits bei früheren Gelegenheiten misshandelt habe. Zudem habe der Zeuge einen auffälligen Belastungseifer gegenüber dem Angeklagten an den Tag gelegt, zumindest in Teilen falsch ausgesagt und versucht, die Zeugin A. von weiteren Zeugenaussagen vor Gericht abzuhalten.

12
c) Die Strafkammer hat aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen eine Verurteilung des Angeklagten auch insoweit für ausgeschlossen erachtet, als dieser selbst eingeräumt hat, der Zeugin A. im Anschluss an ein einvernehmlich durchgeführtes, aber letztlich mangels Erektion des Angeklagten erfolgloses Unterfangen, Vaginal- und Oralverkehr auszuführen, als Reaktion auf deren Bemerkung „Schlappschwanz“ eine Ohrfeige verabreicht zu haben. Insoweit fehlt es aus Sicht des Tatgerichts an den Verfolgungsvoraussetzungen des § 230 StGB. Im Übrigen sei es unklar, ob es tatsächlich zu der Ohrfeige gekommen sei. Die bloße entsprechende Einlassung des Angeklagten genüge für die Überzeugungsbildung nicht, weil für die Strafkammer völlig offen geblieben sei, was sich in der Tatnacht in der Wohnung des Angeklagten tatsächlich abgespielt habe.
13
Eine Verurteilung wegen Körperverletzung aufgrund dieser Ohrfeige komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die eingeräumte Ohrfeige nicht von der verfahrensgegenständlichen Tat i.S.v. § 264 Abs. 1 StPO erfasst sei. Maßgeblich für die prozessuale Tatidentität sei außer der örtlichen und zeitlichen Identität der tatsächlichen Geschehnisse auch die Wesensgleichheit des Sachund Unrechtskerns (Angriffsrichtung). Die fragliche Ohrfeige sei auf der Grundlage der Einlassung des Angeklagten aus einer völlig anderen Situation heraus entstanden, als der von der Anklage zugrunde gelegten.
14
4. Gegen den Freispruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft. Sie erhebt drei Verfahrensrügen und wendet sich mit der Sachrüge insbesondere gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts. Die Entscheidung über die Zubilligung einer Entschädigung für die erlittene Untersuchungshaft dem Grunde nach greift sie mit der sofortigen Beschwerde an. Der Generalbundesanwalt vertritt die Revision, soweit diese sich mit der Sachrüge gegen den Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung (Fall II.2.b.) richtet.

II.

15
Die Revision hat Erfolg, soweit sie sich gegen den Freispruch des Angeklagten von dem Vorwurf der Körperverletzung/Nötigung durch eine der Zeugin A. verabreichte Ohrfeige wendet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
16
1. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen der Verletzung von § 244 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 6 StPO sowie von § 261 StPO bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 12. Oktober 2012 ohne Erfolg.
17
2. Der Freispruch des Angeklagten von dem Vorwurf des Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht gemäß § 145a StGB (Fall II.2.a.) ist im Ergebnis nicht zu bestanden. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte zwar in den Monaten August, September und Oktober 2010 gegen die in dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 2. April 2009 angeordnete Weisung, Kontakt zu seinem zuständigen Bewährungshelfer zu halten, verstoßen. Es fehlt allerdings unter den gegebenen Verhältnissen an der von § 145a StGB geforderten Gefährdung des Zwecks der Maßregel.
18
a) Ein in § 145a Satz 1 StGB mit Strafe bedrohter Verstoß gegen eine Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht liegt vor, wenn der Betroffene das ihm auferlegte Verhalten nicht oder nicht vollständig erfüllt (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 145a Rn. 7; Roggenbuck, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., Band 5, § 145a Rn. 13 mwN). Ein solcher Weisungsverstoß unterfällt aber nur dann dem objektiven Tatbestand, wenn die fragliche Weisung inhaltlich hinreichend bestimmt ist (OLG Dresden NStZ-RR 2008, 27; OLG München NStZ 2010, 218, 219; Groß, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 3, § 145a Rn. 9 mwN). Diesen Anforderungen genügt lediglich eine solche Weisung, die das von dem Betroffenen verlangte oder diesem verbotene Verhalten inhaltlich so genau beschreibt, wie dies von dem Tatbestand einer Strafnorm zu verlangen ist (Roggenbuck, aaO, § 145a Rn. 8). Ihm muss mit der Weisung unmittelbar verdeutlicht werden, was genau von ihm erwartet wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2011 - 2 BvR 1165/11 bzgl. Weisungen nach § 56c StGB). Den Anforderungen an die Bestimmtheit der Weisung ist bei einer Meldeweisung wie hier auch dann genügt, wenn in dem anordnenden gerichtlichen Beschluss ein Zeitraum genannt ist, innerhalb dessen der Betroffene sich bei dem Bewährungshelfer zu melden hat. Die Festlegung des konkreten Termins innerhalb der in dem gerichtlichen Anordnungsbeschlussfestgelegten Periode (etwa „einmal im Monat“) kann dem Bewährungshelfer überlassen blei- ben (BVerfG aaO).
19
b) Nach den vom Tatgericht getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte in den Monaten August bis Oktober 2010 gegen die ihm durch die Strafvollstreckungskammer wirksam erteilte Weisung, „sich einmal monatlich jeweils zwischen dem 10. und 28. eines Monats bei dem zuständigen Bewährungshel- fer zu melden“, verstoßen.

20
aa) Die Nichtbefolgung dieser Weisung in den genannten Monaten ist tatbestandsmäßig i.S.v. § 145a Satz 1 StGB, obwohl die für den 29. September und den 6. Oktober 2010 mit der Bewährungshelferin abgesprochenen, vom Angeklagten aber versäumten Termine außerhalb des durch die Strafvollstreckungskammer bestimmten Zeitraums lagen. Maßgeblich für den Verstoß gegen eine wirksam erteilte Weisung ist lediglich die Nichtbefolgung des in dem gerichtlichen Beschluss verlangten oder verbotenen Verhaltens. Das nach § 145a Satz 1 StGB strafbare Verhalten wird im Sinne einer Blankettvorschrift erst durch den Inhalt der Weisung seitens des für deren Anordnung zuständigen Gerichts festgelegt. Die Einhaltung des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 Abs. 2 GG hängt angesichts dieser Struktur des § 145a StGB davon ab, dass die gerichtliche Weisung selbst inhaltlich hinreichend bestimmt ist. Dies schließt es für Meldeweisungen aus, den im gerichtlichen Anordnungsbeschluss festgelegten Erfüllungszeitraum zur Disposition des Bewährungshelfers zu stellen. Abgesehen von den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes besteht auch keine gesetzliche Grundlage, die diesem eine inhaltliche Ausfüllung von Weisungen jenseits einer zulässigen Konkretisierung innerhalb der durch die gerichtliche Anordnung verbleibenden Spielräume (etwa die Festlegung des konkreten Vorsprachetermins im eröffneten Zeitraum) gestatten würde (vgl. BVerfG aaO).
21
bb) Der Angeklagte hat auch den Termin im August 2010 versäumt. Das Tatgericht hat zwar den für diesen Monat vereinbarten Termin nicht konkret festgestellt. Selbst wenn dieser aber für außerhalb des Zeitraums zwischen dem 10. und 28. August 2010abgesprochen gewesen sein sollte, verwirklichte das Unterbleiben einer Meldung des Angeklagten bei seiner Bewährungshelfe- rin im gerichtlich festgelegten Zeitraum nach dem Vorgenannten den objektiven Tatbestand von § 145a Satz 1 StGB.
22
c) Ob bei der Nichteinhaltung von Vorspracheterminen, die aufgrund einer Absprache mit dem zuständigen Bewährungshelfer außerhalb des in der gerichtlichen Anordnungsentscheidung bestimmten Zeitraums lagen, von einer vorsätzlichen Nichterfüllung einer Weisung ausgegangen werden kann, bedarf keiner Entscheidung. Denn vorliegend fehlt es nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Tatgerichts jedenfalls an der Gefährdung des Maßregelzwecks. Von einer solchen kann nur dann ausgegangen werden, wenn sich durch den Verstoß bzw. die Verstöße gegen die Weisung die Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer Straftaten erhöht hat (Roggenbuck, aaO, § 145a Rn. 18; vgl. auch Senat, Beschluss vom 28. Mai 2008 - 1 StR 243/08, NStZ-RR 2008, 277; weitergehend Groß, aaO, § 145a Rn. 15). Hier schließt bereits der ununterbrochene Kontakt des Angeklagten zu dem für ihn zuständigen Polizeibeamten im Rahmen des in Bayern sog. HEADS-Programms die Annahme einer Gefährdung des Maßregelzwecks aus. Es kann daher offen bleiben, ob bereits aus einem Verstoß gegen bestimmte Weisungen eo ipso eine derartige Gefährdung resultieren kann (so Groß, aaO, § 145a Rn. 15).
23
3. Das angefochtene Urteil hält auch im Hinblick auf den Freispruch von dem Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung der Zeugin A. (Fall II.2.b.) insoweit stand, als die Strafkammer sich aus tatsächlichen Gründen nicht von der Täterschaft des Angeklagten im Hinblick auf die der Anklage zugrunde gelegten Körperverletzungsund Vergewaltigungshandlungen zu überzeugen vermochte.

24
a) Das Urteil genügt den von § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO gestellten Anforderungen an ein freisprechendes Urteil.
25
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss die Begründung des Urteils so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Deshalb hat der Tatrichter in der Regel nach dem Tatvorwurf und der Einlassung des Angeklagten zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen zum objektiven Tatgeschehen festzustellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite nicht getroffen werden konnten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - 3 StR 41/11 Rn. 6; BGH, Urteil vom 11. Oktober 2011 - 1 StR 134/11 Rn. 12). Hierauf kann nur ausnahmsweise verzichtet werden, wenn Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen überhaupt nicht möglich waren (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1996 - 1 StR 405/96, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 12) oder bei einem Freispruch aus subjektiven Gründen die Urteilsgründe ohne Feststellungen zum objektiven Sachverhalt ihrer Aufgabe gerecht werden, dem Revisionsgericht die Überprüfung der Beweiswürdigung auf Rechtsfehler zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 14; BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - 3 StR 41/11 Rn. 6).
26
Diesen Erfordernissen genügt das Urteil trotz der nur wenigen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen. Die Strafkammer hat zunächst in einer geschlossen Darstellung offen gelegt, von welchem äußeren Geschehensablauf in der Tatnacht sie ausgegangen ist. Dabei hat sie insbesondere diejenigen ob- jektiven Umstände, wie die Benachrichtigung der Polizei durch den Angeklagten selbst, die ersten Angaben der Zeugin A. gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten und die bei der Zeugin vorhandenen Verletzungen, zum Gegenstand ihrer Feststellungen gemacht, die durch andere Erkenntnisquellen als die Aussage der Zeugin A. und die Einlassung des Angeklagten geklärt werden konnten. Warum sich die Strafkammer gehindert gesehen hat, zu darüber hinausgehenden Feststellungen zu den Geschehnissen in der Wohnung des Angeklagten zu gelangen, ergibt sich aus der insoweit umfassenden und rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung der Kammer (siehe nachstehend II.3.b). Dass die Strafkammer mit Ausnahme des Anrufs des Angeklagten bei der Polizei und deren Eintreffen in der Wohnung des Zeugen S. selbst die zeitlichen Abläufe in der Tatnacht nicht näher hat feststellen können, begründet keinen Darstellungsmangel des Urteils. Aus der Beweiswürdigung kann der Senat in den rechtlichen Anforderungen genügender Weise die Gründe für das Fehlen der Möglichkeit erkennen, weitere Feststellungen zu treffen.
27
b) Auch die Beweiswürdigung als solche ist rechtsfehlerfrei.
28
aa) Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Ge- samtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt zudem, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 27. April 2010 - 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109; vom 1. Februar 2011 - 1 StR 408/10 Rn. 15, vom 7. Juni 2011 - 5 StR 26/11 Rn. 9 und vom 7. November 2012 - 5 StR 322/12 Rn. 10).
29
bb) Nach diesen Maßstäben enthält die durch die Strafkammer vorgenommene Beweiswürdigung in Bezug auf die Tatvorwürfe der Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung keine Rechtsfehler.
30
Das Tatgericht hat sich ausführlich mit der Einlassung des Angeklagten, der wegen Ausbleibens einer Erektion letztlich erfolglose Versuche des einvernehmlichen Oral- und Vaginalverkehrs mit der Zeugin A. angegeben, die Vornahme der in der Anklageschrift zugrunde gelegten Gewalthandlungen zum Zwecke der Erzwingung des Geschlechtsverkehrs aber in Abrede gestellt hat, auseinandergesetzt. Es hat diese Einlassung nicht lediglich isoliert auf Plausibilität untersucht, sondern auch überprüft, ob diese durch die weiteren erhobenen Beweise widerlegt werden kann.
31
Bei diesen Beweisen handelt es sich vor allem um die Aussagen der Zeugin A. , die bei dieser vorhandenen Verletzungen, das Spurenbild in der Wohnung des Angeklagten sowie dessen Verhalten nach dem fraglichen Geschehen, insbesondere seinen Anruf bei der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums Straubing. Dabei hat das Tatgericht - sachverständig beraten - die Aus- sagen der Zeugin A. umfassend auf ihre Glaubhaftigkeit untersucht und in eine Gesamtwürdigung eingestellt. Innerhalb dessen sind die gewonnenen Erkenntnisse über die Persönlichkeit der Zeugin, ihr Aussageverhalten in früheren Verfahren, in denen sie zu Unrecht Personen sexueller Übergriffe auf sie bezichtigt hatte, sowie die Versuche des Zeugen S. , das Aussageverhalten der Zeugin zu beeinflussen, berücksichtigt worden. Die Strafkammer hat unter Vermeidung von Lücken oder Widersprüchlichkeiten in der Beweiswürdigung insbesondere die in der Person der Zeugin A. liegenden Besonderheiten hinsichtlich ihrer Aussagetüchtigkeit und der nur in sehr geringem Umfang vorhandenen Fähigkeit, tatsächliche Gegebenheiten, wie hier das eigentliche Kerngeschehen der von ihr angegebenen gewaltsamen Erzwingung des Geschlechtsverkehrs seitens des Angeklagten, sprachlich präzise zu beschreiben , sorgfältig bedacht.
32
Dass sich die Strafkammer auf dieser Grundlage nicht von der Täterschaft des Angeklagten in Bezug auf die zum Zwecke der Erzwingung des Geschlechtsverkehrs mit der Zeugin A. vorgenommenen Verletzungshandlungen hat überzeugen können, ist revisionsrechtlich hinzunehmen. Denn es ist Sache des Tatrichters, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- und entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Entspricht diese tatrichterliche Bewertung den vorstehend genannten Maßstäben, ist es dem Revisionsgericht verwehrt, auf der Grundlage einer gegebenenfalls abweichenden Beurteilung der Bedeutung von Indiztatsachen in die Überzeugungsbildung des Tatrichters einzugreifen (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326; BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 140/12 Rn. 15).
33
4. Das Urteil enthält aber Rechtsfehler, soweit das Tatgericht den Angeklagten auch vom Vorwurf der (einfachen) Körperverletzung/Nötigung hinsichtlich des von ihm selbst eingeräumten Verhaltens, der Zeugin A. aus Verärgerung eine Ohrfeige gegeben und sie durch ein „Packen“ am Hals aus der Wohnung geworfen zu haben, freigesprochen hat. Die Strafkammer hat hier zu Unrecht einer Verurteilung entgegenstehende rechtliche Gründe, nämlich das Fehlen der Verfolgungsvoraussetzungen nach § 230 Abs. 1 StGB sowie fehlende Verfahrensgegenständlichkeit des fraglichen tatsächlichen Geschehens, angenommen und zudem überspannte Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung gestellt.
34
a) Die Strafkammer war entgegen ihrer offenbar als Hilfserwägung eingenommenen Rechtsauffassung nicht aus Rechtsgründen an der Aburteilung des vorstehend geschilderten Geschehens gehindert.
35
aa) Die von dem Angeklagten eingeräumte Ohrfeige sowie das damit verbundene Geschehen des Hinausdrängens der Zeugin A. war von der prozessualen Tat (§ 264 StPO) erfasst, die materiell den Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Gegenstand hat. Entgegen der Auffassung des Tatgerichts war dieses daher nicht durch den Umfang der Kognitionspflicht (vgl. Radtke, in: Radtke/ Hohmann, StPO, 2011, § 264 Rn. 63 mwN) gehindert, den Angeklagten wegen (einfacher) Körperverletzung zu verurteilen. Im Gegenteil gebot die innerhalb des durch Anklage und Eröffnungsbeschluss gebildeten Verfahrensgegenstandes bestehende umfassende Erkenntnispflicht des Gerichts gerade eine Aburteilung.
36
Wie das Tatgericht im rechtlichen Ausgangspunkt an sich zutreffend angenommen hat, ist die Tat im prozessualen Sinne (§§ 155, 264 StPO) der vom Eröffnungsbeschluss betroffene geschichtliche Lebensvorgang einschließlich aller damit zusammenhängenden oder darauf bezogenen Vorkommnisse und tatsächlichen Umstände, die geeignet sind, das in diesen Bereich fallende Tun des Angeklagten unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt als strafbar erscheinen zu lassen (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 212 f.; BGH, Urteil vom 11. September 2007 - 5 StR 213/07, NStZ 2008, 411). Zu dem von der Anklage und dem darauf bezogenen Eröffnungsbeschluss erfassten einheitlichen geschichtlichen Vorgang gehört dementsprechend alles, was mit diesem nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet (BGH jeweils aaO). Für die Beurteilung, ob ein bestimmtes tatsächliches Geschehen Teil der verfahrensgegenständlichen Tat ist, lassen sich über das Vorgenannte hinaus kaum generalisierbare Kriterien angeben; maßgeblich sind stets die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls (BGH, Beschluss vom 13. November 1998 - StB 12/98, NJW 1999, 1413, 1414).
37
Auf der Grundlage dieses in erster Linie an den von der Anklage erfassten faktischen Verhältnissen orientierten prozessualen Tatbegriffs ist die von dem Angeklagten eingeräumte Ohrfeige Gegenstand der mit der Anklageschrift vom 4. März 2011 unter der dortigen Ziffer II. angeklagten Tat (§§ 155, 264 StPO) gewesen. Die Anklage ist in unveränderter Form durch Beschluss der Strafkammer vom 11. Juli 2011 zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet worden. Sie umfasst den Zeitraum zwischen dem 1. Dezember 2010, 18.00 Uhr, sowie dem 2. Dezember 2010, 2.00 Uhr, und schildert in dem konkreten Anklagesatz ein Geschehen in der Wohnung des Angeklagten, das im Einzelnen bezeichnete Körperverletzungshandlungen zu Lasten der Zeugin A.
sowie gewaltsam erzwungenen Vaginal- und Oralverkehr mit dieser zum Gegenstand hat. Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte das Verabreichen der Ohrfeige während des von der Anklage umfassten Zeitraums in seiner Wohnung und zu Lasten von A. eingestanden. Wie die Strafkammer an sich nicht verkennt, liegt das eingeräumte straftatbestandsmäßige Verhalten nach den für die Beurteilung des einheitlichen Lebensvorgangs maßgeblichen Kriterien des Tatopfers und des Tatortes sowie der Tatzeit innerhalb des durch Anklage und Eröffnungsbeschluss umgrenzten Verfahrensgegenstandes.
38
Angesichts der für prozessuale Tatidentität sprechenden tatsächlichen Anhaltspunkte kann eine solche nicht durch das Abstellen auf normative Erwägungen , wie sie die Strafkammer mit dem Aspekt der „Angriffsrichtung“ angestellt hat, ausgeschlossen werden. Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden , welche Bedeutung normativen Kriterien für die Bestimmung prozessualer Tateinheit überhaupt zukommen kann. Derartige Gesichtspunkte, wie etwa die „strafrechtliche Bedeutung des Vorgangs“, sind zwar in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelegentlich in die Beurteilung der Reichweite der prozessualen Tat einbezogen worden (etwa BGH, Urteil vom 18. Oktober 1995 - 3 StR 324/94, BGHSt 41, 292, 300). Deren Bedeutung erschöpft sich allerdings darin, als ein Aspekt im Rahmen der umfassenden Beurteilung der prozessualen Tatidentität nach Maßgabe des Einzelfalls herangezogen zu werden. Sprechen die für die Bestimmung der Reichweite des Verfahrensgegenstandes maßgeblichen tatsächlichen Momente des Lebenssachverhalts, wie die hier vorliegenden, für die Annahme einer einheitlichen prozessualen Tat, kann die Heranziehung normativer Gesichtspunkte allein nicht dazu führen, entgegen dem sich durch die faktischen Verhältnisse ergebenden Bild eine einheitliche Tat i.S.v. § 264 StPO zu verneinen.

39
bb) Die gemäß § 230 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlichen Verfolgungsvoraussetzungen für eine Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB sind gegeben. Zwar hat die Zeugin A. keinen Strafantrag gestellt. Es ist aber seitens der Staatsanwaltschaft gemäß § 230 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 StGB das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung erklärt worden. Selbst wenn man nicht bereits in der die gefährliche Körperverletzung zu Lasten der Zeugin umfassenden Anklage der Staatsanwaltschaft deren konkludente Erklärung bezüglich der in der Qualifikation des § 224 StGB enthaltenen (einfachen) Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) sehen wollte, hat diese in ihrer Revisionsbegründungsschrift eine solche Erklärung ausdrücklich abgegeben. Die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses kann auch noch in der Revisionsinstanz erfolgen (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2011 - 5 StR 346/11, StraFo 2012, 67).
40
b) Dem Vorstehenden entsprechend musste die Strafkammer ihre Kognitionspflicht auch auf das Tatgeschehen erstrecken, das die Ohrfeige und das Hinausdrängen der Zeugin zum Gegenstand hatte. Dem ist die Strafkammer an sich ungeachtet der von ihr angeführten rechtlichen Hinderungsgründe auch nachgekommen. Denn sie hat den Angeklagten wegen der Ohrfeige (auch) aus tatsächlichen Gründen nicht verurteilt, weil sie sich nicht vom Wahrheitsgehalt seines Geständnisses hat überzeugen können. Dabei hat sie aber die an die tatrichterliche Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen überspannt.
41
Dazu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
42
„… sie verkennt, dass es keine forensische Erfahrung gibt, wonach bei einem Geständnis stets ohne weiteres mit einer wahrheitswidrigen Selbstbelastung zu rechnen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Mai 2012 - 1 StR 208/12, juris Tz. 7). Anhaltspunkte, die geeignet wären, nachvollziehbare Zweifel am Wahrheitsgehalt der vom Angeklagten eingeräumten Tathandlungen zu begründen, sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, zumal dieser die Vergewaltigung von Anfang an bestritten hat und das Teilgeständnis für ihn keine Besserstellung bedeutete. Zudem hat die Kammer unberücksichtigt gelassen, dass auch die Zeugin A. bestätigt hat, vom Angeklagten geschlagen worden zu sein. Die ‚Heranziehung weiterer Be- weismittel‘ (UA S. 85) war danach für die tatrichterliche Überzeu- gungsbildung nicht erforderlich. Die Einlassung des Angeklagten war - wovon das Landgericht an anderer Stelle selbst ausgeht (UA S. 11 ff.) - ohnedies bereits hinreichend plausibel …“.
43
Dem folgt der Senat.
44
5. Im Hinblick auf diesen Rechtsfehler war das angefochtene Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung an ein neues Tatgericht zurück zu verweisen. Die Aufhebung beschränkt sich auf den Freispruch vom Vorwurf der (einfachen) Körperverletzung zu Lasten der Zeugin A. im Hinblick auf die von dem Angeklagten eingeräumte Ohrfeige, die er dieser nach dem Versuch des einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs verabreicht haben will, sowie das damit in Zusammenhang stehende tatsächliche Geschehen. Dabei handelte es sich ausweislich der im Urteil wiedergegebenen Einlassung des Angeklagten neben der Ohrfeige auch um das durch das Ergreifen der Zeugin am Hals bewirkte Hinausdrängen aus der Wohnung.
45
Die Voraussetzungen für eine Teilaufhebung des angefochtenen Urteils liegen vor. Eine solche ist bei mehreren materiell-rechtlich selbständigen Straftaten möglich (BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, NStZ 1997, 276). So verhält es sich hier.
46
a) Die nach § 223 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßige Körperverletzung ist auf der Grundlage des in der Anklage bezeichneten tatsächlichen Geschehens in der Wohnung des Angeklagten einerseits und seiner Einlassung andererseits durch eine andere Handlung (i.S.v. §§ 52, 53 StGB) verwirklicht als die angeklagten Körperverletzungshandlungen. Während diese der Erzwingung des Geschlechtsverkehrs gegen den Willen der Zeugin A. dienen sollten, hat der Angeklagte eine Körperverletzungshandlung eingeräumt, die zeitlichnach dem gescheiterten Versuch einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs erfolgte. Der Beweggrund, die Zeugin zu ohrfeigen, resultiert nach der Einlassung des Angeklagten aus deren provozierenden Äußerungen im Anschluss an die angestrebten geschlechtlichen Handlungen. Bei natürlicher Betrachtung stellt sich diese Körperverletzung damit materiell-strafrechtlich als eine andere Handlung dar als die angeklagten Körperverletzungshandlungen.
47
b) Die Annahme von materiell-rechtlicher Handlungsmehrheit (§ 53 StGB) steht einer einheitlichen prozessualen Tat i.S.v. § 264 StPO (oben II.4.a) nicht entgegen. Solche ist trotz Handlungsmehrheit im Sinne des materiellen Strafrechts gegeben, wenn zwischen den einzelnen Verhaltensweisen des Tä- ters eine innere Verknüpfung dergestalt besteht, dass ihre getrennte Aburteilung in verschiedenen erstinstanzlichen Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 212 f.; BGH, Urteil vom 11. September 2007 - 5 StR 213/07, NStZ 2008, 411). So verhält es sich hier. Die eingeräumte Körperverletzung erfolgte nach der Einlassung des Angeklagten in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit einem gescheiterten Geschlechtsverkehr und wurde durch eine von der Zeugin getätigte Äußerung als Reaktion auf die geschlechtlichen Handlungen ausgelöst. Die Durchführung von Geschlechtsverkehr bildet aber auch einen wesentlichen Teil des mit der Anklage unterbreiteten Verfahrensgegenstandes. Daran ändert der Umstand nichts, dass dem Angeklagten ausdrücklich nur die Durchführung mit Gewalt erzwungenen Geschlechtsverkehrs zum Nachteil der Zeugin A. vorgeworfen worden war. Für die Beurteilung der prozessualen Tatidentität kommt es - wie dargelegt - maßgeblich auf die Einheitlichkeit des Lebensvorgangs in tatsächlicher Hinsicht an.
48
c) Der Senat verweist die Sache im Umfang der Aufhebung gemäß § 354 Abs. 3 StPO an das Amtsgericht Passau - Strafrichter -. Da im Hinblick auf die Verwerfung der Revision gegen den Freispruch vom Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung lediglich noch der aus der von dem Angeklagten eingeräumten Ohrfeige zu Lasten der Zeugin A. sowie deren Hinausdrängen aus der Wohnung resultierende materiell-rechtliche Tatvorwurf den Gegenstand des Verfahrens bildet, ist die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts nicht mehr begründet. Vielmehr liegt die Zuständigkeit des Amtsgerichts gemäß § 24 Abs. 1 GVG vor. Im Hinblick auf die Voraussetzungen von § 25 Nr. 2 GVG erfolgt die Zuweisung innerhalb dessen zum Strafrichter; § 26 Abs. 1 GVG steht dem nicht entgegen. Ob bei Zurückverweisung an das Amtsgericht bei der Entscheidung nach § 354 Abs. 3 StPO eine ausdrückliche Zuweisung zu dem Schöffengericht oder dem Strafrichter zwingend erforderlich ist, bedarf keiner Entscheidung (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2008 - 2 StR 290/07). Sie ist dem Revisionsgericht jedenfalls gestattet.
49
d) Angesichts der lediglich teilweisen Aufhebung des Urteils sind die den Freispruch vom Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung tragenden Feststellungen bestandskräftig geworden. In Bezug auf die noch anhängige Straftat ist der neue Tatrichter nicht gehindert, weitere Feststellungen zu treffen. Diese dürfen allerdings nicht im Widerspruch zu den bestehen bleibenden Feststellungen stehen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1995 - 1 StR 454/95, NStZ-RR 1996, 203, 204).

III.


50
Durch die Teilaufhebung des freisprechenden Urteils wird die Entschädigungsentscheidung genauso gegenstandslos wie die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 17. August 2000 - 4 StR 245/00, insoweit in BGHSt 46, 130 ff. nicht abgedruckt; BGH, Urteil vom 22. März 2002 - 2 StR 569/01). Nack Rothfuß Jäger Cirener Radtke

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
1. Zwar wird der Ablauf der Verjährungsfrist durch ein auf Einstellung des Verfahrens
wegen örtlicher Unzuständigkeit lautendes Prozessurteil gehemmt
(§ 78b Abs. 3 StGB). Die Wirkung des § 78b Abs. 3 StGB endet jedoch mit
Eintritt der Rechtskraft des Prozessurteils und dem dadurch bewirkten Abschluss
des Verfahrens (Fortführung von BGH, Beschluss vom
20. Dezember 1983 – 1 StR 821/83, BGHSt 32, 209).
2. Bei Fortführung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft ist die Verjährungsfrist
so zu berechnen, als wäre ihr Ablauf nicht gehemmt gewesen.
BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2017 - 2 StR 252/16 - LG Darmstadt
ECLI:DE:BGH:2017:251017B2STR252.16.1
BESCHLUSS 2 StR 252/16 vom 25. Oktober 2017 in der Strafsache gegen

wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr

ECLI:DE:BGH:2017:251017B2STR252.16.0
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu Ziff. 2 auf dessen Antrag – und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. Oktober 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO, § 354 Abs. 1 i.V.m. § 206a StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten O. gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 11. März 2016 wird 1. das vorbezeichnete Urteil, auch soweit es den Mitangeklagten E. betrifft, in den Fällen II. 1 bis II. 16 der Urteilsgründe aufgehoben und das Verfahren eingestellt; die Kosten des Verfahrens und die den Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last; 2. das vorbezeichnete Urteil
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass aa) der Angeklagte O. der Bestechung im geschäftlichen Verkehr in vierzehn Fällen und bb) der Angeklagte E. der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in vierzehn Fällen schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafen sowie – hinsichtlich des Angeklagten E. – im Ausspruch über den Wertersatzverfall aufgehoben. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbliebe- nen Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. II. Die weiter gehende Revision des Angeklagten O. wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten O. wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr in 30 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Den nicht revidierenden Mitangeklagten E. hat es wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in 30 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt; darüber hinaus hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 122.700 Euro angeordnet. Wegen überlanger Verfahrensdauer hat es jeweils einen Monat der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen für vollstreckt erklärt.
2
Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten O. .
3
Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlichen Erfolg und führt wegen Verfolgungsverjährung zur Urteilsaufhebung in den Fällen II. 1 bis II. 16 der Urteilsgründe und zur Einstellung des Verfahrens. Dies bedingt die Änderung des Schuldspruchs sowie die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Die Urteilsaufhebung in den Fällen II. 1 bis II. 16 ist auf den nicht revidierenden Mitangeklagten E. zu erstrecken (§ 357StPO) und führt insoweit auch zur Aufhebung der Wertersatzverfallentscheidung. Im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel des Angeklagten O. als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

4
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
5
a) Der Angeklagte O. war Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer des Speditionsunternehmens Q. GmbH (im Folgenden: Q. GmbH). Zu den Kunden des Unternehmens zählte auch die Firma H. GmbH (künftig: H. GmbH). Der Mitangeklagte E. , der zunächst als selbstständiger Spediteur für die H. GmbH Transportaufträge ausgeführt hatte, wurde von dieser Firma zum 1. Februar 1999 als Versandleiter eingestellt; ihm oblag dabei die eigenständige und freie Vergabe von Sonder- und Eiltransporten. Der Angeklagte E. vereinbarte daraufhin mit dem Angeklagten O. , dass er die Q. GmbH künftig bevorzugt und unter Ausschluss der Konkurrenz mit der Durchführung von Sonder- und Eiltransporten beauftragen werde; als Gegenleistung sollte er hierfür monatlich einen Geldbetrag in Höhe von rund 8.000 DM erhalten.
6
Dieser Vereinbarung entsprechend hatte der Mitangeklagte E. in den Jahren 1999 bis 2003, die von der Anklage nicht umfasst sind, Transportaufträge in unbekanntem Umfang unter Ausschluss der Konkurrenz an die Firma des Angeklagten vergeben und als „Gegenleistung“ Zahlungen in Höhe von monatlich rund 8.000 DM erhalten. In dieses etablierte System war im Jahr 2003 der Bruder des Angeklagten O. , der gesondert verfolgte N. , eingetreten, der die Geschäftsführung der Q. GmbH übernommen und im Einvernehmen mit dem Angeklagten O. für die Zahlungen an den Angeklagten E. durch monatliche Scheckübergaben gesorgt hatte.
7
b) Der Angeklagte E. beauftragte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum die Firma Q. GmbH unter Ausschluss der Konkurrenz mit Transportaufträgen und erhielt als Gegenleistung dafür jeweils am Monatsende einen Scheck in Höhe von rund 4.090 €. Der Angeklagte E. löste die Schecks jeweils zeitnah nach Erhalt ein; die Beträge wurden seinem Konto am 2. November 2004 (Fall 1), 6. Dezember 2004 (Fall 2), 5. Januar 2005 (Fall 3), 2. Februar 2005 (Fall 4), 4. März 2005 (Fall 5), 1. April 2005 (Fall 6), 4. Mai 2005 (Fall 7), 6. Juni 2005 (Fall 8), 5. Juli 2005 (Fall 9), 3. August 2005 (Fall 10), 6. September 2005 (Fall 11), 5. Oktober 2005 (Fall 12), 2. November 2005 (Fall 13), 5. Dezember 2005 (Fall 14), 3. Februar 2006 (Fall 15) und am 2. März 2006 (Fall 16) gutgeschrieben.
8
Auch in der Folgezeit kam es zu weiteren Scheckübergaben, die dem eingespielten System folgten und denen jeweils Auftragsvergaben an die Q. GmbH vorausgingen. Der Angeklagte E. erhielt weiterhin monatlich Schecks in gleichbleibender Höhe von rund 4.090 Euro monatlich, die seinem Konto nach Scheckeinlösung durch ihn jeweils am 5. April 2006 (Fall 17), 4. Mai 2006 (Fall 18), 6. Juni 2006 (Fall 19), 5. Juli 2006 (Fall 20), 2. August 2006 (Fall 21), 6. September 2006 (Fall 22), 4. Oktober 2006 (Fall 23), 1. November 2006 (Fall 24), 5. Dezember 2006 (Fall 25), 5. Januar 2007 (Fall 26), 7. Februar 2007 (Fall 27), 5. März 2007 (Fall 28), 4. Mai 2007 (Fall 29) und am 4. Juni 2007 (Fall 30) gutgeschrieben wurden.
9
2. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass hinsichtlich keiner der im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander stehenden Taten (absolute) Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Es hat angenommen, dass das (Prozess-) Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 21. Oktober 2014 auch in dem nach erneuter Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft anhängig gewordenen gerichtlichen Verfahren verjährungshemmende Wirkung im Sinne des § 78b Abs. 3 StGB entfalte.
10
Insoweit liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
11
a) Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main hatte am 11. Juli 2013 gegen den Angeklagten O. , den Mitangeklagten E. und den gesondert verfolgten N. Anklage zur Großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Wiesbaden erhoben und den drei Angeklagten jeweils 32 selbstständige, zwischen dem 6. September 2004 und dem 4. Juni 2007 begangene Taten der Bestechlichkeit und der Bestechung im geschäftlichen Verkehr vorgeworfen. Mit Beschluss vom 17. Juli 2014 hatte die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Wiesbaden die Anklageschrift unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. In der am 21. Oktober 2014 stattgefundenen Hauptverhandlung hatten die Angeklagten O. und E. den Einwand örtlicher Unzuständigkeit (§ 16 StPO) erhoben und die Einstellung des Verfahrens gemäß § 260 Abs. 3 StPO beantragt. Das Landgericht Wiesbaden hatte das Verfahren nach Verfahrensabtrennung antragsgemäß nach § 260 Abs. 3 StPO eingestellt. Rechtsmittel gegen dieses Urteil wurde nicht eingelegt; das Prozessurteil ist am 29. Oktober 2014 in Rechtskraft erwachsen.
12
b) Nach Durchführung weiterer Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main unter dem 30. Januar 2015 erneut Anklage gegen die Angeklagten O. und E. erhoben und diese Anklage an die Große Wirtschafts- strafkammer des Landgerichts Darmstadt adressiert. Den Angeklagten O. und E. wurden nunmehr jeweils 30 Vergehen der Bestechung bzw. der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr zur Last gelegt, die sie im Zeitraum vom 2. November 2004 bis zum 4. Juni 2007 begangen haben sollen. Die Staatsanwaltschaft hatte darauf hingewiesen, dass der – erneuten – Anklageerhebung der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit nicht entgegenstehe, weil die Rechtshängigkeit des vor dem Landgericht Wiesbaden anhängig gewesenen Verfahrens mit Eintritt der Rechtskraft des Prozessurteils entfallen sei.

II.

13
Die Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg und führt zur Aufhebung in den Fällen II. 1 bis II. 16 der Urteilsgründe sowie zur Einstellung des Verfahrens (§ 206a StPO). Entgegen der Auffassung des Landgerichts war bereits vor Erlass des nunmehr mit der Revision angegriffenen Urteils insoweit absolute Verfolgungsverjährung eingetreten (1.). Das Prozessurteil des Landgerichts Wiesbaden vom 21. Oktober 2014 entfaltete für das von der Staatsanwaltschaft durch eine neue Anklageerhebung fortgeführte Verfahren keine verjährungshemmende Wirkung im Sinne des § 78b Abs. 3 StGB (2.).
14
1. Die im Zeitraum vom 2. November 2004 bis zum 2. März 2006 beendeten Taten waren im Zeitpunkt ihrer Aburteilung durch das angegriffene Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 11. März 2016 bereits verjährt.
15
a) Die für das Vergehen der Bestechung bzw. der Bestechlichkeit gemäß § 299 StGB a.F. maßgebliche Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB), die absolute Verjährungsfrist zehn Jahre (§ 78c Abs. 3 Satz 2 StGB). Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 78a StGB mit der Beendi- gung der Tat zu laufen. Die im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander stehenden Taten der Bestechung waren hier jeweils mit der Gewährung des Vorteils an den nicht revidierenden Mitangeklagten E. beendet.
16
aa) Materiell beendet ist eine Tat, wenn der Täter sein rechtsverneinendes Tun insgesamt abgeschlossen hat, das Tatunrecht mithin in vollem Umfang verwirklicht ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 1997 – 3 StR 525/96, BGHSt 43, 1, 7; vom 18. Juni 2003 – 5 StR 489/02, NJW 2003, 2996, 2997). Zur Tatbeendigung zählen auch solche Umstände, die zwar nicht mehr von der objektiven Tatbestandsumschreibung erfasst werden, aber dennoch das materielle Unrecht der Tat vertiefen, weil sie den Angriff auf das geschützte Rechtsgut perpetuieren oder intensivieren (vgl. BGH, Urteile vom 19. Juni 2008 – 3 StR 90/08, BGHSt 52, 300, 303 und vom 6. September 2011 – 1 StR 633/10, NStZ 2012, 511, 513). Sind solche Handlungen nicht festgestellt, so beginnt die Verjährung , sobald der Vorteil vollständig entgegengenommen und zugleich die bevorzugende Handlung vollständig abgeschlossen ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1994 – 1 StR 614/93, BGHR UWG § 12 Abs. 2 Angestelltenbestechlichkeit 1; vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 927; Beschluss vom 9. Oktober 2007 – 4 StR 444/07, NStZ-RR 2008, 42, 43; vgl. auch BGH, Urteil vom 18. Mai 2017 – 3 StR 103/17, NJW 2017, 2565).
17
bb) Die Verjährungsfrist begann gemäß § 78a StGB jeweils mit der Gewährung des Vorteils – der Gutschrift der Schecks zu Gunsten des Kontos des Angeklagten E. – zu laufen. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen , dass die festgestellten Taten jeweils im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB) und nicht im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander stehen.
18
Zwar gingen die verfahrensgegenständlichen Zahlungen auf die zuvor generell getroffene Unrechtsvereinbarung zwischen den Angeklagten O. und E. zurück, wonach der Angeklagte E. die Firma Q. GmbH bevorzugt mit Transportaufträgen beauftragen und als „Gegenleistung“ hierfür monatliche Geldzahlungen erhalten sollte. Jedoch verbindet die Tatbegehung in Gestalt dieser Unrechtsvereinbarung die späteren einzelnen Zahlungen nicht zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit.
19
(1) Eine tatbestandliche Handlungseinheit läge nur vor, wenn bereits die Unrechtsvereinbarung selbst den zu leistenden Vorteil genau festlegt, mag er auch später in bestimmten Teilleistungen zu erbringen sein (Senat, Urteil vom 11. Februar 2009 – 2 StR 339/08, NStZ 2009, 347; BGH, Urteil vom 11. Mai 2001 – 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 30). In Fällen, in denen die Laufzeit der Vorteilsgewährung offen ist, die Vorteilsgewährung also „open-end“-Charakter trägt, erfüllt jede einzelne Zahlung erneut den Tatbestand der Bestechung im geschäftlichen Verkehr (vgl. Senat, Urteil vom 11. Februar 2009 – 2 StR 339/08, NStZ 2009, 445; BGH, Urteil vom 13. Oktober 1994 – 1 StR 614/93, NStZ 1995, 92; Urteil vom 13. November 1997 – 1 StR 323/97, NStZ-RR 1998, 269; Beschluss vom 5. Juni 1996 – 3 StR 534/95 II, BGHR StGB vor § 1/Serienstraftaten; Urteil vom 18. Oktober 1995 – 3 StR 324/94, BGHSt 41, 292, 302).
20
(2) Gemessen hieran ist die Annahme rechtlich selbstständiger Taten von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen ist eine genaue Festlegung des Vorteils bei der Unrechtsvereinbarung nicht erfolgt. Zwar haben die Beteiligten monatliche Zahlungen in gleichbleibender Höhe vereinbart. Der damit versprochene Vorteil hing jedoch nach den getroffenen Vereinbarungen jeweils davon ab, dass auch der Angeklagte E. die vereinbarte bevorzugende Beauftragung der Q. GmbH fortsetzte. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts waren die Taten mithin jeweils mit der Gewährung des Vorteils an den Angeklagten E. beendet.
21
b) Absolute Verfolgungsverjährung trat gemäß § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB mit Verstreichen des Doppelten der gesetzlichen Verjährungsfrist ein. Ein Fall des § 78b Abs. 4 StGB liegt nicht vor. § 300 StGB sieht für den besonders schweren Fall der Bestechung bzw. der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr einen Strafrahmen von drei Monaten bis fünf Jahren vor und erfüllt damit nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 78b Abs. 4 StGB. Die vor dem 11. März 2006 beendeten 16 Taten waren im Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Urteils bereits verjährt.
22
2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt dem Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 21. Oktober 2014, mit dem dieses das Verfahren wegen örtlicher Unzuständigkeit eingestellt hat, keine den Eintritt der absoluten Verjährung hemmende Wirkung zu. Zwar wird der Ablauf der Verjährungsfrist auch durch ein auf Einstellung des Verfahrens wegen örtlicher Unzuständigkeit lautendes Prozessurteil gemäß § 78b Abs. 3 StGB gehemmt. Diese Wirkung endete jedoch mit Rechtskraft des Prozessurteils. Es entfaltete über den Eintritt seiner Rechtskraft hinaus für das von der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main durch (erneute) Anklageerhebung vor dem Landgericht Darmstadt angestrengte neue gerichtliche Verfahren keine verjährungshemmende Wirkung im Sinne des § 78c Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 78b Abs. 3 StGB.
23
a) Gemäß § 78b Abs. 3 StGB läuft die Verjährungsfrist in Fällen, in denen ein Urteil des ersten Rechtszugs ergangen ist, nicht vor dem Zeitpunkt ab, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Die mit § 78b Abs. 3 StGB bewirkte Ablaufhemmung der Verjährung knüpft nicht an ein verurteilen- des Erkenntnis an; sie ist vielmehr jedem, also auch dem auf Freispruch oder auf Einstellung des Verfahrens lautenden Urteil beigelegt. Die Ablaufhemmung des § 78b Abs. 3 StGB wird deshalb nicht nur durch ein Sachurteil, sondern auch durch ein Prozessurteil bewirkt (Senat, Urteil vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159; BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 – 5 StR 606/00, NStZ-RR 2001, 328). Dies ist in Rechtsprechung und Schrifttum ebenso anerkannt wie die sich aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Norm ergebende Folgerung, dass es für die Auslösung der verjährungshemmenden Wirkung nicht auf die sachliche Richtigkeit der Entscheidung oder das Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen ankommt (Senat, Urteil vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 167; BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1983 – 1 StR 821/83, BGHSt 32, 209). Darüber hinaus ist eine Tat selbst dann Gegenstand „des Verfahrens“ im Sinne des § 78b Abs. 3 StGB, wenn ein Gericht lediglich irrig davon ausgegangen ist, dass die abgeurteilte Tat von der Anklage umfasst wäre (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1996 – 3 StR 352/96, NStZ-RR 1997, 167).
24
b) Die verjährungshemmende Wirkung des § 78b Abs. 3 StGB wird deshalb auch durch ein Einstellungsurteil ausgelöst, das – wie hier das auf Verfahrenseinstellung wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit lautende Prozessurteil – das Verfahren zwar förmlich beendet, aber die Strafklage nicht verbraucht (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 1962 – 4 StR 194/62, BGHSt 18, 1, 5; Urteil vom 12. Juni 2001 – 5 StR 606/00, NStZ-RR 2001, 328). Eine Differenzierung nach den das Einstellungsurteil tragenden Gründen ist dem Gesetz nicht zu entnehmen und wäre mit dem gerade im Verjährungsrecht geltenden Gebot klarer und einfacher Regelungen unvereinbar (vgl. Senat, Urteil vom 25. Oktober 2000 – 2 StR232/00, BGHSt 46, 159, 167). Verjährungshemmende Wirkung kommt daher auch dem auf Verfahrenseinstellung wegen fehlender Anklageschrift, fehlendem Eröffnungsbeschluss oder wegen Verjährung lautenden Urteil zu.
25
c) Die weitere Frage, ob die verjährungshemmende Wirkung eines auf Verfahrenseinstellung lautenden Urteils nach Eintritt seiner Rechtskraft entfällt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 1992 – 3 Ws 658/91, JR 1993, 77; OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. November 1982 – 1 Ws (B) 223/82 OWiG, NStZ 1983, 224; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. Juli 1976 – 1 Ss [B] 292/76, VRs 52, 197; Stree, JR 1993, 79, 80; NK-StGB/Saliger, 5. Aufl., § 78b Rn. 22; SK-StGB/Wolter, 5. Aufl., § 78b Rn. 13; Schönke/Schröder SternbergLieben /Bosch, 29. Aufl., § 78b Rn. 12; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 78b Rn. 11) oder ob dem Prozessurteil bis zur rechtskräftigen Erledigung des Tatvorwurfs insgesamt und damit zeitlich unbegrenzt verjährungshemmende Wirkung beizumessen ist (in diesem Sinne LK/Schmid, 12. Aufl., § 78b Rn. 16 im Anschluss an Jähnke, 11. Aufl., Rn. 16), ist durch den Bundesgerichtshof – soweit ersichtlich – bisher noch nicht entschieden (ausdrücklich offen gelassen in BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1983 – 1 StR 821/83, BGHSt 32, 209, 210).
26
Der Senat beantwortet die Rechtsfrage dahin, dass die verjährungshemmende Wirkung eines Prozessurteils, das die Strafklage nichtverbraucht, nach dem durch die Rechtskraft bewirkten Abschluss des gerichtlichen Verfahrens hinaus nicht fortwirkt. Die verjährungshemmende Wirkung des § 78b Abs. 3 StGB ist auf „das Verfahren“ bezogen, in dem das erstinstanzliche Urteil ergeht. Endet die Rechtshängigkeit dieses Verfahrens, so endet damit auch die verjährungshemmende Wirkung des erstinstanzlichen Urteils. Eine erweiternde Auslegung der Norm des § 78b Abs. 3 StGB dahin, dass das Prozessurteil über die Beendigung der Rechtshängigkeit des Verfahrens hinaus zu einer zeitlich unbegrenzten Hemmung des Eintritts der Verfolgungsverjährung führt, ist abzulehnen.
27
aa) Für eine Auslegung des § 78b Abs. 3 StGB in diesem Sinne spricht bereits der Gesetzeswortlaut. § 78b Abs. 3 StGB bezieht die verjährungshem- mende Wirkung eines im ersten Rechtszug ergangenen Urteils auf „das Verfah- ren“, in welchem das Urteil ergeht. Darunter ist der Abschluss des konkreten gerichtlichen Verfahrens zu verstehen, das durch den Erlass des erstinstanzlichen Urteils seinen Abschluss findet.
28
Zwar wird insoweit darauf hingewiesen, dass unter dem Begriff „des Verfahrens“ , an dessen rechtskräftigen Abschluss das Gesetz die – zeitlich unbegrenzte (zutreffend LK/Schmid, StGB, 12. Aufl., § 78b Rn. 15) – verjährungshemmende Wirkung eines erstinstanzlichen Urteils knüpft, nicht ein konkretes gerichtliches Verfahren, sondern „nach dem Zusammenhang des Gesetzes […] die Erledigung der Sache insgesamt, nicht die Rechtskraft des einstellenden Urteils zu verstehen“ sei (in diesem Sinne LK/Schmid, aaO, § 78b Rn. 16; so schon LK/Jähnke, 11. Aufl., § 78b Rn. 16).
29
Diese Auffassung teilt der Senat jedoch nicht. Zwar sind die Regelungen über die Verjährung, die eine Ahndung der Tat (vgl. § 78 Abs. 1 StGB) ausschließen , grundsätzlich tat- und nicht verfahrensbezogen ausgestaltet. Dies gilt für die Vorschrift des § 78b Abs. 3 StGB jedoch nicht.
30
§ 78b Abs. 3 StGB führt in einer spezifischen prozessualen Konstellation – der des Rechtsmittelverfahrens nach Erlass eines erstinstanzlichen Urteils gleich welchen Inhalts – zu einer zeitlich unbegrenzten Hemmung des weiteren Ablaufs der Verjährungsfrist. Bereits dieser spezifische Bezug zu einer konkreten , gesetzlich durch die Verwendung des Begriffs „Urteil des ersten Rechtszu- ges“ hinreichend bestimmt umschriebenenprozessualen Konstellation spricht dafür, die hemmende Wirkung des § 78b Abs. 3 StGB auf das konkrete Verfah- ren zu beziehen, das erstinstanzlich durch das die Hemmungswirkung auslösende Urteil seinen Abschluss findet.
31
§ 78b StGB enthält für diese spezifische prozessuale Konstellation eine Sondervorschrift, welche die Wirkung des Ablaufs der Verjährungsfrist suspendiert. Kraft gesetzlicher Anordnung läuft die Verjährungsfrist zwar weiter, die Wirkungen der Verjährung treten jedoch nicht ein. Das Gesetz ordnet mithin in einer spezifischen prozessualen Konstellation – der eines Rechtsmittelverfahrens – an, dass der Ablauf der Verjährungsfrist ohne Wirkung auf die Verfolgbarkeit der Tat bleibt. Dieser spezifische Bezug zu einer konkreten prozessualen Konstellation lässt es als fernliegend erscheinen, dass unter dem Begriff des Verfahrens im Sinne des § 78b Abs. 3 StGB nicht das konkrete, gerichtliche Verfahren, sondern die „Erledigung der Sache insgesamt“ zu verstehen sein soll.
32
Der Gesetzeswortlaut spricht mithin dafür, die Wirkungen des § 78b Abs. 3 StGB, der auch den Eintritt absoluter Verfolgungsverjährung dauerhaft aufschiebt (vgl. § 78c Abs. 3 Satz 3 StGB), auf das konkrete gerichtliche Verfahren zu beschränken, in welchem das erstinstanzliche Urteil ergeht. Findet dieses Verfahren seinen endgültigen Abschluss, so endet damit auch die durch § 78b Abs. 3 StGB angeordnete Wirkung des Urteils auf die Verjährung (ebenso OLG Düsseldorf, aaO). Anhaltspunkte dafür, dass die verjährungshemmende Wirkung auch einer gerichtlichen Entscheidung, die lediglich in einem „ge- richtlichen Zwischenspiel“ (vgl. Stree, JR 1993, 79, 80) ergangen ist, beizumes- sen sein sollte, findet jedenfalls in dem Gesetzeswortlaut keine Stütze.
33
bb) Sinn und Zweck des § 78b Abs. 3 StGB, wie sie sich unter Beachtung des aus den Gesetzesmaterialien ersichtlichen Willens des Gesetzgebers ergeben, sprechen ebenfalls für ein solch enges Verständnis der Norm. Sie stellt im Gefüge der Vorschriften über die Verjährung eine Ausnahmevorschrift dar.
34
(1) Die Regelungen über die Verjährung begrenzen die Verfolgbarkeit der Tat (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Juni 2005 – 2 StR 122/05, BGHSt 50, 138, 139). Sie sollen – ungeachtet ihrer unterschiedlich beurteilten Zwecksetzung im Einzelnen (vgl. Asholt, Verjährung im Strafrecht, 2016, S. 90 ff.) – der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden dienen (BGH, Beschluss vom 19. Februar 1963 – 1 StR 318/62, BGHSt 18, 274, 278). Darüber hinaus sollen sie einer etwaigen Untätigkeit der Behörden in jedem Abschnitt des Verfahrens entgegenwirken (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2017 – GSSt 2/17, NJW 2017, 3537, 3539; Beschluss vom 19. Februar 1963 – 1 StR 318/62, BGHSt 18, 274, 278; Beschluss vom 23. Januar 1959 – 4 StR 428/58, BGHSt 12, 335, 337 f.; Urteil vom 26. Juni 1958 – 4 StR 145/58, BGHSt 11, 393, 396). Sie dienen damit auch den schutzwürdigen Belangen des von strafrechtlichen Ermittlungen Betroffenen, der sich strafrechtlicher Verfolgung nicht ohne jede zeitliche Begrenzung ausgesetzt sehen soll. Diesem Zweck trägt insbesondere das Institut der absoluten Verjährung Rechnung. Ist das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist verstrichen, so soll das Verfahren unabhängig von der Frage, ob die Ermittlungsbehörden es betreiben oder nicht ein Ende finden (vgl. Schönke /Schröder Sternberg-Lieben/Bosch, aaO, § 78c Rn. 22).
35
(2) Demgegenüber soll die Vorschrift des § 78b Abs. 3 StGB ausweislich der Gesetzesmaterialien verhindern, dass „die Verjährung während eines schwebenden und von den Strafverfolgungsbehörden betriebenen Verfahrens“ eintritt (BT-Drucks. IV/650 S. 259 zu § 129 Abs. 2 E 1962). Vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, den Ablauf der Verjährungsfrist in der besonderen prozessualen Konstellation, in der bereits ein Urteil des ersten Rechtszuges ergangen ist, zu hemmen und dem Ablauf der Verjährungsfrist die Wirkung eines Verfolgungshindernisses zu nehmen. Der Eintritt eines Verfolgungshindernisses erschiene in dieser spezifischen prozessualen Konstellation, in der das Verfahren von den Strafverfolgungsbehörden aktiv betrieben wird und bereits ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist, aus dem Grundgedanken der Verjährung , einer Untätigkeit der Strafverfolgungsbehörden entgegen zu wirken, weder geboten noch sachgerecht. Darüber hinaus wollte der Gesetzgeber dem Angeklagten auch einen Anreiz dafür nehmen, „das Rechtsmittel allein im Hin- blick auf die u.U. in Kürze bevorstehende Vollendung der Verjährung einzule- gen“ (vgl. Niederschriften über die Sitzungen derGroßen Strafrechtskommission , 1958, Anhang Nr. 67, S. 211).
36
Die Regelung des § 78b Abs. 3 StGB ist mithin auf eine spezifische prozessuale Konstellation bezogen und in ihren Wirkungen hierauf beschränkt. Wird das Verfahren anschließend weiterbetrieben, so entfällt der begrenzte Schutzzweck des § 78b Abs. 3 StGB und die Verjährungsfrage ist „unabhängig“ von § 78b Abs. 3 StGB zu prüfen (so Ulsenheimer, wistra 1992, 111, 112 unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien).
37
Dieser spezifische Bezug der Vorschrift des § 78b Abs. 3 StGB zum Rechtsmittelverfahren spricht für eine enge Auslegung der Norm und eine Beschränkung ihrer die Verjährung dauerhaft aufschiebenden Wirkung auf das konkrete gerichtliche Verfahren, in dem das erstinstanzliche Urteil ergeht. Ein Verständnis der Norm dahin, dass ihre Wirkungen nach Beendigung des spezifischen Verfahrens, in dem das Prozessurteil ergangen ist, über dieses hinausreichen und auch in ein von den Strafverfolgungsbehörden betriebenes weiteres gerichtliches Verfahren hineinwirken, wäre mit Sinn und Zweck der Norm nicht bruchlos zu vereinbaren. Insbesondere der gesetzgeberische Zweck, dem Angeklagten die Möglichkeit zu nehmen, durch aussichtslose Rechtsmittelverfahren die Verjährung herbeizuführen (BT-Drucks. IV/650; StGB-E 1962, Begr zu § 129, S. 259; Mitsch in Münchener Kommentar zu StGB, 3. Aufl., § 78b Rn. 19) spricht für eine enge Auslegung der Norm. Denn nach Erlass eines Prozessurteils, das die Strafklage nicht verbraucht, hat es nicht der Angeklagte, sondern allein die Staatsanwaltschaft in der Hand, durch eine zügige Fortführung des Verfahrens ein erstinstanzliches Sachurteil zu erwirken.
38
cc) Den Gesetzesmaterialien ist außerdem zu entnehmen, dass die ursprünglich in § 129 StGB-E enthaltene und später in § 78b Abs. 3 StGB Gesetz gewordene Regelung den Besonderheiten des Rechtsmittelverfahrens Rechnung tragen sollte. In diesem Verfahrensabschnitt werden regelmäßig keine richterlichen Handlungen mit verjährungsunterbrechender Wirkung mehr erforderlich. Ohne die in § 78b Abs. 3 StGB getroffene Sonderregelung bestünde deshalb die Gefahr, dass im Rechtsmittelverfahren Verjährung eintritt, obwohl das Verfahren von den Strafverfolgungsbehörden betrieben wird (vgl. BTDrucks. IV/650, S. 259). Eine solche Gefahr besteht im Falle des Erlasses eines Prozessurteils, dem selbst verjährungsunterbrechende Bedeutung beigemessen werden kann (§ 78c Abs. 1 Nr. 9 StGB; vgl. für den Fall der Einstellung wegen örtlicher Unzuständigkeit OLG Stuttgart NStZ 1981, 105; ebenso Stree, JR 1993, 79, 81) nicht in gleicher Weise. Etwaige nachteilige Wirkungen sind allerdings – worauf die Vertreter einer erweiternden Auslegung des § 78b Abs. 3 StGB zu Recht hinweisen (vgl. LK/Schmid, aaO) – in Fällen zu verzeichnen, in denen der Eintritt absoluter Verfolgungsverjährung droht.
39
dd) Zwar dürfte dem Gesetzgeber die Problematik, welche Wirkung ein Prozessurteil ohne strafklageverbrauchende Wirkung für ein nach Beendigung der Rechtshängigkeit durch Eintritt der Rechtskraft des Prozessurteils beginnendes weiteres gerichtliches Verfahren und für die Beurteilung der Verjährungsfrage haben sollte, nicht vor Augen gestanden haben. Die in den Gesetzesmaterialien enthaltenen Ausführungen dazu, dass für den Fall einer späte- ren Wiederaufnahme des Verfahrens die Verjährung unabhängig von Verjährungshemmung zu prüfen sei (vgl. BT-Drucks. IV/650, S. 259: „Diese reicht nur bis zum Abschluss des Verfahrens. Kommt es später zur Wiederaufnahme, so ist die Frage der Verjährung unabhängig von § 129 Abs. 2 neu zu prüfen.“), sprechen jedoch eher dafür, dass der Gesetzgeber von einer auf das konkrete Verfahren beschränkten hemmenden Wirkung des erstinstanzlichen Urteils ausgegangen ist (vgl. OLG Düsseldorf, JR 1993, 77, 78).
40
ee) Die Gesetzesmaterialien belegen im Übrigen, dass die verjährungshemmende Wirkung zeitlich begrenzt werden sollte (vgl. die Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 2. Bd. AT, 1958, Anhang Nr. 67 S. 211: „Diese Hemmung muss zeitlich begrenzt sein“; ausführlich zur Reformdiskussion Kohlmann, Festschrift für G. Pfeiffer 1988, S. 203, 213 ff.). Zwar ist die ursprünglich vorgesehene zeitliche Begrenzung der verjährungshemmenden Wirkung des § 78b Abs. 3 StGB auf drei oder auf vier Jahre nicht Gesetz geworden (vgl. zur Entstehungsgeschichte des § 78b Abs. 3 StGB Kohlmann, aaO, S. 218; Asholt, aaO, S. 406 Fn. 613). Der Gesetzgeber, der die Ruhensregelungen des § 78b Abs. 1 StGB in den vergangenen Jahren mehrfach novelliert und ihren Anwendungsbereich stets erweitert hat (vgl. BTDrucks. 15/350, S. 13 f.; 15/5653, S. 6 f.; 18/2601, S. 14, 22 f.), hat § 78b Abs. 3 StGB ungeachtet des restriktiven Verständnisses der Norm durch die herrschende Meinung bislang unverändert gelassen. Im Übrigen ist der Gesetzgeber von dem Grundgedanken einer zeitlichen Begrenzung der Hemmungswirkung nicht völlig abgerückt, wie die Einführung des § 78b Abs. 4 StGB zeigt (BT-Drucks. 12/3832, S. 44). Zwar wurde mit Einführung dieser Vorschrift ein weiterer Tatbestand geschaffen, der den Eintritt der Verfolgungsverjährung hemmt. Die Regelung wurde ausdrücklich für notwendig erachtet, um den Eintritt der absoluten Verfolgungsverjährung aufzuschieben, und damit begründet, dass „Gerichte im Einzelfall auf Schwierigkeiten stoßen, bis zum Eintritt der ab- soluten Verfolgungsverjährung zu einem erstinstanzlichen Urteil zu gelangen und damit das Ruhen der Verjährung (§ 78b Abs. 3 StGB) zu bewirken“. Der Gesetzgeber hat dem Regelungsgefüge der Verjährungsvorschriften also einen weiteren Tatbestand angefügt, in dem der Ablauf der Verjährungsfrist vor Erlass eines Urteils gehemmt ist. Er hat diesen Ausnahmetatbestand aber auf fünf Jahre begrenzt und damit den Willen zu einer zeitlichen Begrenzung auch der Tatbestände dokumentiert, die eine Hemmung der Verjährung bewirken.
41
ff) Für eine enge Auslegung der Norm sprechen auch systematische Erwägungen.
42
Nach der gesetzlichen Systematik der Verjährungsregelungen handelt es sich bei § 78b Abs. 3 StGB um eine Ausnahmevorschrift, die angesichts des mit ihr verfolgten – beschränkten – gesetzgeberischen Zwecks und ihres Spannungsverhältnisses zu den zentralen Grundgedanken der Verjährung eng auszulegen ist. § 78b Abs. 3 StGB ermöglicht es in den von seinem Anwendungsbereich erfassten Fällen, den Eintritt der Verjährung dauerhaft zu verhindern (vgl. Kohlmann, aaO, S. 219: „Der Endzeitpunkt der Strafverfolgungsverjährung wird nicht hinausgeschoben […], sondern schlicht beseitigt.“; kritisch auch Asholt, aaO, S. 407). Vor dem Hintergrund, dass die Verjährungsregelungen, insbesondere die Regelungen über den Eintritt absoluter Verfolgungsverjährung nach einer gewissen Dauer der Ermittlungen im Interesse des Rechtsfriedens ein Verfolgungshindernis begründen sollen, ist nicht nur § 78c StGB (BGH, Urteil vom 10. April 1979 – 4 StR 127/79, BGHSt 28, 381, 382), sondern auch und gerade § 78b Abs. 3 StGB als Ausnahmevorschrift eng auszulegen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 2. Mai 1986 – 1 StR 630/85, BGHSt 34, 79, 81 zu § 32 Abs. 2 OWiG; OLG Düsseldorf, aaO, wistra 1992, 108, 110; NKStGB /Saliger, aaO, § 78b Rn. 1; vgl. auch Asholt, aaO, S. 406, 611).
43
gg) Für eine einengende Auslegung der Norm sprechen schließlich auch die schutzwürdigen Belange des Angeklagten, denen das Rechtsinstitut der Verjährung – auch – Rechnung trägt. Würde Prozessurteilen, die keine Sperrwirkung für die weitere Strafverfolgung entfalten, über den rechtskräftigen Verfahrensabschluss hinaus dauerhaft verjährungshemmende Wirkung beigemessen , hätten es die Strafverfolgungsbehörden ohne jede zeitliche Beschränkung in der Hand, das Verfahren fortzusetzen und den staatlichen Strafanspruch gegen den Angeklagten durchzusetzen, ohne dass er sich noch auf den Schutz der Verjährungsvorschriften berufen könnte (vgl. OLG Düsseldorf, wistra 1992, 108, 110). Dies widerspräche dem mit dem Institut der Verjährung verfolgten Ziel, eine Ahndung der Tat nicht ohne jede zeitliche Begrenzung zuzulassen und Rechtsfrieden zu schaffen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 1958 – 4 StR 145/58, BGHSt 11, 393, 396).
44
hh) Zwar wird gegen eine enge Auslegung des § 78b Abs. 3 StGB eingewandt , sie bewirke, dass mit Eintritt der Rechtskraft des Einstellungsurteils auch das Verfolgungshindernis der Verjährung eintrete und die enge Auslegung der Norm daher nicht zu sachgerechten Ergebnissen führe, weil die Einbeziehung von Prozessurteilen ohne strafklageverbrauchende Wirkung gleichsam folgenlos bliebe (vgl. LK/Jähnke, 10. Aufl., § 78b Rn. 16). Außerdem wird darauf verwiesen, dass die Staatsanwaltschaft in Fällen, in denen ein Gericht ein – im weiteren Verfahren behebbares – Verfahrenshindernis feststelle, vor Beendigung der Rechtshängigkeit des Verfahrens keine Möglichkeit zu einer weiteren Verfolgung der Tat habe, weil einer erneuten Anklageerhebung das Verfahrenshindernis anderweitiger Rechtshängigkeit entgegenstehe.
45
Diese Einwände vermögen jedoch eine weite Auslegung der Vorschrift des § 78b Abs. 3 StGB nicht zu rechtfertigen.
46
Zwar trifft es zu, dass die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 78b Abs. 3 StGB dazu führen kann, dass absolute Verfolgungsverjährung eintritt , obwohl die Strafverfolgungsbehörden das Verfahren betreiben. Dieser Gesichtspunkt gilt jedoch für die Frage einer Hemmung des Eintritts der absoluten Verfolgungsverjährung (vgl. § 78c Abs. 3 Satz 3 iVm § 78b Abs. 3 StGB) nicht uneingeschränkt. § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB setzt der Möglichkeit der Verlängerung der Verjährungsfrist durch verfahrensfördernde Unterbrechungshandlungen im Interesse des Grundgedankens der Verjährung, Rechtsfrieden zu schaffen , eine absolute Grenze. Vor diesem Hintergrund erscheint es geboten, Regelungen , welche zu einer Suspendierung dieser äußersten Fristen führen, eng auszulegen.
47
Hinzu tritt, dass nach Erlass und Rechtskraft eines Prozessurteils, das – wie hier – eine Sperrwirkung für die weitere Strafverfolgungnicht entfaltet, regelmäßig mit der Erhebung einer neuen Anklage und einem neuen Eröffnungsbeschluss weitere verjährungsunterbrechende Handlungen vorgenommen werden können (vgl. OLG Frankfurt, NStZ 1987, 573 zur Notwendigkeit einer neuen Anklage), so dass insoweit nicht in gleicher Weise ein Bedürfnis für eine weitere Hemmung der Verfolgungsverjährung besteht.
48
3. Die Hemmungswirkung des § 78b Abs. 3 StGB ist daher auf das konkrete gerichtliche Verfahren beschränkt, in dem das erstinstanzliche Prozessurteil ergeht. Bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens ist der Eintritt der Verfolgungsverjährung gehemmt. Endet dieses Verfahren infolge des Eintritts der Rechtskraft des Prozessurteils und wird das Verfahren fortgesetzt, so endet die Wirkung des § 78b Abs. 3 StGB. Die Verjährungsfrist ist so zu berechnen , als ob die verjährungshemmende Wirkung durch das Prozessurteil nicht eingetreten wäre.
49
Das Prozessurteil des Landgerichts Wiesbaden vom 21. Oktober 2014 führte mithin über den Eintritt seiner Rechtskraft hinaus nicht zu einer Hemmung des Eintritts der absoluten Verfolgungsverjährung im Sinne des § 78b Abs. 3 Satz 3 StGB. Der Lauf der Verjährung wurde hierdurch in dem von der Staatsanwaltschaft durch – erneute – Anklageerhebung zum Landgericht Darmstadt eingeleiteten weiteren gerichtlichen Verfahren nicht bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss gehemmt. Sie war vielmehr für die vor März 2006 begangenen Taten bereits abgelaufen. Die vor dem 2. März 2006 beendeten Taten 1 bis 16 sind daher wegen Eintritts der (absoluten) Verjährung gemäß §§ 78c Abs. 3 Satz 2, 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB nicht mehr verfolgbar.

III.

50
1. Das bereits vor Erlass des angegriffenen Urteils eingetretene Verfahrenshindernis der Verjährung führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 206a StPO (BGH, Beschluss vom 7. August 2014 – 1 StR 198/14, NStZ-RR 2014, 340; vgl. Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 206a Rn. 6a; Meyer-Goßner, Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse, 2011, S. 44, 90; ders. GA 1973, 366, 371).
51
2. Urteilsaufhebung und Verfahrenseinstellung wegen Verjährung sind auf den nicht revidierenden Mitangeklagten E. zu erstrecken.
52
a) § 357 StPO findet auch in Fällen Anwendung, in denen die Aufhebung eines Urteils wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses erfolgt (BGH, Beschluss vom 23. Januar 1959 – 4 StR 428/58; BGHSt 12, 335, 340; Urteil vom 26. Mai 1964 – 5 StR 136/64, BGHSt 19, 320, 321; Beschluss vom 13. Oktober 1982 – 3 StR 236/82, StV 1983, 2; Senat, Beschluss vom 31. Januar 1986 – 2 StR 726/85, StV 1986, 329). Dies gilt auch für das Verfahrenshindernis der Verjährung (BGH, Beschluss vom 16. September 1971 – 1 StR 284/71, BGHSt 24, 208, 210 f. mwN; aA noch BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1955, 3 StR 316/55, NJW 1955, 1934 m. abl. Anm. Wilhelm NJW 1956, 1646; BGH, Beschluss vom 29. November 1994 – 3 StR 221/94, BGHR PresseG-BW § 24 Verjährung 1).
53
b) DieAngeklagten O. und E. sind wegen der „nämlichen Tat“ (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 1959 – 4 StR 428/58, BGHSt 12, 335, 341; Urteil vom 22. April 1983 – 3 StR 25/83, BGHSt 31, 348) verurteilt worden. Darauf , dass die Angeklagten unterschiedliche Delikte verwirklicht haben, kommt es nicht an. Das Geschehen erscheint vielmehr aufgrund des Zusammenwirkens beider Angeklagter aufgrund gemeinsamer Unrechtsvereinbarung bei natürlicher Betrachtung als einheitlicher Vorgang (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 1959 – 4 StR 428/58, BGHSt 12, 335, 341; BeckOK-StPO/Wiedner, 28. Edition, § 357 Rn. 12), bei dem der eine Teil von dem anderen nicht gelöst werden kann, ohne dass der Sinnzusammenhang der Tat oder des Gesamtgeschehens wesentlich gestört wird (SSW-StPO/Momsen, 2. Aufl., § 357 Rn. 16 mwN).
54
3. Die wegen Verfolgungsverjährung gebotene Aufhebung der Schuldund Strafaussprüche hinsichtlich der Taten 1 bis 16 sowie die Verfahrenseinstellung führt zu einer Schuldspruchänderung sowie zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Sie führt außerdem – weil nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht nur die Ahndung der Tat, sondern auch die Anordnung von Maßnahmen hinsichtlich der verjährten Taten nicht mehr möglich ist (BGH, Beschluss vom 12. Juni 2017 – GSSt 2/17, NJW 2017, 3537, 3539) – zur Aufhebung der Entscheidung über den Wertersatzverfall hinsichtlich des Angeklagten E. (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2014 – 4 StR 290/14, BGHR StPO § 357 Erstreckung 13; vom 13. Februar 2004 – 3 StR 501/03).
55
4. Der Ausspruch über die Kompensation bleibt von dem Rechtsfehler unberührt und kann bestehen bleiben.

IV.

56
Die weitergehende Revision des Angeklagten O. ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Appl Eschelbach Zeng Bartel Grube