Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 08. Feb. 2018 - 20 BV 16.1692

bei uns veröffentlicht am08.02.2018
vorgehend
Verwaltungsgericht München, M 10 K 15.4201, 07.04.2016

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Erhebung eines Beitrages für die vom Beklagten als öffentliche Einrichtung betriebene Entwässerungsanlage.

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks „...“ mit der FlNr. 624/10 der Gemarkung ... Das klägerische Grundstück war ehemals Teil des Grundstücks mit der FlNr. 624 (alt) mit einer Grundfläche von 1.267 m². Der Eigentümer dieses Grundstücks, welches bereits im Jahr 1993 durch den öffentlichen Kanal erschlossen wurde, wurde mit Bescheid vom 12. Mai 1993 zu einem Herstellungsbeitrag für die öffentliche Entwässerung herangezogen. Der Beitrag wurde nach der zulässigen Geschossfläche in Höhe von 443 m² berechnet. Das damals neu errichtete Anwesen hat eine tatsächliche Geschossfläche von 269 m².

Im Jahr 2012 wurde das Grundstück mit der FlNr. 624 (alt) in die FlNr. 624 und 624/10 zerlegt. Die Grundstücksteilung wurde am 16. August 2012 grundbuchrechtlich vollzogen. Das Grundstück mit der FlNr. 624, auf dem sich der Altbestand befindet, hat eine Fläche von 653 m². Das klägerische Grundstück FlNr. 624/10, auf welchem im Herbst 2012 ein Einfamilienhaus mit 292,41 m² Geschossfläche errichtet wurde, hat eine Größe von 614 m².

Mit Bescheid vom 16. Oktober 2012 setzte der Beklagte für das Grundstück FlNr. 624 (neu) einen weiteren Herstellungsbeitrag fest, da sich durch die Teilung des Grundstücks und die daraus folgende Verringerung der Grundstücksfläche eine Änderung ergeben habe. Es sei demnach auf dem Grundstück nur noch eine Geschossfläche von 228 m² zulässig, tatsächlich vorhanden sei jedoch eine Geschossfläche von 269 m². Dieser gestiegene Vorteil führe zu einer weiteren Beitragspflicht, die mit Eintragung der Grundstücksteilung im Grundbuch entstanden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2014 hob das Landratsamt München den Beitragsbescheid auf. Hiergegen erhob der Beklagte Klage zum Verwaltungsgericht München (Az. M 10 K 14.1230). Auf einen Hinweis des Gerichts, dass die bloße Veränderung des Parameters der „zulässigen Geschossfläche“ infolge einer Grundstücksteilung eine Nacherhebung für das bestehende Anwesen nicht ermögliche, nahm der Beklagte die Klage in diesem Verfahren zurück.

Mit vorliegend streitgegenständlichem Bescheid vom 20. August 2015 setzte der Beklagte einen Herstellungsbeitrag in Höhe von 2.427,41 € für das Grundstück FlNr. 624/10 der Kläger fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass für das Grundstück FlNr. 624/10 den Klägern die bauaufsichtliche Genehmigung zur Errichtung eines Wohngebäudes erteilt worden sei. Da sich hierdurch die beitragspflichtige Geschossfläche vergrößert und sich damit auch der beitragsrechtliche Vorteil für das Grundstück erhöht habe, sei mit der Bauvollendung im Herbst 2012 ein zusätzlicher Beitrag entstanden. Für das streitgegenständliche Grundstück werde die Geschossflächenzahl aus der durchschnittlichen Geschossflächenzahl der in der Umgebung vorhandenen Bebauung ermittelt. Diese betrage 0,35. Daraus ergebe sich bei einer Grundstücksfläche von 614 m² eine zulässige Geschossfläche von 214,90 m². Im Vergleich hierzu sei auf dem Grundstück nach den eingereichten Bauplänen im Erd- und Obergeschoss eine Geschossfläche von 292,41 m² tatsächlich vorhanden. Maßgeblich sei somit die vorhandene Geschossfläche. Für das ungeteilte Grundstück FlNr. 624 (alt) sei bereits ein Beitrag für 443 m² erhoben worden. Diese Geschossfläche sei den neu gebildeten Grundstücken grundsätzlich nach dem Verhältnis der Grundstücksflächen zuzuordnen. Da dem neu gebildeten Grundstück aus der vorhandenen Bebauung auf dem ungeteilten Grundstück aber keine Geschossfläche als abgegolten zugeordnet werden könne, könnten nur 174 m² angerechnet werden. Abzüglich dieser abgegoltenen Geschossfläche sei der Betrag für 118,41 m² nachzuerheben.

Mit Schreiben vom 23. September 2015 erhoben die Kläger durch ihren Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Sie beantragten zuletzt,

den Beitragsbescheid des Beklagten vom 20. August 2015 insoweit aufzuheben, als ein höherer Beitrag als auf eine Fläche von 77,51 m² entfällt, also ein höherer Betrag als 1.588,96 €, festgesetzt wurde.

Der Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht stellte mit Urteil vom 7. April 2016 das Verfahren, soweit die Klage zurückgenommen worden war, ein und gab ihr im Übrigen statt. In der Begründung führte es aus, dass der Beklagte mit der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) vom 11. Dezember 2014 jedenfalls seit 1990 erstmals wirksames Satzungsrecht erlassen habe. Sowohl die BGS/EWS vom 30. April 2008 wie auch die vom 7. Dezember 2011 seien wegen Fehlern beim Beitragsmaßstab, die sich auf die gesamte Beitragserhebung ausgewirkt hätten, nichtig gewesen (wird ausgeführt). Die wirksame BGS/EWS vom 11. Dezember 2014 sei im angefochtenen Bescheid nicht richtig vollzogen worden. Nach § 5 Abs. 9 Satz 1 BGS/EWS entstehe ein zusätzlicher Beitrag mit der nachträglichen Änderung der für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände, soweit sich dadurch der Vorteil erhöhe. Ein beitragsrelevanter Vorteil sei durch die bloße Teilung des ursprünglichen Grundstücks FlNr. 624 (alt) im Jahr 2012 nicht entstanden. Erst durch die Bebauung des streitgegenständlichen Grundstücks mit einem Wohnhaus im Jahr 2012 sei ein weiterer beitragsrelevanter Vorteil entstanden. Die Festsetzung des Beitrags sei jedoch nur insoweit rechtmäßig, als das Gebäude mit einer das jetzt zulässige Maß der baulichen Nutzung überschreitenden Geschossfläche errichtet worden sei (unter Verweis auf BayVGH, B.v. 14.3.2011 – 20 ZB 11.1 – juris Rn. 6). Gemäß § 5 Abs. 1 BGS/EWS werde der Beitrag nach der zulässigen Geschossfläche berechnet. Nach § 5 Abs. 5 BGS/EWS ergebe sich die zulässige Geschossfläche im vorliegenden Fall aus der durchschnittlichen Geschossflächenzahl, die nach § 34 BauGB i.V.m. §§ 7, 20 BauNVO aus der in der Umgebung vorhandenen Bebauung ermittelt werde und hier 0,35 betrage. Nach der Teilung des Grundstücks betrage die zulässige Geschossfläche für das Grundstück FlNr. 624/10 mit einer Fläche von 614 m² nun 214,9 m². In diesem Umfang sei die auf dem streitgegenständlichen Grundstück zulässige Geschossfläche bereits mit Veranlagung eines Herstellungsbeitrags für die Entwässerungseinrichtung mit Bescheid vom 12. Mai 1993 herangezogen worden. Der Beitrag sei damals für eine zulässige Geschossfläche von 443 m² für das ungeteilte Grundstück festgesetzt worden. Es könne dahinstehen, dass 1993 bis 2014 tatsächlich wegen nichtiger Beitragssatzungen keine Beitragsforderung entstanden sei, denn jedenfalls wäre die damals zulässige Geschossfläche nicht mehr aufgrund der zum 1. Januar 2015 in Kraft getretenen BGS/EWS vom 11. Dezember 2014 heranzuziehen. Denn gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. bb) 1. Spiegelstrich KAG sei die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eingetreten sei, nicht mehr zulässig. Danach sei der Beklagte gehindert, einen Beitrag für eine wie hier schon mehr als 20 Jahre bestehende Vorteilslage zu erheben. Auch für das neu gebildete Grundstück sei damit auf die Vorteilslage im Jahr 1993 abzustellen, wonach der auf diesen Grundstücksteil entfallende, damals festgesetzte Beitrag nach der zulässigen Geschossfläche flächengemäß anteilig zu berücksichtigen sei. Das vorhandene Gebäude sei bei der Beitragsbemessung im Jahr 1993 insoweit nicht für die Beitragsberechnung ausschlaggebend. Die 1993 herangezogene zulässige Geschossfläche müsse den neu gebildeten Grundstücken dementsprechend anteilsmäßig, also nach dem Verhältnis der Grundstücksflächen, zugeordnet werden. Damit betrage die zulässige Geschossfläche auf dem Grundstück FlNr. 624 (neu) 228 m² und dem streitgegenständlichen Grundstück FlNr. 624/10 könnten 214,9 m² als abgegolten zugerechnet werden. Sofern der Beklagte hier für die zulässige Geschossfläche auf dem streitgegenständlichen Grundstück lediglich deshalb erneut einen Beitrag erheben wolle, weil auf dem anderen Teil des ursprünglichen Grundstücks nun die tatsächliche Geschossfläche größer als die zulässige Geschossfläche sei, verkenne er, dass mit der Teilung des ursprünglichen Grundstücks auch die zulässige Geschossfläche auf die neuen Grundstücksflächen entsprechend aufgeteilt werden müsse und eine Anrechnung der abgegoltenen Geschossfläche grundstücksbezogen zu erfolgen habe. Diese Vorgehensweise würde zur erneuten Veranlagung des gleichen Vorteils führen. Vorliegend entstehe ein neuer Vorteil auf dem streitgegenständlichen Grundstück nur für die über die zulässige Geschossfläche hinausgehende tatsächlich errichtete Geschossfläche. Nur der durch die Bebauung des Grundstücks mit einem Wohnhaus neu hinzugekommene Vorteil der höheren tatsächlichen Geschossfläche von 77,51 m² (292,41 m² minus 214,90 m²) habe daher nacherhoben werden können.

Der Beklagte erhob fristgerecht die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das Urteil und begründete sie dahingehend, dass mit der Errichtung eines Gebäudes auf dem neu gebildeten Grundstück FlNr. 624/10 mit einer Geschossfläche von 292,41 m² unstreitig der Nacherhebungstatbestand des Art. 5 Abs. 2a KAG erfüllt sei. Fraglich sei allein, in welchem Umfang die im Jahr 1993 veranlagte zulässige Geschossfläche auf die neu gebildeten Grundstücke aufzuteilen sei. Da durch die Teilung des Grundstücks FlNr. 624 (alt) kein neuer Beitragstatbestand begründet worden sei, sei davon auszugehen, dass das bebaute Grundstück FlNr. 624 (neu) mit der vorhandenen Geschossfläche von 269 m² als beitragsrechtlich abgegolten zu behandeln sei. Damit stehe für das auf der FlNr. 624/10 errichtete Gebäude nur noch eine Geschossflächendifferenz von 118,41 m² zur Verfügung. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. bb) 1. Spiegelstrich KAG sei vorliegend nicht relevant, da für den Altbestand im Jahr 1993 gemäß dem damaligen Satzungsrecht und der seinerzeitigen Vorteilslage eine Abrechnung in voller Höhe vorgenommen worden sei und die die Beitragsnacherhebung rechtfertigende Vorteilslage erst mit der Errichtung des neuen Gebäudes auf der FlNr. 624/10 eingetreten sei. Die vom Verwaltungsgericht vertretene Rechtsauffassung wäre auch mit übergeordneten Rechtsgrundsätzen nicht vereinbar. Sie hätte zur Folge, dass die Grundstücke letztlich nicht entsprechend der zulässigen Geschossfläche bzw. der darüber hinausgehenden Geschossfläche der vorhandenen Bebauung zum Beitrag herangezogen werden würden. Dies stünde mit dem abgaberechtlichen Äquivalenzprinzip sowie dem Grundsatz der Gleichbehandlung nicht im Einklang. Eine Aufteilung der abgerechneten Beiträge nach der Grundstücksfläche würde nur bei unbebauten Grundstücken zu einem vorteilsgerechten Ergebnis führen. Bei bebauten Grundstücken entstünden auf der Teilfläche des Altbestandes Beitragsausfälle. Ein mit Blick auf Art. 62 Abs. 2 Nr. 1 GO unzulässiger Beitragsausfall ließe sich in dieser Fallgestaltung nur dadurch vermeiden, dass beim Grundstück FlNr. 624 (neu) eine Beitragsnachveranlagung vorgenommen werde. Das Verwaltungsgericht habe insoweit jedoch einen Nacherhebungstatbestand nach Art. 5 Abs. 2a KAG verneint.

Der Beklagte beantragt,

1. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 7. April 2016 wird insoweit aufgehoben, als der Herstellungsbeitragsbescheid des Beklagten vom 20. August 2015 insoweit aufgehoben wurde, als dort ein höherer Beitrag als 1.588,96 € festgesetzt wurde.

2. Die Klage wird insoweit abgewiesen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 7. April 2016 kostenpflichtig zurückzuweisen.

Eine Abänderung des ursprünglichen Gebührenbescheids aus dem Jahr 1993 sei nur insoweit zulässig, als durch die Neubebauung ein Vorteil entstehe. Ein solcher entstehe nur für die über die zulässige Geschossfläche hinausgehenden tatsächlichen Reste der Geschossfläche. Dieser bemesse sich aber lediglich auf eine Mehrfläche von 77,51 m², da der restliche Flächenanteil des Gebäudes auf dem Grundstück der Kläger FlNr. 624/10 bereits durch den Gebührenbescheid aus dem Jahr 1993 abgegolten und erledigt sei.

Mit Schriftsätzen vom 10. bzw. 20. Oktober 2017 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Behördenakten sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts München Bezug genommen.

Gründe

Über die Berufung konnte mit der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 7. April 2016 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beitragsbescheid des Beklagten vom 20. August 2015 ist insoweit rechtswidrig, als er einen höheren Betrag als 1.588,96 € festgesetzt hat.

1. Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Bescheids ist entweder Art. 5 Abs. 1 KAG i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 6 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung des Zweckverbands zur Abwasserbeseitigung im Hachinger Tal vom 11. Dezember 2014 (BGS/EWS 2014) oder Art. 5 Abs. 2a KAG i. V. m. § 5 Abs. 9 Satz 1 BGS/EWS 2014. Beide Möglichkeiten führen zum gleichen Ergebnis, sodass die konkrete Rechtsgrundlage offengelassen werden kann.

a) Das Verwaltungsgericht hat auf den Seiten 7 – 9 seines Urteils ausführlich dargestellt, warum seiner Auffassung nach der Beklagte mit der BGS/EWS 2014 erstmals jedenfalls seit 1990 wirksames Satzungsrecht besitzt. Der Beklagte hat diese Ausführungen in der Berufungsbegründung nicht infrage gestellt und ging ebenso wie das Verwaltungsgericht und die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids von der Rechtsgrundlage des Art. 5 Abs. 2a KAG aus. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts sind grundsätzlich schlüssig, da die Beitrags- und Gebührensatzungen bis zu der BGS/EWS 2014 (deren Nichtigkeit im Beitragsteil nicht geltend gemacht wird und wofür keine Anhaltspunkte ersichtlich sind) jedenfalls seit dem Jahr 1990 keine Regelung enthielten, wie die zulässige Geschossfläche zu berechnen ist, wenn der Bebauungsplan das Maß der baulichen Nutzung über eine Grundflächenzahl und die Wandhöhe festsetzt (vgl. auch BayVGH, U.v. 24.7.2014 – 20 BV 14.293 – juris Rn. 6 und 22; VG München, U.v. 12.12.2013 – M 10 K 12.4876). Ob allerdings schon bei Eintritt der Vorteilslage für das noch ungeteilte Grundstück FlNr. 624 (alt) im Jahr 1993 bereits aufgrund der im Gebiet des Beklagten gültigen Bebauungspläne ein Bedarf für eine solche Regelung bestand, lässt sich aus dem Vortrag der Beteiligten und den vorgelegten Akten für sich genommen nicht entnehmen. Auch aus den vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Urteilen des Verwaltungsgerichts vom 14. Januar 2016 (Az. M 10 K 15.3305 – BeckRS 2016, 53258) und vom 4. Dezember 2013 (M 10 K 02.4056 – juris) geht nur hervor, dass ein aus dem Jahr 2011 stammender Bebauungsplan eine derartige Regelung enthielt. Über vor diesem Zeitpunkt wirksame Bebauungspläne mit einer derartigen Regelung finden sich aber keine Feststellungen.

b) Hätten vor dem Jahr 2011 keine derartigen Bebauungspläne im Verbandsgebiet bestanden und lägen bei einer der seit Entstehen der Vorteilslage 1993 maßgeblichen Satzungen des Beklagten keine anderen, zur Nichtigkeit dieser Satzungen führenden Mängel vor (vgl. hierzu bezüglich der Satzung vom 5.2.1990, 26.2.1997 und 1.9.1999 VG München, U.v. 4. Dezember 2013 – M 10 K 02.4056 – juris; BayVGH, U.v. 20.7.2004 – 23 BV 04.152 – BeckRS 2004, 34128, allerdings nur zur Satzung vom 5.2.1990), so wäre der Beitrag für das ungeteilte Grundstück FlNr. 624 (alt) vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids wirksam entstanden. Rechtsgrundlage des Beitrags wäre Art. 5 Abs. 1 KAG i.V.m. der wirksamen Beitragssatzung. Der einmal wirksam entstandene Beitrag könnte wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung (vgl. Thimet in Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Band 1, Teil III, Frage 5, Nr. 1; Stadlöder in Schieder/Happ Bayerisches Kommunalabgabegesetz, 3. Aufl., Erl. zu Art. 5 KAG, Rn. 24) nicht noch einmal erhoben werden. Daher könnte als Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Bescheides nur Art. 5 Abs. 2a KAG i.V.m. § 5 Abs. 9 Satz 1 BGS/EWS 2014 herangezogen werden, da mit der Errichtung des Gebäudes auf der FlNr. 624/10 im Jahr 2012 ein weiterer Vorteil im Sinne dieser Vorschriften entstanden ist und aufgrund dessen ein weiterer Beitrag verlangt werden kann.

c) Aber auch wenn der Beklagte mit der BGS/EWS 2014 erstmals über wirksames Satzungsrecht seit jedenfalls 1990 verfügte, die vorherigen Satzungen also alle im Beitragsteil nichtig wären, wäre nur noch die Festsetzung des aufgrund der Neuerrichtung des Wohnhauses auf dem Flurstück 624/10 entstandenen Beitrags möglich.

Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Bescheids wäre dann aber Art. 5 Abs. 1 KAG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 6 BGS/EWS 2014. Denn die Anwendbarkeit des Art. 5 Abs. 2a KAG setzt voraus, dass zunächst bereits ein Beitrag nach Art. 5 Abs. 1 KAG aufgrund einer gültigen Satzung wirksam entstanden ist (und dies unabhängig davon, ob der Beitrag zuvor festgesetzt und/oder bezahlt wurde, vgl. Stadlöder a.a.O., Erl. zu Art. 5 KAG, Rn. 29). Dies wäre hier dann aber gerade nicht der Fall.

Der Festsetzung des Beitrags, soweit er die mit dem Anschluss des ungeteilten Grundstücks FlNr. 624 (alt) an die Entwässerungseinrichtung des Beklagten eingetretene Vorteilslage betrifft, steht aber Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. bb) 1. Spiegelstrich KAG entgegen. Danach gilt die die Festsetzungsverjährung regelnde Vorschrift des § 169 Abgabenordnung (AO) mit der Maßgabe, dass über Abs. 1 Satz 1 hinaus die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist. Diese Bestimmung wurde vom bayerischen Gesetzgeber aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (1 BvR 2457/08 – NVwZ 2013, 1004) ins Kommunalabgabengesetz aufgenommen. Das Bundesverfassungsgericht hat darin entschieden, dass die bisherige Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. cc) 2. Spiegelstrich des KAG gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichen Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips verstoße, indem er erlaube, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen.

Der Begriff des Vorteils ist grundsätzlich, wie sich bereits aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt, rein tatsächlich zu verstehen. Hier ist daher die Vorteilslage mit dem erstmaligen Anschluss des noch ungeteilten Grundstücks FlNr. 624 (alt) an die Entwässerungseinrichtung des Beklagten im Jahre 1993 entstanden. Der Vorteil ist zwar grundsätzlich rein tatsächlich zu verstehen, kann aber immer nur unter Berücksichtigung des vom Beitragsgläubiger in seiner Satzung gewählten Beitragsmaßstabs bestimmt werden (BayVGH, U.v. 13.7.2017 – 20 B 16.1659 – juris Rn. 22). Nur so ist feststellbar, bezüglich welchen Vorteils die Frist wann zu laufen begonnen hat und wann sie beendet ist. Der Beklagte hat in der BGS/EWS 2014 wie auch in sämtlichen Vorgängersatzungen seit 1986 den Beitrag nach der zulässigen Geschossfläche berechnet (§ 5 Abs. 1 BGS/EWS 2014). Die 20-jährige Frist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. bb) 1. Spiegelstrich KAG begann damit mit dem Anschluss im Jahr 1993 zu laufen und war Ende 2013 und damit vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides am 20. August 2015 abgelaufen. Eine erstmalige rechtmäßige Beitragserhebung war auch, wenn man von einer Nichtigkeit sämtlicher Beitrags- und Gebührensatzungen bis zur derzeit gültigen BGS/EWS 2014 ausgeht, insoweit nicht mehr möglich. Rechtsgrundlage für die Erhebung des nach der Grundstücksteilung mit Errichtung des Wohnhauses auf dem klägerischen Grundstück entstandenen weiteren Vorteils (siehe im Folgenden) bleibt aber Art. 5 Abs. 1 KAG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 6 BGS/EWS 2014.

2. Mit Errichtung des Wohnhauses auf dem vom ursprünglichen Grundstück FlNr. 624 (alt) abgetrennten Grundstück FlNr. 624/10 ist ein weiterer Vorteil in Form einer Geschossflächenmehrung eingetreten, der eine Beitragserhebung, wie sie mit dem streitgegenständlichen Bescheid erfolgt ist, grundsätzlich rechtfertigt.

Der Beklagte hat in der BGS/EWS 2014 - wie auch in sämtlichen Vorgängersatzungen seit 1986 - den Beitrag nach der zulässigen Geschossfläche berechnet (§ 5 Abs. 1 BGS/EWS 2014). Dieser Maßstab wird dahingehend modifiziert, dass, wenn im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld eine größere Geschossfläche zugelassen oder vorhanden ist, diese zugrunde zu legen ist (§ 5 Abs. 2 Satz 6 BGS/EWS 2014). Wann die Beitragsschuld entsteht, ergibt sich aus § 3 BGS/EWS 2014. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 entsteht die Beitragsschuld mit der Verwirklichung des Beitragstatbestandes. Ändern sich die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände im Sinn des Art. 5 Abs. 2a KAG, so entsteht die zusätzliche Beitragsschuld mit dem Abschluss der Maßnahme (§ 3 Abs. 1 Satz 2 BGS/EWS 2014). Nach § 5 Abs. 9 Satz 1 BGS/EWS 2014 entsteht ein zusätzlicher Beitrag mit der nachträglichen Änderung der für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände, soweit sich dadurch der Vorteil erhöht. Eine Beitragspflicht entsteht insbesondere, wenn sich die konkrete Bebauung auf dem Grundstück später vergrößert (§ 5 Abs. 9 Satz 2, Buchst. a), 3. Alt BGS/EWS 2014).

Dies bedeutet, dass im Falle des Grundstücks FlNr. 624/10 mit der Errichtung des Wohnhauses auf diesem Grundstück und der daraus folgendem Geschossflächenmehrung Ende 2012 ein weiterer Vorteil entstanden ist. Denn auf diesem 614 m² großen Grundstück befand sich nun ein Gebäude mit einer Geschossfläche von 292,41 m². Aufgrund der unstreitig geltenden Geschossflächenzahl von 0,35 betrug die zulässige Geschossfläche im Sinne von § 5 Abs. 1, 2 BGS/EWS 2014 jedoch nur 214,90 m². Damit übertraf die tatsächliche Geschossfläche die zulässige Geschossfläche, so dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 9 Satz 1, Abs. 2 Satz 6 BGS/EWS 2014 vorlagen.

3. Streitig zwischen den Beteiligten ist allein, wie die Anrechnung des bereits für das noch ungeteilte Grundstück FlNr. 624 (alt) erhobenen Beitrags zu erfolgen hat.

Wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung (s.o.) kann, soweit der Vorteil bereits einmal abgerechnet wurde, dieser bei der Nacherhebung nicht erneut berücksichtigt werden. Es stellt sich daher die Frage, wie die bereits abgerechnete Geschossfläche von 443 m² auf die beiden neu entstandenen Grundstücke zu verteilen ist. Hierzu sind grundsätzlich zwei Varianten denkbar: Entweder die Zurechnung zum Restgrundstück FlNr. 624 (neu) bis zur dort vorhandenen tatsächlichen Geschossfläche, wie sie im streitgegenständlichen Bescheid vorgenommen wurde und wie es der Beklagte auch im Berufungsverfahren vertritt. Oder aber die anteilige Zurechnung zu den beiden neu entstandenen Grundstücken gemäß der anteiligen Grundstücksgröße, wie sie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil vertreten hat. Dabei ist vor Augen zu führen, dass die erste Variante neben dem Eigentümer des Restgrundstückes, hier also der FlNr. 624 (neu), auch den Beklagten begünstigt, während sie den Eigentümer des abgetrennten Grundstückes, hier also die Kläger, belastet, da ihnen ein geringerer Teil der bereits abgerechneten zulässigen Geschossfläche angerechnet würde, als ihnen von der Grundstücksfläche her zuzurechnen wäre. Die zweite Variante führt dagegen zu einer gleichmäßigen Verteilung der Geschossfläche auf die neu gebildeten Grundstücke bzw. Grundstücksteile entsprechend ihrer Grundstücksfläche. Die bereits nach dem Maßstab der zulässigen Geschossfläche abgerechnete Geschossfläche wird damit wieder in Abhängigkeit von der Grundstücksfläche der neu gebildeten Grundstücksteile berücksichtigt. Dies führt im Ergebnis zwar, wie der Beklagte zutreffend anmerkt, dazu, dass auf dem Grundstück FlNr. 624 (neu) ein Teil der dort vorhandenen, über die zulässige Geschossfläche hinausgehenden tatsächlichen Geschossfläche nicht mehr veranlagt werden kann.

Dennoch ist die Anrechnung des bereits abgerechneten Vorteils entsprechend dem Urteil des Verwaltungsgerichts anteilsmäßig nach der Größe der Grundstücke nach der Grundstücksteilung vorzunehmen. Denn für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts ist auf zwei Zeitpunkte abzustellen. Dies ist einerseits der Zeitpunkt der Entstehung des ursprünglichen Beitrags bzw. des Eintritts der Vorteilslage für das ungeteilte Grundstück FlNr. 624 (alt) im Jahr 1993, als dieses Grundstück durch den öffentlichen Kanal erschlossen wurde, und andererseits die Errichtung des Wohngebäudes auf dem (geteilten) Grundstück FlNr. 624/10 im Herbst 2012, mit dem der zusätzliche Vorteil für dieses Grundstück entstanden ist. Alle Veränderungen, die auf dem Grundstück FlNr. 624 (alt) zwischen diesen Zeitpunkten vorgefallen sind, sind beitragsrechtlich nicht relevant und können daher auch für die Frage, wie der bereits 1993 abgerechnete Vorteil anzurechnen ist, nicht berücksichtigt werden.

Daher kann der Umstand, dass auf dem noch ungeteilten Grundstück FlNr. 624 (alt) kurz nach der Entstehung des Beitrags ein Wohngebäude errichtet wurde, nicht berücksichtigt werden: Denn die Frist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb) 1. Spiegelstrich KAG ist, was diese Vorteilslage angeht, abgelaufen. Daneben führte dies wegen der damaligen Größe des Grundstücks und des Maßstabs der zulässigen Geschossfläche nicht zur Entstehung eines über die zulässige Geschossfläche hinausgehenden Vorteils. Eine Differenzierung danach, ob das Grundstück im Zeitpunkt der Teilung bebaut war oder nicht, wie sie der Beklagte fordert, ist nicht möglich. Denn dieses Differenzierungskriterium kann beitragsrechtlich nicht berücksichtigt werden und kann daher auch eine Ungleichbehandlung dieser Sachverhalte nicht rechtfertigen.

Eine Verletzung von Art. 62 Abs. 2 Nr. 1 GO liegt entgegen der Auffassung des Beklagten schon deshalb nicht vor, weil diese haushaltrechtliche Bestimmung eine Erhebung von Beiträgen nur innerhalb der Grenzen des Beitragsrechts verlangt, wie sich bereits aus Art. 62 Abs. 1 GO ergibt. Mit diesem ist der streitgegenständliche Bescheid aber, wie sich aus Vorstehendem ergibt, nicht vereinbar.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO i.V.m. § 125 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 24. Juli 2014 - 20 BV 14.293

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Referenzen

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Kerngebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur.

(2) Zulässig sind

1.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
2.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, Betriebe des Beherbergungsgewerbes und Vergnügungsstätten,
3.
sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe,
4.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
5.
Tankstellen im Zusammenhang mit Parkhäusern und Großgaragen,
6.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter,
7.
sonstige Wohnungen nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Tankstellen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 5 fallen,
2.
Wohnungen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 6 und 7 fallen.

(4) Für Teile eines Kerngebiets kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass

1.
oberhalb eines im Bebauungsplan bestimmten Geschosses nur Wohnungen zulässig sind oder
2.
in Gebäuden ein im Bebauungsplan bestimmter Anteil der zulässigen Geschossfläche oder eine bestimmte Größe der Geschossfläche für Wohnungen zu verwenden ist.
Dies gilt auch, wenn durch solche Festsetzungen dieser Teil des Kerngebiets nicht vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient.

(1) Als Vollgeschosse gelten Geschosse, die nach landesrechtlichen Vorschriften Vollgeschosse sind oder auf ihre Zahl angerechnet werden.

(2) Die Geschossflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter Geschossfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche im Sinne des § 19 Absatz 3 zulässig sind.

(3) Die Geschossfläche ist nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Vollgeschossen zu ermitteln. Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass die Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und einschließlich ihrer Umfassungswände ganz oder teilweise mitzurechnen oder ausnahmsweise nicht mitzurechnen sind.

(4) Bei der Ermittlung der Geschossfläche bleiben Nebenanlagen im Sinne des § 14, Balkone, Loggien, Terrassen sowie bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen (seitlicher Grenzabstand und sonstige Abstandsflächen) zulässig sind oder zugelassen werden können, unberücksichtigt.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

Tenor

I.

Unter Änderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. Dezember 2013 wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Beitragsbescheides des Beklagten, mit dem dieser einen Beitrag zur Herstellung der Entwässerungsanlage in Höhe von 324.545,23 Euro nachforderte.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. .../...straße ..., Gemarkung N. Dieses befindet sich im Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 91 „Gewerbepark ...“ der Gemeinde ..., der im Jahre 2007 in Kraft getreten ist. Als Maß der baulichen Nutzung setzt der Bebauungsplan eine Grundflächenzahl (GRZ) von 0,8 und eine maximal zulässige Wandhöhe von 16,00 m fest.

Mit Bescheid vom 21. Januar 2010, geändert durch Bescheid vom 17. März 2010, setzte der Beklagte für die Herstellung der Entwässerungsanlage für das klägerische Grundstück einen Beitrag in Höhe von 177.127,83 Euro fest. Als Beitragsmaßstab wurde dabei gemäß § 5 Abs. 4 Buchst. a der Beitrags-, Gebühren- und Kostensatzung zur Entwässerungssatzung des Abwasserzweckverbandes ... vom 30. Juni 2008 (BGS 2008) die für vergleichbare Baugebiete in der jeweiligen Verbandsgemeinde festgesetzte Nutzungsziffer zugrunde gelegt, weil der Beklagte zunächst der Auffassung war, aus den Festsetzungen des Bebauungsplans, der als Maß der Bebauung eine Grundflächenzahl und eine Wandhöhe festlegt, keine zulässige Geschossfläche ermitteln zu können. Dem Bescheid lag bei einer Nutzungsziffer von 0,55 eine zulässige Geschossfläche von 12.835,35 m² zugrunde.

Nach einem Hinweis des Kommunalen Prüfungsverbandes setzte der Beklagte mit Bescheid vom 20. Dezember 2011 im Wege der Nachforderung den hier streitigen weiteren Beitrag in Höhe von 324.545,23 Euro für eine bisher nicht veranlagte zulässige Geschossfläche in Höhe von 23.517,77 m² fest. § 5 Abs. 4 BGS 2008 sei nicht einschlägig, weil in dem Bebauungsplan das zulässige Maß der Nutzung festgesetzt sei. Nach § 5 Abs. 2 Satz 3 BGS 2008, der die Geschossfläche nach der Baumassenzahl bestimme, könne in entsprechender Anwendung und in Verbindung mit § 21 BauNVO auf die angesetzte Geschossfläche geschlossen werden.

Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch wies das Landratsamt F. mit Bescheid vom 11. September 2012 als unbegründet zurück.

Der dagegen erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht statt, weil die BGS 2008 des Beklagten im Beitragsteil nichtig sei. Die Verteilungsregelung erfasse nämlich nicht diejenigen Fälle, für die im Bebauungsplan, wie im vorliegenden Fall, eine Grundflächenzahl und eine Wandhöhe festgesetzt seien. § 5 Abs. 4 Buchst. a der BGS 2008 könne diese Lücke nicht schließen. Er sei nur einschlägig in Fällen, in denen in einem aufgestellten Bebauungsplan das zulässige Maß der Nutzung nicht festgesetzt sei. Dieses sei aber hier durch die Grundflächenzahl und Wandhöhe festgeschrieben. Eine Differenzierung zwischen einer Festsetzung im baurechtlichen und im beitragsrechtlichen Sinne sei nicht möglich. Die Regelungslücke könne auch nicht geschlossen werden. Die BGS 2008 regele daher nicht alle Fälle, die im Entsorgungsgebiet des Beklagten vorkämen und sei somit im Beitragsteil nichtig. Das Verwaltungsgericht ließ die Berufung wegen der rechtlichen Schwierigkeit des Falles und wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Er verweist dazu auf die Beitrags-, Gebühren- und Kostensatzung zur Entwässerungssatzung des Abwasserzweckverbandes ... vom 5. Mai 2014 (BGS 2014), die in § 5 Abs. 2 Satz 4 einen Berechnungsschlüssel für den Fall, dass im Bebauungsplan eine Grundflächenzahl und eine Wandhöhe festgesetzt seien, enthalte. Bei derartigen Festsetzungen ergebe sich die Geschossfläche aus der Vervielfachung der jeweiligen Grundstücksfläche mit der Grundflächenzahl multipliziert mit der Wandhöhe, geteilt durch 8,0. Unter Ansatz dieser Satzungsregelung errechne sich für das klägerische Grundstück eine Geschossfläche von 37.339,20 m², so dass sich ein Herstellungsbeitrag von insgesamt 515.280,96 Euro ergebe.

Die Klägerin tritt der Berufung entgegen. Alleinige Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 20. Dezember 2011 sei die vollumfänglich rechtswirksame BGS 2008. Diese Satzung weise keine Regelungslücke auf und sei daher rechtlich nicht zu beanstanden. Auf die beitragsrechtlichen Regelungen der BGS 2014 komme es daher nicht an. Eine Beitragsschuld, die aufgrund einer gültigen Satzung einmal in einer bestimmten Höhe entstanden sei, könne durch eine spätere Satzung nicht mehr geändert werden. Außerdem sei die nunmehr erlassene BGS 2014 erst am 30. Mai 2014 und damit nach Erlass des Änderungsbescheids vom 17. März 2010 und nach Erlass des Nachforderungsbescheids vom 20. Dezember 2011 in Kraft getreten. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides komme es daher auf die BGS 2014 nicht an. Darüber hinaus sei die neue Satzung im gesamten Beitragsteil nichtig, weil sie dem aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 BV folgenden Grundsatz des sachgerechten Vorteilsausgleich, dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche. Denn es handle sich um eine ausschließliche Schmutzwasserkanalisation, für die nur ein reiner Geschossflächenmaßstab ohne Grundstücksflächenkomponente sachgerecht sei. Der Maßstabsfaktor Grundflächenzahl sei auch mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 91 beitragsrechtlich ungeeignet und offensichtlich nicht vorteilsgerecht, weil es sich um ein Gewerbegebiet handele, in dem sich in erster Linie Speditions- und Logistikbetriebe angesiedelt hätten. Derartige Gebiete zeichneten sich durch umfangreiche Stellplatz- und Bewegungsflächen sowie Be- und Entladungszonen für Lastkraftwagen aus. So weise das auf dem streitgegenständlichen Beitragsbescheid veranlagte Grundstück der Klägerin zwar eine Grundflächenzahl von 0,79 auf, die Hälfte der versiegelten Flächen entfalle allerdings auf befestigte Flächen, auf denen sich keine Gebäude mit Vollgeschossen befänden. Betrachte man allein die Flächenversiegelung durch Gebäude, ergäbe sich eine Grundflächenzahl von 0,39. Ein erheblicher Teil der überbauten Grundstücksfläche werde daher nicht als Geschossfläche, sondern lediglich als befestigte Grundstücksfläche genutzt. Unerfindlich bleibe auch, auf welcher Grundlage in der neuen Satzung die Teilungsziffer 8,0 ermittelt worden sei. Diese Zahl sei offensichtlich völlig willkürlich gegriffen, weil eine Geschosshöhe von 8 m im Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 91 höchst ungewöhnlich sein dürfte. Zudem bleibe bei Anwendung eines Maßstabs, der die Gebäudekubatur allein mit der Wandhöhe definieren wolle, unberücksichtigt, dass auch ein Dachgeschoss als Vollgeschoss ausgeführt werden könne. Werde im Bebauungsplan nur die Wandhöhe festgesetzt, bliebe damit ein Dachgeschoss als Vollgeschoss beitragsrechtlich unberücksichtigt. Dieser Maßstab könne damit keine Beitragsgerechtigkeit gewährleisten und sei daher rechtswidrig. Es bleibe auch unerfindlich, wie aus der Grundflächenzahl kombiniert mit der Wandhöhe eine Baumasse ermittelt werden könne. Die Heranziehung der zulässigen Grundfläche führe dazu, dass auch Flächen für Stellplätze und deren Zufahrten beitragspflichtig würden. Diese müssten bei der Beitragsberechnung allerdings unberücksichtigt bleiben, da der Kanalisation lediglich Schmutzwasser zugeführt werde.

In der mündlichen Verhandlung beantragte der Beklagte,

unter Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 12. Dezember 2013 die Klage abzuweisen.

Die Klägerseite beantragte,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf die gefertigte Sitzungsniederschrift sowie auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die vom Verwaltungsgericht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassene - der ebenfalls angezogene Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten steht dem Verwaltungsgericht nicht zu Gebote (vgl. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) - und auch ansonsten gemäß § 124a Abs. 2, Abs. 3 Sätze 1, 2 und 4 VwGO zulässige Berufung ist begründet.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 20. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2012 hat in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG i. V. m. § 2 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGS 2014 eine tragfähige Rechtsgrundlage.

Dem steht nicht entgegen, dass die BGS 2014 gemäß § 20 am 30. Mai 2014 in Kraft getreten ist, der angefochtene Bescheid und der Widerspruchsbescheid aber vorher, nämlich unter dem 20. Dezember 2011 bzw. dem 11. September 2012 erlassen wurden. Denn ein nicht bestandskräftiger Bescheid, der aufgrund einer nichtigen Satzung zunächst rechtswidrig ist, kann durch eine wirksame neue Satzung, auch wenn dieser keine Rückwirkung zukommt, rechtmäßig werden. Das hat der Senat in ständiger Rechtsprechung erkannt (zuletzt grundsätzlich U.v. 29.4.2010 BayVBl 2008, 240; B.v. 6.4.2010 NVwZ 2001, 706 = BayVBl 2000, 472; U.v. 1.3.2007 - 23 B 06.1668). Damit ist der Senat einer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gefolgt, wonach durch eine solche Rechtsänderung während des gerichtlichen Verfahrens ein zunächst vorhandener Aufhebungsanspruch entfällt (BVerwG, U.v. 25.11.1981, BVerwGE 64, 218/223). Diese Rechtsprechung ist zum Beitrag für die Erschließung nach dem (früheren) Bundesbaugesetz ergangen, für die hier in Mitten stehende Abgabe kann aber nichts anderes gelten. Somit war der Beklagte berechtigt, durch den Erlass der neuen BGS 2014, auch wenn ihr keine Rückwirkung beigemessen wurde, dem angegriffenen Bescheid eine gültige Rechtsgrundlage zu verleihen. Ein Vertrauen darauf, dass eine ungültige Abgabesatzung nicht nachträglich durch eine gültige ersetzt wird, ist nicht schützenswert. Die Berücksichtigung einer Heilungsmöglichkeit mit ex nunc Wirkung begegnet auch im Hinblick auf die Rechtsposition des Beitragspflichtigen keinen durchgreifenden Bedenken, weil ihm rechtliches Gehör gewährt werden muss und er in Folge dessen Gelegenheit erhält, zur Änderung der Rechtslage Stellung zu nehmen und die Kosten des Verfahrens gegebenenfalls durch eine Erledigterklärung abzuwenden (BVerwG, U.v. 27.4.1990 BayVBl 1990, 666/667; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2014, Rn. 174 zu § 8).

Der Beitragsmaßstab in § 5 BGS 2014, insbesondere der hier gegenständliche Maßstab der zulässigen Geschossfläche (§ 5 Abs. 1 BGS 2014), der sich vorliegend aus der Grundflächenzahl multipliziert mit der Grundstücksfläche multipliziert mit der Wandhöhe geteilt durch 8,0 ergibt (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 4 BGS 2014), begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Soweit die Klägerseite Verstöße gegen den Gleichheitssatz, den gerechten Vorteilsausgleich und das Äquivalenzprinzip rügt, erweist sich das nicht als tragfähig. Die von ihr vorgenommene Gegenüberstellung des sich nunmehr aufgrund des § 5 Abs. 2 Satz 4 BGS 2014 ergebenden Beitrags von 515.280,96 Euro mit der Berechnung nach dem Beitragsmaßstab gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 BGS 2014 ist bereits im Ansatz verfehlt. Denn hierbei hat die Klägerin eine Baumasse von 131.961,84 m³ zugrunde gelegt, die dem Bescheid vom 20. Dezember 2011 entnommen ist und die auf einer Berechnung beruht, die lediglich die tatsächlich verwirklichte Bebauung berücksichtigt, was im Widerspruch zum Grundsatz des § 1 Abs. 1 BGS 2014 steht. Eine Berechnung nach der tatsächlich vorhandenen Bebauung war übrigens (auch) der Grund dafür, dass das Verwaltungsgericht die BGS 2008, der der Beklagte eine nach der tatsächlichen Bebauung ausgerichtete Berechnung entnahm, im Beitragsteil für nichtig erklärte. Der von der Klägerin im Verfahren nachhaltig vertretene und auch in der mündlichen Verhandlung nochmals vertiefte Standpunkt, dass die Ausschöpfung der zulässigen Geschossfläche in einem Speditions- und Logistikgebiet, in dem das betroffene Grundstück liegt, in der Praxis nicht getätigt werde und gänzlich weltfremd sei, ist bei dem Maßstab der zulässigen Geschossfläche unbeachtlich, weil der den Beitrag rechtfertigende Vorteil in der Möglichkeit der Inanspruchnahme und nicht in der tatsächlichen Ausnutzung liegt. Es spielt daher auch bei der reinen Schmutzwasserentsorgung keine Rolle, dass das Grundstück der Klägerin zahlreiche befestigte Flächen ohne Schmutzwasserableitung hat. Aus diesem Grund weist auch die von der Klägerin vorgelegte „Zusammenstellung der Flächen“ eines Architekturbüros vom 22. Februar 2010, nach der die tatsächliche Bruttogeschossfläche 4.023 m² beträgt, keinen Bezug zu dem hier einschlägigen Beitragsmaßstab auf. Lediglich zur Verdeutlichung sei darauf hingewiesen, dass sich im vorliegenden Fall auch keine andere Beitragspflicht für die Klägerin ergäbe, wenn sie das Grundstück baulich und gewerblich gänzlich ungenutzt ließe.

Die Berechnung der Geschossfläche auf der Basis der Grundflächenzahl verstößt auch mit dem Blick auf mögliche Stellplätze und Zufahrten nicht gegen beitragsrechtliche Grundsätze. Der Umstand, dass nach § 19 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauNVO bei der Ermittlung der Grundfläche die Grundflächen etwaiger Stellplätze und Zufahrten mitzurechnen sind, ist beitragsrechtlich ohne Bedeutung, weil der Beitrag nach der höchstmöglichen zulässigen Geschossfläche berechnet wird. Ob ein Grundstückseigentümer entsprechende Nebenanlagen oder aber Gewerbebauten errichtet, liegt allein in seiner Entscheidung. Nichts anderes gilt für einen Dachgeschossausbau. Im Rahmen der planungsrechtlichen Vorgaben oder Einzelgenehmigungen mögen Gebäude im fraglichen Gebiet auch (ausgebaute) Dachgeschosse aufweisen. Halten sich diese innerhalb der planungsrechtlich vorgegebenen Wandhöhe, hat ihr Vorhandensein auf den nach der zulässigen (aus Grundstücksfläche, Grundflächenzahl, Wandhöhe und Divisor ermittelten) Geschossfläche zu erhebenden Beitrag keinen Einfluss. Übersteigt ein Dachgeschoss die zulässige Wandhöhe von 16 m, wird nach der tatsächlichen Geschossfläche eine Zusatzberechnung nach § 5 Abs. 2 Satz 6 BGS 2014 oder im Falle einer nachträglichen Änderung eine Nachberechnung nach § 5 Abs. 10 BGS 2014 durchgeführt.

Schließlich handelt es sich bei dem Beitragsmaßstab in § 5 BGS 2014 um einen reinen Geschossflächenmaßstab, wie er für die Abrechnung von Anlagen ausschließlich der Schmutzwasserentsorgung geeignet ist. Maßgebend ist bei allen aufgeführten Varianten des § 5 BGS 2014 ausschließlich das Maß der baulichen Nutzung gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 KAG, zu dessen Bestimmung die überplante Grundstücksfläche regelmäßig heranzuziehen ist (vgl. §§ 19, 20 BauNVO). Dadurch, dass bei der Berechnung der Geschossfläche auch die Frage der Grundstücksgröße eine Rolle spielt, wird nicht die Grundstücksfläche als solche zum bei der reinen Schmutzwasserentsorgung ungeeigneten Beitragsmaßstab. Sie dient lediglich notwendigerweise zur Ermittlung der heranzuziehenden Geschossfläche, deren Berechnung bei den entsprechenden bauplanungsrechtlichen Vorgaben nicht auf andere Weise möglich ist.

Verfehlt ist die Rüge der Klägerin bezüglich des Divisors 8,0 in § 5 Abs. 2 Sätze 3, 4 (hier einschlägig) und 5 BGS 2014. Sinnvoller Weise verringert sich die heranzuziehende Geschossfläche mit der Vergrößerung des Divisors. Es ist nicht entfernt ersichtlich, inwiefern diese Festsetzung der BGS 2014 rechtlichen Bedenken begegnen sollte.

Schließlich vermag die Klägerin auch nicht mit ihrem Hinweis auf den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung durchzudringen, deren Möglichkeit mit dem Bescheid vom 17. März 2010, der eine Beitragsforderung von 177.127,83 Euro festsetzte, ausgeschöpft wäre. Das hätte zur Voraussetzung, dass eine solche Forderung entstanden und rechtmäßig erhoben worden wäre, was zunächst schon die Tragfähigkeit der BGS 2008 voraussetzte. Diese war im Beitragsteil aber nichtig, wie das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil zutreffend erkannt hat. Der Senat verweist insoweit auf die Darlegungen des Urteils (Seiten 11 bis 14). Aber selbst dann, wenn die BGS 2008 im Beitragsteil rechtswirksam gewesen wäre, könnte sich der Kläger nicht auf die Beitragsfestsetzung vom 17. März 2010 als abschließende Regelung berufen. Denn damit war die BGS 2008 - ihre Wirksamkeit immer unterstellt - auch fehlerhaft angewandt. Denn der hier angezogene § 5 Abs. 4 Buchst. a BGS 2008 ist offenkundig nicht einschlägig. Er betrifft nach seinem eindeutigen Wortlaut Gebiete, für die ein Bebauungsplan besteht, indem das zulässige Maß der (baulichen) Nutzung nicht festgesetzt ist. Mit der Grundflächenzahl und der zulässigen Wandhöhe weist der Bebauungsplan Nr. 91 „Gewerbegebiet Römerweg“ der Gemeinde N. b. F. das Maß der baulichen Nutzung aus. Denkbar wäre es allenfalls, wollte man unter Hintanstellung aller Bedenken den Beitragsteil der BGS 2008 nicht mit dem Verdikt der Nichtigkeit verwerfen, entsprechend Anmerkung 2 zu § 5 Abs. 2 des Musters einer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung nach der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 20. Mai 2008 (MBl 2008, 350, 356) die Geschossfläche aus der maximal zulässigen, mit Hilfe der Wandhöhe zu ermittelnden Baumasse zu errechnen, was, worauf das Verwaltungsgericht hingewiesen hat, zu einer weit höheren Geschossfläche als zu der im angefochtenen Bescheid vom 20. Dezember 2011 zugrunde gelegten geführt hätte. Nur mit einer solchen Berechnungsweise wäre im Vergleich zu Grundstücken, deren beitragspflichtige Geschossfläche mit Hilfe der Baumassenzahl errechnet wurde (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 3 BGS 2008) eine gerechte Handhabung der Beitragserhebung aufgrund der BGS 2008 möglich gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

I.

Der Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom 14. Juli 2015 wird aufgehoben.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung der Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Nacherhebung eines Herstellungsbeitrags zur Entwässerungseinrichtung aufgrund einer Bebauungsplanänderung, welche eine höhere zulässige Geschossfläche als bisher vorsieht.

Der Beigeladene ist Miteigentümer des Anwesens ...-straße 10 in ..., FlNr. ... Gem. ... mit einer Fläche von 1440 qm, welches seit den 1970er Jahren aufgrund eines früheren einfachen Bebauungsplans mit einem Mehrfamilienhaus nach WEG bebaut ist. Das Grundstück wurde mit Bescheid des Klägers vom 2. Mai 1972 zu einem Herstellungsbeitrag zur Entwässerungseinrichtung nach der Anzahl an Wohnungen, gestaffelt nach Wohnungsgrößen, herangezogen.

Die Gemeinde ... stellte den Bebauungsplan Nr. ... für das Gebiet entlang der ...-straße neu auf, rechtsverbindlich seit 19. August 2011. Der Bebauungsplan setzt im gesamten Geltungsbereich und damit auch für das Grundstück des Beigeladenen als Maß der baulichen Nutzung eine Grundflächenzahl (GRZ) von maximal 0,3, eine maximale Firsthöhe von 10,30 m und eine maximale Traufhöhe von 8,3 m fest.

Mit Beitragsbescheid vom 19. Juli 2013 setzte der Kläger für das Grundstück ...-straße 10 einen Herstellungsbeitrag für die öffentliche Entwässerung in Höhe von insgesamt 7.502,08 Euro fest, von dem entsprechend seines Miteigentumsanteils auf den Beigeladenen ein Beitrag in Höhe von 809,40 Euro entfiel.

Zur Begründung wurde ausgeführt, die Gemeinde habe für die Grundstücke in der ...-straße einen neuen Bebauungsplan erlassen. Für das Grundstück ...-straße 10 sei eine zulässige Geschossfläche festgesetzt worden, die die bisherige beitragspflichtige Geschossfläche übersteige. Da sich somit der beitragsrechtliche Vorteil für das Grundstück erhöht habe, sei mit dem Inkrafttreten des Bebauungsplans am 19. August 2011 ein zusätzlicher Beitrag entstanden. Nach den Festsetzungen einer GRZ von 0,3 und einer maximalen Traufhöhe von 8,3 m sehe die Beitragssatzung vor, dass die zulässige Geschossfläche aus der Baumasse bzw. aus der Kubikmetermasse, geteilt durch 3,5, ermittelt werde. Die zulässige Geschossfläche betrage danach 1024,46 qm (1440 qm x 0,3 x 8,3 m /3,5 m). Für das Grundstück sei bereits ein Beitrag für 555,58 qm erhoben worden. Abzüglich dieser abgegoltenen Geschossfläche sei der Beitrag für 468,88 qm nachzuerheben. Der Beitragssatz betrage normalerweise 20,50 Euro/qm. Da der Aufwand für den Grundstücksanschluss jedoch vom Grundstückseigentümer getragen worden sei, gelte der abgestufte Beitragssatz von 16 Euro/qm. Daraus ergebe sich ein Beitrag insgesamt von 7.502,08 Euro (468,88 qm x 16 Euro/qm); auf den Miteigentumsanteil des Beigeladenen entfalle damit ein Beitrag in Höhe von 809,40 Euro.

Gegen den Beitragsbescheid legte der Beigeladene mit Schreiben vom 26. Juli 2013 (Eingang 30. Juli 2013) beim Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung wurde vorgetragen, der Bebauungsplan lasse nunmehr zwar eine Geschossflächenerhöhung zu, nach den Beschlüssen der vergangenen Eigentümerversammlungen sei jedoch keine bauliche Veränderung in Form einer Geschossflächenerhöhung geplant. Auch die Teilungserklärung lasse keine Erweiterung zu. Eine Erhöhung der Geschossflächen im Anwesen erfordere die Zustimmung aller Eigentümer und notarielle Änderung der Teilungserklärung. Eine Nacherhebung nach der zulässigen Geschossfläche sei nicht zulässig. Nach der Übergangsregelung in der BGS/EWS vom 30. April 2008 sei festgelegt, soweit die Beitragsschuld vor dem 1. Januar 1990 entstanden sei und die tatsächliche Geschossfläche geringer als die zulässige Geschossfläche sei, entstehe die Beitragspflicht für diese Mehrfläche erst mit einer Veränderung des Maßes der baulichen Nutzung des Grundstücks. Das Gebäude sei bereits in den 1970er Jahren errichtet worden, so dass auch die Beitragsschuld vor dem 1. Januar 1990 entstanden sei. Ein mittlerweile entstandener Mehrbetrag könne erst bei einer tatsächlichen Veränderung des baulichen Maßes verlangt werden. Zudem sei mit dem neuen Bebauungsplan kein erweiterter Bauraum festgesetzt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2015 hob das Landratsamt ... (Landratsamt) den Beitragsbescheid des Klägers vom 19. Juli 2013 auf. Zur Begründung wird ausgeführt, Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung sei die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) vom 30. April 2008. Der Beitragsbescheid könne nicht auf § 18 Abs. 3 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 2 BGS/EWS gestützt werden. Danach entstehe, soweit die Beitragsschuld vor dem 1. Januar 1990 entstanden sei und die tatsächliche Geschossfläche geringer als die zulässige Geschossfläche sei, die Beitragspflicht für diese Mehrfläche erst mit einer Veränderung des Maßes der baulichen Nutzung des Grundstücks, der Bebauung oder der Nutzung. Eine derartige Veränderung des Maßes der baulichen Nutzung, des Grundstücks, der Bebauung oder der Nutzung habe bislang nicht stattgefunden. Die Änderung des Bebauungsplans habe zwar Auswirkungen auf die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks, die Nutzung des Grundstücks habe sich allein durch den Bebauungsplan jedoch nicht geändert. Auch eine Nacherhebung gemäß § 5 Abs. 9 Satz 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 2 BGS/EWS sei aufgrund vorstehender Erwägungen nicht einschlägig.

Der Kläger hat am 5. August 2015 beim Verwaltungsgericht München Klage erhoben und beantragt,

den Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom 14. Juli 2015 aufzuheben.

Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger habe zu Recht eine Beitragsnacherhebung vorgenommen. Das Grundstück FlNr. ... sei ursprünglich mit der vorhandenen Geschossfläche von 555,58 qm am 2. Mai 1972 zu einem Beitrag herangezogen worden. Durch die BGS/EWS vom 22. Dezember 1989 sei mit Wirkung zum 1. Januar 1990 ein Maßstabswechsel erfolgt. Anstelle der vorhandenen Geschossfläche werde seither auf die zulässige Geschossfläche abgestellt. Diese Satzung wie auch die Folgesatzungen hätten sich im Beitragsteil als nichtig herausgestellt; dies gelte auch für die BGS/EWS vom 7. Dezember 2011. Damit verfüge der Kläger erstmals mit der BGS/EWS vom 11. Dezember 2014 über wirksames Satzungsrecht für die Erhebung von Herstellungsbeiträgen. Die Übergangsvorschrift des § 17 Abs. 3 BGS/EWS komme nicht zur Anwendung, da der vorgenannte Bebauungsplan erst am 19. August 2011 in Kraft getreten sei und damit die weitere Beitragsschuld nicht vor dem 1. Januar 1990 entstanden sei.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und nimmt hierzu Bezug auf die Begründung des Widerspruchsbescheids.

Mit Beschluss vom 2. Dezember 2015 erfolgte die Beiladung des Adressaten des streitgegenständlichen Beitragsbescheids.

Wegen weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verfahrensakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der angegriffene Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom 14. Juli 2015 ist aufzuheben, da er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO

1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger kann als kommunaler Zweckverband nach Art. 17 ff. Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit (KommZG) eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen, § 42 Abs. 2 VwGO. Der Kläger wurde mit Verbandssatzung von den Mitgliedsgemeinden ..., ... und ... bereits im Jahr 1961 gegründet. Ihm wurde durch die Verbandssatzung die Aufgabe übertragen, im Bereich seiner Verbandsgemeinden eine zentrale Abwasserbeseitigung (Schmutzwasserkanalisation) zu betreiben und hierzu die erforderlichen Hauptsammler, Ortskanäle und Grundstücksanschlüsse im öffentlichen Bereich zu errichten, zu betreiben, zu unterhalten und zu erneuern (Verbandssatzung des Zweckverbands zur Abwasserbeseitigung ..., zuletzt vom 26. Juli 2007, geändert durch Satzung vom 5. Dezember 2013). Damit gehen nach Art. 22 Abs. 1 KommZG das Recht und die Pflicht der Verbandsmitglieder, die dem Zweckverband übertragenen Aufgaben zu erfüllen und die dazu notwendigen Befugnisse auszuüben, auf den Zweckverband über. Der Zweckverband hat zudem das Recht, über die Benutzung seiner öffentlichen Einrichtung, insbesondere über den Anschluss- und Benutzungszwang, sowie über die Erhebung von Gebühren und Beiträgen Satzungen zu erlassen (§ 4 Abs. 4 Verbandssatzung i. V. m. Art. 22 Abs. 2 KommZG). Der Kläger nimmt damit anstelle der Mitgliedsgemeinden deren Pflichtaufgabe der Abwasserbeseitigung im eigenen Wirkungskreis gemäß Art. 83 Abs. 1 BV, Art. 57 Abs. 1 GO, Art. 34 Abs. 1 BayWG war. Dem folgend erhebt der Kläger auch u. a. Herstellungsbeiträge, § 17 Abs. 1 Verbandssatzung, Art. 42 Abs. 1 und 4 KommZG in Verbindung mit dem Kommunalabgabengesetz. Die Aufhebung eines Beitragsbescheids des Klägers, den dieser im Rahmen seiner Aufgabenzuweisung in eigenem Namen erlassen hat, kann damit in seine Rechte eingreifen.

Da die Aufhebung des Beitragsbescheids infolge des vom Beigeladenen eingelegten Widerspruchs durch das Landratsamt als Widerspruchsbehörde für den Kläger eine erstmalige Beschwer enthält, ist Gegenstand der Anfechtungsklage der Widerspruchsbescheid des Landratsamts vom 14. Juli 2015, § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO.

2. Die Klage ist auch begründet, da der Widerspruchsbescheid zu Unrecht den Beitragsbescheid des Klägers vom 19. Juli 2013 aufhebt. Der an den Beigeladenen gerichtete Beitragsbescheid ist rechtmäßig; gegenüber dem Beigeladenen wurde zu Recht ein Herstellungsbeitrag zur Deckung seines Aufwands für die Herstellung der Entwässerungseinrichtung festgesetzt.

2.1 Der Kläger betreibt aufgrund seiner Entwässerungssatzung (EWS) zuletzt vom 7. Dezember 2011 im Rahmen der ihm von den Mitgliedsgemeinden übertragenen Aufgabe (siehe oben) eine öffentliche Einrichtung zur Abwasserbeseitigung (Entwässerungseinrichtung) für das Gebiet der Gemeinden ..., ... und ... (§ 1 Abs. 1 EWS). Von Art und Umfang der Einrichtung handelt es sich dabei um eine reine Schmutzwasserkanalisation.

2.2 Für das im Miteigentum des Beigeladenen stehende Grundstück Flnr. ... ist in Folge des Inkrafttretens des Bebauungsplans Nr. ... der Gemeinde ... eine zusätzliche Bebauungsmöglichkeit entstanden. Der Bebauungsplan lässt eine über die tatsächliche Bebauung hinausgehende weitere Bebauung zu, was einen zusätzlichen - beitragspflichtigen - baulichen Vorteil bedeutet. Über die vorhandene Bebauung mit einer gesamten Geschossfläche von 555,58 qm hinaus kann aufgrund der Festsetzungen des Bebauungsplans nunmehr eine zulässige Geschossfläche von insgesamt 1024,46 qm verwirklicht werden.

Für die Erhebung oder Nacherhebung eines Herstellungsbeitrags durch den angefochtenen Bescheid liegt mittlerweile eine Rechtsgrundlage mit der Beitragsregelung in der BGS/EWS des Klägers vom 11. Dezember 2014 vor.

Das Entstehen der Beitragsschuld setzt eine wirksame Abgabensatzung nach Art. 2 Abs. 1 KAG und gemäß Art. 5 KAG eine bebaubares oder bebautes Grundstück sowie die Erschließung dieses Grundstücks durch die öffentliche Einrichtung voraus.

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass mit der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 11. Dezember 2014 jedenfalls seit 1990 erstmals wirksames Satzungsrecht vorliegt, als vom früheren Beitragsmaßstab der vorhandenen Geschossfläche auf den Maßstab der zulässigen Geschossfläche umgestellt wurde.

Anders als in früheren Entscheidungen (U. v. 8.10.2015 - M 10 K 14.4643; U. v. 2.12.2010 - M 10 K 10.819) geht die erkennende Kammer davon aus, dass sowohl die Beitrags- und Gebührensatzung vom 30. April 2008 wie auch die vom 7. Dezember 2011 wegen eines Fehlers beim Beitragsmaßstab, der sich auf die gesamte Beitragserhebung auswirkt, nichtig waren. In § 5 BGS/EWS vom 30. April 2008 wie auch vom 7. Dezember 2011 fehlte beim Beitragsmaßstab der zulässigen Geschossfläche eine Regelung für den Fall, dass im Bebauungsplan für das Maß der zulässigen Geschossfläche eine Grundflächenzahl und eine Wandhöhe festgesetzt sind (§ 19 Abs. 1 BauNVO), bzw. dass sich die Geschossfläche aus der Grundfläche der baulichen Anlage und der Wandhöhe ergibt (§ 19 Abs. 2 BauNVO).

Hierzu hat das Verwaltungsgericht München in einem anderen Verfahren mit Urteil vom 12. Dezember 2013 (M 10 K 12.4876) entschieden, dass eine Beitrags- und Gebührensatzung im Beitragsteil nichtig ist, wenn für den Beitragsmaßstab der zulässigen Geschossfläche gerade keine Regelung zur Ermittlung dieser zulässigen Geschossfläche für den Fall getroffen ist, dass ein Bebauungsplan das Maß der baulichen Nutzung über eine Grundflächenzahl und die Wandhöhe festsetzt. Soweit hierfür ein Regelungsbedürfnis bestehe, weil Bebauungspläne im Geltungsbereich einer Beitrags- und Gebührensatzung das Maß der baulichen Nutzung über Grundflächenzahl und Wandhöhe festsetzten, würde dies zur Unwirksamkeit des Beitragsmaßstabs und letztlich zur Gesamtnichtigkeit im Beitragsteil führen, da der Verteilungsmaßstab nicht abschließend auch diese Fälle der Umschreibung der zulässigen Geschossfläche umfasse. Diese Rechtsauffassung wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bestätigt (U. v. 24.7.2014 - 20 BV 14.293 - BayVBl 2015, 22 Rn. 6 und 22).

Auch im hier zu entscheidenden Fall fehlte es in den Beitrags- und Gebührensatzungen vom 30. April 2008 und vom 11. Dezember 2014 an einer entsprechenden Regelung. Eine solche wäre auch erforderlich gewesen, da es im Verbandsgebiet bzw. im Geltungsbereich der jeweiligen BGS/EWS auch vorher bereits Bebauungspläne gab, die das Maß der zulässigen baulichen Nutzung auch mit dem Parameter der Traufhöhe bzw. Wandhöhe festlegten. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung hierzu die Bebauungspläne Am ... der Gemeinde ... und Alter ... der Gemeinde ... mit entsprechenden Festsetzungen vorgelegt. Auch der im vorliegenden Fall Anwendung findende Bebauungsplan Nr. ... der Gemeinde ... setzt das Maß der zulässigen baulichen Nutzung mit der Grundflächenzahl und der Traufhöhe fest. Da die beiden vorgenannten Beitrags- und Gebührensatzungen keine entsprechende Berechnungsregelung für diese Art der Festsetzung der zulässigen baulichen Nutzung enthielten, obwohl dies erforderlich gewesen wäre, sind sie im Beitragsteil als nichtig anzusehen. Dieser Nichtigkeitsgrund schlägt zudem auf sämtliche früheren Beitrags- und Gebührensatzungen seit der Umstellung vom Maßstab der vorhandenen Geschossfläche auf den Maßstab der zulässigen Geschossfläche ab dem 1. Januar 1990 durch. Wie ausgeführt gab es bereits vor 1990 Bebauungspläne, die das Maß baulicher Nutzung über die Traufhöhe festlegten, weshalb es zur Ermittlung des Maßes der zulässigen Geschossfläche über GRZ und Wandhöhe immer schon einer näheren Regelung in den BGS/EWS bedurft hätte. Zudem waren die früheren Beitrags- und Gebührensatzungen (z. B. vom 5.2.1990, 26.2.1997 und 1.9.1999) auch schon aus anderen Gründen nichtig (vgl. VG München, U. v. 4.12.2003 - M 10 K 02.4056; BayVGH, U. v. 20.7.2004 - 23 BV 04.152, jeweils in juris).

Das Fehlen einer Regelung zur Ermittlung der zulässigen Geschossfläche für den Fall, dass im Bebauungsplan eine Grundflächenzahl und eine Wandhöhe festgesetzt sind, wurde erst in der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 11. Dezember 2014, in Kraft getreten am 1. Januar 2015, ausgebessert. Erst diese BGS/EWS 2015 ist damit wirksame Abgabesatzung, auf welche der angefochtene Beitragsbescheid vom 19. Juli 2013 gestützt werden kann.

Im vorliegendem Fall kann dahinstehen, ob der frühere Beitragsbescheid vom 2. Mai 1972, der den Gesamt-Herstellungsbeitrag von insgesamt 11.100,-- DM festsetzte, aufgrund einer damals wirksamen Beitrags- und Gebührensatzung erlassen wurde, welche vor dem 1. Januar 1990 noch an die tatsächliche Geschossfläche als Beitragsmaß anknüpfte:

a) Sollten die vor dem 1. Januar 1990 geltenden Beitrags- und Gebührensatzungen mit dem früheren Maßstab der vorhandenen Geschossfläche nichtig gewesen sein, wäre weder im Zeitpunkt der Errichtung und des Anschlusses des Anwesens auf der FlNr. ... noch zu einem späteren Zeitpunkt bis zum 31. Dezember 1989 (Maßstabswechsel) wie auch darüber hinaus bis zum Inkrafttreten der BGS/EWS vom 11. Dezember 2014 überhaupt eine Beitragsforderung entstanden. Vielmehr könnte erstmals mit der BGS/EWS 2015 eine Beitragsforderung nach dem Maßstab der zulässigen Geschossfläche entstanden sein, Art. 5 Abs. 8 KAG. Allerdings wäre der Kläger nach Art. 13 Nr. 1 Buchst. b) Doppelbuchst. bb) erster SpStr. KAG gehindert, einen Beitrag für eine wie hier schon mehr als 20 Jahre bestehende Vorteilslage zu erheben. Nur der durch die Bebauungsplanänderung neu hinzugekommene Vorteil der höheren GFZ könnte veranlagt werden.

b) Sollte vor dem Zeitpunkt der Umstellung des Beitragsmaßstabs am 1. Januar 1990 dagegen eine wirksame Beitrags- und Gebührensatzung bestanden haben, wäre der ursprüngliche Herstellungsbeitrag für das Anwesen ...-straße 10 entstanden und zurecht gefordert worden. Allerdings wäre dann, wovon auch der Kläger ausgeht, eine Beitragsnacherhebung infolge der Mehrung der zulässigen Geschossfläche für das streitgegenständliche Anwesen durch den Bebauungsplan Nr. ... der Gemeinde ... möglich. Art. 5 Abs. 2 a Satz 1 KAG sieht (seit dem 1. Januar 1994) vor, dass ein zusätzlicher Beitrag entsteht, soweit sich die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände nachträglich ändern und sich dadurch der Vorteil erhöht. Diese Vorschrift wird in § 5 Abs. 9 BGS/EWS 2015 aufgenommen und näher konkretisiert. Danach entsteht eine Beitragsplicht insbesondere, (a) wenn sich die zulässige Geschossfläche durch Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplanes oder durch Erlass oder Änderung einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB oder durch die konkrete Bebauung auf dem Grundstück später vergrößert, für die zusätzlichen Flächen, (b) im Fall der Nutzungsänderung eines bisher beitragsfreien Gebäudes im Sinne des § 5 Abs. 7, wenn infolge der Nutzungsänderung die Voraussetzungen für die Beitragsfreiheit entfallen, (c) für Außenbereichsgrundstücke (Abs. 8), wenn sich die der Beitragsberechnung zugrunde gelegte Geschossfläche im Sinne von Abs. 8 später vergrößert oder sonstige Veränderungen vorgenommen werden, die nach Abs. 8 für die Beitragsbemessung von Bedeutung sind. Vorliegend haben sich durch den Erlass des Bebauungsplans Nr. ... die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände geändert. Der Bebauungsplan sieht nunmehr eine wesentlich höhere zulässige Bebauung als die derzeit vorhandene vor. Nach den unwidersprochenen Berechnungen des Klägers beträgt nunmehr die zulässige Geschossfläche bei einer GRZ von 0,3 und einer maximalen Traufhöhe von 8,3 m insgesamt 1024,46 qm, also erheblich mehr als die vorhandene Geschossfläche von 555,58 qm. Anders als im Widerspruchsbescheid ausgeführt, findet die Vorschrift des § 17 Abs. 3 BGS/EWS 2015 dabei keine Anwendung. Darin wird geregelt, soweit die Beitragsschuld vor dem 1. Januar 1990 entstanden ist und die tatsächliche Geschossfläche geringer als die zulässige Geschossfläche ist, entsteht die Beitragspflicht für diese Mehrfläche erst mit einer Veränderung des Maßes der baulichen Nutzung des Grundstücks, der Bebauung oder der Nutzung. Nach Sinn und Zweck dieser Regelung wie auch aufgrund des Normkontextes ergibt sich, dass dies eine Übergangsregelung für den Fall des Beitragsmaßstabswechsels von früher der tatsächlichen Geschossfläche zur dann zulässigen Geschossfläche sein soll. Damit ist beabsichtigt, dass zunächst keine Beitragsnacherhebung für den Fall erfolgt, dass schon vor dem 1. Januar 1990 ein höheres Maß an zulässiger Geschossfläche gegeben war, tatsächlich aber eine geringere tatsächliche Geschossfläche vorlag. Diese Regelung, die durchgehend in allen Beitrags- und Gebührensatzungen seit dem Jahr 1990 enthalten war, soll zum einen verhindern, dass Beitragspflichtige, die zunächst den Beitrag nach der tatsächlichen Geschossfläche entrichtet hatten, nunmehr ab dem 1. Januar 1990 erneut zu einem höheren Beitrag nach der höheren zulässigen Geschossfläche herangezogen würden, was unter Vertrauensschutzgesichtspunkten unerwünscht war, sondern dass erst bei einer konkreten Veränderung der Umstände auf ihrem Grundstück bei einer Veränderung des Maßes der baulichen Nutzung des Grundstücks, der Bebauung oder der Nutzung eine Nacherhebung erfolgen sollte.

Zum anderen dient diese Übergangsvorschrift gerade auch dem Interesse des Klägers selbst. Ohne eine derartige Übergangsvorschrift, die das Entstehen der (erhöhten) Beitragspflicht hinausschiebt, wäre für eben die Fälle der tatsächlich geringeren Geschossfläche als zulässige Geschossfläche die Beitragspflicht zum 1. Januar 1990 entstanden und nach vier Jahren verjährt. Der Kläger wäre durch die Beitragsmaßstabsumstellung gezwungen gewesen, wollte er nicht verjährende Beitragsnachforderungen hinnehmen, sämtliche Beitragstatbestände im Verbandsgebiet daraufhin zu überprüfen, ob nunmehr eine höhere Beitragsforderung entstanden war, um diese gegebenenfalls vor Verjährungseintritt geltend zu machen. Diese erhebliche Belastung des Klägers durch eine gesamte Überprüfung sämtlicher Beitragsveranlagungen sollte gerade auch durch diese Übergangsvorschrift vermieden werde, damit wie ausgeführt eine Beitragsforderung nach dem zulässigen Maß der Geschossfläche erst bei konkreten Veränderungen am Grundstück oder dem Anwesen entstand.

Im vorliegenden Fall trat aber die Veränderung - Vergrößerung der zulässigen Geschossfläche durch Aufstellung eines Bebauungsplans für die zusätzlichen Flächen - erst mit Inkrafttreten des Bebauungsplans zum 19. August 2011 ein. Insoweit bleibt es bei der Anwendung von § 5 Abs. 9 Buchst. a) i. V. m. § 3 Abs. 2 BGS/EWS 2015.

c) Hinsichtlich der vom Kläger errechneten Höhe des Beitrags wurden keine Einwendungen erhoben. Es drängen sich auch keine Zweifel an der Richtigkeit der zugrunde gelegten Zahlen auf. Zugunsten des Beigeladenen wurde auch der geringere Beitragssatz des § 6 Abs. 2 BGS/EWS angewendet, da der Aufwand für den Grundstücksanschluss bei der Errichtung des Anwesens im vollen Umfang getragen worden war.

Damit war der Widerspruchsbescheid des Landratsamts vom 14. Juli 2015 aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht erstattungsfähig. Eine Kostenerstattung durch die unterliegende Partei erfolgt aus Billigkeitsgründen nur dann, wenn der Beigeladene selbst einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 809,40 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.