Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 375/08
vom
30. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. Oktober
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Pfister,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
der Richter am Bundesgerichtshof
Hubert
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwältin bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft, der Nebenklägerin und des Angeklagten wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Tatkomplex 2. b) bb) der Urteilsgründe in einem Fall (Wohnwagen in W. ) wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) das Urteil des Landgerichts Stade vom 21. Februar 2008 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen sowie des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen schuldig ist.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft, der Nebenklägerin und des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
4. Der Angeklagte und die Nebenklägerin haben die verbleibenden Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in drei Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Im Übrigen hat es ihn von dem mit der Anklageschrift erhobenen Vorwurf der Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in 97 weiteren Fällen freigesprochen.
2
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Die im Jahr 1990 geborene Nebenklägerin K. lebte seit der Scheidung ihrer Eltern im Jahre 1992 im Haushalt ihrer Großmutter, der Zeugin R. , die der Angeklagte im Jahr 1998 heiratete. K. hatte zu ihrer Großmutter und dem Angeklagten, die sie versorgten, betreuten und erzogen , ein gutes Verhältnis. Im März 2000 trat die Zeugin R. eine mehrjährige Haftstrafe an, aus der sie im September 2003 entlassen wurde. Während dieser Zeit kam es zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten auf K. , zu deren Beginn der Angeklagte in mindestens einem Fall seine Arme um sie legte, sie küsste und ihr die Zunge in den Mund steckte. In drei weiteren Fällen der im Laufe der Zeit intensiver werdenden sexuellen Handlungen steckte der Angeklagte seinen Finger in die Scheide der Nebenklägerin, wobei diese sich wehrte, indem sie versuchte, ihn wegzustoßen und ihre Beine zusammenpresste. Der körperlich überlegene Angeklagte überwand den Widerstand, indem er gegen ihren Willen ihre Beine auseinander dr ückte. Zwei dieser Taten ereigneten sich im Zimmer der Nebenklägerin, die dritte in einem Wohnwagen auf einem Campingplatz in W. , in dem der Angeklagte und die Nebenklägerin übernachteten, wenn sie die Zeugin R. in der Haft besuchten.
4
Weitere Taten hat die Kammer nicht zu individualisieren vermocht. Sie hat aber - ohne konkretisieren zu können, wann und wie häufig diese Handlungen stattfanden bzw. ob sie den vier festgestellten Einzeltaten zugeordnet werden können - darüber hinausgehend festgestellt, dass der Angeklagte der Nebenklägerin abends in deren Zimmer beim Eincremen half und sie dabei wiederholt gegen deren Willen, den sie ihm gegenüber auch äußerte, an Brust, Gesäß, Oberschenkeln und im Genitalbereich berührte. Er betrat häufig ihr Zimmer, wenn sie sich bereits zum Schlafen hingelegt hatte und zog ihr die Boxershorts herunter, die sie zum Schlafen trug. In mindestens einem Fall hatte der Angeklagte einen Samenerguss. Er leckte an der Scheide der Nebenklägerin und forderte sie mehrfach - erfolglos - auf, ihn mit der Hand oder oral zu befriedigen. Ebenso versuchte er mehrfach vergeblich - zum Teil ungeschützt, zum Teil mit einem Kondom - in sie einzudringen, obwohl sie sich wegdrehte und ihre Beine zusammendrückte.
5
II. Die Revisionen aller Beschwerdeführer führen zur Einstellung des Verfahrens , soweit der Angeklagte im Tatkomplex 2. b) bb) der Urteilsgründe wegen des sexuellen Übergriffs auf die Nebenklägerin im Wohnwagen auf dem Campingplatz in W. wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen verurteilt worden ist. Denn es fehlt in diesem Fall an der Verfahrensvoraussetzung der Anklageerhebung. Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage vom 19. Juni 2007 war dem Angeklagten zur Last gelegt worden, die Nebenklägerin in 100 Fällen vergewaltigt und sexuell missbraucht zu haben, wobei sich die Taten jeweils im Schlafzimmer der Nebenklägerin ereignet hätten. Dort habe der Angeklagte sich und - gegen deren Widerstand - auch die Nebenklägerin entkleidet, sie geküsst, an der Brust berührt und sei unter Einsatz seiner Körperkräfte gegen ihren Widerstand mit dem Finger vaginal in sie eingedrungen. Die Anzahl der Taten hat die Staatsanwaltschaft anhand der Eckdaten des Tatzeitraums im Wege einer Hochrechnung geschätzt.
6
Die von der Strafkammer abgeurteilte Tat im Wohnwagen ist von dem in der Anklage geschilderten geschichtlichen Vorgang nicht erfasst, so dass der Angeklagte deswegen ohne Erhebung einer Nachtragsanklage nicht verurteilt werden durfte.
7
Gegenstand der Urteilsfindung ist nur die in der Anklage bezeichnete Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Allerdings hat das Gericht die angeklagte Tat im verfahrensrechtlichen Sinne erschöpfend abzuurteilen; zur Tat in diesem Sinne gehört das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Lebensauffassung einen einheitlichen Vorgang darstellt (BGHSt 32, 215, 216). In diesem Rahmen muss der Tatrichter seine Untersuchung auch auf Teile der Tat erstrecken , die erst in der Hauptverhandlung bekannt werden (BGHSt 16, 200, 202).
8
Diese Umgestaltung der Strafklage darf aber nicht dazu führen, dass das der Anklage zu Grunde liegende Geschehen vollständig verlassen und durch ein anderes ersetzt wird, mag dieses auch gleichartig sein (Engelhardt in KK 6. Aufl. § 264 Rdn. 17 m. w. N.). So verhält es sich hier: Bei der von der Kammer aufgrund der Aussage der Nebenklägerin festgestellten Tat im Wohnwagen auf dem Campingplatz in W. anlässlich eines Besuches der Zeugin R. in der Haftanstalt - also an einem anderen Tatort und unter anderen Begleitumständen - handelt es sich um einen geschichtlichen Vorgang, der sich von den Anklagevorwürfen, die sich allein auf Taten im Schlafzimmer der Nebenklägerin bezogen, deutlich unterscheidet. Die erforderliche Tatidentität im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO liegt daher nicht mehr vor.
9
Da auch eine Nachtragsanklage nicht erhoben wurde, war das Verfahren auf die Revision des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft (§ 301 StPO) und der Nebenklägerin (vgl. Paul in KK § 301 Rdn. 2) in dem genannten Fall gemäß § 354 Abs. 1, § 206 a Abs. 1 StPO einzustellen; dies führt wegen des Wegfalls der verhängten Einzelstrafe zur Aufhebung der Gesamtstrafe.
10
III. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen zeigt sie keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf.
11
1. Soweit sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision gegen den Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung in 97 Fällen wendet, ist sie unbegründet.
12
Wie bei jeder Verurteilung muss der Tatrichter auch bei Serienstraftaten, wie sie in länger andauernden Missbrauchsbeziehungen vorkommen, von jeder einzelnen individuellen Straftat überzeugt sein (BGHSt 42, 107, 109). Zur Vermeidung unvertretbarer Strafbarkeitslücken dürfen aufgrund der Feststellungs- schwierigkeiten solcher oft gleichförmig verlaufenden Taten über einen langen Zeitraum zum Nachteil von Kindern und/oder Schutzbefohlenen, die in der Regel allein als Beweismittel zur Verfügung stehen, zwar keine überzogenen Anforderungen an die Individualisierbarkeit der einzelnen Taten im Urteil gestellt werden (BGH NStZ 1994, 502). Der Tatrichter muss sich aber in objektiv nachvollziehbarer Weise zumindest die Überzeugung verschaffen, dass es in einem gewissen Zeitraum zu einer bestimmten Mindestzahl von Straftaten gekommen ist (BGH StV 2002, 523). Dabei steht nicht in erster Linie die Ermittlung einer Tatfrequenz, sondern die des konkreten Lebenssachverhalts im Vordergrund; dieser ist ausgehend vom Beginn der Tatserie mit den unterschiedlichen Details etwa zu Tatausführung und Tatort der einzelnen Straftaten in dem gegebenen Tatzeitraum - notfalls auch ohne genaue zeitliche Einordnung und lediglich unter Festlegung einer Mindestzahl der begangenen Delikte nach dem Zweifelssatz - festzustellen und abzuurteilen (vgl. BGHR StGB vor § 1/Serienstraftaten Kindesmissbrauch 2).
13
Die entsprechende Überzeugungsbildung ist eine Frage der Beweiswürdigung. Diese obliegt dem Tatrichter. Er hat sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist oder mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht. Sind derartige Rechtsfehler nicht feststellbar, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich gewesen wäre (BGH NStZ-RR 2008, 146, 147; NJW 2005, 2325, 2326).
14
Nach diesen Grundsätzen zeigt die Revision einen Rechtsfehler, insbesondere eine Überspannung der Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung , nicht auf. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist die vom Landgericht vorgenommene Würdigung, dass es im Schlafzimmer der Nebenklägerin mit Sicherheit lediglich zu zwei Vergewaltigungen und zu dem ebenfalls von der Nebenklägerin geschilderten Fall des sexuellen Missbrauchs zu Beginn der Übergriffe gekommen ist, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
15
Das Landgericht ist sich des Umstandes bewusst gewesen, dass die Aussage der Nebenklägerin, es sei "sehr oft" zu den Übergriffen gekommen, eine häufigere Tatbegehung nahe legte. Es hat sich - im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den notwendigen Feststellungen bei Serientaten des sexuellen Missbrauchs - keine Überzeugung von einer bestimmten größeren Anzahl von Vergewaltigungen zu verschaffen vermocht, weil insoweit lediglich eine bloße Schätzung ohne gesicherte Tatsachengrundlage möglich gewesen wäre. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Landgericht hat sich zum Nachweis der angeklagten Taten nur auf die Aussage der Nebenklägerin stützen können. Deren Angaben zur Tatfrequenz haben gewechselt. Während sie zunächst ausgesagt hatte, es sei fast jeden Abend dazu gekommen, dass der Angeklagte ihr den Finger in die Scheide gesteckt habe, ist sie davon später abgerückt und hat erklärt, es sei jedenfalls sehr oft gewesen , ohne allerdings eine Zahl angeben zu können. Auch mit wiederkehrenden Situationen im familiären Zusammenleben hat sie die Taten nicht zu verknüpfen vermocht. Ebenso wenig hat sie die weiteren von der Strafkammer festgestellten Details einer oder mehreren der festgestellten oder weiteren Taten zuordnen können. Zu den Tatorten hat sie lediglich angegeben, dass es in einem Fall auch im Wohnwagen zu einem Übergriff durch den Angeklagten gekommen sei.
16
Die Überzeugungsbildung der Strafkammer lässt vor diesem Hintergrund keinen Rechtsfehler im dargestellten Sinn erkennen. Sie ist daher - ungeachtet der Frage, ob auch die Annahme einer größeren Anzahl von Taten möglich gewesen wäre - vom Revisionsgericht hinzunehmen.
17
2. Im Strafausspruch kann das angefochtene Urteil jedoch hinsichtlich der verbliebenen Einzelstrafen keinen Bestand haben. Die Nichtanwendung des Regelstrafrahmens des § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB, die bei Vorliegen gewichtiger Milderungsgründe möglich ist (Fischer, StGB 55. Aufl. § 177 Rdn. 65, 74 m. w. N.), ist hier rechtsfehlerhaft. Gleiches gilt für die Annahme eines minder schweren Falles im Sinne des § 176 Abs. 1 letzter Halbs. StGB aF bei der ersten abgeurteilten Tat.
18
Zwar ist es Sache des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von Tat und Täter gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht bestimmende Strafzumessungsfaktoren oder rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Betracht lässt oder wenn sich die Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGHSt 29, 319, 320 m. w. N.). All dies gilt namentlich auch für die Strafrahmenwahl. Die Entscheidung über die Annahme eines minder schweren Falles und - entsprechend - über das Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 2 StGB ist jedoch aufgrund einer Gesamtbetrachtung zu treffen, die alle Umstände einzubeziehen hat, die für die Wertung der Tat und des Täters bedeutsam sind, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung 8). Eine Bewertung nur des engeren Tatgeschehens ist unzulässig (BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung 5; Gesamtwürdigung , unvollständige 10). Es stellt daher einen durchgreifenden Rechtsfehler dar, wenn der Tatrichter bei der Strafrahmenwahl einen bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt (vgl. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) erkennbar außer Betracht lässt.
19
So liegt es hier. Die Strafkammer hat die weiteren Tathandlungen des Angeklagten, die sie sicher festgestellt hat, bei der Strafrahmenwahl aus dem Blick verloren. Sie hat insbesondere nicht gewürdigt, dass der Angeklagte mehrfach versuchte, mit der Nebenklägerin den Geschlechtsverkehr zu vollziehen und sie - wenn auch erfolglos - aufforderte, ihn oral oder manuell zu befriedigen. Diese Handlungen hat die Kammer zwar weder einer der abgeurteilten Taten zuordnen können, noch anhand dieser Feststellungen weitere Taten zu konkretisieren vermocht. Gleichwohl hätten sie als bestimmender Strafzumessungsfaktor in die Gesamtwürdigung einfließen müssen:
20
Handelte es sich insoweit um weitere Varianten sexueller Handlungen im Rahmen der abgeurteilten Taten, so waren sie bei der Strafzumessung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. vom 22. Dezember 1998 - 3 StR 530/98) und deshalb auch in die Gesamtbetrachtung zur Strafrahmenwahl einzustellen. Gleiches gilt, wenn es sich bei diesen Handlungen um weitere selbständige Taten gehandelt hätte; denn in diesem Fall war der Umstand, dass die abgeurteilten Taten nur einen Teil einer Tatserie bildeten, als wesentlicher Strafzumessungsgesichtspunkt zu würdigen (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 2; BGH NStZ-RR 1997, 130; BGH, Beschl. vom 9. Oktober 2003 - 4 StR 359/03 - jeweils m. w. N.).
21
Voraussetzung der Einbeziehung der weiteren sexuellen Handlungen in die Strafzumessung ist es in derartigen Fällen allerdings, dass sie prozessord- nungsgemäß und so bestimmt festgestellt sind, dass sie in ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt abgeschätzt werden können und eine unzulässige strafschärfende Berücksichtigung des bloßen Verdachts der Begehung weiterer Straftaten ausgeschlossen ist (BGHR aaO; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 14). So verhält es sich hier. Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass der Angeklagte die weiteren sexuellen Handlungen zum Nachteil der Nebenklägerin beging; lediglich die Zuordnung zu den begangenen oder die Einordnung als selbständige andere - angeklagte - Taten war ihm nicht möglich. Angesichts dessen handelte es sich nicht um den bloßen Verdacht weiterer Straftaten oder Tatvarianten; vielmehr sind die zusätzlichen sexuellen Handlungen des Angeklagten festgestellt, so dass deren Unrechtsgehalt ohne Weiteres erfasst werden kann. Die Strafkammer hat deshalb, als sie die Regelwirkung des § 177 Abs. 2 StGB unter anderem auch deshalb verneint hat, weil die eigentliche sexuelle Handlung bei den konkret festgestellten Vergewaltigungen nicht besonders schwerwiegend gewesen sei, einen unzutreffenden Schuldumfang zu Grunde gelegt. Gleiches gilt bei der Annahme eines minder schweren Falles nach § 176 Abs. 1 letzter Halbs. StGB aF. Dies führt zur Aufhebung der entsprechenden Einzelstrafen.
22
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Strafausspruch können hingegen bestehen bleiben. Ergänzende, dazu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen kann der neue Tatrichter treffen.
23
IV. Soweit sich die Nebenklägerin gegen den Teilfreispruch des Angeklagten wendet, hat ihre Revision aus den unter III. 1. genannten Gründen in der Sache keinen Erfolg. Hinsichtlich ihrer Einwendungen gegen den Strafausspruch , insbesondere gegen die Nichtanwendung des Strafrahmens des § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB, ist die Revision bereits unzulässig (BGH NStZ-RR 2003, 306; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 400 Rdn. 3).
24
V. Die weitergehende Revision des Angeklagten hat ebenfalls keinen Erfolg.
25
Die Rüge der Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens (§ 338 Nr. 6 StPO) ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 27. August 2008 hinsichtlich der Verlesung eines Gutachtens in der Hauptverhandlung vom 3. Dezember 2007 unzulässig und im Übrigen unbegründet.
26
Die umfassende Überprüfung des Urteils auf die allgemein erhobene Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
27
VI. Eine Erstattung der notwendigen Auslagen, die dem Angeklagten sowie der Nebenklägerin durch die gegenseitigen Revisionen entstanden sind, findet nicht statt, da die Rechtsmittel beider Seiten ohne Erfolg geblieben sind (Meyer-Goßner aaO § 473 Rdn. 10 m. w. N.). Becker Miebach Pfister Sost-Scheible Hubert

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(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.