Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2018 - 8 ZB 17.2076
vorgehend
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens. Die Beigeladenen zu 1 und zu 2 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 1.000.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
– 8 ZB 16.1977 – juris Rn. 45 m.w.N.).
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Tenor
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Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. November 2011 - 13 LA 81/11 - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
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Das Land Niedersachsen hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
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Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 30.000 € (in Worten: dreißigtausend Euro) festgesetzt.
Gründe
- 1
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Mit ihrer Verfassungsbeschwerde beanstanden die Beschwerdeführer insbesondere, dass das Oberverwaltungsgericht ihren Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil über ihre Klage gegen einen deichrechtlichen Planfeststellungsbeschluss abgelehnt hat.
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A.
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I.
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1. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der an der Alten Aller gelegenen Flurstücke X, Y und Z, von denen eines mit einem Wohnhaus und Nebengebäuden bebaut ist.
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2. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz stellte mit Beschluss vom 11. Dezember 2008 auf Antrag eines Deichverbands einen Plan für die Verbesserung der Deichsicherheit auf einem Streckenabschnitt von ungefähr 4 km fest. Der festgestellte Plan übernimmt auch einen Änderungsantrag des Deichverbands vom 7. Juli 2008. In diesem wird ausgeführt, für den Bereich der Flurstücke X, Y und Z habe der Antrag bisher die Herstellung einer neuen Hochwasserschutzmauer sowie die Anlage eines Deichverteidigungswegs zwischen der neuen Hochwassermauer und dem Wohngebäude der Beschwerdeführer auf dem Flurstück X vorgesehen. Aufgrund der doch nicht unerheblichen Vorteile eines grünen Deiches gegenüber einer Hochwasserschutzwand im Hinblick auf Sicherheit und Unterhaltungskosten habe die ursprüngliche Planung aus heutiger Sicht, nicht zuletzt auch aufgrund neuerer Vorgaben zur Finanzierung, einer neuen Bewertung bedurft. Im Ergebnis sei danach, soweit möglich, auch hier der grüne Deich zu realisieren. Der Bau des Deiches solle auf dem Flurstück Y erfolgen. Der dauerhaft in Anspruch genommene Flächenanteil dieses Flurstücks betrage 3.100 qm.
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3. Das Verwaltungsgericht wies die Klage der Beschwerdeführer gegen den Planfeststellungsbeschluss weitgehend ab.
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Eine Verletzung des Abwägungsgebotes könnten die Beschwerdeführer nicht mit Erfolg geltend machen. Der beklagte Landesbetrieb (im Folgenden: Beklagter) habe bei seiner Abwägungsentscheidung die Belange der Beschwerdeführer berücksichtigt. Das in ihrem Eigentum stehende Flurstück Z werde im Umfang von 830 qm für den Neubau des Deichkörpers in Anspruch genommen. Eine Flächeninanspruchnahme sei bei der Entscheidung zugunsten des grünen Deiches in diesem Umfang geboten. Eine wesentliche Beeinträchtigung ihres verbleibenden Grundbesitzes ergebe sich daraus nicht, zumal auch bei einer Erhöhung der vorhandenen Flutschutzmauer, wie dies die Beschwerdeführer wünschten, Beeinträchtigungen ihres Grundbesitzes zu erwarten wären. Die Flächeninanspruchnahme sei dann allerdings geringer. Auch die Belange des Naturschutzes würden gewahrt. Denn der vorhandene Teich, der als Biotop einzustufen sei, werde an anderer Stelle neu hergestellt. Eine erhebliche Beeinträchtigung des vorhandenen Fauna-Flora-Habitat-Gebiets (FFH-Gebiet) sei zudem durch die geplante Trassierung nicht zu erwarten. Dies wäre allenfalls bei einer Verlegung des Deiches in östlicher Richtung, also auf das Flurstück Y, der Fall. Dieses Flurstück werde aber durch die Maßnahme nicht auf Dauer beeinträchtigt, hiervon werde lediglich während der Bauzeit ein Arbeitsstreifen in Anspruch genommen.
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4. Das Oberverwaltungsgericht lehnte den Antrag der Beschwerdeführer auf Zulassung der Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil ab.
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Der von den Beschwerdeführern geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sei nicht hinreichend dargetan und liege zudem nicht vor. Die Beschwerdeführer hätten die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht hinreichend in Frage gestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss dem Abwägungsgebot entspreche.
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Die Beschwerdeführer seien durch die Deicherneuerungsmaßnahme unmittelbar in ihrem Eigentumsrecht betroffen. Sie hätten deshalb einen Anspruch auf eine umfassende gerichtliche Abwägungskontrolle.
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Das Abwägungsgebot habe in der Rechtsprechung zu der gerichtlichen Überprüfung von Planungsalternativen in Bezug auf abweichende Standorte beziehungsweise Trassen eine nähere Ausformung erfahren, die sich auch auf die Bestimmung einer Deichlinienführung für einen der Planfeststellung unterliegenden Deichbau übertragen ließe: Ernsthaft in Betracht kommende Alternativlösungen müssten bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials berücksichtigt werden und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingehen. Die eigentliche planerische Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Alternativen unterliege nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Eine Planfeststellungsbehörde handele nicht schon dann fehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Trassenführung ebenfalls aus guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Trassenwahl seien erst dann überschritten, wenn sich eine andere als die gewählte Trassenführung unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planfeststellungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen sei.
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Einen derartigen Fehler hätten die Beschwerdeführer in ihrer Zulassungsbegründung nicht darzulegen vermocht.
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So sei die dauerhafte Inanspruchnahme des im Eigentum der Beschwerdeführer stehenden Flurstücks Y durch die Erstellung eines grünen Deichs anstelle der Verstärkung und Erhöhung der alten Hochwasserschutzmauer Gegenstand der Abwägung des Planfeststellungsbeschlusses gewesen. Der Änderungsantrag des Beigeladenen vom 7. Juli 2008 weise eindeutig darauf hin, dass alle beschriebenen Maßnahmen (Errichtung eines grünen Deiches anstelle einer Hochwasserschutzmauer) auf dem Flurstück Y zu realisieren seien. Der Änderungsantrag sei ebenso wie der zugehörige Lageplan Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses und damit Gegenstand der Abwägung geworden. Dass dieser Belang auch tatsächlich inhaltlich abgewogen worden sei, ergebe sich aus den Ausführungen des Planfeststellungsbeschlusses. Danach seien die Eigentumsbelange der Beschwerdeführer, die aufgrund der Vorgabe, dass ein grüner Deich errichtet werden müsse, betroffen würden, in die Abwägung eingestellt worden, hätten aber hinter die Belange des Hochwasserschutzes zurücktreten müssen. Einzig denkbare Alternative zur Verwirklichung des Hochwasserschutzes im Bereich des Wohnhauses der Beschwerdeführer sei die Herstellung eines grünen Deiches auf der Trasse des jetzigen Deiches. Dies hätte aber den Abriss dieses Wohnhauses zur Folge, was ungleich schwerer wiege als die Inanspruchnahme von Weideland.
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Allerdings sei das Verwaltungsgericht offensichtlich irrig davon ausgegangen, das Flurstück Y werde nur für die Dauer der Bauzeit im Umfang eines Arbeitsstreifens in Anspruch genommen. Dies sei jedoch für die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils ohne Bedeutung, da die dauerhafte teilweise Inanspruchnahme dieses Grundstücks - wie dargelegt - durch den Beklagten ordnungsgemäß in die Abwägung eingestellt worden sei, mithin kein Abwägungsfehler vorliege, der der Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht entgegenstünde.
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Zu Recht habe das Verwaltungsgericht auch die Errichtung eines grünen Deiches vor dem Wohnhaus der Beschwerdeführer anstelle der ursprünglich geplanten Verstärkung und Erhöhung der vorhandenen Hochwasserschutzmauer als abwägungsfehlerfrei angesehen. Insoweit habe es zutreffend auf die Schwachstellen im Übergangsbereich einer Hochwasserschutzmauer zu dem sich anschließenden grünen Deich hingewiesen. Zu Recht habe es dabei auch darauf abgestellt, dass eine notfallmäßige Erhöhung durch Sandsäcke bei einem grünen Deich einfacher und sicherer zu bewerkstelligen sei, als dies bei einer Hochwasserschutzmauer der Fall wäre. Dies ergebe sich schon aufgrund der breiteren zur Verfügung stehenden Grundfläche und bedürfe keiner weiteren Erläuterung.
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II.
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1. Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen den Planfeststellungsbeschluss, das Urteil des Verwaltungsgerichts und die Nichtzulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht. Sie rügen eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 und Art. 14 Abs. 1 GG und machen unter anderem geltend, der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletze ihr Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, weil er die Anforderungen an die Darlegung der verschiedenen Zulassungsgründe überspanne.
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Hinsichtlich des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hätten sie aufgezeigt, dass sich eine erhebliche Tatsachenfeststellung des erstinstanzlichen Urteils schlüssig in Frage stellen lasse. Das Verwaltungsgericht gehe in seinem Urteil davon aus, dass das in ihrem Eigentum stehende Flurstück Y nicht auf Dauer, sondern lediglich für die Bauzeit in geringem Umfang beeinträchtigt werde. Mit der Feststellung dieser Tatsache gehe das Verwaltungsgericht außerdem davon aus, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des sich dort befindenden FFH-Gebiets nicht zu erwarten sei. Sie hätten dargelegt, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts 3.100 qm des Flurstücks Y dauerhaft in Anspruch genommen werden sollten. Insoweit stimmten die Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht mit dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss überein.
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Diese Fehleinschätzung sei für das Urteil des Verwaltungsgerichts auch erheblich, denn sie betreffe die Art und Weise sowie den Umfang der Inanspruchnahme ihres Grundeigentums, darüber hinaus aber auch die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren von ihnen rügefähige Frage der Vereinbarkeit des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses mit (europäischem) Naturschutzrecht. Erheblich sei sie auch insofern, als das Verwaltungsgericht auf die Feststellung seine Überprüfung der dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Abwägung stütze und hiernach in dem Urteil zu dem Schluss komme, die Beklagte habe ihre Belange hinreichend berücksichtigt.
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Die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichts habe das Oberverwaltungsgericht im Grunde zwar auch erkannt, die "irrige" Annahme des Verwaltungsgerichts zu der Inanspruchnahme des Flurstücks Y jedoch als für die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils unbedeutend angesehen. Die angebliche Ergebnisrichtigkeit des Urteils begründe das Oberverwaltungsgericht damit, dass die Planfeststellungsbehörde die Inanspruchnahme des Flurstücks Y ordnungsgemäß in die Abwägung eingestellt habe. Mit dieser Würdigung greife das Oberverwaltungsgericht aber dem eigentlichen Berufungsverfahren vor. Unabhängig davon seien erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts dargetan, wenn sich aus dem Vorbringen ergebe, dass das Urteil auf der fehlerhaften Annahme von in Anspruch genommenen Flächen fuße, denn es sei Aufgabe des Verwaltungsgerichts zu prüfen, ob die Belange tatsächlich ordnungsgemäß in die Abwägung eingestellt worden seien.
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2. Die Niedersächsische Landesregierung sowie der Beklagte und der im Ausgangsverfahren beigeladene Deichverband hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten der Ausgangsverfahren sind beigezogen.
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B.
- 19
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Die Verfassungsbeschwerde hat hinsichtlich des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Erfolg.
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I.
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Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts richtet, ist sie zulässig (1.) und begründet (2.). Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Er ist aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
- 21
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1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts keine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO erhoben haben. Dies war weder zur Erschöpfung des Rechtswegs (a) noch wegen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (b) geboten.
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a) aa) Wird mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht, so gehört eine Anhörungsrüge an das Fachgericht zu dem Rechtsweg, von dessen Erschöpfung die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG im Regelfall abhängig ist (vgl. BVerfGE 122, 190 <198>; 126, 1 <17>). Erheben Beschwerdeführer in einem solchen Fall keine Anhörungsrüge, obwohl sie statthaft und nicht offensichtlich aussichtslos wäre, hat das zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde insgesamt unzulässig ist, sofern die damit gerügten Grundrechtsverletzungen denselben Streitgegenstand betreffen wie der geltend gemachte Gehörsverstoß(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, juris Rn. 10).
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Wird die Rüge einer Gehörsverletzung hingegen weder ausdrücklich noch der Sache nach zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht oder wird die zunächst wirksam im Verfassungsbeschwerdeverfahren erhobene Rüge einer Gehörsverletzung wieder zurückgenommen (vgl. BVerfGE 126, 1 <17>), hängt die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt des Gebots der Rechtswegerschöpfung nicht von der vorherigen Durchführung eines fachgerichtlichen Anhörungsrügeverfahrens ab. Wurde ein Anhörungsrügeverfahren vor dem letztinstanzlichen Fachgericht durchgeführt, mit der Verfassungsbeschwerde aber kein Gehörsverstoß gerügt - etwa weil sich die Beschwerdeführer insoweit von den Gründen des die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschlusses haben überzeugen lassen -, zählt dieses Anhörungsrügeverfahren, wenn es nicht offensichtlich aussichtslos war, gleichwohl zum Rechtsweg und wirkt damit fristbestimmend für die Verfassungsbeschwerde.
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bb) Die Beschwerdeführer machen mit ihrer Verfassungsbeschwerde weder ausdrücklich noch der Sache nach eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs geltend.
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Die Begründung der Verfassungsbeschwerde enthält allerdings Ausführungen, die - isoliert betrachtet - als Rügen einer Gehörsverletzung gedeutet werden könnten. So beanstanden die Beschwerdeführer unter anderem, dass das Oberverwaltungsgericht auf die von ihnen gerügte Beeinträchtigung eines FFH-Gebiets gar nicht eingegangen sei und auch den Einwand unberücksichtigt gelassen habe, dass nach langem Vorlauf im Planungsverfahren unvermittelt eine Planänderung stattgefunden habe. Dieses Vorbringen kann bei sachdienlicher Auslegung nicht als Rüge einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG verstanden werden. Es dient im Zusammenhang der Verfassungsbeschwerde eindeutig dem Ziel zu begründen, dass das Oberverwaltungsgericht unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG den Berufungszulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils sowie den der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache verkannt habe. Dass die Beschwerdeführer ungeachtet dessen mit diesen Ausführungen gleichwohl der Sache nach einen Gehörsverstoß rügen wollen, kann nach dem Grundsatz wohlwollender Auslegung prozessualer Anträge im Sinne des erkennbaren Rechtsschutzanliegens auch deshalb nicht angenommen werden, weil ihrem Vorbringen ansonsten ein Verständnis unterlegt würde, das mangels Erhebung einer Anhörungsrüge zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde führen würde.
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b) Die Erhebung der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO war hier auch nicht mit Rücksicht auf den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde geboten.
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aa) Dieser in § 90 Abs. 2 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz verlangt, dass Beschwerdeführer alle nach Lage der Dinge zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung schon im fachgerichtlichen Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 107, 395 <414>; 112, 50 <60>). Das kann auch bedeuten, dass Beschwerdeführer zur Wahrung des Subsidiaritätsgebots gehalten sind, im fachgerichtlichen Verfahren eine Gehörsverletzung mit den gegebenen Rechtsbehelfen, insbesondere mit einer Anhörungsrüge, selbst dann anzugreifen, wenn sie im Rahmen der ihnen insoweit zustehenden Dispositionsfreiheit mit der Verfassungsbeschwerde zwar keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG rügen wollen (vgl. BVerfGE 126, 1 <17>), durch den fachgerichtlichen Rechtsbehelf aber die Möglichkeit wahren, dass bei Erfolg der Gehörsverletzungsrüge in den vor den Fachgerichten gegebenenfalls erneut durchzuführenden Verfahrensschritten auch andere Grundrechtsverletzungen, durch die sie sich beschwert fühlen, beseitigt werden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, juris Rn. 10). Denn die Dispositionsfreiheit der Beschwerdeführer enthebt sie nicht ohne Weiteres der Beachtung des Subsidiaritätsgebotes; als Voraussetzung der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde ist dieses der Verfügungsmacht der Beschwerdeführer entzogen.
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Die Verweisung auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde steht allerdings unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit einer anderweitigen prozessualen Möglichkeit zur Abhilfe (stRspr, vgl. nur BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 11. Juli 2012 - 1 BvR 3142/07,1 BvR 1569/08 -, NJW 2012, S. 3081 <3082 [Tz. 45]>). Zur Vermeidung der Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde, bei der sie sich nicht auf eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG berufen, müssen Beschwerdeführer daher aus Gründen der Subsidiarität eine Anhörungsrüge oder den sonst gegen eine Gehörsverletzung gegebenen Rechtsbehelf nur dann ergreifen, wenn den Umständen nach ein Gehörsverstoß durch die Fachgerichte nahe liegt und zu erwarten wäre, dass vernünftige Verfahrensbeteiligte mit Rücksicht auf die geltend gemachte Beschwer bereits im gerichtlichen Verfahren einen entsprechenden Rechtsbehelf ergreifen würden.
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Das Subsidiaritätsgebot greift danach in den hier in Rede stehenden Fällen insbesondere dann, wenn auf der Hand liegt, dass mit dem Beschwerdevorbringen der Sache nach ein Gehörsverstoß gerügt wird, die Beschwerdeführer aber ersichtlich mit Rücksicht darauf, dass kein Anhörungsrügeverfahren durchgeführt wurde, ausschließlich die Verletzung eines anderen Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts geltend machen, das durch ein solches Vorgehen des Gerichts gleichfalls verletzt sein kann (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 1468/11 -, juris).
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Die Möglichkeit, über eine erfolgreiche Anhörungsrüge die Beseitigung anderweitiger Grundrechtsverletzungen zu erreichen, besteht im Übrigen von vornherein nur in dem Umfang, als diese denselben Streitgegenstand betreffen wie die geltend gemachte Gehörsverletzung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, juris Rn. 10). Nur insoweit kann aus dem Subsidiaritätsgrundsatz die Obliegenheit der Erhebung einer Anhörungsrüge auch für den Fall abgeleitet werden, dass mit der Verfassungsbeschwerde kein Gehörsverstoß gerügt wird.
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bb) Gemessen hieran verletzt es nicht den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, dass die Beschwerdeführer es unterlassen haben, eine Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts über die Ablehnung der Zulassung der Berufung zu erheben.
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Soweit die Beschwerdeführer beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht auf die von ihnen gerügte Beeinträchtigung des FFH-Gebiets gar nicht eingegangen sei und auch den Einwand unberücksichtigt gelassen habe, dass nach langem Vorlauf im Planungsverfahren unvermittelt eine Planänderung stattgefunden habe, ist schon zweifelhaft, ob dieser Vortrag, selbst wenn er in der Sache zuträfe, überhaupt geeignet ist, eine Gehörsverletzung zu begründen. Wird bestimmter Vortrag in einer gerichtlichen Entscheidung nicht erwähnt, lässt dies nämlich nur unter besonderen Umständen den Rückschluss auf die Nichtberücksichtigung entscheidungserheblichen Vorbringens zu (vgl. BVerfGE 96, 205 <216 f.>). Das hier in Frage stehende, für die Geltendmachung einer Gehörsverletzung eher unspezifische Vorbringen der Beschwerdeführer ist zudem eindeutig und sinnvoll in die Rüge einer Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG eingebunden, die sich gegen die Verneinung des Berufungszulassungsgrunds der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils sowie der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache richtet. Es gibt insbesondere keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführer damit lediglich eine Versäumung der Anhörungsrüge umgehen wollten. Sie müssen sich daher nicht entgegenhalten lassen, dass die Erhebung einer Anhörungsrüge nahe gelegen hätte und zu erwarten gewesen wäre, dass ein vernünftiger Verfahrensbeteiligter eine Anhörungsrüge erhoben hätte.
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht wird der verfassungsrechtlichen Verbürgung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.
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a) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet keinen Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzuges (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>; 125, 104 <136>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>; 125, 104 <137>; stRspr). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grunde dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642).
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b) Das Oberverwaltungsgericht hat durch seine Handhabung des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO den Zugang zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verengt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind immer schon dann begründet, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Dies ist den Beschwerdeführern gelungen. Sie haben aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht in einem für ihr Grundeigentum und damit für die Entscheidung wesentlichen Punkt von falschen Annahmen über die Festsetzungen im Planfeststellungsbeschluss ausgegangen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Begründung gleichwohl die Berufung nicht zugelassen.
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Das Urteil des Verwaltungsgerichts geht von der Annahme aus, das im Eigentum der Beschwerdeführer stehende Flurstück Y werde durch die mit dem Planfeststellungsbeschluss zugelassene Maßnahme nicht auf Dauer beeinträchtigt; vielmehr werde lediglich während der Bauzeit ein Streifen dieses Flurstücks in Anspruch genommen.
- 38
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Die Beschwerdeführer haben in der Begründung ihres Zulassungsantrags geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass bereits im Änderungsantrag vom 7. Juli 2008 ausdrücklich von der Notwendigkeit der dauerhaften Inanspruchnahme von 3.100 qm des Flurstücks Y die Rede sei. Dementsprechend sei auch die Festsetzung im Planfeststellungsbeschluss erfolgt. Der Planfeststellungsbeschluss enthalte keine gerechte Abwägung ihrer Belange.
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Das Oberverwaltungsgericht hat erkannt, dass das Verwaltungsgericht "offensichtlich irrig" von einer nur vorübergehenden Inanspruchnahme des Flurstücks Y nur für die Dauer der Bauzeit im Umfang eines Arbeitsstreifens ausgegangen ist. Dennoch hat es sich nicht dazu veranlasst gesehen, die Berufung aufgrund einer unzutreffenden Annahme der tatsächlichen Betroffenheit der Beschwerdeführer zuzulassen. Es hat vielmehr im Berufungszulassungsverfahren eine eigene Prüfung der fachplanerischen Abwägungsentscheidung vorgenommen und dabei das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis für richtig befunden. Damit hat es in verfassungswidriger Weise Teile der dem Berufungsverfahren vorbehaltenen Sachprüfung in das Berufungszulassungsverfahren vorverlagert.
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-
Zwar begegnet es keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils auf ernstliche Zweifel an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht jedoch sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere entscheidungstragende Gründe abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542 <543>).
- 41
-
Das Oberverwaltungsgericht hat die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Kontrolle der fachplanerischen Abwägungsentscheidung in einem für die Beschwerdeführer entscheidenden Punkt durch eine eigene Kontrolle ersetzt. Ob das Deichbauvorhaben die Eigentumsrechte der Beschwerdeführer gemessen an den damit verfolgten Zielen und den in Frage kommenden Vorhabenalternativen - hier insbesondere der von den Beschwerdeführern statt des Deichneubaus verlangten Ertüchtigung der Hochwasserschutzwand - unverhältnismäßig beeinträchtigt, hängt unter anderem maßgeblich von der mit den festgestellten Maßnahmen einhergehenden Eigentumsbelastung für die Beschwerdeführer ab. Dass es insofern für die Abwägungsentscheidung von erheblichem Gewicht ist, ob das Flurstück Y nur vorübergehend während der Bauzeit als Arbeitsstreifen oder dauerhaft in dem doch beträchtlichen Umfang von 3.100 qm in Anspruch genommen wird, liegt auf der Hand. Es war dem Oberverwaltungsgericht bei Beachtung des Gebots effektiven Rechtsschutzes verwehrt, im Berufungszulassungsverfahren, das insbesondere mangels eines förmlichen Beweisaufnahmeverfahrens den Beteiligten von vornherein weniger Einwirkungsmöglichkeiten auf die Tatsachenfeststellung einräumt als das Hauptsacheverfahren, diese Frage der Abgewogenheit des Planfeststellungsbeschlusses abweichend vom Verwaltungsgericht in der Sache zu entscheiden.
- 42
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Da das Oberverwaltungsgericht die Zulassung der Berufung nicht ohne Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ablehnen konnte, beruht die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auf diesem Verfassungsverstoß. Ob die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts darüber hinaus auch Art. 14 Abs. 1 GG verletzt, kann dahinstehen.
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II.
- 43
-
Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts und den Planfeststellungsbeschluss des beklagten Landesbetriebs wendet, bedarf es keiner Entscheidung. Durch die Aufhebung der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist der Rechtsweg vor den Fachgerichten wieder eröffnet und dadurch eine erneute fachgerichtliche Aufarbeitung des Ausgangsfalls möglich (vgl. BVerfGE 129, 1 <37>).
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C.
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Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
- 45
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Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
Tenor
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Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. September 2014 - 5 LA 92/14 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes.
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Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
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Das Land Niedersachsen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe
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I.
- 1
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Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Ablehnung der Zulassung der Berufung in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren. In der Sache geht es um die Versetzung der Beschwerdeführerin, einer Professorin (Besoldungsgruppe C 4), in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit.
- 2
-
1. a) Mit Bescheid der Universität von Oktober 2011 wurde die Beschwerdeführerin wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt (§ 26 Abs. 1 BeamtStG). Nach einem amtsärztlichen Gutachten von September 2011 leide die Beschwerdeführerin an einer "depressiven Erkrankung mit somatoformen Beschwerden". Sie sei auf absehbare Zeit (länger als sechs Monate) nicht in der Lage, ihren dienstlichen Aufgaben nachzukommen.
- 3
-
Zudem beantragte die Universität mit Disziplinarklage von Dezember 2011, die Beschwerdeführerin wegen schwerer Dienstpflichtverletzungen aus dem Dienst zu entfernen, insbesondere weil sie über einen längeren Zeitraum keine Lehre erbracht habe. Nach erfolglosem Beschreiten des Rechtswegs hat die Beschwerdeführerin gegen das rechtskräftige Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2016 eine weitere Verfassungsbeschwerde erhoben.
- 4
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b) Das Verwaltungsgericht wies die gegen die Versetzung der Beschwerdeführerin in den Ruhestand gerichtete Klage ab. Zur Begründung stützte es sich tragend auf ein fachpsychiatrisches Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen von Januar 2014. Dieser beantwortete - gestützt auf diverse vorhandene Gutachten sowie eine persönliche Befragung der Beschwerdeführerin - die Beweisfrage nach den gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beschwerdeführerin zum relevanten Zeitpunkt (Oktober 2011) abschließend mit der Diagnose "mittelgradige Depression mit Somatisierungsstörung". Im Verlauf des Gutachtens verwendete der Sachverständige allerdings die Begriffe "Somatisierungsstörung" und "somatoforme Störung/Beschwerden" in Bezug auf die Beschwerdeführerin wechselnd, obwohl er an einer Stelle ausführt, beide Begriffe alternativ zu verstehen.
- 5
-
Die Beschwerdeführerin hatte bereits vor dem Verwaltungsgericht den gutachterlichen Feststellungen widersprochen. Die vom Sachverständigen verwendeten Begrifflichkeiten bezeichneten völlig unterschiedliche Krankheitsbilder; das Gutachten sei daher nicht nachzuvollziehen und widersprüchlich. Einen auf die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens gerichteten Beweisantrag der Beschwerdeführerin lehnte das Verwaltungsgericht ab. Hierzu führte es aus, das Gutachten weise "keine erkennbaren Mängel (mehr) auf" und gehe von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus. Es enthalte "ebenso keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche (mehr)" und gebe "keinen Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters". Zwar sei der Beschwerdeführerin darin Recht zu geben, dass das Gutachten die Begriffe "somatoforme Beschwerden" und "Somatisierungsstörung" wechselnd verwende und diese verschiedene Erkrankungen beschrieben. Weiter führte das Verwaltungsgericht aus: "Aber [der Sachverständige] hat in der mündlichen Verhandlung […] eingeräumt, dass er jedes Mal, wenn er den Begriff 'Somatisierungsstörung' im Gutachten verwendet hat, eigentlich 'somatoforme Beschwerden' gemeint hat. Es läge lediglich eine Falschbezeichnung vor. Damit ist der inhaltliche Widerspruch aufgelöst".
- 6
-
c) Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung der Berufung wurde durch den angegriffenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts abgelehnt.
- 7
-
Die Beschwerdeführerin hatte sich in ihrer Antragsbegründung ausführlich insbesondere damit auseinandergesetzt, dass das dem verwaltungsgerichtlichen Urteil zugrunde liegende Sachverständigengutachten die Entscheidung nicht tragen könne. Es entspreche insbesondere nicht dem wissenschaftlichen Standard, beruhe auf unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen und auf erkennbar fehlender Sachkunde des Gutachters. Namentlich hatte die Beschwerdeführerin zur fehlenden Sachkunde des Sachverständigen ausgeführt, der wechselnde Gebrauch der Fachtermini "Somatisierungsstörung" und "somatoforme Störung" könne - anders als das Verwaltungsgericht annehme - nicht mit einer bloßen Falschbezeichnung gerechtfertigt werden, da die Begriffe eine völlig unterschiedliche Symptomatik beschrieben. Die Beschwerdeführerin hatte unter Verweis auf Fachliteratur ausgeführt, dass mit "somatoformen Beschwerden" körperliche Beschwerden bezeichnet würden, welche nicht direkt durch eine organische Grunderkrankung begründet seien und unter denen - je nach Beurteilungskriterien - zwischen 30 % und 80 % der erwachsenen Bundesbevölkerung gelegentlich litten (Befindlichkeitsstörungen wie Rückenschmerzen oder Kopfschmerzen). Demgegenüber handele es sich bei einer "Somatisierungsstörung" um ein sehr präzise formuliertes Krankheitsbild, dessen Häufigkeit unter 0,1 % der Bevölkerung liege und mit einer Vielzahl von Körperbeschwerden unterschiedlicher Körperregionen einhergehe. Solche Merkmale seien aber bei der Beschwerdeführerin gerade nicht festgestellt worden. Hinzu komme, dass der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung ausweislich des Terminprotokolls erklärt habe, bei der Beschwerdeführerin auch keine depressiven Symptome feststellen zu können, also einen nicht unerheblichen Teil seines Gutachtens widerrufe. Dies sei mit einer Verwechslung von Fachbegriffen nicht mehr zu erklären. Die Ablehnung des von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags auf Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens begründe daher sowohl ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) als auch einen Verfahrensmangel in Form der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
- 8
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Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung seines Beschlusses insbesondere ausgeführt, die Berufung sei nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sei eine fehlende Sachkunde des gerichtlichen Sachverständigen nicht zu erkennen.
- 9
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2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine in der Überspannung der Anforderungen an die Berufungszulassungsgründe liegende Verletzung in ihren Grundrechten aus Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot.
- 10
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Das Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG sei verletzt, da das Oberverwaltungsgericht, statt über die Berufungszulassung zu entscheiden, die Entscheidung über die Berufung selbst vorweggenommen habe. Damit werde der Beschwerdeführerin nicht nur die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt unter Darlegung ihrer Rechtsauffassung und gegebenenfalls weiterer Beweisanträge in einem Berufungsverfahren zur Geltung zu bringen, sondern darüber hinaus auch die Möglichkeit eines Revisionsverfahrens genommen.
- 11
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Im Hinblick auf den Berufungszulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der gerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) habe sie in der Begründung ihres Antrags auf Zulassung der Berufung geltend gemacht, dass das Sachverständigengutachten nicht dem wissenschaftlichen Stand entspreche, auf unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen sowie auf erkennbar fehlender Sachkunde des Sachverständigen beruhe. Diese Argumentation habe das Oberverwaltungsgericht nicht - wie es der bundesverfassungsgerichtliche Maßstab gebiete - auf ihre Schlüssigkeit hin überprüft. Vielmehr habe es in zahlreichen Punkten apodiktisch "durchentschieden". Ein näheres Eingehen auf die Argumentation der Beschwerdeführerin in der Begründung ihres Zulassungsantrags zum unterschiedlichen Schweregrad der Krankheiten und ihren unterschiedlichen Symptomen und Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit beziehungsweise Dienstfähigkeit der erkrankten Person finde nicht statt, ebenso wenig wie auf das Argument, dass das Gutachten bei konsequenter Ersetzung von "Somatisierungsstörung" durch "somatoforme Beschwerden" partiell jedes Sinnes entbehrte, namentlich in der Passage auf Seite 14 des Gutachtens, in dem die Abgrenzung der beiden Krankheiten vorgenommen werde. Auch ohne eigene Sachkunde hätte dem Oberverwaltungsgericht auffallen müssen, dass mit einer Diagnose "somatoformer Störungen" - der viel leichteren Erkrankung - die Dienstunfähigkeit einer Beamtin nur schwer begründbar sei. Dies näher aufzuklären, sei jedoch einem Berufungsverfahren, nicht aber dem Berufungszulassungsverfahren vorbehalten. Nur in einem Berufungsverfahren hätte die Möglichkeit bestanden, gegebenenfalls mithilfe weiterer Sachverständiger aufzuklären, ob die Argumentation der Beschwerdeführerin durchgreife, dass es einer bei ihr festgestellten somatoformen Störung an der notwendigen Nachhaltigkeit mangele, um zu einer - dauerhaften - Dienstunfähigkeit zu kommen.
- 12
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3. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen. Das Land Niedersachsen hatte Gelegenheit zur Äußerung.
-
II.
- 13
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.
- 14
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere besteht das Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin unabhängig vom Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens betreffend die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst beziehungsweise der Aberkennung des Ruhegehalts fort. Durch den möglichen Erfolg hinsichtlich der Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit kommt die Beschwerdeführerin ihrem Rechtsschutzziel in jedem Fall näher.
- 15
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Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 des Niedersächsischen Disziplinargesetzes vom 13. Oktober 2005 (NDiszG) wird der Ruhestandsbeamtin oder dem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt aberkannt, wenn sie oder er als aktive Beamtin oder aktiver Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 NDiszG gilt die Entscheidung (über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis) als Aberkennung des Ruhegehalts, sofern die Beamtin oder der Beamte in den Ruhestand tritt, bevor die Entscheidung über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis unanfechtbar wird. Diese Regelungen machen deutlich, dass die Aberkennung des Ruhegehalts das Äquivalent für die disziplinarische Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in den Fällen darstellt, in denen sich die Beamtin oder der Beamte bereits im Ruhestand befindet. Ein bereits im Ruhestand befindlicher Beamter wird mithin disziplinarisch nicht verschont; vielmehr droht ihm in diesem Stadium die pekuniäre Disziplinarsanktion der Aberkennung des Ruhegehalts.
- 16
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Würde vorliegend die Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit nach Zulassung und Durchführung der Berufung aufgehoben werden, wäre die Höchstmaßnahme im Disziplinarverfahren die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und nicht die - auf eine vormalige Zurruhesetzung aufsetzende - Aberkennung des Ruhegehalts; dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 2 NDiszG. Damit wäre die Beschwerdeführerin ihrem Rechtsschutzziel auf Erhaltung ihrer vormaligen rechtlichen Situation näher als ohne verfassungsgerichtliche Aufhebung der Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit, und zwar selbst dann, wenn die gegen die disziplinarische Höchstmaßnahme gerichtete Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg bleibt. Zwar müsste die Beschwerdeführerin in beiden Verfahren Erfolg haben, um ihren aktiven Status wiederzuerlangen. Aber selbst wenn die Verfassungsbeschwerde gegen die Disziplinarentscheidung ohne Erfolg bliebe, könnte sie finanzielle Vorteile möglicherweise daraus ziehen, dass sie erst mit dem Disziplinarberufungsurteil von Mai 2016 und nicht bereits durch die im Oktober 2011 für sofort vollziehbar erklärte Versetzung in den Ruhestand ihren Anspruch auf die Besoldung für aktive Beamte verlöre.
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Der angegriffene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Ob darüber hinaus weitere Verletzungen von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten der Beschwerdeführerin vorliegen, bedarf keiner Entscheidung.
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a) Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 8, 274 <326>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>; stRspr). Die Vorschrift erfordert zwar keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 49, 329 <343>; 83, 24 <31>; 87, 48 <61>; 92, 365 <410>; 96, 27 <39>; stRspr); eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 65, 76 <90>; 96, 27 <39>; stRspr). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leerlaufen" lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>; 125, 104 <137>; 134, 106 <117 f.>). Sehen die prozessrechtlichen Vorschriften - wie §§ 124, 124a VwGO - die Möglichkeit vor, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, so verbietet Art. 19 Abs. 4 GG eine Auslegung und Anwendung dieser Rechtsnormen, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>; 125, 104 <137>; 134, 106 <118>; BVerfGK 15, 37 <46 f.>). Vor diesem Hintergrund dürfen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes keine überspannten Anforderungen gestellt werden.
- 19
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Der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO enthaltene Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ist daher immer schon dann erfüllt, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfGE 110, 77 <83>; 125, 104 <140>; 134, 106 <118>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris, Rn. 15; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Dezember 2010 - 1 BvR 2011/10 -, juris, Rn. 17). Sie sind nicht erst gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. BVerfGE 110, 77 <83>; 125, 104 <139 f.>). Das Zulassungsverfahren hat nicht die Aufgabe, das Berufungsverfahren vorwegzunehmen (vgl. BVerfGE 125, 104 <139>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris, Rn. 15; BVerfGK 15, 37 <46 f.>; vgl. auch Gaier, NVwZ 2011, S. 385 <388 f.>; kritisch zum "Schlüssigkeitsparadigma" Rudisile, NVwZ 2012, S. 1425 <1426 f.>).
- 20
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b) Diesem Maßstab wird die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht gerecht und verkürzt damit den Zugang der Beschwerdeführerin zur Berufungsinstanz in unzumutbarer Weise.
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Die Beschwerdeführerin hatte in ihrer Begründung des Berufungszulassungsantrags zur fehlenden Sachkunde des Gutachters unter Verweis auf Fachliteratur nachvollziehbar dargelegt, dass der wechselnde Gebrauch der Fachtermini "Somatisierungsstörung" und "somatoforme Beschwerden" im Sachverständigengutachten - anders als das Verwaltungsgericht annehme - nicht mit einer bloßen Falschbezeichnung gerechtfertigt werden könne, da die Begriffe eine völlig unterschiedliche Symptomatik beschrieben. Sie hatte schlüssig argumentiert, dass es sich bei der Diagnose "somatoforme Beschwerden" um eine deutlich leichtere Erkrankung handele und dass mit dieser die dauernde Dienstunfähigkeit einer Beamtin nur schwer begründbar sei. Damit hatte sie konkrete Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung dargetan.
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Unabhängig von der Frage, ob der Sachverständige angesichts des mäandernden Gebrauchs unterschiedlicher Fachtermini für ein und denselben medizinischen Sachverhalt noch als hinreichend sachkundig einzuschätzen war, hätte sich dem Oberverwaltungsgericht die Notwendigkeit der Überprüfung aufdrängen müssen, ob die der Beschwerdeführerin nach mündlicher Korrektur des Gutachtens attestierten "somatoformen Beschwerden" die Annahme einer Dienstunfähigkeit noch zu rechtfertigen vermögen. Anstatt sich mit den von der Beschwerdeführerin diesbezüglich dargelegten Zweifeln an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung auseinanderzusetzen, vollzieht das Oberverwaltungsgericht aber lediglich die Begründung des Verwaltungsgerichts nach. Das Verwaltungsgericht war indes selbst von anfänglichen erkennbaren Mängeln und inhaltlichen Widersprüchen des Sachverständigengutachtens ausgegangen. Das Oberverwaltungsgericht geht mit keinem Wort auf die von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Zweifel ein, ob auch die - nach Korrektur des schriftlichen Sachverständigengutachtens in der mündlichen Verhandlung durch die erläuternden Äußerungen des Sachverständigen - festgestellte geringere gesundheitliche Beeinträchtigung noch die Annahme der Dienstunfähigkeit rechtfertigen könne. Indem es stattdessen die mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellte erhebliche Tatsachenfeststellung der vermeintlich eine Dienstunfähigkeit begründenden Diagnose der Beschwerdeführerin aufrechterhält, nimmt es das Ergebnis eines Berufungsverfahrens, in dem zu klären wäre, welche der beiden Diagnosen zutrifft und zugleich die Annahme der Dienstunfähigkeit zu tragen vermag, in verfassungswidriger Weise vorweg.
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Die angegriffene Entscheidung beruht auf der Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, da sich das Gericht tragend auf das gerichtliche Sachverständigengutachten gestützt hat.
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III.
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Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Zurückverweisung der Sache ins Stadium des Zulassungsverfahrens beruht auf § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG. Ein ausnahmsweise in Betracht kommendes Durchentscheiden des Bundesverfassungsgerichts (vgl. hinsichtlich einstweiliger Anordnungen BVerfGE 35, 202 <244>; 79, 69 <79>; hinsichtlich der Revisionszulassung BVerfGE 99, 216 <245>) ist im vorliegenden Fall nicht bereits deshalb angezeigt, weil das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage des dargelegten Entscheidungsmaßstabes keine andere Möglichkeit als die Zulassung der Berufung hat und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts insofern nur wiederholen kann. Vielmehr entspricht ein Zurückverweisen in das Stadium des Berufungszulassungsverfahrens nicht nur der grundsätzlichen Funktionsteilung zwischen Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit. Zudem kann die Beschwerdeführerin im Berufungszulassungsbeschluss des Oberverwaltungsgerichts über die Notwendigkeit der Berufungsbegründung nach § 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 3 bis 5 VwGO ordnungsgemäß belehrt werden.
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Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Tenor
I.
Die Verwaltungsstreitsachen 22 ZB 14.1079 und 22 ZB 14.1080 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II.
Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
III.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
IV.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird bis zur Verbindung der beiden Verfahren auf 1,4 Millionen Euro im Verfahren 22 ZB 14.1079 und auf 1,4 Millionen Euro im Verfahren 22 ZB 14.1080, danach auf insgesamt 2,8 Millionen Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
(1) Die Unternehmer von Flugplätzen mit gewerblichem Luftverkehr haben Luftfahrtunternehmen sowie sonstigen Anbietern die Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten zu ermöglichen. Bodenabfertigungsdienste in diesem Sinne sind die administrative Abfertigung am Boden und deren Überwachung, die Fluggastabfertigung, die Gepäckabfertigung, die Fracht- und Postabfertigung, die Vorfelddienste, die Reinigungsdienste und der Flugzeugservice, die Betankungsdienste, die Stationswartungsdienste, die Flugbetriebs- und Besatzungsdienste, die Transportdienste am Boden sowie die Bordverpflegungsdienste.
(2) Bei der Gepäckabfertigung, den Vorfelddiensten, den Betankungsdiensten sowie der Fracht- und Postabfertigung, soweit diese die konkrete Beförderung von Fracht und Post zwischen Flugplatz und Flugzeug bei der Ankunft, beim Abflug oder beim Transit betrifft, wird die Anzahl derer, die berechtigt sind, diese Bodenabfertigungsdienste für sich zu erbringen, durch Rechtsverordnung festgelegt. Das Gleiche gilt für die Anzahl derer, die berechtigt sind, diese Bodenabfertigungsdienste für andere zu erbringen. Die Anzahl der nach den Sätzen 1 und 2 jeweils Berechtigten darf jedoch nicht auf weniger als zwei festgelegt werden. Ist bei Inkrafttreten des Gesetzes über Bodenabfertigungsdienste auf Flugplätzen vom 11. November 1997 (BGBl. I S. 2694) auf einem Flugplatz die Anzahl der nach den Sätzen 1 und 2 Berechtigten größer als zwei, ist diese Anzahl maßgeblich.
(3) Sofern besondere Platz- oder Kapazitätsgründe, insbesondere in Zusammenhang mit der Verkehrsdichte und dem Grad der Nutzung der Flächen auf einem Flugplatz es erfordern, kann die Anzahl derer, die berechtigt sind, die in Absatz 2 genannten Bodenabfertigungsdienste zu erbringen, im Einzelfall über Absatz 2 hinaus beschränkt werden. Bei Vorliegen der in Satz 1 genannten Gründe kann die Anzahl derer, die berechtigt sind, die übrigen der in Absatz 1 genannten Bodenabfertigungsdienste zu erbringen, im Einzelfall auf nicht weniger als jeweils zwei festgelegt werden.
(1) In den Fällen des § 3 Abs. 2 bis 5 hat der Flugplatzunternehmer die Vergabe von Dienstleistungen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften auszuschreiben. Die Auswahl der Dienstleister erfolgt nach Anhörung des Nutzerausschusses durch den Flugplatzunternehmer, wenn dieser selbst keine gleichartigen Bodenabfertigungsdienste erbringt und kein Unternehmen, das derartige Dienste erbringt, direkt oder indirekt beherrscht und in keiner Weise an einem solchen Unternehmen beteiligt ist. In allen anderen Fällen erfolgt die Auswahl der Dienstleister nach Anhörung des Nutzerausschusses, des Flugplatzunternehmers und des Betriebsrates des Flugplatzunternehmens durch die Luftfahrtbehörde. Diese trifft ihre Entscheidung gegenüber dem Flugplatzunternehmer. Für die Ausschreibung und das Auswahlverfahren gelten die in der Auswahl-Richtlinie (Anlage 2) niedergelegten Grundsätze.
(2) Der Flugplatzunternehmer kann in den Fällen des § 3 Abs. 2 bis 5 selbst Bodenabfertigungsdienste erbringen, ohne sich dem Auswahlverfahren nach Absatz 1 unterziehen zu müssen. Er kann ferner ohne dieses Verfahren einem Dienstleister gestatten, statt seiner Bodenabfertigungsdienste zu erbringen, wenn er diesen Dienstleister direkt oder indirekt beherrscht oder von diesem Dienstleister direkt oder indirekt beherrscht wird.
(3) In den Fällen des § 3 Abs. 2 bis 5 sind die Selbstabfertiger nach sachgerechten, objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien auszuwählen. Absatz 1 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Werden die von Selbstabfertigern zu erbringenden Bodenabfertigungsdienste durch den Flugplatzunternehmer im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ausgeschrieben, gilt über Satz 1 hinaus Absatz 1 Satz 6 entsprechend.
(4) Die Dienstleister und die Selbstabfertiger werden für die Dauer von höchstens sieben Jahren ausgewählt.
(5) Wird ein Dienstleister oder ein Selbstabfertiger für einen Zeitraum von weniger als sieben Jahren ausgewählt oder stellt ein Dienstleister oder ein Selbstabfertiger seine Bodenabfertigungstätigkeit vor Ablauf des Zeitraums ein, für den er ausgewählt wurde, erfolgt die Neuvergabe wie in den Fällen eines regulären Vertragsablaufs gemäß des Auswahlverfahrens nach Absatz 1. Dies gilt nicht, wenn die Tätigkeit nur zu einem unwesentlichen Teil aufgegeben wird.
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit es in der Hauptsache erledigt ist.
Der Bescheid des Beklagten vom 27. September 2013 wird aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin hinsichtlich ihrer Bewerbung vom 8. Oktober 2009 für die Auswahl der Dienstleister zur Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten auf dem Flughafen L. /C. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 2. tragen von den Kosten des Verfahrens jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Klägerin bietet Bodenabfertigungsdienste für Flugplätze an. Sie wendet sich gegen die Auswahl der Beigeladenen zu 2. zur Erbringung solcher Dienste am von der Beigeladenen zu 1. betriebenen Flughafen L. /C. .
3Im Juni 2009 schrieb die Beigeladene zu 1. die Gestattung für Drittabfertiger zur Erbringung von Bodenabfertigungsdienstleistungen auf dem Flughafen L. /C. im Amtsblatt der Europäischen Union europaweit öffentlich aus. Unter der Überschrift "VERTRAGSLAUFZEIT BZW. BEGINN UND ENDE DER AUFTRAGSAUSFÜHRUNG" war in der veröffentlichten Ausschreibung der Zeitraum vom 1. August 2010 (Beginn) bis zum 31. Juli 2017 (Ende) bezeichnet. Ferner wurden in der Ausschreibung unter der Überschrift "Verfahren" als "Zuschlagskriterien" genannt: "Wirtschaftlich günstigstes Angebot die nachstehenden Kriterien". Darauf folgen als Kriterien: Nachweis einer Mustermengenkalkulation nach Musterflugplan (1), der angebotene Preis für die ausgeschriebene Dienstleistung auf Basis der Mustermengenkalkulation (2), Einsatzplanung für Personal und Abfertigungsgeräte pro Flugereignis auf Basis der Mustermengenkalkulation (3), Erfahrungen und Referenzen (4), die begründeten Voten des Nutzerausschusses, des Flughafenunternehmers und des Betriebsrats (5). Unter "SONSTIGE INFORMATIONEN" finden sich Hinweise darauf, dass das Verfahren zweistufig strukturiert ist, nämlich als Teilnahmewettbewerb mit anschließendem Auswahlverfahren, dass die Luftfahrtbehörde die Auswahlentscheidung trifft und dass die für das Auswahlverfahren relevanten Bewerbungsunterlagen denjenigen Bewerbern übermittelt werden, die im Teilnahmewettbewerb ihre prinzipielle Eignung nachgewiesen haben. Als Frist für die Einreichung der Interessenbekundung zur Teilnahme am Auswahlverfahren war in der Ausschreibung Montag, der 17. August 2009, 10.00 Uhr, bestimmt.
4Auf die Ausschreibung meldeten sich vier Bewerber, darunter die Klägerin, die Beigeladene zu 2. und die B. GmbH mit Sitz in G. am N. . Sämtliche vorgenannten Bewerber gelangten ins eigentliche Auswahlverfahren und legten in diesem binnen der dafür bis zum 29. Oktober 2009 gesetzten Frist Bewerbungsunterlagen vor. In ihrem Bewerbungsschreiben vom 8. Oktober 2009 führte die Klägerin aus, dass sie sich an ihre Bewerbung bis zum 30. April 2010 gebunden halte. Der vierte Bewerber zog seine Bewerbung zurück.
5Mit an die Beigeladene zu 1. adressiertem Bescheid vom 7. April 2010 - Az. IIA2-10-60/180(06) - traf der Beklagte die Auswahlentscheidung unter den drei verbliebenen Bewerbern zugunsten der B. GmbH. Diesen Bescheid stellte der Beklagte neben der Beigeladenen zu 1. im April 2010 auch der Beigeladenen zu 2. und der Klägerin jeweils mit der Mitteilung zu, dass sie bei der Auswahlentscheidung aus den Gründen des Bescheides nicht berücksichtigt wurden.
6Mit Schreiben vom 10. Mai 2010 teilte die Klägerin dem Betriebsrat der Beigeladenen zu 1. mit, dass sie nach Zugang der Auswahlentscheidung Kenntnis von dessen diesbezüglicher Stellungnahme erhalten habe und eine darin in Bezug auf die Klägerin abgegebene Äußerung falsch und sachlich unangemessen (gewesen) sei. Eine Kopie dieses Schreibens übermittelte die Klägerin unter dem 11. Mai 2010 zur Kenntnisnahme dem Beklagten.
7Die Beigeladene zu 2. erhob - anders als die Klägerin - gegen die vorgenannte Auswahlentscheidung Klage - 20 D 38/10.AK -. Zu jenem Verfahren wurden die Beigeladene zu 1. als Flugplatzunternehmerin und die B. GmbH als damals ausgewählte Bewerberin beigeladen. Daraufhin verpflichtete der erkennende Senat den Beklagten mit Urteil vom 25. November 2011 ‑ 20 D 38/10.AK - unter Aufhebung des Bescheids vom 7. April 2010, die Beigeladene zu 2. hinsichtlich der Auswahl der Dienstleister zur Erbringung der in dem angegriffenen Bescheid genannten Bodenabfertigungsdienste auf dem Flughafen L. /C. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
8Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der B. GmbH wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 13. Dezember 2012 - 3 C 32.11 - zurück.
9Anschließend forderte der Beklagte die Beigeladene zu 2. und die B. GmbH, nicht aber die Klägerin, mit Schreiben vom 7. Juni 2013 auf, sich zum weiteren Verbleib im Auswahlverfahren zu erklären. Beide erklärten daraufhin, weiterhin an ihre Angebote gebunden zu sein.
10Mit an die Beigeladene zu 1. adressiertem Bescheid vom 27. September 2013 - IIA2 - traf der Beklagte erneut die Auswahlentscheidung, diesmal zugunsten der Beigeladenen zu 2. und wählte diese aus, für die Dauer von sieben Jahren - vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2020 - näher bezeichnete Bodenabfertigungsdienstleistungen am Flughafen L. /C. zu erbringen. Dabei stellte der Beklagte die Bewerbungen der Klägerin, der Beigeladenen zu 2. und der B. GmbH einander gegenüber und unterzog diese einer Bewertung. Zur Begründung der Auswahlentscheidung führte er im Wesentlichen aus: Das Angebot des vierten Bewerbers sei bei der Auswahlentscheidung nicht mehr zu berücksichtigen, da dieser seine Bewerbung zurück gezogen habe. Unter Berücksichtigung der näher erläuterten Einzelbewertungen sei der Beigeladenen zu 2. mit einer Gesamtpunktzahl von 749,05 Punkten der Zuschlag zu erteilen. Die Mustermengenkalkulationen aller drei Anbieter wiesen zwar bei einzelnen Positionen Plausibilitätsmängel auf, seien aber insgesamt noch als plausibel anzusehen. Das Angebot der Beigeladenen zu 2. werde bei Abwägung der qualitativen und kommerziellen Angebotskriterien als am ausgewogensten angesehen. Diese erreiche bei den Positionen Mustermengenkalkulation, Abfertigungspreise und "Erfahrungen und Referenzen" die höchste Punktzahl. Das Angebot der Klägerin falle vor allem aufgrund des deutlich höher kalkulierten Sachaufwandes, des ebenfalls höheren Personalaufwandes sowie höherer Abfertigungspreise hinter das Angebot der Beigeladenen zu 2. zurück. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Auswahlbescheid vom 27. September 2013 - Blatt 464 bis 513 der Beiakte 2 der Verwaltungsvorgänge des Beklagten - verwiesen.
11Den Auswahlbescheid stellte der Beklagte den Beigeladenen und der B. GmbH per Postzustellungsurkunde zu. In den beigefügten Übersendungsschreiben an die Beigeladene zu 2. und die B. GmbH wies der Beklagte darauf hin, dass für diese die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids entsprechend gelte. Auf ausdrückliche Nachfrage der Klägerin übersandte der Beklagte dieser unter dem 21. November 2013 - gegen Einschreiben mit Rückschein - eine Kopie des Auswahlbescheides. In dem beigefügten Übersendungsschreiben wies er darauf hin, die Klägerin habe "keinen Anspruch" mehr darauf, "gegen die neue Auswahlentscheidung klageweise vorzugehen", weil dem eine Klage der Klägerin "gegen die damalige Entscheidung" hätte vorausgehen müssen.
12Am 10. Dezember 2013 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben, mit welcher sie die Aufhebung des Bescheides vom 27. September 2013 und die Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung ihrer Bewerbung vom 8. Oktober 2009 für die Auswahl der Dienstleister zur Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten auf dem Flughafen L. /C. begehrt.
13Unter dem 31. Januar 2014 beantragte die Klägerin beim Beklagten Akteneinsicht in sämtliche Vorgänge des Auswahlverfahrens einschließlich derjenigen bezüglich des Auswahlbescheides vom 7. April 2010, soweit diese noch nicht dem erkennenden Senat vorgelegt worden seien. Mit Bescheid vom 25. Februar 2014 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab. Zur Begründung führte er sinngemäß aus: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Akteneinsicht als Beteiligter des Verwaltungsverfahrens gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, weil das ursprüngliche Verfahren mit Auswahlbescheid vom 7. April 2010 abgeschlossen worden sei. Ein Anspruch auf Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW sei abzulehnen, weil dadurch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Mitbewerber offenbart würden und mit Blick auf eine nachteilige Beeinflussung der Wettbewerbssituation erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstehe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 25. Februar 2014 - Bl. 51 bis 54 der Gerichtsakte - verwiesen.
14Mit Schriftsatz vom 26. März 2014 hat die Klägerin ihre Klage um das Begehren erweitert, den Bescheid des Beklagten vom 25. Februar 2014 aufzuheben und ihn zu verurteilen, mit Ausnahme der Aktenteile, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Wettbewerber enthalten und durch diese als solche gekennzeichnet wurden, sämtliche Verwaltungsvorgänge des Auswahlverfahrens einschließlich derjenigen zum Auswahlbescheid vom 7. April 2010 vorzulegen, soweit diese sich noch nicht beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen befänden, hilfsweise den Beklagten zur Vorlage der vorgenannten Akten an das Gericht aufzufordern und ihr sodann insoweit Akteneinsicht zu gewähren. Unter dem 11. August 2014 hat der Beklagte der Klageerweiterung - vorsorglich - widersprochen. Zugleich übersandte er - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht die um die Geschäftsgeheimnisse bereinigten Bewerbungsunterlagen der Beigeladenen zu 2. Darin wurde der Klägerin Einsicht gewährt. Gleiches gilt für die vom Beklagten anschließend übersandte, hinsichtlich der Informationen zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und wirtschaftlichen Kennzahlen der Konkurrenten der Klägerin unkenntlich gemachte Akte "BADV - Entscheidung" ‑ Beiakte Heft 4 der Gerichtsakte -.
15Anschließend haben die Klägerin und der Beklagte das Verfahren hinsichtlich der Klageerweiterung in der Hauptsache für erledigt erklärt.
16Die Klägerin trägt vor:
17Die Klage sei zulässig. Sie - die Klägerin - sei klagebefugt. Eine Verletzung ihres subjektiven öffentlichen Rechts auf eine richtige Auswahlentscheidung sei nicht offensichtlich ausgeschlossen, sondern resultiere daraus, dass sie zu Unrecht nicht ausgewählt worden sei, obwohl sie das beste Angebot vorgelegt habe.
18Nach wie vor sei sie Teilnehmerin des Auswahlverfahrens. Gründe für ihr Ausscheiden aus dem Auswahlverfahren seien nicht ersichtlich. Weder habe sie - die Klägerin - ihre Bewerbung zurückgenommen noch sei sie vom Beklagten durch eine explizite Entscheidung vom Auswahlverfahren ausgeschlossen worden. Dass sie - die Klägerin - gegen den Auswahlbescheid 2010 nicht vorgegangen sei, führe nicht zu ihrem (faktischen) Ausschluss aus dem Auswahlverfahren. Für einen solchen Ausschluss aus dem weiteren Auswahlverfahren fehle es an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Ansonsten käme es zu sinnwidrigen Ergebnissen. Es müssten dann alle Bieter jede Auswahlentscheidung angreifen, um im Auswahlverfahren zu bleiben. Anderenfalls hätte die Auswahlbehörde gegebenenfalls nach gerichtlicher Überprüfung nur noch die Auswahl zwischen dem zunächst ausgewählten und dem klagenden Bewerber, selbst wenn bei richtiger Bewertung ein Dritter das beste Angebot vorlegt hätte. Auch der Beklagte selbst und dessen als Verwaltungshelfer tätig gewordenen Prozessbevollmächtigte seien davon ausgegangen, dass sie - die Klägerin - weiter Teilnehmerin des Auswahlverfahrens sei. Der Beklagte habe eine formale Prüfung mit dem Ergebnis durchgeführt, dass vier Bieter - darunter auch sie, die Klägerin, - die formellen Teilnahmevoraussetzungen erfüllten. Das zeige sich daran, dass ihr - der Klägerin - Angebot im Auswahlbescheid bewertet worden sei und sie Akteneinsicht in die Auswahlverfahrensakte erhalten habe. Das ursprüngliche Auswahlverfahren sei nicht mit dem Auswahlbescheid 2010 abgeschlossen, sondern nach dessen Aufhebung fortgesetzt worden. Anderenfalls hätte eine neue Ausschreibung stattfinden müssen. Ihre - der Klägerin - Teilnehmereigenschaft bestehe aber auch unabhängig davon, ob der Abschnitt des Auswahlverfahrens nach der Aufhebung des Auswahlbescheids 2010 als eine Fortsetzung des ursprünglichen Auswahlverfahrens oder als ein selbständiges neues Verfahren anzusehen sei. Der ursprüngliche Auswahlbescheid 2010 sei nicht bestandskräftig und habe keine verfahrensabschließende Wirkung.
19Das Nichtangreifen der ursprünglichen Auswahlentscheidung könne auch nicht als ein konkludenter Verzicht auf die Teilnahme im weiteren bzw. neuen Auswahlverfahren verstanden werden. Sie - die Klägerin - habe gewusst, dass die Beigeladene zu 2. gegen den Auswahlbescheid geklagt habe, und, dass es wegen des Beurteilungsspielraums der Auswahlbehörde nicht zu einem Zuschlag per Gerichtsentscheidung habe kommen können. Sie - die Klägerin - habe daher darauf vertrauen dürfen, dass sie im Falle der Aufhebung der Auswahlentscheidung bei der erneuten Auswahl habe berücksichtigt werden müssen, ohne selbst klagen zu müssen. Auch die Annahme, in der Nichtanfechtung der Auswahlentscheidung liege ein konkludenter Verzicht auf weitere Teilnahme am Auswahlverfahren, führe zu sachwidrigen Ergebnissen. Ebenso widerspräche dies dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des "effet utile". Die Ziele der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung, welche zur Umsetzung der Bodenabfertigungsrichtlinie erlassen worden sei, seien die weitestgehende Öffnung des Marktes der Bodenabfertigungsdienste und die Etablierung des Wettbewerbs auf diesem Markt. Dies solle zur Senkung der Betriebskosten der Luftverkehrsgesellschaften und zur Hebung der den Nutzern gebotenen Qualität beitragen. Diese Ziele könnten nur erreicht werden, wenn der wettbewerbsfähigste Anbieter ausgewählt werde, der in der Lage sei, möglichst große Marktanteile vom bisherigen etablierten Anbieter zu übernehmen. Diesen Zielen und dem "effet utile" des Gemeinschaftsrechts liefe es zuwider, wenn im Fall der Überprüfung einer Auswahlentscheidung nicht die Angebote aller Bewerber berücksichtigt würden. Ließe man die Angebote aller Bewerber außer Betracht, die nicht gegen die Auswahlentscheidung vorgegangen seien, wäre die Wahrscheinlichkeit, dass der wettbewerbsfähigste Anbieter ausgewählt werde, viel geringer und das Ergebnis wäre einigermaßen zufällig.
20Ihre - der Klägerin - Rechtsverletzung sei auch nicht wegen entgegenstehender Bestandskraft des Auswahlbescheides 2010 offensichtlich ausgeschlossen. Sie wende sich gegen den bei Klageerhebung nicht bestandskräftigen Auswahlbescheid 2013. Eine Bindung der Auswahlbehörde im Sinne materieller Bestandskraft an den Auswahlbescheid 2010 bestehe nach dessen Aufhebung durch den erkennenden Senat mit Urteil vom 25. Januar 2011 - 20 D 38/10.AK - nicht. Anderenfalls wäre auch der Erlass des Auswahlbescheides 2013 nicht in der gleichen Angelegenheit möglich gewesen. Ebenso wenig entfalte der Auswahlbescheid 2010 eine eigenständige formelle Bestandskraft gegenüber solchen Mitbewerbern, die nicht dagegen geklagt hätten. Die Klage eines Mitbewerbers habe den Eintritt der Bestandskraft mit Wirkung auch für sie - die Klägerin - verhindert. Dies beruhe auf der Natur der Auswahlentscheidung. Diese sei unteilbar mit der Folge, dass einer von mehreren Bewerbern nicht einfach seinen Teil der Auswahlentscheidung klageweise einklagen könne und andere Teile in Bestandskraft erwüchsen. Es handele sich um einen Fall der "Konkurrentenverdrängungsklage". Spätestens mit der Aufhebung des Auswahlbescheides 2010 durch den erkennenden Senat sei dessen Bestandskraft endgültig entfallen. Der erkennende Senat habe den Auswahlbescheid 2010 insgesamt aufgehoben und nicht nur im Verhältnis zu bestimmten Bewerbern. Eine andere Betrachtung führe zu unsachgemäßen und dem Zweck der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung zuwiderlaufenden Ergebnissen, da nicht mehr sichergestellt wäre, dass nach gerichtlicher Aufhebung des Bescheides und ‑ unterstellt fehlerfreier - Neubescheidung der geeignetste Wettbewerber ausgewählt würde.
21Es handele sich vielmehr um ein einheitliches Auswahlverfahren, welches durch den Auswahlbescheid 2013 seinen vorläufigen Abschluss gefunden habe. Wenn man annehmen wollte, dass es sich um zwei unterschiedliche Auswahlverfahren handele, welche mit zwei voneinander unabhängigen Auswahlbescheiden 2010 und 2013 abgeschlossen worden seien, wäre zwar eine separate formelle Bestandskraft der jeweiligen Auswahlentscheidung möglich. Jedoch müsse man dann folgerichtig darauf abstellen, dass sie - die Klägerin ‑ nicht den Auswahlbescheid 2010, sondern den Auswahlbescheid 2013 angreife, welcher nicht formell bestandskräftig geworden sei.
22Die Klage sei im Übrigen fristgerecht erhoben und es bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis. Sie - die Klägerin - habe ein berechtigtes Interesse daran, dass der Auswahlbescheid 2013 aufgehoben werde, da sie bei fehlerfreier Auswahl selbst als Bodenabfertigungsdienstleister ausgewählt werde. Sie habe ihr Klagerecht auch nicht verwirkt. Daran ändere das Verstreichenlassen der Klagefrist in Bezug auf den Auswahlbescheid 2010 nichts. Ebenso wenig dürfe die Auswahlbehörde darauf vertrauen, dass ein Bieter, der in der Vergangenheit nicht gegen eine Auswahlentscheidung vorgegangen sei, auch künftig gegen Auswahlentscheidungen nicht vorgehe.
23Die Klage sei auch begründet. Der angefochtene Auswahlentscheid des Beklagten sei rechtswidrig und verletze sie - die Klägerin - in ihrem subjektiv öffentlichen Recht auf eine richtige Auswahlentscheidung. Der Beklagte habe den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht oder allenfalls fehlerhaft ausgenutzt.
24Insbesondere verstoße die für den Zeitraum von 2014 bis einschließlich 2020 erfolgte Auswahl gegen die Vorgaben der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung. Durch die Auswahl für die vollen sieben Jahre habe der Beklagte faktisch ein neues Auswahlverfahren durchgeführt, ohne die Vorgaben der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung zu beachten. Nach Nr. 2.2 der Auswahl-Richtlinie - Anlage 2 zu § 7 BADV - müsse der Auswahlentscheidung ein offener Wettbewerb vorangehen, der es jedem Interessenten ermögliche, sich zu bewerben. Demgegenüber habe der Beklagte seine Auswahlentscheidung eigenmächtig ausschließlich zwischen zwei Bewerbern getroffen. Wirtschaftliche Überlegungen zur Amortisationsdauer von Investitionen dürften dabei keine Rolle spielen. Auch weil der Beklagte sich nicht an den ursprünglichen Ausschreibungszeitraum gehalten habe, könne er sich im Übrigen nicht gleichzeitig darauf berufen, die Klägerin sei wegen einer selbst gewählten Ausschlussfrist aus dem Verfahren ausgeschieden.
25Die Klägerin beantragt,
26den Bescheid des Beklagten vom 27. September 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin hinsichtlich ihrer Bewerbung vom 8. Oktober 2009 für die Auswahl der Dienstleister zur Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten auf dem Flughafen L. /C. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
27Der Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Der Beklagte trägt vor:
30Die Klage sei bereits unzulässig. Die Anfechtung des Auswahlbescheids verbunden mit dem Neubescheidungsantrag sei nicht statthaft im Sinne von § 42 Abs. 1 VwGO. Gegenüber der Klägerin liege kein Verwaltungsakt des Beklagten vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müsse der mittels Anfechtungsklage angefochtenen Maßnahme gerade dem Kläger gegenüber Verwaltungsaktqualität zukommen. Dem Bescheid fehle es jedoch an einer unmittelbaren Rechtswirkung bzw. Regelung gegenüber der Klägerin.
31Ferner sei die Klägerin nicht klagebefugt. Sie könne durch die angefochtene Auswahlentscheidung nicht in ihren Rechten verletzt sein. Im Zeitpunkt der Neubescheidung sei sie keine Beteiligte des Auswahlverfahrens mehr gewesen und habe auch keinen Anspruch auf weitere Beteiligung daran respektive auf Neubescheidung gehabt. Er - der Beklagte - habe die Neubescheidung lediglich im Verhältnis zur Beigeladenen zu 2. sowie einem anderen Wettbewerber - dem Unternehmen B. GmbH - vorgenommen.
32Das Auswahlverfahren sei für die Klägerin spätestens mit Ablauf des 30. April 2010 beendet gewesen, zumal ihre Bewerbung ausdrücklich bis zu diesem Zeitpunkt befristet gewesen sei, obgleich eine Bindefrist nicht vorgegeben gewesen sei. Hätte die Klägerin danach an ihrer Bewerbung festhalten wollen, hätte sie dies gegenüber ihm - dem Beklagten - ausdrücklich erklären oder die Befristung verlängern oder aufheben müssen. Dies habe sie weder ausdrücklich noch konkludent getan. Insbesondere sei sie nicht gerichtlich gegen den Auswahlbescheid vom 7. April 2010 vorgegangen. Nachdem die Befristung der Bewerbung der Klägerin abgelaufen gewesen sei und diese den Auswahlbescheid vom 7. April 2010 hingenommen habe, sei ihr Angebot nach den auch im Vergabe- und Auswahlverfahren geltenden allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen (§§ 146, 148 BGB) erloschen und nicht mehr annahme- bzw. zuschlagsfähig gewesen.
33Zudem habe er von dem Entfallen des Bindungswillens der Klägerin bezüglich ihrer Bewerbung aufgrund ihres Schreibens vom 10. Mai 2010 ausgehen müssen, in welchem sie lediglich eine Äußerung des angehörten Betriebsrates der Beigeladenen zu 1. zu dem I. Betrieb der Klägerin richtig gestellt, aber im Übrigen die Auswahlentscheidung nicht beanstandet habe.
34Hätte die Klägerin tatsächlich mit Blick auf die von der Beigeladenen zu 2. erhobene Klage gegen den ursprünglichen Auswahlbescheid auf einen Verbleib im Vergabeverfahren vertraut, hätte sie dies spätestens in dem Zeitpunkt jener Klageerhebung geltend machen und eine entsprechende Verlängerung ihrer Bewerbung erklären müssen. Obwohl der Klägerin die Klageerhebung der Beigeladenen zu 2. positiv bekannt gewesen sei, habe sie dies jedoch nicht getan. Bei den anderen beiden Wettbewerbern habe er - der Beklagte - aufgrund deren Beteiligung am Verwaltungsstreitverfahren von einem fortbestehenden Bindungswillen bezüglich ihrer Bewerbungen ausgehen können. Zudem seien die Angebote der beiden anderen Bewerber nicht zeitlich befristet gewesen. Er habe die Klägerin im Unterschied zu den beiden anderen Bewerbern im Nachgang der Entscheidungen des erkennenden Senats und des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu einer Stellungnahme zu ihrem weiteren Verbleib im Verfahren aufgefordert. Ebenso wenig sei der Auswahlbescheid 2013 gegenüber der Klägerin bekanntgegeben worden. Weder sei die Klägerin Adressatin des Auswahlbescheides vom 27. September 2013 gewesen noch habe dieser sie in ihren Rechten betroffen.
35Zwar habe er - der Beklagte - in dem Auswahlbescheid auch die Angaben in der Bewerbung der Klägerin gewürdigt. Dies begründe jedoch keine Rechte und Pflichten der Klägerin. Deren Berücksichtigung gehe allein darauf zurück, dass der Verwaltungshelfer im April 2013 beauftragt worden sei, eine Neubescheidung umfassend zu prüfen. Der Verwaltungshelfer habe deshalb aus Gründen der Vollständigkeit zunächst auch die Bewerbung der Klägerin mitberücksichtigt. Dies habe aus Sicht des Verwaltungshelfers nahe gelegen, um eine bessere Prüfungs- und Vergleichsgrundlage für die Wertung aller Angebote zu erhalten. In den späteren Entwurfsfassungen sowie dem finalen Auswahlbescheid seien die Angaben der Klägerin deshalb weiter berücksichtigt worden. Dies sei insoweit unerheblich gewesen, als die Bewerbung der Klägerin ‑ selbst wenn diese noch wirksam gewesen wäre - nach dem Ergebnis der objektiven Prüfung aufgrund der Zuschlagskriterien deutlich hinter den beiden anderen Bewerbungen zurückgefallen sei. Zu keinem Zeitpunkt sei er - der Beklagte - von einem Verbleib der Klägerin im Auswahlverfahren ausgegangen.
36Ein Anspruch der Klägerin auf Neubescheidung habe nicht bestanden. Ihre Bewerbung sei mit der Zustellung des Auswahlbescheids vom 7. April 2010 abgelehnt worden. Diese Entscheidung sei von der Klägerin nicht angefochten worden und damit im Verhältnis zu dieser bestandskräftig geworden. Aus dem Urteil des erkennenden Senats vom 25. Januar 2011 könne die Klägerin keinen Neubescheidungsanspruch herleiten. Denn der erkennende Senat habe ihn - den Beklagten - ausdrücklich lediglich im Verhältnis zur damaligen Klägerin zur Neubescheidung verpflichtet. Von der materiellen Rechtskraft dieses Urteils seien allein der Anspruch der damaligen Klägerin auf Aufhebung der ursprünglichen Auswahlentscheidung und die die objektive Rechtswidrigkeit implizierende Feststellung, dass für die damalige Klägerin ein Anspruch auf Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts bestehe, umfasst. Die Auswahlentscheidung vom 7. April 2010 sei kein einheitlicher Verwaltungsakt, sondern sei subjektbezogen hinsichtlich der einzelnen Bewerber teilbar. Die dem Begünstigten erteilte Genehmigung und die einem Dritten erteilte Versagung bzw. Ablehnung seien eigenständige Verwaltungsakte. Für das Auswahlverfahren nach der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung könne nichts anderes gelten als für andere verwaltungsrechtliche Auswahlverfahren.
37Eine Neubescheidung sei mithin ausschließlich im Verhältnis zur Beigeladenen zu 2. und der Beigeladenen des damaligen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geboten und zulässig gewesen. Zutreffend sei auch der erkennende Senat davon ausgegangen, dass die Entscheidung im vorausgegangenen Rechtsstreit keine Wirkung zugunsten der Klägerin gehabt habe, so dass deren Beiladung nicht habe erfolgen müssen. Da das Urteil zugunsten der Beigeladenen zu 2. gegenüber der Klägerin jedoch gerade keine Rechtskraft entfalte, könne sich diese nicht darauf berufen. Er - der Beklagte - sei daher nicht verpflichtet und berechtigt gewesen, die Klägerin bei der erneuten Auswahlentscheidung zu berücksichtigen. Mit einer Neubescheidung zugunsten der Klägerin hätte er sich vielmehr in rechtswidriger Weise über die ausschließlich zugunsten der Beigeladenen zu 2. und der B. GmbH wirkende Rechtskraft des genannten Urteils hinweggesetzt. Die Rechtskraft müsse ausnahmsweise nur dann weichen, wenn die Aufrechterhaltung des durch die Entscheidung geschaffenen Zustandes "schlechthin untragbar" wäre. Eine solche Situation liege hier offensichtlich nicht vor. Würde man der Klägerin einen Anspruch auf Neubescheidung zubilligen, würde der der Institution der Rechtskraft zugrunde liegende Gedanke des Rechtsfriedens erheblich gestört. Der Streit könne sonst unbegrenzt unter Hinzutreten von bereits aus dem ursprünglichen Verfahren ausgeschiedenen Beteiligten mit Bezug auf eine Neubescheidung erneuert werden. Gerade im Bereich von Auswahlentscheidungen nach der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung, denen eine fachlich komplexe und anspruchsvolle Prüfung der Bewerbungen zugrunde liege, würde schlechterdings kein Rechtsfrieden eintreten. Die Nichtberücksichtigung bereits aus dem Auswahlverfahren ausgeschiedener Bewerber führe auch nicht zu sinnwidrigen Ergebnissen.
38Eine Durchbrechung der Rechtskraft des Urteils sei auch nicht aus unionsrechtlichen Erwägungen geboten. Grundsätzlich komme eine Durchbrechung der Rechtskraft aufgrund höherrangigen EU-Rechts ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn sich eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung nachträglich - insbesondere aufgrund eines später ergehenden Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union - als unvereinbar mit EU-Recht erweise. Eine solche Situation sei hier ersichtlich nicht gegeben. Der Grundsatz des "effet utile" könne auch mit Blick auf die Ziele der Richtlinie 96/67/EG und der darauf basierenden Bodenabfertigungsdienst-Verordnung nicht zur Umgehung der Rechtskraft und als Argument für einen Neubescheidungsanspruch der Klägerin angeführt werden. Insbesondere könne aus den Erwägungsgründen der genannten Richtlinie nicht abgeleitet werden, dass im Fall einer Neubescheidung Bewerber erneut am Verfahren zu beteiligen wären, die wegen der unterlassenen Geltendmachung von Rechtsmitteln bzw. des Ablaufs ihres Angebots eigenverantwortlich aus dem Verfahren ausgeschieden seien und von denen mithin keine zuschlagsfähige Bewerbung vorliege. Gemäß den Beweggründen der Richtlinie habe die Auswahl der Dienstleister in einem "transparenten und unparteiischen" Verfahren zu erfolgen. Dass Bewerber eigenverantwortlich aus einem Auswahlverfahren ausschieden, stehe dazu nicht im Widerspruch, sei nicht ungewöhnlich und im Sinne der Verfahrensökonomie und des Rechtsfriedens hinzunehmen. Ein rechtlich unwirksames Angebot könne - selbst wenn es sich um das wirtschaftlichste handeln sollte - nicht für den Zuschlag berücksichtigt werden. Hierdurch entstünden keine zufälligen Ergebnisse. Die Klägerin habe es selbst in der Hand gehabt, durch Klage gegen die erste Auswahlentscheidung im Verfahren zu bleiben. Ferner dürften die Mitgliedstaaten gemäß Erwägungsgrund Nr. 23 der Richtlinie 96/67/EG die für ein reibungsloses Funktionieren der Flughafeneinrichtungen notwendigen Vorschriften erlassen und durchsetzen. Dazu gehörten nach Art. 21 der Richtlinie auch die Regelungen zum Rechtsschutz gegen eine Auswahlentscheidung. Diese Vorschriften müssten nach Erwägungsgrund 23 dem angestrebten Ziel entsprechen und dürften nicht dazu führen, dass der Marktzugang oder die Ausübung der Selbstabfertigung de facto stärker als nach der Richtlinie zulässig eingeschränkt würden. Zur Verwirklichung eines echten Wettbewerbs zwischen flughafeneigenem und unabhängigem Bodenabfertigungsdienstleister müsse im Fall von Rechtsmitteln gegen die Auswahlentscheidung möglichst schnell nach Abschluss des Auswahlverfahrens feststehen, welcher Bewerber den Fluggesellschaften seine Dienste als Bodenabfertiger anbieten könne. Die Klage der schon vor geraumer Zeit aus dem Auswahlverfahren ausgeschiedenen Klägerin sei vor diesem Hintergrund offensichtlich rechtsmissbräuchlich und untergrabe das Ziel der Richtlinie und der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung, tatsächlichen Wettbewerb durch das Angebot von Bodenabfertigungsdienstleistungen durch die Zulassung mindestens eines privaten Anbieters herzustellen. Dass bei europarechtlich geprägten Auswahlverfahren möglichst rasch Rechtssicherheit hergestellt werden müsse, ergebe sich auch aus der insoweit übertragbaren gesetzgeberischen Gewichtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit in der Rechtsmittelrichtlinie.
39Wie der Verwaltungsgerichtshof der Republik Österreich in seiner Entscheidung vom 30. Juni 2015 - I RAS 2015/03/022 - festgestellt habe, widerspreche es den Zielsetzungen der Richtlinie 96/67/EG, nach jeder Änderung der Auswahlentscheidung auf die Klage eines Bewerbers hin die Klagemöglichkeit für alle Bewerber wieder zu eröffnen.
40Auch fehle das allgemeine Rechtschutzbedürfnis für die Klage. Die Klägerin habe jegliche Rechte mit Bezug auf das Auswahlverfahren verwirkt, indem sie es nach Zustellung der Absage ihrer Bewerbung mit Bescheid vom 7. April 2010 bis zur Erhebung der vorliegenden Klage unterlassen habe, eine Rechtsverletzung im Auswahlverfahren gegenüber ihm - dem Beklagten - geltend zu machen. Ihrem eigenen Vortrag zufolge habe die Klägerin positive Kenntnis von der Klageerhebung der Beigeladenen zu 2. gegen den ersten Auswahlbescheid gehabt und gleichwohl keine eigenen rechtlichen Schritte dagegen eingeleitet, geschweige denn die Bindefrist ihres Angebots mit Blick auf den laufenden Rechtsstreit verlängert. Im Gegenteil habe sie nach der am 20. April 2010 erfolgten Klageerhebung der Beigeladenen zu 2. mit Schreiben vom 11. Mai 2010 die Auswahlentscheidung vom 7. April 2010 ausdrücklich nicht beanstandet und damit konkludent ihr Einverständnis diesbezüglich bekundet. Selbst wenn sie nach Ablauf der Bindefrist ihres Angebots am 30. April 2010 überhaupt noch ein Recht auf Teilnahme am Auswahlverfahren gehabt hätte, habe er - der Beklagte - im Zeitpunkt der Neubescheidung darauf vertrauen können, dass ein derartiges Recht nicht mehr bestehe. Ein Bewerber, der gegen eine Auswahlentscheidung kein Rechtsmittel einlege, verliere seine Stellung als Partei und Bewerber und bringe zum Ausdruck, seine Rechte aus der Bewerbung nicht weiter zu verfolgen. Ein Bewerber der die Vergabe- oder Auswahlentscheidung über einen längeren Zeitraum unbeanstandet hinnehme und seine Rechte nicht geltend mache, verwirke grundsätzlich seine Rechte im Vergabe-/Auswahlverfahren.
41Indem sie gegen den ursprünglichen Auswahlbescheid kein Rechtsmittel eingelegt habe, habe die Klägerin ihre Rechte schließlich zudem gemäß § 107 Abs. 3 GWB analog verwirkt.
42Im Übrigen sei die Klage - was weiter ausgeführt wird - auch unbegründet. Die gerichtliche Überprüfung einer Auswahlentscheidung nach der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung sei darauf beschränkt, ob die Behörde gegen die geltenden Verfahrensbestimmungen verstoßen oder den ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten habe, indem sie von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen sei, sachfremde Erwägungen angestellt oder sich nicht an den von ihr aufgestellten Beurteilungsmaßstab und die allgemeinen Grundsätze der Sachgerechtigkeit, Transparenz und Nichtdiskriminierung gehalten habe. Diesem Maßstab werde die Auswahlentscheidung vom 27. September 2013 in jeder Hinsicht gerecht. Er - der Beklagte - sei unter strenger Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und Berücksichtigung der Voten sämtlicher Anzuhörenden vorgegangen. Er habe ergebnisoffen geprüft. Selbst wenn die Klägerin noch rechtmäßig im Verfahren befindlich gewesen wäre, wäre auf ihre Bewerbung der Zuschlag nicht zu erteilen gewesen. Im Ergebnis der objektiven Prüfung durch ihn, den Beklagten, sei die Bewerbung der Klägerin deutlich hinter den beiden anderen Bewerbungen zurück gefallen. Die Klägerin versuche durch widersprüchliche und teilweise unzutreffende Angaben den Eindruck zu erwecken, er - der Beklagte - habe einseitig zugunsten der Beigeladenen zu 2. gewertet. Ferner versuche die Klägerin durch grob unzutreffende Behauptungen den Eindruck zu erwecken, die Votengeber hätten sich zugunsten der Klägerin ausgesprochen und er - der Beklagte - habe dies nicht berücksichtigt.
43Die in der EU-Bekanntmachung aus Juni 2009 benannten Daten ergäben sich zum einen aus dem Auslaufen der Berechtigung zur Erbringung von Bodenabfertigungsdienstleistungen durch den damaligen Dienstleister zum 31. Juli 2010, zum anderen durch die durch § 7 Abs. 4 BADV vorgegebene Höchstdauer von sieben Jahren. Aufgrund des Rechtsstreits um den Auswahlbescheid vom 7. April 2010 und die damit verbundene interimsweise Beauftragung des vorherigen Lizenzinhabers habe der mit Bescheid vom 27. September 2013 ausgewählte Anbieter erst ab dem 1. Januar 2014 beauftragt werden können, so dass der siebenjährige Zeitraum erst zum 31. Dezember 2020 ende. Die Einhaltung des zunächst in der Ausschreibung genannten Enddatums sei infolge der gerichtlichen Aufhebung der ersten Auswahlentscheidung unmöglich gewesen. Jedenfalls liege darin kein Verstoß gegen die maßgeblichen Reglungen der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung. Gemäß § 7 Abs. 4 BADV würden die Dienstleister für die Dauer von höchstens sieben Jahren ausgewählt und dieser Zeitraum sei nicht überschritten. Ein Verstoß gegen die Ausschreibung könne darin ebenfalls nicht gesehen werden. Die Ausschreibung sei für einen Zeitraum von sieben Jahren erfolgt. Das in der Ausschreibung genannte Enddatum habe insoweit keine eigenständige Bedeutung, sondern habe lediglich das Ende des am 1. August 2010 beginnenden Zeitrahmens signalisiert. Habe der vorgesehene Beginn aufgrund des Urteils des erkennenden Senats nicht eingehalten werden können, habe das Ende des Auswahlzeitraums entsprechend verschoben werden müssen. Eine kürzere Beauftragung der Beigeladenen zu 2. sei auch deshalb nicht möglich gewesen, weil die Ausschreibung für den Zeitraum von sieben Jahren erfolgt sei und die Bieter ihre Angebote entsprechend kalkuliert hätten. Ein kürzerer Lizenzzeitraum wäre aus wirtschaftlichen und funktionellen Gründen für den ausgewählten Dienstleister, den Flughafen und die Nutzer nicht darstellbar gewesen. Schon bei dem ohnehin kurzen Lizenzzeitraum von sieben Jahren sei angesichts der sehr knappen Margen im Bereich der Bodenabfertigung eine Amortisierung der getätigten Investitionen kaum möglich. Aufgrund dessen habe die EU-Kommission in ihren Vorschlag für eine Verordnung für Bodenabfertigungsdienste auf Flughäfen in der Europäischen Union und zur Aufhebung der Richtlinie 96/67/EG eine Verlängerung des Höchstzeitraums der Lizenzen auf zehn Jahre aufgenommen. Bei einer kürzeren Lizenzdauer als sieben Jahre wäre zudem die für den Flughafen und die Nutzer erforderliche Planungssicherheit über das Angebot von Bodenabfertigungsdienstleistungen nicht gegeben. Gerade die Nutzer seien an langfristigen Vertragsbeziehungen interessiert, da die Umstellung auf einen neuen Anbieter jeweils mit einem nicht unerheblichen Aufwand und Anlaufschwierigkeiten verbunden sei.
44Die Dauer des Lizenzzeitraums sei für den vorliegenden Rechtsstreit aber auch nicht relevant. Die Klägerin sei insoweit nicht beschwert, da der Zeitpunkt der Ausschreibung für die nächste Lizenzperiode nicht Streitgegenstand sei. Begehrte die Klägerin die vorzeitige Neuausschreibung der nächsten Lizenzperiode, habe sie eine Leistungsklage gerichtet auf vorzeitige Neuausschreibung der Lizenzen erheben müssen. Ein solches Begehren wäre im Übrigen aber widersinnig, da die Klägerin mit ihrer rechtsmissbräuchlichen Klage das Entstehen von tatsächlichem Wettbewerb durch einen privaten Bodenabfertigungsanbieter am Flughafen L. /C. verhindere. Wäre eine Neuausschreibung für den Zeitraum ab 31. Juli 2017 erforderlich, hätte die Klägerin ihr Ziel vollauf erreicht. Die Beigeladene zu 2. hätte dann aufgrund des andauernden Rechtsstreits in der auf dreieinhalb Jahre verkürzten Lizenzperiode faktisch keine Möglichkeit gehabt, Kunden zu akquirieren. Das wäre mit den Grundgedanken der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung und der Richtlinie 96/67/EG nicht vereinbar. Vor diesem Hintergrund könne auf die vorliegende Klage keinesfalls ein Neubescheidungsurteil ergehen. Die Beigeladene zu 2. sei bereits seit Januar 2014 tätig, so dass sich der geltend gemachte Neubescheidungsanspruch insoweit durch Zeitablauf erledigt hätte. Für den verbleibenden Lizenzzeitraum habe sich der geltend gemachte Neubescheidungsanspruch jedenfalls faktisch erledigt, denn aus den genannten Gründen - erforderlicher Amortisierungszeitraum - sei die Beauftragung eines Dienstleisters für einen Zeitraum von lediglich drei Jahren unmöglich. Auch deshalb sei die Klage unzulässig.
45Die Beigeladene zu 1. stellt keinen Antrag und nimmt zur Sache nicht Stellung.
46Die Beigeladene zu 2. beantragt,
47die Klage abzuweisen.
48Sie tritt dem Beklagtenvorbringen bei und trägt in Ergänzung dessen vor:
49Die Klage sei unzulässig. Bereits 2010 sei die Klägerin mit der ursprünglichen Auswahlentscheidung bestandskräftig aus dem Auswahlverfahren ausgeschieden. Die Bestandskraft der Nichtberücksichtigung der Klägerin im Auswahlverfahren folge über die vom Beklagten genannten Gründe hinaus daraus, dass der Klägerin im April 2010 neben dem an die Beigeladene zu 1. adressierten Auswahlbescheid die Mitteilung zugestellt worden sei, dass sie aus den im Bescheid festgehaltenen Gründen nicht berücksichtigt worden sei, und diese Mitteilung gegenüber der Klägerin einen belastenden Verwaltungsakt darstelle, der mangels Rechtsmittels der Klägerin bestandskräftig geworden sei. Damit habe die Klägerin ihren Anspruch auf weitere Teilnahme am Auswahlverfahren verloren. Daran ändere auch das Urteil des erkennenden Senats vom 25. Januar 2011 nichts. Die Rechtskraft dieses Urteils erstrecke sich allein auf das Verhältnis zwischen ihr - der Beigeladenen zu 2. - als der damaligen Klägerin und dem Beklagten. Auch sei im Verhältnis zur Klägerin gerade keine neue Sachentscheidung ergangen. Deren Mitberücksichtigung im Rahmen der neuen Auswahlentscheidung habe allein dem Zweck gedient, eine Prüfungs- und Vergleichsgrundlage für die Wertung aller Angebote zu erhalten. Dass die Prüfung nicht zugunsten der Klägerin erfolgen sollte, habe der Beklagte unmissverständlich dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er lediglich bei der B. GmbH und der Beigeladenen zu 2. deren weitere Angebotsbindung erfragt habe und eine Bekanntgabe der neuen Auswahlentscheidung nur an diese beiden Bewerber erfolgt sei.
50Es fehle zudem das Rechtsschutzbedürfnis. Die Neubewertung der vom erkennenden Senat und dem Bundesverwaltungsgericht beanstandeten Punkte habe unter keinen Umständen zu einer Lage führen können, nach der die deutlich letztplatzierte Klägerin die höchste Punktzahl erreicht hätte.
51Die Klägerin sei auch auf Grund der selbst gesetzten zeitlichen Befristung ihres Angebots bis zum 30. April 2010 nicht mehr Beteiligte des Auswahlverfahrens gewesen. Der Beklagte habe davon ausgehen können und müssen, dass die Klägerin nach diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Erbringung der Dienstleistungen gewillt gewesen sei. Es treffe nicht zu, dass eine solche Fristsetzung branchenüblich sei. Erachtete man die Klage dennoch als zulässig, wäre ein Auswahlverfahren kaum noch durchführ- und handhabbar. Entgegen dem gesetzgeberischen Willen wäre ein Ende des Verfahrens nicht absehbar und es würde zu einem "Perpetuum Mobile". Dies sei auch unter verfahrensökonomischen Gesichtspunkten untragbar. Dies gelte insbesondere angesichts der regelmäßigen Teilnahme von fünf bis zehn Bewerbern an derartigen Auswahlverfahren.
52Für eine Durchbrechung der Bestandskraft bestehe auch kein tatsächliches oder rechtliches Bedürfnis. Bei Klageerhebung gegen den Auswahlbescheid würden die subjektiven Rechte des klagenden Bewerbers und objektive Verfahrensfehler, die alle Bewerber beträfen, geprüft. Für den Fall, dass das Gericht derart eklatante Mängel feststelle, dass alle Bewerber hiervon betroffen seien, könne es nicht nur die Auswahlentscheidung als solche aufheben, sondern das gesamte Auswahlverfahren. Gegebenenfalls könnten alle nicht berücksichtigten Bewerber von der angeordneten Neuausschreibung profitieren. Auch die Behörde habe die Möglichkeit, die Ausschreibung vor einer neuen Bescheidung neu durchzuführen, wenn sie zu der Erkenntnis gelange, dass das Verfahren anhand der gerichtlichen Vorgaben fehlerbehaftet gewesen sei und die Rechte ausgeschiedener Bewerber eklatant verletzt worden seien. Liege ein solcher Fall nicht vor, bedürfe es keiner erneuten (Über-)Prüfung der Auswahlentscheidung auf Grund von Beschwerden bereits ausgeschiedener Bewerber. Im Übrigen habe der Verwaltungsgerichtshof der Republik Österreich in einem vergleichbaren Verfahren zur Auswahl eines Bodenabfertigers am Flughafen Wien festgestellt, dass ein Bewerber durch die Unterlassung eines Rechtsmittels zum Ausdruck bringe, sein Recht nicht weiter zu verfolgen.
53Darüber hinaus sei die Klage auch - was weiter ausgeführt wird - offenkundig unbegründet.
54Die Angabe des Zeitraums vom 1. August 2010 bis zum 31. Juli 2017 in der Ausschreibung habe lediglich deklaratorischen Charakter und sei dem Umstand geschuldet, dass die vorherige Lizenz zu diesem Zeitpunkt ausgelaufen sei und es eines ordnungsgemäß ausgewählten Nachfolgers bedurft habe. Selbstverständlich sei im Rahmen der neuen Auswahlentscheidung, die eine Auswahl frühestens ab dem 1. Januar 2014 ermöglicht habe, auch die Dauer von sieben Jahren Laufzeit gemäß den Vorgaben der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung und der konkreten Ausschreibung zu gewährleisten.
55Dem nach der gerichtlichen Aufhebung einer rechtswidrigen Auswahlentscheidung rechtmäßig neu ausgewählten Bodenabfertiger könne es nicht zum Nachteil gereichen, dass die Auswahlbehörde zunächst eine rechtswidrige Auswahlentscheidung erlasse und diese erst Jahre später korrigieren könne. Die Ausschreibungsunterlagen und Bewerbungen hätten von Beginn an einen Zeitraum von sieben Jahren vorgesehen. Darauf hätten sich die Bewerber bei der Erstellung ihrer Bewerbungen und Kalkulationen auch verlassen und verlassen müssen. Nur über einen solchen Zeitraum könne ein Bodenabfertiger an einem Flughafen wirtschaftlich seinen Betrieb aufbauen und umsetzen, ohne die Sicherheit des Abfertigungsbetriebes zu gefährden. Es sei folgerichtig gewesen, dass der Beklagte mit dem Beginn der neuen Lizenz einen Zeitraum von sieben Jahren festgesetzt habe. Würde man hier auf den alten deklaratorischen Zeitraum vom 1. August 2010 bis zum 31. Juli 2017 abstellen, hätte der neu ausgewählte Bodenabfertiger lediglich für einen Restzeitraum von dreieinhalb Jahren Bodenabfertigungsdienste erbringen können. In einem solchen Zeitraum sei es für einen Abfertiger nicht möglich, die erforderlichen Strukturen aufzubauen, Personal und Geräte zu beschaffen und Verträge mit den Luftverkehrsgesellschaften abzuschließen und erfolgreich zu bedienen. Auch Letzteren sei an einem Mindestzeitraum vertraglicher Sicherheit gelegen, der bei kürzeren Lizenzen nicht gewährleistet werden könne. Aus diesem Grund würden alle bislang in Deutschland erfolgten Ausschreibungen nach der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung ausnahmslos für einen Zeitraum von sieben Jahren durchgeführt und in der Praxis umgesetzt.
56Hintergrund der Befristung der Lizenz auf sieben Jahre sei, dass auf diese Weise auch für die beschränkte Marktöffnung bezüglich der festgesetzten Zahl an Bodenabfertigern der Wettbewerb ständig wieder belebt werde. Dabei dürfe aber nicht übersehen werden, dass bei einer kürzeren Bemessung die Marktöffnung für potentielle Bewerber uninteressant werde. Eine Vergabe der Konzession verlange von einem Dienstleister regelmäßig hohe Investitionen, die sich nur dann amortisieren könnten, wenn der Dienstleister seine Leistungen über einen angemessenen Zeitraum anbieten könne. Nur so könne dem Sinn und Zweck der Richtlinie 96/67/EG nachgekommen werden, wonach die Öffnung des Zugangs zum Markt der Bodenabfertigungsdienste zur Senkung der Betriebskosten der Luftverkehrsgesellschaften und zur Hebung der den Nutzern gebotenen Qualität beitragen soll. Zur Wahrung eines wirksamen Wettbewerbs sei es erforderlich, dass mindestens ein Dienstleister in ökonomisch vertretbarer Zeit am Flughafen tätig sein könne. Die betreffenden sieben Jahre hätten sich in der Praxis bewährt. Es entspreche daher dem Liberalisierungsgedanken der Richtlinie 96/67/EG, die Auswahl grundsätzlich für die Maximalfrist zu treffen und die Ausschreibungsverfahren hierauf auch auszulegen. Sähe man dies anders, hinge der Zeitraum, für den ein Abfertiger Dienstleistungen erbringen könne, zudem davon ab, wie lange sich die jeweiligen Verfahren und Prozesse vor den Gerichten hinzögen. Die angestrebten Gerichtsverfahren würden damit ad absurdum geführt. Eine andere Möglichkeit als die Auswahl für einen Zeitraum von sieben Jahren ab dem neu festgelegten Beginn der Lizenz bestehe weder faktisch noch rechtlich. Der Beklagte hätte allenfalls eine komplett neue Ausschreibung für den neuen Zeitraum vornehmen können. Dann wäre während des monate- oder jahrelangen Übergangszeitraums aber ein Lizenz-Vakuum entstanden, in dem kein rechtmäßig ausgewählter Dienstleister hätte tätig werden können. Die neue Auswahlentscheidung hätte wieder gerichtlich angegriffen werden können und eine erneute Aufhebung hätte wiederum zu einer neuen Ausschreibung führen müssen. Die Folge wäre ein "Perpetuum Mobile" gewesen, welches über einen unkalkulierbar langen Zeitraum die dringend erforderliche Bodenabfertigung am Flughafen gefährdet hätte. Es liege im rechtlichen und wirtschaftlichen Interesse aller Beteiligten, dass auch im Falle des Angriffs einer Auswahlentscheidung der letztlich rechtskräftig ausgewählte Dienstleister für einen Zeitraum von sieben Jahren am Flughafen tätig werden könne.
57Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
58Entscheidungsgründe
59I. Soweit die Klägerin und der Beklagte das Verfahren betreffend das klageweise geltend gemachte Akteneinsichtsbegehren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist es in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
60II. Im Übrigen, d. h. soweit die Klage fortgeführt wird, hat sie Erfolg.
611. Die Klage ist zulässig.
62a) Sie ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft (vgl. § 42 Abs. 1 VwGO), da das Rechtsschutzbegehren der Klägerin zum einen auf die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, zum anderen auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet ist. Sie begehrt die Aufhebung der angefochtenen Auswahlentscheidung vom 27. September 2013 und die (Neu-)Bescheidung ihrer Bewerbung aus dem Jahr 2009. Die - wie hier - von der Luftfahrtbehörde nach § 7 Abs. 1 Satz 3 BADV getroffene Auswahlentscheidung und eine gegebenenfalls neu zu treffende Auswahlentscheidung sind Verwaltungsakte.
63Vgl. dies inzidenter voraussetzend: BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 3 C 32.11 -, NVwZ 2013, 507; OVG NRW, Urteil vom 25. Januar 2011 - 20 D 38/10.AK -, ZfBR 2011, 495; OVG Hamburg, Beschluss vom 16. August 2013 - 1 Es 2/13 -, juris; ausdrücklich: Hess. VGH, Urteil vom 15. Oktober 2014 - 9 C 1276/13.T -, VPR 2015, 197.
64Entgegen der Ansicht des Beklagten kommt dem angefochtenen Auswahlentscheid auch gegenüber der Klägerin Verwaltungsaktqualität zu. Denn der Bescheid ist unmittelbar darauf gerichtet, der Beigeladenen zu 2. die Gestattung zur Erbringung betreffender Bodenabfertigungsdiensten zu erteilen, und zwar mit Wirkung gegenüber jedermann und damit auch gegenüber der Klägerin.
65b) Die Klägerin ist zudem klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Nach dieser Vorschrift muss der Kläger bei einer Anfechtungs- und/oder Verpflichtungsklage geltend machen können, durch den angefochtenen Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines begehrten Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein. Das ist der Fall, wenn unter Zugrundelegung des Klagevorbringens eine Verletzung eines geltend gemachten Rechts möglich erscheint. Daran fehlt es, wenn die vom Kläger geltend gemachte Rechtsposition offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder ihm zustehen kann.
66Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2015
67- 2 A 6.13 -, juris, m. w. N.
68Vorliegend ist es nicht von vornherein und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass der angefochtene Bescheid vom 27. September 2013 die Klägerin in ihren Rechten verletzt (dazu im Folgenden unter aa]) und ihr darüber hinaus der geltend gemachte Bescheidungsanspruch zusteht (dazu im Folgenden unter bb]).
69aa) Die angefochtene Auswahlentscheidung verletzt die Klägerin möglicherweise in ihrem Recht nach Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG und §§ 7, 8 BADV i. V. m. Art. 6, 11, 14 und 21 der Richtlinie 96/67/EG des Rates vom 15. Oktober 1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft (Richtlinie 96/67/EG) auf ein ordnungsgemäßes und faires, d. h. insbesondere sachgerechtes, objektives, transparentes und nichtdiskriminierendes Auswahlverfahren.
70Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. März 2016
71- 3 B 16.15 -, juris; Hess. VGH, Urteil vom 15. Oktober 2014 - 9 C 1276/13.T -, a. a. O., m. w. N.
72Auswahlverfahren im vorgenannten Sinne ist das gesamte auf Vorbereitung und den Erlass der Auswahlentscheidung gerichtete Verfahren einschließlich des Erlasses der Auswahlentscheidung selbst. Es umfasst auch, nachdem hinsichtlich der am Flughafen L. /C. zu erbringenden Bodenabfertigungsdienste gemäß § 3 Abs. 2 bis 5 BADV mehrere Dienstleister zuzulassen sind, die bezüglich der Vergabe solcher Dienstleistungen nach Art. 11 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 96/67/EG, § 7 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 BADV i. V. m. Nr. 2.2 Satz 1 der Anlage 2 zu § 7 BADV (Auswahl-Richtlinie) vorgeschriebene Ausschreibung im Amtsblatt der Europäischen Union. Die Ausschreibung ist eine wesentliche Voraussetzung für ein transparentes, nichtdiskriminierendes und damit ordnungsgemäßes und faires Auswahlverfahren.
73Vorliegend kommt in Betracht, dass die angefochtene Auswahlentscheidung unter Missachtung des dargestellten Ausschreibungserfordernisses ergangen ist, weil der Beklagte darin die Beigeladene zu 2. zur Erbringung der betreffenden Bodenabfertigungsdienste für einen Zeitraum ausgewählt respektive entsprechend konzessioniert hat, der über denjenigen hinausgeht, der dem Wortlaut der veröffentlichten Ausschreibung nach als der für die Erbringung der fraglichen Dienstleistungen vorgesehene Zeitraum beschrieben ist. Während die Beigeladene zu 2. mit dem angefochtenen Bescheid zur Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2020 ausgewählt worden ist, war dem Wortlaut der veröffentlichten Ausschreibung nach für die Erbringung der Bodenabfertigungsdienste der Zeitraum vom 1. August 2010 bis zum 31. Juli 2017 angegeben. Die Maßgeblichkeit des Wortlauts der veröffentlichten Ausschreibung unterstellt, könnte die mit dem angefochtenen Bescheid auch über den 31. Juli 2017 hinaus bis zum 31. Dezember 2020 getroffene Auswahlentscheidung ohne die nach Art. 11 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 96/67/EG und § 7 Abs. 1 Satz 1 BADV vorgeschriebene Ausschreibung im Amtsblatt der Europäischen Union erfolgt sein.
74Aus einem solchen Verfahrensverstoß folgt gegebenenfalls eine Verletzung des oben aufgeführten Rechts der Klägerin auf ein ordnungsgemäßes und faires Verfahren betreffend die Auswahl von Bodenabfertigungsdienstleistern am Flughafen L. /C. , zumal zu einem solchen - wie ausgeführt - gehört, dass die zu vergebenden Dienstleistungen ausgeschrieben werden müssen. Eine solche Rechtsverletzung kann die Klägerin auch klageweise geltend machen.
75Das Ausschreibungserfordernis nach Art. 11 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 96/67/EG, § 7 Abs. 1 Satz 1 und 5 BADV i. V. m. Nr. 2.2 Satz 1 der Auswahl-Richtlinie dient dem Schutz der Rechte von (potentiellen) Interessenten der zu vergebenden Dienstleistungen. Dies folgt aus § 7 Abs. 1 Satz 5 BADV in Verbindung mit Nr. 2.2 Satz 1 der Auswahl-Richtlinie, wonach die Ausschreibung es jedem Interessenten ermöglichen soll, sich zu bewerben. Der Klägerin kommt die Stellung eines solchen Interessenten in Bezug auf die mit der angefochtenen Auswahlentscheidung vergebenen Dienstleistungen jedenfalls mit Blick auf Folgendes zu: Sie ist als rechtsfähiges Unternehmen, das Bodenabfertigungsdienste für Dritte erbringt bzw. zu erbringen beabsichtigt, (potentiell) Dienstleisterin im Sinne von Art. 2 Buchstabe g der Richtlinie 96/67/EG und § 2 Nr. 5 BADV. Ferner hat sich ihr Interesse an der Erbringung von Bodenabfertigungsleistungen am Flughafen L. /C. schon vor Erhebung der vorliegenden Klage konkret dadurch manifestiert, dass sie auf die im Juni 2009 erfolgte Ausschreibung solcher Dienstleistungen ihr Interesse bekundet und nach ihrer Zulassung zum Teilnahmewettbewerb sich diesbezüglich beworben hat. Da sie aufgrund ihrer Interessenbekundung zum Teilnahmewettbewerb zugelassen worden ist, ist zudem von ihrer prinzipiellen Eignung zur Erbringung der fraglichen Dienstleistungen auszugehen.
76Ungeachtet des Vorgesagten ist die Klägerin - wie unten unter bb) noch näher ausgeführt und begründet wird - nach wie vor Teilnehmerin des Auswahlverfahrens, welches mit der angefochtenen Auswahlentscheidung verwaltungsseitig zum Abschluss gebracht werden sollte. Jedenfalls diese Stellung vermittelt ihr das o. g. Recht auf ein ordnungsgemäßes und faires Auswahlverfahren gerade auch in Bezug auf die angefochtene Auswahlentscheidung und den im Zusammenhang damit stehenden fraglichen Verstoß gegen das Ausschreibungserfordernis.
77bb) Ebenso ist die Klägerin hinsichtlich des von ihr geltend gemachten Anspruchs auf Neubescheidung ihrer Bewerbung vom 8. Oktober 2009 klagebefugt. Das Bestehen eines solchen Anspruchs ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Klägerin ist nach wie vor Teilnehmerin des Auswahlverfahrens, das mit der angefochtenen Auswahlentscheidung verwaltungsseitig zum Abschluss gebracht werden sollte. Als solcher steht ihr gemäß Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG und §§ 7, 8 BADV i. V. m. Art. 6, 11, 14 und 21 der Richtlinie 96/67/EG das Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen, fairen Auswahlverfahrens zu.
78Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. März 2016
79- 3 B 16.15 -, a. a. O.; Hess. VGH, Urteil vom 15. Oktober 2014 - 9 C 1276/13.T -, a. a. O., m. w. N.
80Dies schließt das Recht des Wettbewerbsteilnehmers mit ein, dass seine Bewerbung bei der Auswahlentscheidung ohne zu seinen Lasten gehende Verfahrens- und/oder Beurteilungsfehler einbezogen und berücksichtigt wird. Zudem hat der Wettbewerbsteilnehmer einen verfahrensrechtlichen Anspruch auf formale Bescheidung, zumal die Auswahlentscheidung nach Nr. 2.2 Abs. 5 Satz 5 der Auswahl-Richtlinie sämtlichen Bewerbern bekannt zu geben ist. Diese Rechtspositionen der Klägerin sind durch die angefochtene Auswahlentscheidung möglicherweise verletzt worden. Daraus resultiert gegebenenfalls ein Anspruch der Klägerin auf erneute Bescheidung ihrer Bewerbung.
81(1) Die Klägerin ist nicht infolge der ersten Auswahlentscheidung vom 7. April 2010 aus dem Auswahlverfahren ausgeschieden. Ihr Anspruch auf Berücksichtigung ihrer Bewerbung bei der Auswahlentscheidung und entsprechende Bescheidung derselben dürfte zwar zunächst mit der ursprünglichen Auswahlentscheidung des Beklagten vom 7. April 2010 erfüllt worden sein, zumal die Klägerin diese nicht angefochten hat. Diese Auswahlentscheidung ist indes mit rechtskräftigem Urteil des erkennenden Senats vom 25. Januar 2011 - 20 D 38/10.AK - aufgehoben worden. Durch diese gerichtliche Aufhebung ist die ursprüngliche Auswahlentscheidung vom 7. April 2010 nicht nur im Verhältnis der Beteiligten des vorgenannten Rechtsstreits in Wegfall geraten, sondern auch im Verhältnis zu der an dem damaligen Prozess nicht beteiligten Klägerin.
82Dem vorgenannten Urteil vom 25. Januar 2011 kommt neben der Rechtskraftwirkung die (materiell-) rechtliche Gestaltungswirkung zu, dass der Bescheid vom 7. April 2010 aufgehoben und damit beseitigt worden ist. Dieser unmittelbar bewirkten Umgestaltung bzw. Wiederherstellung der (materiellen) Rechtslage kommt nicht nur Wirkung zwischen den Beteiligten, sondern gegenüber jedermann zu.
83Vgl. Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 37, 94 m. w. N.
84Entgegen der Ansicht des Beklagten und der Beigeladenen zu 2. ist diese Gestaltungswirkung vorliegend auch nicht etwa in der Weise eingeschränkt, dass die ursprüngliche Auswahlentscheidung vom 7. April 2010 allein im Verhältnis der Beteiligten des vorausgegangenen Rechtsstreits beseitigt worden wäre und damit allein diesen gegenüber seine Wirkung verloren hätte, während sie im Verhältnis zur Klägerin, die sie nicht angefochten hat, weiterhin wirksam und durchsetzbar wäre.
85Vgl. zur subjektiven Reichweite der Gestaltungswirkung der Aufhebung von Verwaltungsakten durch Gerichtsurteile: Clausing, a. a. O., Rn. 37, m. w. N.; Kilian in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 121 Rn. 104, 105.
86Hebt ein Gericht einen Verwaltungsakt, der - wie hier die erste Auswahlentscheidung vom 7. April 2010 - gegenüber einer Vielzahl von Personen wirkt, auf die erfolgreiche Anfechtungsklage eines Betroffenen auf, so wirkt diese Aufhebung gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich nur insoweit, als der Verwaltungsakt zwischen den Beteiligten des zugrunde liegenden Rechtsstreits wirkt. Die gerichtliche Aufhebung bei Verwaltungsakten mit teilbarem Inhalt beschränkt sich ungeachtet der sich aus der unmittelbaren Umgestaltung bzw. Wiederherstellung der materiellen Rechtslage ergebenden "inter-omnes-Wirkung" des aufhebenden Urteils auf diejenigen Teile, aus denen die Rechtsverletzung für den Kläger folgt. Voraussetzung einer solch subjektiv beschränkten Aufhebung ist allerdings, dass der Verwaltungsakt in persönlicher Hinsicht teilbar ist. Soweit sich aus dem jeweiligen Fachrecht nichts Abweichendes ergibt, kommt es dabei darauf an, ob der Verwaltungsakt allen Adressaten gegenüber nur einheitlich gelten kann oder nicht.
87Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2013 ‑ 6 C 13.12 -, BVerwGE 148, 48.
88Die ursprüngliche Auswahlentscheidung vom 7. April 2010 ist indes nicht solchermaßen subjektiv teilbar. Deshalb wirkt deren gerichtliche Aufhebung durch das o. g. Senatsurteil vom 25. Januar 2011 auch zugunsten der Klägerin.
89Eine Auswahlentscheidung nach der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung ist eine einheitliche, rechtlich - auch in subjektiver Hinsicht - untrennbare Entscheidung. Die Rechte der Bewerber aus Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG und §§ 7, 8 BADV i. V. m. Art. 6, 11, 14 und 21 der Richtlinie 96/67/EG sind im Rahmen der Auswahlentscheidung wechselseitig aufeinander bezogen. Daher betrifft die Auswahlentscheidung nach ihrem Inhalt alle Bewerber gleichermaßen: Mit der Auswahl eines Bewerbers geht zwangsläufig die Ablehnung der Mitbewerber einher. Ist die Auswahl im Einklang mit den vorgenannten Bestimmungen getroffen worden, so sind die Ansprüche der unterlegenen Bewerber auf die verfahrens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung ihrer Bewerbung in die Auswahlentscheidung erfüllt. Die gesonderten Mitteilungen der Auswahlentscheidung an jeden Bewerber, einmal positiven, ansonsten negativen Inhalts stellen keine inhaltlich eigenständigen Entscheidungen dar, sondern geben die einheitliche, rechtlich untrennbare Auswahlentscheidung bekannt.
90Vgl. so ausdrücklich zur insoweit vergleichbaren Auswahlentscheidung des Dienstherrn in beamtenrechtlichen Auswahlverfahren: BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -, BVerwGE 138, 102; im Ergebnis zur Auswahlentscheidung nach der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung ebenso: Hess. VGH, Urteil vom 15. Oktober 2014 ‑ 9 C 1276/13.T -, a. a. O.; dem nachfolgend jedenfalls der Tendenz nach ebenso zur Auswahlentscheidung nach der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung: BVerwG, Beschluss vom 18. März 2016 ‑ 3 B 16.15 -, a. a. O., wonach es von der Art und Reichweite der Rechtsfehler sowie der damit verbundenen Verletzung von subjektiven Rechten der Bewerber abhängt, ob das gesamte Auswahlverfahren einschließlich des Teilnahmewettbewerbs oder lediglich dessen zweite Stufe zu "wiederholen" ist, "also die Auswahl aus den im Teilnahmewettbewerb erfolgreichen Bewerbern im Sinne von Nr. 2.3 der Auswahl-Richtlinie".
91Fehlt es damit an der subjektiven Teilbarkeit der Auswahlentscheidung vom 7. April 2010, wirkt deren gerichtliche Aufhebung auch im Verhältnis zur Klägerin. Darauf, dass sie zu dem Rechtsstreit, in welchem das Aufhebungsurteil ergangen ist, weder beigeladen worden noch ansonsten daran beteiligt gewesen ist, kommt es insoweit nicht an.
92Auch aus dem Recht der Europäischen Union folgt hier nichts anderes. Insbesondere widerspricht es nicht den Zielsetzungen der Richtlinie 96/67/EG, dass nach einer Änderung der Auswahlentscheidung auf die Klage eines Bewerbers hin im Ergebnis für alle Bewerber die Klagemöglichkeit wieder eröffnet wird. Im Gegenteil werden durch die erneute Rechtsbehelfsmöglichkeit die Zielsetzungen gerade auch der Richtlinie 96/67/EG gefördert, den geeignetsten Bewerber auszuwählen, um zur Senkung der Betriebskosten der Luftverkehrsgesellschaften und zur Hebung der den Nutzern gebotenen Qualität beizutragen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 5 der Richtlinie 96/67/EG).
93Zwar ist sowohl die Bestandskraft von Entscheidungen nationaler Behörden als auch die Rechtskraft von Urteilen nationaler Gerichte als der Rechtssicherheit dienende Institute grundsätzlich auch unionsrechtlich anerkannt.
94Vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2009 ‑ C 40/08 ‑ ("Asturcom"), Slg 2009, I-9579, m. w. N. und Urteil vom 13. Januar 2004 - C 453/00 ‑ ("Kühne & Heitz"), Slg 2004, I-837; Clausing, a. a. O., § 121 Rn. 116a, m. w. N.
95Nach dem sowohl im Unionsrecht als auch in den nationalen Rechtsordnungen anerkannten Grundsatz der Rechtskraft sollen zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege die nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordenen Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden können. Nach dem unionsrechtlichen Grundsatz der nationalen Verfahrensautonomie ist es jedoch Sache der innerstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten, die Modalitäten der Umsetzung des Grundsatzes der Rechtskraft festzulegen. Diese Modalitäten dürfen allerdings nicht ungünstiger sein als die, die bei ähnlichen internen Sachverhalten gelten (Grundsatz der Äquivalenz), und nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Rechtsordnung der Europäischen Union einräumt, praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität).
96Vgl. EuGH, Urteil vom 3. September 2009 ‑ C‑2/08 ‑ ("Fallimento Olimpiclub"), Slg 2009, I‑7501, m. w. N.
97Der Grundsatz der Äquivalenz ist hier nicht verletzt. Die dargestellten rechtlichen Kriterien für die Annahme einer einheitlichen untrennbaren (Auswahl-) Entscheidung und die rechtlichen Folgerungen daraus kommen grundsätzlich auch für gleich oder ähnlich gelagerte, (rein) innerstaatliche Sachverhalte zum Tragen. Ebenso wenig werden durch diese Regelungen bzw. Kriterien die aus der Rechtsordnung der Europäischen Union - hier insbesondere aus der Richtlinie 96/67/EG - resultierenden Rechtspositionen praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert. Wie ausgeführt dient eine erneute Rechtsbehelfsmöglichkeit vielmehr der Zielsetzung gerade auch der Richtlinie 96/67/EG, den geeignetsten Bewerber auszuwählen, um zur Senkung der Betriebskosten der Luftverkehrsgesellschaften und zur Hebung der den Nutzern gebotenen Qualität beizutragen.
98Auch aus der vom Beklagten insoweit herangezogenen Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG des Rates im Hinblick auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge (Rechtsmittelrichtlinie) ergibt sich keine andere Bewertung. Deren Anwendungsbereich erstreckt sich nicht auf die spezifisch durch die Richtlinie 96/67/EG geregelten Verfahren zur Auswahl von Bodenabfertigungsdienstleistern, vgl. Art. 1 der Rechtsmittelrichtlinie.
99Auch aus der vom Beklagten und der Beigeladenen zu 2. herangezogenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs der Republik Österreich vom 30. Juni 2015 folgt nichts anderes. Der Verwaltungsgerichtshof hat darin nicht ausgeführt, dass es der Richtlinie 96/67/EG widerspreche, wenn der Bewerber, der keinen Rechtsbehelf gegen eine Auswahlentscheidung im Sinne der Richtlinie eingelegt habe, nach der Aufhebung dieser Auswahlentscheidung aufgrund eines Rechtsbehelfs eines anderen Bewerbers gegen die erneute Auswahlentscheidung vorgehen könne. Seine Auffassung, dass der Bewerber, der gegen eine Auswahlentscheidung nach der Richtlinie 96/67/EG keinen Rechtsbehelf einlegt, damit aus dem Verfahren ausscheide, begründet der Verwaltungsgerichtshof vielmehr im Ergebnis damit, dass die von dem betreffenden Bewerber nicht angefochtene Auswahlentscheidung diesem gegenüber nach österreichischem Recht in formelle Rechtskraft erwachse und das Unterlassen eines Rechtsbehelfs den endgültigen Verzicht auf die eigene Bewerbung bedeute. Ob dies vorliegend anzunehmen ist, richtet sich - wie dargestellt - indes nach den Kriterien des hiesigen Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts und der diesbezüglichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung. Wie ausgeführt ist demnach die erste Auswahlentscheidung vom 7. April 2010 auch mit Wirkung gegenüber der Klägerin entfallen. Das Unionsrecht gebietet auch insoweit nichts anderes, zumal - wie ausgeführt - mit Rücksicht auf die unionsrechtlich anerkannte Verfahrensautonomie der Mitgliedsstaaten die Regelung des Verfahrens- und Prozessrechts diesen obliegt.
100Ist nach alledem die ursprüngliche Auswahlentscheidung vom 7. April 2010 auch im Verhältnis zur Klägerin in Wegfall geraten, ist auch die darin enthaltene Bescheidung der Bewerbung der Klägerin entfallen und der diesbezügliche Bescheidungsanspruch der Klägerin lebte wieder auf.
101(2) Die Klägerin ist aus dem Auswahlverfahren auch nicht deshalb ausgeschieden, weil sie ihre Bewerbung mit dem Hinweis verbunden hat, dass sie sich daran bis zum 30. April 2010 gebunden halte, und diese Frist abgelaufen ist. Dies schloss eine Auswahl der Klägerin auch nach dem Fristablauf nicht aus.
102Allerdings hat die Klägerin durch den vorgenannten Hinweis die Verbindlichkeit ihrer Bewerbung zeitlich befristet. Dieser Bedeutungsgehalt folgt als solches bereits aus dem für den Beklagten als Erklärungsempfänger erkennbaren Sinn und Zweck einer solchen Fristsetzung. Gleichwohl hat die Klägerin ein mit den Regularien der Auswahl nach der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung vereinbare, zulässige und auswahlfähige (d. h. zuschlagsfähige) Bewerbung abgegeben. Der Klägerin war es unbenommen, eine solche Frist für ihre Auswahl zu bestimmen. Vorliegend sehen weder die konkrete Ausschreibung noch sonstige Regularien für die hier in Rede stehende Auswahlentscheidung ‑ insbesondere weder die Bodenabfertigungsdienst-Verordnung noch die Auswahl-Richtlinie - vor, dass der Ausschreibungsteilnehmer bis zum Ablauf einer bestimmten Frist an seine Bewerbung gebunden sei bzw. sein müsste. Angesichts dessen weicht die Bewerbung der Klägerin auch unter Berücksichtigung der darin selbst bestimmten Auswahlfrist nicht von der Ausschreibung und den sonstigen Regularien der Auswahlentscheidung ab und bildet eine zulässige Grundlage für die etwaige Auswahl der Klägerin. Dementsprechend mussten auch die anderen Bewerber damit rechnen, dass die Klägerin ausgewählt werden konnte. Daran hat sich durch den Ablauf der betreffenden Frist nichts geändert. Der Beklagte hätte bei der Klägerin nachfragen können, ob deren Auswahl nach Maßgabe der klägerischen Bewerbung noch möglich sei. Dem standen weder die Ausschreibung noch die sonstigen Regularien für die Auswahlentscheidung entgegen. Diese enthalten keine Bestimmung, wonach in diesem Sinne verfristete Bewerbungen bei einer späteren Auswahlentscheidung nicht mehr zu berücksichtigen seien. Eine klärende Nachfrage des Beklagten hätte somit hinreichend gewährleistet, dass eine Auswahlentscheidung zugunsten der Klägerin nach Maßgabe ihrer Bewerbung hätte getroffen werden können.
103Der Beklagte war zu einer solchen Nachfrage bei der Klägerin zudem verpflichtet. Denn Ziel der Auswahlentscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 3 BADV ist es, den geeignetsten Dienstleister für die Erbringung der Bodenabfertigungsdienste auszuwählen und damit nicht zuletzt die Zielsetzungen der Richtlinie 96/67/EG und der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung zu verwirklichen, mit der Öffnung des Zugangs zum Markt der Bodenabfertigungsdienste zur Senkung der Betriebskosten der Luftverkehrsgesellschaften und zur Hebung der den Nutzern gebotenen Qualität beizutragen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 5 der Richtlinie 96/67/EG). Auf eine entsprechende Bekundung der Klägerin, dass sie nach Maßgabe ihrer Bewerbung weiter ausgewählt werden könne, wäre ihre Auswahl - ihren Vorrang gegenüber den anderen Mitbewerbern unterstellt - ohne weiteres herbeizuführen gewesen. Eine nachträgliche Änderung der Auswahlbedingungen wäre mit einer solchen Auswahl der Klägerin nicht verbunden, so dass auch eine relevante Verletzung der Rechte der übrigen Bewerber insbesondere unter den Gesichtspunkten gebotener Transparenz und Nichtdiskriminierung nicht zu besorgen ist.
104Nichts anderes gilt, wenn insoweit die §§ 145 ff. BGB - sei es in unmittelbarer, sei es in entsprechender Anwendung - heranzuziehen wären. Denn selbst wenn mit Ablauf der von der Klägerin gesetzten Auswahlfrist deren Bewerbung in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung von § 150 BGB erloschen gewesen sein sollte, war diese damit nicht schlechthin hinfällig. Auch unter Berücksichtigung von § 150 BGB wäre eine Nachfrage bei der Klägerin nicht entbehrlich gewesen, zumal - wie oben bereits ausgeführt - auf eine entsprechende Bekundung ihrerseits, dass sie nach Maßgabe ihrer Bewerbung weiter ausgewählt werden könne, ihre Auswahl ohne weiteres herbeizuführen gewesen wäre, ohne dass dadurch eine Verletzung der Rechte der übrigen Bewerber auf eine transparente und nichtdiskriminierende Auswahl zu besorgen wäre.
105Vgl. zur Konstellation im Vergabeverfahren unter Geltung der §§ 145 ff. BGB: BGH, Urteil vom 28. Oktober 2003 - X ZR 248/02 -, ZfBR 2004, 290, wonach, wenn nach den Vergabeunterlagen eine Bindefrist nicht zu beachten ist, ein innerhalb der Angebotsfrist abgegebenes Angebot regelmäßig nicht deshalb unberücksichtigt bleiben darf, weil der Bieter von sich aus eine Annahmefrist bestimmt hat; ebenso: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Mai 2008 - VII-Verg 17/08 u. a. -, IBR 2009, 288.
106Aus dem vom Beklagten angeführten Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 30. Oktober 2010 - 9 Verg 4/06 -, VergabeR 2007, 118, folgt nichts anderes, zumal dieses sich zu einer Ausschreibung verhält, bei der mit § 19 Abs. 3 VOL/A nach den Ausschreibungsbedingungen dem Bieter ‑ anders als bei der hier in Rede stehenden Ausschreibung - eine Bindefrist vorgegeben war.
107(3) Angesichts dessen, dass die ursprüngliche Auswahlentscheidung vom 7. April 2010 und ebenso die damit verbundene Bescheidung der klägerischen Bewerbung vom 8. Oktober 2009 auch im Verhältnis zur Klägerin entfallen ist, ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin auf ihre aus dieser Bewerbung resultierenden Rechte verzichtet oder diese verwirkt haben könnte. Einen Verzicht hat die Klägerin insoweit weder ausdrücklich noch konkludent erklärt. Eine solche Bedeutung kam auch nicht etwa dem Umstand zu, dass die Klägerin den ersten Auswahlbescheid vom 7. April 2010 nicht angefochten hat. Dies besagt in Bezug auf die vorliegend angefochtene Auswahlentscheidung vom 27. September 2013 nichts. Allenfalls mag die Klägerin durch die Nichtanfechtung des Bescheides vom 7. April 2010 zum Ausdruck gebracht haben, dass sie diesen akzeptiert. Dieser Bescheid ist jedoch - wie dargelegt - insgesamt mit o. g. Senatsurteil vom 25. Januar 2011 beseitigt worden. Vor diesem Hintergrund ist es auch ausgeschlossen, dass sie durch die Nichtanfechtung des Bescheides vom 7. April 2010 ihre o. g. Rechte verwirkt haben könnte. Ebenso wenig hat die Klägerin durch ihre Schreiben vom 10. und 11. Mai 2010 an den Betriebsrat der Beigeladenen zu 1. respektive den Beklagten zum Ausdruck gebracht, ihre Bewerbung nicht weiter zu verfolgen. Die Schreiben dienten ersichtlich allein der Klarstellung des Inhalts einer vom Betriebsrat der Beigeladenen zu 1. im Zuge des Auswahlverfahrens abgegebenen Stellungnahme. Ein darüber hinausgehender Erklärungsgehalt ist den Schreiben nicht zu entnehmen. Schließlich war die Klägerin auch nicht gehalten, sich von sich aus zum Verbleib im Auswahlverfahren zu erklären. Wie bereits ausgeführt war ihre Bewerbung nicht allein aufgrund der von ihr gesetzten Frist für ihre Auswahl schlechthin hinfällig, sondern es oblag dem Beklagten, sich bei der Klägerin zu erkundigen, ob diese nach Maßgabe ihrer Bewerbung noch ausgewählt werden könne.
108Bereits mit Rücksicht darauf, dass - wie ausgeführt - die erste Auswahlentscheidung vom 7. April 2010 und die damit verbundene Bescheidung der Bewerbung der Klägerin gänzlich entfallen sind, scheidet ebenso eine Verwirkung der klägerischen Rechte bzw. eine Präklusion der klägerischen Einwendungen aufgrund einer analogen Anwendung von § 160 Abs. 3 GWB - der Nachfolgeregelung der beklagtenseits insoweit herangezogenen Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750) - aus. Unabhängig davon ist die speziell auf das Vergabeverfahren im Sinne der §§ 97 ff. GWB und auf die insoweit bestehenden Rechtsbehelfsmöglichkeiten zugeschnittene Regelung des § 160 Abs. 3 GWB im Verfahren zur Auswahl eines Bodenabfertigungsdienstleisters durch die Luftfahrtbehörde nicht anwendbar. Bei der Auswahl von Bodenabfertigungsdienstleistern im Sinne von § 7 Abs. 1 BADV richten sich die Gestaltung des Auswahlverfahrens sowie der Maßstab für die Auswahlentscheidung bereichsspezifisch nach den für die Auswahl von Bodenabfertigungsdienstleistern maßgeblichen Rechtsgrundlagen. Das sind vordringlich die Bodenabfertigungsdienst-Verordnung einschließlich der Auswahl-Richtlinie sowie die Richtlinie 96/67/EG. Diese Rechtsgrundlagen enthalten indes keine Vorschriften zur Präklusion von Vorbringen oder Einwendungen eines Beteiligten. Solcher besonderen Vorschriften bedarf es hier auch nicht, zumal in Bezug auf die betreffende Auswahlentscheidung der Luftfahrtbehörde als Rechtsbehelf die Anfechtungs- und/oder Verpflichtungsklage eröffnet ist und diesbezüglich grundsätzlich eine Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe einzuhalten ist (vgl. § 74 VwGO). Daher kann von einer planwidrigen Regelungslücke, die Voraussetzung für eine analoge Anwendung von § 160 Abs. 3 GWB wäre, nicht ausgegangen werden.
109c) Nach dem Vorstehenden besteht für die Klage insgesamt auch ein hinreichendes Rechtsschutzbedürfnis. Ferner ist sie unter Einhaltung der Klagefrist (vgl. § 74 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO) erhoben worden. Dabei kann an dieser Stelle offenbleiben, ob die Übersendung der Auswahlentscheidung an die Klägerin unter dem 21. November 2013 eine Bekanntgabe im Sinne der genannten Vorschrift gewesen ist. Jedenfalls erfolgte die Klageerhebung am 10. Dezember 2013 binnen eines Monats danach und damit innerhalb der Klagefrist.
1102. Die Klage ist, soweit sie nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, auch begründet.
111a) Dies gilt zunächst in Bezug auf die seitens der Klägerin begehrte Aufhebung der Auswahlentscheidung vom 27. September 2013. Diese ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten und ist deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
112aa) Die Auswahlentscheidung vom 27. September 2013 ist bereits deshalb rechtswidrig, weil sie - jedenfalls zum Teil - ohne die nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BADV, Art. 11 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 96/67/EG vorgeschriebene Ausschreibung im Amtsblatt der Europäischen Union erfolgt ist. Dabei handelt es sich um einen wesentlichen und erheblichen Verfahrensverstoß, durch den das Recht der Klägerin auf ein ordnungsgemäßes und faires Auswahlverfahren verletzt ist. Dieses Recht kommt ihr bereits als (potentieller) Interessentin im Sinne von Nr. 2.2 Satz 1 der Auswahl-Richtlinie in Bezug auf die angefochtene Auswahlentscheidung und einem damit im Zusammenhang stehenden Verstoß gegen das o. g. Ausschreibungserfordernis zu. Erst recht steht ihr eine solche Rechtsposition vor dem Hintergrund zu, dass sie - wie ausgeführt - nach wie vor Teilnehmerin des Auswahlverfahrens ist, welches verwaltungsseitig mit der angefochtenen Auswahlentscheidung zum Abschluss gebracht werden sollte. Die Auswahlentscheidung unterliegt infolge dessen insgesamt der Aufhebung.
113(1) Die angefochtene Auswahlentscheidung ist ohne die nach Art. 11 Abs. 1 Buchtstabe b der Richtlinie 96/67/EG, § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 BADV i. V. m. Nr. 2.2 Satz 1 der Auswahl-Richtlinie vorgeschriebene Ausschreibung der zu vergebenden Dienstleistungskonzession getroffen worden.
114Mit dieser Auswahlentscheidung ist die Beigeladene zu 2. für die Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten am Flughafen L. /C. für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2020 ausgewählt worden respektive ist dieser damit eine entsprechende Gestattung bzw. Konzession erteilt worden. Bezogen auf diesen Zeitraum ist eine solche Konzession bzw. Gestattung entgegen den oben genannten Bestimmungen jedoch nicht ausgeschrieben worden.
115Die hier in Rede stehende Gestattung bzw. Konzession ist allein bezogen auf den Zeitraum vom 1. August 2010 bis zum 31. Juli 2017 im Amtsblatt der Europäischen Union ausgeschrieben worden. Bei diesem Ausschreibungsinhalt handelte es sich nicht um die Angabe eines bloß ungefähren, lediglich angestrebten oder voraussichtlichen Geltungszeitraums der ausgeschriebenen Konzession, der sich bei etwaigen Verzögerungen der Auswahlentscheidung insgesamt zeitlich nach hinten verschieben würde. Vielmehr ist damit der Geltungszeitraum der zu vergebenden Konzession feststehend, d. h. fix allein für die mit Beginn- und Enddaten beschriebene Zeit ausgeschrieben worden, ohne dass dies die Möglichkeit der Verschiebung dieses Zeitraums umfasst hätte.
116Der Erklärungswert einer solchen Ausschreibung ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Dabei ist für das Verständnis der Ausschreibung maßgeblich auf den objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bewerber abzustellen, zumal sich die Ausschreibung an diese richtet.
117Vgl. zur insoweit vergleichbaren Auslegung von Vergabeunterlagen nach dem objektiven Empfängerhorizont potentieller Bieter: BGH, Urteil vom 20. November 2012 - X ZR 108/10 -, ZfBR 2013, 154, m. w. N.
118Ein solcher musste den Ausschreibungstext dahin verstehen, dass die Geltungsdauer der zu vergebenden Konzession auf den Zeitraum vom 1. August 2010 bis zum 31. Juli 2017 im vorgenannten Sinne feststehend festgelegt war.
119Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass gemäß Nr. 2.2 Buchstabe c und Buchstabe d der Auswahl-Richtlinie die Ausschreibung den (möglichen) Zeitpunkt der Aufnahme der Abfertigungstätigkeit und die (angestrebte) Vertragsdauer für die Abfertigungstätigkeit enthalten muss. Schon demnach handelt es sich bei dem Zeitraum, für den die Gestattung bzw. Konzession zur Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten erteilt werden soll, um ein wesentliches Merkmal der betreffenden Gestattung bzw. Konzession und damit auch um einen wesentlichen Inhalt der diesbezüglichen Ausschreibung. Dies folgt zudem daraus, dass es sich nach dem Geltungszeitraum der zu vergebenden Konzession richtet, in welchem Zeitraum von dieser Konzession Gebrauch gemacht werden darf. Da es sich um die Auswahl für die Konzession zu auf Dauer zu erbringenden Dienstleistungen handelt, wird außerdem die zu vergebende Konzession durch den Zeitraum, in dem die betreffenden Dienstleistungen erbracht werden können sollen, inhaltlich näher bestimmt und identifiziert. Dies findet sich darin bestätigt, dass die Nachholung von Dienstleistungen, die über einen bestimmten Zeitraum hinweg zu erbringen sind, objektiv unmöglich ist.
120Vor diesem Hintergrund besitzt die Angabe des Geltungszeitraums der zu vergebenden Konzession in der Ausschreibung für den potentiellen Bewerber und Interessenten maßgebliche Bedeutung. Hinzu kommt für den potentiellen Bewerber und Interessenten, dass er dem in der Ausschreibung angegebenen Geltungszeitraum der Konzession entnehmen kann und muss, für welchen Zeitraum er sich im Falle seiner Auswahl auf die Erbringung entsprechender Dienstleistungen einstellen müsste. Ob er sich überhaupt bewerben kann, hängt davon ab, ob er in dem fraglichen Zeitraum über entsprechende Kapazitäten verfügt. Ferner ist der betreffende Zeitraum für eine mögliche Bewerbung deshalb erheblich, weil die zu kalkulierenden Kosten- und Preisfaktoren mit der Zeit Änderungen unterliegen bzw. unterliegen können.
121Ausgehend von dem Vorstehenden musste ein (potentieller) Interessent bzw. Bewerber den Ausschreibungsinhalt dahin verstehen, dass der angegebene Geltungszeitraum der ausgeschriebenen Konzession vom 1. August 2010 bis zum 31. Juli 2017 verbindlich festgelegt war. Dies ist dem Wortlaut des Ausschreibungstextes eindeutig zu entnehmen. Dort ist unter der Überschrift "VERTRAGSLAUFZEIT BZW. BEGINN UND ENDE DER VERTRAGSAUSFÜHRUNG" als Zeitraum für die zu vergebende Gestattung der Bodenabfertigungsdienste ausdrücklich und allein die Zeit zwischen dem 1. August 2010 bis zum 31. Juli 2017 bezeichnet. Dabei sind die vorgenannten Daten mit den Worten "Beginn" bzw. "Ende" ausdrücklich als Anfangs- und Enddaten aufgeführt. Es gibt keinerlei Hinweise im veröffentlichten Ausschreibungstext darauf, dass dieser Zeitrahmen variabel in dem Sinne zu verstehen (gewesen) sein sollte, dass er sich im Falle späterer Auswahlentscheidung oder sonstiger Verzögerungen insgesamt zeitlich nach hinten verschieben würde. Ein solches hätte ohne weiteres mittels entsprechender Erläuterung oder schlicht durch eine Bezeichnung des Zeitraums mittels Angabe von Jahres-, Monats-, Wochen- und/oder Tageszahlen ohne Anfangs- und Enddaten vorgesehen werden können. Letzteres sieht das Formular zur Anmeldung der Ausschreibung beim Amtsblatt der Europäischen Union alternativ sogar vor, ohne dass hier davon - insbesondere im veröffentlichten Ausschreibungstext - Gebrauch gemacht worden wäre. Der Ausschreibungstext enthält auch sonst keinerlei Regelung für den Fall der Verzögerung der Auswahlentscheidung.
122Spricht demnach der Wortlaut des Ausschreibungstextes eindeutig dafür, dass potentielle Ausschreibungsbewerber die Ausschreibung im dargestellten Sinne verstehen mussten, wird dieses Verständnis noch durch die auch der ausschreibenden Stelle bekannte, oben dargestellte Bedeutung solcher Angaben - insbesondere für die möglichen Interessenten und Bewerber - bestätigt. Umso mehr hätte es eindeutiger Klarstellungen bedurft, wenn der Geltungszeitraum der Konzession nicht feststehend, sondern in zeitlicher Hinsicht variabel hätte ausgeschrieben werden sollen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass sowohl für die ausschreibende Stelle als auch die potentiellen Bewerber und Interessenten offensichtlich sein muss, dass die ausgeschriebenen Dienstleistungen notwendigerweise in dem in der Ausschreibung benannten Zeitraum zumindest auch von einem neben der Beigeladenen zu 1. weiteren Drittabfertiger erbracht werden sollten und etwaige Vakanzen in dieser Zeit anderweitig überbrückt werden müssten. Kein anderes Ergebnis folgt insoweit daraus, dass nach § 7 Abs. 4 BADV und § 11 Abs. 1 Buchstabe d der Richtlinie 96/67/EG als Höchstfrist für die Geltungsdauer einer solchen Konzession sieben Jahre festgelegt sind. Dies schließt eine Konzessionsvergabe nach festgelegten und feststehenden Anfangs- und Enddaten gerade nicht aus.
123Schließlich kann der hier in Rede stehenden Ausschreibung auch nicht etwa stillschweigend die Bedeutung beigemessen werden, dass sich der angegebene Geltungszeitraum der Konzession im Fall einer Verzögerung der Auswahlentscheidung zeitlich nach hinten verschiebe. Der Wortlaut des Ausschreibungstextes ist - wie dargelegt - eindeutig und entspricht den Anforderungen eines ordnungsgemäßen und fairen Auswahlverfahrens im Sinne der Richtlinie 96/67/EG und der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung. Gleichwohl der Ausschreibung eine von ihrem klaren Wortlaut abweichende, allein auf die Dauer des Zeitraums bezogene Bedeutung beizulegen, widerspräche der gebotenen Transparenz des Auswahlverfahrens nach der Richtlinie 96/67/EG und der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung, die nicht zuletzt eine klare und eindeutige Ausschreibung erfordert. Im Zweifel ist daher davon auszugehen, dass die zu vergebende Dienstleistungskonzession im Ausschreibungstext vollständig und abschließend beschrieben ist.
124Vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2009 ‑ VII ZR 11/08 -, BGHZ 181, 47, wonach bei der Vergabe öffentlicher Aufträge dem im Einklang mit den vergaberechtlichen Bestimmungen stehenden Wortlaut von Ausschreibung und Angebot keine stillschweigenden Erklärungen für noch völlig ungewisse Verzögerungen beigemessen werden können, die vergaberechtlich bedenklich wären.
125(2) Ist nach alledem die Gestattung von Bodenabfertigungsdienstleistungen bezogen auf den eindeutig mit Anfangs- und Endzeitpunkt festgelegten Zeitraum vom 1. August 2010 bis zum 31. Juli 2017 ausgeschrieben worden, bildet diese Ausschreibung keine hinreichende Grundlage für die Bewerberauswahl für einen davon abweichenden Zeitraum, insbesondere nicht für einen darüber hinausgehenden Zeitraum. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn die Abweichung wesentlich ist. Das ist hier der Fall, weil die betreffende Konzession mit der angefochtenen Auswahlentscheidung 41 Monate über den ausgeschriebenen Geltungszeitraum hinaus vergeben worden ist. Das macht nahezu die Hälfte des Zeitraums aus, für den gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchstabe d der Richtlinie 96/67/EG, § 7 Abs. 4 BADV ein Bodenabfertigungsdienstleister längstens ausgewählt und entsprechend konzessioniert werden kann.
126Entbehrt die angefochtene Auswahlentscheidung somit einer entsprechenden Ausschreibung genügt sie nicht den Anforderungen eines ordnungsgemäßen und fairen Auswahlverfahrens im Sinne der Richtlinie 96/67/EG und der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung. Die Ausschreibung bildet eine wesentliche Grundlage und Voraussetzung insbesondere für ein transparentes und nichtdiskriminierendes Auswahlverfahren und eine diesen Anforderungen genügende Auswahlentscheidung. Dies gilt besonders für den hier relevanten Ausschreibungsinhalt, d. h. den in der Ausschreibung mitgeteilten Geltungszeitraum der zu vergebenden Konzession. Die Angabe des Geltungszeitraums ist notwendiger und wesentlicher Teil der Ausschreibung. Wie dargelegt wird die zu vergebende Konzession durch ihren Geltungszeitraum inhaltlich näher bestimmt und identifiziert. Ferner besitzt die Angabe des Geltungszeitraums für potentielle Bewerber erhebliche Bedeutung insbesondere dafür, ob sie überhaupt mit Rücksicht auf die notwendigen Kapazitäten für diesen Zeitraum eine Bewerbung abgeben können und wollen. Die Angabe eines feststehenden, fixen Geltungszeitraums der hier in Rede stehenden Konzession ist deshalb geeignet, potentielle Bewerber, die für diesen Zeitraum über keine notwendigen Kapazitäten (mehr) verfügen, von einer Bewerbung abzuhalten, während sie für einen davon abweichenden Zeitraum eine Bewerbung mit Rücksicht auf diesbezüglich verfügbare Kapazitäten möglicherweise hätten abgeben können und/oder wollen.
127(3) Dadurch ist die Klägerin als (potentielle) Interessentin und Dienstleisterin im oben genannten Sinne, jedenfalls aber als Teilnehmerin des betreffenden Auswahlverfahrens in ihren Rechten aus Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG und §§ 7, 8 BADV i. V. m. Art. 6, 11, 14 und 21 der Richtlinie 96/67/EG verletzt. Dies gilt zumindest für ihre entsprechenden Rechte hinsichtlich der hier auch bezogen auf den Zeitraum vom 1. August 2017 bis zum 31. Dezember 2020 ergangenen Auswahlentscheidung. Der Klägerin ist es angesichts der ohne entsprechende Ausschreibung über den 31. Juli 2017 hinausgehend erfolgten Vergabe der Konzession von vornherein benommen gewesen, sich bezogen auf diesen Zeitraum mit einem - gegebenenfalls gerade darauf zugeschnittenen - Angebot zu bewerben und auf der Grundlage einer solchen Bewerbung bei der in einem ordnungsgemäßen und fairen Auswahlverfahren zu treffenden Auswahlentscheidung Berücksichtigung zu finden.
128(4) Die Auswahlentscheidung vom 27. September 2013 unterliegt vor diesem Hintergrund insgesamt der Aufhebung. Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann ein angefochtener Verwaltungsakt zwar auch lediglich teilweise aufgehoben werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die rechtlich unbedenklichen Teile des Verwaltungsaktes nicht in einem untrennbaren inneren Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Teil stehen. Der rechtswidrige Teil des Verwaltungsaktes muss in der Weise selbstständig abtrennbar sein, dass der Verwaltungsakt im Übrigen ohne Änderung seines Inhalts sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt auch von der Auslegung des jeweiligen Verwaltungsaktes ab.
129vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 2005 ‑ 5 B 6.05 ‑, juris, m. w. N. und Urteil vom 17. Februar 1984 ‑ 4 C 70.80 -, NVwZ 1984, 366.
130Vorliegend ist der angefochtene Bescheid nicht in diesem Sinne teilbar. Er kann nicht in einen sich auf den Vergabezeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Juli 2017 beziehenden Teil und einen sich auf den Vergabezeitraum vom 1. August 2017 bis zum 31. Dezember 2020 beziehenden Teil aufgeteilt werden. Eine solche Aufteilung des Bescheides ist zwar nicht bereits in logischer Hinsicht ausgeschlossen, zumal der festgelegte Geltungszeitraum für die Vergabe ohne weiteres gesplittet werden könnte. Eine solche Änderung bzw. Verringerung des Zeitraums durch das Gericht ist jedoch aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen. Die Auswahlentscheidung als solche und die Bemessung ihrer Geltungsdauer sind untrennbar miteinander verbunden.
131In Auswahlverfahren nach der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung kommt den zuständigen Stellen bei der Auswahlentscheidung ein Beurteilungs- und Bewertungsspielraum zu. Das ergibt sich für die Vergabe von Bodenabfertigungsdienstleistungen vor allem daraus, dass sich die materiell-rechtlichen Vorgaben für das Auswahlverfahren in der Richtlinie 96/67/EG ebenso wie in der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung im Wesentlichen darin erschöpfen, dass es sachgerecht, objektiv, transparent und nichtdiskriminierend durchgeführt werden muss (vgl. Art. 11 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 96/67/EG sowie § 7 Abs. 1 BADV i. V. m. Nr. 1 Abs. 2 der Auswahl-Richtlinie).
132Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 3 C 32.11 -, a. a. O., m. w. N.
133Mit der Auswahlentscheidung ist notwendigerweise zugleich darüber zu befinden, für welchen Zeitraum der Dienstleister ausgewählt wird. Diesbezüglich wird der Entscheidungsspielraum der zuständigen Stelle durch die von Art. 11 Abs. 1 Buchstabe d der Richtlinie 96/67/EG und § 7 Abs. 4 BADV bestimmte Auswahlhöchstfrist von sieben Jahren begrenzt. Aufgrund der notwendigen Verbindung der Auswahlentscheidung mit der Bemessung ihrer Geltungsdauer bildet beides rechtlich in Anbetracht des Entscheidungsspielraums der auswählenden Stelle eine untrennbare Einheit. Dies schließt eine gerichtliche Teilaufhebung der Auswahlentscheidung im vorgenannten Sinne aus. Ob der zuständigen Stelle hinsichtlich der Bemessung der Geltungsdauer der Konzessionsvergabe sogar Ermessen eingeräumt sein könnte, mag daher dahin stehen.
134Unbeschadet dessen ist eine gerichtlich teilweise Aufhebung der Auswahlentscheidung in zeitlicher Hinsicht auch deshalb ausgeschlossen, weil diese durch eine Änderung oder Verkürzung ihres Geltungszeitraums einen anderen Inhalt erhielte. Wie ausgeführt wird eine Gestattung zur Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten durch ihren Geltungszeitraum inhaltlich näher bestimmt und identifiziert. Vor diesem Hintergrund bedeutet eine Änderung dieses Zeitraums zugleich eine Änderung des Inhalts der Konzession.
135Im Übrigen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte in Kenntnis des aufgezeigten Rechtsmangels die Auswahlentscheidung vom 27. September 2013 zeitlich bis zum 31. Juli 2017 aufrecht erhalten wissen wollte. Wie der Beklagte ausführt, bildeten Grundlage der Auswahlentscheidung die von den Anbietern für die Dauer von sieben Jahren kalkulierten Angebote. Der Beklagte geht ferner selbst davon aus, dass ein kürzerer Lizenzraum aus wirtschaftlichen und funktionellen Gründen weder für den ausgewählten Dienstleister noch für den Flughafen oder dessen Nutzer darstellbar (gewesen) wäre, da schon bei dem ohnehin kurzen Lizenzzeitraum von sieben Jahren angesichts sehr knapper Margen eine Amortisierung der getätigten Investitionen für die Dienstleister kaum möglich sei. Die Beigeladene zu 2. pflichtet dem im Ergebnis bei. Mit Rücksicht darauf käme behördlicherseits neben der Auswahl eines Dienstleisters auf der Grundlage der erfolgten Ausschreibung für die Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten bis zum 31. Juli 2017 als weitere Entscheidungsalternative die Aufhebung des bisherigen Auswahlverfahrens (einschließlich der Ausschreibung und des Teilnahmewettbewerbs, d. h. der ersten Stufe des Auswahlverfahrens im Sinne von Nr. 2.2 der Auswahl-Richtlinie) verbunden mit der Durchführung eines gesamten neuen Auswahlverfahrens bezogen auf einen künftigen Geltungszeitraum von sieben Jahren jedenfalls dann in Betracht, wenn die bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigenden Bewerber sämtlich auf entsprechende Nachfrage an ihrer Bewerbung für einen kürzeren Geltungszeitraum als sieben Jahre nicht (mehr) festhalten sollten. Dem stünde auch nicht die Rechtskraft des Urteils vom 25. November 2011 entgegen. Der durch das Urteil begründete Neubescheidungsanspruch der damaligen Klägerin - der heutigen Beigeladenen zu 2. - betraf ausschließlich die ausgeschriebenen Bodenabfertigungsdienste.
136bb) Die angefochtene Auswahlentscheidung vom 27. September 2013 ist zudem deshalb und unabhängig von den Folgen der zeitlichen Erstreckung der Auswahlentscheidung über den 31. Juli 2017 hinaus rechtswidrig, weil der Beklagte dabei die Klägerin respektive deren Bewerbung im Ergebnis weder einbezogen noch beschieden hat. Dadurch hat er die o. g. Rechte der Klägerin auf Berücksichtigung ihrer Bewerbung bei der Auswahlentscheidung und auf entsprechende Bescheidung verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
137Wie ausgeführt ist die erste Auswahlentscheidung vom 7. April 2010 infolge ihrer Aufhebung durch Senatsurteil vom 25. Januar 2011 insgesamt und auch im Verhältnis zur Klägerin entfallen. Dies umfasst - wie dargestellt - auch die mit der Auswahlentscheidung zugleich erfolgte Bescheidung der Bewerbung der Klägerin vom 8. Oktober 2009, so dass ihr Anspruch auf verfahrens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung ihrer Bewerbung in die Auswahlentscheidung und entsprechende Bescheidung wieder auflebte. Wie dargelegt hat die Klägerin auf diese Rechtspositionen weder verzichtet noch hat sie diese verwirkt oder ist sie mit etwaigen Einwendungen präkludiert. Obgleich die Klägerin demnach bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen und zu bescheiden war, hat der Beklagte dies mit der Auswahlentscheidung vom 27. September 2013 und dessen Eröffnung an die Klägerin nicht getan und damit ihre vorgenannten Rechte verletzt.
138Adressiert ist der Bescheid vom 27. September 2013 als solcher allein an die Beigeladene zu 1. In der Entscheidungsformel des Bescheides ist dem Wortlaut nach allein die Auswahl der Beigeladenen zu 2. unter Bezeichnung der betreffenden Bodenabfertigungsdienstleistungen getroffen worden. In ihr werden die Klägerin respektive ihre Bewerbung weder erwähnt noch ausdrücklich beschieden. Zwar beinhaltet - wie ausgeführt - die zugunsten eines Bewerbers getroffene Auswahlentscheidung zugleich die abschlägige Entscheidung hinsichtlich der unterlegenen Bewerber. Ob und gegebenenfalls welche Bewerber dabei in die Entscheidung einbezogen und damit durch sie beschieden worden sind, bestimmt sich mangels entsprechend ausdrücklicher Bescheidung anhand des sonstigen Inhaltes des Bescheides und nach den Umständen seines Erlasses. Danach hat der Beklagte die Bewerbung der Klägerin bei der angefochtenen Auswahlentscheidung nicht berücksichtigt und diese damit nicht beschieden.
139Zwar hat der Beklagte in der Begründung der Auswahlentscheidung die Bewerbung der Klägerin vergleichsweise und wertend den Bewerbungen der beiden übrigen Mitbewerber - der Beigeladenen zu 2. und der B. GmbH - gegenüber gestellt und im Ergebnis festgestellt, dass die Bewerbung der Klägerin hinter derjenigen der Beigeladenen zu 2. zurückfalle. Dem Vorbringen des Beklagten zufolge war dies jedoch allein der größtmöglichen Objektivität der Prüfung und Vergleichbarkeit der beiden übrigen Bewerbungen geschuldet. Eine Regelung in Bezug auf die Klägerin respektive in Bezug auf deren Anspruch auf verfahrens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung ihrer Bewerbung in die Auswahlentscheidung hat der Beklagte somit gerade nicht treffen wollen. Dafür, dass der Beklagte auch entsprechend verfahren ist, spricht, dass er zur Vorbereitung der Auswahlentscheidung allein die Beigeladene zu 2. und die B. GmbH, nicht hingegen die Klägerin, aufgefordert hat, sich zur weiteren Teilnahme an dem Auswahlverfahren zu erklären. Zudem geht der Beklagte selbst davon aus, dass er weder berechtigt noch verpflichtet (gewesen) sei, nach der Auswahlentscheidung vom 7. April 2010 über die Bewerbung der Klägerin nochmals zu befinden. Deutet Vorstehendes darauf hin, dass der Beklagte die Klägerin respektive ihre Bewerbung mit der Auswahlentscheidung vom 27. September 2013 nicht beschieden hat, so findet sich dies darin bestätigt, dass der Beklagte diese Entscheidung neben der Beigeladenen zu 1. allein der Beigeladenen zu 2. und der B. GmbH bekannt gegeben und damit allein diesen gegenüber zur Geltung gebracht hat, während er bewusst von einer Bekanntgabe an die Klägerin abgesehen hat. Da die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes ‑ hier der Auswahlentscheidung - gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW aber unabdingbare Voraussetzung für dessen Wirksamwerden gegenüber dem Adressaten bzw. Betroffenen ist, hat der Beklagte durch die bewusste Nichtbekanntgabe der Auswahlentscheidung an die Klägerin erkennbar letztlich zum Ausdruck gebracht, dass mit der Auswahlentscheidung im Verhältnis zur Klägerin keine Regelungen (mehr) getroffen werden sollten.
140Ein Verwaltungsakt wird im Sinne von § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW bekannt gegeben, wenn die Tatsache seines Erlasses sowie sein Inhalt dem Betroffenen mit Wissen und Willen der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, eröffnet wird.
141Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 41 Rn. 6 m. w. N.
142Ferner setzt eine Bekanntgabe einen auf die Begründung von Rechtsfolgen gerichteten Bekanntgabewillen der Erlassbehörde in dem Sinne voraus, dass mit der Eröffnung des Verwaltungsaktes der Erlass des Bescheides und nicht nur eine informatorische Kenntnisnahme bewirkt werden soll.
143Vgl. Fröhlich in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 41 Rn. 15; Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 41 Rn. 4.
144Demnach hat der Beklagte die Auswahlentscheidung dem Beigeladenen zu 1. und der B. GmbH im vorgenannten Sinne bekannt gegeben, indem er diesen den Bescheid mit Übersendungsschreiben vom 27. September 2013 zustellen ließ. Dass dies behördlicherseits bezweckte, diese Entscheidung gegenüber den Zustelladressaten wirksam werden zu lassen, folgt eindeutig daraus, dass der Beklagte in dem jeweiligen Übersendungsschreiben darauf hinwies, die dem Bescheid angefügte Rechtsbehelfsbelehrung gelte für sie entsprechend. Demgegenüber hat der Beklagte der Klägerin erst auf deren Nachfrage eine Kopie des Auswahlentscheides übersandt. Wenngleich diese Übersendung gegen Einschreiben mit Rückschein erfolgt sein mag, handelte es sich dabei nicht um eine Bekanntgabe im vorgenannten Sinne, sondern lediglich um eine informatorische Mitteilung des Inhaltes der Auswahlentscheidung. Dem Beklagten fehlte erkennbar der für eine Bescheidbekanntgabe im Sinne von § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW gegenüber der Klägerin erforderliche Bekanntgabewille, der - wie dargestellt - auf die Bewirkung des Erlasses des Bescheides gegenüber dem Betroffenen gerichtet sein muss. Das Fehlen eines solchen behördlichen Bekanntgabewillens gegenüber der Klägerin ist eindeutig dem Übersendungsschreiben vom 21. November 2013 zu entnehmen, mit welchem der Beklagte dieser eine Kopie der Auswahlentscheidung übermittelte. Darin wies er ausdrücklich auf seine Rechtsauffassung hin, dass die Klägerin gegen die Auswahlentscheidung nicht (mehr) klageweise vorgehen könne, zumal dem eine Klage gegen den ursprünglichen Auswahlbescheid hätte vorausgehen müssen. Dies lässt nur darauf schließen, dass die Übermittlung der Bescheidkopie allein der Information der Klägerin diente und keinesfalls bezweckte, den Bescheid mit Regelungen auch im Verhältnis zur Klägerin zu erlassen. Nach alledem hat der Beklagte seine erneute Auswahlentscheidung vom 27. September 2013 nicht im Verhältnis zur Klägerin erlassen.
145Kein anderes Ergebnis folgt daraus, dass im Rahmen der Vorbereitung dieser Auswahlentscheidung die damals damit betrauten jetzigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten gegenüber diesem mit E-Mail vom 2. Juli 2013 auf ihre Einschätzung hingewiesen haben, dass die Bewerbung der Klägerin aus Gründen der Rechtssicherheit bei der erneuten Auswahlentscheidung berücksichtigt werden sollte. Denn der Beklagte ist dieser Empfehlung jedenfalls nicht insoweit gefolgt, als er die weitere Auswahlentscheidung tatsächlich auch mit Wirkung für und gegen die Klägerin getroffen hätte; dazu hätte es - wie ausgeführt - nicht zuletzt einer Bekanntgabe dieses Bescheides auch gegenüber der Klägerin bedurft.
146Hat der Beklagte nach alledem mit der Auswahlentscheidung jedenfalls keine Regelung gegenüber der Klägerin respektive bezüglich deren Bewerbung getroffen, ist es damit auch ausgeschlossen, dass die Klägerin respektive ihre Bewerbung bei der Auswahlentscheidung berücksichtigt und damit diesbezüglich beschieden worden ist.
147b) Auch das Bescheidungsbegehren der Klägerin ist begründet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf (Neu‑)Bescheidung ihrer Bewerbung vom 8. Oktober 2009 zu. Die erste Auswahlentscheidung vom 7. April 2010 und die damit zugleich erfolgte Bescheidung der klägerischen Bewerbung vom 8. Oktober 2009 sind durch die Aufhebung mit Senatsurteil vom 25. Januar 2011 entfallen. Wie dargestellt ist die Klägerin auch weder aus sonstigen Gründen aus dem Auswahlverfahren ausgeschieden noch hat sie auf ihre diesbezüglichen Rechtspositionen verzichtet oder diese verwirkt. Die Auswahlentscheidung vom 27. September 2013 beschied die Bewerbung der Klägerin - wie dargestellt - gerade nicht und entfällt ohnehin infolge der Aufhebung durch das vorliegende Urteil.
148Soweit zum Zeitpunkt der erneuten Auswahlentscheidung der in der Ausschreibung vorgegebene Geltungszeitraum der zu vergebenden Dienstleistungskonzession bereits verstrichen sein sollte, kommt eine Auswahl der im Auswahlverfahren verbliebenen Bewerber allerdings nicht mehr in Betracht. Eine solchermaßen rückwirkende Auswahlentscheidung ist ausgeschlossen, so dass diesbezüglich die im Auswahlverfahren verbliebenen Bewerber abschlägig zu bescheiden sein werden.
149Im Übrigen ist der Beklagte infolge der erforderlichen Wiederholung der Auswahlentscheidung und der damit zu verbindenden Bescheidung auch der Klägerin gehalten, bei sämtlichen im Auswahlverfahren verbliebenen Bewerbern nachzufragen, ob ihrerseits auf der Grundlage der abgegebenen Bewerbungen Bereitschaft zur Erbringung der betreffenden Bodenabfertigungsdienste noch bis zum 31. Juli 2017 besteht. Dies ist mit Rücksicht auf das Vorbringen des Beklagten sowie der Beigeladenen zu 2. geboten, wonach eine kürzere Lizenzierung als für sieben Jahre wirtschaftlich und funktionell weder für den Bodenabfertigungsdienstleister noch für den Flughafen oder die Nutzer vertretbar sei. Für den Fall, dass keiner der Bewerber eine entsprechende Bereitschaft signalisieren sollte, dürfte die Aufhebung des Auswahlverfahrens in Betracht zu ziehen sein.
150III. Die Kostenentscheidung folgt, soweit der Klage stattgegeben worden ist, aus § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 100 ZPO. Soweit die Hauptbeteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, beruht die Kostenentscheidung auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Im Falle einer übereinstimmend erklärten Hauptsacheerledigung entscheidet das Gericht über die Verfahrenskosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Es entspricht der Billigkeit, dass auch insoweit der Beklagte und die Beigeladene zu 2. die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin jeweils zur Hälfte tragen. Dabei kann offenbleiben, inwieweit der geltend gemachte Anspruch auf Akteneinsichtsgewährung unter Aufhebung des dies versagenden Bescheides von der Klägerin hier im Wege der Klageerweiterung zulässigerweise geltend gemacht werden konnte und ob dieser Anspruch begründet gewesen ist. Jedenfalls rechtfertigt sich die Kostenlast des Beklagten und der Beigeladenen zu 2. insoweit aus dem Rechtsgedanken von § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Nach dieser Regelung können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Dies wäre bei der Klägerin - hier einmal unterstellt, das klageweise geltend gemachte Akteneinsichtsbegehren wäre jedenfalls nicht begründet gewesen - der Fall. Denn dieses Begehren macht im Verhältnis zur übrigen Klage nur einen geringen Teil im Sinn der genannten Vorschrift aus.
151IV. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tatbestand
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Die Klägerin bietet Bodenabfertigungsdienste an. Sie wendet sich gegen die Vergabe solcher Dienste auf dem Flughafen Köln/Bonn an die Beigeladene zu 2.
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Im Juni 2009 schrieb die Beigeladene zu 1, die Flugplatzunternehmerin, die Erbringung von Bodenabfertigungsdienstleistungen auf dem Flughafen Köln/Bonn für einen Zeitraum von sieben Jahren ab dem 1. August 2010 aus. In der Ausschreibung werden als Auswahlkriterien genannt: "Wirtschaftlich günstigstes Angebot die nachstehenden Kriterien: 1. Nachweis einer Mustermengenkalkulation nach Musterflugplan. Gewichtung 0; 2. Der angebotene Preis für die ausgeschriebene Dienstleistung auf Basis der Mustermengenkalkulation. Gewichtung 0; 3. Einsatzplanung für Personal (Qualifikation und Quantität) und Abfertigungsgeräte (Art und Umfang) pro Flugereignis auf Basis der Mustermengenkalkulation. Gewichtung 0; 4. Erfahrungen und Referenzen. Gewichtung 0; 5. Die begründeten Voten des Nutzerausschusses, des Flughafenunternehmers und des Betriebsrates. Gewichtung 0." Im Abschnitt "Sonstige Informationen" dieser Ausschreibung wird darauf hingewiesen, dass mit der Reihenfolge der Kriterien keine Gewichtung verbunden sei.
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Auf die Ausschreibung meldeten sich vier Bewerber, darunter die Klägerin und die Beigeladene zu 2; einer der weiteren Bewerber zog seine Bewerbung während des laufenden Auswahlverfahrens wieder zurück. Der Nutzerausschuss am Flughafen, die Beigeladene zu 1 sowie der Betriebsrat bei der Beigeladenen zu 1 gaben begründete Stellungnahmen ab; der Nutzerausschuss sprach sich für die Beigeladene zu 2 aus, die Beigeladene zu 1 und ihr Betriebsrat votierten für die Klägerin.
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Mit Bescheid vom 7. April 2010 erteilte der Beklagte der Beigeladenen zu 2 den Zuschlag und führte zur Begründung im Wesentlichen aus:
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Die Aufnahme der begründeten Voten des Nutzerausschusses, des Flughafenunternehmers sowie des Betriebsrates des Flughafenunternehmers als Zuschlagskriterium gehe auf die Überlegung zurück, dass die Bodenabfertigungsdienst-Verordnung (BADV) und die Richtlinie 96/67/EG ihnen ein besonderes Interesse daran bescheinige, wer Bodenabfertigungsdienste anbiete. Vor diesem Hintergrund seien die begründeten Voten ein - weiteres - sachgerechtes Auswahlkriterium mit hohem Stellenwert. Für die Auswahlentscheidung sei zunächst eine Bewertung anhand der vier ersten Zuschlagskriterien erfolgt. Bei der Mustermengenkalkulation habe die Beigeladene zu 2 sowohl mit der geringsten Personalstärke als auch mit dem geringsten Geräteaufwand und Flächenbedarf kalkuliert. Die Klägerin lege demgegenüber eine deutlich höhere Gerätemenge und auch Personalstärke zugrunde, sie habe außerdem den höchsten Flächenbedarf. Setze man (fiktiv) die Größen "Flächenbedarf" und "Geräteaufwand" ins Verhältnis zueinander, zeige sich, dass sich die Anbieter in einem vergleichbaren Rahmen bewegten. Hinsichtlich des Personaleinsatzes kalkuliere die Beigeladene zu 2 mit der höchsten Zahl von Vollzeit- und der geringsten Anzahl von Teilzeitmitarbeitern. Betrachte man aber das Arbeitszeitvolumen pro Woche lägen die drei Anbieter auch insoweit nicht weit auseinander. Für den Vergleich der angebotenen Preise habe man aus den Bewerbungsunterlagen repräsentative Flugzeugmuster ausgewählt. Die Beigeladene zu 2 habe bei verschiedenen Frachtflugzeugtypen die günstigsten Preise angeboten, ebenso beim Passagierflugzeug B 737-800. Bei anderen Passagierflugzeugtypen biete dagegen die Klägerin die günstigsten Preise an; das gelte auch hinsichtlich des durchschnittlichen Preises für die genannten Passagierflugzeuge. Erfahrungen und Referenzen könnten alle Bewerber nachweisen. Anhand der bislang herangezogenen Zuschlagskriterien sei noch keine eindeutige Entscheidung zugunsten eines Bewerbers möglich. Da der dritte Bewerber wegen seines nicht mehr kompensierbaren Preisnachteils ausscheide, sei nur noch zwischen der Beigeladenen zu 2 und der Klägerin anhand der Voten zu entscheiden. Die tarifvertragliche Bindung, auf die der Betriebsrat abgestellt habe, sei für die Auswahlentscheidung nicht entscheidungserheblich. Dem Hinweis, bei einzelnen Bewerbern bestünden wirtschaftlich problematische Verflechtungen und mögliche finanzielle Risiken, müsse nicht weiter nachgegangen werden, nachdem die grundsätzliche Eignung der Bewerber bereits im vorausgegangenen Teilnahmewettbewerb bejaht worden sei. Die Bewertung der Mustermengenkalkulation durch den Flughafenunternehmer überzeuge nicht. Es werde nicht erläutert, wie der von ihm herangezogene Referenzwert ermittelt worden sei; deshalb sei seine Vorgehensweise intransparent. In Bezug auf die Einsatzplanung für Personal und Abfertigungsgeräte könne keinem der Bewerber mangelnde Eignung vorgehalten werden. Sie seien alle qualifizierte Anbieter und verfügten über ausreichend Erfahrung für eine sachgerechte Einsatzplanung. Hinsichtlich Erfahrungen und Referenzen der Bewerber seien die Flughafengesellschaft und der Nutzerausschuss unterschiedlicher Auffassung. Auszugehen sei davon, dass die Nutzer und insbesondere die international tätigen Frachtfluggesellschaften ihre Bedürfnisse bei der Abfertigung am besten einschätzen könnten. Auch die Beigeladene zu 2 verfüge über ihre Cargo-Tochtergesellschaft über Erfahrungen in der Frachtabfertigung. Die Nutzer hätten ein nachvollziehbares Interesse an der Auswahl eines Abfertigungsunternehmers, der den eigenen hohen Qualitätsanforderungen möglichst problemlos genüge; dieses besondere Interesse sei zu berücksichtigen und hinreichend zu würdigen. Zu treffen sei die Auswahlentscheidung auch vor dem Hintergrund, dass der Flughafen Köln/Bonn der zweitgrößte Frachtflughafen in Deutschland sei und von komplexen Betriebsabläufen und besonderen Anforderungen im Frachtbereich geprägt werde. Der Nutzerausschuss habe mit eindeutiger Mehrheit für die Beigeladene zu 2 gestimmt. Für diesen Anbieter spreche im Frachtbereich auch der Preis, weshalb sämtliche am Flughafen ansässigen Frachtunternehmen für die Beigeladene zu 2 votiert haben dürften. Dass sich auch die Mehrheit der Passagierfluggesellschaften für sie ausgesprochen habe, obwohl die Klägerin durchschnittlich niedrigere Preise anbiete, zeige, dass der Preis nicht allein ausschlaggebend sei. Der Beigeladenen zu 2 werde offensichtlich ein sehr hohes Vertrauen entgegengebracht.
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Diesen Bescheid hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 25. Januar 2011 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, über die Auswahl des Dienstleisters unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Zur Begründung heißt es:
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Die Klägerin könne die Aufhebung der Auswahlentscheidung nicht bereits deshalb beanspruchen, weil die Ausschreibung fehlerhaft gewesen sei. Weder sei dort mit den Voten ein unzulässiges Zuschlagskriterium aufgenommen worden noch sei die Ausschreibung deswegen fehlerhaft, weil Angaben zur Gewichtung der Zuschlagskriterien fehlten. Das nach der Ausschreibung maßgebliche Hauptzuschlagskriterium - das wirtschaftlich günstigste Angebot - sei plausibel und entspreche dem Sinn und Zweck der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung und der Richtlinie 96/67/EG. Die Bedeutung der in der Ausschreibung genannten Unterkriterien sei nach ihrer Aussagekraft in Bezug auf dieses Hauptkriterium zu bestimmen. Die Berücksichtigung der Voten sei plausibel; die Angehörten stünden mit dem ausgewählten Bewerber später in täglichem Kontakt. Mit den Voten werde die Auswahlentscheidung auch nicht von einem völlig subjektiven und intransparenten Auswahlkriterium abhängig gemacht. Zu werten seien nicht die Voten als solche, vielmehr komme es auf die zur Begründung angeführten Sachgründe an. Fehlerhaft sei aber die Auswahlentscheidung selbst. Zwar treffe der Einwand der Klägerin nicht zu, der Beklagte habe keine eigene Bewertung der Bewerbungen vorgenommen. Doch entspreche seine Bewertung der Kriterien 1 bis 5 nicht der Vorgabe der Auswahl-Richtlinie, wonach das Auswahlverfahren sachgerecht, objektiv, transparent und nichtdiskriminierend sein müsse. Die Wertung des Beklagten, die Bewerbungen seien hinsichtlich der Mustermengenkalkulation vergleichbar, sei nicht sachgerecht. Sie wiesen deutliche Unterschiede beim jeweils angesetzten Geräte- und Flächenbedarf sowie der veranschlagten Zahl von Bussen, GPUs (mobilen Stromaggregaten) und Dollies (Gepäckwagen) auf. Diese Differenzen ließen selbst bei Anerkennung eines weiten Beurteilungsspielraums nicht ohne weitere Begründung den Schluss zu, die Kalkulationen bewegten sich in einem vergleichbaren Rahmen. Es reiche nicht, die Größen "Flächenbedarf" und "Geräteaufwand" zueinander ins Verhältnis zu setzen. Diese Vorgehensweise zeige, dass der Beklagte die Kalkulationen nicht auf ihre Plausibilität überprüft habe, was das Heranziehen von Referenzwerten erfordere. Werde bei der Mustermengenkalkulation aber nicht der tatsächliche Mindestbedarf an Geräten und Personal eingestellt, seien auch die auf dieser Grundlage errechneten Preise verzerrt. Es bestehe die Gefahr, dass ein Bewerber vor allem aufgrund der von ihm angebotenen niedrigeren Preise den Zuschlag erhalte, die allein darauf beruhten, dass er den Personal- und Sachaufwand zu niedrig angesetzt habe. Daraus ergebe sich zwangsläufig, dass der Beklagte auch das Kriterium 2 (Preise) nicht sachgerecht bewertet habe. Seien die Mustermengenkalkulationen nicht vergleichbar, ergäben auch die auf dieser Grundlage kalkulierten Preise keine taugliche Grundlage für eine sachgerechte vergleichende Beurteilung. Die Bewertung anhand der Kriterien 3 und 4 sei ebenfalls nicht fehlerfrei. Die Beigeladene zu 1 habe substanziiert auf Unplausibilitäten der von der Beigeladenen zu 2 vorgelegten Einsatzplanung hingewiesen. Damit habe sich der Beklagte nicht in adäquater Weise befasst. Seine Wertung, beim Kriterium 4 (Erfahrungen und Referenzen) ergebe sich im Verhältnis zur Klägerin ein leichter Vorteil zugunsten der Beigeladenen zu 2, sei nur schwer nachvollziehbar und deshalb jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Transparenz problematisch. Schließlich sei auch die Bewertung des Kriteriums 5 (Voten), soweit sie aus der Begründung des Bescheides überhaupt erkennbar werde, in mehrfacher Weise fehlerhaft. Sämtliche in den Voten enthaltenen Aussagen zu den Kriterien 1 bis 4 könnten nicht als Grundlage für die vom Beklagten vorzunehmende Bewertung des Kriteriums 5 angesehen werden. Da die Luftfahrtbehörde die Kriterien 1 bis 4 eigenständig zu bewerten habe, seien die sich darauf beziehenden Beiträge in den Voten im Sinne einer Entscheidungshilfe mit heranzuziehen. Unabhängig davon, wie das geschehe, dürften solche die Kriterien 1 bis 4 betreffenden Beiträge jedoch keine Entscheidungsgrundlage für die Bewertung des Kriteriums 5 selbst sein; ansonsten würden sie doppelt berücksichtigt. Ausgehend davon sei die Bewertung des Kriteriums 5 durch den Beklagten weitgehend unverständlich und intransparent. Klar erkennbar sei nur die Würdigung des vom Betriebsrat abgegebenen Votums. Dagegen sei eine tragfähige Bewertung der beiden anderen Voten ebenso wenig zu erkennen wie eine (zutreffende) Bewertung des Kriteriums 5 insgesamt. Der Ansatz des Beklagten, den der Nutzerakzeptanz beigemessenen großen Stellenwert mit dem Abstimmungsergebnis oder dem Abstimmungsverhalten im Nutzerausschuss und einem darin zum Ausdruck kommenden besonders hohen Vertrauen gegenüber der Beigeladenen zu 2 zu begründen, sei nicht tragfähig. Soweit der Beklagte auf die Markterfahrung der Nutzer und deren selbstgesetzte Qualitätsanforderungen abstelle, habe er nicht dargelegt, weshalb deren Votum gerade davon geprägt worden seien. Schließlich sei auch die Bewertung des vom Betriebsrat abgegebenen Votums fehlerhaft. Dass er anzuhören sei, zeige, dass auch die Arbeitnehmerinteressen Berücksichtigung finden sollten. Dann könne aber der Forderung nach einer Tarifbindung des Dienstleisters nicht von vornherein die Entscheidungsrelevanz abgesprochen werden. Führe die Bewertung der Kriterien 1 bis 4 zu einem Gleichstand, erscheine es nicht ausgeschlossen, der Tarifbindung sowohl im Rahmen der Bewertung des Kriteriums 5 als auch insgesamt eine entscheidende Bedeutung beizumessen.
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Zur Begründung ihrer Revision macht die Beigeladene zu 2 geltend: Das Oberverwaltungsgericht überschreite seine gerichtliche Kontrollkompetenz und greife in unzulässiger Weise in den Beurteilungsspielraum des Beklagten ein, weil es die in der Ausschreibung aufgeführten Zuschlagskriterien in ein Verhältnis von Hauptkriterium (wirtschaftlich günstigstes Angebot) und Hilfskriterien (die weiteren in der Ausschreibung genannten Zuschlagskriterien) bringe und die von ihm als Hilfskriterien angesehenen Gesichtspunkte je nach deren Bedeutung für das vermeintliche Hauptkriterium gewichte. Damit werde zudem gegen die Vorgabe der Auswahl-Richtlinie verstoßen, dass die Auswahl sachgerecht und transparent sein müsse. Der Verstoß gegen das Sachgerechtigkeitserfordernis liege darin, dass das Oberverwaltungsgericht unberücksichtigt gelassen habe, dass die Mustermengenkalkulation und die auf deren Grundlage angebotenen Preise für eine spätere Inanspruchnahme der Bodenabfertigungsdienste nicht verbindlich seien. Der Transparenzgrundsatz werde verletzt, weil in der Ausschreibung darauf hingewiesen worden sei, dass mit der Reihenfolge der Zuschlagskriterien keine Gewichtung verbunden sei. Die Auswahlkriterien und deren Gewichtung dürften nach den vergaberechtlichen Grundsätzen der Verfahrenstransparenz und der Chancengleichheit der Bieter nicht im Nachhinein verändert werden. Auf diesem unzutreffenden Ausgangspunkt beruhe auch die weitere gerichtliche Bewertung der Auswahlentscheidung. Fehlerhaft sei das Urteil darüber hinaus, soweit die Bewertung bemängelt werde, die der Beklagte anhand des Kriteriums 5 (Voten) vorgenommen habe. Das Oberverwaltungsgericht überschreite mit der Vorgabe, Aussagen in den Voten zu den Kriterien 1 bis 4 könnten nicht als Grundlage für die Bewertung des Kriteriums 5 in Betracht kommen, ein weiteres Mal seine Überprüfungskompetenz; es ersetze damit die Entscheidung des Beklagten über den wertungsrelevanten Inhalt der Voten durch eine gerichtliche Festlegung. Zu Ende gedacht führe das dazu, dass die Voten nur insoweit berücksichtigungsfähig seien, als sie rein subjektive Wertungen der Beteiligten enthielten; das solle aber, folge man dem Urteil im Übrigen, gerade unzulässig sein. Dann verbleibe den Voten aber keinerlei Relevanz für die Auswahlentscheidung, was dem Grundsatz einer objektiven und transparenten Auswahlentscheidung im Sinne der Auswahl-Richtlinie zuwiderlaufe. Diese vom Oberverwaltungsgericht geforderte Art und Weise der Verwertung der Voten sei auch den Anzuhörenden nicht bekannt gewesen; daher hätten sie sich bei ihrer Stellungnahme darauf nicht einstellen können. Zudem seien die Kriterien 1 bis 4 gerade für den Nutzerausschuss von besonderer Bedeutung; sein Votum werde entwertet, müssten diese Aspekte unberücksichtigt bleiben. Die Frage der Leistungsfähigkeit der Bewerber habe der Beklagte bei der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigen müssen, da dies bereits Gegenstand des Teilnahmewettbewerbs gewesen sei. Auch den im Votum des Betriebsrates angesprochenen Aspekt der Tarifbindung habe der Beklagte zutreffend und im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs außer Betracht lassen dürfen. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Auswertung der Mustermengenkalkulation durch den Beklagten sei nicht nachvollziehbar, weil sich deren Ergebnisse - anders als der Beklagte meine - nicht in einem vergleichbaren Rahmen bewegten, beruhe auf aktenwidrigen Annahmen. Auf diesen Rechtsverletzungen beruhe das angegriffene Urteil; es erweise sich nicht aus anderen Gründen als zutreffend. Die vom Beklagten getroffene Auswahlentscheidung sei nämlich sowohl in Bezug auf die einzelnen Zuschlagskriterien als auch hinsichtlich der Gesamtbewertung rechtsfehlerfrei.
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Der Beklagte unterstützt, ohne einen eigenen Antrag zu stellen, die Auffassung der Beigeladenen zu 2.
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Die Beigeladene zu 1 stellt ebenfalls keinen Antrag.
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Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht trägt in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vor: Eine endgültige Gewichtung der Auswahlkriterien müsse nicht bereits bei der Ausschreibung erfolgen, da ansonsten kaum noch ein Beurteilungsspielraum für die Bewertung der Bewerbungen verbleibe und das Zusammenspiel der Ergebnisse zu den einzelnen Kriterien nicht mehr ausreichend berücksichtigt werden könne. Zudem stehe eine vorab festgelegte starre Gewichtung nicht im Einklang mit dem Anhörungserfordernis des § 7 Abs. 1 Satz 3 BADV. Aus der Anhörung könnten sich neue Bewertungsansätze ergeben; ebenso könne eine Änderung der ursprünglich beabsichtigten Gewichtung erforderlich werden. Dabei sei einerseits die ungeprüfte Übernahme eines starr gewichteten Votums unzulässig; andererseits dürfe die Anhörung nicht dadurch leerlaufen, dass ihr keinerlei Bedeutung zuerkannt werde. Die Voten müssten anhand ihrer Begründung und mit Blick auf die jeweils betroffenen Interessen sorgfältig überprüft werden. Dann bestehe nicht die Gefahr, dass der Grundsatz der Objektivität missachtet werde. Da die Beteiligung des Nutzerausschusses im Normsetzungsverfahren besonders berücksichtigt worden sei und die Nutzer unmittelbar von Preis und Qualität des ausgewählten Dienstleisters betroffen seien, stehe es der Behörde im Einzelfall frei, deren Votum unter Umständen auch höher zu gewichten als die Einschätzung der anderen Anzuhörenden. Dagegen sei es nicht notwendig, der Einschätzung des Nutzerausschusses von vornherein ein besonders hohes oder gar überragendes Gewicht beizumessen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beigeladenen zu 2 bleibt im Ergebnis ohne Erfolg, auch wenn das angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts nicht in allen Punkten im Einklang mit Bundesrecht steht (§ 137 Abs. 1 i.V.m. § 144 Abs. 4 VwGO). Die vom Beklagten getroffene Auswahlentscheidung erweist sich insbesondere deshalb als rechtsfehlerhaft und ist daher gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben, weil der Beklagte ungeachtet des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums nicht davon ausgehen durfte, dass sich die von den Bewerbern vorgelegten Mustermengenkalkulationen in einem vergleichbaren Rahmen bewegen. Schon wegen des engen Zusammenhangs der Zuschlagskriterien 1 (Mustermengenkalkulation) und 2 (Angebotene Preise auf Basis der Mustermengenkalkulation) ist die Wertung des Beklagten auch in Bezug auf das Kriterium 2 zu beanstanden. Die vom Beklagten anhand der verbleibenden drei Zuschlagskriterien vorgenommene Bewertung weist zusätzliche Rechtsfehler auf. Daher hat der Beklagte die Auswahlentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu treffen.
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1. Die gegen die Vergabe von Bodenabfertigungsdiensten an die Beigeladene zu 2 gerichtete Klage ist zulässig. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs und die sachliche Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VwGO hat die Vorinstanz für das Revisionsverfahren nach § 17a Abs. 5 GVG bindend und im Übrigen auch zutreffend bejaht (anders - und in Abweichung von der sonstigen obergerichtlichen Rechtsprechung - zu dieser Zuständigkeitsregelung bislang nur VGH Mannheim, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 8 S 1242/02 - ZLW 2003, 473).
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2. Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen für die vom Beklagten zu treffende Auswahlentscheidung enthält die Verordnung über Bodenabfertigungsdienste auf Flugplätzen (Bodenabfertigungsdienst-Verordnung - BADV) vom 10. Dezember 1997 (BGBl I S. 2885), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 10. Mai 2011 (BGBl I S. 820). Sie dient - ebenso wie § 19c des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) - der Umsetzung der Richtlinie 96/67/EG des Rates vom 15. Oktober 1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft (ABl Nr. L 272 S. 36).
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a) Die Auswahl des Dienstleisters erfolgt, nachdem gemäß § 3 Abs. 2 bis 5 BADV am Flughafen Köln/Bonn für die hier in Rede stehenden Bodenabfertigungsdienste mehrere Dienstleister zuzulassen sind, in einem zweistufigen Verfahren: auf einen durch eine Ausschreibung eröffneten Teilnahmewettbewerb, in dem die Interessenten ihre Eignung nachweisen müssen, folgt das eigentliche Auswahlverfahren. Im Einzelnen:
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Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BADV hat der Flugplatzunternehmer in den Fällen des § 3 Abs. 2 bis 5 die Vergabe von Dienstleistungen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften auszuschreiben; das ist hier im Supplement zum Amtsblatt vom 25. Juni 2009 geschehen (ABl 2009 S. 119-173923). Die als Anlage 2 (zu § 7) der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung erlassene Auswahl-Richtlinie des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sieht vor, dass diese Veröffentlichung unter anderem Angaben dazu enthalten muss, welche Kriterien maßgeblich für die Auswahl sind (Nr. 2.2 Buchst. h) sowie außerdem Angaben zu den Zuschlagskriterien (Nr. 2.2 Buchst. i).
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Die anschließende Auswahl der Dienstleister trifft gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 BADV nur dann ebenfalls der Flugplatzunternehmer, wenn er selbst keine gleichartigen Bodenabfertigungsdienste erbringt und kein Unternehmen, das derartige Dienste erbringt, direkt oder indirekt beherrscht und in keiner Weise an einem solchen Unternehmen beteiligt ist. In allen anderen Fällen - und danach auch hier, weil die Beigeladene zu 1 am Flughafen Köln/Bonn als Flugplatzunternehmer auch selbst Bodenabfertigungsdienste der in Rede stehenden Art anbietet - erfolgt die Auswahl des Dienstleisters gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 BADV nach Anhörung des Nutzerausschusses, des Flugplatzunternehmers und des Betriebsrates des Flugplatzunternehmens durch die Luftfahrtbehörde.
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Zuständige Luftfahrtbehörde ist hier gemäß § 19c Abs. 1 und 2 sowie § 31 Abs. 2 Nr. 4a LuftVG i.V.m. § 1 Nr. 2 der (nordrhein-westfälischen) Verordnung zur Bestimmung der zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Luftfahrt (Zuständigkeitsverordnung Luftfahrt - LuftfahrtZustVO) vom 7. August 2007 (GV.NW S. 316), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 20. Dezember 2011 (GV.NW S. 731), das für den Verkehr zuständige Ministerium, danach - insoweit der Benennung bei Erlass des Bescheides folgend - das Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen.
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Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 5 BADV gelten für die Ausschreibung und das Auswahlverfahren die in der Auswahl-Richtlinie niedergelegten Grundsätze. Nach deren Nummer 1 Absatz 2 müssen die Verfahren nach dieser Auswahl-Richtlinie sachgerecht, objektiv, transparent und nichtdiskriminierend durchgeführt werden. Gemäß Nummer 2.3 Absatz 5 der Auswahl-Richtlinie bewertet die Luftfahrtbehörde die Bewerbungen anhand der vorher festgelegten maßgeblichen Bewertungskriterien und trifft nach Anhörung des Nutzerausschusses, des Flugplatzunternehmers und des Betriebsrates des Flugplatzunternehmens die Auswahlentscheidung. Diese ist dem Nutzerausschuss, dem Flugplatzunternehmer sowie den Bewerbern bekanntzugeben.
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b) In solchen Verfahren kommt den zuständigen Stellen sowohl bei der Bestimmung und Gewichtung der Zuschlagskriterien als auch bei der Auswahlentscheidung selbst ein Beurteilungs- und Bewertungsspielraum zu (vgl. zu § 13 Abs. 2 PBefG: Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 3 C 1.09 - BVerwGE 135, 198 - sowie zur Auswahl nach VOB/A: BGH, Urteil vom 16. Oktober 2001 - X ZR 100/99 - NZBau 2002, 107; ebenso zu Vergabeentscheidungen nach der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung: VGH München, Beschluss vom 25. Februar 2010 - 8 AS 10.40000 - GewArch 2010, 327, juris Rn. 15; OVG Lüneburg, Beschluss vom 24. Juni 1999 - 12 M 2094/99 - NVwZ 1999, 1130, juris Rn. 9; jeweils m.w.N.). Das ergibt sich für die Vergabe von Bodenabfertigungsdienstleistungen vor allem daraus, dass sich die materiell-rechtlichen Vorgaben für das Auswahlverfahren in der Richtlinie 96/67/EG ebenso wie in der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung im Wesentlichen darin erschöpften, dass es sachgerecht, objektiv, transparent und nichtdiskriminierend durchgeführt werden muss (vgl. Art. 11 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie sowie § 7 Abs. 1 BADV i.V.m. Nr. 1 Abs. 2 der Auswahl-Richtlinie).
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Demgemäß ist die gerichtliche Überprüfung der Auswahlentscheidung darauf beschränkt, ob die Behörde gegen die geltenden Verfahrensbestimmungen verstoßen oder den ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten hat, indem sie von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen ist, sachfremde Erwägungen angestellt oder sich nicht an den von ihr aufgestellten Beurteilungsmaßstab und die allgemeinen Grundsätze der Sachgerechtigkeit, Transparenz und Nichtdiskriminierung gehalten hat (vgl. dazu allgemein: Urteil vom 16. Mai 2007 - BVerwG 3 C 8.06 - BVerwGE 129, 27 Rn. 38 m.w.N.). Die revisionsgerichtliche Überprüfung der vorinstanzlichen Entscheidung wiederum hat sich an der Frage auszurichten, ob diese Grenzen beachtet wurden.
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3. Zutreffend geht das Oberverwaltungsgericht davon aus, dass die vom Beklagten getroffene Auswahlentscheidung nicht bereits deshalb rechtswidrig ist, weil die ihr vorausgegangene Ausschreibung Rechtsfehler aufweist. Die Ausschreibung ist nicht zu beanstanden.
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a) Die Ausschreibung selbst musste noch keine Gewichtung der dort angegebenen Zuschlagskriterien enthalten. Eine solche Verpflichtung lässt sich weder der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung noch der Richtlinie 96/67/EG entnehmen. Vor diesem Hintergrund scheidet auch die Herleitung einer solchen Pflicht aus allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätzen, etwa dem Transparenzgebot, aus.
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Keinen Zweifeln unterliegt, dass das in der Ausschreibung unter Nummer IV.2.1 ("Zuschlagskriterien") angegebene Kriterium des "wirtschaftlich günstigsten Angebotes" das Hauptkriterium für die Auswahlentscheidung ist und die anschließend genannten Kriterien 1 bis 5 im Sinne von Hilfskriterien dessen Ausfüllung und näherer Bestimmung dienen. Das für die Ausschreibung zu verwendende Formular sieht alternativ entweder die Angabe "niedrigster Preis" oder das "wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf folgende Kriterien" vor, die dann im Text der Ausschreibung ergänzend aufzuführen sind. Bereits durch diese Formulierung wird das Verhältnis dieser Angaben als Haupt- und Hilfskriterien hinreichend deutlich. Dass dieser formularmäßig vorgesehene Text bei der hier veröffentlichten Ausschreibung offensichtlich nur verkürzt wiedergegeben wurde, konnte für die Bewerber, denen derartige Ausschreibungen und damit das zu verwendende Formular nicht fremd sind, kein Hindernis für das zutreffende Verständnis der Kriterien sein.
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Eine Vorgabe, dass solche Hilfskriterien in der Ausschreibung bereits ausdrücklich in ihrem Verhältnis zueinander zu gewichten sind, findet sich in der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung nicht. In der ihr als Anlage beigefügten Auswahl-Richtlinie wird nur bestimmt, dass die Veröffentlichung Angaben dazu enthalten muss, welche Kriterien maßgeblich für die Auswahl (Nr. 2.2 Buchst. h) und welches die Zuschlagskriterien sind (Nr. 2.2. Buchst. i). Weitergehende Anforderungen an die Ausschreibung lassen sich auch der Verordnungsbegründung nicht entnehmen. Schließlich ist nach der Stellungnahme des Vertreters des Bundesinteresses auch das Bundesministerium für Verkehr - und damit der Verordnungsgeber selbst - der Auffassung, dass eine Vorab-Gewichtung nicht erforderlich ist.
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Nichts anderes ergibt sich aus der Richtlinie 96/67/EG. Sie enthält in ihrem Artikel 14 (Zulassung) Grundsätze, denen die Kriterien für die Erteilung des Zuschlags entsprechen müssen, sowie die Vorgabe, dass diese Kriterien bekanntzumachen sind. Von der Angabe einer Gewichtung der Kriterien ist nicht die Rede. Das soll sich nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Bodenabfertigungsdienste auf Flughäfen der Union und zur Aufhebung der Richtlinie 96/67/EG vom 1. Dezember 2011 (KOM <2011> 824 endg.) zwar ändern. Der dort vorgesehene Artikel 9 zählt in Absatz 3 einen Katalog von Vergabekriterien auf und sieht in Absatz 4 vor, dass die relative Gewichtung der Vergabekriterien in der Ausschreibung und den zugehörigen Dokumenten angegeben werden muss. Im Erwägungsgrund 13 heißt es dazu, dass die Einzelheiten dieses Verfahrens - gemeint ist die Auswahl von Dienstleistern in einem transparenten und nichtdiskriminierenden Verfahren - eingehender festgelegt werden sollten. Das macht jedoch deutlich, dass es sich auch aus unionsrechtlicher Sicht bei der Angabe einer Gewichtung um eine neu einzuführende und jetzt noch nicht geltende Verpflichtung handelt.
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Auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot oder sonstige nach der Auswahl-Richtlinie zu beachtende Verfahrensanforderungen kann danach nicht angenommen werden. Schon aus der Natur der Sache ergibt sich eine gewisse logische Reihenfolge und Interdependenz der genannten Zuschlagskriterien. So ist klar, dass die angebotenen Preise von der ihr vorgelagerten Mustermengenkalkulation und Einsatzplanung abhängen. Ergänzt wird diese "Eigendarstellung" der Bewerber durch eine Drittsicht in Form von Erfahrungen und Referenzen (Kriterium 4) und den Voten der nach § 7 Abs. 1 Satz 3 BADV Anzuhörenden (Kriterium 5).
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b) Ebenso wenig verstößt die Annahme des Oberverwaltungsgerichts gegen Bundesrecht, dass - wie hier geschehen - die "begründeten Voten des Nutzerausschusses, des Flughafenunternehmers und des Betriebsrates des Flughafenunternehmens" als weiteres Zuschlagskriterium in die Ausschreibung aufgenommen werden durften.
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Bei Auswahlverfahren nach der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung ist den zuständigen Stellen - wie bereits dargelegt - auch hinsichtlich der Festlegung der Zuschlagskriterien ein Beurteilungs- und Bewertungsspielraum zuzuerkennen. Dass hierbei den Voten der in § 7 Abs. 1 Satz 3 BADV genannten Stellen Bedeutung beigemessen werden kann, ist bereits dem Umstand zu entnehmen, dass § 7 Abs. 1 Satz 3 BADV deren Anhörung vor der Auswahlentscheidung ausdrücklich vorsieht. Auch bei diesen Voten handelt es sich der Sache nach um eine Art von "Erfahrungen und Referenzen". Aus ihnen können sich zum einen weitere tatsächliche Grundlagen für die Auswahlentscheidung ergeben, zum anderen spiegeln sie wider, inwieweit die Bereitschaft vorhanden ist, mit dem entsprechenden Bewerber später zusammenzuarbeiten, wenn er den Zuschlag erhalten sollte. Da die Auswahl-Richtlinie vorgibt, dass die Verfahren sachgerecht, objektiv, transparent und nichtdiskriminierend durchgeführt werden müssen, kommt es bei der Auswertung der Voten jedoch allein auf die Sachgründe an, die hinter der geäußerten Akzeptanz oder Ablehnung eines Bewerbers stehen (gegen die vergaberechtliche Zulässigkeit des Abstellens auf eine nicht weiter begründete Beurteilung des jeweiligen Bewerbers: VGH München, Beschluss vom 21. Juli 1999 - 20 AS 99.40032 - NVwZ 1999, 1131, juris Rn. 33 ff.). Diese Sachgründe hat die für die Auswahlentscheidung zuständige Stelle ausgehend von den in der Ausschreibung genannten Zuschlagskriterien und den in der Auswahl-Richtlinie enthaltenen allgemeinen Vorgaben für die Auswahlentscheidung zu bewerten und zu gewichten. Dass die Bodenabfertigungsdienst-Verordnung eine solche Überprüfung voraussetzt, lässt sich unter anderem daraus entnehmen, dass die Beteiligung der in § 7 Abs. 1 Satz 3 BADV genannten Stellen als bloße Anhörung ausgestaltet ist, die Auswahlentscheidung aber der Luftfahrtbehörde vorbehalten ist.
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Diesen Anforderungen trägt die hier vorgenommene Ausschreibung Rechnung; hiernach soll auf die "begründeten Voten" abgestellt werden. Damit wird deutlich, dass es um die in den Voten angeführten Sachgründe geht und dass die Auswahlbehörde eine Prüfung und Bewertung dieser Sachgründe vornehmen wird.
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4. Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht aber zu dem Ergebnis gelangt, dass die vom Beklagten getroffene Auswahlentscheidung demgegenüber Rechtsfehler aufweist. Das führt zur Aufhebung der Vergabe der Bodenabfertigungsdienste an die Beigeladende zu 2 und zur Verpflichtung des Beklagten, diese Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu treffen. Wegen des dem Beklagten zustehenden Beurteilungs- und Bewertungsspielraums kann das Gericht den Dienstleister nicht selbst anstelle des Beklagten bestimmen.
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a) Nichts zu erinnern ist allerdings dagegen, dass das Oberverwaltungsgericht den Einwand der Klägerin zurückgewiesen hat, der Beklagte habe keine eigene Bewertung der Bewerbungen anhand der Zuschlagskriterien vorgenommen. Dem angegriffenen Bescheid ist eindeutig zu entnehmen, dass dies geschehen ist. Der Beklagte ist dabei in einer ersten Stufe der Auswahlentscheidung (vgl. nur S. 6 des Bescheides) zum Ergebnis gelangt, dass eine Entscheidung anhand der Kriterien 1 bis 4 noch nicht eindeutig möglich sei (vgl. S. 8 f.), dass aber jedenfalls der dritte Bewerber eindeutig hinter die Klägerin und die Beigeladene zu 2 zurückfalle. In einer zweiten Stufe hat der Beklagte sodann die abgegebenen Voten als weiteres Zuschlagskriterium herangezogen; dabei hat er die für diese Voten jeweils angeführte Begründung inhaltlich hinterfragt und gewürdigt, wenn auch nicht immer im gebotenen Umfang. Danach kann jedenfalls von einem völligen Ausfall einer eigenen Bewertung durch den Beklagten nicht die Rede sein. Ob sich die jeweilige Bewertung noch im Rahmen seines Beurteilungsspielraums hält, ist hinsichtlich der einzelnen Zuschlagskriterien gesondert zu überprüfen.
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b) Ebenfalls keinen revisiblen Rechtsfehler weist die Annahme des Oberverwaltungsgerichts auf, das den einzelnen Zuschlagskriterien zukommende Gewicht und die damit korrespondierende Prüfungstiefe seien danach zu bestimmen, welche Bedeutung dem jeweiligen Kriterium im Hinblick auf das Hauptkriterium - das wirtschaftlich günstigste Angebot - zukomme. Diese Einordnung der Zuschlagskriterien steht im Einklang mit allgemein gültigen Wertungsmaßstäben. Die von der Beigeladenen zu 2 und dem Beklagten vorgetragene Rüge, das Gericht habe damit in unzulässiger Weise seine eigene Bewertung und Gewichtung an die Stelle der Wertung durch den Beklagten gesetzt, geht fehl. Auch die Beigeladene zu 2 selbst räumt im Übrigen an anderer Stelle ein, beim wirtschaftlich günstigsten Angebot handele es sich um kein eigenständiges Wertungskriterium, sondern um das Endergebnis der Einzelwertung aller Auswahlkriterien (vgl. S. 7 der Revisionsbegründung). Die Frage ist zudem nicht, was der Ausschreibende wollte, sondern - wie im Regelfall bei empfangsbedürftigen Erklärungen - wie die Adressaten der Ausschreibung deren Inhalt aus der Empfängerperspektive verstehen mussten.
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c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist - entgegen den Einwänden der Beigeladenen zu 2 - auch die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Bewertung der Bewerber anhand des Kriteriums 1 (Mustermengenkalkulation nach Musterflugplan) sei auch bei Berücksichtigung des dem Beklagten dabei einzuräumenden Beurteilungsspielraums nicht mehr nachvollziehbar. Zwar nimmt der Beklagte, wie der Begründung des Bescheides zu entnehmen ist, zur Kenntnis, dass die Mustermengenkalkulationen der im Auswahlverfahren verbliebenen Bewerber durchaus beträchtliche Unterschiede beim Ressourcenbedarf an Personal, Gerätschaften und Flächen aufweisen. Der Beklagte ebnet diese Unterschiede bei den Faktoren Flächenbedarf und Gerätebedarf aber mit dem Argument ein, dass sich die Anbieter in einem vergleichbaren Rahmen bewegten, wenn man diese Größen ins Verhältnis zueinander setze. Darin liegt - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend feststellt - ein ungeeigneter methodischer Ansatz zur Begründung eines relativen Gleichstandes der Bewerber bei den Mustermengenkalkulationen. Es liegt auf der Hand, dass ein höherer Geräteeinsatz bei weitgehend gleichen Gerätetypen automatisch auch zu einem entsprechend höheren Flächenbedarf führt. Somit kann allein ein vergleichbarer Quotient aus beiden Werten weder unterschiedlich hoch angesetzte Bedarfe plausibel machen noch vorhandene Unterschiede in den Kalkulationen beseitigen. Der Beklagte konnte auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine schlüssige Begründung für die Vertretbarkeit des von ihm gewählten Ansatzes geben. Seiner Bewertung der Mustermengenkalkulationen liegen vielmehr sachfremde Erwägungen zugrunde; damit sind die Grenzen seines Beurteilungsspielraums überschritten.
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Demgegenüber kann die Beigeladene zu 2 mit dem Einwand aktenwidriger Feststellungen nicht durchdringen. Sie stützt ihn darauf, dass die im Urteil genannten Einsatzzahlen für Busse und GPUs, soweit es um ihr Angebot gehe, nicht mit den in ihrer Bewerbung angegebenen Zahlen übereinstimmten. Dabei übersieht sie zum einen, dass sich das Oberverwaltungsgericht an dieser Stelle auf im Bescheid genannte Zahlen und eine in den Unterlagen des Beklagten enthaltene Aufstellung stützt, so dass der Einwand unzutreffender Annahmen in erster Linie bereits den Beklagten selbst und die Richtigkeit der Basis für dessen Einschätzung trifft. Vor allem aber lassen die behaupteten Abweichungen in den Zahlen den grundlegenden Einwand des Oberverwaltungsgerichts unberührt, dass der Beklagte mit seiner "Quotientenlösung" methodisch fehlerhaft vorgegangen ist.
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Die Gesamtbewertung der Mustermengenkalkulationen durch den Beklagten wird auch nicht im Hinblick darauf vertretbar, dass sich die Annahme eines relativen Gleichstandes der konkurrierenden Dienstleister jedenfalls beim Personalbedarf mit der Erwägung rechtfertigen lässt, dass er dabei auf das wöchentliche Arbeitzeitvolumen abstellen und die Unterschiede hinsichtlich der Anzahl der jeweils veranschlagten Voll- und Teilzeitkräfte ausblenden durfte. Eine solche Betrachtungsweise ist - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend befunden hat - vom Beurteilungsspielraum des Beklagten noch gedeckt, beseitigt aber den aufgezeigten Fehler nicht.
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d) Aufgrund der fehlerhaften Würdigung der Mustermengenkalkulationen kann auch die Wertung keinen Bestand haben, die der Beklagte im Anschluss daran anhand der angebotenen Preise (Kriterium 2) vorgenommen hat.
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Die grundsätzliche Eignung dieses Kriteriums als Zuschlagskriterium ist nicht dadurch in Frage gestellt, dass die auf der Grundlage der Mustermengenkalkulation ermittelten Preise später gegenüber den Fluggesellschaften nicht bindend sind. Sie entfalten jedenfalls eine gewisse faktische Vorwirkung dadurch, dass diese Preise dem Nutzerausschuss bekannt sind, dem auch die Fluggesellschaften und damit die potentiellen späteren Kunden des ausgewählten Dienstleisters angehören.
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Die Fehlerhaftigkeit der Wertung des Beklagten ergibt sich aber bereits daraus, dass dieses zweite Zuschlagskriterium, wie schon dessen Formulierung in der Ausschreibung zeigt ("Der angebotene Preis für die ausgeschriebene Dienstleistung auf Basis der Mustermengenkalkulation"), in engem Zusammenhang mit dem ersten Kriterium steht. Die angebotenen Preise und dabei auftretende Unterschiede zwischen den einzelnen Bewerbern haben erst dann Aussagekraft im Hinblick auf das letztlich maßgebliche Auswahlkriterium, das wirtschaftlich günstigste Angebot, wenn sie auf einer realistischen Mustermengenkalkulation beruhen. Ein gegenüber den Konkurrenzangeboten niedrigerer Preis kann bei einer sachgerechten Betrachtungsweise nur dann zugunsten des Anbieters ins Gewicht fallen, wenn der betreffende Bewerber ihn nicht dadurch künstlich niedrig gerechnet hat, dass er für die zu erbringenden Dienstleistungen zu wenig Personal und/oder Sachmittel angesetzt oder die für deren Einsatz zu veranschlagenden Kosten nicht in einer realistischen Höhe berücksichtigt hat. Ist eine Mustermengenkalkulation aus solchen oder vergleichbaren Gründen mangelhaft, sind auch die auf ihrer Grundlage errechneten Preise kein tragfähiges Auswahlkriterium mehr.
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Daher genügt es dem Erfordernis einer objektiven und sachgerechten Auswahlentscheidung nicht, dass der Beklagte auch im Hinblick auf die angebotenen Preise von einem relativen Gleichstand der Bewerber ausgegangen ist. Die angebotenen Preise rechtfertigen eine solche Wertung nicht, nachdem der Beklagte sie ebenso wenig wie die Mustermengenkalkulationen zumindest einer Plausibilitätsprüfung unterzogen hat. Für eine solche Plausibilitätsprüfung können, insbesondere wenn die Kalkulationen der Bewerber erheblich voneinander abweichen, Referenzwerte von Bedeutung sein.
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Zudem rügt das Oberverwaltungsgericht zu Recht, dass der Beklagte den in der Anhörung substanziiert vorgetragen Einwänden gegen die Mustermengenkalkulation der Beigeladenen zu 2 nicht nachgegangen ist. Auch in dieser Hinsicht weist die Entscheidung des Beklagten somit Defizite auf. Die Beigeladene zu 1 hatte in ihrem Votum auf mangelnde Plausibilität bei der eingeplanten Zahl von Dollies und Personal für zwei Typen von Frachtflugzeugen hingewiesen. Diesen Einwänden hat der Beklagte nicht in der gebotenen Weise durch eine entsprechende Überprüfung der Kalkulation der Beigeladenen zu 2 Rechnung getragen. Eine solche inhaltliche Überprüfung müsste ihren Niederschlag auch in der Begründung der Auswahlentscheidung finden, um bei deren eventuell nachfolgender gerichtlichen Kontrolle verifizierbar zu sein.
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Noch im Rahmen des Beurteilungsspielraums des Beklagten hält sich hingegen, dass er für den Vergleich der angebotenen Preise auf ausgewählte repräsentative Flugzeugmuster abgestellt hat. Gleiches gilt, soweit der Beklagte bei einem ungefähr gleichen Anteil von abzufertigenden Passagier- und Frachtflugzeugen die bei den Bewerbern jeweils in einem der Bereiche festzustellenden Preisvorteile im Ergebnis als ausgeglichen betrachtet hat.
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e) Zutreffend nimmt das Oberverwaltungsgericht an, dass die vom Beklagten vorgenommene Wertung auch in Bezug auf das Kriterium 3 Mängel aufweist. Die Ausführungen im angegriffenen Bescheid zur Einsatzplanung für Personal (Qualifikation und Quantität) und Abfertigungsgeräte (Art und Umfang) pro Flugereignis auf Basis der Mustermengenkalkulation beschränken sich im Wesentlichen auf die Feststellung, dass alle drei Bewerber über Qualitätsmanagementsysteme verfügen würden und dass alle Anbieter ihre Konzepte hinsichtlich Personaleinsatzplanung, Personalaus- und -weiterbildung sowie Schulung dargestellt hätten; auch die Geräteeinsatzkonzepte seien schlüssig erläutert worden. Den substanziierten Einwendungen der Beigeladenen zu 1 hinsichtlich der Einsatzplanung bei zwei bestimmten Frachtflugzeugtypen ist der Beklagte dagegen nicht in der gebotenen Weise nachgegangen. Das von ihm in diesem Zusammenhang angeführte Argument, dass alle Bewerber qualifizierte Anbieter am Markt seien und über eine ausreichende Erfahrung verfügten, um insgesamt eine sachgerechte Einsatzplanung vorzunehmen, genügt - wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht bemängelt hat - nicht, um solche substanziiert vorgetragenen Einwendungen eines mit den Verhältnissen vor Ort Vertrauten auszuräumen.
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f) Ähnlich knapp gefasst ist die Begründung der Auswahlentscheidung, was die Würdigung der Bewerbungen anhand des Kriteriums 4 (Erfahrungen und Referenzen) betrifft. Das Ergebnis, die Klägerin weise gegenüber ihren Mitbewerbern Defizite im Bereich "Erfahrungen" auf, wird nicht näher erläutert. Das Oberverwaltungsgericht hält das für unzureichend, weil sich aus den Verwaltungsakten kein entsprechendes Erfahrungsdefizit der Klägerin oder umgekehrt ein Erfahrungsvorsprung der Beigeladenen zu 2 herleiten lasse. Allerdings lässt diese gerichtliche Würdigung ebenfalls eine hinreichend gesicherte Grundlage vermissen. Das Oberverwaltungsgericht stellt, da dem vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang die von den Bewerbern im Auswahlverfahren beigebrachten Unterlagen und damit auch eventuelle Empfehlungsschreiben nicht beigefügt waren, letztlich nur Mutmaßungen über den Inhalt möglicher Referenzen und von konkurrierenden Bewerbern vorgelegter Empfehlungsschreiben an. Das ändert aber freilich nichts am Ausgang des Rechtsstreits, da bereits die übrigen Mängel der Auswahlentscheidung zu deren Aufhebung führen (§ 144 Abs. 4 VwGO).
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Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Behandlung der Zulässigkeit von Nachermittlungen durch das Oberverwaltungsgericht. Zu Recht hat es angenommen, der Beklagte habe, nachdem die Frist für die Einreichung von Unterlagen im Auswahlverfahren abgelaufen war, nicht mehr einseitig zugunsten einzelner Bewerber nachrecherchieren dürfen, um mögliche Lücken ihrer Darstellung von Erfahrungen und Referenzen im Bereich der Bodenabfertigungsdienste zu schließen und deren Bewerbung somit "nachzubessern". Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei der in Nr. 2.3 Abs. 5 Satz 1 der Auswahl-Richtlinie aufgeführten "Bewerbungsfrist" um eine Ausschlussfrist im rechtlichen Sinne handelt (so VGH Kassel, Beschluss vom 27. Mai 1999 - 2 Q 4634/98 - ZLW 1999, 559, juris Rn. 16 sowie VGH München, Beschluss vom 25. Februar 2010 - 8 AS 10.40000 - GewArch 2010, 327, juris Rn. 27). Jedenfalls durfte der Beklagte nicht einseitig nur zugunsten einzelner Bewerber weitere Recherchen anstellen; das verstößt gegen den Grundsatz eines nichtdiskriminierenden Verfahrens im Sinne von Nr. 1 Absatz 2 der Auswahl-Richtlinie. Der Auswahlbehörde ist es allerdings nicht verwehrt, nach Eingang der Bewerbungsunterlagen eigene Nachforschungen vorzunehmen, um die Plausibilität der vorgelegten Mustermengenkalkulation oder der angebotenen Preise zu überprüfen. Das kann nach der Auswahl-Richtlinie sogar geboten sein, muss dann aber, wenn entsprechender Anlass besteht, bei allen Bewerbern in gleicher Weise erfolgen, um diskriminierungsfrei zu sein.
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Die im Revisionsverfahren erneut erörterte Frage, ob und inwieweit bei der Bewertung von Erfahrungen und Referenzen einem Bewerber auch "Konzernerfahrung", also an anderer Stelle in einem Unternehmensverbund erworbene Erfahrung, zugerechnet werden kann, kann nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise beantwortet werden. Dabei kommt es stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an, also unter anderem auf die Art der Verflechtung der Unternehmen und die damit einhergehende Durchlässigkeit in Bezug auf das an anderer Stelle erworbene Know-how. Ebenso ist - wie auch das Oberverwaltungsgericht angenommen hat - von Bedeutung, hinsichtlich welcher konkreten Arten von Bodenabfertigungsdiensten eine entsprechende Vorerfahrung in anderen Konzernunternehmen besteht und wie es im Hinblick darauf mit einem möglichen Wissens- und Erfahrungstransfer bestellt ist.
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g) Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht, soweit es um die Bewertung der konkurrierenden Bodenabfertigungsunternehmen anhand des Kriteriums 5 (Begründete Voten) geht, nur zum Teil im Einklang mit Bundesrecht.
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aa) Bereits oben ist dargelegt worden, dass es grundsätzlich zulässig ist, auch die Voten des Nutzerausschusses, des Flugplatzunternehmers und des Betriebsrates des Flugplatzunternehmens als den nach § 7 Abs. 1 Satz 3 BADV zwingend anzuhörenden Stellen als Zuschlagskriterium zu nehmen. Mit der Berücksichtigung der Voten wird auch nicht die Bindung an die in der Auswahl-Richtlinie festgelegten Grundsätze aufgegeben, sofern die für die Auswahlentscheidung zuständige Stelle auf die in den Voten angeführten Sachgründe abstellt und diese einer Überprüfung auf ihre Vereinbarkeit mit den Anforderungen unterzieht, die nach der Auswahl-Richtlinie für die Auswahlentscheidung gelten.
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bb) Das angegriffene Urteil ist - anders als in den Revisionserwiderungen geltend gemacht wird - auch nicht so zu verstehen, dass die Aussagen der Voten zu den Kriterien 1 bis 4 gänzlich unberücksichtigt bleiben müssten. Das Oberverwaltungsgericht ist vielmehr der Auffassung, dass die in den Voten enthaltenen Aussagen zu den Kriterien 1 bis 4 bei der eigenen Bewertung dieser Kriterien ergänzend herangezogen werden dürfen; würden die begründeten Voten als eigenes Zuschlagskriterium aufgeführt, dürften bei der Bewertung des Kriteriums 5 nur die Sachgründe hinter den Voten berücksichtigt werden, die nicht die Kriterien 1 bis 4 beträfen, da es ansonsten zu einer Doppelberücksichtigung komme. Damit geht es dem Oberverwaltungsgericht allein um die systematische Verortung und die Frage, in welchem Zusammenhang die Voten von der Luftfahrtbehörde zu berücksichtigen sind. Verlangt wird insoweit, dass Aussagen der Voten dem jeweils einschlägigen Kriterium zugeordnet und in dessen Zusammenhang gewürdigt werden. Das ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
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Unzutreffend ist der Einwand, diese Sichtweise des Oberverwaltungsgerichts führe zu einer "Subjektivierung" der Bewertung und verfehle damit die Vorgabe der Auswahl-Richtlinie, das Auswahlverfahren objektiv und sachgerecht zu gestalten. Das Oberverwaltungsgericht verlangt ausdrücklich ein Abstellen auf die Sachgründe, die hinter der Akzeptanz oder Ablehnung des Bewerbers durch die anzuhörende Stelle stehen. Dass auch diese Sachgründe durchaus von den Interessen der Anzuhörenden beeinflusst sein werden, führt zu keiner unzulässigen "Subjektivierung" der Auswahlentscheidung. Die Berücksichtigung ist nur die notwendige Konsequenz der Verpflichtung, die in § 7 Abs. 1 Satz 3 BADV genannten Stellen nach ihrer Einschätzung der Bewerber zu befragen, die naturgemäß in gewissem Umfange von der eigenen Interessenlage abhängig ist. Diese muss bei den drei anzuhörenden Stellen auch keineswegs deckungsgleich sein. Zudem ist die für die Auswahlentscheidung zuständige Stelle nicht zu einer "blinden" Übernahme der Voten verpflichtet oder auch nur berechtigt; sie hat vielmehr - wie bereits ausgeführt - eine an den übrigen Zuschlagskriterien und dem Erfordernis eines sachgerechten, objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Verfahrens ausgerichtete Wertung der angeführten Sachgründe vorzunehmen.
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Nicht den Zuschlagskriterien 1 bis 4 zugehörige Gesichtspunkte können im Rahmen des Kriteriums 5 gesondert berücksichtigt werden. Voraussetzung dafür ist, dass sie einen hinreichenden Bezug zu dem in der Ausschreibung genannten Hauptkriterium (hier: "wirtschaftlich günstigstes Angebot") aufweisen und nicht aus anderen Gründen außer Betracht bleiben müssen. Dies gilt etwa für die vorab nachzuweisenden Eignungskriterien, wie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die bei Heranziehung als Zuschlagskriterien erneut - und damit doppelt - ins Gewicht fallen würden (vgl. Fehling in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 1. Aufl. 2011, § 97 GWB Rn. 178; Summa in: jurisPK-VergR, 3. Aufl. 2011, § 97 GWB Rn. 242). Bei Einhaltung dieser Grenzen werden weder die an die Auswahlentscheidung nach der Auswahl-Richtlinie zu stellenden Anforderungen verletzt noch handelt es sich, nachdem die begründeten Voten in der Ausschreibung als gesondertes Zuschlagskriterium neben den dort ebenfalls benannten Kriterien 1 bis 4 aufgeführt waren, um eine "Überraschungsentscheidung" für die Bewerber.
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cc) Hinsichtlich der Frage, welches Gewicht der Beklagte dem Votum des Nutzerausschusses geben durfte, kann der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts allerdings nur zum Teil gefolgt werden.
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Der Beklagte hat dem Votum des Nutzerausschusses einen hohen und für die von ihm getroffene Auswahlentscheidung letztlich ausschlaggebenden Stellenwert beigemessen. Er begründet das damit, dass die Nutzer ein besonderes Interesse an der Auswahlentscheidung hätten und dass sie aufgrund eigener Markterfahrung beurteilen könnten, welches Abfertigungsunternehmen ihre selbstgesetzten Qualitätsnormen und Anforderungsprofile am besten erfülle. Das begegnet unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums des Beklagten keinen Bedenken; das sieht auch die Vorinstanz zutreffend so.
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Zu Unrecht hält das Oberverwaltungsgericht die Wertung des Beklagten aber deshalb für fehlerhaft, weil er den hohen Stellenwert des Nutzervotums nicht aus dem Abstimmungsergebnis und dem Abstimmungsverhalten innerhalb des Ausschusses hätte herleiten dürfen. Begründet wird das damit, das Abstimmungsergebnis im Nutzerausschuss gehe vor allem auf eine Auswertung der Bewerbungsunterlagen durch eines der betroffenen Flugunternehmen zurück, die ihrerseits in wesentlichen Teilen auf unzureichenden Annahmen oder Ansätzen beruhe. Außerdem habe der Beklagte nicht erläutert, weshalb er davon ausgehe, dass das Abstimmungsverhalten der Nutzer gerade Markterfahrung oder bestimmte eigene Anforderungsprofile widerspiegele. Schließlich gebe der Beklagte die Bindung an die Auswahlgrundsätze auf, da die Nutzer an diese nicht gebunden seien. Der erste Einwand des Oberverwaltungsgerichts trifft zu. Einige der Annahmen, die der Auswertung der Bewerbungen zugrunde lagen, waren in der Tat fehlerhaft. Das betrifft etwa - wie der Beklagte nicht verkannt hat - die Rüge, dass bei der Kalkulation von einer unrealistischen 100-prozen-tigen Auslastung ausgegangen worden sei. Gerade das war aber in der Ausschreibung vorgegeben worden. Dagegen ist nicht zu erkennen, warum es bei der Gewichtung des Votums des Nutzerausschusses nicht möglich sein soll, die konkreten Mehrheitsverhältnisse zu berücksichtigen und diese mitzubewerten. Es widerspricht nicht allgemein gültigen Wertungsgrundsätzen, einer knappen Entscheidung weniger Gewicht beizumessen als einer mit einer klaren Mehrheit getroffenen. Ebenso kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass dem Abstimmungsverhalten der einzelnen Nutzer bestimmte Erwartungen in Bezug auf Qualität, Preisgestaltung und Verlässlichkeit der sich bewerbenden Bodenabfertigungsunternehmen zugrunde liegen, ebenso eigene und spezifische Anforderungsprofile der Nutzer und in der Regel auch eigene Markterfahrung. Einer näheren Begründung hierfür im Auswahlbescheid bedarf es nicht.
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dd) Im Rahmen des Beurteilungs- und Bewertungsspielraums des Beklagten hält es sich, wenn er dem vom Betriebsrat in seinem Votum unter anderem angesprochenen Aspekt einer möglichen Tarifbindung einzelner Bewerber für die hier zu treffende Auswahlentscheidung keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat.
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5. Der von der Beigeladenen zu 2 angeregten Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV bedarf es nicht. Sie verweist zur Begründung darauf, dass das Auswahlverfahren nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 96/67/EG sachgerecht, objektiv, transparent und nichtdiskriminierend sein müsse und dass die Gewichtung und die "Subjektivierung" der Auswahlkriterien, wie sie das Oberverwaltungsgericht hinsichtlich der Voten vorgenommen habe, damit nicht in Einklang stünden. Eine solche Vorlage kann deshalb unterbleiben, weil sich die von der Beigeladenen zu 2 angedeutete Frage im Revisionsverfahren nicht in entscheidungserheblicher Weise stellt. Die vom Beklagten getroffene Auswahlentscheidung erweist sich schon deshalb als rechtswidrig und damit das Urteil des Oberverwaltungsgerichts im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil der Beklagte - unabhängig von der Gewichtung der einzelnen Zuschlagskriterien - ohne weitere Begründung nicht von einem relativen Gleichstand der Bewerber im Hinblick auf die Kriterien 1 bis 4 ausgehen durfte. Abgesehen davon führt die Heranziehung der "begründeten Voten" als zusätzliches Zuschlagskriterium nicht zu der von der Beigeladenen zu 2 befürchteten "Subjektivierung", wenn die dargestellten Maßgaben (Abstellen nur auf die in den Voten angeführten Sachgründe und deren Bewertung anhand der maßgeblichen Anforderungen nach der Auswahl-Richtlinie) beachtet werden.
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Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 162 Abs. 1 und 3 VwGO. Zu den gemäß § 154 Abs. 2 VwGO zu erstattenden Kosten gehören nach § 162 Abs. 1 VwGO auch die im Revisionsverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten; sie werden von § 162 Abs. 3 VwGO nicht erfasst. Der Billigkeit im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO entspricht es, dass die Beigeladene zu 1, die im Revisionsverfahren keinen eigenen Antrag gestellt hat und damit auch kein Kostenrisiko eingegangen ist, ihre hier angefallenen außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 30.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.