Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Apr. 2024 - 1 StR 106/24
Gericht
Richter
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Bundesgerichtshof
Beschluss vom 18. Apr. 2024 - 1 StR 106/24
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 18. Dezember 2023
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass die Angeklagten wegen verbotenen Besitzes von mehr als drei lebenden Cannabispflanzen in Tateinheit mit Beihilfe zum verbotenen Handeltreiben mit Cannabis verurteilt sind,
b) im Strafausspruch aufgehoben, jedoch werden die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
2. Die weitergehenden Revisionen werden als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten A. und M. jeweils wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben zum Strafausspruch Erfolg und sind im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO; der Schuldspruch ist neu zu fassen.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts lebten und arbeiteten die Angeklagten jedenfalls vom 24. März 2023 bis zu ihrer Festnahme am 24. Mai 2023 als „Gärtner“ in einer Indoor-Marihuanaplantage. Die Plantage wurde im Jahr 2021 von einer nicht näher bekannten, überregional tätigen Bandenorganisation in einer eigens dafür angemieteten ehemaligen Industrieimmobilie auf zwei Stockwerken errichtet und betrieben, wobei am Stromzähler der mit einer Mittelspannungsstromleitung versorgten Räumlichkeiten zwei der drei Phasen abgetrennt wurden, so dass der in den Plantagen durch Lampen, Lüfter und andere Elektrogeräte verbrauchte Strom zum Großteil nicht erfasst werden konnte. Zu den Aufgaben beider Angeklagten gehörte – gegen ein vereinbartes Monatsentgelt von 1.000 € sowie freie Kost und Logis – insbesondere die händische Bewässerung der auf neun separate Pflanzräume mit etwa 690 Quadratmetern verteilten Pflanzkübel, die Versorgung der Pflanzen mit Dünger sowie der Betrieb der Lüftungsanlage (67 Lüfter, 68 Kohlefilter und 447 Stromverteiler) und der Wärmelampen (447 Hochleistungslampen) auf Anweisung der Hinterleute. Daneben oblag es den Angeklagten, dritten Personen und Fahrzeugen über ein Rolltor die Ein- und Ausfahrt in die Plantage zu ermöglichen. Bei einer Durchsuchung des Anwesens am 24. Mai 2023 fanden sich dort über 1.763 Cannabispflanzen mit mindestens 160 kg Marihuana und mit einer Gesamtmenge von 22.105 g Tetrahydrocannabinol (THC), wobei die im Untergeschoss aufgefundenen 1.554 Pflanzen mit insgesamt 147 kg Marihuana einen Wirkstoffgehalt von durchschnittlich mindestens 13,81 Prozent (20.339,337 g THC) und die auf das Obergeschoss entfallenden 209 Pflanzen mit mindestens 13 kg Marihuana einen Wirkstoffgehalt von durchschnittlich mindestens 12,68 Prozent (1.766,261 g THC) aufwiesen. Das Marihuana war, wie die Angeklagten wussten, zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt.
II.
Die auf die Revisionen der Angeklagten veranlasste Nachprüfung des Urteils führt zu dessen Aufhebung im Strafausspruch und zur durch das Inkrafttreten des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 27. März 2024 (BGBl. I 2024, Nr. 109; nachfolgend: Cannabisgesetz) erforderlich gewordenen Neufassung des Schuldspruchs.
1. Der Schuldspruch hält der rechtlichen Nachprüfung am Maßstab des am 1. April 2024 in Kraft getretenen Cannabisgesetzes, auf das gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der revisionsrechtlichen Kontrolle abzustellen ist, stand.
Das vom Landgericht festgestellte Tatgeschehen stellt sich als gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 KCanG verbotener Besitz von mehr als drei lebenden Cannabispflanzen (§ 34 Abs. 1 Nr. 1c i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 KCanG) in Tateinheit mit Beihilfe zum nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG verbotenen Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB) dar. Bei Marihuana handelt es sich um ein Produkt der Cannabispflanze, das nach den Begriffsbestimmungen des KCanG als „Cannabis“ erfasst wird (§ 1 Nr. 4 KCanG). Die Tathandlungen nach § 34 Abs. 1 KCanG hat der Gesetzgeber ausdrücklich an die Begrifflichkeiten des BtMG angelehnt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94). Hinsichtlich der in § 34 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG beschriebenen Tathandlung des „Handeltreibens“ hat der Gesetzgeber darüber hinaus auf die hierzu ergangene Rechtsprechung ausdrücklich Bezug genommen (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94), so dass die zu den in §§ 29 ff. BtMG unter Strafe gestellten Handlungsformen entwickelten Grundsätze auf § 34 Abs. 1 KCanG zu übertragen sind. Auch die konkurrenzrechtliche Bewertung hat sich gegenüber der bisherigen Rechtslage (vgl. etwa BGH, Urteil vom 27. Juli 2005 – 2 StR 192/05 Rn. 9; Beschlüsse vom 8. Mai 2018 – 2 StR 130/18 Rn. 9; vom 26. Januar 2011 – 5 StR 555/10 Rn. 15 f.; vom 4. August 2009 – 3 StR 305/09 Rn. 5 ff. und vom 12. Januar 2005 – 1 StR 476/04, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Handeltreiben 4; jew. mwN) nicht geändert. Der Senat passt den Schuldspruch nach Maßgabe dessen an die am 1. April 2024 in Kraft getretenen rechtlichen Bestimmungen an.
2. Im Strafausspruch kann das angefochtene Urteil infolge des gegenüber der bisherigen Rechtslage niedrigeren Strafrahmens jeweils keinen Bestand haben. Zwar sind nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen des Regelbeispiels des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG erfüllt, weil sich die strafbare Handlung auf eine nicht geringe Menge bezieht. Umstände, die für ein Entfallen der Regelwirkung sprechen könnten, sind nicht ersichtlich. Allerdings weicht der Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG von dem bisher maßgeblichen Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG erheblich zugunsten der Angeklagten ab, so dass die Strafe daran ausgerichtet neu zu bemessen ist.
a) Der Grenzwert der nicht geringen Menge für Tetrahydrocannabinol (§ 1 Nr. 2 KCanG) im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG beträgt 7,5 g.
Maßgebend hierfür sind folgende Erwägungen:
aa) Bereits im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) hat der Gesetzgeber den unbestimmten Begriff der nicht geringen Menge nicht definiert, sondern dies der Rechtsprechung überlassen, die dafür auf alle Betäubungsmittel gleichermaßen anwendbare allgemeingültige Maßstäbe entwickelt hat.
(1) Bei der Festlegung der Grenzwerte stellt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung nicht auf die Gewichtsmenge des jeweiligen Suchtstoffes, sondern auf die darin enthaltene Wirkstoffmenge ab (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 2015 – 1 StR 302/13, BGHSt 60, 134; vom 17. November 2011 – 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60; vom 3. Dezember 2008 – 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89; vom 24. April 2007 – 1 StR 52/07, BGHSt 51, 318; vom 9. Oktober 1996 – 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255; vom 22. Dezember 1987 – 1 StR 612/87, BGHSt 35, 179; vom 1. September 1987 – 1 StR 191/87, BGHSt 35, 43; vom 11. April 1985 – 1 StR 507/84, BGHSt 33, 169; vom 1. Februar 1985 – 2 StR 685/84, BGHSt 33, 133; vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8; Beschlüsse vom 20. Dezember 1995 – 3 StR 245/95, BGHSt 42, 1 und vom 7. November 1983 – 1 StR 721/83, BGHSt 32, 162). Der Grenzwert der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels ist stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und Wirkungsintensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs. Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials, zu bemessen. In einem zweistufigen Verfahren wird die nicht geringe Menge mithin durch ein Vielfaches der zum Erreichen eines Rauschzustandes erforderlichen Wirkstoffmenge bestimmt, welche aus dem Produkt einer Einzelmenge und einer an der Gefährlichkeit orientierten Maßzahl, gemessen in Konsumeinheiten, errechnet wird. Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 10. August 2023 – 3 StR 462/22 Rn. 7; vom 14. Januar 2015 – 1 StR 302/13, BGHSt 60, 134 Rn. 35; vom 5. November 2015 – 4 StR 124/14 Rn. 14; vom 17. November 2011 – 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60 Rn. 10; vom 3. Dezember 2008 – 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89 Rn. 13; vom 24. April 2007 – 1 StR 52/07, BGHSt 51, 318 Rn. 12 f.; vom 28. Oktober 2004 – 4 StR 59/04 Rn. 18 f.; vom 1. September 1987 – 1 StR 191/87, BGHSt 35, 43, 44 f.; vom 22. Dezember 1987 – 1 StR 612/87, BGHSt 35, 179 f.; vom 1. Februar 1985 – 2 StR 685/84, BGHSt 33, 133, 136 f.; vom 11. April 1985 – 1 StR 507/84, BGHSt 33, 169, 170 f.; vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8, 9 f.; Beschlüsse vom 11. Dezember 2023 – 1 StR 276/23 Rn. 8; vom 8. März 2022 – 3 StR 136/21 Rn. 12; vom 27. Januar 2022 – 3 StR 155/21 Rn. 9; vom 20. Dezember 1995 – 3 StR 245/95, BGHSt 42, 1, 10 f. und vom 7. November 1983 – 1 StR 721/83, BGHSt 32, 162, 163 f.). Im Ergebnis drückt die nicht geringe Menge damit ein Vielfaches des zum Erreichen eines Rauschzustands erforderlichen jeweiligen Wirkstoffs (Konsumeinheit) aus, wobei die Grenzwerte für die verschiedenen Betäubungsmittel gerade wegen ihrer qualitativ unterschiedlichen Wirkung aufeinander abgestimmt sein müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1995 – 3 StR 245/95, BGHSt 42, 1, 10). Bei der insoweit vorzunehmenden Gesamtbetrachtung sind dabei nicht nur die dem jeweiligen Suchtstoff innewohnenden, pharmakologischen Wirkungen auf den Menschen wie Beschaffenheit, Wirkungsweise und Gefährlichkeit zu berücksichtigen, sondern auch das Umfeld, in dem der Konsum typischerweise erfolgt (vgl. dazu die Nachw. bei Patzak/Volkmer/Fabricius, 10. Aufl., BtMG § 29a Rn. 50).
(2) Für Tetrahydrocannabinol (THC) hat der Bundesgerichtshof den Grenzwert der nicht geringen Menge unter Anwendung dieser Maßgaben auf 7,5 g festgesetzt und dies infolge fehlender Bestimmbarkeit einer lebensbedrohlichen Einzeldosis (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8, 10) auf dessen konkrete Wirkweise und Gefährlichkeit gestützt. Er ist auf der Grundlage öffentlich zugänglicher sachverständiger Bewertungen, darunter einer Analyse von sachkundigen Chemikern der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamtes (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8, 12), zu dem Ergebnis gelangt, dass zur Erzielung eines Rauschzustandes durch Rauchen einer Zubereitung von Cannabisprodukten im Durchschnitt 15 mg THC erforderlich seien (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8, 11 f.). Um den Unsicherheitsfaktoren bei der Bestimmung des THC-Gehalts einer durchschnittlichen Konsumeinheit von Cannabisprodukten unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Qualität der in der Drogenszene tatsächlich auftauchenden Stoffe und den unterschiedlichen Konsumformen Rechnung zu tragen und zugleich einen angemessenen Abstand zu der harten Droge Heroin zu schaffen, hat er der Bestimmung des Grenzwerts 500 Konsumeinheiten mit diesem Wirkstoffgehalt zugrunde gelegt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8, 13 f.). Denn anders als Heroin führt Tetrahydrocannabinol nicht zur physischen Abhängigkeit und nur zu mäßiger psychischer Abhängigkeit, wenngleich es allerdings Denk- und Wahrnehmungsstörungen, Antriebs- und Verhaltensstörungen, Lethargie, Angstgefühle, Realitätsverlust und Depressionen, zuweilen auch Psychosen hervorruft sowie eine erhöhte Gefahr des Umsteigens auf harte Drogen begründet (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8, 12 f.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 – 2 BvL 43/92 u.a., BVerfGE 90, 145 ff.). Aus diesen anhand der konkreten Wirkweise und Gefährlichkeit bestimmten Faktoren errechnet sich der bislang geltende Grenzwert (500 x 15 mg = 7,5 g).
bb) Wie das Betäubungsmittelgesetz verhält sich auch das Konsumcannabisgesetz (KCanG) zum Begriff der nicht geringen Menge nicht. Anstatt selbst einen Grenzwert zu bestimmen oder nur Maßgaben dazu aufzustellen, hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, die Bestimmung des Grenzwerts der nicht geringen Menge der Rechtsprechung zu überlassen (BT-Drucks. 20/8704, S. 132). Mit Blick auf die unveränderte Wirkweise und Gefährlichkeit des Tetrahydrocannabinols hält der Senat das Merkmal „nicht geringe Menge“ der Strafzumessungsregel in § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG für erfüllt, wenn das tatgegenständliche Cannabisprodukt mindestens 7,5 g THC enthält.
Die auf chemisch-toxikologischer Grundlage getroffene Feststellung, wonach zur Erzielung eines Rauschzustandes durch Rauchen einer Zubereitung von Cannabisprodukten im Durchschnitt 15 mg THC erforderlich sind, gilt nach wie vor. Auch die im Vergleich zur harten Droge Heroin entwickelte Anzahl der Konsumeinheiten beansprucht unverändert Geltung; das pharmakodynamische Wirkungsverhältnis von THC zu Heroin ist heute nicht anders zu beurteilen als im Zeitpunkt der erstmaligen Grenzwertbestimmung. Dafür spricht auch die Wechselwirkung zwischen den Grenzwerten der verschiedenen Betäubungsmittel, die auf der Grundlage des Gefährlichkeitsvergleichs in unmittelbarer Abhängigkeit voneinander stehen. Die im Vergleich zu anderen Betäubungsmitteln geringere Gefährlichkeit von Cannabisprodukten hat der Bundesgerichtshof bereits bei der Festsetzung des Grenzwerts von 7,5 g THC berücksichtigt (zum Stufenverhältnis von sog. harten Drogen wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, bis hin zu sog. weichen Drogen wie Cannabis vgl. etwa BGH, Urteil vom 11. Oktober 2018 – 4 StR 274/18 Rn. 7; Beschlüsse vom 14. Juni 2017 – 3 StR 97/17 Rn. 13; vom 15. Juni 2016 – 1 StR 72/16 Rn. 12 und vom 26. März 2014 – 2 StR 202/13 Rn. 20). Die einzelnen vom Bundesgerichtshof festgesetzten Grenzwerte und ihre Abstufung werden schließlich sowohl in der Praxis als auch im Schrifttum als praktikabel angesehen und gemeinhin akzeptiert (vgl. Krumm, NJ 2024, 151, 153; Patzak/Volkmer/Fabricius, 10. Aufl., BtMG § 29a Rn. 50 mwN; Weber/Kornprobst/Maier, 6. Aufl., BtMG § 29a Rn. 68).
cc) Die Regelung in § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG gibt keinen Anlass, den Grenzwert der nicht geringen Menge höher als unter Geltung des § 29a BtMG festzusetzen.
(1) Der Wortlaut der Vorschrift enthält dafür keine Anhaltspunkte; im Gegenteil hat der Gesetzgeber bewusst einen unbestimmten Rechtsbegriff gewählt und dessen Ausfüllung der Rechtsprechung überantwortet (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 132).
(2) Sinn und Zweck der Vorschrift in § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG sprechen für die Beibehaltung des auf wissenschaftlicher Grundlage entwickelten Grenzwerts von 7,5 g THC.
Die Schaffung der Strafvorschriften in § 34 KCanG hat der Gesetzgeber für geeignet und erforderlich gehalten, um die Volksgesundheit und damit die körperliche Unversehrtheit des einzelnen Bürgers zu schützen. Die Strafbarkeit des Umgangs mit Cannabis außerhalb der gesetzlichen Ausnahmen hält er für ein notwendiges Mittel, um den Verkehr mit dieser riskanten Droge zu unterbinden oder jedenfalls möglichst weit zurückzudrängen und dadurch vor allem junge Menschen vor gesundheitlichen Schäden zu bewahren. Das Cannabisgesetz zielt gemäß seiner Präambel darauf ab, zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen. Ungeachtet der Straflosstellung bestimmter Verhaltensweisen liegt dem Gesetz die Annahme zugrunde, es handele sich bei Cannabis um ein gefährliches Suchtmittel. Die Begründung des Gesetzentwurfs enthält dazu schon eingangs der Präambel folgende Erwägung (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 1): „Der Konsum von Cannabis, das vom Schwarzmarkt bezogen wird, ist häufig mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko verbunden, da der Tetrahydrocannabinol-Gehalt unbekannt ist und giftige Beimengungen, Verunreinigungen sowie synthetische Cannabinoide enthalten sein können, deren Wirkstärke von den Konsumentinnen und Konsumenten nicht abgeschätzt werden kann. Das Gesetz zielt darauf ab, zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen, […]“. Im Allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung ist ausgeführt (BT-Drucks. 20/8704, S. 68 f.): „Wie bei anderen psychoaktiven Substanzen auch, ist der Konsum von Cannabis mit gesundheitlichen Risiken, wie beispielsweise cannabisinduzierte Psychosen, verbunden. Daher sollte auf den Konsum von Cannabis verzichtet werden. […] Darüber hinaus sollen nichtkonsumierende Bürgerinnen und Bürger vor den direkten und indirekten Folgen des Cannabiskonsums geschützt werden.“ Von der Sozialschädlichkeit des Konsums von Cannabis und der Gefahr der Heranführung und Gewöhnung selbst Jugendlicher an berauschende Mittel geht der Gesetzgeber mithin unverändert aus und zielt mit den Regelungen des Cannabisgesetzes darauf, den Konsum möglichst zu unterbinden. Dieser Zielsetzung dienen auch die Strafvorschriften in § 34 KCanG, die für verschiedenartige Verstöße gegen das grundsätzlich bestehende Verbot des Umgangs mit Cannabisprodukten Kriminalstrafe androhen. Insoweit hat sich gegenüber dem Regelungszweck des § 29a BtMG nichts geändert.
(3) Die Gesetzessystematik steht der Beibehaltung des zu § 29a BtMG entwickelten Grenzwerts gleichfalls nicht entgegen. Der Umgang mit Cannabis ist gemäß § 2 KCanG weiterhin – verwaltungsrechtlich – verboten. Der Gesetzessystematik liegt ein allgemeines Verbot für den Umgang mit Cannabis zugrunde, in § 2 Abs. 3 KCanG werden lediglich bestimmte, gesetzlich erlaubte Handlungen vom Verbot ausgenommen (BT-Drucks. 20/8704, S. 93). Auf welcher Grundlage die strafrechtlich irrelevanten Mengen festgelegt wurden, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung allerdings ebenso wenig, wie eine Aussage zur Bewertung ihrer Gefährlichkeit.
Die gemäß § 3 KCanG legalen – nicht wirkstoffbezogen festgelegten – Besitzmengen von bis zu 25 g Cannabis zum Eigenkonsum (Abs. 1) und bis zu 50 g Cannabis sowie drei lebenden Cannabispflanzen am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt mit einer Gesamtmenge an Cannabis von bis zu 50 g (Abs. 2) stehen der vorbenannten Grenzwertfestsetzung nicht entgegen. Dies gilt schon deshalb, weil sich aus der legalisierten Besitzmenge keine Aussage zur Gefährlichkeit des Wirkstoffes ableiten lässt. Die Variationsbreite des praktisch festzustellenden Wirkstoffgehalts ist hoch (vgl. Patzak/Dahlenburg, NStZ 2022, 146, 147 f.). Zwar ist denkbar, dass auch der Besitz einer die Strafbarkeitsschwelle nur geringfügig überschreitenden Menge Cannabis – also geringfügig mehr als 60 g – das Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG verwirklicht. Allerdings verbleibt in Anbetracht – praktisch ebenfalls relevanter – niedriger Wirkstoffgehalte ein Anwendungsraum für eine Strafbarkeit nach § 34 Abs. 1 KCanG, bei welcher das Regelbeispiel nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG nicht erfüllt ist. Vorgaben hinsichtlich eines zu wahrenden „Abstands“ zu den erlaubten Besitzmengen ergeben sich aus den Regelungen des Konsumcannabisgesetzes nicht (so auch Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 9. April 2024 – 5 Ws 19/24).
(4) Schließlich ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte des Konsumcannabisgesetzes nichts anderes.
An dem grundsätzlichen Verbot des Umgangs mit Cannabis hat der Gesetzgeber festgehalten. Hinsichtlich der Bestimmung des Grenzwerts nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG führt die Gesetzesbegründung aus, der konkrete Wert sei „abhängig vom jeweiligen THC-Gehalt des Cannabis von der Rechtsprechung aufgrund der geänderten Risikobewertung zu entwickeln“ (BT-Drucks. 20/8704, S. 132). „Im Lichte der legalisierten Mengen [werde] man an der bisherigen Definition der nicht geringen Menge nicht mehr festhalten können und [werde] der Grenzwert deutlich höher liegen müssen als in der Vergangenheit“ (BT-Drucks. 20/8704, S. 132). Mit der Anknüpfung an die seit Jahrzehnten ständige Rechtsprechung zur Bestimmung der nicht geringen Menge hat sich der Gesetzgeber die hierfür geltenden Maßstäbe im Ausgangspunkt zu eigen gemacht. Er hat damit im Ergebnis selbst auf die konkrete Wirkungsweise und -intensität des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol abgestellt, die sich nicht geändert haben. Soweit von einer „geänderten Risikobewertung“ (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 132) die Rede ist, sind der – nicht bindenden – Gesetzesbegründung keine tatsachenbasierten Informationen zu entnehmen, auf welche weitergehende Rückschlüsse oder gar eine Berechnung gestützt werden könnten. Es wird schon nicht klar, worauf genau sich diese geänderte Risikobewertung beziehen soll (kurzfristige Wirkweise, Nebenwirkungen, Langfristschäden, Konsumentwicklung, Vergleich zu Nachbarstaaten, gesellschaftliche Auswirkungen, Kriminalitätsentwicklung). Konkrete, allgemein anerkannte und wissenschaftlich belegte oder belegbare Prämissen benennt der Gesetzgeber nicht. Insbesondere lässt sich weder aus Gesetz noch Begründung ableiten, welche Konsum- oder Wirkstoffmenge medizinisch-toxikologisch (noch) unbedenklich sein soll. Auch den Widerspruch, der sich aus dem Regelungszweck des Gesundheitsschutzes und den ihm dienenden Vorschriften einerseits und der „geänderten Risikobewertung“ andererseits ergibt, löst die Gesetzesbegründung nicht auf. Wenngleich die Absenkung der in § 34 KCanG vorgesehenen Strafrahmen gegenüber den vormals geltenden Straftatbeständen des Betäubungsmittelgesetzes zeigt, dass der Gesetzgeber die unter Strafe gestellten Handlungen nunmehr für weniger strafwürdig hält als zuvor, ergeben sich daraus keine Folgerungen für die Frage, ab welcher Mengengrenze der Handel mit Cannabis der gegenüber dem Grundtatbestand verschärften Strafandrohung des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG unterliegen soll (so auch Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 9. April 2024 – 5 Ws 19/24).
b) Demnach kann der Strafausspruch keinen Bestand haben.
aa) Der Strafbemessung ist nach den Feststellungen des Landgerichts der Strafrahmen aus § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG zugrunde zu legen. Ein Entfallen der Regelwirkung des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG liegt in Anbetracht der Überschreitung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge um das 2.946,3-fache und der weiteren festgestellten Umstände fern. Jedoch sieht der Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG für besonders schwere Fälle Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor, während der vom Landgericht – bei Verkündung des Urteils zutreffend – angewandte Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG Freiheitsstrafe von einem Jahr bis fünfzehn Jahren (§ 38 Abs. 2 StGB) eröffnet. Durch die Absenkung des Strafrahmens hat der Gesetzgeber sein im Vergleich zu den dem Betäubungsmittelgesetz unterstellten Suchtstoffen geringeres Unwerturteil über die mit Strafe bedrohten Taten zum Ausdruck gebracht, wenn sich diese auf Cannabis beziehen (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 131 f.). Dem ist im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen. Die Maßstäbe, wonach – ausgehend von der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens – der Überschreitung des Grenzwerts als im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO bestimmendem Strafzumessungsgrund strafschärfende Bedeutung zukommt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15. März 2017 – 2 StR 294/16 Rn. 17 ff. mwN), gelten zwar fort. Sie werden allerdings in das durch § 34 KCanG geschaffene Strafrahmenregime einzufügen sein.
bb) Der Senat kann nicht ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei Anwendung des Strafrahmens aus § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG niedrigere Strafen gegen die Angeklagten verhängt hätte.
c) Da lediglich ein Wertungsfehler gegeben ist, können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Strafausspruch aufrechterhalten werden (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind zulässig, sofern sie den bestehenden nicht widersprechen.
3. Von der Korrektur der Liste der angewandten Vorschriften (§ 260 Abs. 5 Satz 1 StPO) sieht der Senat ab. Die Liste ist weder Bestandteil der Urteilsformel noch der Urteilsgründe (vgl. BGH, Urteile vom 15. Mai 2018 – 1 StR 159/17 Rn. 73; vom 25. September 1996 – 3 StR 245/96, BGHR StPO § 260 Abs. 5 Liste 1), so dass deren Berichtigung durch das Revisionsgericht zwar statthaft ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Februar 2010 – 3 StR 566/09 Rn. 2 und vom 22. August 1985 – 4 StR 447/85 Rn. 8), etwaige Unzulänglichkeiten im Revisionsverfahren aber unbeachtet bleiben können. Eine Änderung der Liste der angewandten Vorschriften ist jederzeit möglich, auch noch nach Rechtskraft eines Urteils (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2022 – 3 StR 122/22 Rn. 32 mwN).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.
(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.
(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.
(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.
(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.
(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.
Das Revisionsgericht hat auch dann nach § 354 zu verfahren, wenn es das Urteil aufhebt, weil zur Zeit der Entscheidung des Revisionsgerichts ein anderes Gesetz gilt als zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung.
(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.
(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.
(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.
(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.
(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.