Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2018 - 10 ZB 15.795

bei uns veröffentlicht am07.02.2018

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000‚- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin (i.F. auch: die Landesvereinigung) verfolgt mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung ihre in erster Instanz erfolglose Klage weiter, mit der sie sich gegen ihre Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten des Beklagten für die Jahre 2010 bis 2013 wendet und die Unkenntlichmachung der dortigen Eintragungen verlangt.

Die Abweisung der Klage mit Urteil vom 2. Oktober 2014 begründet das Verwaltungsgericht insbesondere damit, dass ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte im Sinn von Art. 15 Satz 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 BayVSG (in der bis 29. August 2014 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1997, GVBl S. 70, i.F.: a.F.) vorlägen, die die Annahme zuließen, die Landesvereinigung verfolge gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen. Es bestehe ein maßgeblicher Einfluss von Linksextremisten („größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich Antifaschismus“), insbesondere aus der DKP, der sich etwa in der Person des im Jahr 2010 amtierenden bayerischen Landessprechers E.G. zeige, der früher in der FDJ und der verbotenen KPD engagiert gewesen sei. Auch der Bundessprecher U.S. sei Mitglied der DKP und wiederholt im Umfeld von Aktionen der Landesvereinigung in Bayern in Erscheinung getreten; des Weiteren bestünden Kontakte zur Partei „Die Linke“ und zu gewaltbereiten autonomen Gruppierungen, wie sich anlässlich gemeinsamer Protestaktionen gegen Rechtsextremisten im Februar 2010 in Dresden anlässlich des 65. Jahrestags der Bombardierung durch die Alliierten gezeigt habe. Auch der Bundesvorsitzende der Bundesvereinigung habe durch seine Äußerungen zur Blockade von „Naziaufmärschen“ den Schulterschluss mit gewaltbereiten Gruppierungen vollzogen und sich in einem Interview für die Zusammenarbeit mit ihnen ausgesprochen. Er vertrete ein mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbares Klassenkampf-Konzept. Die Klägerin als Landesvereinigung müsse sich seine Äußerungen, die er in seiner Eigenschaft als Bundesvorsitzender gemacht habe, zurechnen lassen. Schließlich besäßen nach eigenen Angaben der DKP etwa 14% ihrer Mitglieder auch die Mitgliedschaft der VVN-BdA, von denen etwa 30% Funktionen ausübten; es sei einheitliche Erkenntnislage, dass es sich bei der DKP um eine linksextremistische Partei handele, deren Ziel nach wie vor die revolutionäre Überwindung des bestehenden Systems zum Zwecke der Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung sei. Nicht zu beanstanden sei auch die Bewertung des Beklagten, die VVN-BdA verfolge einen kommunistisch orientierten Antifaschismus, der alle nicht-marxistischen Systeme und damit auch die parlamentarische Demokratie zumindest als zu bekämpfende Vorstufe zum Faschismus betrachte. Schließlich wiederholten die Verfassungsschutzberichte für die Jahre 2011, 2012 und 2013 im Wesentlichen die dargestellten Bewertungen aufgrund derselben tatsächlichen Anhaltspunkte, ergänzt um aktuelle Äußerungen von Prof. F., in denen er sich erneut für Massenblockaden gegen genehmigte Veranstaltungen ausspreche.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Es liegt weder ein Verfahrensfehler vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO; 1.) noch bestehen die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; 2.) noch hat die Rechtssache die behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; 3.).

1. Es liegt keiner der geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) vor. Weder wurde das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt (1.1) noch hat das Verwaltungsgericht den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt (1.2).

1.1 Die Klägerin trägt hierzu vor, das Verwaltungsgericht habe im angefochtenen Urteil zahlreiche Ausführungen der Klägerin nicht gewürdigt und Argumente nicht zur Kenntnis genommen. Dies gelte insbesondere für vier Punkte, allen voran die fehlende Auseinandersetzung des Urteils mit der in der mündlichen Verhandlung ausführlich diskutierten und bereits zuvor schriftsätzlich problematisierten Frage, ob der Klägerin als Landesorganisation Äußerungen von Funktionären des Bundesverbandes zugerechnet werden könnten. Dies sei bereits wegen der historischen Entwicklung, die zunächst regionale Strukturen von Vereinigungen der NS-Verfolgten mit eigenen Satzungen und eigener Finanzhoheit aufgewiesen habe, zu verneinen. Die Klägerin habe unter Nennung konkreter Beispiele vorgetragen, dass fast die gesamte politische Arbeit eigenständig durch die Landesverbände geleistet werde; es habe in den letzten Jahren nur eine einzige bundesweite Kampagne gegeben. Auch aus der in der mündlichen Verhandlung übergebenen Publikation („antifa“) ergebe sich, dass für Artikel der einzelnen Landesverbände ein eigener Bereich vorgesehen sei. Im Urteil sei dieses klägerische Vorbringen jedoch inhaltlich nicht zur Kenntnis genommen, sondern die Publikation unter einem völlig anderen Gesichtspunkt zulasten der Klägerin verwertet worden. Auch mit den vorgetragenen inhaltlichen Auseinandersetzungen zwischen der Klägerin und dem Bundesausschuss bzw. Prof. F. befasse sich das Urteil nicht, obwohl es sich maßgeblich auf inkriminierte Äußerungen der Bundesebene stütze, ohne zuvor das Verhältnis dieser Ebene zur Klägerin zu behandeln. Auch im Hinblick auf die Behauptung eines Schulterschlusses der Klägerin mit gewaltbereiten Gruppen im Zusammenhang mit Blockaden in Dresden 2010 sei das rechtliche Gehör verletzt; so beruhe schon die Benennung im Tatbestand des Urteils (UA, S. 5: „im Rahmen der Bundesveranstaltung Schulterschluss, den der Bericht 2010 erwähne“) auf einer falschen Tatsachenermittlung, denn eine Bundesveranstaltung dieses Namens habe es nicht gegeben und sei auch nicht im Bericht 2010 aufgeführt. Es habe ein bundesweites Bündnis mit dem Namen „Dresden nazifrei“ gegeben, zu dem sich über 200 Organisationen mit gewaltfreier Ausrichtung zusammengefunden hätten. Demgegenüber stelle der Ausdruck „Schulterschluss mit gewaltbereiten Gruppen“ eine eindeutige Wertung des Beklagten dar, zu deren Überprüfung sich das Gericht mit dem klägerischen Vorbringen hätte auseinandersetzen müssen, was aber in unzureichender Weise nur in einem einzigen Satz geschehen sei. Des Weiteren lasse das Urteil jegliche differenzierte Auseinandersetzung mit dem von der Klägerin vertretenen pluralen Antifaschismus-Verständnis vermissen und mache sich ohne nähere Auseinandersetzung mit den Argumenten der Klägerin lediglich die Beschreibung des Beklagten zu eigen. Vor dem Hintergrund des unterstellten „kommunistischen Antifaschismus“ hätte auch ein Beschluss der bayerischen Landeskonferenz der Klägerin gewürdigt werden müssen, in dem unter Betonung eines breiten antifaschistischen Konsenses aller Teile der Gesellschaft der Festlegung auf eine sozialistische Programmatik der Vereinigung eine klare Absage erteilt werde. Die Beschäftigung des Urteils mit einer Rede des Geschichtswissenschaftlers K. P., der der Klägerin nicht angehöre, blende das darin erkennbar werdende Antifaschismusverständnis aus. Als vierter Aspekt sei schließlich darauf hinzuweisen, dass die einzige im Bericht 2010 genannte Person, deren Verlautbarungen der Klägerin unmittelbar hätten zugerechnet werden können, ihr Landessprecher E.G. gewesen sei, der jedoch in den Berichten für die Jahre 2011 bis 2013 keine Erwähnung mehr gefunden habe, obwohl seine politische Einstellung und seine Rolle als wichtiger Repräsentant der Klägerin unverändert geblieben sei; mit diesem Umstand setze sich das Urteil ebenfalls nicht auseinander, obwohl der Schluss naheliege, er müsse sich auf die Berichterstattung durch den Beklagten auswirken.

Mit diesem Vorbringen wird jedoch kein Verfahrensfehler in Form der Verletzung des der Klägerin zustehenden rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) dargelegt. Zwar trifft es zu, dass sich das angefochtene Urteil weitgehend die argumentativen Positionen des Beklagten zu eigen gemacht und sich nur sehr knapp mit der dagegen gerichteten Argumentation der Klägerin auseinandergesetzt hat. Hieraus allein kann jedoch nicht gefolgert werden, das Verwaltungsgericht habe ihren Vortrag überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder zwar zur Kenntnis genommen, jedoch im Rahmen seiner Entscheidungsfindung nicht erwogen.

Die Gewährleistung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht lediglich, entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 15.4.1980 – 1 BvR 1365/78 – juris; BVerwG, B.v. 30.6.2015 – 8 B 38.14 – juris Rn. 3), nicht jedoch, ihm zu folgen. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs kann nur dann festgestellt werden, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass – anders als es grundsätzlich vermutet wird – das Gericht ihm gegenüber geäußertes Parteivorbringen nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Es besteht keine Verpflichtung, sich mit jeglichem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen; deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich werden, die darauf hindeuten, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder zumindest bei der Entscheidung nicht erwogen hat. Geht das Gericht in den Entscheidungsgründen nicht auf den wesentlichen Kern des Vorbringens zu einer bestimmten Frage von für das Verfahren zentraler Bedeutung ein, so kann hieraus auf die fehlende Berücksichtigung des Vortrags geschlossen werden (BVerfG, B.v. 29.10.2015 – 2 BvR 1493/11 – juris Rn. 45). Dies gilt nicht, sofern der maßgebliche Vortrag nach Auffassung des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war; dabei ist entscheidend, ob dem Gesamtzusammenhang des Urteils bei verständiger Würdigung unter Zugrundelegung der Rechtsanschauung des Gerichts entnommen werden kann, dass es das Vorbringen zwar erwogen, aber als unwesentlich beurteilt hat (BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 188/09 – juris Rn. 9).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze lässt sich eine zur Zulassung der Berufung führende Gehörsverletzung infolge mangelhafter oder ganz unterbliebener Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit dem Vortrag der Klägerin im angefochtenen Urteil nicht feststellen. Denn bei verständiger Würdigung der Entscheidungsgründe kann nur davon ausgegangen werden, dass das Verwaltungsgericht den Vortrag der Klägerin zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung erwogen hat. So wird im angefochtenen Urteil die Frage der Zurechenbarkeit von Äußerungen von Vertretern des Bundesverbandes zulasten der Klägerin – wenn auch nur in zwei Sätzen und nur bezogen auf die Person des Bundesvorsitzenden Prof. F. (vgl. UA, S. 5, 21) – behandelt. Damit stand dem Verwaltungsgericht jedoch die in der mündlichen Verhandlung sogar ausführlich erörterte Problematik bei Abfassung seines Urteils vor Augen, auch wenn es letztlich keine Begründung für seine Auffassung liefert. Von einem vollständigen Ausfall jeglicher Erwägung im Sinne des Übergehens des maßgeblichen Vortrags kann jedenfalls nicht gesprochen werden. Allein der Umstand, dass ein Gericht einzelne Elemente des Vortrags im Rahmen eines umfangreichen Verfahrens unerwähnt gelassen hat, rechtfertigt nicht den Schluss, es habe sich nicht mit den vorgetragenen Argumenten befasst (BVerwG, B.v. 19.7.2017 – 8 C 8.17 – juris Rn. 3).

Soweit in der Zulassungsbegründung moniert wird, die Verwendung der Formulierung „Schulterschluss mit gewaltbereiten Linksextremisten“ sei eine Bewertung des Beklagten, der das Verwaltungsgericht ohne Auseinandersetzung mit den vorgetragenen Argumenten gefolgt sei, vermag der Senat auch hierin keine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erkennen. Denn mit der Verwendung des kritisierten Begriffs ist jedenfalls nach Auffassung des Verwaltungsgerichts und der Beteiligten die Aussage verbunden, dass die Klägerin auch mit anderen Akteuren aus dem linken Spektrum, gegebenenfalls auch autonomen Gruppen, ihre Zielsetzungen im Wege politischer Aktionen verfolgen wird. Dabei ist umstritten, welche dieser Aktionen im Einzelnen rechtsstaatlichen Ansprüchen entsprechen oder deren Grenzen überschreiten. Das verwaltungsgerichtliche Urteil setzt sich mit der zu diesem Thema geführten Diskussion auseinander und kommt hierbei lediglich zu einem der Rechtsauffassung der Klägerin insbesondere zur Zulässigkeit von Blockadeaktionen widersprechendem Ergebnis. Mit der Kritik an der tatrichterlichen Feststellung des Sachverhalts und an seiner Würdigung kann ein Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs aber von vornherein nicht begründet werden (vgl. BVerwG, B.v. 30.7.2014 – 5 B 25.14 – juris Rn. 13). Auch die Rüge, im angefochtenen Urteil spiegelten sich zum Thema „kommunistischer Antifaschismus“ ausschließlich die Argumente des Beklagten ohne weitere Auseinandersetzung mit denen der Klägerin wider, reicht nicht für die Annahme einer Gehörsverletzung aus, weil keineswegs klar auf der Hand liegt, dass das Verwaltungsgericht die Argumente der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen hat; vielmehr ist davon auszugehen, dass sie sehr wohl gesehen und erwogen, jedoch letztlich für nicht stichhaltig befunden wurden. Denn in einem Urteil müssen nur diejenigen tatsächlichen und rechtlichen Gründe angegeben werden, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (s. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO; BVerwG, B.v. 2.8.2017 – 6 B 11.17 – juris Rn. 11).

Entsprechendes gilt auch für die Bewertung des Umstands, dass erstmals ohne erkennbaren Anlass – beginnend ab dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2011 – die namentliche Erwähnung des Landessprechers der Klägerin, E.G., im Zusammenhang mit den zwischen der Klägerin und der DKP bestehenden Verbindungen unterblieben ist (Schriftsatz d. Kl. v. 23.9.2014, S. 23 f.). Zwar lässt sich dem angefochtenen Urteil (vgl. UA, S. 26, 27) dieser von der Klägerin bereits im Vorfeld thematisierte Umstand tatsächlich nicht entnehmen; allerdings hatte er aus der maßgeblichen Sicht des Erstgerichts für die Bewertung der Klägerin als „maßgeblich linksextremistisch beeinflusste Organisation“ keine entscheidende Bedeutung, zumal E.G. offenbar auch nach 2010 für die Klägerin tätig war, ohne dass sich an deren Bewertung durch den Fortfall der namentlichen Erwähnung einer bestimmten Person im Verfassungsschutzbericht etwas ändern könnte. Die Herausnahme von E.G. erfolgte offenbar nach öffentlicher Diskussion wegen seiner Persönlichkeit und seiner Biografie als Verfolgter des nationalsozialistischen Regimes (vgl. SZ v. 18.3.2017, „Der Unerschrockene“; Schriftsatz d. Klägerin v. 24.9.2015, S. 2 - 5), ohne dass sich an der verfassungsschutzrechtlichen Beurteilung der Klägerin Maßgebliches geändert hatte oder durch die Herausnahme geändert hätte. Eines näheren Eingehens hierauf bedurfte es daher nicht, so dass auch insoweit eine Gehörsverletzung ausscheidet.

1.2 Auch soweit man zu Gunsten der Klägerin ihren zu den Zulassungsgründen des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO (s.u. 2. und 3.) gemachten Vortrag im Hinblick auf die ihrer Meinung nach unzureichende Aufklärung des Sachverhalts zugleich als Rüge eines Verfahrensmangels (Aufklärungsrüge) im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO versteht, führt er nicht zur Zulassung der Berufung.

Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt und damit gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen, greift schon deswegen nicht durch, weil ein Tatsachengericht seine Aufklärungspflicht grundsätzlich dann nicht verletzt, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Kläger in der mündlichen Verhandlung zu beantragen unterlassen hat (vgl. etwa BVerwG, B.v. 20.12.2012 – 4 B 20.12 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 11.10.2017 – 1 ZB 15.1773 – juris Rn. 3). Im vorliegenden Fall wurde ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung kein Beweisantrag gestellt. Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zu kompensieren (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 75). Das Maß der erforderlichen gerichtlichen Ermittlungen richtet sich im Übrigen danach, was das Gericht für seine Überzeugungsbildung im konkreten Einzelfall als vernünftigerweise geboten ansehen muss, ohne dabei jeden noch so entfernt liegender Umstand aufklären oder jedem noch so geringfügigen Zweifel nachgehen zu müssen (Geiger in Eyermann, a.a.O., § 86 Rn. 11).

Das Verwaltungsgericht durfte seiner Entscheidung die von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen und Erkenntnisse zu Grunde legen, ohne dass weiterer Aufklärungsbedarf im Hinblick auf die für die Beurteilung der maßgeblichen Rechtsbegriffe (hier: gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen) erforderlichen tatsächlichen Grundlagen erkennbar war. Anhaltspunkte, wegen derer sich dem Verwaltungsgericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen, liegen nicht vor.

2. Auch der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1) liegt nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit bestünden nur dann‚ wenn die Klägerin einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt hätte (vgl. BVerfG‚ B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11). Solche schlüssigen Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546). Dies ist hier nicht der Fall.

Die Klägerin trägt vor, die ernstlichen Zweifel ergäben sich aus der fehlerhaften Feststellung des Sachverhalts und damit einer Entscheidung auf unzutreffender Tatsachenbasis. Falsch sei die Annahme, Linksextremisten, insbesondere aus der DKP, übten maßgeblichen Einfluss auf die Klägerin aus. Allein der Hinweis darauf, 14% der DKP-Mitglieder seien zugleich Mitglieder der Klägerin, führe nicht weiter, denn er bedeute nur, dass etwa 140 DKP-Mitglieder die ca. 7000 bundesweit tätigen Mitglieder der VVN-BdA beeinflussten, ohne dass der behauptete Einfluss an konkreten Inhalten oder Aktivitäten, die die „Handschrift“ der DKP tragen würden, festgemacht werde. Der in diesem Zusammenhang genannte Landessprecher der Klägerin – E.G. – übe tatsächlich keinen linksextremen Einfluss aus; das Verwaltungsgericht habe insbesondere übersehen, dass er als Holocaust-Überlebender und regelmäßig vor Schulklassen sprechender Zeitzeuge eine Reihe von Ehrungen erfahren habe und mit einer Vielzahl von Repräsentanten des öffentlichen Lebens, auch der bayerischen Staatsregierung, in Verbindung stehe. Es fehle bereits an einer Umschreibung des Begriffs „Linksextremismus“ und einer begründeten Einstufung von E.G. als linksextremistisch. Dieselben Einwendungen würden auch im Hinblick auf die Person des Bundessprechers U.S. erhoben, über den ebenfalls keine konkreten Aktivitäten in Richtung einer DKP-Einflussnahme auf die Klägerin genannt würden. Hierzu reiche jedenfalls die bloße Mitgliedschaft in beiden Vereinigungen ebenso wenig aus wie die Teilidentität einzelner Programmpunkte. U.S. sei entgegen der Annahme im Urteil auch nicht Gründungsmitglied der DKP gewesen. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass die Klägerin mit gewaltorientierten autonomen Gruppen im Sinne eines „Schulterschlusses“ zusammenarbeite, obwohl sich ihre Aktionen etwa bei der Blockade von Neonaziaufmärschen im Rahmen des „zivilen Ungehorsams“ hielten und sie Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung ablehne. Keines der im Urteil genannten Zitate enthalte einen Anhaltspunkt für die Behauptung der Zusammenarbeit mit autonomen Gruppen bei deren gewalttätigen Aktionen. Vielmehr bewege sich die Klägerin im Konsens eines breiten bürgerlichen Bündnisses aus der Mitte der Gesellschaft. Passive Sitzblockaden erfüllten – anders als das Verwaltungsgericht meine – nicht den strafrechtlichen Gewaltbegriff, weshalb allein der Aufruf zu Blockadeaktionen genehmigter Versammlungen nicht vorwerfbar sei. Weiter werde die unzureichende Verhältnismäßigkeitsprüfung des Verwaltungsgerichts gerügt. Im Rahmen seiner Ermessensausübung habe es nicht beachtet, dass der mit der Erwähnung im Verfassungsschutzbericht einhergehende – bereits mit noch nicht bestandskräftigem Bescheid aus dem Jahr 2011 festgestellte – Verlust der Gemeinnützigkeit der Klägerin aufgrund der entstehenden Rückzahlungsverpflichtungen zu ihrer Existenzvernichtung führen werde. Damit wäre die Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 1 GG beeinträchtigt und eine Fortführung der VVN-BdA zumindest unter Einbeziehung der DKP-Mitglieder nicht mehr möglich. Eine Abwägung dieses Umstandes habe das Verwaltungsgericht, das nur pauschal das Vorliegen unzumutbarer Nachteile verneine, versäumt. Auch die an die Klägerin für ihre Arbeit überreichten Auszeichnungen und Ehrungen fänden keine Erwähnung im Rahmen der nur zehn Zeilen umfassenden Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Schließlich ergäben sich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit auch aus denjenigen Umständen, die bereits im Rahmen der Gehörsrüge (vgl. oben 1.1) vorgetragen worden seien, hier in erster Linie aus der zu Unrecht erfolgten Zurechnung von Äußerungen außerhalb der Landesvereinigung stehender Personen sowie daraus, dass die Klägerin unter der Überschrift „Linksextremismus“ im Bericht geführt werde, ohne dass der erhobene Vorwurf einer lediglich linksextremistischen Beeinflussung hinreichend erkennbar werde, zumal vor und nach der Klägerin im Bericht Organisationen mit als linksextremistisch eingestuften „Strukturen“ genannt würden.

Mit diesem Vorbringen wird die Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht ernstlich in Zweifel gezogen. Das Verwaltungsgericht hat zunächst richtigerweise – wenn auch ohne Begründung – die Äußerungen zweier auf Bundesebene tätiger, hochrangiger VVN-Mitglieder der Klägerin zugerechnet. Zwar ist Beobachtungs- und demzufolge auch Berichtsobjekt in der Zuständigkeit des Beklagten ausschließlich die Klägerin als Landesvereinigung. Dies schließt jedoch im konkreten Fall nicht aus, zur Begründung einzelner auf die Klägerin bezogener Aussagen im Bericht auch Äußerungen und Aktivitäten von Funktionären anderer Landesverbände oder des Bundesverbandes unter Zurechnung an die Klägerin heranzuziehen. Nach der Rechtsprechung des Senats sind Äußerungen leitender Mitglieder einer Vereinigung dieser sogar dann zuzurechnen, wenn sie zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Handeln für die Vereinigung, sondern etwa in privatem Zusammenhang getätigt wurden, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Repräsentanten dieser Vereinigung handeln (BayVGH, U.v. 22.10.2015, a.a.O., Rn. 37; BVerwG, B.v. 24.3.2016 – 6 B 4.16 – juris Rn. 4 bis 7 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 14.5.2014 – 6 A 6.11 – juris Rn. 35). Unter dieser Voraussetzung muss sich auch der Landesverband einer politischen Partei Äußerungen von Repräsentanten auf Bundesebene derselben Partei entgegenhalten lassen (zum Verhältnis von Jugendorganisation einer Partei zu ihrer „Mutterpartei“: BVerwG, U.v. 20.5.1983 – 2 WD 11.82 – juris Rn. 155).

Im vorliegenden Fall verfolgen die Klägerin (wie auch die weiteren Landesverbände) vor einem identischen historischen und ideologischen Hintergrund die gleichen politischen Ziele wie die Bundesvereinigung. Diese hat als gleichsam „übergeordneter Bundesverband“ maßgebliche Möglichkeiten der Einflussnahme auf die einzelnen Landesverbände. Dies wird schon aus der Satzung (vgl. Bl. 2 bis 4 der Gerichtsakte des VG München) der Klägerin deutlich, die zwar als eingetragener Verein rechtlich selbstständig, zugleich aber „Teil der Bundesvereinigung der VVN-BdA“ ist, deren Beschlüsse „für die Landesvereinigung bindend“ sind (vgl. § 8 Nr. 2 der Satzung der Klägerin). Weiter ergibt sich aus § 6 Nr. 4 der Satzung, dass die von der Bundesvereinigung beschlossene Beitrags- und Finanzordnung für die Landesvereinigung bindend ist. Vor diesem Hintergrund ist die nach Vereinsrecht gegebene formelle Unabhängigkeit entscheidend eingeschränkt und wegen der „Leitlinienkompetenz“ der Bundesvereinigung eine Zurechnung von Äußerungen deren Repräsentanten auf die Landesebene nur folgerichtig. An dieser Einschätzung ändert auch nichts der Umstand, dass in dem im Verfahren vorgelegten Magazin der VVN-BdA („antifa“) eigene Seiten für Veröffentlichungen der Landesverbände in klarer Abgrenzung zu solchen der Bundesvereinigung reserviert sind und von den Landesverbänden auch genutzt werden. Damit konnte der Beklagte die Äußerungen der beiden auf Bundesebene tätigen Personen im Verfassungsschutzbericht 2010 als Anhaltspunkte zulasten der Klägerin heranziehen.

Die Aussage, die Klägerin sei maßgeblich von linksextremistisch eingestellten Personen – insbesondere solchen mit der DKP-Mitgliedschaft – beeinflusst, ist keine eines Nachweises zugängliche Tatsachenbehauptung, sondern eine von einer Behörde im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung nach Vorliegen bestimmter tatsachengestützter Anhaltspunkte vorgenommene Bewertung. Die Verfassungsschutzbehörden haben das tatsächliche Verhalten von Gruppen und ihren Mitgliedern „wertend zu beurteilen“ und können das Ergebnis ihrer Tätigkeit an die Öffentlichkeit weitergeben; dabei muss ihr mit Zielrichtung auf die Sicherung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes Informationshandeln, soweit es mit einem Grundrechtseingriff – wie hier in Art. 9 Abs. 1 GG – einhergeht, der gesetzlichen Ermächtigung (Art. 15 Satz 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVSG a.F.) entsprechen und rechtsstaatlichen Anforderungen insbesondere an die Verhältnismäßigkeit der Berichterstattung genügen (vgl. übergreifend: BVerfG, B.v. 24.5.2005 – 1 BvR 1072/01 –; BVerwG, U.v. 21.5.2008 – 6 C 13.07 –; BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1609 –, alle zu einer politischen Partei, zitiert nach juris m.w.N.). Vor diesem Hintergrund ist der Senat der Auffassung, dass die Bewertung („maßgeblich beeinflusst“) der politischen Tätigkeit der Klägerin schon deswegen nicht beanstandet werden kann, weil die dargelegte personelle Verschränkung der Klägerin auf Funktionärsebene mit der DKP, aber auch die rein quantitative Betrachtung der Doppelmitgliedschaften hinreichende indizielle Wirkung für die Aussage einer linksextremistischen Beeinflussung haben. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang eine Definition des „Linksextremismus“ im Urteil des Verwaltungsgerichts vermisst, kann auf die entsprechende Darstellung und Beschreibung im jeweiligen Vorspann der einzelnen Verfassungsschutzberichte Bezug genommen werden; dass die DKP unter diese Rubrik zu fassen ist, dürfte allgemeine Meinung sein und wird auch von der Klägerin nicht bestritten. Ihre Forderung, der tatsächliche Einfluss der DKP auf die Klägerin hätte vom Verwaltungsgericht „ermittelt“ werden müssen, führt schon deshalb nicht weiter, weil die Einflussnahme als nach außen kaum in Erscheinung tretender Vorgang nicht konkret greifbar und damit auch nicht objektiv „messbar“ ist; dies gilt in gleicher Weise für die Frage, ab welchem Grad an Intensität ein Einfluss als „maßgeblich“ angesehen werden kann. Eine bestimmte Anzahl an gemeinsam durchgeführten Aktionen, die von der DKP und ihrer Anhängerschaft geprägt wären, ist jedenfalls nicht erforderlich. Entscheidend ist die „traditionelle“, historisch bedingte Kooperation mit der in Bayern im Vergleich zur DKP doppelt so mitgliederstarken Klägerin (vgl. Verfassungsschutzbericht 2010, S. 206, 207). Die DKP selbst bezeichnet die Bundesvereinigung als „Bündnispartner“ und hat beispielsweise eine Grußbotschaft aus Anlass eines VVN-BdA-Bundeskongresses 2014 geschickt, in der auf das „in Jahrzehnten gewachsene vertrauensvolle Verhältnis zwischen den beiden Organisationen“, das auch für die Zukunft bedeutsam sei, hingewiesen wird (Schriftsatz des Beklagten v. 24.7.2015, S. 8).

Auch soweit sich die Klägerin gegen die Bewertung wendet, sie habe einen „Schulterschluss mit gewaltorientierten autonomen Gruppierungen“ vollzogen, werden keine Umstände aufgezeigt, aus denen sich die hinreichende Möglichkeit der Unrichtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ergibt. Der Begriff „Schulterschluss“, der im Sinne einer Bündnispartnerschaft (vgl. etwa: Verfassungsschutzbericht 2016, S. 224) zu interpretieren ist, besagt nicht mehr, als dass die Bundes- und die Landesvereinigung mit den genannten Gruppierungen – ohne dass damit andere Partner ausgeschlossen wären – gemeinsame politische Aktionen (hier: 2009/2010 in Dresden) durchgeführt haben. Nicht verbunden ist mit dieser Feststellung, dass VVN-Mitglieder selbst Gewalt ausgeübt hätten. Auch auf die umstrittene Frage der strafrechtlichen Qualität von (Sitz-)Blockaden mit dem Ziel, andere Demonstrationen zu ver- oder zumindest zu behindern, kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheidend an. Es ist nicht erkennbar, dass die vom Beklagten herangezogenen und vom Verwaltungsgericht bestätigten Erkenntnisse, insbesondere die Äußerungen der Bundesrepräsentanten der VVN-BdA (vgl. UA, S. 18, 19/1. Abs., 20), als entsprechende Anhaltspunkte die beanstandete Berichterstattung nicht tragen könnten.

Schließlich erweist sich die Richtigkeit des angefochtenen Urteils auch nicht deshalb als ernstlich zweifelhaft, weil es in unzureichender Weise die Verhältnismäßigkeit der beanstandeten Maßnahme bejaht hätte. Der infolge einer Erwähnung im Verfassungsschutzbericht möglicherweise eintretende Verlust des Status der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit ist kein Umstand, der im Rahmen dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung unmittelbar zu berücksichtigen wäre. Er stellt eine denkbare, jedoch nicht zwingende Konsequenz der Aufnahme einer Vereinigung in den Verfassungsschutzbericht dar (vgl. § 51 Abs. 3 Satz 1, 2 AO, wonach bei Aufnahme einer Körperschaft als rechtsextremistische Organisation im Verfassungsschutzbericht eines Landes eine widerlegbare Vermutung für verfassungsfeindliche Bestrebungen besteht). Es erscheint im Übrigen nicht plausibel, dass der Klägerin im Falle einer Klageabweisung „faktisch eine Fortführung ihrer Arbeit“ nicht mehr möglich sei. Auch wenn die Finanzierung ihrer Vereinstätigkeit erschwert wird, kann die Vereinigung selbst unter Einbeziehung der DKP-Mitglieder weiterhin fortgeführt werden. Insoweit bedurfte es auch nicht der geforderten Abwägung mit der grundgesetzlich geschützten Vereinigungsfreiheit der Klägerin. Soweit diese meint, im Rahmen der Gesamtbetrachtung seien die „für ihre Arbeit erhaltenen Auszeichnungen und Ehrungen“ zu Unrecht ausgeblendet worden, ist dem entgegenzuhalten, dass damit einzelne Personen – insbesondere der Landessprecher E.G. (vgl. Schriftsatz d. Klägerin v. 23.7.2014, S. 23, 24) – ausgezeichnet wurden, nicht jedoch die Klägerin selbst wegen ihrer Aktivitäten.

3. Die Rechtssache besitzt schließlich nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Die Darlegung des Zulassungsgrundes erfordert, dass der Rechtsmittelführer eine für die erstrebte Berufungsentscheidung erhebliche konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufzeigt, weshalb diese Frage entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist und der Frage eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Hierfür ist erforderlich, dass sich der Zulassungsantrag mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von (angeblich) grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert, also in einer Weise auseinandersetzt, die verdeutlicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts dem Klärungsbedarf nicht gerecht wird (vgl. BayVGH, B.v. 21.6.2016 – 10 ZB 16.444 – juris Rn. 3; zum Zulassungsgrund des § 132 Abs. 1 Nr. 1 VwGO vgl. BVerwG, B.v. 1.3.2016 – 5 BN 1.15 – juris Rn. 2; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72 m.w.N.).

Die Klägerin trägt unter Berufung auf den vom Verwaltungsgericht angeführten Beschluss des Senats vom 28. August 2012 (10 ZB 11.1600) vor, es sei grundsätzlich zu klären, ob die zur Berichterstattung führenden tatsächlichen Anhaltspunkte genannt werden müssten oder nicht, und weiter, „in welchem Umfang tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen bzw. dargelegt werden müssen“. Das Verwaltungsgericht sei der Meinung, die nachvollziehbarere Darstellung einzelner Geschehnisse oder Umstände mit Einfluss auf die verfassungsschutzrechtliche Wertung reiche aus, eine vollständige Darstellung der maßgeblichen Anhaltspunkte im Verfassungsschutzbericht sei dagegen nicht erforderlich.

Diese mit der Grundsatzrüge aufgeworfenen Fragen zum Umfang der Verpflichtung zur Darstellung der maßgeblichen Tatsachen in einem Verfassungsschutzbericht sind jedoch – soweit sie überhaupt einer fallübergreifenden, rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich sind – durch die Rechtsprechung des Senats (U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1320 – juris Rn. 96) inzwischen geklärt. Danach lässt sich aus Art. 15 Satz 1 BayVSG a.F. ein formelles Begründungserfordernis zur Angabe der den Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG a.F. zugrunde liegenden tatsächlichen Anhaltspunkte nicht herleiten. Weiter hat der Senat ausgeführt:

„Auch wenn nach dem Wortlaut des Art. 15 Satz 1 BayVSG das Staatsministerium des Innern (für Bau und Verkehr) und das Landesamt für Verfassungsschutz die Öffentlichkeit über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG unterrichten, kann dies nicht als verbindliche Festlegung des Gesetzgebers auf der Rechtsfolgenseite über die Art und Weise sowie den Umfang der Berichterstattung verstanden werden. Denn ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, des Ausführungsgesetzes Art. 10-Gesetz und des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes hat der Gesetzgeber mit der Einfügung der Worte „tatsächliche Anhaltspunkte für“ in Art. 15 Satz 1 BayVSG im Hinblick auf eine enge Auslegung der entsprechenden Vorschrift des Landes Berlin durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 6.4.2006 – 3 B 3. 99) lediglich klarstellen wollen, dass eine Berichterstattung entsprechend der bisherigen Praxis in Bayern bereits bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte und nicht erst bei sicherem Vorliegen von Bestrebungen zulässig ist (Zu § 1 Nr. 7 – Art. 15 Satz 1 BayVSG –, LT-Drs. 15/10313 S. 26/27; zur Auslegung der bundesrechtlichen Ermächtigung des § 16 Abs. 1 BVerfSchG vgl. BVerwG, U.v. 26.6.2013 – 6 C 4.12 – juris). Damit hat der bayerische Gesetzgeber aber ersichtlich nur eine Konkretisierung der tatbestandlichen Voraussetzung der Unterrichtungsbefugnis, nicht aber eine Bestimmung der Art und Weise sowie des Umfangs der Unterrichtung vorgenommen. Der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. September 2010 (10 CE 10.1830 – juris) lag insofern ein Sonderfall zugrunde, bei dem der dortige Antragsteller in einem Verfassungsschutzbericht in einer tabellarischen Übersicht unter dem Punkt „sonstige Linksextremisten“ ohne jegliche weitere Erläuterung aufgelistet war. Die auch im Leitsatz dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zum Ausdruck kommende Auffassung, ohne gleichzeitige Mitteilung entsprechender tatsächlicher Anhaltspunkte sei eine solche Bewertung schon vom Tatbestand des Art. 15 Satz 1 BayVSG nicht mehr gedeckt, weil ein solches Werturteil dann für die Öffentlichkeit nicht mehr nachvollziehbar sei, bezieht sich auf die dieser Entscheidung zugrunde liegende besondere Konstellation und darf nicht generell als besondere gesetzliche Begründungspflicht etwa im Sinne eines Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG verstanden werden.“

Dass die Klärungsbedürftigkeit der Frage durch das zitierte Urteil des Senats erst nach Stellung des Zulassungsantrags im vorliegenden Verfahren entfallen ist, spielt wegen des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung des Zulassungsantrags – dem Zeitpunkt der Entscheidung hierüber – keine Rolle (vgl. hierzu: Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124 Rn. 150, § 124a Rn. 256, 257, jeweils mit weiteren Nachweisen), zumal die Klärung der Frage im Sinne der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts erfolgt ist.

Durch den Verfassungsschutzbericht soll die Öffentlichkeit bereits im Vorfeld relevanter Gefährdungen in die Lage versetzt werden, Art und Ausmaß der möglichen Gefährdungen zu erkennen (vgl. nun: Art. 26 Abs. 1, 2 BayVSG). Damit der so verstandene Auftrag der „Unterrichtung der Öffentlichkeit“ (Art. 15 Satz 1 BayVSG a.F.) wirksam erfüllt werden kann, bedarf es einer auf den jeweiligen Einzelfall abgestimmten Darstellung der wesentlichen Tatsachen, die die Bewertung zulassen, die Organisation verfolge gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen. Im Rahmen der Unterrichtung der Öffentlichkeit muss – wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist – nachvollziehbar sein, aus welchen wesentlichen tatsachengestützten Anhaltspunkten vor der Vereinigung „gewarnt“ wird. Dagegen ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass es nicht Aufgabe des Verfassungsschutzberichts ist, die von der Klägerin geforderte transparente „Abwägung des Für und Wider“ im Sinn einer umfassenden Auseinandersetzung mit allen bekannten Erkenntnissen zu leisten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1, 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2018 - 10 ZB 15.795 zitiert 15 §§.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

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(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

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(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. (2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverstä

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(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert be

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Tenor Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2010 - BVerwG 3 C 44.09 - verletzt die Beschwerdeführerinnen in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes und

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Tenor

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2010 - BVerwG 3 C 44.09 - verletzt die Beschwerdeführerinnen in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes und in ihrem Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 2011 - BVerwG 3 C 14.11 (3 C 44.09) - verletzt die Beschwerdeführerinnen in ihrem Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführerinnen ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die öffentliche Finanzierung eines kommunalen Zweckverbands, der Dienstleistungen auch auf dem Markt der Tierkörperbeseitigung erbringt.

I.

2

1. Sowohl die Beschwerdeführerinnen als auch der Zweckverband, der Beklagte des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagter), verarbeiten tierische Nebenprodukte, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind. Diese Produkte teilt die Verordnung (EG) Nr. 1069/2009, ABl Nr. L 300 vom 14. November 2009, S. 1 ff., in drei Kategorien ein. Die Materialien der Kategorien 1 und 2 bergen erhebliche Risiken und müssen daher entsorgt oder nach bestimmten Maßgaben verarbeitet werden. Material der Kategorie 3 birgt keine Risiken, ist aber genussuntauglich oder wird aus wirtschaftlichen Gründen nicht für den menschlichen Verzehr verwendet. Dieses Material kann etwa zu Futtermittel verarbeitet und in Verkehr gebracht werden. Nach § 3 Abs. 1 TierNebG sind die nach Landesrecht zuständigen Körperschaften des öffentlichen Rechts verpflichtet, die Beseitigung beziehungsweise Verarbeitung von Material der Kategorien 1 und 2 durchzuführen. Zur Erfüllung dieser Pflicht können sich die Körperschaften Dritter bedienen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 TierNebG). Gemäß § 3 Abs. 2 TierNebG kann die zuständige Behörde diese Aufgaben auch auf Private übertragen. Dagegen kann Material der Kategorie 3 von jedem Verarbeitungsbetrieb beseitigt oder verarbeitet werden.

3

2. Die Beschwerdeführerinnen verarbeiten gewerblich Material der Kategorie 3. Die Beschwerdeführerin zu 1. ist bundesweit tätig. Die Beschwerdeführerin zu 2. hat ihren Sitz in Frankreich und will ihre Tätigkeit auf den deutschen Markt ausweiten.

4

Der mittlerweile aufgelöste Beklagte war eine Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 2 des rheinland-pfälzischen Landesgesetzes zur Ausführung des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes (AGTierNebG) vom 20. Oktober 2010, GVBl S. 367. Mitglieder des Beklagten waren Landkreise und kreisfreie Städte. Der Beklagte übernahm nach seiner Verbandsordnung die Aufgaben, die den Landkreisen und kreisfreien Städten in Rheinland-Pfalz hinsichtlich der Materialien der Kategorien 1 und 2 oblagen. Insoweit erhob der Beklagte Gebühren. Ferner wurde der Beklagte in zweifacher Hinsicht über seinen gesetzlichen und satzungsmäßigen Zweck hinaus tätig. Zum einen beseitigte der Beklagte auch Material der Kategorie 3. Dazu vereinbarte er privatrechtliche Entgelte. Insofern stand der Beklagte in Konkurrenz zu privaten Dienstleistern wie den Beschwerdeführerinnen. Zum anderen beseitigte der Beklagte auch Material der Kategorien 1 und 2, das nicht aus dem Verbandsgebiet stammte. Insoweit hatte der Beklagte mit einem Zweckverband aus Baden-Württemberg eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung getroffen. Ferner hatte sich der Beklagte im Rahmen einer Ausschreibung erfolgreich um die Beseitigung der Materialen aus zwei Regierungsbezirken in Hessen beworben. Bis dahin wurde dort die Beseitigung dieser Materialien durch ein demselben Konzern wie die Beschwerdeführerinnen angehörendes Unternehmen durchgeführt, das sich ebenfalls an der Ausschreibung beteiligt hatte, sich gegen den Beklagten jedoch nicht durchsetzen konnte.

5

Der Beklagte finanzierte sich nicht nur aus den so erzielten Einnahmen (Gebühren und Entgelte). Soweit diese nicht ausreichten, um die Ausgaben zu decken, erhob der Beklagte von seinen Mitgliedern eine Umlage. Dies war seit seiner Gründung im Jahr 1979 durchgehend der Fall. In den im Ausgangsverfahren streitgegenständlichen Jahren 2005 bis 2008 betrug die Umlage jeweils 2,25 Mio. Euro, in den darauffolgenden Jahren jeweils um 2 Mio. Euro. Aufgrund einer Satzungsänderung durfte die Umlage ab dem Jahr 2010 nur noch zur Deckung solcher Kosten erhoben werden, die im Zusammenhang mit der Beseitigung von aus dem Verbandsgebiet stammenden Materialien der Kategorien 1 und 2 anfielen, sowie für die Vorhaltung einer Seuchenreservekapazität.

6

3. Die Beschwerdeführerinnen halten die Umlagen für Beihilfen im Sinne der Art. 87, 88 EGV (Art. 107, 108 AEUV). Da deren Einführung entgegen der beihilferechtlichen Notifizierungspflicht aus Art. 88 Abs. 3 Satz 1 EGV (Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV) nicht der Kommission angezeigt worden sei und die Beihilfen unter Verstoß gegen das Durchführungsverbot aus Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EGV (Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) ausgezahlt worden seien, seien sie rechtswidrig und müssten zurückgezahlt werden. Die Beschwerdeführerinnen erhoben daher im Juni 2008 Klage zum Verwaltungsgericht Mainz, das die Sache an das Verwaltungsgericht Trier verwiesen hat. Sie beantragten, den Beklagten zur Rückzahlung der in den Jahren 2005 bis 2008 erhobenen Umlage nebst Zinsen an seine Mitglieder zu verpflichten sowie festzustellen, dass der Beklagte die Umlagen künftig nur nach vorheriger Genehmigung durch die Kommission erheben dürfe.

7

a) Mit Urteil vom 2. Dezember 2008 traf das Verwaltungsgericht die begehrte Feststellung, wies den Zahlungsantrag aber ab.

8

Die Umlage sei eine Beihilfe, da sie alle diesbezüglichen Tatbestandsmerkmale erfülle. Insbesondere sei der Beklagte wirtschaftlich tätig. Dabei könne dahinstehen, ob dies auch für die Beseitigung der Materialien der Kategorien 1 und 2 gelte. Aufgrund der landesrechtlichen Bestimmungen, die die Beseitigung dieser Materialien den Landkreisen und kreisfreien Städten beziehungsweise einem von diesen getragenen Zweckverband auferlege, sei diese Tätigkeit möglicherweise dem Markt entzogen. Jedenfalls hinsichtlich des Materials der Kategorie 3 werde der Beklagte wirtschaftlich tätig. Der Beihilfecharakter der Umlage werde durch die vom Gerichtshof der Europäischen Union für gemeinwirtschaftliche Aufgaben entwickelten Altmark-Kriterien (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Juli 2003, Altmark Trans, C-280/00, Slg. 2003, I-7747, Rn. 88 ff.) nicht in Frage gestellt. Diese Kriterien seien nicht vollständig erfüllt.

9

Hinsichtlich des Leistungsantrags sei die Klage unbegründet. Es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Verpflichtung des Beklagten zur Rückzahlung derzeit als nicht sachgerecht erscheinen ließen. Die erhobenen Umlagen entsprächen mehr als der Hälfte der Erträge eines Jahres. Eine Rückzahlung in dieser Höhe stelle die ordnungsgemäße Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben in Frage. Zudem sei der Beklagte gutgläubig gewesen. In den vielen Jahren, in denen die Umlage bereits erhoben worden sei, sei deren Gemeinschaftsrechtswidrigkeit niemals behauptet worden.

10

b) Die von allen Beteiligten eingelegte Berufung wies das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz durch Urteil vom 24. November 2009 zurück. Das Oberverwaltungsgericht machte sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu Eigen und vertiefte sie. Mit Blick auf die Berechnung der Umlage führte das Oberverwaltungsgericht aus, es würden pauschal sämtliche Einnahmen und Ausgaben einander gegenübergestellt. Da der Beklagte auch Material der Kategorie 3 und gebietsfremdes Material der Kategorien 1 und 2 verarbeite, werde die Umlage auch für nicht gemeinwirtschaftliche Aufgaben erhoben. Daher sei ausgeschlossen, dass die Umlage ausschließlich der Finanzierung der gemeinwirtschaftlichen Aufgabe diene.

11

Eine Rückzahlung der in den Jahren 2005 bis 2008 erhobenen Umlage scheide jedoch aus. Hinsichtlich des Materials der Kategorien 1 und 2 habe es keinen Markt gegeben, der durch die Umlage hätte beeinflusst werden können. Hinsichtlich des Materials der Kategorie 3 habe sich der Beklagte keinen nennenswerten Wettbewerbsvorteil verschaffen können. Denn insgesamt habe sich für die Verarbeitung von Schlachtabfällen ein positiver Saldo ergeben, so dass sich die Umlage als Abdeckung der Kosten für ungenutzte Kapazitäten niedergeschlagen habe. Diese Kapazitäten seien nicht größer gewesen, als für eine Seuchenreserve erforderlich. Auch soweit die Beschwerdeführerinnen darauf hingewiesen hätten, dass der Beklagte das Material der Kategorie 3 kostenlos und damit nicht kostendeckend zusammen mit demjenigen der Kategorien 1 und 2 mitentsorge, sei eine Marktbeeinflussung nicht ersichtlich, da der Beklagte an einer solchen kostenlosen Mitentsorgung kein wirtschaftliches Interesse haben könne.

12

Schließlich werde der Wettbewerb auch deshalb nicht beeinflusst, weil der Beklagte im Falle einer Rückzahlung derart in Zahlungsschwierigkeiten geriete, dass dessen Mitglieder oder das Land anderweit Mittel zur Verfügung stellen müssten, um die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben sicherzustellen. Der wirtschaftliche Effekt der Umlage werde dadurch auf andere Weise herbeigeführt.

13

c) Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision der Beschwerdeführerinnen wies das Bundesverwaltungsgericht durch Urteil vom 16. Dezember 2010 zurück. Zugleich änderte es auf die Anschlussrevision des Beklagten das Urteil des Oberverwaltungsgerichts und wies die Klage insgesamt ab.

14

aa) Mit Blick auf das Leistungsbegehren könne es offenbleiben, ob es sich bei den Umlagen um eine Beihilfe handle. Die Beschwerdeführerinnen könnten schon deshalb keine Rückzahlung verlangen, weil sie die der Umlage zugrundeliegenden Bescheide nicht angefochten hätten. Zwar treffe zu, dass Marktteilnehmer, die mit einem Beihilfeempfänger potentiell im Wettbewerb stünden, bei Verstößen gegen formelle Anforderungen des Gemeinschaftsrechts Ansprüche gegen den Subventionsgeber auf verzinste Rückzahlung der Beihilfe hätten. Dies folge aus Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EGV (Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) und gelte unabhängig davon, ob die Beihilfe später von der Kommission als mit dem Gemeinsamen Markt für vereinbar erklärt werde.

15

Jedoch richte sich die Durchführung der Rückforderung nach nationalem Recht. Rückzahlung könne nur nach den dort geltenden Verfahrensvoraussetzungen verlangt werden. Nach deutschem Recht müssten Verwaltungsakte, die Grundlage einer gewährten Leistung seien, durch die Behörde oder durch ein Gericht beseitigt werden. Vorliegend hätten die Beschwerdeführerinnen versäumt, die Bescheide, mit denen die Umlage erhoben worden sei, anzufechten. Der geltend gemachte Verstoß gegen das Durchführungsverbot mache die Bescheide nicht nichtig. Das Erfordernis, die Bescheide anzugreifen, erschwere die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts auch nicht unzumutbar. Der Umstand, dass die Bescheide nicht an die Beschwerdeführerinnen gerichtet seien, ändere nichts daran, dass es sich um Verwaltungsakte handle, die hätten angefochten werden müssen. Dieser Umstand führe allerdings dazu, dass die Anfechtungsfrist nicht einen Monat, sondern ein Jahr betrage und erst zu laufen begonnen habe, nachdem die Beschwerdeführerinnen von der Existenz und vom Inhalt der Bescheide sichere Kenntnis erlangt hätten oder hätten erlangen müssen. Dies entspreche ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Vorliegend hätten die Beschwerdeführerinnen spätestens mit der Einsichtnahme in die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Kenntnis erlangt.

16

bb) Auch die Feststellungsklage bleibe, entgegen der Auffassung der Vorinstanzen, ohne Erfolg. Hinsichtlich des Jahres 2009 sei die Klage gemäß § 43 Abs. 2 VwGO unzulässig, da die Beschwerdeführerinnen ihre Rechte durch Gestaltungsklage hätten verfolgen können. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hätten die dieses Jahr betreffenden Bescheide angefochten werden können. Hinsichtlich der Jahre ab 2010 sei die Feststellungsklage zulässig, aber unbegründet. Bei den Umlagen handle es sich nicht um Beihilfen, weil die Umlage ausschließlich der Finanzierung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung des Beklagten diene. Dies ergebe sich aus der Altmark-Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Anlass, den Gerichtshof um weitere Klärung zu ersuchen, bestehe nicht.

17

Der vorliegende Fall unterscheide sich bereits im Ansatz deutlich von der Rechtssache Altmark. Während es dort um ein privates Busunternehmen gegangen sei, das seine Dienstleistungen am Markt angeboten habe und dem einzelne gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt worden seien, welche die Art und Weise der Erbringung dieser Dienstleistungen modifizierten, gehe es vorliegend um ein öffentliches Unternehmen, das in erster Linie gemeinwirtschaftliche Pflichten erfülle und daneben Dienstleistungen auch am Markt anbiete. Dabei seien die gemeinwirtschaftlichen Pflichtaufgaben schon technisch klar von der sonstigen wirtschaftlichen Betätigung geschieden. Hinsichtlich dieser wirtschaftlichen Betätigung bestünden keinerlei zusätzliche gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen. Diese Unterschiede führten dazu, dass die Altmark-Kriterien teilweise vollkommen unproblematisch erfüllt seien, weil die Gemengelage aus Marktbetätigung und gemeinwirtschaftlicher Verpflichtung, die dem Gerichtshof vor Augen gestanden habe, von vornherein nicht gegeben sei.

18

Das erste Altmark-Kriterium - Betrauung eines Unternehmens mit einer klar definierten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung - sei erfüllt. Die Verarbeitung und Entsorgung des Materials der Kategorien 1 und 2 sei in europäischem und nationalem Recht den betreffenden Körperschaften als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung übertragen. Dies gelte nicht nur für gebietseigenes und gebietsfremdes Material, sondern auch für das Vorhalten der Seuchenreserve. Dabei sei unerheblich, ob diese Reserve größer als erforderlich sei. Auch bei einer Überkapazität werde sie zum Zwecke der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben vorgehalten. Etwas anderes könne nur angenommen werden, wenn die Kapazitäten außerhalb von Spitzenbelastungszeiten nicht ungenutzt blieben, sondern für andere Zwecke eingesetzt würden, etwa zur wirtschaftlichen Betätigung des Beklagten im Bereich des Materials der Kategorie 3. Dies hätten die Beschwerdeführerinnen aber nicht geltend gemacht. Für eine zweckwidrige Nutzung der Reservekapazitäten sei auch nichts ersichtlich.

19

Das zweite Altmark-Kriterium - vorherige, objektive und transparente Festlegung der Parameter für die Berechnung des Ausgleichs, der für die gemeinwirtschaftliche Verpflichtung gewährt wird - sei ebenfalls erfüllt. Jedenfalls ab dem Jahr 2010, ab dem die Umlage nur noch zur Finanzierung der Verarbeitung des gebietseigenen Materials der Kategorien 1 und 2 erhoben werde, seien diese Anforderungen eingehalten. In Übereinstimmung mit dem dritten Altmark-Kriterium lege die Verbandssatzung fest, dass die Umlage nicht über das hinausgehen dürfe, was erforderlich sei, um die durch die Gebühreneinnahmen nicht gedeckten Kosten der Beseitigung von Material der Kategorien 1 und 2 zu bestreiten.

20

Das vierte Altmark-Kriterium - Bestimmung der Höhe des Ausgleichs am Maßstab eines gut geführten Unternehmens - könne vorliegend keine Berücksichtigung finden. Es unterstelle, dass die gemeinwirtschaftliche Verpflichtung, deren (Mehr-)Kosten ausgeglichen werden dürften, durch ein privates Unternehmen und damit in einer Gemengelage gemein- und marktwirtschaftlicher Betätigung erfüllt werden könne. Die schadlose Beseitigung des Materials der Kategorien 1 und 2 im Gebiet der Mitgliedskommunen des Beklagten stehe dem Markt jedoch nicht offen. Sie sei im deutschen Recht als hoheitliche Pflichtaufgabe ausgestaltet. Daher diene die Umlage nicht dem Ausgleich von Mehrkosten aus der Übernahme einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung im Rahmen einer im Übrigen marktwirtschaftlichen Betätigung, sondern der Finanzierung der hoheitlichen Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe außerhalb des Marktes.

21

d) Gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erhoben die Beschwerdeführerinnen Anhörungsrüge. Bis zur Revisionsverhandlung sei während des gesamten Rechtsstreits niemals thematisiert worden, ob die Erhebung der Umlage auf Verwaltungsakten beruhe. Vielmehr seien auch die Instanzgerichte davon ausgegangen, dass die Umlage durch die Haushaltssatzungen des Beklagten festgesetzt worden sei. Zudem sei der Verwaltungsaktcharakter der Schreiben, durch die der Beklagte seine Mitglieder um Zahlung bat, von den Beschwerdeführerinnen mit Gegenargumenten bestritten worden. Das Bundesverwaltungsgericht habe ohne Prüfung und ungeachtet dieser Einwände bereits im Tatbestand des Urteils unterstellt, dass es sich um Verwaltungsakte handle. Ferner habe das Gericht dadurch Vortrag der Beschwerdeführerinnen nicht zur Kenntnis genommen, dass es davon ausgehe, dass die gemeinwirtschaftlichen Pflichtaufgaben schon technisch klar von der wirtschaftlichen Betätigung des Beklagten geschieden seien. Gleiches gelte für die Annahme des Gerichts, die Beschwerdeführerinnen hätten nicht geltend gemacht, dass die Kapazitäten außerhalb von Spitzenbelastungszeiten nicht ungenutzt geblieben seien. Zur Untermauerung dieser Rüge verwiesen die Beschwerdeführerinnen auf im Laufe des Rechtsstreits eingereichte Schriftsätze.

22

Ferner habe das Bundesverwaltungsgericht unterstellt, die Beschwerdeführerinnen hätten die Bescheide für das Jahr 2009 nicht angegriffen, ohne die Beschwerdeführerinnen dazu anzuhören. Außerdem habe sich das Gericht nicht mit den geforderten Rechtswidrigkeitszinsen auseinandergesetzt. Zudem habe das Bundesverwaltungsgericht den Feststellungsantrag dahingehend ausgelegt, dass er sich auf eine Umlageerhebung gemäß der seit 2010 geltenden Fassung der Verbandsordnung (Umlage nur für die Kosten, die durch die Beseitigung gebietseigenen Materials der Kategorien 1 und 2 entstehen) beziehe. Tatsächlich hätten die Beschwerdeführerinnen aber beantragt, dass die Umlage nicht gemäß der vorangegangenen Fassung der Verbandsordnung erhoben werden dürfe. Schließlich legten die Beschwerdeführerinnen dar, inwiefern das Bundesverwaltungsgericht den Gerichtshof der Europäischen Union im Wege der Vorabentscheidung hätte befassen müssen.

23

e) Das Bundesverwaltungsgericht wies die Anhörungsrüge durch Beschluss vom 9. Juni 2011 zurück. Nach dem Verlauf der Revisionsverhandlung könne es nicht überraschend gewesen sein, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Existenz von Verwaltungsakten ausgehe. Hinsichtlich der Trennung der verschiedenen Materialien handele es sich bei der Annahme, die Umlage finanziere ausschließlich die Pflichtaufgaben, um eine Bewertung, die von den Beschwerdeführerinnen schlicht nicht geteilt werde. Die Schriftsätze, auf die die Beschwerdeführerinnen insofern Bezug genommen hätten, beträfen die Behauptung, der Beklagte habe umlagefinanzierte Kapazitäten dazu genutzt, Material der Kategorien 1 und 2 aus anderen Bundesländern zu entsorgen. Dieser Einwand betreffe nicht die Trennung der Verarbeitungskapazitäten. Auch mit weiteren Rügen drangen die Beschwerdeführerinnen nicht durch.

24

4. Parallel zum Ausgangsverfahren legten die Beschwerdeführerinnen Anfang 2008 bei der Europäischen Kommission eine Beihilfebeschwerde ein. Die Kommission eröffnete das formelle Prüfverfahren durch Beschluss vom 20. Juli 2010. Dort formulierte sie Zweifel an der Vereinbarkeit der Umlage mit europäischem Beihilferecht. Das Verfahren endete durch Beschluss vom 25. April 2012. Darin kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass die Umlagen rechtswidrig gewährte Beihilfen darstellten und forderte die Bundesrepublik Deutschland auf, die seit 1998 erhobenen Umlagen nebst Zinsen vom Beklagten zurückzufordern. Die gegen diesen Beschluss erhobene Klage des Beklagten wies das Gericht der Europäischen Union durch Urteil vom 16. Juli 2014 - T-309/12 - ab. Der Beklagte hat sein gegen dieses Urteil eingelegtes Rechtsmittel zurückgenommen (vgl. Beschluss des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. März 2015 - C-447/14 P -).

II.

25

1. Die Beschwerdeführerinnen rügen eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG.

26

a) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei dadurch verletzt, dass es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen habe, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen. Das Bundesverwaltungsgericht weiche in mehrfacher Hinsicht von der Rechtsprechung des Gerichtshofs ab. Die Annahme, der Rückzahlung der Umlage stehe die Bestandskraft der Umlagebescheide entgegen, widerspreche der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach sich der Empfänger einer rechtswidrig gewährten Beihilfe nicht auf Vertrauensschutz oder Rechtssicherheit berufen könne. Dies gelte erst recht, wenn dieser die Bescheide selbst erlassen habe. Auch habe der Gerichtshof dazu befragt werden müssen, ob Verwaltungsakte nichtig seien, wenn sie Unionsrecht verletzten. Ferner habe das Bundesverwaltungsgericht das vierte Altmark-Kriterium bewusst unangewendet gelassen und dies willkürlich begründet. Schließlich folge eine Vorlagepflicht daraus, dass das Bundesverwaltungsgericht den Eröffnungsbeschluss der Kommission offen missachtet habe.

27

b) Art. 103 Abs. 1 GG sei dadurch verletzt, dass das Bundesverwaltungsgericht sich nicht mit den Einwänden auseinandergesetzt habe, die gegen eine Qualifizierung der Zahlungsaufforderungen als Verwaltungsakte sprächen. Ferner habe das Bundesverwaltungsgericht den Tatsachenvortrag der Beschwerdeführerinnen nicht berücksichtigt, wonach die Materialien der verschiedenen Kategorien durch Nutzung der freien Kapazitäten der Anlagen des Beklagten gemeinsam beseitigt würden. Schließlich habe sich das Bundesverwaltungsgericht auch nicht mit dem geltend gemachten Zinsanspruch befasst.

28

c) Die Qualifizierung der Umlagebescheide als Verwaltungsakte verletze die Beschwerdeführerinnen auch in ihrem Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Weder das Verwaltungsgericht noch das Oberverwaltungsgericht hätten die Existenz von Verwaltungsakten in Erwägung gezogen. Die Gerichte seien vielmehr davon ausgegangen, dass Rechtsgrund der Umlage allein die Haushaltssatzungen gewesen seien. Auch der Beklagte habe sich niemals darauf berufen, dass es bestandskräftige Verwaltungsakte gebe. Die Beschwerdeführerinnen hätten somit nicht damit rechnen müssen, dass das Bundesverwaltungsgericht sich darauf stützen werde. Da das Gericht ferner darauf hingewiesen habe, dass eine Umstellung der Klage wegen des Verbots der Klageänderung in der Revisionsinstanz (§ 142 Abs. 1 VwGO) nicht mehr zulässig sei, sei der entsprechende Hinweis in der Revisionsverhandlung zu spät gekommen. Das Versäumnis der Instanzgerichte dürfe sich nicht zulasten der Beschwerdeführerinnen auswirken.

29

d) Art. 19 Abs. 4 GG sei dadurch verletzt, dass das Bundesverwaltungsgericht ohne jede Begründung und ohne Abwägung der Umstände des Einzelfalls angenommen habe, dass für die Anfechtung der Bescheide eine Jahresfrist gelte. Dadurch beraube das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdeführerinnen der Möglichkeit, das beihilferechtliche Durchführungsverbot durchzusetzen.

30

2. Dem Bundesverfassungsgericht lagen die Akten des Ausgangsverfahrens vor. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur des Landes Rheinland-Pfalz hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

III.

31

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerinnen aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

32

1. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2010 verletzt die Beschwerdeführerinnen in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Die Annahme, die der Umlage zugrundeliegenden Verwaltungsakte seien nicht angefochten worden, erschwert den Rechtsweg für die Beschwerdeführerinnen in unzumutbarer Weise.

33

a) Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert einen umfassenden gerichtlichen Schutz gegen die Verletzung rechtlich geschützter Interessen des Einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 8, 274 <326>; 25, 352 <365>; 51, 176 <185>; 54, 39 <41>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>). Diese Garantie effektiven Rechtsschutzes gewährleistet nicht nur formal die Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern gebietet auch die Effektivität des damit verbundenen Rechtsschutzes, das heißt einen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Der Zugang zu Gericht darf daher nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 35, 263 <274>; 40, 272 <274 f.>; 77, 275 <284>).

34

Vor diesem Hintergrund haben die Gerichte etwa das Verfahrensrecht so anzuwenden, dass den erkennbaren Interessen des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung getragen wird (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>). Sie dürfen nicht durch die Art und Weise der Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften den Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar verkürzen (vgl. BVerfGE 84, 366 <369 f.>).

35

b) Diesen Anforderungen wird das angegriffene Urteil nicht gerecht. Nach der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts handelt es sich bei den Schreiben, mit denen der Beklagte die Umlage anforderte, um Verwaltungsakte, die nicht angefochten worden seien. Diese Annahme wird den Gewährleistungen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht gerecht, weil sie den Zugang zu Gericht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise erschwert.

36

aa) Die Anfechtung eines Verwaltungsakts erfolgt durch Erhebung einer Klage (§ 42 Abs. 1 VwGO). Die Beschwerdeführerinnen haben Klage erhoben, gerichtet auf Rückzahlung der durch die Bescheide festgesetzten Umlagen. Das von Beginn des Ausgangsverfahrens an unverändert gebliebene Rechtsschutzbegehren der Beschwerdeführerinnen ging offensichtlich dahin, die für die Rückzahlung erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. Das Leistungsbegehren erfasste somit auch die inzidente Aufhebung der Verwaltungsakte gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die dem Rechtsstandpunkt des Bundesverwaltungsgerichts zugrundeliegende Auffassung, die Umlagebescheide seien nicht angefochten worden, beruht daher auf einer verfassungsrechtlich nicht haltbaren Anwendung der §§ 86 Abs. 3, 88 VwGO.

37

§ 88 VwGO erlegt den Verwaltungsgerichten die Aufgabe auf, das Rechtsschutzziel des Klägers zu ermitteln (vgl. BVerwGE 60, 144 <149>). Diese Bestimmung stellt zugleich klar, dass es auf das wirkliche Begehren der Partei ankommt, nicht auf die Fassung der Anträge. In diesem Rahmen muss eine ausdrücklich gewählte Klageart auch umgedeutet werden (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 88 Rn. 8, 10). Übersieht der Kläger, dass es sich um Verwaltungsakte handelt, und begehrt er eine Leistung, die ohne Aufhebung der Verwaltungsakte nicht erreicht werden kann, muss der gestellte Antrag so ausgelegt werden, dass das Rechtsschutzziel erreicht werden kann (vgl. für den umgekehrten Fall, die Umdeutung eines Anfechtungsantrags in einen Leistungsantrag, BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1981 - 2 C 42/78 -, NVwZ 1982, S. 103 f.). Das Gericht muss gemäß § 86 Abs. 3 VwGO, der eine Ausprägung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz ist, darauf hinwirken, dass Unklarheiten bei Anträgen und tatsächlichen Angaben beseitigt werden.

38

Das angegriffene Urteil setzt sich jedoch weder mit dem Rechtsschutzbegehren der Beschwerdeführerinnen noch mit den gestellten Anträgen auseinander. Sachliche Gründe, aus denen das Bundesverwaltungsgericht die Fassung der Anträge, nicht aber das Rechtsschutzziel für maßgeblich gehalten und dadurch verhindert hat, dass die Beschwerdeführerinnen dieses Ziel erreichen konnten, sind nicht ersichtlich.

39

bb) Auch die weitere Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, die Verwaltungsakte hätten nur innerhalb einer bereits abgelaufenen Jahresfrist angefochten werden können, erschwert den Rechtsschutz in unzumutbarer Weise. Sie beruht auf einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Anwendung des Verfahrensrechts.

40

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gibt es in Drittanfechtungskonstellationen eine Anfechtungsfrist nur in bestimmten Fällen. Unter besonderen Umständen sind Verwaltungsakte durch Dritte, denen sie nicht bekanntgegeben wurden, innerhalb eines Jahres anzufechten, nachdem diese Dritten von der Existenz und vom Inhalt der Bescheide sichere Kenntnis erlangt haben oder hätten erlangen müssen (vgl. BVerwGE 44, 294 <299 ff.>). Diese Anfechtungsfrist leitet das Bundesverwaltungsgericht aus einem besonderen nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis ab und hat ausdrücklich klargestellt, dass diese Rechtsprechung auf Fälle, in denen es an einem solchen besonderen Gemeinschaftsverhältnis fehlt, nicht übertragen werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1999 - 8 B 116/98 -, juris, Rn. 8). Das gilt insbesondere mit Blick auf vermögensrechtliche Streitigkeiten (vgl. BVerwGE 115, 302 <311>; BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1999, a.a.O., Rn. 8). Im Allgemeinen gibt es daher keine Ausschlussfrist für den Widerspruch gegen nicht bekanntgegebene Verwaltungsakte (Rennert, a.a.O., § 70 Rn. 5).

41

Im Verhältnis zwischen den Beschwerdeführerinnen und dem Beklagten bestand kein Gemeinschaftsverhältnis. Andere Sachgründe, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Annahme einer gesetzlich nicht vorgesehenen Frist rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

42

(2) Gälte vorliegend eine Jahresfrist, wäre sie bei Klageerhebung zudem noch nicht abgelaufen gewesen. Nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts haben die Beschwerdeführerinnen Kenntnis von den angegriffenen Bescheiden spätestens mit der Einsichtnahme in die Verwaltungsvorgänge des Beklagten erlangt. Aus dem Beschluss vom 9. Juni 2011 ergibt sich, dass damit die Vorlage dieser Unterlagen beim Verwaltungsgericht in erster Instanz gemeint ist. Somit konnte die Frist bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen sein.

43

(3) Vom Rechtsstandpunkt des Bundesverwaltungsgerichts aus konnte die Klage auch nicht deshalb unzulässig sein, weil kein Vorverfahren gemäß §§ 68 ff. VwGO durchgeführt wurde. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein Vorverfahren entbehrlich ist, wenn sich der Beklagte in der Sache auf die Klage einlässt und deren Abweisung beantragt oder wenn der Zweck des Vorverfahrens ohnehin nicht mehr erreicht werden kann (BVerwGE 64, 325 <330>). Vorliegend ist jedenfalls die erste dieser Alternativen erfüllt.

44

2. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerinnen auch in ihrem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG, da sie Kernvorbringen der Beschwerdeführerinnen unberücksichtigt lassen.

45

a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 42, 364 <367 f.>; 47, 182 <187>; BVerfGK 20, 53 <57>). Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfGE 25, 137 <141 f.>; 47, 182 <187>; BVerfGK 20, 53 <57>). Die Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung der Entscheidung ausdrücklich zu befassen (vgl. BVerfGE 13, 132 <149>; 42, 364 <368>; 47, 182 <187>; BVerfGK 20, 53 <57>). Deshalb müssen, wenn das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG feststellen soll, im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 27, 248 <252>; 47, 182 <187 f.>; BVerfGK 20, 53 <57>). Dergleichen Umstände können insbesondere dann vorliegen, wenn das Gericht wesentliche, das Kernvorbringen eines Beteiligten darstellende Tatsachen unberücksichtigt lässt. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in der Begründung der Entscheidung nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert ist (vgl. BVerfGE 86, 133 <146>; BVerfGK 6, 334 <340>; 10, 41 <46>; 20, 53 <57 f.>). Daraus ergibt sich eine Pflicht der Gerichte, die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen in den Entscheidungsgründen zu verarbeiten (vgl. BVerfGE 47, 182 <189>; BVerfGK 10, 41 <46>; 20, 53 <58>).

46

b) Diesen Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht.

47

aa) Das Bundesverwaltungsgericht geht im Kern davon aus, dass die vom Beklagten erhobene Umlage allein zur Finanzierung der Beseitigung von Material der Kategorien 1 und 2 verwendet wurde. Insoweit ordnet es die Beseitigung als hoheitliche Aufgabe ein, die dem Markt entzogen sei. Daher könne die Umlage nicht der Finanzierung der wirtschaftlichen Betätigung des Beklagten hinsichtlich des Materials der Kategorie 3 dienen. Zur Untermauerung der Annahme, die Umlage finanziere nur die gemeinwirtschaftlichen Pflichtaufgaben des Beklagten, führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass diese Aufgaben schon technisch klar von der sonstigen wirtschaftlichen Betätigung des Beklagten geschieden seien. Ferner könne nicht angenommen werden, dass Kapazitäten, die nicht für die Beseitigung von Material der Kategorien 1 und 2 benötigt würden, außerhalb von Spitzenbelastungszeiten zweckwidrig für die wirtschaftliche Betätigung des Beklagten im Bereich des Materials der Kategorie 3 genutzt würden, da die Beschwerdeführerinnen dies nicht geltend gemacht hätten. Insofern fehle es an einer Gemengelage von gemein- und marktwirtschaftlicher Betätigung.

48

bb) Diese Annahmen übergehen Kernvorbringen der Beschwerdeführerinnen. Diese haben während des gerichtlichen Verfahrens mehrfach vorgetragen, dass gebietsfremdes Material der Kategorien 1 und 2 und Material der Kategorie 3 zusammen mit gebietseigenem Material der Kategorien 1 und 2 verarbeitet werde - unter Nutzung der vom Beklagten vorgehaltenen Kapazitäten.

49

Im Einzelnen haben die Beschwerdeführerinnen vorgetragen, dass die vom Beklagten vorgehaltene Verarbeitungskapazität weit über dem liege, was zur Erfüllung seiner hoheitlichen Aufgaben notwendig sei. Diese Überkapazität würde durch die Umlage finanziert und habe es dem Beklagten ermöglicht, Material der Kategorie 3 ohne Mehrkosten mit zu entsorgen. Zugleich versetzten ihn die Überkapazitäten in die Lage, seine Dienste auch außerhalb seines Einzugsbereichs anzubieten und hierbei die Preise seiner privaten Mitbewerber zu unterbieten. Die ungenutzten Kapazitäten hätten es dem Beklagten unter anderem ermöglicht, am Vergabewettbewerb in Hessen erfolgreich teilzunehmen. Der Beklagte nutze beihilfefinanzierte Verarbeitungskapazitäten mit anderen Worten dazu, unter bevorzugten Bedingungen am Wettbewerb teilzunehmen. Dazu benötige er weder zusätzliches Personal noch zusätzliche Transportkapazitäten oder zusätzliche Mittel. Die Nutzung der umlagefinanzierten Kapazitäten für die marktwirtschaftliche Betätigung sei vielmehr allein deshalb möglich, weil die Anlagen unausgelastet seien.

50

Die Annahmen des Bundesverwaltungsgerichts, die Reservekapazität bleibe ungenutzt und werde insbesondere nicht für die Verarbeitung von Material der Kategorie 3 eingesetzt sowie, dass die Beschwerdeführerinnen Gegenteiliges nicht vorgetragen hätten, lassen sich nur dadurch erklären, dass das Gericht den entsprechenden Vortrag der Beschwerdeführerinnen nicht zur Kenntnis genommen hat.

51

cc) Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr darauf an, dass die vom Bundesverwaltungsgericht angenommene technische Trennung der Beseitigung der verschiedenen Materialien in den tatsächlichen Feststellungen der Urteile des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts nicht nur keine Grundlage findet, sondern dass das Oberverwaltungsgericht - im Gegenteil - festgestellt hat, dass die Umlage gerade nicht nur zur Finanzierung der Beseitigung der Materialien der Kategorien 1 und 2 erhoben werde, sondern auch zur Finanzierung der Beseitigung des Materials der Kategorie 3.

52

Das gilt auch für die Tatsache, dass das Bundesverwaltungsgericht die Feststellungen der Europäischen Kommission im Eröffnungsbeschluss vom 20. Juli 2010 fehlinterpretiert und geradezu in ihr Gegenteil verkehrt hat. Die Europäische Kommission hat insoweit festgestellt, dass ungenutzte Kapazitäten bestanden, die aus einer betriebswirtschaftlichen Fehlentscheidung resultierten und dazu verwendet werden konnten, außerhalb des satzungsmäßigen Aufgabenbereichs in verzerrender Weise am Wettbewerb teilzunehmen. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, die Überkapazitäten würden nach den Feststellungen der Kommission überhaupt nicht genutzt, sodass gebietsfremdes Material und solches der Kategorie 3 denknotwendig anderweitig entsorgt werden müssten, entbehrt jeder Grundlage.

53

dd) Diese Verletzung rechtlichen Gehörs wird durch den auf die Anhörungsrüge ergangenen Beschluss vom 9. Juni 2011 in rechtlich selbständig tragender Weise noch verstärkt.

54

Das Bundesverwaltungsgericht führt aus, es sei wegen des unterschiedlichen Gefahrenpotentials der Materialien der verschiedenen Kategorien selbstverständlich, dass diese getrennt verarbeitet würden. Daher handele es sich bei der Annahme, die Umlage finanziere ausschließlich die Pflichtaufgaben, lediglich um eine Bewertung, die von den Beschwerdeführerinnen nicht geteilt werde. Indem das Bundesverwaltungsgericht Tatsachenvortrag als eine bloße Bewertung einschätzt, verletzt es erneut das Recht der Beschwerdeführerinnen auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

55

Eine weitere selbständige Verletzung dieses Rechts liegt in der Annahme, die Behauptung der Beschwerdeführerinnen, freie Kapazitäten würden zur wirtschaftlichen Betätigung genutzt, habe allein die Verarbeitung gebietsfremden Materials der Kategorien 1 und 2 betroffen. Bereits im ersten vom Bundesverwaltungsgericht insoweit angeführten Schriftsatz der Beschwerdeführerinnen tragen diese vor, der Beklagte entsorge zur Auslastung seiner Überkapazitäten und damit kostenlos auch Material der Kategorie 3.

56

3. Es bedarf nach alledem keiner Entscheidung, ob die angegriffenen Entscheidungen weitere Rechte der Beschwerdeführerinnen verletzen. Insbesondere kann offen bleiben, ob das Bundesverwaltungsgericht das Recht der Beschwerdeführerinnen aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dadurch verletzt hat, dass es keine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingeholt hat.

57

4. Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, da dies zur Durchsetzung der verfassungsmäßigen Rechte der Beschwerdeführerinnen angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

58

Die Annahme ist zur Durchsetzung der verfassungsgemäßen Rechte angezeigt, wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten besonderes Gewicht hat oder den Beschwerdeführer in existenzieller Weise betrifft. Besonders gewichtig ist eine Grundrechtsverletzung, die auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet oder wegen ihrer Wirkung geeignet ist, von der Ausübung von Grundrechten abzuhalten.

59

Im vorliegenden Fall haben die festgestellten Verletzungen besonderes Gewicht, da die angegriffenen Entscheidungen die aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Anforderungen deutlich verfehlen. Sie verkennen das Rechtsschutzziel der Beschwerdeführerinnen, indem sie davon ausgehen, die erhobene Klage sei nicht auf die Anfechtung der vom Bundesverwaltungsgericht angenommenen Verwaltungsakte gerichtet. Ferner übergehen die Entscheidungen nicht nur Einzelheiten des Tatsachenvortrags der Beschwerdeführerinnen. Sie ignorieren vielmehr den Kern und Auslöser des Rechtsstreits - die Subventionierung der Marktteilnahme des Beklagten insbesondere hinsichtlich des Materials der Kategorie 3 - und korrigieren dies auch auf eine entsprechende Rüge hin nicht.

IV.

60

Die Entscheidungen sind aufzuheben. Die Sache ist an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

61

Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 60.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Feststellungsklage gegen das Schreiben des Landratsamts Weilheim – Schongau vom 18. Dezember 2013, mit dem ihr mitgeteilt wurde, dass das unter Nr. IX. des Bescheids vom 4. November 2013, geändert durch Bescheid vom 8. November 2013, angedrohte Zwangsgeld für die vor Eintritt der Voraussetzungen des Art. 78 Abs. 2 Satz 3 BayBO unerlaubte Nutzungsüberlassung von sechs Wohnungen in Höhe von jeweils 10.000 Euro fällig geworden sei. Für den Fall weiterer Zuwiderhandlungen wurde mit Bescheid vom 18. Dezember 2013 ein Zwangsgeld in Höhe von 15.000 Euro angedroht. Bei Baukontrollen am 22. und 27. November sowie am 3. und 16. Dezember 2013 sei festgestellt worden, dass ausser den bereits bezogenen Wohnungen sechs weitere Wohnungen von der Klägerin zugänglich gemacht bzw. diese zeitweise bewohnt worden seien. Hinsichtlich des angedrohten Zwangsgeldes i.H.v. 15.000 Euro hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben, das Verfahren wurde in der mündlichen Verhandlung jedoch insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

2. Der Senat legt den Antrag auf Zulassung der Berufung der Klägerin dahingehend aus, dass er sich nur gegen denjenigen Teil des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts wenden soll, der nicht übereinstimmend für erledigt wurde (vgl. UA S. 6). Des Weiteren geht der Senat davon aus, dass anstatt der von der Klägerin in den Vordergrund gerückten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) vorrangig der Verfahrensfehler der Aufklärungsrüge gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5, § 86 Abs. 1 VwGO erhoben werden soll (s. Nr. 2 der Zulassungsbegründung). Es ist kein Hindernis, wenn der Rechtsmittelführer sein Vorbringen unter dem falschen Zulassungsgrund erörtert (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546).

2.1. Dieser Verfahrensmangel liegt unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur BVerwG, B.v. 10.10.2013 –10 B 19.13 – juris Rn. 3 m.w.N.) jedoch nicht vor. Eine Aufklärungsrüge gemäß § 86 Abs. 1 VwGO kann nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Ein Tatsachengericht verletzt seine Aufklärungspflicht grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine anwaltlich vertretene Partei nicht beantragt hat (BVerwG a.a.O.). Die Aufklärungsrüge stellt deshalb kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Beteiligten in der Vorinstanz zu kompensieren.

Eine weitere Sachverhaltsaufklärung musste sich dem Verwaltungsgericht jedenfalls nicht von Amts wegen aufdrängen. Es hat im angefochtenen Urteil (S. 8) zu Recht ausgeführt, dass die Klägerin die Erwerber der jeweiligen Wohnungen jedenfalls in die Lage versetzt hat, diese – entgegen der entsprechenden Anordnung im Bescheid vom 4. November 2013 – zu einem Zeitpunkt zu nutzen, in dem die Voraussetzungen des Art. 78 Abs. 2 Satz 3 BayBO noch nicht vorgelegen haben. Diese Tatsachenfrage war zwischen sämtlichen Beteiligten unstreitig, da die Klägerin im Schriftsatz vom 11. Februar 2015 selbst eingeräumt hat, den Erwerbern die jeweiligen Wohnungen zugänglich gemacht zu haben. Folgerichtig schließt das Verwaltungsgericht hieraus, dass es auf eine Weisung der Klägerin, in den Wohnungen dürfe nicht dauerhaft gewohnt werden, nicht ankommt. Damit geht der Vortrag im Zulassungsantrag, das Verwaltungsgericht hätte den Sachverhalt weiter aufklären und den Zeugen V. dahingehend vernehmen müssen, ob die Klägerin eine Wohnnutzung erlaubt habe, fehl.

2.2. Nach alledem bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.7.1 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2013, Beilage 2).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

1. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2012 - 2 LA 234/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Das Land Niedersachsen hat die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein verwaltungsgerichtliches Verfahren aus dem Bereich des Schulrechts.

2

1. a) Der Beschwerdeführer besuchte ein öffentliches technisches Fachgymnasium. Da er an einer Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie) leidet, beantragte er zum Nachteilsausgleich eine Schreibzeitverlängerung für die Anfertigung von Klausuren sowie die Nichtbewertung der Rechtschreibung (sog. Notenschutz). Die Schule lehnte dies ab.

3

b) Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verpflichtete das Oberverwaltungsgericht die Schule, dem Beschwerdeführer bis zur Entscheidung in der Hauptsache bei der Anfertigung schriftlicher Leistungsüberprüfungen außer in naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern eine Schreibzeitverlängerung von 10 % der jeweiligen Bearbeitungszeit zu gewähren. Soweit der Eilantrag darüber hinaus auf vorläufige Gewährung eines Zeitzuschlages von 25 % und Notenschutz bezüglich der Rechtschreibleistung in allen Fächern sowie auf die ebenfalls bereits vorgerichtlich geltend gemachte Verpflichtung der Schule gerichtet war, ihn in Mathematik anwendungsbezogen auf das erste Prüfungsfach Elektronik zu unterrichten, blieb er ohne Erfolg. Eine vom Beschwerdeführer in dieser Sache erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR 2129/08).

4

c) In der Hauptsache fasste das Verwaltungsgericht zunächst einen Beweisbeschluss zur Frage der medizinischen Notwendigkeit eines weitergehenden Nachteilsausgleichs. Dieser wurde jedoch nicht mehr ausgeführt, nachdem der Beschwerdeführer die Allgemeine Hochschulreife erworben hatte. Der Beschwerdeführer stellte seine Klage daraufhin um. Neben Feststellungsanträgen begehrte er, seine unter anderem auf Klausurabwertungen wegen Schreibfehlern (sog. "GRZ-Abzug") beruhenden Kursnoten im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 anzuheben.

5

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die in der Jahrgangsstufe 12 erteilten Einzelnoten seien bestandskräftig geworden und daher nicht mehr anfechtbar. Der Zulässigkeit der Feststellungsanträge stehe teilweise der Subsidiaritätsgrundsatz und teilweise das Fehlen eines Feststellungsinteresses entgegen.

6

d) Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit dem hier angegriffenen Beschluss ab.

7

aa) Es könne offenbleiben, ob das Verwaltungsgericht die halbjährlichen Kursabschlussnoten als eigenständig anfechtbare Regelungen habe ansehen dürfen. Die Versäumung der Widerspruchsfrist sei insoweit jedenfalls unschädlich, da die Widerspruchsbehörde eine Sachentscheidung getroffen habe. Von der Bestandskraft der Einzelnoten könne daher nicht ausgegangen werden.

8

An der Richtigkeit der Ablehnung des Verpflichtungsantrags bestünden im Ergebnis gleichwohl keine ernstlichen Zweifel, da nicht ersichtlich sei, dass die den Kursnoten zugrunde liegenden Bewertungen fehlerhaft gewesen sein könnten. Es sei in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass unter einer Legasthenie leidenden Schülern zum Nachteilsausgleich nur Schreibzeitverlängerungen gewährt werden könnten oder die Nutzung technischer Hilfsmittel gestattet werden könne. Die Gewährung von Notenschutz (durch Nichtbewertung der Rechtschreibung) sei demgegenüber in der Regel nicht zulässig, da sie zu einer Benachteiligung von Schülern führen könne, denen aus sonstigen Gründen Rechtschreibfehler in größerem Umfang unterliefen. Darüber hinaus komme ein Ausgleich durch Notenschutz deswegen nicht in Betracht, weil sich die vom Beschwerdeführer beanstandeten Noten gerade auf das Fach Deutsch bezögen und in diesem unter anderem Rechtschreibung und Zeichensetzung zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen gehörten. Ein Anspruch auf Notenschutz folge selbst bei einem den Behinderungsbegriff erfüllenden Ausmaß der Legasthenie auch nicht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, da sich hieraus ein originärer subjektiver Leistungsanspruch nicht ableiten lasse. Unmittelbar aus Art. 24 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, BGBl 2008 II S. 1419) ergäben sich ebenfalls keine entsprechenden Rechte. Schließlich sehe die geltende Erlasslage in gewissem Umfang eine differenzierte Bewertung vor und eröffne einen pädagogischen Bewertungsspielraum, der eine einzelfallgerechte Berücksichtigung des Erscheinungsbildes der Legasthenie ermögliche. Es sei nicht ersichtlich, dass bei der Bewertung der den beanstandeten Kursnoten zugrunde liegenden Deutschklausuren hiervon in willkürlicher Weise abgewichen worden sei.

9

bb) Auch das Feststellungsinteresse habe das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Ein Rehabilitationsinteresse könne nicht bejaht werden, da von den Einzelnoten und der Durchschnittsnote des Abiturzeugnisses keine den Beschwerdeführer in seiner Persönlichkeit diskriminierende Wirkung ausgehe. Die Bewertung im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 könne für sich gesehen nicht als diskriminierend angesehen werden, zumal sich die begehrte Anhebung nicht auf die Durchschnittsnote auswirken würde. Hinsichtlich anderer Einzelnoten habe der Beschwerdeführer nicht näher dargelegt, welche Punktzahl er für angemessen halte. Soweit er sein Feststellungsbegehren auf eine beabsichtigte Amtshaftungsklage stütze, habe das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass eine solche mangels Verschuldens offensichtlich aussichtslos sei.

10

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 19 Abs. 4 GG, aus Art. 3 Abs. 1 und 3 GG in Verbindung mit der UN-Behindertenrechtskonvention sowie aus Art. 12 GG und führt dies näher aus. Insbesondere rügt er, das Ausgangsgericht habe zu keinem Zeitpunkt in einem ordentlichen Hauptsacheverfahren durch Beweisaufnahme geprüft, welche Maßnahmen notwendig gewesen seien, um die behinderungsbedingten Nachteile auszugleichen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei es aber uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar, ob ein in Prüfungen gewährter Nachteilsausgleich die Störung vollständig ausgeglichen habe, was gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen zu ermitteln sei (Hinweis auf BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 1992 - 1 BvR 1295/90 -, NJW 1993, S. 917 <918>). Das Oberverwaltungsgericht habe zudem verkannt, dass er durch die Anlegung desselben Leistungsbemessungsmaßstabs wie bei seinen nicht behinderten Mitschülern in einem Bereich, in dem er aufgrund seiner Funktionsstörung nicht gleichermaßen leistungsfähig sein könne, benachteiligt worden sei. Aus fachärztlicher Sicht habe er in allen Fächern zusätzlich 25 % der üblichen Bearbeitungszeit benötigt, um die gleichen Chancen bei der Bearbeitung der anstehenden Aufgaben zu haben. Ein reiner Nachteilsausgleich führe, auch wenn er den Verzicht auf die Benotung der Rechtschreibung beinhalte, keineswegs zu einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit nichtbehinderter Mitschüler. Dadurch, dass es das Oberverwaltungsgericht versäumt habe, seine willkürliche Entscheidung aus dem Eilverfahren im Berufungszulassungsverfahren zu korrigieren, nehme es ihm die Möglichkeit der Rehabilitation und verschärfe damit die bereits erfolgte Diskriminierung. Damit werde zudem eine Amtshaftungsklage bewusst ausgeschlossen und würden legasthene Schüler in Niedersachsen im Ergebnis rechtlos gestellt.

11

3. Die Verfassungsbeschwerde ist dem Niedersächsischen Justizministerium und der Beklagten des Ausgangsverfahrens, der vormaligen Schule des Beschwerdeführers, zugestellt worden. Diese haben von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

II.

12

1. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.

13

2. Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht wird der verfassungsrechtlichen Verbürgung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.

14

a) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet zwar keinen Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzuges (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>; 125, 104 <136 f.>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>; 125, 104 <137>; stRspr). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grund dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; 134, 106 <117 f. Rn. 34>).

15

b) Das Oberverwaltungsgericht hat durch seine Handhabung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO den Zugang zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verengt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt.

16

aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind immer schon dann begründet, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Dies hat der Beschwerdeführer getan. Er hat aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht seinen Verpflichtungsantrag rechtsfehlerhaft als unzulässig behandelt hat und die angenommene Unzulässigkeit der Feststellungsanträge betreffend den Notenschutz und den Umfang des ihm zustehenden Nachteilsausgleichs aus Subsidiaritätsgründen zumindest ernstlichen - vom Oberverwaltungsgericht selbst näher aufgezeigten - Zweifeln begegnet. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Begründung gleichwohl die Berufung nicht zugelassen.

17

bb) Es begegnet zwar keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht jedoch sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere Gründe entscheidungstragend abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht (vgl. BVerfGE 134, 106 <119 f. Rn. 40>; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542 <543>).

18

Dass dem Beschwerdeführer vor Erlass der angegriffenen Entscheidung im Hinblick auf die neue Begründung des Oberverwaltungsgerichts im Berufungszulassungsverfahren rechtliches Gehör gewährt worden wäre, lässt sich den beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens nicht entnehmen. Darüber hinaus lagen die Voraussetzungen für einen Austausch der Begründung hiernach auch nicht vor.

19

(1) Hinsichtlich der auf den Notenschutz bezogenen Klageanträge ergibt sich dies schon daraus, dass das Oberverwaltungsgericht die angenommene inhaltliche Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils auf Gründe stützt, denen ihrerseits grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt. Denn die Heranziehung von Erwägungen mit Grundsatzbedeutung zur Ablehnung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel verkürzt den vom Gesetzgeber für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorgesehenen Rechtsschutz im Berufungsverfahren in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise (vgl. BVerfGK 10, 208 <213 f. m.w.N.>).

20

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage immer dann, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO entspricht danach weitgehend dem der grundsätzlichen Bedeutung in der revisionszulassungsrechtlichen Bestimmung des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. BVerfGK 10, 208 <214>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2011 - 1 BvR 1764/09 -, NVwZ-RR 2011, S. 963 <964>).

21

Nach diesen Maßstäben kam der vom Oberverwaltungsgericht verneinten Frage, ob der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Legasthenie so genannten Notenschutz in Form der Nichtbewertung der Rechtschreibung verlangen konnte, grundsätzliche Bedeutung zu. Denn ihre Beantwortung hat Bedeutung weit über den Einzelfall des Beschwerdeführers hinaus und betrifft den Umfang des verfassungsrechtlich sowohl unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit im Prüfungsrecht (BVerfGE 52, 380 <388>) als auch des Benachteiligungsverbots gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (BVerfGE 96, 288<301 ff.>) bestehenden Anspruchs auf behinderungsbezogenen Nachteilsausgleich (zu der namentlich aus den verfassungsrechtlichen Bezügen abgeleiteten Grundsatzbedeutung der Rechtmäßigkeit der Bemerkung der Nichtberücksichtigung von Rechtschreibleistungen im Abiturzeugnis vgl. BayVGH, Urteile vom 28. Mai 2014 - 7 B 14.22 u.a. -, juris, Rn. 27). Die umstrittene Frage des Umfangs des Nachteilsausgleichs, der an Legasthenie leidenden Schülern zusteht, war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts noch nicht höchstrichterlich geklärt. Erst im Jahr 2015 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass aus dem Gebot der Chancengleichheit nur Ansprüche auf Änderung der Prüfungsbedingungen (Nachteilsausgleich), nicht aber solche auf Änderung des Maßstabs der Leistungsbewertung (Notenschutz) abgeleitet werden könnten (BVerwGE 152, 330). Hiergegen sind beim Bundesverfassungsgericht mittlerweile Verfassungsbeschwerden anhängig (Az. 1 BvR 2577/15, 1 BvR 2578/15 und 1 BvR 2579/15), über die noch nicht entschieden ist.

22

Das Oberverwaltungsgericht konnte die Nichtzulassung der Berufung wegen inhaltlicher Richtigkeit daher hierauf nicht stützen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der flankierenden Erwägungen, im Fach Deutsch gehörten Rechtschreibung und Zeichensetzung gerade zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen und der Schutz des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG beschränke sich auf seine Funktion als Abwehrrecht. Gleiches gilt für den Hinweis auf den nach den einschlägigen schulrechtlichen Ausführungsbestimmungen bestehenden pädagogischen Spielraum. Ob die erfolgten Abwertungen unter Berücksichtigung des Spielraums der Behinderung des Beschwerdeführers hinreichend Rechnung trugen, wäre gegebenenfalls erst in einem Berufungsverfahren zu klären gewesen.

23

(2) Auch mit Blick auf das (verneinte) Feststellungsinteresse verkürzt das Oberverwaltungsgericht die verfassungsrechtlich garantierten Zugangsmöglichkeiten zum Berufungsverfahren. Soweit es ausführt, es fehle an dem (vom Verwaltungsgericht insoweit nicht geprüften) Feststellungsinteresse, weil die Ausweisung der Deutschnoten in der Jahrgangsstufe 12 mit Blick auf deren Auswirkungen auf das Abiturergebnis keinen diskriminierenden Charakter hätten und der Beschwerdeführer hinsichtlich der anderen Einzelnoten schon nicht näher dargelegt habe, welche Punktzahl er für erforderlich halte, lagen diese Erwägungen nicht ohne Weiteres auf der Hand und überschritten den statthaften Prüfungsumfang im Berufungszulassungsverfahren. Inhaltlich liegen sie auch eher fern, weil der Beschwerdeführer dargelegt hat, dass die Feststellung, welche Noten er mit der von ihm für notwendig gehaltenen längeren Schreibzeitverlängerung in allen Fächern erreicht hätte, im Nachhinein nicht möglich ist. Gerade deswegen blieb ihm aber nur die Möglichkeit eines Feststellungsantrags, um eine in den erreichten Noten gegebenenfalls fortwirkende Benachteiligung durch einen entsprechenden Feststellungsausspruch zu beseitigen. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung ist im Übrigen geklärt, dass sich das notwendige Feststellungsinteresse in einer solchen Situation bereits aus der Geltendmachung einer fortdauernden faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung ergeben kann (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - BVerwG 1 WB 59.13 -, juris, Rn. 20; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 146 m.w.N.), die hier insbesondere im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG gerügt wird.

24

3. Auf die Beantwortung der weiteren vom Beschwerdeführer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen kommt es nicht an, da der angegriffene Beschluss die Berufungszulassung behandelt und keine Entscheidung zur Sache enthält.

III.

25

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf dem Verfassungsverstoß. Er ist daher gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache ist an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

26

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG und den Grundsätzen für die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 ff.>).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Aktenzeichen: 10 B 15.1609

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 22. Oktober 2015

(VG München, Entscheidung vom 17. Oktober 2014, Az.: M 22 K 13.2076)

10. Senat

Sachgebietsschlüssel: 520

Hauptpunkte:

Bezeichnung einer Partei als verfassungsfeindliche Bewegung in der Rede des Innenministers zur Vorstellung eines Verfassungsschutzberichts (und in der entsprechenden Presseerklärung); öffentlichrechtlicher Unterlassungsanspruch; allgemeine Leistungsklage; Parteienfreiheit; Betätigungsfreiheit;

Äußerungen des Ministers als mittelbar belastende negative Sanktion; Grundrechtseingriff;

Rechtsgrundlage für die Unterrichtung der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen einer Partei außerhalb von entsprechenden staatlichen Publikationen; Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen; rechtlicher Maßstab;

tatsächliche Würdigung des vom Verfassungsschutz vorgelegten Erkenntnismaterials;

Zurechenbarkeit von Äußerungen der Verantwortlichen einer Vereinigung (Partei); Bestrebungen zur Einschränkung der Religionsfreiheit der in der Bundesrepublik lebenden Muslime;

pauschal islamfeindliche Propaganda;

„Thesenpapier“ und Parteiprogramm mit Verzichtsforderung;

keine formelle Begründungspflicht bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit;

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit;

Art und Weise der Berichterstattung;

für Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (hier: verneint)

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

..., vertreten durch die Landesanwaltschaft ...,

- Beklagter

wegen Bezeichnung als verfassungsfeindliche Bewegung u. a.;

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Oktober 2014,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Senftl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Martini, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Zimmerer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2015 am 22. Oktober 2015 folgendes Urteil:

I.

In Abänderung der Nr. I. des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Oktober 2014 wird die Klage nunmehr insgesamt abgewiesen, soweit das Verfahren nicht wegen Klagerücknahme eingestellt worden ist.

II.

In Abänderung der Nr. II. des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Oktober 2014 trägt die Klägerin die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollsteckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen bestimmte Äußerungen des Bayerischen Staatsministers des Innern (jetzt Bayerischer Staatsminister des Innern, für Bau und Verkehr) bei einer Pressekonferenz am 12. April 2013 anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2012 und hierzu veröffentlichte Pressemitteilungen.

Auf der Pressekonferenz am 12. April 2013 führte der Minister in seiner Rede unter dem Stichwort „Islamfeindlichkeit“ aus, dass sich Islamfeindlichkeit - losgelöst von klassischen rechtsextremistischen Kreisen - teilweise auch als verfassungsfeindliche Bewegung formiere. Seit Michael St., der Sprecher der ... Gruppe M. (PI-Gruppe M.), Anfang 2012 den Landesvorsitz der Partei „DIE FR.“ übernommen habe, nutze der Landesverband eine Kampagne für ein Bürgerbegehren gegen das „Europäische Zentrum für Islam in München“ (ZIE-M) für pauschal islamfeindliche Propaganda. Die Aktivitäten zielten darauf ab, pauschale Ängste vor Muslimen als nicht integrierbare Ideologieanhänger zu schüren und alle Muslime aufgrund ihres Glaubens als Feinde des Rechtsstaats zu verunglimpfen. Dadurch würden die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und der Gleichbehandlungsgrundsatz als Kernbestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verletzt. Weiter teilte der Minister mit, dass der „Präsident des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz daher die Beobachtung der PI-Ortsgruppe M. und des Bayerischen Landesverbandes der Partei „DIE FR.“ angeordnet“ habe. In dem bei dieser Pressekonferenz vorgestellten Verfassungsschutzbericht 2012 selbst wird die Klägerin noch nicht erwähnt.

Zur Rede des Ministers wurde ein Manuskript an die anwesenden Pressevertreter verteilt. Die Rede wurde in der Pressemitteilung Nr. 139/13 des Bayerischen Innenministeriums vom 12. April 2013 und gleichlautend in einer Pressemitteilung unter dem Rubrum der Bayerischen Staatsregierung vom 12. April 2013 (Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium des Innern) ins Internet gestellt.

Am 3. Mai 2013 erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht München mit den (sinngemäßen) Anträgen, den Beklagten zu verpflichten, die Äußerungen des Bayerischen Innenministers vom 12. April 2013, dass die Partei „DIE FR.“ eine verfassungsfeindliche Bewegung sei, pauschal islamfeindliche Propaganda nutze und dadurch die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen würde, sowie die hierzu veröffentlichten Pressemitteilungen des Bayerischen Innenministeriums und der Bayerischen Staatsregierung vom 12. April 2013 zu widerrufen (I.), entsprechende Äußerungen künftig zu unterlassen (II.) und diese oder entsprechende Äußerungen auf den Internetseiten des Beklagten zu entfernen (III.).

Nach Rücknahme der Klage bezüglich des Klageantrags II. in der mündlichen Verhandlung hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 17. Oktober 2014 das Verfahren eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen wurde, den Beklagten verurteilt, die Rede des Bayerischen Staatsministers des Innern vom 12. April 2013 zur Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2012 und die hierzu herausgegebene Pressemitteilung auf den Internetseiten des Beklagten nur mehr in der Weise zugänglich zu machen, dass bezüglich der die Klägerin betreffenden Passagen die Formulierungen „verfassungsfeindliche Bewegung“ (Rede Seite 7, 2. Absatz), „pauschal islamfeindliche Propaganda“ (Rede Seite 8, 1. Absatz am Ende; Pressemitteilung 4. Absatz) und „die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und der Gleichbehandlungsgrundsatz ... verletzt“ (Rede Seite 8, 2. Absatz; Pressemitteilung 3. Absatz) unkenntlich gemacht oder entfernt werden, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, das Widerrufsbegehren (Klageantrag I.) sei unbegründet, weil es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen des Bayerischen Innenministers und den entsprechenden Pressemitteilungen vom 12. April 2013 ganz überwiegend nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um Werturteile handle. Bei Werturteilen scheide das Rechtsinstitut des Widerrufs, das ausschließlich der Richtigstellung unwahrer Tatsachenbehauptungen diene, aus. Hinsichtlich des zurückgenommenen Unterlassungsbegehrens (Klageantrag II.) sei das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO nach Rücknahme der Klage einzustellen. Im Übrigen (Klageantrag III.) habe die Klage Erfolg. Die Äußerungen des Bayerischen Staatsministers des Innern über die Klägerin auf der Pressekonferenz vom 12. April 2013 anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2012 und die entsprechenden Pressemitteilungen des Beklagten im Internet seien rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin habe einen Anspruch darauf, dass die Rede und die Pressemitteilungen nur nach Unkenntlichmachung oder Entfernung der Passagen über die Klägerin (öffentlich) zugänglich gemacht würden. Dieser Anspruch ergebe sich unmittelbar aus den konkret betroffenen verfassungsrechtlichen Positionen der Klägerin, also aus ihrer Parteifreiheit (Art. 3, 21 und 38 GG), ihrer Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Die angegriffenen Äußerungen und Pressemitteilungen, die der Abwehr besonderer Gefahren durch mit besonderen Befugnissen ausgestattete Behörden dienten, seien als Grundrechtseingriff zu bewerten, weil sie geeignet seien, sich abträglich auf das Bild der Klägerin in der Öffentlichkeit auszuwirken. Zudem behinderten sie die Klägerin als politische Partei in ihrer durch Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 gewährleisteten Mitwirkung an der politischen Meinungsbildung des Volkes. Zugleich sei die Klägerin als Partei in der ihr durch Art. 3, 21 und 38 GG gewährleisteten Chancengleichheit betroffen. Allerdings erlaube Art. 15 Satz 1 BayVSG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 BayVSG eine Beschränkung dieser Grundrechte. Sämtliche Formen verfassungsschutzbezogener Unterrichtung der Öffentlichkeit seien an diesen Bestimmungen zu messen. Da der Bayerische Innenminister als der für den Verfassungsschutz zuständige Ressortminister im Zusammenhang mit der Vorstellung eines Verfassungsschutzberichtes auf einer Pressekonferenz auch über die Klägerin verfassungsschutzrechtliche Bewertungen getroffen habe, die der Beklagte über Pressemitteilungen im Internet weiterverbreitet habe, genüge für solche Verlautbarungen nicht die allgemeine Kompetenz zur Äußerung von Regierungsmitgliedern.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Satz 1 in Verbindung mit Art. 3 BayVSG lägen hier nicht vor. Es spreche bereits viel dafür, dass die streitgegenständlichen Äußerungen nicht mehr von dieser Rechtsgrundlage gedeckt seien, weil den Werturteilen nicht gleichzeitig (auch) hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte zu ihrer Stützung beigefügt worden seien. Schon dem Wortlaut des Art. 15 BayVSG nach seien solche Fakten der Öffentlichkeit mitzuteilen gewesen und nicht nur die Werturteile. Auch nach Sinn und Zweck dieser Bestimmung sei die Mitteilung entsprechender Fakten erforderlich. An der gebotenen Mitteilung nachvollziehbarer tatsächlicher Anhaltspunkte fehle es hier völlig. Dieser Mangel habe nachträglich durch das vom Beklagten im Verfahren vorgelegte Tatsachenmaterial nicht geheilt werden können. Jedenfalls seien die streitgegenständlichen Äußerungen und deren Verbreitung durch Pressemitteilungen materiell rechtswidrig, weil - im Übrigen bis heute -keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die Behauptung existierten, die Klägerin sei eine verfassungsfeindliche Bewegung, die pauschal islamfeindliche Propaganda nutze und dadurch die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und den Gleichbehandlungsgrundsatz verletze. Für eine Erwähnung bestimmter Organisationen oder Personen im Verfassungsschutzbericht müssten unstreitig konkrete tatsächliche Anhaltspunkte (Anknüpfungstatsachen) für die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des Art. 3 Abs. 1 BayVSG objektiv vorliegen. Ein möglicher, nicht durch belegbare Tatsachen gestützter „bloßer Verdacht“ reiche nicht aus. Zwar habe die Beklagte im Verfahren umfangreiches und substanzielles Erkenntnismaterial zur Stützung der Bewertungen des Ministers vom 12. April 2013 vorgelegt. Diese Erkenntnisse begründeten allerdings nur den Verdacht, dass die Klägerin verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen könnte. Die Verdachtsmomente erlaubten hingegen keine definitive Aussage dahingehend, dass die Klägerin tatsächlich solche Bestrebungen verfolge. Dies habe die Kammer im Urteil vom 16. Oktober 2014 im Parallelverfahren M 22 K 14.1743 bezüglich der Erwähnung der Klägerin im Verfassungsschutzbericht 2013 und den entsprechenden Äußerungen des Ministers, die die im vorliegenden Rechtsstreit erhobenen Vorwürfe wiederholten und erweiterten, entschieden. Auf die Gründe dieses Urteils werde zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Insgesamt sei festzustellen, dass der Beklagte auf der Basis der damaligen wie der heutigen Erkenntnislage nur das Recht zur Beobachtung der Klägerin habe. Dem Beklagten sei es aber verwehrt, bereits jetzt gleichsam unter Vorwegnahme der Beobachtungsergebnisse zu einem endgültigen negativen verfassungsschutzrechtlichen Urteil über die Klägerin zu gelangen. Diese unzulässig vorweggenommene Beweiswürdigung komme jedoch in der Rede des Ministers vom 12. April 2013 zum Ausdruck, wenn er die Öffentlichkeit über die Beobachtung der Klägerin durch den Verfassungsschutz informiere, aber gleichzeitig bereits die definitive Einordnung der Klägerin als „verfassungsfeindliche Bewegung“ treffe.

Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28. Juli 2015 zugelassenen und mit Schriftsatz vom 24. August 2015 eingelegten Berufung macht der Beklagte im Wesentlichen geltend, Rechtsgrundlage für die streitbefangenen Äußerungen des Bayerischen Staatsministers des Innern sei nicht Art. 15 BayVSG. Vielmehr beruhten diese Äußerungen auf der allgemeinen Kompetenz der Staatsregierung bzw. ihrer Mitglieder zur Öffentlichkeitsarbeit. Die Unterrichtung der Öffentlichkeit nach Art. 15 Satz 1 BayVSG erfolge in Form und im Rahmen von Verfassungsschutzberichten. Dagegen seien die streitbefangenen Äußerungen weder in einem Verfassungsschutzbericht noch zur Information über tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen, sondern lediglich anlässlich der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts erfolgt. Die Äußerungen seien im Zusammenhang mit der Mitteilung, dass die Klägerin nunmehr als Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz geführt werde, erfolgt und hielten sich im Rahmen der zulässigen Öffentlichkeitsarbeit auf der Basis der angeführten allgemeinen Kompetenz der Staatsregierung. Es habe sich um Äußerungen zu Vorgängen innerhalb des auch für den Bereich des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz zuständigen Ressorts des Bayerischen Staatsministers des Inneren gehandelt. Die Aktivitäten der Klägerin und insbesondere auch ihres Landesvorsitzenden seien im Vorfeld dieser Pressekonferenz bereits häufiger Gegenstand der Medienberichterstattung gewesen. Zudem hätten bereits mehrere schriftliche Anfragen aus der Mitte des Bayerischen Landtages zur Einschätzung der Staatsregierung über die Vereinbarkeit der Aktivitäten der Klägerin mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vorgelegen. Die am 12. April 2013 erfolgte komprimierte Darstellung bewege sich innerhalb der zulässigen Grenzen für die Öffentlichkeitsunterrichtung über nicht verbotene politische Parteien, wie sie das Bundesverfassungsgericht aufgestellt habe. Dass die Aufnahme der Klägerin als Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz zu Recht erfolgt sei, habe das Verwaltungsgericht im Übrigen im dortigen Parallelverfahren M 22 K 14.1092 bestätigt. Selbst wenn man jedoch von der Anwendbarkeit des Art. 15 BayVSG ausgehen würde, dürften an eine allgemeine informatorische Rede über die Aufnahme der Beobachtung einer Gruppierung durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz nicht dieselben Ansprüche gestellt werden wie an eine schriftliche Darstellung in einem Verfassungsschutzbericht. Insoweit sei die Nennung der zum Zeitpunkt der Äußerungen des Bayerischen Staatsministers des Innern bereits vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen der Klägerin in der Pressekonferenz nicht erforderlich gewesen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts lägen bezüglich der Klägerin nicht nur Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen, sondern hinreichende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vor. Schließlich habe auch das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 16. Oktober 2014 im Verfahren M 22 K 14.1092 die Beobachtung unter anderem der Klägerin durch den Verfassungsschutz für rechtmäßig erklärt. Das Verwaltungsgericht lege in der angefochtenen Entscheidung bereits einen fehlerhaften Prüfungsmaßstab an. Denn es gehe um die Prüfung, ob tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen (im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG) vorliegen, und nicht, ob tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen vorliegen. Tatsächliche Anhaltspunkte für entsprechende Bestrebungen lägen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht erst dann vor, wenn sie zweifelsfrei bewiesen seien. Derartige Anforderungen wären mit den Aufgaben des Verfassungsschutzes als Frühwarnsystem der Demokratie unvereinbar. Die Anhaltspunkte müssten aber so gewichtig sein, dass sie über einen bloßen Verdacht hinausgingen. Lägen solche gewichtigen Anhaltspunkte wie im vorliegenden Fall vor, sei eine Information der Öffentlichkeit über die Aufnahme als Beobachtungsobjekt durchaus verhältnismäßig und stelle keine Vorwegnahme möglicher Beobachtungsergebnisse dar. Die bezüglich der Klägerin vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte seien hinreichend gewichtig, um eine Bezeichnung als verfassungsfeindliche Bestrebungen zu rechtfertigen. Mit der Klageerwiderung in erster Instanz vom 5. August 2013, die auch zum Gegenstand des Vorbringens im Berufungsverfahren gemacht werde, seien dem Gericht umfangreiche entsprechende Belege übermittelt worden. Diese ergäben ein geschlossenes Bild bestehender tatsächlicher und hinreichend gewichtiger Anhaltspunkte für die klägerischen Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Ausdrücklich werde insbesondere nochmals auf das „Thesenpapier“ verwiesen. Dass dieses Thesenpapier hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen liefere, hätten das Verwaltungsgericht im Urteil im Verfahren M 22 K 14.1092 und zuletzt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 30. Juli 2015 im Verfahren 10 ZB 15.819 festgestellt. Die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Verfahren, es hätten zum Zeitpunkt der Rede des Bayerischen Staatsministers des Innern keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die aufgestellten Behauptungen vorgelegen und lägen bis jetzt auch nicht vor, sei somit verfehlt. Die vom Verwaltungsgericht angenommenen, vermeintlich entlastenden Gesichtspunkte könnten nicht zugunsten der Klägerin durchgreifen. So sei die Distanzierung einer Gruppierung von einer anderen Extremismusform (hier: Rechtsextremismus) kein tragfähiges Argument. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts sei das Bestehen geringer Restzweifel hinsichtlich des Willens einer Gruppierung, ihre Ziele auch zu verwirklichen, unschädlich. Bei der Vielzahl der einschlägigen Äußerungen der Klägerin und insbesondere ihres Landesvorsitzenden sei eine mäßigende Interpretation der klägerischen Aktivitäten nicht nachvollziehbar.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17.10.2014 die Klage abzuweisen, soweit das Verfahren nicht wegen Klagerücknahme eingestellt worden ist.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Verwaltungsgericht habe widerspruchsfrei und zu Recht festgestellt, dass zwar ausreichende Anhaltspunkte für eine weitere Beobachtung der Klägerin, aber keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Berichterstattung über die Klägerin vorgelegen hätten. Die vom Beklagten angeführten tatsächlichen Anhaltspunkte hätten sich dafür als nicht tragfähig erwiesen. Das von der Beklagten immer wieder angeführte „Thesenpapier“ sei kein Papier der Partei DIE FR.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof am 12. Oktober 2015 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Parteien eingehend erörtert. Auf die Sitzungsniederschrift vom 12. Oktober 2015 wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist auch begründet. Denn entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann die Klägerin vom Beklagten nicht verlangen, die streitbefangene Rede des Bayerischen Staatsministers des Innern vom 12. April 2013 zur Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2012 und die hierzu herausgegebene Pressemitteilung nur mehr in der Weise weiter öffentlich zugänglich zu machen, dass zuvor in den die Klägerin betreffenden Passagen die Formulierungen „verfassungsfeindliche Bewegung“, „pauschal islamfeindliche Propaganda“ und „die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und der Gleichbehandlungsgrundsatz ... verletzt“ entfernt oder unkenntlich gemacht werden.

1. Gemäß § 128 Satz 1 VwGO prüft der Verwaltungsgerichtshof den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht. Gegenstand des aufgrund des Berufungsantrags des Beklagten noch anhängigen Klagebegehrens der Klägerin ist ungeachtet der in erster Instanz formulierten Klageanträge (s. § 88 VwGO) und der vor dem Verwaltungsgericht erklärten Rücknahme des Unterlassungsantrags (II.) nicht mehr nur der Anspruch auf Folgenbeseitigung einer gegenüber der Klägerin begangenen Rechtsverletzung, wofür die Formulierung des Klageantrags III. sprechen könnte. Unter Berücksichtigung des wirklichen Rechtsschutzziels und des gesamten Vortrags der Klägerin (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. 2014, § 88 Rn. 8 m. w. N.) beinhaltet das verbleibende und noch anhängige Klagebegehren letztlich den behaupteten öffentlichrechtlichen (Unterlassungs-)Anspruch der Klägerin, dass der Beklagte die Rede des Innenministers und die dazu herausgegebene Presseerklärung nur nach Entfernung oder Unkenntlichmachung der streitbefangenen Passagen über die Klägerin weiter verbreiten bzw. veröffentlichen darf. Über dieses Klagebegehren hat das Erstgericht auch entschieden und in seiner der allgemeinen Leistungsklage insoweit stattgebenden Entscheidung einen solchen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Unterlassung der beanstandeten Äußerungen bejaht.

2. Die auf diesen öffentlichrechtlichen Unterlassungsanspruch (vgl. auch BVerwG, U. v. 21.5.2008 - 6 C 13.07 - juris Rn. 13; U. v. 26.6.2013 - 6 C 4.12 - juris Rn. 26) gerichtete allgemeine Leistungsklage (vgl. Happ in Eyermann, a. a. O., § 42 Rn. 62 ff.) der Klägerin ist unbegründet. Denn der geltend gemachte Unterlassungsanspruch, der sich in Ermangelung einer spezialgesetzlichen Grundlage (allein) aus grundrechtlich geschützten Positionen der Klägerin ableiten lässt (st. Rspr.; vgl. z. B. BVerwG, U. v. 21.5.2008 - 6 C 13.07 - juris Rn. 13; U. v. 25.1.2012 - 6 C 9.11 - juris Rn. 22; BayVGH, B. v. 16.7.2010 - 10 CE 10.1201 - juris Rn. 16; B. v. 23.9.2010 - 10 CE 10.1830 - juris Rn. 18; SächsOVG, B. v. 6.7.2012 - 5 B 172/12 - juris Rn. 21), steht der Klägerin nicht zu. Zum einen fehlt es bereits an der dafür erforderlichen rechtswidrigen Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Positionen der Klägerin durch die von ihr beanstandeten Äußerungen (2.1.) Zum anderen liegt auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr nicht vor (2.2.)

2.1. Eine rechtswidrige Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Positionen der Klägerin ist durch die von ihr beanstandeten Äußerungen nicht erfolgt. Zwar greift der Beklagte mit diesen Äußerungen und dem darin erhobenen Vorwurf, die Klägerin verfolge verfassungsfeindliche Bestrebungen, in die grundrechtlich geschützte Sphäre der Klägerin ein (2.1.1.). Dieser Eingriff ist entgegen der Auffassung des Beklagten an Art. 15 Satz 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 BayVSG zu messen und kann nicht mehr (nur) auf die Aufgabe der Staatsleitung und die aus ihr abgeleitete Befugnis zu staatlichem Informationshandeln (hier: allgemeine Kompetenz der Staatsregierung zur Öffentlichkeitsarbeit) gestützt werden (2.1.2.). Der Eingriff in die grundrechtlich geschützte Position der Klägerin ist jedoch nicht rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für die streitbefangene Unterrichtung der Öffentlichkeit nach Art. 15 Satz 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 BayVSG vorliegen und die vom Beklagten vorgelegten Erkenntnisse entgegen der Auffassung des Erstgerichts nicht nur einen bloßen Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen begründen (2.1.3.). Entgegen der -die angefochtene Entscheidung allerdings nicht tragenden - Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte bei der streitbefangenen Information der Öffentlichkeit auch nicht gegen eine Begründungspflicht verstoßen, weil sich aus Art. 15 Satz 1 BayVSG ein solches (formelles) Begründungserfordernis zur Angabe der den Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG zugrunde liegenden tatsächlichen Anhaltspunkte nicht herleiten lässt (2.1.4.). Schließlich hat der Beklagte mit der in der Rede des Innenministers gewählten Art und Weise der Darstellung und der dazu herausgegebenen Presseerklärung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt (2.1.5.).

2.1.1. Der Beklagte greift mit den streitbefangenen Äußerungen - „verfassungsfeindliche Bewegung“, „pauschal islamfeindliche Propaganda“ und „die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und der Gleichbehandlungsgrundsatz . verletzt“ - in die grundbzw. verfassungsrechtlich geschützte Sphäre der Klägerin ein. Als Rechtsgrundlage für den Unterlassungsanspruch der Klägerin kommt hier vor allem Art. 21 Abs. 1 GG mit der darin verfassungsrechtlich gewährleisteten Parteienfreiheit in Form der Betätigungsfreiheit als politische Partei (zum Meinungsstand bezüglich der Rechtsnatur der Gewährleistungen aus Art. 21 Abs. 1 GG vgl. Kluth in BeckOK, Stand: 1.6.2015, Art. 21 Rn. 93 ff.) und der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb (insoweit in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 GG; vgl. z. B. BVerfG, U. v. 10.6.2014 - 2 BvE 4/13 - juris Rn. 25) in Betracht. Eine Verletzung dieser Rechte kann insbesondere auch dadurch erfolgen, dass staatliche Organe negative Werturteile über die Ziele und Betätigungen der Partei äußern (vgl. BVerfG, U. v. 10.6.2014 - 2 BvE 4/13 - juris Rn. 25). Ob sich ein solcher Schutzanspruch der Klägerin daneben auch auf das ihr als juristischer Person nach Art. 19 Abs. 3 GG zustehende allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) stützen lässt (zum Verhältnis von Art. 21 GG zu anderen Verfassungsbestimmungen und Grundrechten vgl. Kluth in BeckOK, Stand: 1.6.2015, Art. 21 Rn. 12; Ipsen in Sachs, Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 21 Rn. 28 ff.), kann hier letztlich dahinstehen.

Zwar ist nicht jedes staatliche Informationshandeln und nicht jede Teilhabe des Staates am Prozess öffentlicher Meinungsbildung als Grundrechtseingriff zu bewerten. Die Erwähnung und kritische Auseinandersetzung mit dem betroffenen Grundrechtsträger in einem Verfassungsschutzbericht, die auf die Abwehr besonderer Gefahren durch Aufklärung der Öffentlichkeit über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zielt (s. Art. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 15 Satz 1 BayVSG) geht jedenfalls nach ständiger Rechtsprechung über die bloße Teilhabe staatlicher Funktionsträger an öffentlichen Auseinandersetzungen oder an der Schaffung einer hinreichenden Informationsgrundlage für eine eigenständige Entscheidungsbildung der Bürger hinaus und stellt eine mittelbar belastende negative Sanktion mit Eingriffscharakter dar (BVerfG, B. v. 24.5.2005 - 1 BvR 1072/01 - juris Rn. 52 ff.; BVerwG, U. v. 21.5.2008 - 6 C 13.07 - juris Rn. 15). Auch wenn die kritische Auseinandersetzung mit der Klägerin im vorliegenden Fall (noch) nicht im beim betreffenden Pressetermin vorgestellten Verfassungsschutzbericht 2012, sondern nur im Rahmen der Rede des für die Unterrichtung der Öffentlichkeit nach Art. 15 Satz 1 BayVSG u. a. zuständigen Staatsministers des Innern zur Vorstellung dieses Verfassungsschutzberichts erfolgte, gilt für die streitbefangenen Äußerungen des Ministers bezogen auf die Betätigungsfreiheit der Klägerin als politische Partei (Art. 21 Abs. 1 GG) nichts anderes. Denn auch durch die Information der Öffentlichkeit in einer Rede des für den Verfassungsschutz zuständigen Ministers über die Anordnung der förmlichen Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz verbunden mit dem Vorwurf, die Klägerin verfolge verfassungsfeindliche Bestrebungen, werden die Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes und die Chancengleichheit im Wettbewerb der Parteien negativ betroffen und beeinflusst. Gerade die Bewertungen als verfassungsfeindlich und als die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzend können im Wettbewerb um Wähler und Einfluss im gesellschaftlichen und staatlichen Bereich die Bürger veranlassen, sich von der Klägerin und ihrem Angebot als Partei abzuwenden. Diese Bewertungen setzen das Ansehen der Klägerin in der Öffentlichkeit herab und sind grundsätzlich geeignet, die politische und gesellschaftliche Isolierung (Warnfunktion) der als verfassungsfeindlich bezeichneten Gruppierung zu erreichen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2010 - 10 CE 10.1830 - juris Rn. 20; Murswiek, NVwZ 2004, 769/771 f.). Auch solche mittelbaren Wirkungen der beanstandeten Äußerungen kommen einem Eingriff in die Betätigungsfreiheit und Chancengleichheit der Klägerin als politische Partei gleich.

2.1.2. Dieser Eingriff ist entgegen der Auffassung des Beklagten an Art. 15 Satz 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 BayVSG zu messen.

Die Betätigungsfreiheit und Chancengleichheit der Klägerin als politische Partei finden ihre Schranken in der Entscheidung des Grundgesetzes für eine „streitbare Demokratie“. Diese Grundentscheidung ist im Wesentlichen aus Art. 9 Abs. 2, Art. 18, Art. 20 Abs. 4, Art. 21 Abs. 2 und Art. 28 Abs. 3 GG herzuleiten. Das Grundgesetz vertraut aufgrund geschichtlicher Erfahrung nicht allein darauf, die freiheitliche Demokratie werde sich im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung ohne weiteres behaupten. Es hat deshalb dem Staat die Aufgabe übertragen, die zentralen Grundwerte der Verfassung durch (repressive) Schutzvorkehrungen zu sichern und zu gewährleisten (BVerwG, U. v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 24).

Der Staat ist demnach grundsätzlich nicht gehindert, das tatsächliche Verhalten von Gruppen oder deren Mitgliedern wertend zu beurteilen, und kann die Grundsätze und Wertvorgaben des Grundgesetzes durch Organe und Funktionsträger des Staates auch mithilfe von Informationen an die Öffentlichkeit und der Teilhabe an öffentlichen Auseinandersetzungen verteidigen (BVerfG, B. v. 24.5.2005 - 1 BvR 1072/01 - juris Rn. 58; BVerwG, U. v. 21.5.2008 - 6 C 13.07 - juris Rn. 21). Führt das staatliche Informationshandeln wie hier aber zu Beeinträchtigungen, die einen Grundrechtseingriff darstellen oder ihm gleichkommen, bedürfen sie der Rechtfertigung durch eine gesetzliche Ermächtigung (BVerfG a. a. O. Rn. 58; BVerwG a. a. O. Rn. 21). Hat der Gesetzgeber die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde und die Erfüllung ihrer Aufgabe zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerade auch im Hinblick auf das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz besonders geregelt und dabei neben den Aufgaben die Befugnisse zur Erfüllung dieser Aufgaben bestimmt (so die Gesetzesbegründung, LT-Drs. 11/14928 S. 1 A), muss sich das Grundrechte beschränkende staatliche Informationshandeln zur Sicherung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an den (entsprechenden) Befugnisnormen dieses Gesetzes messen lassen, die insbesondere auch festlegen, unter welchen Voraussetzungen die Verfassungsschutzbehörde in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen darf (vgl. LT-Drs. 11/14928 S. 1 B). Entgegen der Auffassung des Beklagten, Rechtsgrundlage für die Äußerungen des Staatsministers des Innern (für Bau und Verkehr) sei die allgemeine Kompetenz der Staatsregierung bzw. ihrer Mitglieder zur Öffentlichkeitsarbeit (vgl. dazu BVerfG, B. v. 29.10.1975 - 2 BvE 1/75 - juris Rn. 19 f., das in dieser Entscheidung als Schranke der Befugnis der Staatsorgane, negative Werturteile über nicht verbotene politische Parteien kundzutun, (nur) das Willkürverbot heranzieht), ist auch diese Form der Unterrichtung der Öffentlichkeit an der dafür geschaffenen eigenständigen gesetzlichen Grundlage im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz zu messen. Auch aus der vom Beklagten in diesem Zusammenhang noch angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Februar 2013 (2 BvE 11/12 - juris) zum Feststellungsantrag der dortigen Klägerin, dass sie nicht verfassungswidrig im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG ist, ergibt sich nichts anderes. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht dort ausgeführt, jenseits der Frage einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage verbiete das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit als ein wesentlicher Bestandteil der demokratischen Grundordnung staatlichen Stellen, eine nicht verbotene politische Partei in der Öffentlichkeit nachhaltig verfassungswidriger Zielsetzung und Betätigung zu verdächtigen, wenn ein solches Vorgehen bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich sei und sich daher der Schluss aufdränge, dass es auf sachfremden Erwägungen beruhe (Rn. 22 der Entscheidung). Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht im Folgenden aber auch ausgeführt, die Sammlung und Auswertung von Informationen über eine Partei durch die Verfassungsschutzbehörden und ihre Aufnahme in einen Verfassungsschutzbericht böten einen Ansatz für die gerichtliche Kontrolle. Die Verfassungsschutzbehörden dürften die Maßnahmen nur ergreifen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestünden, die dafür sprächen, dass die Partei verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge, und die belastenden Maßnahmen den rechtsstaatlichen Anforderungen namentlich der Verhältnismäßigkeit genügten (Rn. 24 dieser Entscheidung). Nichts anderes hat der bayerische Gesetzgeber aber letztlich in Art. 15 BayVSG bestimmt.

Art. 15 BayVSG, der die Befugnisnorm zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten enthält, regelt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nur die Unterrichtung der Öffentlichkeit „durch schriftliche und periodisch erscheinende Verfassungsschutzberichte“. Weder nach dem Wortlaut noch der Gesetzesbegründung oder dem in dieser gesetzlichen Bestimmung objektiv zum Ausdruck kommenden Zweck ist eine solche Auslegung geboten. So ist in der Gesetzesbegründung zur weitgehend identischen Vorgängervorschrift des Art. 13 BayVSG (LT-Drs. 11/14928 S. 11) Folgendes ausgeführt: „Die Unterrichtung der Öffentlichkeit, etwa durch die Herausgabe von Verfassungsschutzberichten oder sonstigen Informationsschriften, dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Eine gut informierte Öffentlichkeit ist der beste Verfassungsschutz. ... Das wirksamste Mittel dagegen ist nicht exekutives Eingreifen, sondern die öffentliche Darstellung des Sachverhalts. Art. 13 schafft dafür im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE Band 40 S. 287 ff) eine eigenständige gesetzliche Grundlage. Der Verfassungsschutzbericht und andere Aufklärungsmaterialien sind staatliche Publikationen, die das Staatsministerium des Innern oder das Landesamt für Verfassungsschutz in amtlicher Funktion herausgeben.“ Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs dieser Befugnisnorm auf Verfassungsschutzberichte ist dem gerade nicht zu entnehmen. Auch nach dem Zweck des Verfassungsschutzes, durch Aufklärung der Öffentlichkeit Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes und der Länder abzuwehren (vgl. BVerfG, B. v. 24.5.2005 - 1 BvR 1072/01 - juris Rn. 53 zu § 3 Abs. 1 und § 15 Abs. 2 VSG NRW), also die öffentliche Darstellung des Sachverhalts (LT-Drs. 11/14928 S. 11), ist der Anwendungsbereich dieser speziellen Befugnisnorm nicht, wie der Beklagte geltend macht, auf periodisch erscheinende schriftliche Verfassungsschutzberichte begrenzt. Vielmehr macht es gerade mit Blick auf betroffene Grundrechte, insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, und vorliegend die Parteienfreiheit der Klägerin keinen entscheidenden Unterschied, ob die Öffentlichkeit in einer schriftlichen Publikation wie dem Verfassungsschutzbericht (oder z. B. dem in Bayern daneben üblichen Halbjahresbericht) oder im Rahmen einer entsprechenden Pressekonferenz und einer dazu herausgegebenen schriftlichen Presseerklärung (ebenfalls mit ganz erheblicher Breitenwirkung) über bei einer Gruppierung oder Partei festzustellende verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten informiert wird.

2.1.3. Mit der in Art. 15 BayVSG geregelten Befugnis zur Unterrichtung der Öffentlichkeit hat der Gesetzgeber zu entsprechenden Eingriffen nicht nur in die Betätigungsfreiheit politischer Parteien, sondern auch in sonstige Grundrechte Betroffener, unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ermächtigt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die streitbefangene Unterrichtung der Öffentlichkeit nach Art. 15 Satz 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 BayVSG liegen vor. Die vom Beklagten vorgelegten Erkenntnisse begründen entgegen der Auffassung des Erstgerichts nicht nur einen „bloßen Verdacht“ verfassungsfeindlicher Bestrebungen.

2.1.3.1. Gemäß Art. 15 Satz 1 BayVSG unterrichten das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr und das Landesamt für Verfassungsschutz die Öffentlichkeit über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG. Ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, des Ausführungsgesetzes Art. 10-Gesetz und des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes hat der Gesetzgeber mit der (nachträglichen) Einfügung der Worte „tatsächliche Anhaltspunkte für“ in Art. 15 Satz 1 BayVSG im Hinblick auf eine enge Auslegung der entsprechenden Vorschrift des Landes Berlin durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 6.4.2006 - 3 B 3. 99) klarstellen wollen, dass eine Berichterstattung in Bayern bereits bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte und nicht erst bei sicherem Vorliegen von Bestrebungen zulässig ist (Zu § 1 Nr. 7 - Art. 15 Satz 1 BayVSG -, LT-Drs. 15/10313 S. 26/27; zur Auslegung der bundesrechtlichen Ermächtigung des § 16 Abs. 1 BVerfSchG vgl. dagegen BVerwG, U. v. 26.6.2013 - 6 C 4.12 - juris). Damit verlangt diese Befugnisnorm gerade noch keine Gewissheit darüber, dass Bestrebungen vorliegen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (vgl. auch BVerwG, U. v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 28 zur insoweit vom Wortlaut vergleichbaren Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG). Mit dem tatbestandlichen Erfordernis tatsächlicher Anhaltspunkte wird andererseits auch klargestellt, dass bloße Vermutungen oder ein bloßer Verdacht nicht ausreichen, sondern konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis vorliegen müssen (vgl. BayVGH, B. v. 16.7.2010 - 10 CE 10.1201 - juris Rn. 22; BVerwG, U. v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 30).

Bestrebungen nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG sind unter anderem Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG). Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist wiederum in Art. 1 Abs. 2 BayVSG definiert. Nach Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayVSG gehört zu den grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung insbesondere auch die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung. Der Begriff Bestrebungen selbst ist im BayVSG nicht definiert. Wegen des identischen Wortlauts kann jedoch auf die Legaldefinition in § 4 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG zurückgegriffen werden. Danach sind darunter politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) BVerfSchG) zu verstehen. Solche Bestrebungen (und Tätigkeiten) können nach der Klarstellung in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. BayVSG von Gruppierungen oder Einzelpersonen ausgehen; vom Begriff Gruppierung werden sowohl unorganisierte Gruppen als auch jede Form einer Organisation einschließlich einer politischen Partei umfasst (so die Gesetzesbegründung zu Art. 3 Abs. 1 BayVSG, LT-Drs. 11/14928 S. 8). Bestrebungen in diesem Sinne erfordern damit ein aktives, jedoch nicht notwendig kämpferischaggressives Vorgehen, d. h. äußerlich feststellbare Aktivitäten wie z. B. öffentliche Auftritte, Veranstaltungen und Bekundungen. Diese Aktivitäten bzw. Handlungen müssen auch eine gewisse Zielstrebigkeit aufweisen, also auf die Durchsetzung eines Ziels ausgerichtet sein. Schließlich müssen die betreffenden Bestrebungen politisch bestimmt und damit objektiv geeignet sein, über kurz oder lang politische Wirkungen zu entfalten (zum Begriff Bestrebungen vgl. Roth in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, Kommentar, BVerfSchG, §§ 3, 4 Rn. 14 ff. m. w. N.; BVerwG, U. v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 59 f.). Erfasst sind damit (nur) Verhaltensweisen, die über rein politische Meinungen hinausgehen und auf die Durchsetzung eines solchen Ziels gerichtet sind. Die bloße Kritik an Verfassungswerten ist nicht als Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzuschätzen, wohl aber darüber hinausgehende Aktivitäten zu deren Beseitigung (BVerfG, B. v. 24.5.2005 - 1 BvR 1072/01 - juris Rn. 70).

2.1.3.2. Die Annahme des Verwaltungsgerichts in der angefochtenen Entscheidung, das vom Beklagten zur Stützung der streitbefangenen Äußerungen des Ministers vorgelegte umfangreiche und substantielle Erkenntnismaterial begründe nur den Verdacht, dass die Klägerin verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen könnte, erlaube aber keine wie hier getroffene definitive Aussage dahingehend, dass die Klägerin tatsächlich solche Bestrebungen verfolge, beruht schon auf einer fehlerhaften Auslegung des Art. 15 Satz 1 BayVSG und damit einem falschen Prüfungsmaßstab.

Denn das Verwaltungsgericht verweist diesbezüglich auf seine Würdigung der durch den Beklagten vorgelegten Erkenntnisse im Urteil im Parallelverfahren M 22 K 14.1743 (zur Erwähnung der Klägerin im Verfassungsschutzbericht 2013) vom 16. Oktober 2014. Dort (unter Rn. 71 ff.) hat das Verwaltungsgericht unter anderem ausgeführt, dass die durch die Klägerin und ihre Funktionäre verlautbarten fortwährenden und nachhaltigen Herabsetzungen bestimmter Minderheiten nicht ein qualitatives Maß und eine Nachhaltigkeit erreichten, die nur noch geringe Restzweifel an der Ernsthaftigkeit, die sich aus den Verlautbarungen ergebenden Ausgrenzungen auch in politische Taten umsetzen zu wollen, zulasse. Die aufgeführten belastenden Anhaltspunkte selbst seien nicht völlig unzweideutig und ohne Zweifel. Sie enthielten zwar in ihrer Gesamtschau und ihrem Duktus Äußerungen, woraus sich der Verdacht tatsächlicher Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen ableiten lasse. Jedoch fehle es an stichhaltigen, eindeutigen und ausdrücklichen Bekenntnissen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, die von ihrer Intensität und Klarheit im Lichte der hier maßgeblichen beeinträchtigten Grundrechte dazu geeignet wären, die öffentliche Berichterstattung über die Klägerin als verfassungsfeindliche Gruppierung und neue eigenständige Extremismusform zu rechtfertigen. Unter objektiver Einbeziehung der öffentlichen Äußerungen insbesondere des Vorsitzenden der Klägerin könne nicht mit der notwendigen Gewissheit gänzlich ausgeschlossen werden, dass sich die Bestrebungen der Klägerin tatsächlich (nur) gegen die islamistischen und damit grundgesetzwidrigen Bestandteile des Islam richteten. Nach derzeitigem Erkenntnisstand könne daher nicht mit der notwendigen Sicherheit angenommen werden, dass sich die Bestrebungen der Klägerin außerhalb des Rahmens der verfassungsmäßigen Ordnung bewegten.

Damit geht das Erstgericht aber, wie der Senat auch in seinem Urteil ebenfalls vom 22. Oktober 2015 im Parallelverfahren 10 B 15.1320 dargelegt, von Kategorien und Tatbestandsvoraussetzungen der Unterrichtung der Öffentlichkeit gemäß Art. 15 Satz 1 BayVSG aus, die sich dieser hier maßgeblichen Befugnisnorm so nicht entnehmen lassen. Auch verlangt das Verwaltungsgericht aufgrund seines Verständnisses dieser Norm für eine Information der Öffentlichkeit zu Unrecht letztlich schon die Gewissheit darüber, dass Bestrebungen vorliegen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Dies ist aber weder mit dem Wortlaut des Art. 15 Satz 1 BayVSG noch dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers (vgl. dazu oben) noch dem Zweck der Unterrichtung der Öffentlichkeit - neben der Aufklärungsfunktion auch eine Warn- und Abwehrfunktion (vgl. dazu Mallmann in Schenke/Graulich/Ruthig, a. a. O., BVerfSchG, § 16 Rn. 4) - zu vereinbaren. So ist etwa zur Begründung der Änderung des Art. 15 Satz 1 BayVSG mit der Einfügung „tatsächliche Anhaltspunkte für“ ausgeführt, die Verfassungsschutzbehörden könnten die ihnen von der Verfassung zugewiesene Aufgabe nicht effektiv wahrnehmen, wenn sie untätig bleiben müssten, bis sich die Verfassungsfeindlichkeit ihrer Beobachtungsobjekte beweisen ließe (LT-Drs. 15/10313 S. 27).

Die Vertreter des Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof die Praxis der bayerischen Verfassungsschutzbehörde allgemein wie folgt erläutert (S. 3 ff. der Sitzungsniederschrift): Ergäben sich aufgrund ganz allgemeiner Beobachtungen, z. B. im Internet, ausreichende Indizien oder Anhaltspunkte und komme das Landesamt für Verfassungsschutz auf dieser Grundlage zu der Einschätzung, dass diese einer näheren Begutachtung bedürften, werde förmlich bei der Amtsleitung der Behörde ein so genannter Prüffall (Beobachtungsverfahren auf Landesebene) beantragt. Nach einer förmlichen Anordnung durch die Amtsleitung der Behörde erfolge dann eine weitere Abklärung dahingehend, ob hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte festgestellt werden könnten, um zur Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen im Sinne des Art. 15 Satz 1 BayVSG zu kommen.

Erst wenn sich über einen längeren Zeitraum Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen quantitativ und qualitativ so verdichtet hätten, dass die Prognose bzw. Annahme solcher Bestrebungen gerechtfertigt sei, werde im Verfassungsschutzbericht über die jeweilige Organisation berichtet. Diese Praxis steht grundsätzlich im Einklang mit der oben dargelegten Auslegung des Art. 15 Satz 1 BayVSG.

Zudem sind auch die tatsächliche Würdigung der aus dem vom Beklagten vorgelegten Erkenntnismaterial zu gewinnenden tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG und die vom Erstgericht hieraus gezogenen Schlussfolgerung rechtlich zu beanstanden. Nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats (s. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ergeben sich vielmehr hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen der Klägerin nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG, die eine Unterrichtung der Öffentlichkeit in der streitbefangenen Form rechtfertigen.

Ob solche tatsächlichen Anhaltspunkte bei der Klägerin vorliegen, beurteilt sich nicht nur nach deren eigenen Verlautbarungen, sondern auch denjenigen ihres Landesvorsitzenden, da dessen Aktivitäten und Äußerungen der Klägerin zuzurechnen sind. Dies gilt einerseits für dessen Tätigkeit in seiner Funktion als Landesvorsitzender. Aber auch Texte und Äußerungen von leitenden Mitgliedern einer Vereinigung sind dieser zuzurechnen, wenn sie als solche zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit der Vereinigung verfasst oder getätigt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen dieser Vereinigung handeln (vgl. BayVGH, B. v. 30.7.2015 - 10 ZB 15.819 - juris Rn. 43 unter Verweis auf BVerwG, U. v. 14.5.2014 - 6 A 3.13 - juris Rn. 35). Insoweit kann es eine trennscharfe Unterscheidung zwischen einer rein privaten und einer der Vereinigung zuzurechnenden Sphäre nicht geben. Eine Zurechnung ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn ein solcher Text oder eine Äußerung inhaltlich auf einer Linie mit anderen Beiträgen liegt, die der Vereinigung eindeutig zugeordnet werden können (vgl. BVerwG, U. v. 19.12.2012 - 6 A 6. 11 - juris Rn. 18). Da der Landesvorsitzende der Klägerin zugleich Vorsitzender der P.I.-Ortsgruppe M. ist und Mitglieder der P.I.-Ortsgruppe M. auch den Kern der Klägerin ausmachen, sind wegen der engen personellen und programmatischen Verflechtung der Klägerin daher auch Texte und Äußerungen zuzurechnen, die der Landesvorsitzende der Klägerin im Rahmen seiner Tätigkeit für die P.I.-Ortsgruppe M. verfasst oder gemacht hat.

Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass sich aus dem im Verfahren vorgelegten Grundsatzprogramm 2.0 (Kurzversion vom 23.2.2013) der Klägerin und dem Thesenpapier ihres (späteren) Landesvorsitzenden vom Oktober und November 2011 hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Klägerin in mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG unvereinbarer Weise die Religionsfreiheit der in der Bundesrepublik lebenden Muslime einschränken und damit die freiheitliche demokratische Grundordnung insoweit außer Geltung setzen will.

Mit Beschluss vom 30. Juli 2015 (10 ZB 15.819 - juris) hat der Senat zur Beobachtung islamkritischer Vereinigungen durch den Verfassungsschutz und zur Bewertung des Thesenpapiers des Landesvorsitzenden der Klägerin Folgendes ausgeführt:

Art. 4 Abs. 1 GG garantiert die Freiheit des Glaubens und die Freiheit des religiösen Bekenntnisses als unverletzlich. Art. 4 Abs. 2 GG gewährleistet die ungestörte Religionsausübung. Beide Absätze des Art. 4 GG enthalten dabei ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, einen Glauben zu haben, ihn zu verschweigen oder sich vom bisherigen Glauben loszusagen und einen anderen Glauben zuzuwenden, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, für seinen Glauben zu werben und andere von ihrem Glauben abzuwerben. Umfasst sind nicht allein kultische Handlungen und die Ausübung und Beachtung religiöser Gebräuche, sondern auch die religiöse Erziehung sowie andere Äußerungsformen des religiösen Lebens. Dazu gehört auch das Recht der Einzelnen, ihr gesamtes Verhalten an den Lehren ihres Glaubens auszurichten und dieser Überzeugung gemäß zu handeln, also glaubensgeleitet zu leben (vgl. BVerfG, U. v. 27.1.2015 - 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 - juris Rn. 85 m. w. N. der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Einschränkungen dieses Grundrechts müssen sich dabei aus der Verfassung selbst ergeben, weil Art. 4 Abs. 1 und 2 GG keinen Gesetzesvorbehalt enthält. Zu solchen verfassungsimmanenten Schranken zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang. Das normative Spannungsverhältnis zwischen den jeweils betroffenen widerstreitenden Verfassungsgütern zu lösen, obliegt dabei dem demokratischen Gesetzgeber (vgl. BVerfG a. a. O. Rn. 98).

In seinem Thesenpapier hat er vorgeschlagen, die Bundesregierung solle die islamischen Verbände auffordern, sich von allen verfassungswidrigen Inhalten des Islam zu verabschieden und aus dem Koran alle gefährlichen Passagen zu streichen (Nr. 3 des Thesenpapiers in der Fassung vom 26. Oktober 2011). Außerdem hat er ein Verbot dieser Verbände für den Fall gefordert, dass sie hartnäckig an allen Bestandteilen ihrer Ideologie festhalten. Schließlich hat er Muslimen, die an ihrem Glauben festhalten, die Ausreise nahelegt und sie vor die Wahl gestellt abzuschwören oder auszureisen (Nr. 7 und 8 des Thesenpapiers in der Fassung vom 16. Oktober und 26. Oktober 2011). ...

Auch diese Forderungen sind mit der Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, nicht zu vereinbaren. Denn ihre Verwirklichung liefe, selbst wenn man entsprechend den Darlegungen der Kläger in der Zulassungsbegründung davon ausginge, dass das von den Klägern als innere Religionsfreiheit bezeichnete Recht der Muslime, im privaten Bereich allein oder gemeinsam zu beten, unberührt bliebe, auf eine weitgehende Abschaffung der Religionsfreiheit für Muslime hinaus.

Wenn der Staat eine Religionsgemeinschaft auffordert, bestimmte Glaubensinhalte aufzugeben und aus den grundlegenden Schriften der betreffenden Religion zu streichen, so stellt das einen Eingriff in die Religionsfreiheit dar, der verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen ist. Denn dadurch würde den Gläubigen durch den Staat vorgeschrieben, was sie zu glauben haben und was nicht. Dies würde aber den Kern der Glaubensfreiheit berühren. Einen solchen Eingriff darf der Staat aber nicht vornehmen, weil dadurch das Grundrecht nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, das gerade das religiöse Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft schützt und voraussetzt (vgl. BVerfG, U. v. 16.10.1968 - 1 BvR 261/66 - juris Rn. 25), in seinem Wesensgehalt angetastet würde (Art. 19 Abs. 2 GG). Dementsprechend ist es dem Staat auch verwehrt, die Glaubensüberzeugungen seiner Bürger zu bewerten oder gar als richtig oder falsch zu bezeichnen (vgl. BVerfG, U. v. 27.1.2015 - 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 - juris Rn. 86; BVerwG, U. v. 14.5.2014 - 6 A 3.13 - juris Rn. 36). Die Regelung genuin religiöser Fragen und die Einmischung in die Überzeugungen Einzelner oder religiöser Gemeinschaften sind ihm untersagt (vgl. BVerfG, B. v. 26.6.2002 - 1 BvR 670/91 - juris Rn. 54).

Die staatliche Aufforderung zur Streichung von Passagen aus dem Koran und zu einer Aufgabe der betreffenden Glaubensüberzeugungen, der durch die Drohung mit einem Verbot islamischer Verbände und der Beendigung des Aufenthalts in Deutschland Nachdruck verliehen wird, ist daher auch dann nicht mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG vereinbar, wenn diese Passagen, wie die Kläger auf der Grundlage einer wörtlichen Interpretation behaupten, mit dem Grundgesetz nicht im Einklang stünden. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kommt eine Einschränkung der Religionsfreiheit vielmehr erst dann in Betracht, wenn die betreffenden Glaubensüberzeugungen sich in einem entsprechenden Verhalten äußern, das mit den Grundrechten Dritter oder Gemeinschaftswerten von Verfassungsrang nicht zu vereinbaren ist. Insbesondere ist ein Verbot von Glaubensgemeinschaften, die dem Staat und seiner Verfassungs- und Rechtsordnung kritisch gegenüberstehen, nur möglich, wenn es bei der Abwägung mit den Verfassungsgütern, die mit dem Verbot geschützt werden sollen, nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unerlässlich ist. Dies ist in der Regel erst dann der Fall, wenn sich die religiöse Gemeinschaft aktivkämpferisch gegen die in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Verfassungsgrundsätze richtet (vgl. BVerfG, B. v. 2.10.2003 - 1 BvR 536/03 - juris Rn. 19), etwa weil sie die konkrete Umsetzung von im Widerspruch zu grundlegenden Verfassungsprinzipien stehenden Glaubensinhalten oder von aus ihnen hergeleiteten Verhaltenspflichten propagiert oder fördert (vgl. BVerwG, U. v. 14.5.2014 - 6 A 3.13 - juris Rn.36). Die von einem mit den Grundrechten Dritter und Gemeinschaftswerten von Verfassungsrang kollidierenden oder aktivkämpferisch gegen Verfassungsgrundsätze gerichteten Verhalten unabhängigen Forderungen . nach einem pauschalen Verbot islamischer Verbände und Vereinigungen sowie nach einem Hinwirken auf die Ausreise aller Muslime, die nicht bereit sind, sich von ihrem Glauben zu distanzieren, zielt letztlich auf die Beseitigung des Islam in Deutschland ab und ist mit dem Grundrecht der Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, das, wie bereits ausgeführt, nicht nur das Beten im privaten Bereich, sondern auch die Religionsausübung in der Öffentlichkeit beinhaltet und als im Grundgesetz konkretisiertes Menschenrecht ein wichtiges Element der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist, nicht zu vereinbaren. Es trifft daher auch nicht zu, dass sich das Urteil des Verwaltungsgerichts, wie die Kläger meinen, allein auf eine provokative Verletzung der politischen Korrektheit, nicht aber auf tatsächlich erkennbare verfassungsfeindliche Bestrebungen stütze. Ebenso wenig geht es dabei lediglich um von der Meinungsfreiheit gedeckte Öffentlichkeitsarbeit oder Beiträge zu einer Diskussion über die Grenzen der Religionsfreiheit für Muslime, sondern um Vorschläge für konkrete Maßnahmen zu deren Einschränkung oder Beseitigung.“

An dieser Bewertung hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Einwands der Klägerin in der mündlichen Verhandlung fest, ihr Landesvorsitzender habe das Thesenpapier 2011 in seiner Funktion als Journalist verfasst, sie selbst habe zwar Forderungen dieses Thesenpapiers (insbesondere bezogen auf die Verzichtserklärung) durchaus aufgegriffen, eine generelle Zurechnung der Thesen dieses Papiers sei jedoch nicht zulässig. Denn zum einen muss sich die Klägerin - wie oben dargelegt -auch Äußerungen und Forderungen ihres Landesvorsitzenden zurechnen lassen, die dieser nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit der Klägerin verfasst hat, ganz abgesehen davon, dass der Landesvorsitzende der Klägerin, wie er in der mündlichen Verhandlung betont hat, zum Thesenpapier nach wie vor inhaltlich voll steht.

Zum anderen hat die Klägerin mit der Verzichtsforderung einen ganz zentralen Punkt dieses Thesenpapiers in ihr Grundsatzprogramm 2.0 aufgenommen (dort S. 17). Darin fordert die Klägerin, von in Deutschland den Koran unterrichtenden Personen sei ein schriftliches, eidesstattliches Bekenntnis zu fordern, dass alle gültigen Rechtsnormen stets und generell über dem religiösen und islamischen Recht stünden und dass die Scharia hier keine Gültigkeit habe und jemals haben werde. Weiter heißt es dort: „Wir setzen uns mit aller Kraft gegen eine Islamisierung unseres Landes ein. Religiöse Schriften, welche Unterdrückung und Tötung von Menschen verlangen, sind zu verbieten.“

Nach einem im Verfahren vorgelegten Bericht zu einer Rede des Landesvorsitzenden der Klägerin auf dem Bundesparteitag der FREIHEIT in Frankfurt (veröffentlicht auf http://www.pinews.net - betreffend ein Video: M.S. zur Islamisierung) ist dazu beispielsweise aufgeführt: Diese politische Forderung (Scharia-Verzichtsforderung) stehe auch im Grundsatzprogramm der FREIHEIT, und dies sei auch der zentrale Punkt in seinem Thesenpapier: Jede Moscheegemeinde, jede Koranschule, jede islamische Organisation und jeder Verband müsse aufgefordert werden, diese Verzichtserklärung bindend und zeitlich unbefristet zu unterschreiben. Falls nicht, dokumentiere man damit, dass man das Grundgesetz und Demokratie abschaffen und dieses Land in einen Gottesstaat verwandeln wolle. Daher müsse jede Organisation, die diese Verzichtserklärung nicht leiste, umgehend wegen Verfassungsfeindlichkeit verboten werden. Gleichzeitig wird in diesem Bericht ausgeführt, den Koran habe (der Landesvorsitzende) S. in seiner Rede als „das gefährlichste Buch der Welt“ bezeichnet, das auf jeder Seite die Menschenrechte und das Grundgesetz mit Füßen trete, sowie dass die Islamisierung Deutschlands und Europas ein planmäßiger Eroberungsfeldzug sei.

An anderer Stelle (http://www.bayern.diefreiheit.org/aufforderungzurverzichtserklärung auf die verfassungsfeindlichen Bestandteile des Islams, veröffentlicht von M. S.) wird dazu ausgeführt, um ein Zusammenleben unter einer freiheitlich demokratischen Grundordnung zu gewährleisten, könne der Koran als Grundlage zur Weltanschauung nicht akzeptiert werden, weil er seinem Inhalt nach eine Kriegserklärung an die nichtmuslimische Welt und eine kodifizierte Anleitung zum Töten von Nichtmuslimen darstelle.

Zwar wird von der Klägerin und ihrem Landesvorsitzenden im Grundsatzprogramm 2.0, aber auch in anderen Veröffentlichungen, einerseits formal durchaus zwischen dem Islam als Religion und einer darin (auch) zum Ausdruck kommenden „politischen Ideologie“ differenziert. Wenn aber gleichzeitig vom Einsatz gegen eine zu bekämpfende drohende „Islamisierung unseres Landes“ (Grundsatzprogramm 2.0, S. 17), vom Islam als einer völlig inkompatiblen Kultur gesprochen und vor der gewollten und beschleunigten Islamisierung, der (drohenden) Abschaffung unserer christlich geprägten Werte, unserer Freiheit und der Einführung eines schariatrischen Rechtssystems sowie der Ablösung einer höheren, weiterentwickelten Kultur durch eine niedrigere, rückständigere gewarnt wird (so in der Rede des Bundesvorsitzenden R.S. zum 1. Bundesparteitag der Klägerin, veröffentlicht am 12.12.2011 unter www.diefreiheit.org/redevon- ...), wird klar, dass durch die Klägerin der Islam und nicht nur der Islamismus als unvereinbar mit der deutschen Gesellschaftsordnung abgelehnt und bekämpft wird.

Der Beklagte geht aufgrund einer Vielzahl tatsächlicher konkreter Anhaltspunkte weiter zu Recht davon aus, dass die Klägerin und insbesondere ihr Landesvorsitzender die Weltreligion Islam pauschal als extrem gefährliche faschistoide Ideologie und Muslime allgemein als besonders aggressiv, uneinsichtig und eine große Gefahr für die deutsche Gesellschaft und die freiheitliche Demokratie bedeutend darstellen und mit ihren politischen Forderungen die Bekämpfung des Islam und der Muslime in Deutschland durch den Staat zu erreichen versuchen.

Im bereits oben erwähnten Bericht zu einer Rede des Landesvorsitzenden der Klägerin auf dem Bundesparteitag der FREIHEIT in Frankfurt (vom 4.1.2012, veröffentlicht auf http://www.pinews.net - betreffend ein Video: M.S. zur Islamisierung) wird ausgeführt, bei seiner mehrjährigen intensiven Aufklärungsarbeit sei ihm (dem Landesvorsitzenden) bei den vielen Informationsständen, Kundgebungen und „Dialog“-Veranstaltungen kein einziger Moslem begegnet, der sich kritisch mit den brandgefährlichen Elementen des Islams und zu den hochbedenklichen Stellen des Korans auseinandergesetzt hätte.

In der Einleitung zum Thesenpapier gegen die Islamisierung vom 19. Oktober 2011 (veröffentlicht von M. S. auf http://www.pinews.net) wird beispielsweise ausgeführt: „Heutzutage geschieht der Djihad auf zwei Stufen: Offener Terror und schleichende Unterwanderung. ist jetzt höchste Zeit für klare politische Gegenmaßnahmen:“ (es folgen im Anschluss die acht Thesen). Weiter heißt es dort im Anschluss an diese Thesen: „Wenn der Islamisierung Deutschlands und Europas nicht rechtzeitig mit politischen Maßnahmen Einhalt geboten wird, ist die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten. ... Es liegt nun an den Medien und den Politikern, die tickende Zeitbombe Islam in Deutschland zu entschärfen. . Und wer angesichts dieser immensen Bedrohung und in Kenntnis aller Fakten dann immer noch ernsthaft auf „Religionsfreiheit“ für den Islam plädiert, der scheint entweder ein gehirndurchweichter Gutmensch, ein extremer Linker . zu sein.“

In einem Bericht zum „Video München: Der Bedrohung die Stirn bieten“ (veröffentlicht von M. S. am 8.1.2013 auf http://www.pinews.net) wird in Bezug auf (so bezeichnete) türkische „Gast“-Arbeiter ausgeführt: „Aber sie blieben, holten Verwandte nach und heirateten Partner aus der Türkei. So nahm das Verhängnis der islamischen Unterwanderung seinen Lauf. . In diesem Video ist auch wieder einer dieser „Bereicherer“ zu sehen, der drohend auf mich zu läuft. Er behauptet zwar, kein Moslem zu sein, aber das haben schon einige dahergesagt. Sein Verhalten ist absolut Moslemtypisch: Drohgebaren, aggressiv auf die Islam Aufklärung reagieren .“.

In einem Bericht zu dem „Video: Kundgebung an der Münchner Freiheit“ (veröffentlicht von M. S. am 4.7.2012 auf http://www.bayern.diefreiheit.org) heißt es: „Wir mussten erneut erleben, wie aggressiv und uneinsichtig Moslems reagieren, wenn über den Islam aufgeklärt wird. . Wir lassen das alles mit stoischer Ruhe über uns ergehen, da wir wissen, dass diese Menschen in einem geistigen Gefängnis sitzen. Sie sind Opfer einer Gehirnwäsche .“.

Weiter heißt es am Ende eines E-Mails mit Informationsmaterial an Medien und Politiker, über das in dem Beitrag ebenfalls berichtet wird: „Es grenzt an Realitätsverweigerung und Selbstaufgabe, weiterhin die Augen vor den existenziellen Gefahren dieser totalitären Ideologie, die im Mantel einer Religion versteckt ist, zu verschließen.“

In einem Bericht zum „Video DF-Kundgebung: Rauben im Islam legitimiert!“ (veröffentlicht von M. S. am 18.11.2012 auf http://www.bayern.diefreiheit.org) über eine der wöchentlich stattfindenden Kundgebungen der Klägerin in München wird ausgeführt: „Der unter Moslems überproportional hohe dauerhafte Hartz-IV-Bezug ist nicht verwunderlich, denn im Islam ist die Beraubung von Ungläubigen schließlich „religiös“ legitimiert.“

Diese nur beispielhaft wiedergegebenen Aussagen und Veröffentlichungen tragen jedenfalls die zusammenfassende Bewertung im bei den Behördenakten befindlichen Aktenvermerk des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz vom 3. April 2013 zur Erklärung der Politically Incorrect (Pl)-Ortsgruppe München und des bayerischen Landesverbandes der Partei DIE FR. zum Beobachtungsobjekt: „Die Tätigkeit ... und des Landesverbands Bayern der Partei DIE FR. beschränkt sich nicht auf bloße Meinungsäußerung. Sie ist vielmehr darauf gerichtet, im Sinne des von ihnen propagierten Muslimen- und Islambildes, Einfluss auf die politische Willensbildung und auf politische Entscheidungen zu nehmen. Damit liegen in der Gesamtschau hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vor, die eine gezielte nachrichtendienstliche Beobachtung erfordern.“

Dass die die Klägerin belastenden Anhaltspunkte, wie das Verwaltungsgericht meint, insoweit kein eindeutiges Bild zuließen, kann der Senat nach alledem nicht nachvollziehen.

Die oben beispielhaft aufgeführten konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte rechtfertigen vielmehr sowohl quantitativ als auch qualitativ die streitbefangene Unterrichtung der Öffentlichkeit durch den Innenminister anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2012 über die Klägerin als (neues) Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. Die in der umfangreichen Rede des Ministers (zur Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes) im Zusammenhang mit der Klägerin und ihrer Erklärung zum Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes getroffenen Aussagen und Bewertungen werden durch die tatsächlichen Anhaltspunkte entgegen der Auffassung des Erstgerichts ohne weiteres getragen; der vom Verwaltungsgericht insoweit erhobene Vorwurf einer „unzulässigen Vorwegnahme der Beobachtungsergebnisse“ ist weder sachlich noch vor allem rechtlich haltbar. Insbesondere ist die in der Rede enthaltene Aussage, der Landesverband (der Klägerin) nutze eine von ihm initiierte Kampagne sowohl im Internet als auch bei Veranstaltungen für pauschal islamfeindliche Propaganda durch die oben dargelegten Aussagen und Veröffentlichungen hinreichend belegt. Die Bewertung mit „pauschal islamfeindliche Propaganda“ wird dabei, wie die Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nochmals erklärt hat, im folgenden Absatz (des Redemanuskripts) näher erläutert. Auch die hier getroffenen Bewertungen, die Aktivitäten (des Landesverbands der Klägerin) zielten darauf ab, pauschale Ängste vor Muslimen als nicht integrierbare Ideologieanhänger zu schüren und alle Muslime aufgrund ihres Glaubens als Feinde des Rechtsstaates zu verunglimpfen, ergeben sich zwanglos aus den oben dargelegten Quellen. Gerade auch die Verwendung des Wortes „verunglimpfen“ in der Bedeutung herabwürdigen einer Person oder Sache ist bei den angeführten Aussagen über den Islam, den Koran und Muslime durchaus gerechtfertigt. Auch die daran anknüpfende rechtliche Bewertung, dadurch würden die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und der Gleichbehandlungsgrundsatz als Kernbestandteile unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung verletzt, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt schließlich auch für den zur Klägerin hinführenden Absatz der Rede, in dem ausgeführt wird, Islamfeindseligkeit formiere sich - losgelöst von klassischen rechtsextremistischen Kreisen - teilweise auch als verfassungsfeindliche Bewegung.

Vom Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Auffassung im hier in Bezug genommenen Urteil im Parallelverfahren M 22 K 14.1743 herangezogene „entlastende Gesichtspunkte“ bzw. gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen der Klägerin sprechende Indizien hat der Beklagte angesichts des vorgelegten umfangreichen Erkenntnismaterials zu Recht als letztlich nicht stichhaltig bewertet. Dass die Klägerin und ihr Landesvorsitzender öffentlich immer wieder betonen, dass sie sich mit ihrer Kritik nicht gegen die Religion des Islam, sondern die Ideologie des politischen Islam und den Islamismus wendeten und lediglich die Forderung nach einem verfassungskonform reformierten Islam erheben würden, ist angesichts der Eindeutigkeit der oben angeführten Aussagen und Veröffentlichungen als bloßes Lippenbekenntnis zu bewerten; die Annahme von einzelnen „Entgleisungen“ der Klägerin oder ihres Landesvorsitzenden (vgl. dazu BVerwG, U. v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 54 m. w. N.) verbietet sich vorliegend. Eine mäßigende Interpretation der Aktivitäten und Aussagen der Klägerin im Sinne eines Eintretens für ein gleichberechtigtes Miteinander von Muslimen und Nichtmuslimen auf dem Boden des Grundgesetzes ist danach ebenfalls nicht angezeigt. Auch hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die Distanzierung der Klägerin von einer anderen Extremismusform (hier: Rechtsextremismus) nichts darüber aussagt, ob die Klägerin eigenständige verfassungsschutzrelevante Bestrebungen verfolgt. Schließlich kann vor diesem Hintergrund nicht zu Gunsten der Klägerin angeführt werden, sie vermeide ein offenes Bekenntnis zu -oben festgestellten - verfassungsfeindlichen Zielen.

2.1.4. Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte bei der streitbefangenen Information der Öffentlichkeit auch nicht gegen eine Begründungspflicht verstoßen, weil sich aus Art. 15 Satz 1 BayVSG ein solches (formelles) Begründungserfordernis zur Angabe der den Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG zugrunde liegenden tatsächlichen Anhaltspunkte nicht herleiten lässt. Auch wenn nach dem Wortlaut des Art. 15 Satz 1 BayVSG das Staatsministerium des Innern (für Bau und Verkehr) und das Landesamt für Verfassungsschutz die Öffentlichkeit über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG unterrichten, kann dies nicht als verbindliche Festlegung des Gesetzgebers auf der Rechtsfolgenseite über die Art und Weise sowie den Umfang der Berichterstattung verstanden werden. Denn ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, des Ausführungsgesetzes Art. 10-Gesetz und des Parlamentarischen KontrollgremiumGesetzes hat der Gesetzgeber mit der Einfügung der Worte „tatsächliche Anhaltspunkte für“ in Art. 15 Satz 1 BayVSG im Hinblick auf eine enge Auslegung der entsprechenden Vorschrift des Landes Berlin durch das Oberverwaltungsgericht BerlinBrandenburg (Urteil vom 6.4.2006 - 3 B 3. 99) lediglich klarstellen wollen, dass eine Berichterstattung entsprechend der bisherigen Praxis in Bayern bereits bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte und nicht erst bei sicherem Vorliegen von Bestrebungen zulässig ist (Zu § 1 Nr. 7 - Art. 15 Satz 1 BayVSG -, LT-Drs. 15/10313 S. 26/27; zur Auslegung der bundesrechtlichen Ermächtigung des § 16 Abs. 1 BVerfSchG vgl. BVerwG, U. v. 26.6.2013 - 6 C 4.12 - juris). Damit hat der bayerische Gesetzgeber aber ersichtlich nur eine Konkretisierung der tatbestandlichen Voraussetzung der Unterrichtungsbefugnis, nicht aber eine Bestimmung der Art und Weise sowie des Umfangs der Unterrichtung vorgenommen. Soweit sich das Verwaltungsgericht für die Annahme einer sich unmittelbar aus Art. 15 Satz 1 BayVSG ergebenden Begründungspflicht auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. September 2010 (10 CE 10.1830 - juris) bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass dieser in einem Eilverfahren ergangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ein Sonderfall zugrunde lag, bei dem der dortige Antragsteller in einem Verfassungsschutzbericht in einer tabellarischen Übersicht unter dem Punkt „sonstige Linksextremisten“ ohne jegliche weitere Erläuterung aufgelistet war. Die auch im Leitsatz dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zum Ausdruck kommende Auffassung, ohne gleichzeitige Mitteilung entsprechender tatsächlicher Anhaltspunkte sei eine solche Bewertung schon vom Tatbestand des Art. 15 Satz 1 BayVSG nicht mehr gedeckt, weil ein solches Werturteil dann für die Öffentlichkeit nicht mehr nachvollziehbar sei, bezieht sich auf die dieser Entscheidung zugrunde liegende besondere Konstellation und darf nicht generell als besondere gesetzliche Begründungspflicht etwa im Sinne eines Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG verstanden werden.

Unabhängig davon machen die in der streitbefangenen Rede des Innenministers und der entsprechenden Presseerklärung enthaltenen - oben dargelegten - Erläuterungen und Konkretisierungen die vorgenommenen Bewertungen „verfassungsfeindliche Bewegung“, „pauschal islamfeindliche Propaganda“ und Religionsfreiheit, die Menschenwürde und der Gleichbehandlungsgrundsatz ... verletzt“ für die angesprochene Öffentlichkeit hinreichend nachvollziehbar. Denn der in der Rede und der entsprechenden Presseerklärung enthaltene Vorwurf, der Landesverband der Klägerin benutzte die von ihm Ende 2012 initiierte Kampagne für ein Bürgerbegehren gegen das „Europäische Zentrum für Islam in München“ (ZIE-M) sowohl im Internet als auch bei Veranstaltungen für „pauschal islamfeindliche Propaganda“ wird im Folgeabschnitt dahingehend näher erläutert, dass die Aktivitäten (der Klägerin) darauf abzielen, pauschale Ängste vor Muslimen als nicht integrierbare Ideologieanhänger zu schüren und alle Muslime aufgrund ihres Glaubens als Feinde des Rechtsstaates zu verunglimpfen. Auch die nachfolgende Bewertung, dass dadurch die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und der Gleichbehandlungsgrundsatz als Kernbestandteile unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung verletzt werden, bezieht sich erkennbar auf die zuvor dargelegten und vom Beklagten im Verfahren auch hinreichend dokumentierten und belegten Aktivitäten der Klägerin. Mit diesen Feststellungen und Erläuterungen wird letztlich die im nachfolgenden Abschnitt (des Redemanuskripts) wiedergegebene Anordnung des Präsidenten des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz zur förmlichen Beobachtung der Klägerin erläutert und begründet.

2.1.5. Der Beklagte hat mit der in der Rede des Innenministers gewählten Art und Weise der Darstellung und der dazu herausgegebenen Presseerklärung schließlich auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

Soweit ein auf Tatsachen gegründeter Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen der Gruppierung besteht, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Maßstab für die Entscheidung, in welcher Art und Weise darüber berichtet werden darf (BVerfG, B. v. 24.5.2005 - 1BvR 1072/01 - juris Rn. 77). Auch diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen trägt die streitgegenständliche Berichterstattung über die Klägerin in der Rede des Innenministers und in der entsprechenden Presseerklärung Rechnung. Die Öffentlichkeit wurde im Wesentlichen bzw. im Kern über die förmliche Anordnung des Präsidenten des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz zur Beobachtung der Klägerin (Erklärung zum Beobachtungsobjekt) und die dafür im Wesentlichen maßgeblichen Gründe und verfassungsfeindlichen Aktivitäten informiert. Diese Information war zur Aufklärung und Warnung der Öffentlichkeit geeignet. Auch der Grundsatz der Erforderlichkeit ist gewahrt, weil der Beklagte hinreichend zum Ausdruck gebracht hat, dass sich mit der Klägerin eine zur Beobachtung Anlass gebende verfassungsfeindliche Bewegung (erst) formiert bzw. entwickelt, und der Beklagte weiter zutreffend auf die davon abzugrenzende Kritik am Islam - z. B. auch in Form eines Bürgerbegehrens gegen das ZIE-M - hingewiesen hat, die im Rahmen des Grundrechts der freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) zulässig und damit nicht Gegenstand der Beobachtung durch den Verfassungsschutz sei. Demgemäß macht auch die von der Klägerin behauptete besondere Prangerwirkung ihrer Herausstreichung als aktuelles Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes die streitbefangene Unterrichtung der Öffentlichkeit nicht unverhältnismäßig. Die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Klägerin wahrt schließlich auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn, da bei Abwägung der gegensätzlichen Schutzgüter auch mit Blick auf das hier vor allem betroffene Recht politischer Parteien, gleichberechtigt am Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes teilzunehmen (Art. 21 Abs. 1 GG), dem Aufklärungsinteresse und der Warn- und Abwehrfunktion im Hinblick auf den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ein höheres Gewicht zukommt. Die damit verbundenen Nachteile, gegebenenfalls auch eine gewisse „Prangerwirkung“, sind von der Klägerin als zumutbar hinzunehmen. Nichts anderes würde im Übrigen gelten, wenn man daneben auch auf die eventuell weiter betroffenen Grundrechtspositionen der Klägerin (s. 2.1.1.) abstellte.

2.2. Unabhängig davon liegt bei der vorliegenden Konstellation aber auch die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr nicht (mehr) vor.

Der öffentlichrechtliche Unterlassungsanspruch setzt neben einer Rechtsverletzung durch eine rechtswidrige Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Positionen des Betroffenen zusätzlich voraus, dass die Gefahr einer Wiederholung des rechtswidrigen Eingriffs droht bzw. zu besorgen ist (BVerwG, U. v. 15.12.2005 - 7 C 20.04 -juris Rn. 11, 33 f.; B. v. 11.11.2010 - 7 B 54.10 - juris Rn. 14; U. v. 25.1.2012 - 6 C 9.11 - juris Rn. 21; SächsOVG, B. v. 6.7.2012 - 5 B 172/12 - juris Rn. 21). Die erforderliche Wiederholungsgefahr, also die Prognose, dass weitere Eingriffe drohen, kann ohne weiteres angenommen werden, wenn bereits eine Beeinträchtigung stattgefunden hat. Denn im Regelfall wird die Behörde ihre Maßnahme für rechtmäßig halten und keinen Anlass sehen, von ihr Abstand zu nehmen. Sie wird sie in der Zukunft aufrechterhalten und in diesem Sinne wiederholen wollen (BVerwG, U. v. 25.1.2012 - 6 C 9.11 - juris Rn. 21; SächsOVG, B. v. 6.7.2012 - 5 B 172/12 – juris Rn. 21).

Dazu hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof erklärt, die streitbefangene Rede des Innenministers und die entsprechende Presseerklärung seien inzwischen vereinbarungsgemäß (im Zuge der unstreitigen Beilegung des diesbezüglichen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens) vom Netz genommen worden. Es sei auch nicht beabsichtigt, die konkrete Rede erneut ins Internet zu stellen. Allerdings seien auch in Zukunft vergleichbare Konstellationen denkbar, in denen eine entsprechende Erklärung - möglicherweise nicht mehr mit identischem Inhalt - abgegeben werden könnte (S. 2 der Sitzungsniederschrift vom 12.10.2015).

Damit lässt sich allerdings entgegen der Auffassung der Klägerin die erforderliche Wiederholungsgefahr im oben dargelegten Sinn nicht begründen. Die streitbefangenen Äußerungen in der Rede des Innenministers und der dazu herausgegebenen Presseerklärung erfolgten anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2012, in dem die Klägerin selbst noch nicht erwähnt worden war. Neben der - von der Klägerin ohnehin nicht beanstandeten - Information über die Anordnung des Präsidenten des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz zur (förmlichen) Beobachtung der Klägerin (Erklärung zum Beobachtungsobjekt) wurden dieser Anordnung (nur) zugrunde liegende Erkenntnisse bzw. Bewertungen über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Aktivitäten der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum (bis zum Zeitpunkt dieser Rede) angeführt. In den Folgejahren wurde die Öffentlichkeit jedoch aufgrund der in die (späteren) jeweiligen Berichtszeiträume fallenden Erkenntnisse des Landesamts für Verfassungsschutz gemäß Art. 15 Satz 1 BayVSG im Verfassungsschutzbericht über solche verfassungsfeindlichen Bestrebungen und Tätigkeiten der Klägerin informiert (vgl. dazu die Entscheidung des Senats ebenfalls vom 22.10.2015 im Parallelverfahren 10 B 15.1320 bezüglich der Erwähnung der Klägerin im Verfassungsschutzbericht). Abgesehen davon, dass durch diese Berichte die streitbefangenen Äußerungen über Bestrebungen und Tätigkeiten bis zur Anordnung der förmlichen Beobachtung der Klägerin ohnehin zeitlich und inhaltlich überholt sind, ist von der Klägerin weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die beanstandeten Äußerungen in der Rede des Ministers und der dazu herausgegebenen Presseerklärung des Beklagten vor diesem Hintergrund erneut der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnten. Ob zukünftig vergleichbare Äußerungen über die Klägerin etwa in weiteren Verfassungsschutzberichten drohen, ist mit Blick auf den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens insoweit nicht entscheidungserheblich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 Abs. 2 entsprechend und § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

In Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Oktober 2014 wird der Streitwert in beiden Instanzen auf jeweils 10.000,-- Euro festgesetzt (§ 63 Abs. 3 Satz 1, § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 39 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG).

(1) Gewährt das Gesetz eine Steuervergünstigung, weil eine Körperschaft ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke (steuerbegünstigte Zwecke) verfolgt, so gelten die folgenden Vorschriften. Unter Körperschaften sind die Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes zu verstehen. Funktionale Untergliederungen (Abteilungen) von Körperschaften gelten nicht als selbstständige Steuersubjekte.

(2) Werden die steuerbegünstigten Zwecke im Ausland verwirklicht, setzt die Steuervergünstigung voraus, dass natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, gefördert werden oder die Tätigkeit der Körperschaft neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beitragen kann.

(3) Eine Steuervergünstigung setzt zudem voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt. Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind. Die Finanzbehörde teilt Tatsachen, die den Verdacht von Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes oder des Zuwiderhandelns gegen den Gedanken der Völkerverständigung begründen, der Verfassungsschutzbehörde mit.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

10 B 15.1320

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 22. Oktober 2015

(VG München, Entscheidung vom 16. Oktober 2014, Az.: M 22 K 14.1743)

10. Senat

Sachgebietsschlüssel: 520

Hauptpunkte:

Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht 2013; öffentlichrechtlicher Unterlassungsanspruch; Wiederholungsgefahr;

Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen; Bestrebungen zur Einschränkung der Religionsfreiheit; Zurechenbarkeit von Äußerungen der Verantwortlichen einer Vereinigung; tatsächliche Würdigung des vom Verfassungsschutz vorgelegten Erkenntnismaterials;

Verhältnismäßigkeit der Berichterstattung

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

..., vertreten durch: Landesanwaltschaft ...,

- Beklagter

wegen Erwähnung im Verfassungsschutzbericht u. a.;

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Senftl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Martini, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Zimmerer aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12. Oktober 2015 am 22. Oktober 2015 folgendes Urteil:

I.

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben (Nr. II. und III. des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014).

II.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 ist in Nr. II. und Nr. III. wirkungslos geworden.

III.

In Abänderung der Nr. I. des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 wird die Klage der Klägerin abgewiesen.

IV.

In Abänderung der Nr. IV. des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 trägt die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

V.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollsteckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

VI.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Berufung des Beklagten richtet sich gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014, mit dem er verpflichtet wurde, die Weiterverbreitung des Verfassungsschutzberichts 2013 des Freistaats Bayern, des Halbjahresberichts 2013 sowie der Rede des Bayerischen Staatsministers des Inneren anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts des Freistaats Bayern 2013 zu unterlassen, wenn nicht zuvor die Passagen über die Klägerin entfernt oder unkenntlich gemacht wurden.

Die Klägerin ist seit dem Frühjahr 2013 Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (BayLfV). In den am 9. August 2013 vorgestellten und in einer Pressemitteilung veröffentlichten Verfassungsschutzinformationen für das erste Halbjahr 2013 bezeichnete das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit als neue Form des politischen Extremismus. Die Klägerin fordere Muslime auf, einzelne islamische Glaubensgrundsätze aufzugeben, und schüre pauschale Ängste vor Muslimen.

In seiner Rede anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2013 am 27. März 2014 äußerte sich der Bayerische Staatsminister des Innern, für Bau und Verkehr unter der Überschrift „Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit“ wie folgt: habe ich Sie an dieser Stelle über die Aufnahme des Landesverbandes der Partei „DIE FR.“ als neues Beobachtungsobjekt informiert. ... Er vertritt unter dem Vorsitzenden St. die gleiche, pauschal Muslime verunglimpfende islamfeindliche Ideologie wie der Landesverband der „FR.“. Es freut mich, dass „DIE FR.“ bei den Kommunalwahlen am 16. März mit 0,6% der Stimmen den Einzug in den Stadtrat verfehlt hat.“

Der Verfassungsschutzbericht 2013 enthielt unter der Überschrift „Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit“ zur Klägerin folgende Ausführungen:

„Der Landesverband der Partei DIE FR. B. verfolgt verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebungen. Er wendet sich mit pauschal diffamierenden Äußerungen gegen Mitbürger islamischer Religionszugehörigkeit, unabhängig von deren Staatsangehörigkeit oder Aufenthaltsstatus. DIE FR. B. differenziert in ihren Verlautbarungen in der Regel nicht zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als politischer Ideologie, sondern begreift den Islam als „faschistoide Politideologie“. Der Koran wird als „das gefährlichste Buch der Welt“ verunglimpft. Auf seiner Internetseite fordert der Landesverband islamische Organisationen auf, umgehend in schriftlicher Form auf bestimmte Koranverse als Bestandteil der islamischen Glaubensgrundsätze dauerhaft zu verzichten, und stellt den Islam insgesamt als unvereinbar mit unserer Gesellschaftsordnung dar. Die Aktivitäten der FR. B. zielen darauf ab, pauschale Ängste vor Muslimen als nicht integrierbare „Ideologieanhänger“ zu schüren und alle Muslime allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Feinde des Rechtsstaats zu verunglimpfen.

Das von der FR. B. angestrebte „Bürgerbegehren gegen das Zentrum für Islam in Europa - München (ZIE-M)“, für das seit Oktober 2011 Unterschriften in München gesammelt werden, dient sowohl im Internet als auch bei Veranstaltungen der FR. B. als Plattform für islamfeindliche Propaganda, die sich primär gegen die Religionsfreiheit richtet.

Das Bürgerbegehren selbst kann nicht auf eine verfassungsfeindliche Zielsetzung reduziert werden. Personen, die dieses Bürgerbegehren mit ihrer Unterschrift unterstützen, werden nicht vom Verfassungsschutz beobachtet.

Mitglieder der FR. B. engagieren sich auch bei der ... Gruppe München (PI-M.). Der Landesvorsitzende der FR. B. und gleichzeitige Leiter der PI-M., Michael St., bezeichnete PI-M. als das Kerngerüst der FR. B. St. ist auch Vorsitzender des Landesverbandes der Bürgerbewegung P. Europa (BPE) Bayern.

Am 20. November vereinbarten DIE FR. B. und der Bayerische Landesverband der Partei Die Republikaner, die seit 2008 nicht mehr dem gesetzlichen Beobachtungsauftrag der Verfassungsschutzbehörden unterliegt, die Aufstellung gemeinsamer Listen in Großstädten für die Kommunalwahl 2014 in Bayern.

Bei der bayerischen Landtagswahl 2013 trat DIE FR. nur im Wahlkreis Oberbayern an und erlangte bayernweit 0,1% der Stimmen.“

Mit Schriftsatz vom 24. April 2014 erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht München mit den Anträgen, den Beklagten zu verurteilen, die Weiterverbreitung des Verfassungsschutzberichts 2013 des Freistaats Bayern (1.), der Rede des Bayerischen Staatsministers des Inneren anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2013 des Freistaats Bayern (2.) und des Halbjahresberichts (3.) zu unterlassen, wenn nicht zuvor die Passagen über die Klägerin entfernt oder unkenntlich gemacht werden (M 22 K 14.1743).

Zur Begründung der Klage brachte die Klägerin vor, dass sie einen Anspruch auf Unterlassen der Verbreitung der entsprechenden Äußerungen und Veröffentlichungen, insbesondere einen Anspruch darauf habe, im Verfassungsschutzbericht nicht erwähnt zu werden. Durch die Veröffentlichungen werde in ihre Grundrechte eingegriffen. Die Klägerin könne sich auf Art. 21 GG berufen. Durch die genannten Veröffentlichungen werde über die Beobachtung durch den Verfassungsschutz informiert und dabei auf schlicht falsche Begründungstatsachen zurückgegriffen. Durch die Bezugnahme auf angeblich pauschale islamfeindliche Äußerungen und eine ebenso angebliche Verletzung der Religionsfreiheit, der Menschenwürde und des Gleichbehandlungsgrundsatzes werde die Klägerin in der Öffentlichkeit stigmatisiert. Eine Beobachtung durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz sei nicht zu rechtfertigen. Allein die Verbreitung politischer oder weltanschaulicher Ideen stelle keinen hinreichenden Anhaltspunkt für eine Verfassungsfeindlichkeit im Sinne des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes dar. Selbst wenn islamfeindliche Äußerungen vorlägen, wären diese nicht auch gleich verfassungsfeindlich. Die Islamkritik, die von der Klägerin tatsächlich geübt werde, stelle keine Tatsache dar, die eine Beobachtung rechtfertigen könne. Die Klägerin sei eine Partei, die als islamkritisch bezeichnet werden dürfe und die sich insgesamt auch für eine auf freiwilliger Basis und auf gesellschaftlichem Konsens aufbauende Reformation des Islam einsetze. Gegenstand der Kritik sei dabei nicht die Religion des Islam, sondern die Ideologie des politischen Islam, also des Islamismus einschließlich seiner Rechtssätze. Die Klägerin mache dabei stets deutlich, dass sie diese Kritik nicht als pauschale Kritik an den Muslimen und auch nicht als Kritik an der Religion des Islam verstanden haben wolle. Die Klägerin betone stets, dass auch Muslime das Grundrecht der Religionsfreiheit genössen und stelle die Islamkritik in unmittelbaren Kontext zu den Anforderungen unserer Verfassung. Die offiziellen Verlautbarungen der Klägerin enthielten keine verfassungsfeindlichen Ziele. Auch auf den Veranstaltungen der Klägerin finde insofern stets eine differenzierte Auseinandersetzung statt. Der Koran enthalte Passagen, die im Lichte unserer Grundrechte und unserer Verfassung als untragbar angesehen werden müssten. Hierzu vertrete die Klägerin öffentlich die Meinung, dass Imame, aber auch die Muslime in Deutschland klarstellen sollten, dass diese Glaubenssätze in dieser strikten Form nicht angewendet würden. Hierdurch würden aber weder pauschale Ängste geschürt noch irgendwelche Glaubensfreiheiten aberkannt. Die Forderung nach einem reformierten Islam sei keine Verfassungsfeindlichkeit. Die Kritik der Klägerin richte sich einzig und allein gegen die verfassungsfeindlichen Bestandteile des Islam. Hierzu werde auf die Ausarbeitung von Prof. Dr. Albrecht Schachtschneider „Grenzen der Religionsfreiheit am Beispiel des Islam“ verwiesen. Wer über die verfassungsfeindlichen und gefährlichen Bestrebungen einer totalitär eingestellten Religionsideologie aufkläre, taste keinesfalls die Würde des Menschen an. Auch Art. 3 GG werde nicht tangiert. Die Klägerin habe noch nie pauschal diffamierende Äußerungen gegen Mitbürger islamischer Religionszugehörigkeit vorgenommen, sondern immer nur die verfassungsfeindlichen Bestandteile des Islam kritisiert. Der Verwurf, dass die Klägerin nicht zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als politischer Ideologie differenziere, treffe nicht zu. Sie weise darauf hin, dass es eine Besonderheit des Islam darstelle, dass es eine enge und teils nicht differenzierbare Verbindung zwischen dem politischen Islam (Islamismus) und der Religion Islam gebe. Diese künstliche Trennung werde vom Bayerischen Innenministerium und dem Verfassungsschutz vorgenommen, um sich nicht mit der islamischen Ideologie auseinandersetzen zu müssen. Der Islam sei nicht nur eine Religion, sondern gleichzeitig eine totalitäre politische Weltanschauung mit faschistischen Grundstrukturen. Es könne nicht ausgeblendet werden, dass das politische Herrschaftssystem des Islam Grundregeln aufstelle, die anderen die Religionsfreiheit abspreche. Keine Äußerung der Klägerin pauschaliere diese Problematik. Falsch und unbelegt sei auch, dass die Aktivitäten der Klägerin darauf abzielten, pauschale Ängste vor Muslimen als nicht integrierbare „Ideologieanhänger“ zu schüren und alle Muslime allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Feinde des Rechtsstaats zu verunglimpfen. Ergänzend werde auf das Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht München gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz verwiesen (M 22 K 14.1092).

Im Verfahren M 22 K 14.1092 wandte sich u. a. die Klägerin gegen ihre Beobachtung durch das BayLfV und beantragte, es zu unterlassen, sie zu beobachten. In diesem Verfahren legte sie umfangreiche Unterlagen vor, wonach der Islam und das Grundgesetz unvereinbar seien. Die Klägerin würde nur über die politische Ideologie des Islam aufklären und darüber, dass es sich nicht um eine Religion im Sinne des Religionsbegriffs des Grundgesetzes handle, sondern um eine Ideologie mit politischem Herrschaftsanspruch, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richte, und keine pauschalen Ängste vor Muslimen schüren. Dies sei von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Klägerin fordere die Muslime auch nur auf, verfassungswidrige islamische Grundsätze aufzugeben. Das BayLfV habe zu berücksichtigen, dass der Islam seinerseits grundgesetzwidrig und verfassungsfeindlich sei. Zudem sei eine Unterscheidung zwischen Islam, Islamismus sowie Islamkritik und Islamfeindlichkeit nicht tunlich. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt den Muslimen als Trägern eines persönlichen Glaubens das Existenzrecht in Deutschland abgesprochen, sondern lediglich der politischen Ideologie des Islam, die dem Geltungsanspruch von Grundrechten, Rechtsstaat und Demokratie entgegengesetzt sei. Das sogenannte „Thesenpapier gegen die Islamisierung“ in seiner letzten Fassung vom 19. November 2011 sei nicht geeignet, eine verhältnismäßige Beobachtung durch den Beklagten zu begründen. Darin werde den Muslimen nicht angesonnen, auf Sätze ihres religiösen Glaubens zu verzichten. Vielmehr sei das Ziel ein Verzicht auf politische Programmsätze der in Deutschland lebenden Muslime, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar seien. Mit den islamischen Verbänden müsse ein Dialog geführt werden. Sollten die islamischen Verbände diesen Forderungen nicht nachkommen, würden sie als verfassungsfeindlich erklärt und letztendlich verboten werden. Es habe ein sofortiger Baustopp von Moscheen zu erfolgen, Koranschulen müssten geschlossen und Gebetsversammlungen in vorhandenen Moscheen unterbunden werden.

Mit Urteil vom 16. Oktober 2014 wies das Bayerische Verwaltungsgericht München die Klage im Verfahren M 22 K 14.1092 ab, soweit sie nicht zurückgenommen worden war. Rechtsgrundlage für die angegriffene Maßnahme der Beobachtung seien Art. 4 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 5 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG). Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informationen im Rahmen des Beobachtungsauftrags sei das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVSG. Im Hinblick auf die Klägerin ergäben sich solche Anhaltspunkte aus einer Gesamtschau des vom BayLfV vorgelegten Erkenntnismaterials, insbesondere aus den äußeren Aktivitäten des Klägers zu 1 (Michael St.), der die programmatische Ausrichtung und Wahrnehmung der Klägerin in der Öffentlichkeit maßgeblich geprägt habe und nach wie vor präge. Die Würdigung der vorliegenden Erkenntnisse begründe einen die Beobachtung rechtfertigenden Verdacht von Bestrebungen, die auf eine Abschaffung der Religionsfreiheit für Muslime und der staatlichen Pflicht zu weltanschaulichreligiöser Neutralität auch gegenüber dem Islam gerichtet seien, und die zudem darauf abzielten, Muslime in einer Weise in der Öffentlichkeit verächtlich zu machen, die ihren sozialen Wert und Achtungsanspruch missachte und geeignet sei, ihnen ihre Menschenwürde abzusprechen.

Im Verfahren M 22 K 14.1743 gab das Bayerische Verwaltungsgericht München den Klageanträgen der Klägerin durch Urteil vom 16. Oktober 2014 vollumfänglich statt. Die Nennung im Verfassungsschutzbericht 2013, aber auch die Erwähnung in der damit im Zusammenhang stehenden Rede des Bayerischen Staatsministers des Innern anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts des Freistaats Bayern 2013 sowie des Halbjahresberichts 2013 seien als Grundrechtseingriffe zu bewerten, weil sie geeignet seien, sich abträglich auf das Bild der Klägerin in der Öffentlichkeit auszuwirken und dies ihr gegenüber eine „mittelbar belastende negative Sanktion“ bedeute. Die Rechtsbeeinträchtigung der Klägerin sei bereits eingetreten und dauere mit der Gefahr ständiger Wiederholung an. Der Eingriffscharakter von Verfassungsschutzberichten mit Bezug auf Parteien ergebe sich aus der Besonderheit von Verfassungsschutzberichten, die darin liege, auf die Abwehr bestimmter verfassungsschutzgefährdender Gefahren abzuzielen. Die Aufnahme einer Partei im Verfassungsschutzbericht behindere diese damit in ihrer durch Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG gewährleisteten Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes. Art. 15 Satz 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 BayVSG erlaube im Hinblick auf die Klägerin nur eine Unterrichtung über den Verdacht von Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG nicht aber, wie im Verfassungsschutzbericht 2013 und den daneben angegriffenen in diesem Zusammenhang getätigten Äußerungen allerdings geschehen, eine über die Verdachtsstufe hinausgehende Unterrichtung dahingehend, dass die Klägerin in feststehender und erwiesener Weise solche Bestrebungen und Tätigkeiten verfolge. Insoweit verstoße die geschehene Berichterstattung zudem gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nach zutreffender Auslegung des Art. 15 Satz 1 BayVSG insbesondere auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfassungsschutzberichts müssten konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme von Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des Art. 3 Abs. 1 BayVSG vorliegen, um im Verfassungsschutzbericht eine Bewertung bestimmter Personen oder Organisationen als verfassungsfeindlich zu rechtfertigen. Tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien, lägen bei der Klägerin vor. Dies ergebe sich im Einzelnen aus den Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Oktober 2014 (richtig: 16. Oktober 2014) im Verfahren M 22 K 14.1092, wonach die Beobachtung unter anderem der Klägerin durch das BayLfV wegen des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung für rechtmäßig erachtet wurde. Die streitgegenständlichen öffentlichen und über die Verdachtsberichterstattung hinausgehenden Darstellungen der Klägerin im Verfassungsschutzbericht und die damit im Zusammenhang stehenden Äußerungen verletzten die Klägerin in ihrer grundrechtlich geschützten Freiheitsphäre, namentlich der Parteienfreiheit (Gründungsfreiheit, Betätigungsfreiheit und politische Chancengleichheit) sowie der Meinungsfreiheit. Denn die Tatsachenbehauptungen, die zur Begründung eines abschließenden Werturteils über die Verfassungsfeindlichkeit herangezogen würden, müssten der Wahrheit entsprechen. Von der Wahrheit der streitigen Behauptungen könne hier jedoch nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausgegangen werden. Die durch die Klägerin und ihre Funktionäre verlautbarten fortwährenden und nachhaltigen Herabsetzungen bestimmter Minderheiten hätten nicht ein qualitatives Maß und eine Nachhaltigkeit erreicht, die nur noch geringe Restzweifel an der Ernsthaftigkeit, die sich aus den Verlautbarungen ergebenden Ausgrenzungen auch in politische Taten umsetzen zu wollen, zuließen. Die Klägerin vermeide zudem ein offenes Bekenntnis zu verfassungsfeindlichen Zielen und trete durch Bekenntnisse zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung dem Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit entgegen. Somit könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit die besondere Gefährlichkeit der Klägerin für die freiheitliche demokratische Grundordnung als erwiesen angesehen werden, welche es rechtfertigen könnte, die Klägerin im Zusammenhang mit feststehend verfassungsfeindlichen Gruppierungen zu nennen. Die hinsichtlich der Klägerin vorliegenden Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung rechtfertigten es nicht, sie der Kategorie „verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit“ als neuer eigenständiger Extremismusform mit einer über das Verdachtsstadium hinausgehenden Gewissheit zuzuordnen. Im Rahmen dieser Würdigung sei zu berücksichtigen, dass der Übergang von einem bloßen Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen bis hin zum Feststehen verfassungsfeindlicher Bestrebungen fließend sei. Die eine Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht überhaupt erst rechtfertigenden hinreichenden gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte für einen Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen könnten sich je nach deren Qualität und Quantität soweit intensivieren und verdichten, bis die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen gerechtfertigt sei. Der Beklagte stütze seine Erkenntnis über das Bestehen von tatsächlichen Anhaltspunkten für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausschließlich auf im Internet öffentlich zur Verfügung stehende und von Mitgliedern der Klägerin selbst eingestellte Dokumente, Videos und Redemanuskripte. Die aufgeführten belastenden Anhaltspunkte seien nicht völlig unzweideutig und ohne Zweifel. Es fehle an stichhaltigen, eindeutigen und ausdrücklichen Bekenntnissen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, die von ihrer Intensität und Klarheit im Lichte der hier maßgeblichen beeinträchtigten Grundrechte dazu geeignet seien, die öffentliche Berichterstattung über die Klägerin als verfassungsfeindliche Gruppierung zu rechtfertigen. Neben belastenden Gesichtspunkten fänden sich auch entlastende in Äußerungen der Funktionäre der Klägerin. Es werde immer wieder betont, dass sich die Klägerin für eine freiwillige und auf gesellschaftlichen Konsens aufbauende Reformation des Islam einsetze. Gegenstand der Kritik sei nicht die Religion des Islam, sondern die Ideologie des politischen Islam, also des Islamismus einschließlich seiner Rechtssätze. Es werde stets deutlich gemacht, dass diese Kritik nicht als pauschale Kritik an den Muslimen und auch nicht als Kritik an der Religion des Islam verstanden werden solle. Gegenstand der Islamkritik sei damit erkennbar keine Verfassungsfeindlichkeit, sondern der Versuch einer verfassungskonformen Auslegung islamischer Glaubenssätze. Die Klägerin habe sich öffentlich und wiederholt von rechtsextremen Gruppierungen distanziert. Hinzu komme, dass auch teilweise übersteigerte Formulierungen, namentlich im Rahmen des öffentlichen Meinungskampfes, starke Ausdrücke, auch in überspitzter und polemischer Form, der Meinungsfreiheit unterfielen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Bestrebungen der Klägerin tatsächlich nur gegen die islamistischen und damit grundgesetzwidrigen Bestandteile des Islam bezögen. Die Funktionäre der Klägerin zögen aus tatsächlichen Umständen, die in Gestalt des Islamismus einen Teilaspekt des heutigen Islam darstellten, die Schlussfolgerung, dass der Islam gefährliche Elemente enthalte, die mit dem Grundgesetz und den durch diesen verkörperten Werten unvereinbar seien. Gleichzeitig betone die Führungsspitze der Klägerin, dass alle Menschen, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit, die gleichen Rechte hätten und dass Frauen und Männer vor dem Gesetz und im Alltag gleichgestellt seien. Sie fordere, dass sich der Islam von allen verfassungsfeindlichen, gewalttätigen, tötungsbereiten, intoleranten, frauenunterdrückenden und totalitären Aspekten trennen müsse, damit eine friedliche Koexistenz der Muslime und Nichtmoslems auf Dauer möglich sei. Diese Aussagen könnten durchaus so verstanden werden, dass die Klägerin für ein gleichberechtigtes Miteinander von Muslimen und Nichtmuslimen auf dem Boden des Grundgesetzes eintrete. Die Kammer verkenne nicht, dass die geschilderten entlastenden Gesichtspunkte auf dem Bemühen der Klägerin beruhen könnten, ihre tatsächlichen Ziele im Interesse der Wählbarkeit für größere Bevölkerungsgruppen zu verschleiern. Die Tatsache alleine, dass unverfängliche Äußerungen vorhanden seien, sei deshalb nicht aussagekräftig. Hinzu komme jedoch, dass bereits die belastenden Anhaltspunkte kein eindeutiges Bild zuließen. All das führe dazu, dass nur von einem Verdacht auszugehen sei. Der Verfassungsschutzbericht des Beklagten lasse diese Einschränkung jedoch nicht erkennen. Die Klägerin werde unter der Überschrift „verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit“ als einer neuen, eigenständigen Extremismusform erwähnt und damit eindeutig auf die Ebene einer erwiesenen verfassungsfeindlichen Organisation gestellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der Gruppierung bestünden, zudem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Maßstab für die Entscheidung, in welcher Art und Weise darüber berichtet werden dürfe. Die Berechtigung der Verfassungsschutzbehörde zur Berichterstattung in Verfassungsschutzberichten schon im Falle eines bloßen Verdachts für verfassungsfeindliche Bestrebungen erfordere eine Differenzierung dieser Berichterstattung nach Art und Ausmaß der Gefahr und nach dem Gewicht und der Belastbarkeit der eigenen Erkenntnisse. Daher müsse, etwa in den gewählten Überschriften und der Gliederung des Berichts, deutlich zwischen solchen Organisationen, für die nur ein Verdacht bestehe, und solchen, für die Bestrebungen erwiesen seien, unterschieden werden. Vorliegend sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Beklagte mit dem Begriff „verfassungsschutzrelevant“ habe ausdrücken wollen, dass bei der Klägerin nur von dem Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen ausgegangen worden sei. Der Beklagte habe vielmehr in seiner Klageerwiderung ausgeführt, dass es sich nicht nur um eine Verdachtsberichterstattung handle, da nicht nur tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht, sondern tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen der Klägerin gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorlägen. Allein aus der Begrifflichkeit „verfassungsschutzrelevant“ statt „verfassungsfeindlich“ sei für den flüchtigen Leser nicht hinreichend erkennbar, dass es sich dabei lediglich um einen Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen handeln solle. Der vom Bundesverfassungsgericht geforderten deutlichen Differenzierung werde damit jedenfalls nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen.

Mit Beschluss vom 24. Juni 2015 ließ der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beklagten die Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 zu.

Im Berufungsverfahren beantragt der Beklagte:

Unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 wird die Klage abgewiesen, soweit der Rechtsstreit durch die Parteien nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.

Das Verwaltungsgericht München habe in seiner Entscheidung einen fehlerhaften Prüfungsmaßstab angelegt. Nicht über tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht, sondern über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung finde gemäß Art. 15 BayVSG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 BayVSG eine Berichterstattung statt. Es sei somit erforderlich, aber auch ausreichend, dass hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine derartige Annahme vorlägen. Ein möglicher, nicht durch belegbare Tatsachen gestützter bloßer Verdacht reiche nicht aus, aber das Vorliegen sogenannter Anknüpfungstatsachen. Insoweit werde auf die Gesetzesbegründung und die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung verwiesen. Bezüglich der Klägerin lägen hinreichende Anknüpfungstatsachen vor, die auf der Basis des anzulegenden Maßstabs die Berichterstattung über die Klägerin rechtfertigten. Die Berichterstattung sei auch vor dem Hintergrund der Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 25. Mai 2005 an die Prüfung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitserwägungen angesichts der erheblichen Verdichtetheit der Anknüpfungstatsachen nicht zu beanstanden. Die Vielzahl der vom Beklagten vorgelegten tatsächlichen Anhaltspunkte für die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen der Klägerin sowie die inhaltliche Intensität der Anhaltspunkte rechtfertigten die Darstellung über die Klägerin im Verfassungsschutzbericht 2013. Insbesondere sei nochmals auf das Thesenpapier, aber auch auf das Grundsatzprogramm 2.0 des Bundesverbandes der Klägerin und die Einstufung des Korans als „Kriegserklärung an die nichtmuslimische Welt und eine kodifizierte Anleitung zum Töten von Nichtmuslimen“ mit dem verfolgten Ziel eines Verbots des Korans und einer „Verbrennung des Korans als symbolisch letzte Maßnahme“ hingewiesen. Es würden von der Klägerin Bestrebungen verfolgt, die darauf abzielten, Muslime verallgemeinernd zu diffamieren und ihnen Grundrechte nicht zuzugestehen. So sei die Zielrichtung der Klägerin auf eine Abschaffung der verfassungsrechtlich durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG grundsätzlich schrankenlos garantierten Religionsfreiheit für Muslime gerichtet. Muslimen werde letztendlich die Menschenwürde gemäß Art. 1 GG abgesprochen, wenn allen Muslimen vorgeworfen würde, nicht zu eigenständigem Denken bzw. Entscheidungen in der Lage zu sein und lediglich wie Maschinen zu agieren. Es werde insbesondere auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts München im Urteil M 22 K 14.1092 Bezug genommen.

Diese hinreichende Gewichtung der tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen der Klägerin gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung werde nicht durch angeblich vorliegende Gründe, die gegen eine entsprechende Verfestigung und Verdichtung sprächen, entkräftet. Die angeblich entlastenden Gründe seien nicht tragfähig. Eine Distanzierung vom Rechtsextremismus sei nicht geeignet, eine verfassungsfeindliche Islamfeindlichkeit aufzulösen. Es bestünden keine ernsthaften Zweifel daran, dass die Klägerin ihre verfassungsfeindliche Zielsetzung auf die tatsächliche Verwirklichung gerichtet habe. Die nach Ansicht des Verwaltungsgerichts München denkbare Auslegung der Aussagen in einer nicht verfassungsfeindlichen Weise finde keine Grundlage. Ausdrückliche Bekenntnisse der Klägerin gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung seien nicht erforderlich. Gerade bezüglich derjenigen Gruppierungen, die sich äußerlich einen in Wahrheit nicht zutreffenden Anschein von Verfassungstreue gäben, sei eine Aufklärung der Bevölkerung besonders wichtig. Der Eintritt einer konkreten Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder einer Rechtsgutverletzung müsse gerade nicht abgewartet werden. Den entsprechenden öffentlichen Äußerungen komme ein hoher Beweiswert zu.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es sei eine grundsätzlich verfehlte Herangehensweise des Beklagten, den Islam und den Islamismus jeweils gesondert zu betrachten. Denn eine künstliche Aufspaltung oder Trennung des Islam und des Islamismus sei nicht möglich. Die Klägerin habe immer nur die politische Forderung gestellt, dass die verfassungsfeindlichen Bestandteile des politischen Islam bekämpft würden. Die der Klägerin vorgehaltene pauschale Verunglimpfung sei deshalb nie erfolgt.

In der Streitsache wurde am 12. Oktober 2015 mündlich verhandelt. Die Parteien erklärten den Rechtsstreit bezüglich des Halbjahresberichts und der Rede des Staatsministers in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und Gerichtsakten, auch im Verfahren M 22 K 14.1092, Bezug genommen.

II.

1. Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Die von der Klägerin und dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erledigungserklärungen betrafen die Klageanträge Nummer 2. und 3. der Klägerin, denen das Verwaltungsgericht München im Urteil vom 16. Oktober 2014 in Nummer II. und III. des Tenors stattgegeben hatte.

2. Die noch anhängige Berufung des Beklagten bezüglich der Nummer I. des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Unrecht verpflichtet, die weitere Verbreitung des Verfassungsschutzberichts 2013 zu unterlassen, wenn nicht vorher die Passagen über die Klägerin entfernt oder unkenntlich gemacht worden sind. Denn der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Zwar greift die Darstellung der Klägerin unter der Überschrift „verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit“ in das Grundrecht der Klägerin aus Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 GG ein (2.1). Auch besteht die Gefahr alsbaldiger, weiterer nicht zu duldender Störungen durch die Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts 2013 (2.2). Es handelt sich jedoch um keinen rechtswidrigen Eingriff, weil die Berichterstattung durch Art. 15 BayVSG gerechtfertigt ist (2.3). Ein formelles Begründungserfordernis für das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte ergibt sich aus Art. 15 Satz 1 BayVSG nicht (2.4). Die Berichterstattung über die Klägerin beachtet auch die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden Anforderungen (2.5).

2.1 Der allgemeine öffentlichrechtliche Unterlassungsanspruch, der in § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wurzelt und allgemein anerkannt ist (BVerwG, B.v. 27.3.1996 - 8 B 33.96 - juris), setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen droht. Die Grundrechte schützen den Grundrechtsträger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, so dass er, wenn ihm eine derartige Rechtsverletzung droht, gestützt auf das jeweilige Grundrecht Unterlassung verlangen kann (BVerwG, U.v. 21.5.2008 - 6 C 13.07 - juris Rn. 13).

Im Fall der Klägerin ist jedenfalls ihre grundgesetzlich geschützte Rechtsposition aus Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 GG betroffen. Als Landesverband einer Partei (§ 3 Satz 2 ParteiG) kann sich die Klägerin auf die Parteienfreiheit, die die Gründungs-, Betätigungs-, Programm-, Wettbewerbs- und Finanzierungsfreiheit umfasst (Kluth in BeckOK, GG, Stand: 1.6.2015, Art. 21 Rn. 109), berufen, weil der Klägerin als Gebietsverband eigene Rechte zustehen. Unter Betätigungsfreiheit werden alle Maßnahmen verstanden, die die innere Ordnung sowie das Auftreten nach Außen gegenüber dem Bürger und der Öffentlichkeit, den Staatsorganen, den Rundfunkanstalten und den anderen Parteien betreffen (Kluth, a. a. O., Rn. 111). Durch die Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht 2013 ist die Betätigungsfreiheit der Klägerin berührt. Die mit der Bezeichnung als „verfassungsschutzrelevant islamfeindlich“ verbundene Abschreckung und Warnung der Allgemeinheit (vgl. BVerfG, B.v. 24.5.2005 - 1 BvR 1072/01 - juris Rn. 55) vor der Klägerin hat sowohl Einfluss auf die Programmatik der Klägerin als auch auf die Meinungsäußerung und Selbstdarstellung nach außen und das Wettbewerbsverhältnis zu anderen Parteien (vgl. z. B. BVerfG, U.v. 10.6.2014 - 2 BvE 4/13 - juris Rn. 25). Ob sich ein solcher Schutzanspruch der Klägerin daneben auch auf das ihr als juristischer Person nach Art. 19 Abs. 3 GG zustehende allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) stützen lässt (zum Verhältnis von Art. 21 GG zu anderen Verfassungsbestimmungen und Grundrechten vgl. Kluth in BeckOK, Stand: 1.6.2015, Art. 21 Rn. 12; Ipsen in Sachs, Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 21 Rn. 28 ff.), kann hier letztlich dahinstehen.

Die Berichterstattung über die Klägerin stellt auch einen Eingriff dar. Zwar führt nicht jedes Informationshandeln und jede Teilhabe des Staates am Prozess öffentlicher Meinungsbildung zu einem Grundrechtseingriff (BVerfG, a. a. O. Rn. 50 m.w.N). Entscheidend ist, ob die Bezeichnung einer Partei als verfassungsfeindlich die Rechtsstellung einer Partei in relevanter Weise berührt und sich als jenseits der Toleranzgrenze gelegene Beeinträchtigung ihrer Betätigungsfreiheit darstellt (Klein in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Stand Mai 2015, Art. 21 Rn. 575). Der Verfassungsschutzbericht ist kein beliebiges Erzeugnis staatlicher Öffentlichkeitsarbeit. Er zielt auf die Abwehr besonderer Gefahren und stammt von einer darauf spezialisierten und mit besonderen Befugnissen arbeitenden Stelle. Insofern geht eine Veröffentlichung im Verfassungsschutzbericht über die bloße Teilhabe staatlicher Funktionsträger an der öffentlichen Meinungsbildung hinaus (BVerwG, U.v. 21.5.2008, a. a. O., Rn. 15). Die Erwähnung einer Partei im Verfassungsschutzbericht stellt daher eine „mittelbar belastende negative Sanktion“ dar, die zumindest als eingriffsgleiche Maßnahme zu bewerten ist und die Freiheit und Chancengleichheit der Parteien berührt (Klein, a. a. O., Rn. 576; Murswiek: Neue Maßstäbe für den Verfassungsschutzbericht, NVwZ 2006, 121/122).

2.2 Voraussetzung für die Begründetheit einer Klage, mit der ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog geltend gemacht wird, ist weiterhin, dass eine künftige Beeinträchtigung des in Frage stehenden Rechts droht. Dies erfordert eine auf Tatsachen gestützte objektive ernstliche Gefahr alsbaldiger weiterer, nicht zu duldender Störungen (Wiederholungsgefahr; vgl. Berger in Jauernig, BGBKommentar, 15. Aufl. 2014, beckonline, § 1004 Rn. 11). Eine solche Gefahr besteht im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats noch. Inzwischen ist zwar der Verfassungsschutzbericht 2014 veröffentlicht, in dem wieder über die Klägerin berichtet wird. Dadurch ist aber weder der durch den Verfassungsschutzbericht 2013 eingetretene Grundrechtseingriff beseitigt noch eine Rechtsbeeinträchtigung durch diesen Bericht für die Zukunft ausgeschlossen. Für die Einschätzung und Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit ist regelmäßig der aktuelle Verfassungsschutzbericht maßgeblich, weil der Verfassungsschutz im jeweils neuesten Bericht die Öffentlichkeit über die aktuellen Ergebnisse der Beobachtung der im Verfassungsschutzbericht genannten Organisationen, ihrer Mitglieder und Unterstützer informiert (BayVGH, B.v. 16.7.2010 - 10 CE 10.1201 - juris Rn. 13 m. w. N.). Ist aber auch der vorangegangene Bericht weiterhin für die Öffentlichkeit zugänglich oder enthält er weitergehende, fortgeltende oder überschießende Feststellungen, so droht trotz des neuen Berichts eine Wiederholungsgefahr bezogen auf den Bericht des Vorjahres. So verhält es sich hier, da im Verfassungsschutzbericht 2014 unter Bezugnahme auf die Berichterstattung für das Jahr 2013 berichtet wird und der Beklagte auch beabsichtigt, den Verfassungsschutzbericht 2013 weiter zu verbreiten.

2.3 Der Eingriff in die geschützte Rechtsposition der Klägerin ist jedoch nicht rechtswidrig. Er ist durch Art. 15 Satz 1 BayVSG gerechtfertigt, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt (2.3.1) tatsächliche Anhaltspunkte (2.3.2) für Bestrebungen nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG (2.3.3) vorlagen.

2.3.1 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob bei der Klägerin tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen, ist die Sachlage bei Vornahme der Maßnahme, hier der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts 2013 am 27. März 2014 (Roth in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, BVerfSchG, §§ 3,4 Rn. 136 für Beobachtungsmaßnahmen). Zwar ist bei einem Unterlassungsanspruch grundsätzlich auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich aus dem materiellen Recht ergibt, dass ein anderer Zeitpunkt maßgeblich ist (vgl. allgemein Kopp, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 41). Denn das materielle Recht entscheidet, ob eine nach der behördlichen Maßnahme erfolgte Änderung der Sach- und Rechtslage Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns hat. Die Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht gibt die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts vorliegenden Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden wieder, so dass folglich darauf abzustellen ist, ob die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte die Berichterstattung tragen.

2.3.2 Nach Art. 15 Satz 1 BayVSG unterrichten das zuständige Staatsministerium und das Landesamt für Verfassungsschutz über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG (aa.). Der Klägerin werden insoweit auch die Äußerungen und Veröffentlichungen ihres Landesvorsitzenden zugerechnet (bb.). Bei dem Begriff des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (cc.). Es liegen konkrete Tatsachen vor, die die im Verfassungsschutzbericht vorgenommene Beschreibung der Ideologie und der Strategie der Klägerin inhaltlich tragen und auch die Bezeichnung als „verfassungsschutzrelevant islamfeindlich“ rechtfertigen (dd.).

aa. Gemäß Art. 15 Satz 1 BayVSG unterrichten das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr und das Landesamt für Verfassungsschutz die Öffentlichkeit über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG. Ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, des Ausführungsgesetzes Art. 10-Gesetz und des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes hat der Gesetzgeber mit der (nachträglichen) Einfügung der Worte „tatsächliche Anhaltspunkte für“ in Art. 15 Satz

BayVSG im Hinblick auf eine enge Auslegung der entsprechenden Vorschrift des Landes Berlin durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 6.4.2006 - 3 B 3. 99) klarstellen wollen, dass eine Berichterstattung in Bayern bereits bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte und nicht erst bei sicherem Vorliegen von Bestrebungen zulässig ist (Zu § 1 Nr. 7 - Art. 15 Satz 1 BayVSG -, LT-Drs. 15/10313 S. 26/27; zur Auslegung der bundesrechtlichen Ermächtigung des § 16 Abs. 1 BVerfSchG vgl. dagegen BVerwG, U.v. 26.6.2013 - 6 C 4.12 - juris). Damit verlangt diese Befugnisnorm gerade noch keine Gewissheit darüber, dass Bestrebungen vorliegen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (vgl. auch BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 28 zur insoweit vom Wortlaut vergleichbaren Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG). Mit dem tatbestandlichen Erfordernis tatsächlicher Anhaltspunkte wird andererseits auch klargestellt, dass bloße Vermutungen oder ein bloßer Verdacht nicht ausreichen, sondern konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis vorliegen müssen (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2010 - 10 CE 10.1201 - juris Rn. 22; BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 30). Das Bayerische Verfassungsschutzgesetz kennt damit keine sog. „Verdachtsberichterstattung“. Die unterschiedlichen Kategorien der Unterrichtung der Öffentlichkeit im Verfassungsschutzbericht, die das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, nämlich die Unterrichtung über „tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen“ und die Unterrichtung über „feststehende verfassungsfeindliche Bestrebungen“ sind in Art. 15 Satz 1 BayVSG nicht vorgesehen. Die Terminologie und besondere Form einer Berichterstattung, die das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, basiert auf der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 2005 (1 BvR 1072/01 - juris), der § 15 Abs. 2 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen zugrunde lag. Nach dieser Norm darf die Verfassungsschutzbehörde Verfassungsschutzberichte zum Zweck der Aufklärung der Öffentlichkeit über Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 veröffentlichen. § 3 Abs. 1 bestimmt als Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden die Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen vorliegen. Aufgrund dieser gesetzlichen Regelung, die sich von Art. 15 Satz 1 BayVSG allerdings durch den Einschub bzw. Zusatz „den Verdacht solcher“ unterscheidet, kam das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis, dass dann, wenn die Verfassungsschutzbehörde nur von tatsächlichen 2 Anhaltspunkten für einen Verdacht von Bestrebungen ausgegangen ist, sie die betreffende Gruppierung im Verfassungsschutzbericht nicht auf die gleiche Stufe stellen darf wie eine Gruppierung, für die sie verfassungsfeindliche Bestrebungen festgestellt hat. Eine Aussage dahingehend, wo die Schwelle für eine Berichterstattung über Bestrebungen einer Gruppierung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung liegt, wurde damit aber nicht getroffen. Diesbezüglich hat erst das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass das jeweilige Verfassungsschutzgesetz in formeller Hinsicht eine Ermächtigung aussprechen muss, ob es nur eine Berichterstattung über Fälle zulässt, in denen Gewissheit über verfassungsfeindliche Bestrebungen besteht, oder auch zu einer Berichterstattung in Fällen befugt, in denen tatsächliche Anhaltspunkte erst einen dahingehenden Verdacht begründen (BVerwG, U.v. 26.6.2013 - 6 C 4.12 - juris Rn. 12). Das BayVSG bezeichnet seinem Wortlaut nach eindeutig bereits das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung als Berichtsgegenstand (so auch BVerwG, a. a. O., Rn. 13).

bb. Ob solche tatsächlichen Anhaltpunkte bei der Klägerin vorliegen, beurteilt sich nicht nur nach ihren eigenen Verlautbarungen, sondern auch denjenigen ihres Landesvorsitzenden, da dessen Aktivitäten und Äußerungen der Klägerin zuzurechnen sind. Dies gilt einerseits selbstverständlich für seine Tätigkeit in seiner Funktion als Landesvorsitzender. Aber Texte und Äußerungen von leitenden Mitgliedern einer Vereinigung sind dieser auch dann zuzurechnen, wenn sie als solche zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit der Vereinigung verfasst oder getätigt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen dieser Vereinigung handeln (BayVGH, B.v. 30.7.2015 - 10 ZB 15.819 - juris Rn. 43 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 14.5.2014 - 6 A 3.13 - juris Rn. 35). Unter anderem kann aus einer entsprechenden Grundeinstellung ihrer Funktionsträger geschlossen werden, dass eine Vereinigung sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Insoweit gibt es keine trennscharfe Unterscheidung zwischen einer rein privaten und einer der Vereinigung zuzurechnenden Sphäre (BVerwG, U.v. 19.12.2012 - 6 A 6.11 - juris Rn. 18).

Der Landesvorsitzende der Klägerin ist zugleich Vorsitzender der P.I. Ortsgruppe München. Mitglieder dieser P.I. Ortsgruppe bilden das Kerngerüst der Klägerin (s. Urteil des VG München vom 16.10.2014, M 22 K 14.1092, S. 45 m. w. N.). Wegen der engen personellen und programmatischen Verflechtung sind daher auch Texte und Meinungen, die der Landesvorsitzende der Klägerin im Rahmen seiner Tätigkeit für die P.I. Ortsgruppe München verfasst oder geäußert hat, dieser zuzurechnen. Sowohl die Klägerin als auch die P.I. Ortsgruppe verstehen sich als Plattform für die Information und Aufklärung über die Gefahren des Islam für unsere Gesellschaftsordnung und treten einer Islamisierung Europas entgegen (www.pinews.net/leitlinien.; http://diefreiheit.org/home/wofuerwirstehen/). Die islamkritische Haltung des Landesvorsitzenden der Klägerin, die er, bevor er zu Beginn des Jahres 2012 in die Position des Landesvorsitzenden gewählt wurde, bereits auf der Website www.pinews.net im „Thesenpapier gegen die Islamisierung“ (Fassungen vom 19.10.2011, 26.10.2011 und 19.11.2011) öffentlich gemacht hat, hat auch Eingang in des Grundsatzprogramm der Klägerin gefunden. Dort ist unter „Migration und Integration“ Folgendes ausgeführt:

Der politische Islam

Ausgehend von dem Wissen, dass der Islam nicht nur eine Religion, sondern vor allem auch eine politische Ideologie ist, fordern wir eine Überprüfung aller in Deutschland aktiven islamischen Vereine und Verbände auf ihre Verfassungs- und Rechtstreue, auf ihren Einfluss auf die Integrationsverweigerung und auf ihre Verbindungen zu islamischen Ländern, um den Missbrauch der Religionsfreiheit zur Durchsetzung politischer und kulturfeindlicher Ziele zu unterbinden. Von in Deutschland den Koran unterrichtenden Personen ist ein schriftliches, eidesstattliches Bekenntnis zu fordern, dass alle gültigen Rechtsnormen stets und generell über dem religiösen und islamischen Recht stehen und dass die Scharia hier keine Gültigkeit hat und jemals haben wird. Wir wissen, dass Moscheebauten nicht nur religiösen Zwecken dienen und die darin durchgeführten Veranstaltungen Integration oft massiv behindern und zur Entstehung oder zur Festigung von Parallelgesellschaften führen. Deshalb fordern wir eine Modifizierung des Baurechts, so dass Planverfahren für Moscheebauten zwingend und vor allem die Beteiligung der Bürger und Kommunalparlamente an Entscheidungen obligatorisch werden. Wir setzen uns mit aller Kraft gegen eine Islamisierung unseres Landes ein. Religiöse Schriften, welche Unterdrückung und Tötung von Menschen verlangen, sind zu verbieten.

Der ideologische Hintergrund der Klägerin und ihres Landesvorsitzenden sowie der P.I. Ortsgruppe München weisen bezogen auf die behaupteten Gefahren des Islam eine hinreichende Parallelität auf, um nach den genannten Kriterien die Äußerungen und Texte des Landesvorsitzenden, die er als Mitglied der P.I. München auf deren Website und bei verschiedenen Veranstaltungen verbreitet hat, auch der Klägerin zuzurechnen.

cc. Bei dem Begriff des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (BVerwG, U.v. 17.10.1990 - 1 C 12.88 - juris Rn. 26). Dies gilt sowohl für das Vorliegen der tatsächlichen Anhaltspunkte als auch für die daraus gezogene Schlussfolgerung (Roth in Schenke/Graulich/Ruthig, a. a. O., §§ 3,4 Rn. 135). Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt damit nicht nur die Richtigkeit der verfassungsschutzbehördlichen Tatsachenfeststellungen als solche, sondern auch die Richtigkeit der hieraus gezogenen Schlussfolgerung, dass diese Tatsachen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Berichterstattung begründen.

dd. Die vom Beklagten im Verfahren M 22 K 14.1743 vorlegten Veröffentlichungen der Klägerin und der Publikationen und Äußerungen ihres Landesvorsitzenden stellen solche tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen im Sinn des Art. 15 Satz 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG dar. Die Berichterstattung über die Klägerin im Verfassungsschutzbericht ist sowohl hinsichtlich der dort angeführten Tatsachen (aaa.) als auch hinsichtlich der Schlussfolgerung (bbb.) zutreffend.

aaa. Im Einzelnen führt der Beklagte im Verfassungsschutzbericht 2013 aus: „Er (der Landesverband der Klägerin) wendet sich mit pauschal diffamierenden Äußerungen gegen Mitbürger islamischer Religionszugehörigkeit, unabhängig von deren Staatsangehörigkeit oder Aufenthaltsstatus. DIE FR. B. differenziert in ihren Verlautbarungen in der Regel nicht zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als politischer Ideologie, sondern begreift den Islam als „faschistoide Politideologie“. Der Koran wird als „das gefährlichste Buch der Welt“ verunglimpft. Auf seiner Internetseite fordert der Landesverband islamische Organisationen auf, umgehend in schriftlicher Form auf bestimmte Koranverse als Bestandteil der islamischen Glaubensgrundsätze dauerhaft zu verzichten, und stellt den Islam insgesamt als unvereinbar mit unserer Gesellschaftsordnung dar. Die Aktivitäten der FR. B. zielen darauf ab, pauschale Ängste vor Muslimen als nicht integrierbare „Ideologieanhänger“ zu schüren und alle Muslime allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Feinde des Rechtsstaats zu verunglimpfen.“

Für diese Feststellungen und Wertungen des Beklagten und die Schlussfolgerung, dass die Klägerin verfassungsschutzrelevante Bestrebungen verfolge, finden sich in den von der Klägerin und ihrem Landesvorsitzenden verfassten Beiträgen und Reden, die der Beklagte in der ersten Instanz als „Beweismittel“ vorgelegt hat (Anlagen zum Schriftsatz vom 5.8.2014) eine Vielzahl von tatsächlichen Anhaltspunkten:

So wird im Parteiprogramm der Klägerin der Islam nicht nur als Religion, sondern auch als politische Ideologie bezeichnet. Von den den Koran unterrichtenden Imamen wird ein schriftliches Bekenntnis gefordert, dass alle gültigen Rechtsnormen stets über dem islamischen Recht stünden und dass die Scharia keine Gültigkeit habe (www.bayerndiefreiheit.org/grundsatzprogramm/migrationundintegration/).

Im Thesenpapier in den Fassungen vom 19.10.2011, 26.20.2011 und 19.11.2011 (www.pinews.net) äußert der Landesvorsitzende die Auffassung, dass der Islam eine Machtideologie im Deckmantel einer Religion sei, die die Welt in höhergestellte Rechtgläubige und minderwertige Ungläubige aufteile. Mit totalitärem weltlichen Herrschaftsanspruch, Intoleranz, Gewaltbereitschaft und Tötungslegitimation. Die Regierung der Bundesrepublik müsse in Konsequenz dieser Erkenntnis alle islamischen Verbände unmissverständlich und unverzüglich dazu auffordern, sich sofort und für alle Zeiten vom weltlichen Machtanspruch, von der Intoleranz, von der Gewalt und der Tötungsbereitschaft zu verabschieden und außerdem unbefristet auf die Scharia zu verzichten. Wenn diese Forderungen nicht von allen islamischen Verbänden unterzeichnet würden, erfolge ein sofortiger Baustopp von Moscheen, die Schließung von Koranaschulen und die Unterbindung von Gebetsversammlungen. Wenn sich islamische Organisationen und Verbände, Koranschulen und Moscheegemeinden dem vorgelegten Forderungskatalog verweigerten, könnten sie als verfassungsfeindlich eingestuft, überwacht sowie letztendlich verboten bzw. geschlossen werden.

Auf der Website der Klägerin findet sich ferner die „Forderung zur Verzichtserklärung auf die verfassungsfeindlichen Bestandteile des Islam“ (www.diefreiheit.org /aufforderung...). Danach kann der Koran als Grundlage zur Weltanschauung nicht akzeptiert werden, denn er sei seinem Inhalt nach eine Kriegserklärung an die nichtmuslimische Welt und eine kodifizierte Anleitung zum Töten von Nichtmuslimen. Jede Organisation, deren Ziel die Verbreitung des Islam sei, stelle somit eine akute Gefahr für unsere Freiheit dar. Jede im Anschreiben genannte Organisation werde aufgefordert, umgehend in schriftlicher Form auf die aufgeführten Koranverse als Bestandteil der islamischen Glaubensgrundsätze dauerhaft zu verzichten. Bei Ablehnung dieser Forderungen sei davon auszugehen, dass aktiv verfassungsfeindliche Ziele verfolgt würden.

Im Beweismittel 13 des Beklagten im Verfahren M 22 K 14.1743 wiederholt die Klägerin erneut ihre Forderung, alle verfassungsfeindlichen Bestandteile des Islam aus der islamischen Weltanschauung zu streichen. Ansonsten müsste ein Baustopp für alle Moscheen und Koranschulen verfügt werden.

Anlässlich einer Information der Landeshauptstadt München über das von der Klägerin initiierte Bürgerbegehren gegen die Errichtung einer Moschee in München spricht der Landesvorsitzende der Klägerin in einem Beitrag der pinews (Beweismittel 14) davon:

Der Bayerische Landesverband der FR. klagt selbstverständlich gegen diese skandalöse Verfassungsschutzbeobachtung. Es wird ein Treppenwitz der Geschichte bleiben, dass eine Partei, die mutig die verfassungsfeindlichen Bestandteile des Islams offen anspricht und vor der existentiellen Bedrohung dieser totalitären Ideologie für die freiheitlichdemokratische Grundordnung warnt, selber vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Diese Beobachtung beruht zudem auf einer Falschbehauptung, denn DIE FR. verunglimpft keinesfalls „Muslime als Feinde des Rechtstaates“, sondern kritisiert ausschließlich die vielen demokratieablehnenden, menschenrechtsverletzenden und verfassungsfeindlichen Grundlagen des Islams. Der bei weitem nicht nur eine Religion, sondern vielmehr eine politische Ideologie mit weltlichem Herrschaftsanspruch und eigenem Rechtsystem ist. DIE FR. sieht Moslems als erste Opfer einer gefährlichen Gehirnwäsche an, die Gewalt, Kampf, Töten, Frauenunterdrückung und ein barbarisches Rechtssystem als von einem Gott gewollt darstellt.

Es ist die wichtigste gesellschaftspolitische Aufgabe des 21. Jahrhunderts, den Islam von all seinen gefährlichen Bestandteilen zu befreien. Um letztlich auch Moslems zu integrationsfähigen Bestandteilen unseres freien demokratischen Systems zu machen, was mit Koran und Mohammed im Kopf unmöglich ist. Gerade die junge Generation muss davon befreit werden, sonst läuft sie Gefahr, zu unseren erbitterten Feinden gedrillt zu werden.

Auf der Website der Klägerin findet sich am 18. Juni 2013 anlässlich einer Auflage der Landeshauptstadt bezüglich der Veranstaltungen der Klägerin zum Bürgerbegehren gegen den Moschee-Bau folgender Satz (Beweismittel 36):

Am Ende wird nicht St. als Extremist dastehen, sondern Ude wird als ein wesentlicher Zuarbeiter einer terroristischgenozidären Religion gelten und zu Recht als Islamist verschrieen werden.

Anlässlich der gemeinsamen Erklärung aller Münchner Stadtratsparteien gegen die Freiheit publiziert die Klägerin auf ihrer Website folgenden Kommentar ihres Landes- vorsitzenden (Beweismittel 40):

In München wird es nicht scheitern. Die bayerische Landeshauptstadt reift gerade zum Symbol der Gegenbewegung zur Islamisierung. Die Münchner werden schlau wie die Schweizer sein, die in ihrem Land per Volksbefragung dem Bau von Minaretten eine Absage erteilt haben.

Bei diesem Bürgerbegehren geht es im Kern nicht um den Bau eines religiösen Zentrums. Mit dem Bürgerbegehren werden von den Initiatoren pauschalierende, diffamierende und unwahre Behauptungen über die muslimischen Bürgerinnen und Bürger unserer Heimatstadt verbreitet.

Auch in diesem Absatz ist alles falsch. Wir stellen den Islam und seine verfassungsfeindlichen Bestandteile dar. Alle wirklich konsequent und kompromisslos grundgesetztreuen bei uns lebenden Moslems heißen wir herzlich willkommen und ermutigen sie, ihre Imame und Verbandsführer dazu aufzufordern, die Verzichtserklärung auf alle verfassungsfeindlichen Bestandteile ihrer „Religion“ zu unterschreiben. Wir liefern die Begründung für die in ganz Europa beobachtbaren Intergrationsverweigerungen und überproportional hoch auftretenden Gewalterscheinungen in den moslemischen Parallelgesellschaften. Pfaffmann und seine All-Parteien-Koalition wird keinen Beleg für „unwahre“ Behauptungen liefern können.

Alle Muslime werden aufgrund ihres Glaubens als Feinde des Rechtsstaats verunglimpft.

Eine üble Unterstellung. Es geht immer nur um die Verfassungsfeindlichkeit des Islams. Wenn ein Moslem allerdings die Vorschriften des Islams konsequent ausführt, wird er sich unweigerlich verfassungsfeindlich verhalten müssen. Solange sich Moslems in Minderheitsverhältnissen befinden, wird das volle Programm des Islams noch nicht gelebt. Aber es vollzieht sich immer intensiver, je mehr Moslems sich in einer Gesellschaft befinden. Anschauungsunterricht liefert die geschichtliche Entwicklung aller 57 islamischen Länder. Darüber aufzuklären und kommende Katastrophen zu verhindern, ist die größte gesellschaftspolitische Aufgabe des 21. Jahrhunderts. Dass sich die unterzeichnenden Parteien dieser Aufgabe nicht nur entziehen, sondern sich auch noch dagegen positionieren, grenzt an Volksverrat.

In der Propaganda für das Bürgerbegehren wird den Muslimen abgesprochen, ihre kulturellen und religiösen Interessen in ihrer Heimatstadt formulieren zu dürfen.

Solange sich Moslems im Rahmen des verfassungsrechtlich Erlaubten bewegen, können sie ihren „Glauben“ ausleben. Gegen Beten hat keiner was, solange es nicht um das Bekämpfen, Unterwerfen und Töten von Andersgläubigen geht. Leider ist der Islam aber in hohem Umfang verfassungsfeindlich, dies kann man u. a. auch bei dem bekannten Staatsrechtler Prof. Albrecht Schachtschneider nachlesen.

Die vom Grundgesetz für alle garantierte Religionsfreiheit wird den Muslimen in Deutschland abgesprochen. Auch wenn man solche Sätze nicht im Text des Bürgerbegehrens findet, so belegen doch zahlreiche Äußerungen der Initiatoren und ihrer Unterstützer diese Haltung. Die Rechtspopulisten missbrauchen somit ein Instrument zur demokratischen Bürgerbeteiligung um zutiefst undemokratische Forderungen zu erheben. Das bayerische Innenministerium hat daraus die Konsequenzen gezogen und stuft die Initiatoren - die Partei „Die Freiheit“ LV Bayern - mittlerweile als verfassungsfeindlich ein.

Es wird ein Treppenwitz der Geschichte bleiben, dass eine Partei, die vor den verfassungsfeindlichen Bestandteilen einer Ideologie warnt, selbst als verfassungsfeindlich bewertet wird. Irrationaler geht es schon fast gar nicht mehr.

In einem Artikel zu einer Leserbrief-Serie der FAZ (Beweismittel 15) äußert sich der Landesvorsitzende der Klägerin wie folgt:

Wie übel Christen und Juden sowie Andersgläubige allgemein im Koran diffamiert werden, erkennt man sofort. Vorausgesetzt, man liest das gefährlichste Buch der Welt auch wirklich:

Es gibt nichts mehr zu Diskutieren: Entweder werden all diese Tötungsbefehle und alle weiteren verfassungsfeindlichen Bestandteile aus Koran und Sunna gestrichen, Mohammeds Vorbildfunktion für die heutige zivilisierte Zeit abgelehnt sowie die Scharia als Gesetzsystem für ungültig erklärt, oder all jene Islam-Organisationen werden verboten, die sich dem widersetzen. Dies sollte der einzige Tagesordnungspunkt einer letzten Islamkonferenz sein.

Zum Koran findet sich noch folgende Äußerung des Landesvorsitzenden der Klägerin (Beweismittel 48):

Persönlich sehe ich die Verbrennung des Korans als symbolisch letzte Maßnahme, wenn alle anderen Anstrengungen zuvor vergebens waren. Wenn also beispielsweise die Forderung zur Streichung der verfassungsfeindlichen Bestandteile in Koran und Sunna von den islamistischen Organisationen in Deutschland verweigert wird.

In einem weiteren Artikel vom 9. Februar 2014 in den pinews (Beweismittel 30) heißt es:

Diese Linksextremisten haben aus der Geschichte absolut nichts gelernt. Nationalsozialismus und Islam besitzen wesensverwandte totalitäre Inhalte, die nur unterschiedlich verpackt sind.

Zu den Muslimen finden sich in Publikationen und Äußerungen der Klägerin und ih- res Landesvorsitzenden folgende Passagen:

Wir mussten erneut erleben, wie aggressiv und uneinsichtig Moslems reagieren, wenn über den Islam aufgeklärt wird. Obwohl wir immer wieder betonen, dass wir überhaupt nichts gegen die Menschen haben, sondern wir sie befreien wollen von all der Gewalt, Frauenunterdrückung sowie Menschenverachtung und wir nur faktisch über die gefährlichen Bestandteile des Islam aufklären, schlägt uns immer wieder purer Hass entgegen. An diesem Nachmittag war es erneut eine vom Äußeren her moderat wirkende Muslimin, die mich zutiefst beleidigte und anschrie.

Wir lassen das alles mit stoischer Ruhe über uns ergehen, da wir wissen, dass diese Menschen in einem geistigen Gefängnis sitzen. Sie sind Opfer einer Gehirnwäsche, die sie von klein auf eingetrichtert bekommen haben und nicht kritisch hinterfragen dürfen, da sie sonst wegen Apostasie in Lebensgefahr geraten.

(Beweismittel 43)

Der unter Moslems überproportional hohe dauerhafte Hartz-IV-Bezug ist nicht verwunderlich, denn im Islam ist die Beraubung von Ungläubigen schließlich „religiös“ legitimiert. Diese und weitere klare Ansagen, die den Islam enttarnen, werden in München offen per Lautsprecher verkündet. Es ist höchste Zeit, die schützende Hand, die linksverdrehte Politiker dieses Landes über den Islam halten, wegzunehmen und Mohammedanern mit gesundem Menschenverstand, Wehrhaftigkeit, Patriotismus und Wertebewußtsein entgegenzutreten. Die Zeit der rückgratlosen Kriecherei, des Appeasements und der kulturellgeistigmoralischen Selbstverleugnung muss ein für allemal beendet werden.

(Beweismittel 44)

Wir haben in den letzten Wochen in München viele Gespräche mit Kroaten geführt. In der Regel sind dies hart arbeitende und freundliche Mitbürger. Dies wird auch durch die aktuelle Hartz-IV-Studie bestätigt, in der sie prozentual sogar seltener in Sozialhilfe sind als Deutsche. Solche Einwanderer sind bei uns herzlich willkommen, aber keinesfalls feindselig eingestellte Mohammedaner, die „scheißdeutsche“ Bürger auf unseren Straßen überfallen, zusammenschlagen und nicht selten auch töten.

(Beweismittel 47)

Aus dieser nur auszugsweisen Auflistung der vom Beklagten vorgelegten islamkritischen Veröffentlichungen der Klägerin und ihres Landesvorsitzenden lässt sich er kennen, dass der Beklagte die „Ideologie“ der Klägerin im Verfassungsschutzbericht zutreffend dargestellt hat. Das gilt sowohl bezüglich der Verzichtsforderung für bestimmte Koranverse, der Bezeichnung des Korans als das gefährlichste Buch der Welt und der fehlenden Differenzierung zwischen Islam als Religion und dem Islamismus als politischer Ideologie. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Vorsitzende der Klägerin nochmals ausdrücklich bekräftigt, dass eine Aufspaltung des Islam und des Islamismus seiner Ansicht nach gar nicht möglich sei.

Wenn der Beklagte in seiner Darstellung die Vokabel „Verunglimpfung“ verwendet, bewertet er damit die Äußerungen und Publikationen der Klägerin und ihres Landesvorsitzenden. Eine Person oder Sache wird verunglimpft, wenn sie herabgewürdigt wird. Die Bezeichnung des Korans als gefährlichstes Buch der Welt, als Kriegserklärung an die nichtmuslimische Welt, als kodifizierte Anleitung zum Töten von Nichtmuslimen und die Befürwortung einer Bücherverbrennung erfüllt diese Definition ohne weiteres.

Für die vom Beklagten im Verfassungsschutzbericht dargelegte Strategie der Klägerin, nämlich pauschale Ängste vor Muslimen als nicht integrierbare Ideologieanhänger zu schüren und alle Muslime allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Feinde des Rechtsstaats zu verunglimpfen, ergeben sich aus den oben aufgeführten Quellen ebenfalls hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte.

Die Klägerin geht davon aus, dass der Islam als Religion „in hohem Umfang verfassungsfeindlich“ sei. Ein Moslem, der die Vorschriften des Islam konsequent ausführe, verhalte sich verfassungsfeindlich. Das volle Programm des Islam werde nicht gelebt, solange sich Moslems in Minderheitsverhältnissen befänden. Moslems säßen in einem geistigen Gefängnis, sie seien Opfer einer Gehirnwäsche. Der unter Moslems überproportional hohe dauerhafte Hartz-IV-Bezug sei nicht verwunderlich, denn im Islam sei die Beraubung von Ungläubigen religiös legitimiert. Feindselig eingestellte Mohammedaner seien in Deutschland nicht willkommen.

Diese Auffassung der Klägerin offenbart sowohl durch die Wortwahl als auch dem Inhalt nach eine Herabwürdigung aller Angehörigen des Islam, weil nach Einschätzung der Klägerin die gläubigen Moslems nicht in der Lage sind, sich kritisch mit ihrer Religion auseinanderzusetzen, und zudem Deutschland, seinen Bewohnern und seiner Verfassung gegenüber feindselig eingestellt sind.

Die Klägerin bringt zwar gegen diese Einschätzung des Beklagten immer wieder vor, es sei nicht zutreffend, dass sie sich pauschal gegen alle Muslime wende. Es gehe immer nur um die Verfassungsfeindlichkeit des Islam. Dies mag vordergründig zutreffen. Wenn allerdings die Klägerin ständig betont, dass sich der Islam nicht in einen Islam als Religion und einen politischen Islam aufteilen lasse und der Koran als Kodifizierung der islamischen Glaubensvorstellungen eine Kriegserklärung an die nichtmuslimische Welt sei, anderseits Moslems aber die Fähigkeit abspricht, selbst zu entscheiden, ob sie dem Koran folgen wollen, so differenziert die Klägerin nicht zwischen den Anhängern eines militanten Islamismus und gläubigen Moslems, die sich an die Werteordnung des Grundgesetzes halten. Vielmehr sieht sie Moslems als Opfer einer gefährlichen Gehirnwäsche an, die Gewalt, Kampf, Töten, Frauenunterdrückung und ein barbarisches Rechtssystem als von Gott gewollt darstellen.

Soweit der Verfassungsschutzbericht über das Bürgerbegehren gegen das „Zentrum für Islam in Europa - München (ZIE-M)“, über die PI-München und die Bündnisbestrebungen der Klägerin berichtet, finden sich auch insoweit tatsächliche Anhaltspunkte für die inhaltliche Richtigkeit dieser Berichterstattung. Aus den vom Beklagten vorgelegten Beweismitteln 39, 40 und 43, die sich auch auf der Website der Klägerin befinden, ergibt sich eindeutig, dass es bei den Informationsveranstaltungen zum Bürgerbegehren nicht nur um den Bau einer Moschee geht, sondern auch um die von der Klägerin so bezeichnete „Aufklärung über die Gefahren der verfassungsfeindlichen Bestandteile des Islam“. Wörtlich führt der Landesvorsitzende der Klägerin bezüglich einer Kundgebung gegen das ZIE-M aus (www.bayern.diefreiheit.org/videokundgebungandermünchnerfreiheit):

Wir mussten erneut erleben, wie aggressiv und uneinsichtig Moslems reagieren, wenn über den Islam aufgeklärt wird. Obwohl wir immer wieder betonen, dass wir überhaupt nichts gegen die Menschen haben, sondern wir sie befreien wollen von all der Gewalt, Frauenunterdrückung sowie Menschenverachtung und wir nur faktisch über die gefährlichen Bestandteile des Islam aufklären, schlägt uns immer wieder purer Hass entgegen. An diesem Nachmittag war es erneut eine vom Äußeren her moderat wirkende Muslimin, die mich zutiefst beleidigte und anschrie.

Wir lassen das alles mit stoischer Ruhe über uns ergehen, da wir wissen, dass diese Menschen in einem geistigen Gefängnis sitzen. Sie sind Opfer einer Gehirnwäsche, die sie von klein auf eingetrichtert bekommen haben und nicht kritisch hinterfragen dürfen, da sie sonst wegen Apostasie in Lebensgefahr geraten.

Die Richtigkeit der im Verfassungsschutzbericht erwähnten personellen Verflechtungen der Klägerin zur P.I. München und zur PAX Europa wird von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Anhaltspunkte dafür, dass die Darstellung im Verfassungsschutzbericht insoweit nicht den Tatsachen entsprechen könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

bbb. Die aufgrund der Ideologie und Strategie gezogene Schlussfolgerung, die Klägerin verfolge verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebungen, weil sie sich ihre islamfeindliche Propaganda primär gegen die Religionsfreiheit richte, ist insbesondere aufgrund der von der Klägerin immer wieder vorgetragenen „Verzichtsforderung“ zur Überzeugung des Gerichts gerechtfertigt. Darin werden alle islamischen Verbände aufgefordert, umgehend auf alle aufgeführten Koranverse als Bestandteil der islamischen Glaubensgrundsätze dauerhaft zu verzichten, weil sonst ein Baustopp für Moscheen, eine Schließung von Koranschulen und eine Unterbindung von Gebetsversammlungen erfolge. Wenn sich islamische Organisationen diesen Forderungen verweigerten, würden sie als verfassungsfeindlich eingestuft und letztendlich verboten oder geschlossen.

Diese Forderungen sind mit der Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG nicht zu vereinbaren. Wenn der Staat eine Religionsgemeinschaft auffordert, bestimmte Glaubensinhalte aufzugeben und aus den grundlegenden Schriften der betreffenden Religion zu streichen, so stellt das einen Eingriff in die Religionsfreiheit dar, der verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen ist. Denn dadurch würde den Gläubigen durch den Staat vorgeschrieben, was sie zu glauben haben und was nicht. Dies würde aber den Kern der Glaubensfreiheit berühren. Einen solchen Eingriff darf der Staat aber nicht vornehmen, weil dadurch das Grundrecht nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, das gerade das religiöse Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft schützt und voraussetzt (vgl. BVerfG, U.v. 16.10.1968 - 1 BvR 261/66 - juris Rn. 25), in seinem Wesensgehalt angetastet würde (Art. 19 Abs. 2 GG). Dementsprechend ist es dem Staat auch verwehrt, die Glaubensüberzeugungen seiner Bürger zu bewerten oder gar als richtig oder falsch zu bezeichnen (vgl. BVerfG, U.v. 27.1.2015 - 1 BvR 471/10 1 BvR 1181/10 - juris Rn. 86; BVerwG, U.v. 14.5.2014 - 6 A 3.13 - juris Rn. 36). Die Regelung genuin religiöser Fragen und die Einmischung in die Überzeugungen Einzelner oder religiöser Gemeinschaften sind ihm untersagt (vgl. BVerfG, B.v. 26.6.2002 - 1 BvR 670/91 - juris Rn. 54). Die Aufforderung zur Streichung von Passagen aus dem Koran und zu einer Aufgabe der betreffenden Glaubensüberzeugungen, der durch die Drohung mit einem Verbot islamischer Verbände und der Unterbindung von Gebetsversammlungen Nachdruck verliehen wird, ist daher auch dann nicht mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG vereinbar, wenn diese Passagen, wie die Klägerin behauptet, mit dem Grundgesetz nicht im Einklang stünden. Eine Einschränkung der Religionsfreiheit kommt vielmehr erst dann in Betracht, wenn die betreffenden Glaubensüberzeugungen sich in einem entsprechenden Verhalten äußern, das mit den Grundrechten Dritter oder Gemeinschaftswerten von Verfassungsrang nicht zu vereinbaren ist. Insbesondere ist ein Verbot von Glaubensgemeinschaften, die dem Staat und seiner Verfassungs- und Rechtsordnung kritisch gegenüberstehen, nur möglich, wenn es bei der Abwägung mit den Verfassungsgütern, die mit dem Verbot geschützt werden sollen, nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unerlässlich ist. Dies ist in der Regel erst dann der Fall, wenn sich die religiöse Gemeinschaft aktivkämpferisch gegen die in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Verfassungsgrundsätze richtet (vgl. BVerfG, B.v. 2.10.2003 - 1 BvR 536/03 - juris Rn. 19), etwa weil sie die konkrete Umsetzung von im Widerspruch zu grundlegenden Verfassungsprinzipien stehenden Glaubensinhalten oder von aus ihnen hergeleiteten Verhaltenspflichten propagiert oder fördert (vgl. BVerwG, U.v. 14.5.2014 - 6 A 3.13 -juris Rn.36). Die von einem mit den Grundrechten Dritter und Gemeinschaftswerten von Verfassungsrang kollidierenden oder aktivkämpferisch gegen Verfassungsgrundsätze gerichteten Verhalten unabhängigen Forderungen der Klägerin und ihres Landesvorsitzenden nach einem pauschalen Verbot islamischer Verbände und Vereinigungen, die nicht bereit sind, sich von ihrem Glauben zu distanzieren, zielt letztlich auf die Beseitigung des Islam in Deutschland ab und ist mit dem Grundrecht der Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, das nicht nur das Beten im privaten Bereich, sondern auch die Religionsausübung in der Öffentlichkeit beinhaltet und als im Grundgesetz konkretisiertes Menschenrecht ein wichtiges Element der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist, nicht zu vereinbaren. Bei den Forderungen der Klägerin geht es nicht nur um von der Meinungsfreiheit gedeckte Öffentlichkeitsarbeit oder Beiträge zu einer Diskussion über die Grenzen der Religionsfreiheit für Muslime, sondern um Vorschläge für konkrete Maßnahmen zu deren Einschränkung oder Beseitigung (vgl. BayVGH, B.v. 30. Juli 2015 - 10 ZB 15.819 - juris Rn. 36 f.).

Die Auffassung der Klägerin, mit ihrer Verzichtsforderung und den angedrohten Konsequenzen bei einer Weigerung der islamischen Verbände, diesen Verzicht zu erklären, handle es sich um keinen Eingriff in die Religionsfreiheit aller Moslems, weil die islamischen Organisationen und Verbände ohne einen entsprechende Verzichtserklärung selbst als verfassungsfeindlich einzustufen seien, trifft nicht zu. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Die Vereinigung muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele vielmehr kämpferisch und aggressiv verwirklichen wollen. Erforderlich ist der Nachweis, dass sich ein religiöser Verein nicht darauf beschränkt, sich mit religiös begründeten, in Widerspruch zu grundlegenden Verfassungsprinzipien stehenden Lehren als Glaubensinhalt zu befassen und in diesem Sinne für sie zu werben, sondern die konkrete Umsetzung dieser Lehren oder aus ihnen hergeleiteter Verhaltenspflichten in Deutschland propagiert oder fördert (vgl. BVerwG, U.v 14.5.2014 - 6 A 3.13 - juris Rn. 36; BVerfG, B.v. 2.10.2003 - 1 BvR 536/03 - juris Rn. 19). Alleine die Weigerung, die geforderte Verzichtserklärung abzugeben, rechtfertigt kein Verbot eines islamischen Verbandes unter den Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 GG. Ein kämpferischaggressives Verhalten ist darin nicht zu sehen.

2.3.3 Die Aktionen und Verlautbarungen der Klägerin stellen auch Bestrebungen im Sinn des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayVSG dar. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG hat das Landesamt für Verfassungsschutz u. a. die Aufgabe, Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, zu beobachten; solche Bestrebungen und Tätigkeiten können von Gruppierungen oder Einzelpersonen ausgehen. Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist wiederum in Art. 1 Abs. 2 BayVSG definiert. Nach Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayVSG gehört zu den grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung insbesondere auch die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung. Der Begriff Bestrebungen selbst ist im BayVSG nicht definiert. Wegen des identischen Wortlauts kann jedoch auf die Legaldefinition in § 4 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG zurückgegriffen werden. Danach sind darunter politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) BVerf-SchG) zu verstehen. Solche Bestrebungen (und Tätigkeiten) können nach der Klarstellung in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. BayVSG von Gruppierungen oder Einzelpersonen ausgehen; vom Begriff Gruppierung werden sowohl unorganisierte Gruppen als auch jede Form einer Organisation einschließlich einer politischen Partei umfasst (so die Gesetzesbegründung zu Art. 3 Abs. 1 BayVSG, LT-Drs. 11/14928 S. 8). Bestrebungen in diesem Sinne erfordern damit ein aktives, jedoch nicht notwendig kämpferischaggressives Vorgehen, d. h. äußerlich feststellbare Aktivitäten wie z. B. öffentliche Auftritte, Veranstaltungen und Bekundungen. Diese Aktivitäten bzw. Handlungen müssen auch eine gewisse Zielstrebigkeit aufweisen, also auf die Durchsetzung eines Ziels ausgerichtet sein. Schließlich müssen die betreffenden Bestrebungen politisch bestimmt und damit objektiv geeignet sein, über kurz oder lang politische Wirkungen zu entfalten (zum Begriff Bestrebungen vgl. Roth in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, Kommentar, BVerfSchG, §§ 3, 4 Rn. 14 ff. m. w. N.; BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 59 f.). Erfasst sind damit (nur) Verhaltensweisen, die über rein politische Meinungen hinausgehen und auf die Durchsetzung eines solchen Ziels gerichtet sind. Die bloße Kritik an Verfassungswerten ist nicht als Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzuschätzen, wohl aber darüber hinausgehende Aktivitäten zu deren Beseitigung (BVerfG, B.v. 24.5.2005 - 1 BvR 1072/01 - juris Rn. 70). Die Aktivitäten müssen auf die Beeinträchtigung eines der vom Gesetz geschützten Rechtsgüter abzielen und somit maßgeblicher Zweck der Bestrebung sein (BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 59 f.).

Da die Klägerin als Partei eine auf politische Aktivität und Einflussnahme auf die politischen Verhältnisse ausgerichtete Organisation ist, ist davon auszugehen, dass sie auch mit der Intention der Änderung der realen Verhältnisse handelt (BVerwG, U.v. 21.7.2010, a. a. O., Rn. 61). Die oben dargestellten Äußerungen und Aktivitäten gehen über eine bloße Kritik an der Religion des Islam und seiner Glaubensangehörigen hinaus. Die Verwendung eines aggressiven Vokabulars bezogen auf eine Religion (terroristisch, genozidär) und eine Beleidigung ihrer Angehörigen als Opfer einer Gehirnwäsche und Profiteure des sozialen Systems überschreitet auch die Schwelle dessen, was im Rahmen des politischen Meinungskampfs noch angehen mag. Äußerungen, die inhaltlich mit einem Element der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar sind, weil sie - wie hier - die Menschenwürde bestimmter Personen missachten, tragen zwar nicht per se ein aktives gegen diese Menschen gerichtetes Handeln in sich. Da die Klägerin aber mit ihren diesbezüglichen zahlreichen und immer wiederholten Äußerungen erreichen will, dass Islamgläubige allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit allgemein gering geschätzt werden, sind diese Äußerungen vor allem auch auf die Durchsetzung eines politischen Ziels gerichtet, weil sie im Sinne des von ihr propagierten Muslimen- und Islambildes Einfluss auf die politische Willensbildung und auf politische Entscheidungen nehmen will. Mit ihrem politischen Programm, wonach die islamischen Organisationen zunächst auf die nach Auffassung der Klägerin verfassungsfeindlichen Bestandteile ihrer Religion verzichten müssten und im Falle der Weigerung ein Verbot dieser Organisationen und die Schließung von Koranschulen und Gebetsräumen erfolgen würde, setzt sich die Klägerin zweifellos aktiv für die Abschaffung der Religionsfreiheit der Muslime ein. Sie hat auch bereits mit der Umsetzung dieses politischen Ziels begonnen, indem sie ihre „Verzichtsaufforderung“ an die betreffenden Personen und Organisationen versandt hat.

2.4 Aus Art. 15 Satz 1 BayVSG lässt sich ein formelles Begründungserfordernis zur Angabe der den Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG zugrunde liegenden tatsächlichen Anhaltspunkte nicht herleiten. Auch wenn nach dem Wortlaut des Art. 15 Satz 1 BayVSG das Staatsministerium des Innern (für Bau und Verkehr) und das Landesamt für Verfassungsschutz die Öffentlichkeit über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG unterrichten, kann dies nicht als verbindliche Festlegung des Gesetzgebers auf der Rechtsfolgenseite über die Art und Weise sowie den Umfang der Berichterstattung verstanden werden. Denn ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, des Ausführungsgesetzes Art. 10-Gesetz und des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes hat der Gesetzgeber mit der Einfügung der Worte „tatsächliche Anhaltspunkte für“ in Art. 15 Satz 1 BayVSG im Hinblick auf eine enge Auslegung der entsprechenden Vorschrift des Landes Berlin durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 6.4.2006 - 3 B 3. 99) lediglich klarstellen wollen, dass eine Berichterstattung entsprechend der bisherigen Praxis in Bayern bereits bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte und nicht erst bei sicherem Vorliegen von Bestrebungen zulässig ist (Zu § 1 Nr. 7 - Art. 15 Satz 1 BayVSG -, LT-Drs. 15/10313 S. 26/27; zur Auslegung der bundesrechtlichen Ermächtigung des § 16 Abs. 1 BVerfSchG vgl. BVerwG, U.v. 26.6.2013 - 6 C 4.12 - juris). Damit hat der bayerische Gesetzgeber aber ersichtlich nur eine Konkretisierung der tatbestandlichen Voraussetzung der Unterrichtungsbefugnis, nicht aber eine Bestimmung der Art und Weise sowie des Umfangs der Unterrichtung vorgenommen. Der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. September 2010 (10 CE 10.1830 - juris) lag insofern ein Sonderfall zugrunde, bei dem der dortige Antragsteller in einem Verfassungsschutzbericht in einer tabellarischen Übersicht unter dem Punkt „sonstige Linksextremisten“ ohne jegliche weitere Erläuterung aufgelistet war. Die auch im Leitsatz dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zum Ausdruck kommende Auffassung, ohne gleichzeitige Mitteilung entsprechender tatsächlicher Anhaltspunkte sei eine solche Bewertung schon vom Tatbestand des Art. 15 Satz 1 BayVSG nicht mehr gedeckt, weil ein solches Werturteil dann für die Öffentlichkeit nicht mehr nachvollziehbar sei, bezieht sich auf die dieser Entscheidung zugrunde liegende besondere Konstellation und darf nicht generell als besondere gesetzliche Begründungspflicht etwa im Sinne eines Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG verstanden werden.

2.5 Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, vor, so besteht bei der Berichterstattung der Öffentlichkeit gegenüber verfassungsrechtlich die Verpflichtung, von verfassungsfeindlichen Bestrebungen und Aktivitäten bei verschiedenen Beobachtungsobjekten unterschiedlich dichte und belastbare Erkenntnislagen in der Darstellung hinreichend deutlich zu machen (LT-Drs. 15/10313, S. 27 unter Verweis auf BVerfG, B.v. 24.5.2005 a. a. O. Rn. 89). Demgemäß hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass in Bayern eine Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht nur erfolge, wenn sich über einen längeren Zeitraum die Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen so verdichtet hätten, dass eine Annahme solcher Bestrebungen gerechtfertigt sei. Diese Praxis steht grundsätzlich im Einklang mit der oben dargelegten Auslegung des Art. 15 Satz 1 BayVSG. Nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats (s. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) bestehen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen der Klägerin nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG, die eine Unterrichtung der Öffentlichkeit auch in der streitbefangenen Form rechtfertigen. Über die Klägerin liegen über einen längeren Zeitraum sowohl quantitativ als auch qualitativ verdichtete tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vor, so dass sich die Nennung der Klägerin im Verfassungsschutzbericht unter der Rubrik „verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit“ daher auch unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht (vgl. B.v. 24.5.2005 a. a. O. Rn. 77 ff.) vorgegebenen Anforderungen an die Berichterstattung als verhältnismäßig erweist. Art. 15 BayVSG differenziert nicht zwischen einer sogenannten „Verdachtsberichterstattung“ und einer Berichterstattung über feststehende Bestrebungen. Eine dahingehende Unterscheidung muss daher in der Art und Weise der Berichterstattung nicht getroffen werden. Allerdings stellt sich eine Berichterstattung dann als unverhältnismäßig dar, wenn nur vereinzelte oder wenig belastbare Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen. Im Fall der Klägerin sind aber über einen längeren Zeitraum Aktivitäten und Äußerungen dokumentiert, die so zahlreich und auch hinreichend gewichtig sind, dass die Berichterstattung über die Klägerin den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Der Beklagte hat in seiner Erwiderung auf die Klage der Klägerin in erster Instanz umfangreiches Material zu Publikationen und Äußerungen der Klägerin und ihres Landesvorsitzenden vorgelegt, die die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen tragen. Die oben auszugsweise dargestellten Verlautbarungen stellen nur eine Teilmenge aus diesem Material dar; auch die anderen vom Beklagten vorgelegten „Beweismittel“ dienen - soweit sie den Zeitraum bis zur Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts 2013 betreffen - zur Untermauerung der Ausführungen im Verfassungsschutzbericht zur Strategie und Ideologie der Klägerin und der daraus gezogenen Wertungen und Schlussfolgerungen. Die Klägerin beschränkt ihre Kritik am Islam als gefährliche Politideologie und die abwertenden Äußerungen über Muslime nicht auf einzelne Publikationen oder Veranstaltungen, sondern verbreitet sie im Rahmen einer Kampagne, für die sie vor allem das Bürgerbegehren gegen das ZIE-M nutzt. Von besonderer Qualität für die Einstufung der Klägerin als verfassungsschutzrelevant islamfeindlich ist die „Verzichtsforderung“, die sich sowohl im Parteiprogramm der Klägerin, auf ihrer Website, im Wahlprogramm zur Münchner Kommunalwahl, im Thesenpapier des Landesvorsitzenden sowie in Beiträgen des Landesvorsitzenden für die pinews wiederfindet. Gerade durch die Aufnahme dieser Verzichtsforderung in das Parteiprogramm räumt die Klägerin diesem politischen Ziel einen hohen Stellenwert ein. Sie setzt sich damit und den bei einer Unterschriftsverweigerung geforderten Konsequenzen für die islamischen Organisationen nicht nur in Widerspruch zu den durch die Verfassung garantierten Grundfreiheiten, sondern überschreitet auch die Grenze von der deutlichen Darstellung ihrer Islamkritik zu einer aktiven Umsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele. Die Bewertung von Glaubensinhalten und die damit verbundene Aufforderung zur Umsetzung eines Verbots dieser Glaubensinhalte stellen einen Eingriff in die durch das Grundgesetz geschützte Religionsfreiheit dar.

Es finden sich auch keine Verlautbarungen der Klägerin oder ihres Landesvorsitzenden, die diese Verzichtsforderung und - im Falle der Weigerung - die Schließung von Gebetsräumen und Koranschulen sowie ein Vereinsverbot für alle islamischen Organisationen relativieren würden. Zwar betont die Klägerin immer wieder, dass es ihr nur um die Bekämpfung der verfassungsfeindlichen Bestandteile des Islam gehe und sie für ein friedliches Nebeneinander von Christen und Moslems auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eintrete, faktisch führt ihre Verzichtsforderung aber zu einer Einschränkung der Religionsfreiheit aller Muslime. Ein friedliches Nebeneinander ist nach Auffassung der Klägerin nur unter der Vorbedingung des „Abschwörens“ möglich. Zudem wird die Klägerin nicht müde, ständig zu wiederholen, dass es eine Trennung von Islamismus und Islam nicht gebe, weil es sich beim Islam um eine Religion mit einem politischen Herrschaftsanspruch handle, so dass sie sich mit ihrer Behauptung, sie richte sich nur gegen den verfassungsfeindlichen Islam, in Widerspruch zu ihrer eigenen Ideologie setzt. Die Klägerin nimmt für sich in Anspruch, dass ihre Kritik nur den politischen Islam und nicht den Glauben der Muslime betreffe, spricht aber umgekehrt gläubigen Muslimen die Fähigkeit ab, eine Trennung zwischen dem von der Klägerin so bezeichneten politischen Islam und dem Islam als Religion vornehmen zu können. Beim Bekenntnis der Klägerin zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung mit einem gleichberechtigten Nebeneinander von Muslimen und Angehörigen anderer Religionen handelt es sich folglich allenfalls um ein Lippenbekenntnis.

Die Klägerin distanziert sich zwar von rechtsextremistischem Gedankengut. Dies ändert aber nichts daran, dass ihre Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht unter der Rubrik „verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit“ den Anforderungen an eine dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechende Berichterstattung entspricht. Die Klägerin wird im Verfassungsschutzbericht gerade nicht dem Rechtsextremismus zugeordnet. Über sie wird unter einer neuen Kategorie berichtet, weil sich die politischen Aktivitäten der Klägerin, soweit sie für das Landesamt für Verfassungsschutz relevant sind, ausschließlich gegen Angehörige des muslimischen Glaubens richten.

Auch die Tatsache, dass der Beklagte seine Erkenntnisse über die Klägerin ausschließlich aus öffentlich zugänglichen Quellen erlangt hat, mindert deren Qualität als konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen nicht. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass sie oder ihr Landesvorsitzender nicht Verfasser der entsprechenden Beiträge auf ihrer Website oder den pinews seien. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgericht reicht das vom Beklagten vorgelegte Material für den Nachweis aus, dass die Klägerin verfassungsfeindliche Bestrebungen in Bezug auf die Religionsfreiheit der Muslime verfolgt, weil sie sich nicht auf eine bloße Kritik am Islam beschränkt, sondern in ihren Veröffentlichungen insbesondere mit der „Verzichtsforderung“ konkrete Aktivitäten zur Beseitigung der Religionsfreiheit der Muslime in Deutschland ankündigt und zu solchen Aktivitäten auffordert und mit der Versendung der Verzichtsforderung auch bereits in die Umsetzungsphase eingetreten ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Soweit der Berufung des Beklagten stattgegeben wurde und die Klage der Klägerin abgewiesen wurde, ist die Klägerin unterlegen und hat daher insoweit die Kosten des Verfahrens zu tragen. Soweit die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, entspricht es nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO billigem Ermessen, die Kosten des Rechtsstreits insoweit ebenfalls der Klägerin aufzuerlegen, weil sie voraussichtlich auch bezüglich der Klageanträge 2. und 3. unterlegen wäre. Die Äußerungen über die Klägerin im Halbjahresbericht 2013 und in der Rede des Staatsministers entsprechen inhaltlich der Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 Abs. 2 und § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

In Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 wird der Streitwert in beiden Instanzen auf jeweils 15.000,-- Euro festgesetzt.

(§ 63 Abs. 3 Satz 1, § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 GKG)

(1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz informiert die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach § 3 Absatz 1, soweit hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte hierfür vorliegen, sowie über präventiven Wirtschaftsschutz.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat informiert die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach § 3 Absatz 1, soweit hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte hierfür vorliegen, mindestens einmal jährlich in einem zusammenfassenden Bericht insbesondere zu aktuellen Entwicklungen. In dem Bericht sind die Zuschüsse des Bundeshaushaltes an das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Militärischen Abschirmdienst sowie die jeweilige Gesamtzahl ihrer Bediensteten anzugeben.

(3) Bei der Information nach den Absätzen 1 und 2 dürfen auch personenbezogene Daten bekanntgegeben werden, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhanges oder der Darstellung von Organisationen oder unorganisierten Gruppierungen erforderlich ist und die Interessen der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiegen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.