Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 23. Januar 2017 wird der Klägerin für das Verfahren M 4 K 16.5772 Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe gewährt, dass sie auf die von ihr gegebenenfalls zu tragenden Prozesskosten monatliche Raten in Höhe von 252,- EUR zu leisten hat; Rechtsanwalt A. B., München, wird beigeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Klägerin ihren in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das beim Bayerischen Verwaltungsgericht München anhängige Klageverfahren (M 4 K 16.5772) auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis weiter.

Die zulässige Beschwerde hat im Wesentlichen Erfolg. Der Klägerin ist Prozesskostenhilfe unter Ratenzahlung zu gewähren und ihr Bevollmächtigter beizuordnen.

Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Hinsichtlich der Erfolgsaussichten dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinn, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich, sondern es genügt bereits eine sich bei summarischer Überprüfung ergebende Offenheit des Erfolgs. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (stRspr d. BVerfG, vgl. z.B. B.v. 4.8.2016 - 1 BvR 380/16 - juris Rn. 12; B.v. 28.7.2016 - 1 BvR 1695/15 - juris Rn. 16 f.; B.v. 13.7.2016 - 1 BvR 826/13 - juris Rn. 11 f.; B.v. 20.6.2016 - 2 BvR 748/13 - juris Rn. 12).

Gemessen an diesen Grundsätzen sind im vorliegenden Fall hinreichende Erfolgsaussichten der Klage anzunehmen, denn deren Ausgang ist nach derzeitigem Stand als offen anzusehen.

Zwar ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags, also wenn dieser vollständig vorliegt und der Prozessgegner Gelegenheit zur Äußerung hatte. Ausnahmsweise ist jedoch hiervon abweichend der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts - hier des Beschwerdegerichts - maßgeblich, wenn sich im Laufe des Verfahrens die Sach- und Rechtslage zugunsten des Antragstellers geändert hat, so dass sich infolge dieser Änderung nunmehr hinreichende Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung erkennen lassen. Denn für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage und damit auch für den Beurteilungszeitpunkt kommt es allein auf das materielle Recht an. Es wäre mit dem Sinn der Vorschriften über die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht vereinbar, würde man unter Berufung auf das Fehlen hinreichender Erfolgsaussichten in der Vergangenheit die Beschwerde zurückweisen und einen Antragsteller darauf verweisen, wegen einer aufgrund einer Änderung der Sach- und Rechtslage mittlerweile positiven Beurteilung der Erfolgsaussichten einen erneuten Antrag auf Prozesskostenhilfe zu stellen (BayVGH, B.v. 10.4.2013 - 10 C 12.1757 - juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 21.12.2009 - 19 C 09.2958 - juris Rn. 3 ff., jeweils m.w.N.).

So liegt der Fall hier. Zwar hat das Verwaltungsgericht für den Zeitpunkt der Bewilligungsreife zu Recht entschieden, dass der Lebensunterhalt der Klägerin aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit und des Bezugs öffentlicher Leistungen nicht im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 3 AufenthG (damaliger Fassung) gesichert und eine Ausnahme von dieser Regelerteilungsvoraussetzung nicht ersichtlich war, weshalb ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht bestand. In Bezug auf die Einkommenssituation der Klägerin ist jedoch seither eine Änderung eingetreten, da sie nunmehr eine dauerhafte Erwerbstätigkeit ausübt.

Die Beurteilung, dass der Lebensunterhalt im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gesichert ist, setzt eine Prognose voraus, ob der Ausländer seinen Lebensunterhalt - einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes - in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Hierfür ist ein Vergleich des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs mit den voraussichtlich zur Verfügung stehenden Mitteln anzustellen, wobei sich der Bedarf grundsätzlich an den Maßstäben des Sozialrechts bemisst. Die zur Verfügung stehenden Mittel müssen eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen, was nicht allein durch eine punktuelle Betrachtung des jeweils aktuellen Beschäftigungsverhältnisses beurteilt werden kann. Erforderlich ist eine Abschätzung auch unter Berücksichtigung der bisherigen Erwerbsbiografie, ob ohne unvorhersehbare Ereignisse in Zukunft gewährleistet erscheint, dass der Lebensunterhalt dauerhaft ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel aufgebracht werden kann. Auch wenn eine solche Prognose aufgrund des individuellen Arbeitsverhältnisses und der allgemeinen Arbeitsmarktsituation mit Unwägbarkeiten belastet ist, muss zumindest auf der Basis der sich aus der bisherigen Erwerbsbiografie ergebenden Daten ein Verlaufsschema erkennbar sein, das die begründete Annahme stabiler Einkommensverhältnisse erlaubt. Der Prognosehorizont richtet sich dabei nach der Dauer des vorgesehenen Aufenthalts bzw. nach der vorgesehenen Geltungsdauer einer befristeten Aufenthaltserlaubnis, denn vor einer eventuellen Verlängerung ist die Sicherung des Lebensunterhalts erneut zu prüfen. Im Allgemeinen genügt das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses (vgl. Samel in Bergmann/Dienelt, BeckOK AuslR, 12. Aufl. 2018, § 5 AufenthG Rn. 23 ff.).

Als für die Klägerin anzusetzenden notwendigen Bedarf legt der Senat den zuletzt von der Beklagten ermittelten Betrag von 979,- EUR zugrunde (Berechnung vom 19.9.2016, Bl. 279 der Behördenakte), der von der Klägerin grundsätzlich nicht bestritten wird. Die in diesem Betrag enthaltenen Wohnkosten von 575,- EUR sind jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin nicht um den von ihrem Sohn erbrachten (Untermiet-)Beitrag von 287,50 EUR (laut dem vorgelegten Untermietvertrag vom 1.7.2017 jedoch 304,- EUR) zu reduzieren; die Beklagte weist insoweit zurecht darauf hin, dass keine Unterlagen vorliegen, ob der Sohn als Student dauerhaft diesen Beitrag leisten kann.

Andererseits hat sich die Einkommenssituation der Klägerin insoweit deutlich verbessert, als sie nunmehr einen unbefristeten Arbeitsvertrag bei einem ambulanten Pflegedienst besitzt und hieraus einen Nettoverdienst von zuletzt (August 2018) monatlich 1096,89 EUR erzielt. Sie bezieht außerdem eine Hinterbliebenenrente von monatlich 145,84 EUR und eine russischen Altersrente von ca. 250,- EUR. Damit dürfte ihr Lebensunterhalt derzeit gesichert sein. Allerdings wird das Verwaltungsgericht im weiteren Verfahren zu prüfen haben, inwieweit diese Einkommenssituation der Klägerin im obigen Sinne dauerhaft ist, denn sie ist mittlerweile 66 Jahre alt, so dass sie jedenfalls in einigen Jahren nur noch auf Renteneinkünfte angewiesen sein dürfte.

Beim derzeitigen Stand sind die Erfolgsaussichten der Klage somit als offen einzuschätzen.

Bedürftigkeit im Sinne von § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegt grundsätzlich vor. Gemäß § 115 ZPO hat die Klägerin jedoch ihr Einkommen einzusetzen. Damit ist nach § 120 Abs. 1 Satz 1 ZPO eine monatliche Ratenzahlung von 252,- EUR festzusetzen. Hierbei wurden die von der Klägerin genannten Einkommens- und Rentenbeträge eingesetzt; hinsichtlich der Wohnkosten wurde der von der Klägerin genannte Betrag von 287,50 EUR angesetzt, da dieser die aktuelle wirtschaftliche Situation wiedergibt. Weitere Werbungskosten, Belastungen o.ä. hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

Die Mitteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin in den Gründen dieses Beschlusses verstößt nicht gegen § 127 Abs. 1 Satz 3 ZPO, da von einer Zustimmung der Klägerin zu deren Weitergabe auszugehen ist. Der Senat hat mit Schreiben vom 27. Juni 2017 darauf hingewiesen, dass die wirtschaftlichen Umstände sowohl für das Prozesskostenhilfeverfahren wie auch in der Hauptsache von Bedeutung sind, da in dem anhängigen Klageverfahren, für das die Prozesskostenhilfe beantragt wurde, gerade die Lebensunterhaltssicherung umstritten ist. Die Klägerin hat laufend weitere Unterlagen zur Einkommenssituation vorgelegt, da es in ihrem Interesse liegt, die Sicherung ihres Lebensunterhalts darzulegen.

Da die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, war der Klägerin ihr Bevollmächtigter beizuordnen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO).

Da Prozesskostenhilfe nur unter Ratenzahlung gewährt wurde, der Antrag auf Prozesskostenhilfe aber unbeschränkt war, war die Beschwerde im Übrigen zurückzuweisen.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO), Gerichtsgebühren fallen nicht an.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 05. Okt. 2018 - 10 C 17.322 zitiert 11 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

Zivilprozessordnung - ZPO | § 127 Entscheidungen


(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen


(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass 1. der Lebensunterhalt gesichert ist,1a. die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt is

Zivilprozessordnung - ZPO | § 115 Einsatz von Einkommen und Vermögen


(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen: 1. a) die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge;b) bei Parteien, die ein Einkommen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 121 Beiordnung eines Rechtsanwalts


(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet. (2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 31 Eigenständiges Aufenthaltsrecht der Ehegatten


(1) Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn 1. die eheliche Lebensgemeinschaft

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist. (2) Erwerbstätigkeit ist die selbständige Tätigkeit, die Beschäftigung im Sinne von § 7 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und die Tätigkeit als

Zivilprozessordnung - ZPO | § 120 Festsetzung von Zahlungen


(1) Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt das Gericht zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Setzt das Gericht nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 mit Rücksicht auf besondere Belastungen von dem Einkommen Be

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Verwaltungsgericht München Beschluss, 23. Jan. 2017 - M 4 K 16.5772

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Tenor

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten des Klägers hat keinen Erfolg.

Einer Partei ist auf ihren Antrag hin Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 166 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGOi.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung -ZPO-).

Im vorliegenden Fall bleibt der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe allein schon deshalb erfolglos, da die Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat. Das Gericht verweist insoweit auf die Ausführungen zur Begründetheit des Eilantrags im Beschluss vom selben Tag (Az.: M 4 S 16.5772), mit dem der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnte wurde.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Tenor

1. Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 1. Dezember 2015 - L 9 AR 38/15 SO ER/L 9 AR 38/15 SO ER PKH - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes, soweit dadurch sein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt wird. Er wird insoweit aufgehoben. Die Sache wird insoweit an das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht zurückverwiesen.

2. Das Land Schleswig-Holstein hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten. Damit erledigt sich der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das Verfassungsbeschwerdeverfahren.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren über die Aussetzung der Vollstreckung eines sozialgerichtlichen Urteils.

I.

2

1. Mit Bescheid vom 24. April 2013 bewilligte die Beklagte des Ausgangsverfahrens dem minderjährigen Beschwerdeführer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) ab dem 5. März 2013 und lehnte die vom Beschwerdeführer zugleich begehrte rückwirkende Leistungsgewährung für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis zum 4. März 2013 ab. Ein gegen den Bescheid vom 24. April 2013 insoweit durchgeführtes Widerspruchsverfahren blieb erfolglos.

3

2. Das Sozialgericht verurteilte die Beklagte mit Urteil vom 21. Mai 2015 zur Erbringung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch zugunsten des Beschwerdeführers für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis zum 4. März 2013 unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 24. April 2013 und des Widerspruchsbescheids vom 10. Juli 2013. Entscheidend für die Frage eines Leistungsanspruchs ab dem 1. Juli 2012 sei die Tatsache, wann die Beklagte davon Kenntnis erlangt habe, dass der Beschwerdeführer keine Unterhaltszahlungen seines Vaters mehr erhielt. Anspruchsbegründend sei gemäß § 18 Abs. 1 SGB XII die Kenntnis der Beklagten vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Leistungen. Die Kenntnis der Beklagten von der Tatsache, dass das Einkommen des Beschwerdeführers in Form der Unterhaltszahlungen seines Vaters ab Juli 2012 entfallen sei, sei ausreichend, um ihr die gemäß § 18 Abs. 1 SGB XII erforderliche Kenntnis zu vermitteln. Hierzu stünden sich die Angaben der Beklagten, die diese Kenntnis vor dem 5. März 2013 bestreite, und der Vortrag des Beschwerdeführers, der gestützt werde von der Aussage der Zeugin, seiner Großmutter, gegenüber. Aufgrund der Beweisaufnahme sei die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Beschwerdeführer der Beklagten durch seine Großmutter bereits im Juni 2012 mitgeteilt habe, dass er ab Juli 2012 keine Unterhaltszahlungen seines Vaters mehr erhalten würde.

4

3. Die Beklagte legte Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ein und beantragte die Aussetzung der Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das Aussetzungsverfahren.

5

4. Mit Beschluss vom 1. Dezember 2015 setzte das Landessozialgericht im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts bis zur Erledigung des Rechtsstreits im Berufungsverfahren aus. Gleichzeitig lehnte es mit dem insoweit mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss den Prozesskostenhilfeantrag des Beschwerdeführers für das Aussetzungsverfahren ab.

6

Bei der nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG vorzunehmenden Interessenabwägung seien einerseits die Erfolgsaussichten der Berufung, andererseits das Interesse des Beschwerdeführers an der Vollziehung des Urteils und schließlich das Interesse der Beklagten im Berufungsverfahren daran zu berücksichtigen, nicht vor einer endgültigen Klärung der Rechtslage vorläufig leisten zu müssen. Ob die Berufung erfolgreich sein werde, lasse sich derzeit nicht abschätzen. Mit der Sach- und Rechtslage im Einzelnen werde sich der Senat im Rahmen seiner Entscheidung im Berufungsverfahren zu befassen haben. Gewichtige Zweifel daran, dass die Beklagte bereits ab dem 1. Juli 2012 den geänderten Bedarf hätte berücksichtigen müssen, weil ihr die anspruchsbegründende Tatsache des nicht länger gezahlten Unterhalts durch den Vater bekannt gewesen sei, habe die Beklagte in ihrem am 5. November 2015 beim Landessozialgericht eingegangenen Schriftsatz aufgezeigt. Aufgrund der dort aufgeführten rechtlichen Argumente gegen die Rechtmäßigkeit des erstinstanzlichen Urteils wie auch angesichts der Tatsache, dass der Beschwerdeführer seit dem 5. März 2013 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch erhalte, erscheine es bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung sachgerecht, die Aussetzung der Vollstreckung bis zur Erledigung des Rechtsstreits anzuordnen. Der vom Beschwerdeführer gestellte Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren auf Aussetzung der Vollstreckung habe keinen Erfolg, auch wenn es von der Beklagten gegen das insoweit den Beschwerdeführer begünstigende Urteil eingeleitet worden sei. Die Gewährung scheitere daran, dass für dieses rechtlich eigenständige Verfahren nach § 199 Abs. 2 SGG die auch hier erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverteidigung bei summarischer Prüfung zu verneinen sei.

II.

7

1. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG durch die Ablehnung seines Prozesskostenhilfeantrags für das Aussetzungsverfahren.

8

Das Landessozialgericht verkenne die Anforderungen an die hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung. Eine Vollstreckungsaussetzung nach § 199 SGG komme nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur in dem Ausnahmefall der offensichtlichen Unrichtigkeit des Urteils des Sozialgerichts in Betracht. Ein Fall der offensichtlichen Unrichtigkeit sei aber nicht gegeben, wenn das Sozialgericht - wie vorliegend - verfahrensfehlerfrei seine Entscheidung auf das Ergebnis einer Beweisaufnahme stütze.

9

2. Das Land Schleswig-Holstein hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten des Ausgangsverfahrens wurden beigezogen.

III.

10

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung eines in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechts angezeigt (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 ff.>), die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Der Beschluss des Landessozialgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

11

1. Das Grundgesetz gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 f.> m.w.N.). Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet. Es ist ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren. Die Parteien werden auf den Weg vor die Gerichte verwiesen. Dies bedingt zugleich, dass der Staat Gerichte einrichtet und den Zugang zu ihnen jedermann in grundsätzlich gleicher Weise eröffnet. Daher ist es geboten, Vorkehrungen zu treffen, die auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht ermöglichen. Art. 3 Abs. 1 GG stellt die Beachtung dieses Gebotes der Rechtsschutzgleichheit unter grundrechtlichen Schutz.

12

Derartige Vorkehrungen sind im Institut der Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO) getroffen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>). Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfe-verfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Dem genügt das Gesetz, indem es die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vorsieht, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss (vgl. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies bedeutet zugleich, dass Prozesskostenhilfe verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist.

13

Die Auslegung und Anwendung des § 114 ZPO (hier in Verbindung mit § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG) obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten, die dabei den - verfassungsgebotenen - Zweck der Prozesskostenhilfe zu beachten haben (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>). Das Bundesverfassungsgericht kann hier nur eingreifen, wenn Verfassungsrecht verletzt ist, insbesondere wenn die angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit beruhen. Hierbei hat es zu berücksichtigen, dass die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in engem Zusammenhang mit der den Fachgerichten vorbehaltenen Feststellung und Würdigung des jeweils entscheidungserheblichen Sachverhalts und der ihnen gleichfalls obliegenden Auslegung und Anwendung des jeweils einschlägigen materiellen und prozessualen Rechts steht. Die Fachgerichte überschreiten den Entscheidungsspielraum, der ihnen bei der Auslegung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht verfassungsrechtlich zukommt, erst dann, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unverhältnismäßig erschwert wird. Das ist namentlich dann der Fall, wenn das Fachgericht die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung überspannt und dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe, Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlt wird (vgl. BVerfGE 81, 347 <357 f.>).

14

2. Diese Anforderungen hat das Landessozialgericht offensichtlich nicht beachtet. Es hat die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverteidigung im Anordnungsverfahren überspannt und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe verfehlt.

15

a) Das Landessozialgericht ging bei der Prüfung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe davon aus, dass die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverteidigung im seiner Ansicht nach rechtlich selbständigen Aussetzungsverfahren (zur umstrittenen Annahme einer Selbständigkeit des Verfahrens nach § 199 Abs. 2 SGG vgl. BSG, Beschluss vom 6. August 1999 - B 4 RA 25/98 B -, juris, Rn. 36; auch Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 199 Rn. 7c) zu verneinen sei. Maßgeblich dafür war für das Landessozialgericht die von ihm nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG vorgenommene Interessenabwägung, die zu Lasten des Beschwerdeführers ausfalle.

16

Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht hier jedoch offensichtlich. Die sozialgerichtliche Rechtsprechung nimmt ganz überwiegend an, dass ein Antrag eines zu Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) oder dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhil- fe - (SGB XII) verurteilten Leistungsträgers auf Aussetzung der Vollstreckung nur in seltenen Fällen zur vorläufigen Nichtgewährung zugesprochener existenzsichernder Leistungen im Wege des Verfahrens nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG führen könne (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 18. Januar 2013 - L 8 AY 5/12 ER -, juris, Rn. 12; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Juni 2008 - L 7 AS 2955/08 ER -, juris, Rn. 4). Auch das Bundessozialgericht geht bei Berufungen und Revisionen, die - wie es auch hier der Fall ist - nach § 154 Abs. 2 SGG keine aufschiebende Wirkung haben, davon aus, dass eine Aussetzung der Vollziehung nur in Ausnahmefällen, nämlich wenn ein Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg habe, in Betracht komme (vgl. Beschluss vom 8. Dezember 2009 - B 8 SO 17/09 R -, juris, Rn. 9).

17

Ausgehend hiervon war das Landessozialgericht angesichts seiner Annahme, es lasse sich derzeit nicht abschätzen, ob die Berufung der Leistungsträgerin erfolgreich sein werde, gehalten, bei der Prüfung des Prozesskostenhilfeantrags des Beschwerdeführers von einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung im Aussetzungsverfahren auszugehen und dafür Prozesskostenhilfe zu gewähren. Indem das Gericht den Ausnahmecharakter einer stattgebenden Entscheidung im Aussetzungsverfahren nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG verkannt und damit die für eine Gewährung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung verneint hat, hat es einen Auslegungsmaßstab verwendet, der die Rechtsverteidigung für den unbemittelten Beschwerdeführer im Vergleich zur bemittelten Partei unverhältnismäßig erschwert hat. Denn wenn die Aussetzung der Vollstreckung nur im Ausnahmefall angeordnet werden soll, weil das Rechtmittel - wie hier - nach dem Willen des Gesetzgebers keine aufschiebende Wirkung hat, kann unter Beachtung der verfassungsgebotenen Gewähr von Rechtsschutzgleichheit demjenigen, der im Ausgangsverfahren bereits erfolgreich war, Prozesskostenhilfe nicht verwehrt werden, wenn er sich gegen den Aussetzungsantrag des Prozessgegners wendet und das Rechtsmittelgericht selbst nicht von einem Ausnahmefall ausgeht, in dem das Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat.

18

b) Es kann dahinstehen, ob das Landessozialgericht überhaupt die Erfolgs-aussichten der Rechtsverteidigung des Beschwerdeführers im Aussetzungsverfahren nach § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG prüfen konnte oder ob bereits die Nichtgewährung von Prozesskostenhilfe unter Missachtung von § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO, wonach die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem höheren Rechtszug nicht zu prüfen ist, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat, als Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in Form des Willkürverbots (vgl. BVerfGK 4, 93 <94 f.>) anzusehen ist.

19

c) Die Entscheidung des Landessozialgerichts beruht auf der unzureichenden Beachtung der sich aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG ergebenden Anforderungen. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass das Landessozialgericht bei einer verfassungsrechtlich gebotenen Befassung mit dem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gelangt wäre.

IV.

20

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung ergibt sich aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das Verfassungsbeschwerdeverfahren erledigt sich insoweit, als das Land Schleswig-Holstein zur Kostenerstattung verpflichtet wird (vgl. BVerfGE 105, 239 <252>). Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>). Es ist nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer ein über den festgesetzten Betrag hinausgehendes Interesse hat.

21

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tenor

1. Dem Beschwerdeführer wird Wiedereinsetzung in die Verfassungsbeschwerdefrist gewährt.

2. Der Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 27. März 2015 - 011 O 715/15 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 13. Mai 2015 - 1 W 804/15 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben, soweit sie dem Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe für den Zeitraum vom 19. September 2014 bis zum 30. Oktober 2014 versagen.

3. Die Sache wird in diesem Umfang zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen.

4. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

5. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer 4/5 seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.

6. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zurückweisung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern wegen menschenunwürdiger Unterbringung in Strafhaft.

2

1. Mit Schriftsatz an das Landgericht A. vom 24. Februar 2015 übersandte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst Klageentwurf für eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern. Er machte geltend, 53 Tage lang unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Justizvollzugsanstalt L. in Haft gewesen zu sein. Im Zeitraum vom 19. September 2014 bis zum 10. November 2014 sei er neben drei weiteren Mitgefangenen im Haftraum Nr. 041 untergebracht gewesen. Der Haftraum habe inklusive Möblierung und Toilettenbereich eine Gesamtgrundfläche von 17,45 m2 gehabt.

3

Der Beschwerdeführer monierte unter anderem den Verlust jeglicher Privatsphäre und unzumutbare Belastungen der Gefangenen, die aus dem erzwungenen engen körperlichen Kontakt rührten.

4

2. Mit angegriffenem Beschluss vom 27. März 2015 verweigerte das Landgericht dem Beschwerdeführer die Prozesskostenhilfe. Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs führte das Landgericht - soweit hier erheblich - aus, dass sich nicht abstrakt-generell klären lasse, ob der Vollzug einer Strafhaft als menschenunwürdig anzusehen sei; vielmehr bedürfe es jeweils einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls. Dabei kämen als Faktoren, die eine aus den räumlichen Haftbedingungen resultierende Verletzung der Menschenwürde indizierten, in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenen und die Situation der sanitären Anlagen in Betracht, namentlich Abtrennung und Belüftung der Toilette. Eine Menschenwürdeverletzung sei danach nicht festzustellen.

5

Allein aus der Bodenfläche eines Haftraums könne nicht auf menschenunwürdige Verhältnisse geschlossen werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ginge bei der Anwendung von Art. 3 EMRK von einem Regelwert von 4 m2 je Inhaftierten aus, der hier eingehalten sei. Darüber hinaus hätten dem Beschwerdeführer täglich umfangreiche Aufschlusszeiten und Freizeitangebote zur Verfügung gestanden.

6

Ein etwaiger Anspruch des Beschwerdeführers sei auch gemäß § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, da der Beschwerdeführer es mit der Konsequenz eines völligen Anspruchsverlusts unterlassen habe, die Beeinträchtigung seiner Menschenwürde durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

7

3. Mit Schriftsatz vom 28. April 2015 legte der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde ein, die das Oberlandesgericht mit angegriffenem Beschluss vom 13. Mai 2015 zurückwies.

8

Die sofortige Beschwerde sei unbegründet, da nach der gebotenen Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls eine menschenunwürdige Unterbringung nicht vorliege. Nach unbestrittenem Vortrag des Freistaats sei der Beschwerdeführer zum einen nur bis zum 30. Oktober 2014 im Gemeinschaftshaftraum Nr. 041 und danach in einem Einzelhaftraum untergebracht gewesen. Der Haftraum Nr. 041 sei zudem - zuletzt unstreitig - nicht dauerhaft mit vier Gefangenen belegt gewesen.

9

Auch bei voller Belegung könne eine menschenrechtswürdige Unterbringung nicht angenommen werden. Der Bundesgerichtshof habe die Rechtsprechung zur Frage einer menschenunwürdigen Unterbringung zusammengefasst und dabei auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in zu Art. 3 EMRK in seine Erwägungen einbezogen. Die Haftraumgröße habe stets mehr als den Regelwert des EGMR von 4 m2 pro Person betragen.

10

4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung seines Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

11

5. Dem Justizministerium des Freistaats Bayern sowie der Präsidentin des Bundesgerichtshofs wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie halten die Verfassungsbeschwerde jeweils für unbegründet. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

12

Die Verfassungsbeschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen, da dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.

13

1. Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde, soweit sie den Zeitraum seit dem 31. Oktober 2014 betrifft. Laut den Feststellungen der Fachgerichte hatte der Beschwerdeführer seither einen Einzelhaftraum inne. Eine Verletzung von Verfassungsrecht ist insofern weder vorgetragen noch ersichtlich.

14

Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig. Zwar ist die Beschwerdeschrift gegen den am 21. Mai 2015 zugestellten Beschluss des Oberlandesgerichts erst am 24. Juni 2015 beim Bundesverfassungsgericht eingegangen. Dem Beschwerdeführer ist jedoch hinsichtlich der damit gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 und 2 BVerfGG versäumten Beschwerdefrist antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er hat die Verfassungsbeschwerde ausweislich des Poststempels am 18. Juni 2015 zur Post gegeben; bei gewöhnlicher Postlaufzeit wäre die Beschwerdeschrift rechtzeitig beim Bundesverfassungsgericht eingegangen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. März 2005 - 1 BvR 113/01 -, juris).

15

2. Die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich des Zeitraums vom 19. September 2014 bis zum 30. Oktober 2014 im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Rechtsschutzgleichheit rügt. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen Fragen zu Inhalt und Reichweite des aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit bereits geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 ff.>; 92, 122 <124>). Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit, soweit sie ihm Prozesskostenhilfe für den Zeitraum versagen, in dem er sich in Gemeinschaftshaft befand.

16

a) Die Gewährleistung der Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 9, 124 <130 f.>; stRspr). Zwar ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>).

17

Danach dürfen bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können. Dabei muss Prozesskostenhilfe nicht immer schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe kann ungeachtet des Fehlens einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf Auslegungshilfen, die von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellt werden, ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann. Ist dies jedoch nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen fehlender Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfGE 81, 347 <359>). Ansonsten würde der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2006 - 2 BvR 626/06 u.a. -, NVwZ 2006, S. 1156 <1157>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2008 - 1 BvR 1807/07 -, NJW 2008, S. 1060 <1061>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. November 2011 - 1 BvR 1403/09 -, juris).

18

b) Gemessen an diesen Grundsätzen halten die Prozesskostenhilfe versagenden Beschlüsse des Landgerichts und Oberlandesgerichts einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand, soweit sie die 42 Tage währende Gemeinschaftsunterbringung des Beschwerdeführers im Haftraum Nr. 041 betreffen. Sowohl Landgericht als auch Oberlandesgericht haben insofern ihre Einschätzung fehlender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung auf ein Verständnis der Menschenwürdegarantie in der gemeinschaftlichen Haftunterbringung gestützt, das in der bisherigen Rechtsprechung der Fachgerichte noch keine hinreichende Klärung gefunden hat. Die damit verbundenen Fragestellungen durften demnach nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden.

19

aa) Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung sind Landgericht wie Oberlandesgericht im Ansatz davon ausgegangen, dass die Frage nach der Menschenwürdigkeit der Unterbringung von Strafgefangenen von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände abhängt, wobei als Faktoren in räumlicher Hinsicht in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenen und die Situation der sanitären Anlagen, namentlich die Abtrennung und Belüftung der Toilette, zu beachten sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2015 - 1 BvR 1332/14 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. März 2016 - 2 BvR 566/15 -, juris) und als die Haftsituation mildernde oder verschärfende Merkmale der Umfang der täglichen Einschlusszeiten und die Belegdichte des Haftraums Berücksichtigung finden. Die Frage, wie diese Faktoren zu bewerten sind und insbesondere, ob oder unter welchen Bedingungen - wie es die angegriffenen Entscheidungen für ausreichend halten - auch eine anteilige Grundfläche von unterhalb von 6 m2 pro Strafgefangenen den Anforderungen der Menschenwürdegarantie genügen kann, ist in der Rechtsprechung nicht geklärt.

20

Allerdings lässt sich die Frage, wann die räumlichen Verhältnisse in einer Strafanstalt derart beengt sind, dass die Unterbringung eines Gefangenen dessen Menschenwürde verletzt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht abstrakt-generell klären, sondern muss der tatrichterlichen Beurteilung überlassen bleiben (beispielsweise BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - III ZR 342/12 -, BGHZ 198, 1). Danach kann es die Klärung eines verfassungsmäßigen Raummindestsolls im Sinne schematisch festgelegter allgemeiner Maßzahlen nicht geben (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - III ZR 124/09 -, NJW-RR 2010, S. 1465). Dies stellt jedoch nicht in Frage, dass es für die Anforderungen an menschenwürdige Haftbedingungen der Herausbildung auch übergreifender Grundsätze und Unterscheidungsmerkmale bedarf, die sowohl den Betroffenen als auch den Behörden Kriterien an die Hand geben, die die Beurteilung der Menschenwürdigkeit der Unterbringung hinreichend vorhersehbar machen.

21

bb) Diese Anforderungen sind zurzeit nicht geklärt und werden von den Gerichten verschieden beurteilt.

22

(1) So setzt die obergerichtliche Rechtsprechung bei mehrfach belegten Hafträumen zum Teil Regelwerte von 6, zum Teil auch von 7 m2 Bodenfläche pro Gefangenen an. Deren Unterschreitung wird zum Teil als Menschenwürdeverletzung beurteilt, wenn zugleich die Toilette nicht abgetrennt oder nicht gesondert entlüftet ist (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Juli 2003 - 3 Ws 578/03 -, NJW 2003, S. 2843 <2845>; OLG Hamburg, Urteil vom 14. Januar 2005 - 1 U 43/04 -, juris, Rn. 42; OLG Koblenz, Urteil vom 15. März 2006 - 1 U 1286/05 -, juris, Rn. 11 ff.). In anderen Fällen haben Fachgerichte eine Verletzung der Menschenwürde unabhängig hiervon allein wegen der Unterschreitung eines gewissen Bodenflächenmaßes bejaht, da die räumliche Enge eine Bewegung und Entfaltung der Gefangenen nicht erlaube (so OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21. Februar 2005 - 3 Ws 1342 - 1343/04 [StVollz] u.a. -, NStZ-RR 2005, S. 155 <156>: Menschenwürdeverletzung bei 3,84 m2 pro Gefangenen in Mehrfachbelegung bei abgetrennter Toilette; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 19. Juni 2008 - 11 U 24/07 -, juris, Rn. 26: 3,75 m2 pro Gefangenen bei hinzukommender Erschwernis der nicht abgetrennten Toilette). Die Oberlandesgerichte Hamm und Düsseldorf setzen einen fixen Schwellenwert von 5 m2 Grundfläche pro Gefangenen an, dessen Unterschreitung ungeachtet anderer Parameter eine Menschenwürdeverletzung bedinge (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. November 2011 - I-18 W 31/11, 18 W 31/11 -, juris; OLG Hamm, Urteil vom 29. September 2010 - 11 U 88/08, I-11 U 88/08 -, juris; Urteil vom 18. März 2009 - 11 U 88/08 -, juris; Beschluss vom 25. März 2009 - 11 W 106/08 -, NStZ-RR 2009, S. 326). Bezüglich der Unterbringung in einem Einzelhaftraum hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin eine längere Unterbringung in einem 5,25 m2 messenden Einzelhaftraum ohne abgetrennte Toilette für menschenwürdewidrig befunden und das Hauptaugenmerk auf die beengte Haftsituation gelegt (vgl. BerlVerfGH, Beschluss vom 3. November 2009 - VerfGH 184/07 -, LKV 2010, S. 26). Angesichts der Rechtsprechung (weitere Nachweise in BVerfGK 12, 417 <420 f.> sowie BGHZ 198, 1 <4 f.>) kann nicht als geklärt gelten, dass und unter welchen Umständen eine Haftraumfläche wie hier von weniger als 6 m2 den Erfordernissen der Menschenwürdegarantie des gemeinschaftlich untergebrachten Strafgefangenen entspricht.

23

(2) Ungeklärt ist auch die Frage des Verhältnisses der Anforderungen aus Art. 1 Abs. 1 GG zu denen aus Art. 3 EMRK. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist, bezogen auf das Verbot der Folter, der unmenschlichen oder erniedrigenden Bestrafungen oder Behandlung nach Art. 3 EMRK, von einem Richtwert von 4 m² Grundfläche pro Gefangenen ausgegangen (EGMR, Urteil vom 12. Juli 2007, Beschwerde-Nr. 20877/04, Testa ./. Kroatien, EuGRZ 2008, S. 21 Rn. 57 f.). Für erniedrigende Haftbedingungen spricht eine starke Vermutung, wenn ein Häftling nicht über 3 m2 Grundfläche verfügt (vgl. EGMR, Urteil vom 10. Januar 2012, Beschwerde-Nr. 42525/07 u. 60800/08 - Ananyev u. a. ./. Russland [Piloturteil] -, NVwZ-RR 2013, S. 284 <288>). Der Bundesgerichtshof hat betont, dass die Anforderungen des Grundgesetzes höher sind (vgl. BGHZ 198, 1 <6 f.>). Damit ist die hier zu entscheidende Rechtsfrage aber auch im Verhältnis zwischen Grundgesetz und EMRK fachgerichtlich ungeklärt.

24

(3) In der Rechtsprechung der Fachgerichte weitgehend offen ist auch die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage nach der Beurteilung einer Haftsituation durch die gemeinschaftliche Unterbringung auf engem Raum. Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass in der bloßen Tatsache einer - auch rechtswidrigen - Gemeinschaftsunterbringung nicht ohne Weiteres ein Verstoß gegen die Menschenwürde liegt (BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - III ZB 89/05 -, NJW 2006, S. 3572; vgl. zur Gemeinschaftshaft auch EGMR, Urteil vom 15. Juli 2002, Beschwerde-Nr. 47095/99 - Kalashnikov ./. Russland -, NVwZ 2005, S. 303 <304 f.>). Damit ist jedoch nicht geklärt, ob und unter welchen Umständen die Eigenheiten der Zwangsgemeinschaft im Einzelfall besondere Nachteile darstellen können. Offen ist bislang, wie sich die bei höherer Belegzahl auf geringem Raum auftretenden Stress- und Konfliktsituationen und die Anforderungen an eine unabdingbare Privatsphäre auf den Raumbedarf auswirken und welches Gewicht - auch ausgleichend - weitere Faktoren, wie etwa Einschlusszeiten, haben.

25

cc) Indem Landgericht und Oberlandesgericht der beabsichtigten Amtshaftungsklage ungeachtet dieser ungeklärten Rechtsfragen die Erfolgsaussicht von vornherein abgesprochen und in vollem Umfang Prozesskostenhilfe verweigert haben, haben sie den Anspruch des Beschwerdeführers auf Rechtsschutzgleichheit verletzt. Die für die Beurteilung des Begehrens des Beschwerdeführers maßgeblichen Rechtsfragen durften nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden, sondern bedürfen einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren, die es dem Beschwerdeführer auch ermöglicht, diese gegebenenfalls einer höchstrichterlichen Klärung zuzuführen.

26

3. Die angegriffenen Beschlüsse beruhen im tenorierten Umfang auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Soweit das Landgericht ergänzend auf einen Anspruchsausschluss wegen Rechtsmittelsäumnis gemäß § 839 Abs. 3 BGB abstellt, trägt diese Erwägung die angegriffene Entscheidung nicht. Der entscheidenden Frage, ob der Beschwerdeführer nach der tatsächlichen Rechtspraxis im maßgeblichen Zeitpunkt effektiven Rechtsschutz hätte erlangen können und damit das Ergreifen der Rechtsschutzmöglichkeiten möglich, zumutbar und erfolgversprechend gewesen wäre, ist das Landgericht nicht nachgegangen (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - III ZR 124/09 -, NJW-RR 2010, S. 1465 <1465 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 409/09 -, NJW-RR 2011, S. 1043 <1046 f.>).

27

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandwerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 23. März 2012 - 21 O 613/11 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 15. Februar 2013 - 4 W 61/12 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes und werden aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Bayreuth zurückverwiesen.

3. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

4. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

5. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zurückweisung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern wegen menschenunwürdiger Unterbringung in Strafhaft.

2

1. Mit Schriftsatz an das Landgericht Bayreuth vom 22. August 2011 übersandte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst Klageentwurf für eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern. Er machte geltend, 125 Tage lang unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Justizvollzugsanstalt Bayreuth in Haft gewesen zu sein.

3

Im Zeitraum vom 30. April 2009 bis zum 1. September 2009 sei er neben sechs weiteren Mitgefangenen im Haftraum Nr. 106 untergebracht gewesen. Der Haftraum habe eine Gesamtgrundfläche von 25 m2 gehabt; neben der Möblierung habe sich darin eine vom übrigen Haftraum optisch abgetrennte, jedoch nicht gesondert entlüftete Toilette befunden.

4

2. Mit angegriffenem Beschluss vom 23. März 2012 verweigerte das Landgericht dem Beschwerdeführer die Prozesskostenhilfe. Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg; die Unterbringung des Beschwerdeführers sei nicht menschenunwürdig. Auf Grundlage der Angaben des Freistaats Bayern zu den Raumverhältnissen hätten dem Beschwerdeführer, der in verschiedenen Hafträumen untergebracht gewesen sei, anteilig zwischen 4,69 m2 und 5,75 m2 Haftraumfläche zur Verfügung gestanden. Raumhöhen zwischen 2,95 m und 3,75 m hätten für ein besseres Raumklima gesorgt; die Toiletten seien baulich abgetrennt und gesondert entlüftet gewesen. Durch Arbeitsaufnahme des Beschwerdeführers und Aufschlusszeiten sei die beengte Unterbringung weiter kompensiert worden.

5

3. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wies das Oberlandesgericht mit angegriffenem Beschluss vom 15. Februar 2013 zurück. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs führte das Oberlandesgericht - soweit hier erheblich - aus, dass sich nicht abstrakt-generell klären lasse, ob der Vollzug der Haft als menschenunwürdig anzusehen sei; vielmehr bedürfe es jeweils einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls. Dabei kämen als Faktoren, die eine aus den räumlichen Haftbedingungen resultierende Verletzung der Menschenwürde indizierten, in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenen und die Situation der sanitären Anlagen in Betracht, namentlich Abtrennung und Belüftung der Toilette. Eine Menschenwürdeverletzung sei danach nicht festzustellen.

6

Die räumlichen Verhältnissen seien für sich betrachtet zwar vorübergehend "grenzlastig" gewesen, führten aber noch nicht zu einem Verstoß gegen Art. 1 GG. Als Grenzwert zur menschenunwürdigen Unterbringung sei eine Bodenfläche von 5 m2 je Gefangenen anzusehen. Dieser Grenzwert sei zwar für einen gewissen Zeitraum geringfügig unterschritten worden. Weitere Umstände, die zur Verschärfung der räumlichen Situation beigetragen hätten, seien aber nicht ersichtlich. Die Grenze zur menschenunwürdigen Unterbringung sei, auch eingedenk der Arbeits- und Aufschlusszeiten des Beschwerdeführers, noch nicht erreicht.

7

4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung seines Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

8

5. Dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz sowie der Präsidentin des Bundesgerichtshofs wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie halten die Verfassungsbeschwerde jeweils für unbegründet. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

9

Die Verfassungsbeschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen, da dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.

10

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen Fragen zu Inhalt und Reichweite des aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit bereits geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 ff.>; 92, 122 <124>). Die Verfassungsbeschwerde ist danach hinsichtlich der Rüge einer Verletzung der Rechtsschutzgleichheit im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG zulässig und offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit.

11

a) Die Gewährleistung der Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 9, 124 <130 f.>; stRspr). Zwar ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>).

12

Danach dürfen bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können. Dabei muss Prozesskostenhilfe nicht immer schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe kann ungeachtet des Fehlens einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf Auslegungshilfen, die von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellt werden, ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann. Ist dies jedoch nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen fehlender Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfGE 81, 347 <359>). Ansonsten würde der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2006 - 2 BvR 626/06 u.a. -, NVwZ 2006, S. 1156 <1157>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2008 - 1 BvR 1807/07 -, NJW 2008, S. 1060 <1061>; Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 409/09 -, NJW-RR 2011, S. 1043 <1044> und vom 7. November 2011 - 1 BvR 1403/09 -, juris).

13

b) Gemessen an diesen Grundsätzen halten die Prozesskostenhilfe versagenden Beschlüsse des Landgerichts und Oberlandesgerichts einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Sowohl Landgericht als auch Oberlandesgericht haben ihre Einschätzung fehlender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung auf ein Verständnis der Menschenwürdegarantie in der Haftunterbringung gestützt, das in der bisherigen Rechtsprechung der Fachgerichte noch keine hinreichende Klärung gefunden hat. Die damit verbundenen Fragestellungen durften demnach nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden.

14

aa) Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung sind Landgericht und Oberlandesgericht im Ansatz davon ausgegangen, dass die Frage nach der Menschenwürdigkeit der Unterbringung von Strafgefangenen von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände abhängt, wobei als Faktoren in räumlicher Hinsicht in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenen und die Situation der sanitären Anlagen, namentlich die Abtrennung und Belüftung der Toilette, zu beachten sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2015 - 1 BvR 1127/14 -, NJW 2016, S. 389 <390>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. März 2016 - 2 BvR 566/15 -, juris) und als die Haftsituation mildernde oder verschärfende Merkmale der Umfang der täglichen Einschlusszeiten und die Belegdichte des Haftraums Berücksichtigung finden. Die Frage, wie diese Faktoren zu bewerten sind und insbesondere, ob oder unter welchen Bedingungen - wie es die angegriffenen Entscheidungen für ausreichend halten - auch eine anteilige Grundfläche von unterhalb von 6 m2 pro Strafgefangenen den Anforderungen der Menschenwürdegarantie genügen kann, ist in der Rechtsprechung nicht hinreichend geklärt.

15

Allerdings lässt sich die Frage, wann die räumlichen Verhältnisse in einer Strafanstalt derart beengt sind, dass die Unterbringung eines Gefangenen dessen Menschenwürde verletzt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht abstrakt-generell klären, sondern muss der tatrichterlichen Beurteilung überlassen bleiben (beispielhaft BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - III ZR 342/12 -, BGHZ 198, 1). Danach kann es die Klärung eines verfassungsmäßigen Raummindestsolls im Sinne schematisch festgelegter allgemeiner Maßzahlen nicht geben (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - III ZR 124/09 -, NJW-RR 2010, S. 1465). Dies stellt jedoch nicht in Frage, dass es für die Anforderungen an menschenwürdige Haftbedingungen der Herausbildung auch übergreifender Grundsätze und Unterscheidungsmerkmale bedarf, die sowohl den Betroffenen als auch den Behörden Kriterien an die Hand geben, die die Beurteilung der Menschenwürdigkeit der Unterbringung hinreichend vorhersehbar machen.

16

bb) Diese Anforderungen sind zurzeit nicht geklärt und werden von den Gerichten verschieden beurteilt.

17

So setzt die obergerichtliche Rechtsprechung bei mehrfach belegten Hafträumen zum Teil Regelwerte von 6 m2, zum Teil auch von 7 m2 Bodenfläche pro Gefangenen an. Deren Unterschreitung wird zum Teil als Menschenwürdeverletzung beurteilt, wenn zugleich die Toilette nicht abgetrennt beziehungsweise nicht gesondert entlüftet ist (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Juli 2003 - 3 Ws 578/03 -, NJW 2003, S. 2843 <2845>; OLG Hamburg, Urteil vom 14. Januar 2005 - 1 U 43/04 -, juris, Rn. 42; OLG Koblenz, Urteil vom 15. März 2006 - 1 U 1286/05 -, juris, Rn. 11 ff.). In anderen Fällen haben Fachgerichte eine Verletzung der Menschenwürde unabhängig hiervon allein wegen der Unterschreitung eines gewissen Bodenflächenmaßes bejaht, da die räumliche Enge eine Bewegung und Entfaltung der Gefangenen nicht erlaube (so OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21. Februar 2005 - 3 Ws 1342 - 1343/04 [StVollz] u.a. -, NStZ-RR 2005, S. 155 <156>: Menschenwürdeverletzung bei 3,85 m2 pro Gefangenen in Mehrfachbelegung bei abgetrennter Toilette; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 19. Juni 2008 - 11 U 24/07 -, juris, Rn. 26: 3,75 m2 pro Gefangenen bei hinzukommender Erschwernis der nicht abgetrennten Toilette). Die Oberlandesgerichte Hamm und Düsseldorf setzen einen fixen Schwellenwert von 5 m2 Grundfläche pro Gefangenen an, dessen Unterschreitung ungeachtet anderer Parameter eine Menschenwürdeverletzung bedinge (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. November 2011 - I-18 W 31/11, 18 W 31/11 -, juris; OLG Hamm, Urteil vom 29. September 2010 - 11 U 88/08, I-11 U 88/08 -, juris; Urteil vom 18. März 2009 - 11 U 88/08 -, juris; Beschluss vom 25. März 2009 - 11 W 106/08 -, NStZ-RR 2009, S. 326). Bezüglich der Unterbringung in einem Einzelhaftraum hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin eine längere Unterbringung in einem 5,25 m2 messenden Einzelhaftraum ohne abgetrennte Toilette für menschenwürdewidrig befunden und das Hauptaugenmerk auf die beengte Haftsituation gelegt (vgl. BerlVerfGH, Beschluss vom 3. November 2009 - VerfGH 184/07 -, LKV 2010, S. 26). Angesichts der Rechtsprechung (weitere Nachweise in BVerfGK 12, 417 <420 f.> sowie BGHZ 198, 1 <4 ff.>) kann nicht als geklärt gelten, dass und unter welchen Umständen eine Haftraumfläche wie hier von weniger als 6 m2 den Erfordernissen der Menschenwürdegarantie des gemeinschaftlich untergebrachten Strafgefangenen entspricht.

18

cc) Indem Landgericht und Oberlandesgericht der beabsichtigten Amtshaftungsklage ungeachtet dieser ungeklärten Rechtsfrage die Erfolgsaussicht von vornherein abgesprochen und Prozesskostenhilfe verweigert haben, haben sie den Anspruch des Beschwerdeführers auf Rechtsschutzgleichheit verletzt. Die für die Beurteilung des Begehrens des Beschwerdeführers maßgeblichen Rechtsfragen durften nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden, sondern bedürfen einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren, die es dem Beschwerdeführer auch ermöglicht, diese gegebenenfalls einer höchstrichterlichen Klärung zuzuführen.

19

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandwerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. Oktober 2012 - VG 19 K 68.12 V - und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. März 2013 - OVG 3 M 110.12 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg wird aufgehoben und die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 10.000 Euro (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Ablehnung von Prozesskostenhilfe in einem aufenthaltsrechtlichen Verfahren.

2

1. Der am 21. März 1976 geborene Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger und reiste erstmals im Jahre 1999 in das Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag blieb erfolglos. Er lebte seit dem Jahr 2001 in Bremen mit seiner Lebensgefährtin zusammen, die am 4. November 2001 ein Kind gebar. Am 30. März 2004 wurde ein zweites Kind ebenfalls in Bremen geboren. Für beide Kinder hat der Beschwerdeführer zwischenzeitlich die Vaterschaft anerkannt und mit seiner Lebensgefährtin die gemeinsame elterliche Sorgeerklärung abgegeben. Am 21. Februar 2005 wurde er aus dem Bundesgebiet abgeschoben. Zu diesem Zeitpunkt war seine Lebensgefährtin mit dem dritten Kind schwanger. Dieses wurde in Abwesenheit des Beschwerdeführers am 7. Juni 2005 geboren. Seine Lebensgefährtin ist im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Die Kinder verfügen über davon abgeleitete Aufenthaltserlaubnisse. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich nicht verurteilt worden.

3

2. Seit dem Jahre 2005 stellte er zahlreiche Visumsanträge bei der Deutschen Botschaft in Lagos, wobei auf Ermittlungsschreiben der Deutschen Botschaft vom 14. August 2007 und vom 20. Oktober 2008 das Oberlandesgericht mit Schreiben vom 7. Mai 2009 die Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses erteilte. Mehrere Termine zur Eheschließung waren im Jahr 2009 und 2010 vor dem Standesamt in Bremen bestimmt. Die Ausländerbehörde Bremen stimmte der Visumserteilung nicht zu, so dass die Deutsche Botschaft in Lagos den Antrag auf Erteilung eines Einreisevisums zum Zwecke der Eheschließung ablehnte.

4

Am 12. März 2010 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Visumsantrag zur Familienzusammenführung gemäß § 36 Abs. 2 AufenthG. Mit Bescheid vom 14. September 2011 lehnte die Deutsche Botschaft auch diesen Antrag ab, da der Lebensunterhalt nicht gesichert sei. Die hiergegen gerichtete Remonstration des Beschwerdeführers wurde ebenfalls abgelehnt.

5

3. Am 14. Februar 2012 reichte der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht eine beabsichtigte Klage ein und beantragte für diese die Gewährung von Prozesskostenhilfe.

6

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 12. Oktober 2012 ab. Zwar sei es möglich, für die beabsichtigte Klage Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund des rechtzeitig gestellten, aber vor Ablauf der Klagefrist nicht entschiedenen Prozesskostenhilfeantrags zu gewähren. Ein Anspruch des Beschwerdeführers gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, der im Übrigen lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung begründe, scheitere jedoch, da keine außergewöhnliche Härte vorliege. Diese setze gegenüber einer besonderen Härte eine weitere Steigerung voraus, die nicht vorliege. Zwar sei es für die tägliche Betreuung und Versorgung der Kinder des Beschwerdeführers günstiger, wenn auch er bei ihnen lebe. Anhaltspunkte dafür, dass dies etwa zur Abwendung eines sonst drohenden Betreuungsnotstandes unerlässlich sei, bestünden aber nicht. Es bestünden auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Visumserteilung in hohem Maße aus Gründen des Kindeswohls geboten sei. Auch wenn die Kindesmutter einer Erwerbstätigkeit nachgehe, folge daraus nicht, dass die sieben, acht und fast elf Jahre alten Kinder, die der Schulpflicht unterlägen, unverzichtbar oder in bedeutsamen Umfang zu ihrer gedeihlichen Entwicklung des Beistandes ihres seit dem Jahre 2005 nicht mehr im Bundesgebiet aufhältigen Vaters zwingend bedürften. Die Führung einer familiären Lebensgemeinschaft erscheine auch in Nigeria möglich. Etwas anderes ergebe sich weder aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch aus Art. 8 EMRK. Auch ein Anspruch auf Visumserteilung zum Zweck der beabsichtigten Eheschließung und der anschließenden Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet komme nicht in Betracht. Zwar könne nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in begründeten Fällen eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen im Aufenthaltsgesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die beabsichtigte Eheschließung sei solch ein Aufenthaltszweck. Es sei jedoch schon unklar, ob die entsprechenden besonderen Erteilungsvoraussetzungen vorlägen. Letztlich bedürfe dies jedoch keiner Entscheidung. Denn der Beschwerdeführer erfülle bereits die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht, wonach die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraussetze, dass der Lebensunterhalt gesichert sei. Eine Ausnahme vom Regelerfordernis sei vorliegend nicht angezeigt. Atypische Umstände seien nicht gegeben.

7

4. Mit Beschluss vom 6. März 2013 wies das Oberverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts zurück und lehnte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ab. Das Verwaltungsgericht habe zu Recht das Bestehen einer außergewöhnlichen Härte verneint. Art. 6 GG gebiete auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen die Visumserteilung nicht bereits dann, wenn das Kindeswohl tangiert sei. Dies gelte vorliegend vor allem deshalb, weil dem Antragsteller und seinen Kindern die erstrebte Führung der familiären Lebensgemeinschaft in Nigeria, dessen Staatsangehörigkeit sie ebenso wie die Mutter der Kinder und Verlobte des Beschwerdeführers besäßen, möglich und zumutbar erscheine. Dem stehe nicht entgegen, dass die sämtlich in Deutschland geborenen Kinder, insbesondere die älteste, im Jahre 2001 geborene Tochter faktische Inländer seien. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern führe dazu, dass Kinder in der familiären Gemeinschaft grundsätzlich das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer Erziehungsberechtigten teilten. In aller Regel erscheine es einem in Deutschland geborenen ausländischen Kind zumutbar, nach mehrjährigem Aufenthalt das Land zusammen mit seinen Eltern wieder zu verlassen und sich in dem Herkunftsland seiner Eltern zu integrieren. Es sei auch kein Visum zum Zwecke der Eheschließung zu erteilen. Die Verdienstbescheinigung der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers weise für Januar 2013 einen Nettoverdienst von 1.319,82 € aus, der unbeschadet weiterer abzusetzender Beträge deutlich unter dem Regelbedarf nach § 20 Abs. 2 SGB II für den Beschwerdeführer, seine Verlobte und die drei Kinder liege (1.553 €).

8

5. Der Beschwerdeführer hat am 5. April 2013 Verfassungsbeschwerde gegen die gerichtlichen Entscheidungen erhoben. Er rügt eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG sowie eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Das Gebot der Rechtsschutzgleichheit sei verletzt, da die Gerichte an das Tatbestandsmerkmal der "hinreichenden Erfolgsaussicht" ersichtlich überspannte Anforderungen gestellt hätten. Die Gerichtsentscheidungen meinten, die im Bundesgebiet lebende Familie könne Deutschland verlassen. Die Kindesmutter sei jedoch seit ca. 17 Jahren im Bundesgebiet wohnhaft und im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Die Kinder hätten verfestigte Aufenthaltserlaubnisse und seien strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

9

Unabhängig hiervon verletzten die Entscheidungen Art. 6 GG. Die bei der Auslegung und Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der außergewöhnlichen Härte zu berücksichtigende wertentscheidende Grundnorm des Art. 6 Abs. 1 GG, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern habe, verpflichte in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht zur Berücksichtigung der familiären Bindung. Das Oberverwaltungsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass es einem zwölfjährigen im Bundesgebiet geborenen und sehr gut integrierten Mädchen nicht mehr möglich sei, in das Heimatland der Eltern zurückzukehren. Es handele sich bei der Tochter um eine faktische Inländerin. Auch § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG stehe der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Selbst wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert sei, hätte von diesem Regelerteilungsmerkmal abgesehen werden müssen. Hier liege ein atypischer Ausnahmefall aufgrund der Niederlassungserlaubnis der Kindesmutter sowie der deutschen Prägung der Kinder vor. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass die 2005 erfolgte Abschiebung des Beschwerdeführers wegen seiner Kinder mit berechtigtem Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet nicht hätte durchgeführt werden dürfen.

10

6. Die Akten des Ausgangsverfahrens und die Ausländerakte des Beschwerdeführers lagen dem Bundesverfassungsgericht vor. Die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Berlin hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

11

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 f.>). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts und der Beschluss des Verwaltungsgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

12

Das Recht auf effektiven und gleichen Rechtsschutz, das für die öffentlich-rechtliche Gerichtsbarkeit aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitet wird, gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 78, 104 <117 f.>; 81, 347 <357> m.w.N.). Es ist dabei verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Jedoch überschreiten die Fachgerichte ihren Entscheidungsspielraum, wenn sie die Anforderungen an das Vorliegen einer Erfolgsaussicht überspannen und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357 f.>). Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung in einem Verfahren, in dem sie anwaltlich vertreten sind, zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Februar 2014 - 2 BvR 57/13 -, juris, Rn. 10).

13

Nach diesen Maßstäben beruht die Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage auf Erteilung des Visums auf der Verkennung der verfassungsrechtlichen Anforderungen. Das Oberverwaltungsgericht hat schwierige Rechts- und Tatsachenfragen bereits im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden, indem es das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte in der vorliegenden Fallkonstellation allein mit der Erwägung verneint hat, dass es der Familie des Beschwerdeführers zumutbar sei, die Lebensgemeinschaft mit dem Beschwerdeführer im Herkunftsland zu führen. Es sei einem ausländischen Kind zumutbar, nach mehrjährigem Aufenthalt das Land zusammen mit seinen Eltern wieder zu verlassen und sich in seinem Herkunftsland zu integrieren. Für besondere Umstände, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigten, sei nichts ersichtlich. Mit dieser Begründung entscheidet das Oberverwaltungsgericht im Prozesskostenhilfeverfahren über eine schwierige Rechts- und Tatsachenfrage zu Lasten des Rechtsschutzsuchenden. Zwar ist der Begriff der außergewöhnlichen Härte dem Grunde nach in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit langem geklärt (vgl. schon zur Vorgängervorschrift BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 1997 - 1 B 236/96 -, juris, Rn. 8). Danach setzt eine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 36 Abs. 2 AufenthG voraus, dass der schutzbedürftige Familienangehörige ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe dringend angewiesen ist, und dass diese Hilfe in zumutbarer Weise nur in Deutschland erbracht werden kann. Bei der Anwendung dieser Definition der außergewöhnlichen Härte im Sinne des § 36 Abs. 2 AufenthG ist jedoch der Einfluss von Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK auf das deutsche Ausländerrecht zu beachten (vgl. hierzu Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 36 AufenthG Rn. 47). Ob demnach von einer außergewöhnlichen Härte auszugehen ist, kann nur unter Berücksichtigung aller im Einzelfall relevanten, auf die Notwendigkeit der Herstellung oder Erhaltung der Familiengemeinschaft bezogenen konkreten Umstände beantwortet werden (BVerwGE 147, 278 <282>).

14

Die danach aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben erforderliche Betrachtung des Einzelfalls kann in klar gelagerten Fällen ohne weiteres bei der Entscheidung über einen isolierten Antrag auf Prozesskostenhilfe erfolgen. Dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn bei objektiver Betrachtung ernstzunehmende Anhaltspunkte vorliegen, dass Art. 6 Abs. 1 GG die Erteilung eines Aufenthaltstitels gebieten könnte. Dann muss solchen Anhaltspunkten in einem Hauptsacheverfahren weiter nachgegangen werden. Ob solche Anhaltspunkte vorliegen, hat das erkennende Gericht unter gebührender Würdigung der betroffenen Grundrechte zu beurteilen. Der unbemittelte Verfahrensbeteiligte muss die Möglichkeit haben, sich in diesem Verfahren eines sachkundigen Beistands zu bedienen, der sowohl den Sachvortrag als auch die rechtliche Würdigung des Falles in ihren Wechselwirkungen aufarbeiten und dem Gericht das für einen Prozesserfolg Erforderliche darlegen kann.

15

Im vorliegenden Fall waren relevante Anhaltspunkte insbesondere darin zu sehen, dass der Beschwerdeführer Vater dreier im Bundesgebiet geborener und hier rechtmäßig lebender Kinder ist, mit denen er nach seiner Wiedereinreise in häuslicher Gemeinschaft leben wollte. Weiter wollte er die Mutter der Kinder, die über eine Niederlassungserlaubnis verfügt und hier zwischenzeitlich in Vollzeit berufstätig ist, heiraten. Für zwei der Kinder hatten die Eltern eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgegeben. Das älteste der Kinder besuchte im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung wohl die fünfte Klasse. Auf all diese Aspekte, insbesondere die tatsächliche Integration der Familie des Beschwerdeführers und die Frage, ob der ältesten Tochter ein erstmaliger und dauerhafter Aufenthalt in Nigeria noch zumutbar gewesen wäre (vgl. EGMR, Urteil vom 24. November 2009 - 182/08 -, InfAuslR 2010, S. 178 <179> und aus der deutschen Rechtsprechung zu den oftmals schwierigen Abgrenzungsfragen BVerwGE 147, 278 <284> und OVG Saarland, Beschluss vom 26. März 2015 - 2 B 19/15 -, juris, Rn. 6) beziehungsweise inwieweit - wovon das Verwaltungsgericht ausging - ein Verbleib in Deutschland ohne Vater rechtlich möglich war, wäre in einem Hauptsacheverfahren näher einzugehen gewesen.

16

Die Beschlüsse verletzen mithin Art. 19 Abs. 4 GG und sind deshalb aufzuheben. Daher bedarf es keiner Entscheidung, ob auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG vorliegt.

III.

17

Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG die notwendigen Auslagen zu erstatten. Die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. dazu auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist.

(2) Erwerbstätigkeit ist die selbständige Tätigkeit, die Beschäftigung im Sinne von § 7 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und die Tätigkeit als Beamter.

(3) Der Lebensunterhalt eines Ausländers ist gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Nicht als Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gilt der Bezug von:

1.
Kindergeld,
2.
Kinderzuschlag,
3.
Erziehungsgeld,
4.
Elterngeld,
5.
Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch, dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz,
6.
öffentlichen Mitteln, die auf Beitragsleistungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen und
7.
Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.
Ist der Ausländer in einer gesetzlichen Krankenversicherung krankenversichert, hat er ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Bei der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug werden Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen berücksichtigt. Der Lebensunterhalt gilt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 16a bis 16c, 16e sowie 16f mit Ausnahme der Teilnehmer an Sprachkursen, die nicht der Studienvorbereitung dienen, als gesichert, wenn der Ausländer über monatliche Mittel in Höhe des monatlichen Bedarfs, der nach den §§ 13 und 13a Abs. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bestimmt wird, verfügt. Der Lebensunterhalt gilt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 16d, 16f Absatz 1 für Teilnehmer an Sprachkursen, die nicht der Studienvorbereitung dienen, sowie § 17 als gesichert, wenn Mittel entsprechend Satz 5 zuzüglich eines Aufschlages um 10 Prozent zur Verfügung stehen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gibt die Mindestbeträge nach Satz 5 für jedes Kalenderjahr jeweils bis zum 31. August des Vorjahres im Bundesanzeiger bekannt.

(4) Als ausreichender Wohnraum wird nicht mehr gefordert, als für die Unterbringung eines Wohnungssuchenden in einer öffentlich geförderten Sozialmietwohnung genügt. Der Wohnraum ist nicht ausreichend, wenn er den auch für Deutsche geltenden Rechtsvorschriften hinsichtlich Beschaffenheit und Belegung nicht genügt. Kinder bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres werden bei der Berechnung des für die Familienunterbringung ausreichenden Wohnraumes nicht mitgezählt.

(5) Schengen-Staaten sind die Staaten, in denen folgende Rechtsakte in vollem Umfang Anwendung finden:

1.
Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 19),
2.
die Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1) und
3.
die Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (ABl. L 243 vom 15.9.2009, S. 1).

(6) Vorübergehender Schutz im Sinne dieses Gesetzes ist die Aufenthaltsgewährung in Anwendung der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 212 S. 12).

(7) Langfristig Aufenthaltsberechtigter ist ein Ausländer, dem in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rechtsstellung nach Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. EU 2004 Nr. L 16 S. 44), die zuletzt durch die Richtlinie 2011/51/EU (ABl. L 132 vom 19.5.2011, S. 1) geändert worden ist, verliehen und nicht entzogen wurde.

(8) Langfristige Aufenthaltsberechtigung – EU ist der einem langfristig Aufenthaltsberechtigten durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellte Aufenthaltstitel nach Artikel 8 der Richtlinie 2003/109/EG.

(9) Einfache deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedstaaten Nr. R (98) 6 vom 17. März 1998 zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen – GER).

(10) Hinreichende deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau A 2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

(11) Ausreichende deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

(11a) Gute deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

(12) Die deutsche Sprache beherrscht ein Ausländer, wenn seine Sprachkenntnisse dem Niveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen entsprechen.

(12a) Eine qualifizierte Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn es sich um eine Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf handelt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist.

(12b) Eine qualifizierte Beschäftigung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn zu ihrer Ausübung Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die in einem Studium oder einer qualifizierten Berufsausbildung erworben werden.

(12c) Bildungseinrichtungen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Ausbildungsbetriebe bei einer betrieblichen Berufsaus- oder Weiterbildung,
2.
Schulen, Hochschulen sowie Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung.

(13) International Schutzberechtigter ist ein Ausländer, der internationalen Schutz genießt im Sinne der

1.
Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) oder
2.
Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9).

(14) Soweit Artikel 28 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31), der die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung betrifft, maßgeblich ist, gelten § 62 Absatz 3a für die widerlegliche Vermutung einer Fluchtgefahr im Sinne von Artikel 2 Buchstabe n der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 und § 62 Absatz 3b Nummer 1 bis 5 als objektive Anhaltspunkte für die Annahme einer Fluchtgefahr im Sinne von Artikel 2 Buchstabe n der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 entsprechend; im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 bleibt Artikel 28 Absatz 2 im Übrigen maßgeblich. Ferner kann ein Anhaltspunkt für Fluchtgefahr vorliegen, wenn

1.
der Ausländer einen Mitgliedstaat vor Abschluss eines dort laufenden Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung oder zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz verlassen hat und die Umstände der Feststellung im Bundesgebiet konkret darauf hindeuten, dass er den zuständigen Mitgliedstaat in absehbarer Zeit nicht aufsuchen will,
2.
der Ausländer zuvor mehrfach einen Asylantrag in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 gestellt und den jeweiligen anderen Mitgliedstaat der Asylantragstellung wieder verlassen hat, ohne den Ausgang des dort laufenden Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung oder zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz abzuwarten.
Die für den Antrag auf Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
a)
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 oder 2 besteht,
b)
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Überstellungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
c)
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Überstellungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Überstellungshaft vorzuführen. Auf das Verfahren auf Anordnung von Haft zur Überstellung nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 finden die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend Anwendung, soweit das Verfahren in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 nicht abweichend geregelt ist.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn

1.
die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat oder
2.
der Ausländer gestorben ist, während die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet bestand
und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Aufenthaltserlaubnis des Ausländers nicht verlängert oder dem Ausländer keine Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erteilt werden darf, weil dies durch eine Rechtsnorm wegen des Zwecks des Aufenthalts oder durch eine Nebenbestimmung zur Aufenthaltserlaubnis nach § 8 Abs. 2 ausgeschlossen ist.

(2) Von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ist abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit des Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam ist oder aufgehoben worden ist, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist. Zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes. Zur Vermeidung von Missbrauch kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagt werden, wenn der Ehegatte aus einem von ihm zu vertretenden Grund auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist.

(3) Wenn der Lebensunterhalt des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Unterhaltsleistungen aus eigenen Mitteln des Ausländers gesichert ist und dieser eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, ist dem Ehegatten abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 ebenfalls eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

(4) Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch steht der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis unbeschadet des Absatzes 2 Satz 4 nicht entgegen. Danach kann die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU nicht vorliegen.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen:

1.
a)
die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge;
b)
bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
2.
a)
für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
b)
bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
3.
die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen;
4.
Mehrbedarfe nach § 21 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und nach § 30 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch;
5.
weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
Maßgeblich sind die Beträge, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten. Soweit am Wohnsitz der Partei aufgrund einer Neufestsetzung oder Fortschreibung nach § 29 Absatz 2 bis 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch höhere Regelsätze gelten, sind diese heranzuziehen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gibt bei jeder Neufestsetzung oder jeder Fortschreibung die maßgebenden Beträge nach Satz 3 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 und nach Satz 5 im Bundesgesetzblatt bekannt. Diese Beträge sind, soweit sie nicht volle Euro ergeben, bis zu 0,49 Euro abzurunden und von 0,50 Euro an aufzurunden. Die Unterhaltsfreibeträge nach Satz 3 Nr. 2 vermindern sich um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Person. Wird eine Geldrente gezahlt, so ist sie an Stelle des Freibetrages abzusetzen, soweit dies angemessen ist.

(2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen.

(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.

(1) Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt das Gericht zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Setzt das Gericht nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 mit Rücksicht auf besondere Belastungen von dem Einkommen Beträge ab und ist anzunehmen, dass die Belastungen bis zum Ablauf von vier Jahren ganz oder teilweise entfallen werden, so setzt das Gericht zugleich diejenigen Zahlungen fest, die sich ergeben, wenn die Belastungen nicht oder nur in verringertem Umfang berücksichtigt werden, und bestimmt den Zeitpunkt, von dem an sie zu erbringen sind.

(2) Die Zahlungen sind an die Landeskasse zu leisten, im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof an die Bundeskasse, wenn Prozesskostenhilfe in einem vorherigen Rechtszug nicht bewilligt worden ist.

(3) Das Gericht soll die vorläufige Einstellung der Zahlungen bestimmen,

1.
wenn die Zahlungen der Partei die voraussichtlich entstehenden Kosten decken;
2.
wenn die Partei, ein ihr beigeordneter Rechtsanwalt oder die Bundes- oder Landeskasse die Kosten gegen einen anderen am Verfahren Beteiligten geltend machen kann.

(4) (weggefallen)

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet.

(2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

(3) Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.

(5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.