Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 25. Nov. 2015 - L 11 AS 723/13

bei uns veröffentlicht am25.11.2015

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Gründe

Hauptschlagwort: Arbeitslosengeld II Aufhebung der Leistungsbewilligung Darlehenskündigung Darlehenszinsen Eigenheim grobe Fahrlässigkeit Kosten der Unterkunft und Heizung Rücknahme der Leistungsbewilligung

Titel:

Normenkette:

Leitsatz:

in dem Rechtsstreit

1. A., A-Straße, A-Stadt

- Kläger und Berufungskläger -

2. A., A-Straße, A-Stadt

- Klägerin und Berufungsklägerin -

3. A., A-Straße, A-Stadt

vertreten durch ... und A., A-Straße, A-Stadt

- Klägerin und Berufungsklägerin -

Proz.-Bev.: zu 1-3: Rechtsanwalt B., B-Straße, B-Stadt - -

gegen

Jobcenter SGB II W.-G.,

vertreten durch den Geschäftsführer, Sch-gasse ..., W. - -

- Beklagter und Berufungsbeklagter -

Der 11. Senat des Bayer. Landessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung in Schweinfurt

am 25. November 2015

durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialgericht Pawlick, den Richter am Bayer. Landessozialgericht Strnischa und den Richter am Bayer. Landessozialgericht Utz sowie die ehrenamtlichen Richter M. und H.

für Recht erkannt:

I.

Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.07.2013 wird abgeändert.

1. Der Bescheid des Beklagten vom 10.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2009 (W68/09) wird teilweise aufgehoben, soweit der Beklagte die Leistungsbewilligungen

a) gegenüber dem Kläger zu 1. für die Zeit vom 01.03.2005 bis 30.09.2005 und

für den Monat

im Umfang von

November 2005

16,12 €

Februar 2006

22,28 €

Mai 2006

13,55 €

August 2006

26,87 €

November 2006

20,71 €

Februar 2007

40,61 €

Mai 2007

29,50 €

August 2007

28,23 €

November 2007

30,08 €

Januar 2008

13,96 €

aufgehoben bzw. zurückgenommen und insoweit die Erstattung von 920,10 € gefordert hat.

b) gegenüber der Klägerin zu 3. für die Zeit vom 01.03.2005 bis 30.09.2005 und

für den Monat

im Umfang von

November 2005

16,13 €

Februar 2006

20,73 €

Mai 2006

12,31 €

August 2006

26,82 €

November 2006

10,29 €

Februar 2007

36,02 €

Mai 2007

23,57 €

August 2007

59,09 €

November 2007

20,87 €

aufgehoben bzw. zurückgenommen und insoweit die Erstattung von 843,97 € gefordert hat.

2. Der Bescheid des Beklagten vom 10.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2009 (W69/09) wird teilweise aufgehoben, soweit der Beklagte die Leistungsbewilligungen gegenüber der Klägerin zu 2. für die Zeit vom 01.03.2005 bis 30.09.2005 und

für den Monat

im Umfang von

November 2005

16,13 €

Februar 2006

22,29 €

Mai 2006

13,56 €

August 2006

26,88 €

November 2006

20,71 €

Februar 2007

40,61 €

Mai 2007

29,50 €

August 2007

21,27 €

November 2007

30,08 €

Januar 2008

13,96 €

aufgehoben bzw. zurückgenommen und insoweit die Erstattung von 913,13 € gefordert hat.

3. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II.

Der Beklagte hat den Klägern 2/5 ihrer außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die teilweise Aufhebung und Rückforderung bewilligter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Bezug auf Unterkunftskosten für die Zeit vom 01.03.2005 bis 31.01.2008.

Der Kläger zu 1. (geb. 1960) bezog als selbstständiger Steinbildhauer zusammen mit seiner Ehefrau (Klägerin zu 2.; geb. 1965) und den beiden Töchtern, B. (Klägerin zu 3.; geb. 1996) und K. (geb. 1988), Alg II bzw. Sozialgeld vom Beklagten. Bei Antragstellung gaben die Kläger an, monatlich Schuldzinsen für das von ihnen bewohnte Eigenheim i. H. v. 858,22 € - die ursprüngliche Angabe von 1.117,91 € war durchgestrichen worden - zahlen zu müssen. Dem lagen nach einer Kontenübersicht der D. Bank AG (D.) vom 04.02.2005 zwei Darlehensverträge mit einem Saldo von 92.033 € und 81.806,70 € zugrunde, deren Tilgung bis 01.05.2020 bzw. 29.04.2008 ausgesetzt und für die ein Zinssatz von 5,9% bzw. 5,85% bis 29.04.2008 bzw. 29.04.2013 festgeschrieben war. Nach einem Kontoauszug wurden am 31.01.2005 hierfür vom Girokonto des Klägers zu 1. Beträge i. H. v. 454,30 € bzw. 403,92 € als Zinsabschläge abgebucht. An Nebenkosten wurden monatlich 211,65 € angegeben, die mit grünem Stift auf 76,55 € abgeändert worden sind. In den Folgeanträgen vom 08.07.2005, 09.01.2006, 28.06.2006, 07.09.2006, 05.01.2007, 19.06.2007 und 02.01.2008 gaben die Kläger an, Änderungen seien nicht eingetreten. Dabei wurden auch Kontoauszüge vorgelegt.

Der Beklagte bewilligte daraufhin den Klägern Alg II bzw. Sozialgeld ab 03.02.2005 (der Tochter K. bis 12.02.2006 und im August 2006) unter Berücksichtigung monatlicher Bedarfe für Unterkunftskosten (Mietobergrenze i. H. v. 423 € bzw. ab 01.12.2006 i. H. v. 366 €) und für Heizung (pauschal i. H. v. 54,17 € bzw. ab 01.12.2006 bis 31.08.2007 i. H. v. 75 €) wie folgt:

Zeitraum 03.02.2005 bis 31.07.2005: Bescheid vom 15.02.2005 i. d. F. der Änderungsbescheide vom 14.06.2005 (07/2005), 12.07.2005 (06/2005), 19.07.2005 (06-07/2005) und 28.07.2005 (02-06/2005) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2006:

Monat

Regelleist.

Kl. zu 1.

KdU

Kl. zu 1.

Regelleist.

Kl. zu 2.

KdU

Kl. zu 2.

Regelleist.

Kl. zu 3.

KdU

Kl. zu 3.

02/2005

296,53 €

103,38 €

269,53 €

103,39 €

45,93 €

103,39 €

03/2005

311,00 €

119,30 €

311,00 €

119,29 €

53,00 €

119,29 €

04/2005

311,00 €

119,30 €

311,00 €

119,29 €

53,00 €

119,29 €

05/2005

311,00 €

119,30 €

311,00 €

119,29 €

53,00 €

119,29 €

06/2005

311,00 €

119,30 €

311,00 €

119,29 €

53,00 €

119,29 €

07/2005

311,00 €

119,30 €

311,00 €

119,29 €

53,00 €

119,29 €

Zeitraum 01.08.2005 bis 31.01.2006: Bescheid vom 11.07.2005 i. d. F. des Änderungsbescheides vom 12.08.2005 (09/2005-01/2006) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2005 i. d. F. der Änderungsbescheide vom 14.10.2005 (09-01/2006) und 30.03.2006 (vorläufig 01/2006):

Monat

Regelleist.

Kl. zu 1.

KdU

Kl. zu 1.

Regelleist.

Kl. zu 2.

KdU

Kl. zu 2.

Regelleist.

Kl. zu 3.

KdU

Kl. zu 3.

08/2005

311,00 €

119,30 €

311,00 €

119,29 €

53,00 €

119,29 €

09/2005

311,00 €

119,30 €

311,00 €

119,29 €

53,00 €

119,29 €

10/2005

311,00 €

119,30 €

311,00 €

119,29 €

53,00 €

119,29 €

11/2005

311,00 €

119,30 €

311,00 €

119,29 €

53,00 €

119,29 €

12/2005

311,00 €

119,30 €

311,00 €

119,29 €

53,00 €

119,29 €

01/2006

305,50 €

119,30 €

305,51 €

119,29 €

50,80 €

119,29 €

Dabei wurden ab Oktober 2005 - wie auch bereits in der Zeit zuvor - bei der Bedarfsgemeinschaft folgende Einkünfte (beim Kläger zu 1. Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit und bei der Klägerin zu 3. Kindergeld; Beträge berücksichtigen bereits etwaige Versicherungs- und Werbungskostenpauschalen sowie Erwerbstätigenfreibeträge) angerechnet:

Monat

anzurechnendes Einkommen des Kl. zu 1.

anzurechnendes Einkommen der Kl. zu 2.

anzurechnendes Einkommen der Kl. zu 3.

10/2005

0,00 €

0,00 €

154,00 €

11/2005

0,00 €

0,00 €

154,00 €

12/2005

0,00 €

0,00 €

154,00 €

01/2006

14,51 €

0,00 €

154,00 €

Für Januar 2006 wurden nach einem Vergleich vom 09.08.2007 vor dem Bayer. Landessozialgericht (LSG) im Verfahren L 11 AS 313/06 weitere 650 € gezahlt.

Zeitraum 01.02.2006 bis 31.07.2006: (vorläufiger) Bescheid vom 10.01.2006 i. d. F. des Änderungsbescheides vom 30.03.2006 (vorläufig 02-07/2006) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2006 i. d. F. der Änderungsbescheide vom 26.06.2006 (03-05/2006), 06.07.2006 (06/2006) und 08.09.2006 (07/2006):

Monat

Regelleist.

Kl. zu 1.

KdU

Kl. zu 1.

Regelleist.

Kl. zu 2.

KdU

Kl. zu 2.

Regelleist.

Kl. zu 3.

KdU

Kl. zu 3.

02/2006

283,33 €

119,30 €

283,33 €

119,29 €

41,92 €

119,29 €

03/2006

278,81 €

119,30 €

278,81 €

119,29 €

40,11 €

119,29 €

04/2006

247,00 €

119,30 €

247,00 €

119,29 €

27,38 €

119,29 €

05/2006

276,82€

119,30 €

276,82 €

119,29 €

39,31 €

119,29 €

06/2006

237,68 €

119,30 €

237,69 €

119,29 €

23,65 €

119,29 €

07/2006

235,69 €

119,30 €

235,70 €

119,29 €

22,85 €

119,29 €

Dabei wurden bei der Bedarfsgemeinschaft folgende Einkünfte (beim Kläger zu 1. Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit und bei der Klägerin zu 3. Kindergeld; Beträge berücksichtigen bereits etwaige Versicherungs- und Werbungskostenpauschalen sowie Erwerbstätigenfreibeträge) angerechnet:

Monat

anzurechnendes Einkommen des Kl. zu 1.

anzurechnendes Einkommen der Kl. zu 2.

anzurechnendes Einkommen der Kl. zu 3.

02/2006

70,57 €

0,00 €

154,00 €

03/2006

77,27 €

0,00 €

154,00 €

04/2006

153,62 €

0,00 €

154,00 €

05/2006

82,05 €

0,00 €

154,00 €

06/2006

175,98 €

0,00 €

154,00 €

07/2006

180,76 €

0,00 €

154,00 €

Zeitraum 01.08.2006 bis 31.01.2007: (vorläufiger) Bescheid vom 07.07.2006 i. d. F. der Änderungsbescheide vom 08.09.2006 (08/2006), 06.10.2006 (09/2006), 21.11.2006 (10/2006), 19.12.2006 (11/2006), 01.02.2007 (12/2006) und 07.03.2007 (01/2007):

Monat

Regelleist.

Kl. zu 1.

KdU

Kl. zu 1.

Regelleist.

Kl. zu 2.

KdU

Kl. zu 2.

Regelleist.

Kl. zu 3.

KdU

Kl. zu 3.

08/2006

308,56 €

119,30 €

308,56 €

119,29 €

52,02 €

119,29 €

09/2006

267,53 €

140,05 €

267,53 €

140,06 €

34,40 €

140,06 €

10/2006

241,66 €

140,05 €

241,66 €

140,06 €

23,32 €

140,06 €

11/2006

91,82 €

140,05 €

91,81 €

140,06 €

0,00 €

99,24 €

12/2006

130,22 €

147,00 €

130,22 €

147,00 €

0,00 €

121,06 €

01/2007

242,95 €

147,00 €

242,94 €

147,00 €

23,28 €

147,00 €

Dabei wurden bei der Bedarfsgemeinschaft folgende Einkünfte (beim Kläger zu 1. Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, bei der Klägerin zu 2. Einkommen aus unselbstständiger Tätigkeit und bei der Klägerin zu 3. Kindergeld; Beträge berücksichtigen bereits etwaige Versicherungs- und Werbungskostenpauschalen sowie Erwerbstätigenfreibeträge) angerechnet:

Monat

anzurechnendes Einkommen des Kl. zu 1.

anzurechnendes Einkommen der Kl. zu 2.

anzurechnendes Einkommen der Kl. zu 3.

08/2006

6,78 €

0,00 €

154,00 €

09/2006

57,54 €

48,00 €

154,00 €

10/2006

120,36 €

48,00 €

154,00 €

11/2006

484,19 €

48,00 €

154,00 €

12/2006

392,50 €

48,00 €

154,00 €

01/2007

117,83 €

48,00 €

154,00 €

Wegen des Auszuges der Tochter K. wurden die gewährten Kosten der Unterkunft und Heizung bei den Klägern ab dem 01.09.2006 jeweils mit einem Drittel angesetzt.

Zeitraum 01.02.2007 bis 31.07.2007: (vorläufiger) Bescheid vom 01.02.2007 i. d. F. der Änderungsbescheide vom 22.03.2007 (02/2007), 25.04.2007 (03/2007), 04.06.2007 (04/2007), 05.07.2007 (05/2007), 27.07.2007 (06/2007) und 24.08.2007 (07/2007):

Monat

Regelleist.

Kl. zu 1.

KdU

Kl. zu 1.

Regelleist.

Kl. zu 2.

KdU

Kl. zu 2.

Regelleist.

Kl. zu 3.

KdU

Kl. zu 3.

02/2007

258,65 €

147,00 €

258,65 €

147,00 €

30,14 €

147,00 €

03/2007

203,96 €

147,00 €

203,96 €

147,00 €

6,26 €

147,00 €

04/2007

288,92 €

147,00 €

288,91 €

147,00 €

43,35 €

147,00 €

05/2007

221,17 €

147,00 €

221,17 €

147,00 €

13,77 €

147,00 €

06/2007

282,62 €

147,00 €

282,62 €

147,00 €

40,61 €

147,00 €

07/2007

231,48 €

147,00 €

231,48 €

147,00 €

18,74 €

147,00 €

Dabei wurden bei der Bedarfsgemeinschaft folgende Einkünfte (beim Kläger zu 1. Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, bei der Klägerin zu 2. Einkommen aus unselbstständiger Tätigkeit und bei der Klägerin zu 3. Kindergeld; Beträge berücksichtigen bereits etwaige Versicherungs- und Werbungskostenpauschalen sowie Erwerbstätigenfreibeträge) angerechnet:

Monat

anzurechnendes Einkommen des Kl. zu 1.

anzurechnendes Einkommen der Kl. zu 2.

anzurechnendes Einkommen der Kl. zu 3.

02/2007

79,56 €

48,00 €

154,00 €

03/2007

212,82 €

48,00 €

154,00 €

04/2007

5,82 €

48,00 €

154,00 €

05/2007

170,89 €

48,00 €

154,00 €

06/2007

21,15 €

48,00 €

154,00 €

07/2007

148,30 €

48,00 €

154,00 €

Zeitraum 01.08.2007 bis 31.01.2008: (vorläufiger) Bescheid vom 27.07.2007 i. d. F. der Änderungsbescheide vom 23.08.2007 (vorläufig 09/2007 bis 01/2008), 21.09.2007 (08/2007), 26.10.2007 (09/2007), 03.12.2007 (10/2007), 10.12.2007 (11/2007), 10.12.2007 (08/2007) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2007 i. d. F. der Änderungsbescheide vom 14.01.2008 (12/2007) und 25.02.2008 (01/2008):

Monat

Regelleist.

Kl. zu 1.

KdU

Kl. zu 1.

Regelleist.

Kl. zu 2.

KdU

Kl. zu 2.

Regelleist.

Kl. zu 3.

KdU

Kl. zu 3.

08/2007

146,94 €

78,40 €

258,31 €

147,00 €

30,49 €

147,00 €

09/2007

195,47 €

141,00 €

195,47 €

141,00 €

3,84 €

141,00 €

10/2007

238,35 €

141,00 €

238,34 €

141,00 €

22,29 €

141,00 €

11/2007

106,36 €

141,00 €

200,36 €

141,00 €

5,94 €

141,00 €

12/2007

86,80 €

141,00 €

180,80 €

141,00 €

0,00 €

138,52 €

01/2008

112,61 €

141,00 €

206,60 €

141,00 €

8,63 €

141,00 €

Dabei wurden bei der Bedarfsgemeinschaft folgende Einkünfte (beim Kläger zu 1. Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, bei der Klägerin zu 2. Einkommen aus unselbstständiger Tätigkeit und bei der Klägerin zu 3. Kindergeld; Beträge berücksichtigen bereits etwaige Versicherungs- und Werbungskostenpauschalen sowie Erwerbstätigenfreibeträge) angerechnet:

Monat

anzurechnendes Einkommen des Kl. zu 1.

anzurechnendes Einkommen der Kl. zu 2.

anzurechnendes Einkommen der Kl. zu 3.

08/2007

59,06 €

48,00 €

154,00 €

09/2007

235,22 €

48,00 €

154,00 €

10/2007

131,02 €

48,00 €

154,00 €

11/2007

223,34 €

48,00 €

154,00 €

12/2007

270,88 €

48,00 €

154,00 €

01/2008

208,16 €

48,00 €

154,00 €

Wegen einer Ortsabwesenheit des Klägers zu 1. vom 11.08.2007 bis 24.08.2007 bewilligte ihm der Beklagte für diesen Zeitraum keine Leistungen. Insofern wurden Bedarfe und anzurechnendes Einkommen des Klägers zu 1. anteilig nur für die Zeit vom 01.08.2007 bis 10.08.2007 und vom 25.08.2007 bis 31.08.2007 berücksichtigt. Ohne (erkennbaren) schriftlichen Verwaltungsakte zahlte der Beklagte den Klägern für August 2007 weitere 4,90 € als „einmalige Leistungen“, die auf den Kläger zu 1. mit 1,64 € und auf die Klägerinnen zu 2. und 3. jeweils mit 1,63 € verteilt wurden, aus, weil die Datenverarbeitung die Unterkunftskosten (wohl des Klägers zu 1.) mit einem Tag zu wenig gerechnet habe. Beim Kläger zu 1. wurde für die Zeit vom 01.11.2007 bis 31.01.2008 die Absenkung der Regelleistung i. H. v. 94 € monatlich wegen des Sanktionsbescheides vom 26.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2007 berücksichtigt.

Für Januar 2008 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 15.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2008 - unter Berücksichtigung eines Abzugs für den Warmwasseranteil - eine einmalige Heizungsbeihilfe i. H. v. 920,64 €. Der Betrag ergebe sich aus einem anzuerkennenden Bedarf i. H. v. 2.000 Liter Heizöl im Jahr, wofür 1.391,40 € aufzuwenden seien. In der Zeit vom Februar 2006 bis November 2006 seien bereits monatlich 54,17 € und vom Dezember 2006 bis August 2007 monatlich 75 € geleistet worden. Unter Berücksichtigung des Heizölkaufs vom 08.09.2006 für 630 €, des Kaufs von Brennholz am 04.04.2007 für 90 € und von Briketts im Dezember 2007 für 25,94 € verbleibe aus den bereits gewährten Heizkosten noch ein Betrag von 470,76 €, der entsprechend anzurechnen sei. Nach Vorlage der Heizölrechnung vom 16.01.2008 über 1.392,80 € zahlte der Beklagte antragsgemäß dann einen Betrag von 922,04 € (1.392,80 € - 470,76 €) an den Heizöllieferanten.

Am 10.03.2008 teilte die Klägerin zu 2. dem Beklagten - ausweislich eines von ihm gefertigten Aktenvermerks - fernmündlich mit, es würden im Zusammenhang mit dem Privat-Insolvenzverfahren bereits seit längerem keine Darlehenszinsen mehr für das Wohneigentum gezahlt. Lediglich die Kosten für die Wohngebäudeversicherung i. H. v. monatlich 21,72 € und Kosten für Wasser, Kanal, Müll und Grundsteuer fielen noch an. Nach Auskunft der Gemeinde P. zahlten die Kläger diesbezüglich für Wasser vierteljährlich 28 € (monatlich 9,33 €), Kanal vierteljährlich 72 € (monatlich 24 €), Grundsteuer vierteljährlich 25 € (monatlich 8,33 €) und Müll halbjährlich 53,64 € (monatlich 8,94 €).

Auf entsprechende Nachfrage des Beklagten teilte die Klägerin zu 2. am 18.03.2008 mit, eine Schuldzinszahlung sei letztmalig zum 01.02.2005 erfolgt. Mit Schreiben vom 31.07.2008 hörte der Beklagte zur beabsichtigten Aufhebung und Rückforderung der als Kosten der Unterkunft gewährten Schuldzinsen an. Die Kläger teilten hierzu mit, sie hätten die Unterkunftskosten in pauschalierter Form erhalten. Zahlungen für Schuldzinsen hätten sie nicht bekommen.

Mit Bescheid vom 10.03.2009 hob der Beklagte gegenüber den Klägern zu 1. und 3. sowie der Tochter K. die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.03.2005 bis 31.01.2008 teilweise auf und forderte vom Kläger zu 1. die Erstattung von insgesamt 3.415,05 € (Regelleistung 236,72 € und Leistungen für Unterkunft und Heizung 3.178,33 €), von der Klägerin zu 3. die Erstattung von 3.000,73 € und von der Tochter K. die Erstattung von 875,75 €. Hinsichtlich der Kinder ergehe der Bescheid an den Kläger zu 1. als gesetzlicher Vertreter. Im Hinblick auf den Umstand, dass die Schuldzinsen nicht mehr gezahlt worden seien, sei die Mitteilungsverpflichtung diesbezüglich zumindest grob fahrlässig verletzt worden. Unterkunftskosten könnten nur in Höhe der tatsächlich nachgewiesenen Kosten von 82,81 € monatlich berücksichtigt werden. Leistungen für eine Erhaltungspauschale oder selbst ausgeführte Arbeiten seien nicht zu zahlen. In gleicher Weise hob der Beklagte mit weiterem Bescheid vom 10.03.2009 auch gegenüber der Klägerin zu 2. die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.03.2005 bis 31.01.2008 teilweise auf und forderte von ihr die Erstattung von 3.460,65 €.

Dagegen legten die Kläger Widerspruch ein. Für die Aufhebung der Leistungsbewilligungen sei die Jahresfrist nicht beachtet worden. Der Beklagte habe bereits seit 10.03.2008 Kenntnis von der fehlenden Zinszahlung gehabt. Den Bewilligungsbescheiden sei nicht zu entnehmen gewesen, dass darin ein Zinsanteil enthalten gewesen sein soll. Es seien nicht alle Unterkunfts- und Heizkosten übernommen worden. Man habe auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut und die Leistungen zweckbestimmt verbraucht. Aus den vorgelegten Kontoauszügen habe der Beklagte entnehmen können, dass keine Zinsen mehr bezahlt worden seien. Schließlich sei die Rückforderung einer Regelleistungsüberzahlung beim Kläger zu 1. nicht nachvollziehbar.

Die Widersprüche der Kläger wies der Beklagte mit den Widerspruchsbescheiden vom 26.06.2009 (W68/09 bzgl. den Klägern zu 1. und 3. sowie der Tochter K.; W69/09 bzgl. der Klägerin zu 2.) zurück. Mit den angefochtenen Bescheiden seien die Bewilligungsentscheidungen im Zeitraum vom 01.03.2005 bis 31.01.2008 in folgendem Umfang teilweise aufgehoben und die gewährten Leistungen zurückgefordert worden:

Monat

Kläger zu 1.

Klägerin zu 2.

Klägerin zu 3.

03/2005

101,47 €

101,46 €

89,46 €

04/2005

101,47 €

101,46 €

89,46 €

05/2005

101,47 €

101,46 €

89,46 €

06/2005

101,47 €

101,46 €

89,46 €

07/2005

101,47 €

101,46 €

89,46 €

08/2005

85,42 €

85,42 €

85,42 €

09/2005

85,42 €

85,42 €

85,42 €

10/2005

85,42 €

85,42 €

85,42 €

11/2005

85,42 €

85,42 €

85,42 €

12/2005

85,42 €

85,42 €

85,42 €

01/2006

86,21 €

86,23 €

84,81 €

02/2006

87,91 €

87,91 €

81,94 €

03/2006

87,55 €

87,55 €

81,17 €

04/2006

89,64 €

89,65 €

76,98 €

05/2006

87,67 €

87,68 €

80,91 €

06/2006

90,25 €

90,26 €

75,75 €

07/2006

90,38 €

90,39 €

75,49 €

08/2006

85,73 €

85,72 €

85,13 €

09/2006

97,81 €

97,80 €

89,07 €

10/2006

99,54 €

99,54 €

85,60 €

11/2006

109,58 €

109,57 €

65,53 €

12/2006

106,52 €

106,51 €

71,65 €

01/2007

99,28 €

99,26 €

86,14 €

02/2007

98,26 €

98,26 €

88,16 €

03/2007

101,78 €

101,77 €

81,13 €

04/2007

96,33 €

96,31 €

92,04 €

05/2007

100,67 €

100,67 €

83,34 €

06/2007

96,73 €

96,71 €

91,24 €

07/2007

100,04 €

100,04 €

84,60 €

08/2007

53,21 €

98,97 €

88,21 €

09/2007

123,85 €

123,85 €

93,98 €

10/2007

120,20 €

120,18 €

101,30 €

11/2007

123,44 €

123,43 €

94,81 €

12/2007

125,11 €

125,10 €

91,47 €

01/2008

122,91 €

122,89 €

95,88 €

Summe:

3.415,05 €

3.460,65 €

3.000,73 €

Es hätten nur die tatsächlich entstandenen Nebenkosten i. H. v. monatlich 81,32 € (21,72 € Wohngebäudeversicherung, 9,33 € Wasser, Kanal 24 €, Grundsteuer 8,33 €, Müll 8,94 € und Kaminkehrer 9,05 €) berücksichtigt werden können. Die Aufhebung vom 01.03.2005 bis 31.07.2005 folge aus § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und für die Zeit vom 01.08.2005 bis 31.01.2008 aus § 45 SGB X. Da man erst mit dem Fax vom 18.03.2008 Kenntnis davon erlangt habe, dass tatsächlich bereits seit März 2005 keine Schuldzinsen mehr geleistet worden seien, sei die Jahresfrist für die Aufhebung gewahrt.

Dagegen haben die Kläger und die Tochter K. Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Den Klageanspruch der Tochter K. hat der Beklagte anerkannt und den Bescheid vom 10.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.06.2009 (teilweise) aufgehoben. Mit Urteil vom 05.07.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Entgegen der in den Leistungsanträgen gemachten Angaben seien von den Klägern ab März 2005 keine Schuldzinsen auf das Immobiliendarlehen gezahlt worden, so dass an zu berücksichtigenden Unterkunftskosten nur monatliche Nebenkosten i. H. v. 81,32 € neben den in tatsächlicher Höhe bereits gewährten Heizkosten angefallen seien. Dies sei von den Klägern pflichtwidrig nicht mitgeteilt worden und dem Beklagten erst am 10.03.2008 bekannt geworden. Den Klägern hätte auch aus dem Bescheid vom 15.02.2005 und durch einfachste Überlegungen erkennen können, dass im Rahmen der Unterkunftskosten die im Erstantrag geltend gemachten Schuldzinsen bei der Leistungsgewährung berücksichtigt worden seien. Die vorgelegten Kontoauszüge änderten nichts an der groben Fahrlässigkeit der Kläger, da der Beklagte nicht von sich aus verpflichtet sei, die Kontoauszüge danach zu durchforsten, ob Änderungen in den Verhältnissen eingetreten seien. Auch sei den Klägern die Fehlerhaftigkeit der Leistungsbewilligung erkennbar gewesen. Die Angabe, man sei von Pauschalen bei der Gewährung der Unterkunftskosten ausgegangen, stelle eine bloße Schutzbehauptung dar. Die Jahresfrist für die Aufhebung der Leistungsbewilligung sei gewahrt worden. Diese habe erst nach Eingang der Stellungnahme der Kläger im Rahmen der Anhörung zu laufen begonnen.

Dagegen haben die Kläger Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Aufgrund der vorgelegten Kontoauszüge und dem laufenden Insolvenzverfahren seien die Kläger davon ausgegangen, dass dem Beklagten bekannt gewesen sei, dass eine Schuldzinszahlung nicht mehr erfolgt sei. Es bestehe auch eine umfassende Beratungspflicht. Es sei fraglich, ob die Jahresfrist bereits vor dem März 2008 begonnen habe. Ein Verschulden der Kläger zu 1. und 2. sei nicht automatisch der Klägerin zu 3. zuzurechnen. Die Schuldzinsen seien fällig und nicht gestundet gewesen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.07.2013 und die Bescheide des Beklagten vom 10.03.2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.06.2009 (W68/09 und W69/09) auch in Bezug auf die Kläger aufzuheben

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Für den Beginn der Jahresfrist genüge nicht ein Kennenkönnen oder ein bloßer Verdacht. Es sei die Kenntnis aller für die Rücknahme relevanten Einzelheiten notwendig. Fristbeginn sei damit erst der Eingang der Stellungnahme zur Anhörung am 18.03.2009. Die bloße Vorlage von Kontoauszügen stelle keine Erklärung dar. Eine Auskunfts- oder Beratungspflicht sei nicht verletzt worden, da eine solche erst entstehe, wenn der Leistungsberechtigte sich mit einem Auskunfts- oder Beratungsbegehren an den Leistungsträger wende. Eine tatsächliche Zahlung der Zinsen sei Anspruchsvorrausetzung, da - anders als bei einem Mietverhältnis, bei dem die Hauptleistungspflicht die Miete sei - bei einem Darlehen die Tilgung Hauptleistungspflicht sei, die Tilgungsaufwendungen aber nicht zu übernehmen seien.

Nach dem von den Klägern vorgelegten Schreiben der D. Bank und der vom Senat eingeholten Auskünfte der C. Bank sei 2005 eine Restrukturierung des Kreditmanagements des Klägers zu 1 gescheitert. Zinsen seien seit 31.03.2005 nicht mehr gezahlt worden. Darauf habe die Bank das Kreditverhältnis mit Schreiben vom 07.09.2005 gekündigt und den Kläger zu 1. zum Ausgleich von 175.238,20 € bis zum 15.10.2005 aufgefordert. Ab dem 15.10.2005 seien die fälligen Salden mit Verzugszinsen i. H. v. 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank verzinst worden. Zahlungen seien von den Klägern nach Fälligstellung der Forderungen nicht mehr erbracht worden.

Ausweislich der von den Klägern im Berufungsverfahren vorgelegten Rechnungen und Bescheide bezüglich der Hausnebenkosten - die Rechnungen über die Kehrgebühren vom 05.01.2007 und 04.10.2007 befinden sich im Verwaltungsakt des Beklagten - ergibt sich im Hinblick auf die Immobilienversicherung ab Mai 2005 eine monatliche Belastung i. H. v. 19,68 €, ab Mai 2006 i. H. v. 21,01 € und ab Mai 2007 i. H. v. 21,72 € (jeweilige Beitragsrechnungen der Allianz ohne Datum). Für Wasser und Kanal wurde für November 2005 eine Rate i. H. v. 100 €, für Februar 2006 i. H. v. 70,20 €, für Mai, August und November 2006 i. H. v. je 88 €, für Februar 2007 i. H. v. 98,71 € und für Mai 2007, August 2007 und November 2007 i. H. v. 116 € festgesetzt (Abrechnungen der Gemeinde P. vom 10.01.2005, 10.01.2006, 10.01.2007 und 17.04.2007). Für die Abfallbeseitigung wurden für Februar 2006, August 2006, Februar 2007 und August 2007 jeweils Gebühren i. H. v. 53,64 € festgesetzt (Bescheide der Gemeinde P. vom 13.04.2005 und 03.01.2006). Gemäß dem Abgabenbescheid der Gemeinde P. vom 07.01.2002 wurde ab 15.05.2002 die Grundsteuer vierteljährlich auf 25 € festgesetzt. Der Bezirksschornsteinfegemeister G. stellte Kehrgebühren i. H. v. je 52,43 € im Oktober 2005, Januar 2006 und Oktober 2006, i. H. v. 53,79 € im Januar 2007 sowie i. H. v. je 54,30 € im Oktober 2007 und Januar 2008 in Rechnung (Schreiben vom 06.10.2005, 05.01.2006, 06.10.2006, 05.01.2007, 04.10.2007 und 04.01.2008).

Nach der von der Klägerin zu 3. vorgelegten Kontobestätigung der Sparkasse B-Stadt vom 23.10.2015 habe sie am 15.02.2014 auf zwei Konten über ein Guthaben von insgesamt 2.412,06 € (1.435,42 € und 976,64 €) und nach den Kontoumsätzen der LBS über ein dortiges Guthaben i. H. v. 1.877,58 € zum 27.10.2015 verfügt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und in dem vom Tenor beschriebenen Umfang auch begründet. Insoweit hat das SG die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Bescheide vom 10.03.2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.06.2009 sind diesbezüglich rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Im Übrigen sind die angefochtenen Bescheide aber rechtmäßig.

Streitgegenstand sind vorliegend noch die Bescheide vom 10.03.2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.06.2009, soweit der Beklagte damit die Leistungsbewilligung gegenüber den Klägern für die Zeit vom 01.03.2005 bis 31.01.2008 teilweise aufgehoben bzw. zurückgenommen und die Erstattung von Leistungen (3.415,05 € vom Kläger zu 1., 3.460,65 € von der Klägerin zu 2. und 3.000,73 € von der Klägerin zu 3.) fordert. Dagegen wenden sich die Kläger zutreffend mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 und 2 SGG).

Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. So wurde zwar nachweislich nur der Kläger zu 1. ordnungsgemäß nach § 24 SGB X vor deren Erlass angehört. Jedenfalls ist aber eine unzureichende Anhörung mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens - dort haben die Kläger zu 1. und 2. für sich und auch als gesetzliche Vertreter der Klägerin zu 3. gemeinsam vorgetragen - geheilt worden, da Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Dies haben die Kläger auch getan (vgl. zur Heilung einer fehlenden Anhörung im Widerspruchsverfahren: BSG, Urteil vom 29.04.2015 - B 14 AS 10/14 R - juris; Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 196/11 R - juris; Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr. 3).

Die Bescheide des Beklagten vom 10.03.2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.06.2009 sind hinreichend bestimmt. Die teilweise Aufhebung bzw. Rücknahme wird ausdrücklich sowohl im Hinblick auf die Leistungsbewilligungen an den Kläger zu 1. und die Klägerin zu 3. einerseits und die Klägerin zu 2. andererseits erklärt. Insofern war die Adressierung des die Kläger zu 1. und 3. (sowie die Tochter K.) betreffenden Bescheides alleine an den Kläger zu 1. unschädlich. Maßgeblich für die entsprechende Auslegung des Bescheides hinsichtlich dessen Adressaten ist dabei, wie der Empfänger selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt des angefochtenen Bescheides unter Berücksichtigung von Treu und Glauben diesen verstehen muss (vgl. BSG, Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr. 7). Vorliegend hat der Beklagte im Bescheid selbst ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieser an den Kläger zu 1. zugleich an ihn als gesetzlichen Vertreter der Klägerin zu 3. und der Tochter K. ergeht und die teilweise Aufhebung bzw. Rücknahme gegenüber allen Klägern erklärt.

Die teilweise Aufhebung der Bewilligungsentscheidung im Bescheid vom 15.02.2005 i. d. F. der Änderungsbescheide vom 14.06.2005, 12.07.2005, 19.07.2005 und 28.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2006 für die Zeit vom 01.03.2005 bis 31.07.2005 und im Bescheid vom 11.07.2005 i. d. F. des Änderungsbescheides vom 12.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2005 i. d. F. des Änderungsbescheides vom 14.10.2005 für die Zeit vom 01.08.2005 bis 31.09.2005 erfolgte rechtswidrig.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X i. V. m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II (i. d. F. des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistung am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 - BGBl I 2954), § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) setzt die Aufhebung eines Verwaltungsaktes voraus, dass in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Für eine Rücknahme nach § 45 SGB X i. V. m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, § 330 Abs. 2 SGB III bedarf es eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes.

In Bezug auf die oben genannten Bescheide ist für die Zeit vom 01.03.2005 bis 30.09.2005 durch die Nichtzahlung der Darlehenszinsen weder eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten, noch war die Leistungsbewilligung rechtswidrig. Die Immobilien-Darlehen in Bezug auf das von den Klägern bewohnte Hausgrundstück wurden von der finanzierenden Bank erst mit Schreiben vom 07.09.2005 gekündigt, so dass in den Monaten von März bis September 2009 noch eine Zinsforderung der Bank aus den Darlehensverträgen bestanden hat. Der Leistungsanspruch der Kläger bestand in dieser Zeit unverändert fort.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.2003 bzw. des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.04.2007 (BGBl I 554) erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet bzw. die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.2003). Nach § 9 Abs. 1 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.2003 ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigen Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Diese Voraussetzungen erfüllen die Kläger. Sie haben in der Zeit vom 01.03.2005 bis 30.09.2005 keinen geringeren Leistungsanspruch als ihn der Beklagte in den Leistungsbescheiden berücksichtigt hat. Die Nichtzahlung der Darlehenszinsen ab 31.03.2005 ändert hieran nichts.

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.2003). Bei - wie hier - selbst genutzten Hausgrundstücken zählen zu den genannten Aufwendungen solche, die tatsächlich und untrennbar mit der Nutzung des Hausgrundstücks verbunden sind, z. B. laufende Betriebskosten oder aufzuwendende Schuldzinsen (vgl. dazu im Einzelnen: Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 56-57 m. w. N.). Die Kläger waren zur Schuldzinszahlung an die finanzierende Bank verpflichtet. Die Nichtzahlung hat dann auch zur Kündigung der Darlehensverträge und schließlich zur Zwangsversteigerung geführt. Hieraus folgt die untrennbare Verbindung mit der Nutzung des Hausgrundstücks.

Aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ergibt sich, dass nur solche Bedarfe zu berücksichtigen sind, die dem Leistungsberechtigten tatsächlich entstanden sind und für deren Deckung ein Bedarf besteht. „Tatsächliche Aufwendungen“ für eine Unterkunft liegen jedoch nicht nur dann vor, wenn die Miete oder die Darlehenszinsen bei Eigentum an der Immobilie bereits gezahlt wurden und nunmehr deren Erstattung verlangt wird, sondern es genügt, dass der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzins- bzw. Darlehenszinsforderung ausgesetzt ist (vgl. zur Wohnungsmiete: BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 1; Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217; Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179; Urteil des Senats vom 14.05.2014 - L 11 AS 261/12 - juris; Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 46; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 10/2012, § 22 Rn. 43). Der Anspruch auf Leistungen für die Unterkunft ist kein Anspruch auf Ersatz bereits getätigter Aufwendungen, sondern der Leistungsanspruch ist mit den tatsächlichen Aufwendungen in der Weise verknüpft, dass der Hilfebedürftige sich im jeweiligen Leistungszeitraum zur marktvermittelten Deckung seines Unterkunftsbedarfs im Außenverhältnis zu Dritten objektiv einem zivilrechtlich wirksamen, nicht dauerhaft gestundeten, „sozial wirksamen“ (Zins)Zahlungsanspruch ausgesetzt sieht (vgl. dazu Berlit, jurisPR-SozR 26/2014 Anm. 1 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R -; Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R -; Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R-; Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 15/11 R -; auf die tatsächlichen Zahlungen ist nur dann abzustellen, wenn sie dem vereinbarten Mietzins entsprechen, der Jobcenter aber von einer Unwirksamkeit der Forderung ausgeht, vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179, SozR 4-4200 § 22 Nr. 24). Einem solchen Zinszahlungsanspruch waren die Kläger bis zur Kündigung des Darlehens durch die Bank vorliegend ausgesetzt. Dies ergibt sich schon daraus, dass bei einer Nichtzahlung der Schuldzinsen regelmäßig - wie vorliegend im Folgenden dann auch tatsächlich geschehen - die Kündigung des Darlehens und die Zwangsversteigerung des Hausgrundstücks droht. Zweck der Regelung über die Erstattung der Kosten für die Unterkunft ist es aber gerade, existentielle Notlagen zu beseitigen und den Eintritt von Wohnungslosigkeit zu verhindern. Für die Frage, ob tatsächlich Aufwendungen für Unterkunft entstanden sind, kommt es nicht darauf an, ob der Hilfebedürftige der Verpflichtung aus eigenen Mitteln wird nachkommen können oder in der Vergangenheit nachkommen konnte, auch nicht, ob die Aufwendungen bisher durch andere Sozialleistungen gedeckt wurden. Ausgangspunkt für die Frage, ob eine wirksame Darlehenszinsverpflichtung des Hilfebedürftigen vorliegt, ist in erster Linie der Darlehensvertrag mit dem der geschuldete Zins vertraglich vereinbart worden ist (so für das Mietverhältnis insgesamt BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 1; Urteil des Senats vom 14.05.2014 - L 11 AS 261/12 - juris). Insofern besteht kein Unterschied zur Unerheblichkeit der tatsächlichen Mietzinszahlung bei einem Mieter für dessen Leistungsanspruch. Sowohl die Nichtzahlung der Miete wie auch die Nichtzahlung des Darlehenszinses birgt die regelmäßige Gefahr des Verlustes der Unterkunft.

Mangels einer in der Nichtzahlung der Darlehenszinsen zu sehenden Änderung der Sach- oder Rechtslage bzw. einer Veränderung des Leistungsanspruchs konnte eine teilweise Aufhebung bzw. Rücknahme der Leistungsbewilligung für die Zeit 01.03.2005 bis 30.09.2005 nicht erfolgen. Folglich war die für diese Monate vom Beklagte geforderte Erstattung von Leistungen (§ 50 SGB X) - wie im Folgenden dargestellt - in vollem Umfang rechtswidrig:

Monat

Kläger zu 1.

Klägerin zu 2.

Klägerin zu 3.

Mrz 05

101,47 €

101,46 €

89,46 €

Apr 05

101,47 €

101,46 €

89,46 €

Mai 05

101,47 €

101,46 €

89,46 €

Jun 05

101,47 €

101,46 €

89,46 €

Jul 05

101,47 €

101,46 €

89,46 €

Aug 05

85,42 €

85,42 €

85,42 €

Sep 05

85,42 €

85,42 €

85,42 €

Summe:

678,19 €

678,14 €

618,14 €

Die teilweise Rücknahme der Leistungsbewilligungen vom 01.10.2005 bis 31.01.2008 war dagegen nur teilweise rechtswidrig. Die Unterkunftskosten wurden vom Beklagten nicht für alle Monate der Aufhebungsentscheidung zutreffend zugrunde gelegt. Soweit die Leistungsbewilligungen für die Monate Januar und Februar 2006 mit den Änderungsbescheiden vom 30.03.2006 nur vorläufig erfolgten, war die teilweise Aufhebung der vorläufigen Bewilligungen möglich, da es sich insofern um Änderungen im Hinblick auf die bei den Klägern zugrunde gelegten Unterkunftskosten handelte, nicht um Änderungen in Bezug auf das Einkommen des Klägers zu 1. aus dessen selbstständiger Tätigkeit, was Grund der seinerzeitigen vorläufigen Bewilligung gewesen ist.

Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X i. V. m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II (i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.2003), § 330 Abs. 2 SGB III ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht hat oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.

Die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.10.2005 bis 31.01.2008 erfolgte teilweise von Anfang an rechtswidrig. Auch für die Zeit von Oktober 2005 bis Januar 2006 war dies im Hinblick auf den Änderungsbescheid vom 14.10.2005 der Fall, da zu diesem Zeitpunkt der Darlehensvertrag durch die Bank bereits gekündigt war. Grundsätzlich erfüllten die Kläger die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 SGB II. Eine vollständige Rücknahme der Leistungsbewilligung hat der Beklagte auch nicht verfügt. Allerdings war der sich aus dem jeweiligen individuellen Bedarf und dem anzurechnenden Einkommen ergebende Leistungsanspruch der Kläger in einzelnen Monaten höher als vom Beklagten angenommen. Insofern konnte die Rücknahme nicht in allen Monaten in der vom Beklagten vorgenommenen Höhe erfolgen.

Bei der Berechnung des Bedarfs der Kläger waren jeweils die monatliche Regelleistung und die tatsächlichen, angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen. Im Rahmen der Unterkunftskosten mussten dabei für die Zeit ab dem 01.10.2005 ursprünglich zugrunde gelegte Darlehenszinsaufwendungen (vgl. zur Berücksichtigung solcher Belastungen im Einzelnen: Luik in Eicher, SGB II, 3, Auflage, § 22 Rn. 57) für das von den Klägern bewohnte Hausgrundstück außer Betracht bleiben.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.2003 werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. So steht die Begrenzung auf tatsächliche Aufwendungen schon der Übernahme von allgemeinen Pauschalen für die Unterkunft oder auch Erhaltungspauschalen entgegen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 38/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 17; Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 79/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 39). Weitere Zinsaufwendungen waren ebenfalls nicht mehr zu berücksichtigen. Die D. Bank kündigte die Darlehensverträge bezüglich der Hausfinanzierung mit Schreiben vom 07.09.2005. Damit bestand ab 01.10.2005 keine vertragliche Verpflichtung mehr zur Schuldzinszahlung in Bezug auf die Darlehensverträge, die der Hausfinanzierung dienten. Die insofern von der Bank geltend gemachten Zinsen stellen alleine einen Verzugsschaden wegen der nicht erfolgten Rückzahlung des gekündigten Darlehens in Form von Verzugszinsen nach §§ 497 Abs. 1 Satz 3, 288 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar. Bei dem Verzugsschadenersatz handelt es sich aber nicht um tatsächliche Aufwendungen für die von der Klägern bewohnte Unterkunft (so auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.05.2008 - L 2 B 94/07 AS ER - juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.05.2012 - L 13 AS 3213/11 - juris; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13.12.2012 - L 5 AS 21/09 - juris; Piepenstock in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage, § 22 Rn. 71; zum SGB XII: Nguyen in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage, § 35 Rn. 4). Die Übernahme der Unterkunftskosten dient der Sicherung der Unterkunft der Hilfebedürftigen und soll das Grundbedürfnis „Wohnen“ schützen. Diese Funktion kann aber mit der Übernahme der Verzugszinsen nicht gewahrt werden, denn selbst die vollständige Übernahme hätte rechtlich nicht zu einem dauerhaften Erhalt der Unterkunft führen können, da die Bank wegen der fälligen Hauptforderung die Vollstreckung in das Grundstück betreiben kann und auch betrieben hat. Eine Vermittlung eines Nutzungsrechtes für die Kläger konnte durch die Verzugszinsübernahme nicht mehr erreicht werden. Das Nutzungsrecht resultierte bereits aus dem Eigentum am Hausgrundstück (vgl. LSG Baden-Württemberg a. a. O.).

Auch eine Übernahme als Schulden nach § 22 Abs. 5 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.2003 bzw. des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.03.2006 (BGBl I 558) scheidet aus. Zum einen haben die Kläger durch die Nichtzahlung der Schuldzinsen trotz einer entsprechenden Leistungserbringung durch den Beklagten die Darlehenskündigung selbst verschuldet. Zum anderen hätte alleine die Übernahme der Verzugszinsen nicht die Betreibung der Zwangsversteigerung durch die Bank verhindern können. Die Übernahme der gesamten Hauptforderung war ebenfalls nicht angezeigt, da die Übernahme von Schulden i. H. v. 175.238,20 € zu einer ganz offenkundigen ungerechtfertigten Vermögensbildung bei den Klägern geführt hätte.

Im Rahmen der Unterkunftskosten waren in der Zeit vom 01.10.2005 bis 31.01.2008 damit alleine die tatsächlichen Nebenkosten, wie z. B. Beiträge zur Wohngebäudeversicherung, Grundsteuern, Wasser- und Abwassergebühren und ähnliche Aufwendungen im jeweils maßgebenden Bewilligungszeitraum zu berücksichtigen. Soweit solche Kosten in einer Summe fällig werden, sind sie als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen (vgl. BSG, Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 61/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 44; Urteil vom 17.10.2013 - B 14 AS 58/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 65 = BSGE 114, 249; Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr. 5). Hieraus ergeben sich ausweislich der von den Klägern im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen sowie den beiden in der Verwaltungsakte befindlichen Kaminkehrerrechnungen vom 05.01.2007 und 04.10.2007 folgende Bedarfe für - da in den einzelnen Monaten deutlich unter den vom Beklagten angenommenen Mietobergrenzen liegend - angemessene (tatsächliche) Unterkunftskosten:

Monat

Hausver-sicherung

Wasser und Kanal

Abfallbe-seitigung

Grund-steuer

Schorn-steinfeger

Summe:

Okt 05

19,68 €

52,43 €

72,11 €

Nov 05

19,68 €

100,00 €

25,00 €

144,68 €

Dez 05

19,68 €

19,68 €

Jan 06

19,68 €

52,43 €

72,11 €

Feb 06

19,68 €

70,20 €

53,64 €

25,00 €

168,52 €

Mrz 06

19,68 €

19,68 €

Apr 06

19,68 €

19,68 €

Mai 06

21,01 €

88,00 €

25,00 €

134,01 €

Jun 06

21,01 €

21,01 €

Jul 06

21,01 €

21,01 €

Aug 06

21,01 €

88,00 €

53,64 €

25,00 €

187,65 €

Sep 06

21,01 €

21,01 €

Okt 06

21,01 €

52,43 €

73,44 €

Nov 06

21,01 €

88,00 €

25,00 €

134,01 €

Dez 06

21,01 €

21,01 €

Jan 07

21,01 €

53,79 €

74,80 €

Feb 07

21,01 €

98,71 €

53,64 €

25,00 €

198,36 €

Mrz 07

21,01 €

21,01 €

Apr 07

21,01 €

21,01 €

Mai 07

21,72 €

116,00 €

25,00 €

162,72 €

Jun 07

21,72 €

21,72 €

Jul 07

21,72 €

21,72 €

Aug 07

21,72 €

116,00 €

53,64 €

25,00 €

216,36 €

Sep 07

21,72 €

21,72 €

Okt 07

21,72 €

54,30 €

76,02 €

Nov 07

21,72 €

116,00 €

25,00 €

162,72 €

Dez 07

21,72 €

21,72 €

Jan 08

21,72 €

54,30 €

76,02 €

Bei den Heizkosten ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte diese zunächst als monatlichen Abschlag geleistet und dann im Rahmen der einmaligen Leistungen verrechnet hat. Für die Zeit bis Januar 2006 wurde eine vergleichsweise Regelung getroffen. Da der Beklagte die einmaligen Heizkostenbewilligungen nicht aufgehoben hat, bleiben diese hier außen vor. Folglich müssen die geleisteten Heizkostenabschläge für die Zeit vom Februar 2005 bis November 2006 i. H. v. monatlich 54,17 € und vom Dezember 2006 bis August 2007 i. H. v. monatlich 75 € weiter als Bedarf berücksichtigt werden. Ebenso bewilligte der Beklagte für Januar 2008 eine einmalige Heizungsbeihilfe i. H. v. 922,04 € (Auszahlungsbetrag). Da die Tochter K. noch bis Februar 2006 zur Bedarfsgemeinschaft zählte und bis August 2006 mit im Haus gewohnt hat, sind die Kosten der Unterkunft und Heizung(-spauschalen) bis August 2006 nach dem Kopfteilprinzip aufzuteilen und bei jeder Person mit einem Viertel anzusetzen, ab September 2006 dann für die Kläger zu jeweils einem Drittel.

Beim (anteiligen) Bedarf des Klägers zu 1. für August 2007 ist zu berücksichtigen, dass eine Leistungsbewilligung nur für die Zeit vom 01.08.2007 bis 10.08.2007 und vom 25.08.2007 bis 31.08.2007 erfolgte, da ihm wegen einer Ortsabwesenheit für die Zeit vom 11.08.2007 bis 24.08.2007 keine Leistungen zuerkannt worden sind. Dementsprechend ist bei ihm nur ein Anteil von 17/30 (17 Tage Leistungsanspruch ./. 30 rechnerische Tage für den Gesamtmonat) seines Drittels an den Kosten der Unterkunft- und Heizung für August 2007 anzusetzen. Dagegen sind aber für die Zeit vom 11.08.2007 bis 24.08.2007 die tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten entsprechend alleine bei den Klägerinnen zu 2. und 3. zu berücksichtigen, da in dieser Zeit für die Anwendung des Kopfteilprinzips kein Raum ist. Die Klägerinnen zu 2. und 3. haben während dieser Zeit die Wohnung nicht mit dem Kläger zu 1. sondern alleine genutzt, da der Kläger zu 1. wegen seiner Ortsabwesenheit von Leistungen nach § 7 Abs. 4a SGB II ausgeschlossen war. Dieser Leistungsausschluss findet - bezogen auf die Unterkunftskosten - seine Begründung aber gerade darin, dass die Notwendigkeit der Übernahme der Wohnungskosten dann nicht erkennbar ist, wenn die Wohnung nicht genutzt wird. Damit kann ein nur „fiktiver“ Anteil des ortsabwesenden Klägers zu 1. nicht in die Bedarfsberechnung mit eingestellt werden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 42). Die unberücksichtigten 13/30 des Drittels an den Kosten der Unterkunft- und Heizung vom Kläger zu 1. sind somit zusätzlich zu gleichen Teilen auf die Klägerinnen zu 2. und 3. zu verteilen. Hieraus folgt - abweichend vom Kopfteilprinzip - eine Verteilung des gesamten Bedarfs an Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. v. 291,36 € für August 2007 auf den Kläger zu 1. im Umfang von 55,03 € und die Klägerinnen zu 2. und 3. jeweils im Umfang von 118,16 €. Bei der Berechnung der individuellen Bedarfe ist dabei entsprechend § 338 SGB III jeweils auf zwei Nachkommastellen zu runden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19.03.2008 - B 11b AS 23/06 R - SozR 4-4200 § 24 Nr. 3). Eine Anwendung der Rundungsregel des § 41 Abs. 2 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.2003 bereits auf die Kosten der Unterkunft und Heizung kommt nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 12).

Damit ergeben sich für die Kläger folgende Gesamtbedarfe für Unterkunft und Heizung:

Monat

KdU

KdH

Gesamt

Anteil Kläger zu 1.

Anteil Klägerin zu 2.

Anteil Klägerin zu 3.

Anteil Tochter K.

Okt 05

72,11 €

54,17 €

126,28 €

31,57 €

31,57 €

31,57 €

31,57 €

Nov 05

144,68 €

54,17 €

198,85 €

49,71 €

49,71 €

49,71 €

49,71 €

Dez 05

19,68 €

54,17 €

73,85 €

18,46 €

18,46 €

18,46 €

18,46 €

Jan 06

72,11 €

54,17 €

126,28 €

31,57 €

31,57 €

31,57 €

31,57 €

Feb 06

168,52 €

54,17 €

222,69 €

55,67 €

55,67 €

55,67 €

55,67 €

Mrz 06

19,68 €

54,17 €

73,85 €

18,46 €

18,46 €

18,46 €

18,46 €

Apr 06

19,68 €

54,17 €

73,85 €

18,46 €

18,46 €

18,46 €

18,46 €

Mai 06

134,01 €

54,17 €

188,18 €

47,05 €

47,05 €

47,05 €

47,05 €

Jun 06

21,01 €

54,17 €

75,18 €

18,80 €

18,80 €

18,80 €

18,80 €

Jul 06

21,01 €

54,17 €

75,18 €

18,80 €

18,80 €

18,80 €

18,80 €

Aug 06

187,65 €

54,17 €

241,82 €

60,46 €

60,46 €

60,46 €

60,46 €

Sep 06

21,01 €

54,17 €

75,18 €

25,06 €

25,06 €

25,06 €

Okt 06

73,44 €

54,17 €

127,61 €

42,54 €

42,54 €

42,54 €

Nov 06

134,01 €

54,17 €

188,18 €

62,73 €

62,73 €

62,73 €

Dez 06

21,01 €

75,00 €

96,01 €

32,00 €

32,00 €

32,00 €

Jan 07

74,80 €

75,00 €

149,80 €

49,93 €

49,93 €

49,93 €

Feb 07

198,36 €

75,00 €

273,36 €

91,12 €

91,12 €

91,12 €

Mrz 07

21,01 €

75,00 €

96,01 €

32,00 €

32,00 €

32,00 €

Apr 07

21,01 €

75,00 €

96,01 €

32,00 €

32,00 €

32,00 €

Mai 07

162,72 €

75,00 €

237,72 €

79,24 €

79,24 €

79,24 €

Jun 07

21,72 €

75,00 €

96,72 €

32,24 €

32,24 €

32,24 €

Jul 07

21,72 €

75,00 €

96,72 €

32,24 €

32,24 €

32,24 €

Aug 07

216,36 €

75,00 €

291,36 €

55,03 €

118,16 €

118,16 €

Sep 07

21,72 €

0,00 €

21,72 €

7,24 €

7,24 €

7,24 €

Okt 07

76,02 €

0,00 €

76,02 €

25,34 €

25,34 €

25,34 €

Nov 07

162,72 €

0,00 €

162,72 €

54,24 €

54,24 €

54,24 €

Dez 07

21,72 €

0,00 €

21,72 €

7,24 €

7,24 €

7,24 €

Jan 08

76,02 €

922,04 €

998,06 €

332,69 €

332,69 €

332,69 €

Hinzu kommen auf Bedarfsseite noch die jeweiligen Regelsätze der Kläger. Diese betragen nach § 20 Abs. 3 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 23.12.2003 bzw. in Verbindung mit der Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 01.07.2007 vom 18.06.2007 (BGBl I 1139) für die Kläger zu 1. und 2. monatlich je 311 € (01.10.2005 bis 30.06.2007) bzw. 312 € (01.07.2007 bis 31.01.2008). Beim Kläger ist für August 2007 wiederum nur ein Anteil von 17/30 der Regelleistung für den Monat August 2007 anzusetzen, mithin 176,80 € (312 € ./. 30 Tage x 17 Tage). Damit ergeben sich folgende individuellen Bedarfe:

Kläger zu 1.:

Monat

Regel-leistung

Kopfanteil an KdU und KdH

individueller Bedarf

Okt 05

311,00 €

31,57 €

342,57 €

Nov 05

311,00 €

49,71 €

360,71 €

Dez 05

311,00 €

18,46 €

329,46 €

Jan 06

311,00 €

31,57 €

342,57 €

Feb 06

311,00 €

55,67 €

366,67 €

Mrz 06

311,00 €

18,46 €

329,46 €

Apr 06

311,00 €

18,46 €

329,46 €

Mai 06

311,00 €

47,05 €

358,05 €

Jun 06

311,00 €

18,80 €

329,80 €

Jul 06

311,00 €

18,80 €

329,80 €

Aug 06

311,00 €

60,46 €

371,46 €

Sep 06

311,00 €

25,06 €

336,06 €

Okt 06

311,00 €

42,54 €

353,54 €

Nov 06

311,00 €

62,73 €

373,73 €

Dez 06

311,00 €

32,00 €

343,00 €

Jan 07

311,00 €

49,93 €

360,93 €

Feb 07

311,00 €

91,12 €

402,12 €

Mrz 07

311,00 €

32,00 €

343,00 €

Apr 07

311,00 €

32,00 €

343,00 €

Mai 07

311,00 €

79,24 €

390,24 €

Jun 07

311,00 €

32,24 €

343,24 €

Jul 07

312,00 €

32,24 €

344,24 €

Aug 07

176,80 €

55,03 €

231,83 €

Sep 07

312,00 €

7,24 €

319,24 €

Okt 07

312,00 €

25,34 €

337,34 €

Nov 07

312,00 €

54,24 €

366,24 €

Dez 07

312,00 €

7,24 €

319,24 €

Jan 08

312,00 €

332,69 €

644,69 €

Klägerin zu 2.:

Monat

Regel-leistung

Kopfanteil an KdU und KdH

individueller Bedarf

Okt 05

311,00 €

31,57 €

342,57 €

Nov 05

311,00 €

49,71 €

360,71 €

Dez 05

311,00 €

18,46 €

329,46 €

Jan 06

311,00 €

31,57 €

342,57 €

Feb 06

311,00 €

55,67 €

366,67 €

Mrz 06

311,00 €

18,46 €

329,46 €

Apr 06

311,00 €

18,46 €

329,46 €

Mai 06

311,00 €

47,05 €

358,05 €

Jun 06

311,00 €

18,80 €

329,80 €

Jul 06

311,00 €

18,80 €

329,80 €

Aug 06

311,00 €

60,46 €

371,46 €

Sep 06

311,00 €

25,06 €

336,06 €

Okt 06

311,00 €

42,54 €

353,54 €

Nov 06

311,00 €

62,73 €

373,73 €

Dez 06

311,00 €

32,00 €

343,00 €

Jan 07

311,00 €

49,93 €

360,93 €

Feb 07

311,00 €

91,12 €

402,12 €

Mrz 07

311,00 €

32,00 €

343,00 €

Apr 07

311,00 €

32,00 €

343,00 €

Mai 07

311,00 €

79,24 €

390,24 €

Jun 07

311,00 €

32,24 €

343,24 €

Jul 07

312,00 €

32,24 €

344,24 €

Aug 07

312,00 €

118,16 €

430,16 €

Sep 07

312,00 €

7,24 €

319,24 €

Okt 07

312,00 €

25,34 €

337,34 €

Nov 07

312,00 €

54,24 €

366,24 €

Dez 07

312,00 €

7,24 €

319,24 €

Jan 08

312,00 €

332,69 €

644,69 €

Für die Klägerin zu 3. ist neben dem Anteil an den Kosten der Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung von § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 23.12.2003 monatlich ein Regelsatz von 207 € (01.10.2005 bis 30.06.2007) bzw. 208 € (01.07.2007 bis 31.01.2008) hinzuzurechnen. Die bis Februar 2006 zu berücksichtigende Regelleistung für die Tochter K. betrug monatlich 276 € (§ 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 20 Abs. 3 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 23.12.2003). Weiter ist bei der Klägerin zu 3. und bei der Tochter K. zu berücksichtigen, dass deren Kindergeld ohne Abzug einer Versicherungspauschale (vgl. BSG, Urteil vom 19.03.2008 - B 11b AS 7/06 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 10) - soweit es bei ihnen selbst zur Bedarfsdeckung benötigt wird (§ 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.2003 bzw. vom 24.03.2006) - bzw. eigenes Einkommen für die Bedürftigkeitsprüfung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft bei der Ermittlung des individuellen Bedarfs bereits in Abzug zu bringen ist. Entsprechendes Einkommen von minderjährigen Kindern bzw. Kindern in der Bedarfsgemeinschaft, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dient nach dem System des SGB II vorrangig dazu, den Bedarf der Kinder zu decken und steht mithin nicht bzw. nur oberhalb der Bedarfsdeckungsgrenze der Kinder zur Verteilung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung (vgl. dazu insgesamt BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14 AS 55/07 R - SozR 4-4200 § 9 Nr. 4; Urteil vom 13.05.2009 - B 4 AS 39/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 23; Mecke in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 9 Rn. 55). Neben dem Kindergeld war bei der Tochter K. ihr anzurechnendes Erwerbseinkommen i. H. v. monatlich 137,85 € (192 € Einkommen aus Einstiegsqualifizierung - 54,15 € Freibetrag) bzw. für August i. H. v. 80 € (200 € Praktikumsvergütung - 100 € Werbungskostenpauschale - 20 € Erwerbstätigenfreibetrag) zu berücksichtigen. Es ergeben sich daher für diese die folgenden individuellen Bedarfe:

Klägerin zu 3.:

Monat

Regel-leistung

Kopfanteil an KdU und KdH

abzügl. Kindergeld

individueller Bedarf

Okt 05

207,00 €

31,57 €

-154,00 €

84,57 €

Nov 05

207,00 €

49,71 €

-154,00 €

102,71 €

Dez 05

207,00 €

18,46 €

-154,00 €

71,46 €

Jan 06

207,00 €

31,57 €

-154,00 €

84,57 €

Feb 06

207,00 €

55,67 €

-154,00 €

108,67 €

Mrz 06

207,00 €

18,46 €

-154,00 €

71,46 €

Apr 06

207,00 €

18,46 €

-154,00 €

71,46 €

Mai 06

207,00 €

47,05 €

-154,00 €

100,05 €

Jun 06

207,00 €

18,80 €

-154,00 €

71,80 €

Jul 06

207,00 €

18,80 €

-154,00 €

71,80 €

Aug 06

207,00 €

60,46 €

-154,00 €

113,46 €

Sep 06

207,00 €

25,06 €

-154,00 €

78,06 €

Okt 06

207,00 €

42,54 €

-154,00 €

95,54 €

Nov 06

207,00 €

62,73 €

-154,00 €

115,73 €

Dez 06

207,00 €

32,00 €

-154,00 €

85,00 €

Jan 07

207,00 €

49,93 €

-154,00 €

102,93 €

Feb 07

207,00 €

91,12 €

-154,00 €

144,12 €

Mrz 07

207,00 €

32,00 €

-154,00 €

85,00 €

Apr 07

207,00 €

32,00 €

-154,00 €

85,00 €

Mai 07

207,00 €

79,24 €

-154,00 €

132,24 €

Jun 07

207,00 €

32,24 €

-154,00 €

85,24 €

Jul 07

208,00 €

32,24 €

-154,00 €

86,24 €

Aug 07

208,00 €

118,16 €

-154,00 €

172,16 €

Sep 07

208,00 €

7,24 €

-154,00 €

61,24 €

Okt 07

208,00 €

25,34 €

-154,00 €

79,34 €

Nov 07

208,00 €

54,24 €

-154,00 €

108,24 €

Dez 07

208,00 €

7,24 €

-154,00 €

61,24 €

Jan 08

208,00 €

332,69 €

-154,00 €

386,69 €

Tochter K.:

Monat

Regel-leistung

Kopfanteil an KdU und KdH

abzügl. Kindergeld

abzügli. eigenes Einkommen

individueller Bedarf

Okt 05

276,00 €

31,57 €

-154,00 €

-137,85 €

15,72 €

Nov 05

276,00 €

49,71 €

-154,00 €

-137,85 €

33,86 €

Dez 05

276,00 €

18,46 €

-154,00 €

-137,85 €

2,61 €

Jan 06

276,00 €

31,57 €

-154,00 €

-137,85 €

15,72 €

Feb 06

110,40 €

22,27 €

-61,60 €

-32,00 €

39,07 €

Aug 06

276,00 €

60,46 €

-154,00 €

-80,00 €

102,46 €

Während des Zeitraums 13.02.2006 bis 31.07.2006 bezog die Tochter K. keine Leistungen vom Beklagten.

Die Summe der individuellen Bedarfe der Bedarfsgemeinschaft der Kläger betrug damit:

Monat

Bedarf Kläger zu 1.

Bedarf Klägerin zu 2.

Bedarf Klägerin zu 3.

Bedarf Tochter K.

Gesamtbedarf der BG

Okt 05

342,57 €

342,57 €

84,57 €

15,72 €

785,43 €

Nov 05

360,71 €

360,71 €

102,71 €

33,86 €

857,99 €

Dez 05

329,46 €

329,46 €

71,46 €

2,61 €

732,99 €

Jan 06

342,57 €

342,57 €

84,57 €

15,72 €

785,43 €

Feb 06

366,67 €

366,67 €

108,67 €

39,07 €

881,08 €

Mrz 06

329,46 €

329,46 €

71,46 €

730,38 €

Apr 06

329,46 €

329,46 €

71,46 €

730,38 €

Mai 06

358,05 €

358,05 €

100,05 €

816,15 €

Jun 06

329,80 €

329,80 €

71,80 €

731,40 €

Jul 06

329,80 €

329,80 €

71,80 €

731,40 €

Aug 06

371,46 €

371,46 €

113,46 €

102,46 €

958,84 €

Sep 06

336,06 €

336,06 €

78,06 €

750,18 €

Okt 06

353,54 €

353,54 €

95,54 €

802,62 €

Nov 06

373,73 €

373,73 €

115,73 €

863,19 €

Dez 06

343,00 €

343,00 €

85,00 €

771,00 €

Jan 07

360,93 €

360,93 €

102,93 €

824,79 €

Feb 07

402,12 €

402,12 €

144,12 €

948,36 €

Mrz 07

343,00 €

343,00 €

85,00 €

771,00 €

Apr 07

343,00 €

343,00 €

85,00 €

771,00 €

Mai 07

390,24 €

390,24 €

132,24 €

912,72 €

Jun 07

343,24 €

343,24 €

85,24 €

771,72 €

Jul 07

344,24 €

344,24 €

86,24 €

774,72 €

Aug 07

231,83 €

430,16 €

172,16 €

834,15 €

Sep 07

319,24 €

319,24 €

61,24 €

699,72 €

Okt 07

337,34 €

337,34 €

79,34 €

754,02 €

Nov 07

366,24 €

366,24 €

108,24 €

840,72 €

Dez 07

319,24 €

319,24 €

61,24 €

699,72 €

Jan 08

644,69 €

644,69 €

386,69 €

1.676,07 €

Den jeweiligen Bedarfen ist das (noch) anzurechnende Einkommen der Bedarfsgemeinschaft gegenüber zu stellen und - soweit es sich nicht um das zur Bedarfsdeckung des jeweiligen Kindes benötigte Kindergeld (§ 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.2003 bzw. vom 24.03.2006) oder Einkommen der Kinder handelt, da diese bereits im Rahmen der individuellen Bedarfsberechnung der Kinder eingeflossen sind - entsprechend dem anteiligen Bedarf am Gesamtbedarf zu verteilen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.2003).

Da für den Senat keine Anhaltspunkte für eine Änderung der Einkommensverhältnisse erkennbar und entsprechendes auch nicht konkret vorgetragen worden ist, wird das vom Beklagten bereits ursprünglich zutreffend ermittelte, jeweilige anzurechnende Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit des Klägers zu 1. und das Einkommen der Klägerin zu 2. aus ihrer unselbstständigen Tätigkeit zugrunde gelegt. Damit ergibt sich jeweils folgendes auf die Bedarfsgemeinschaft der Kläger anzurechnendes Einkommen:

Monat

anzurechnendes Einkommen des Kl. zu 1.

anzurechnendes Einkommen der Kl. zu 2.

Summe:

Okt 05

0,00 €

0,00 €

0,00 €

Nov 05

0,00 €

0,00 €

0,00 €

Dez 05

0,00 €

0,00 €

0,00 €

Jan 06

14,51 €

0,00 €

14,51 €

Feb 06

70,57 €

0,00 €

70,57 €

Mrz 06

77,27 €

0,00 €

77,27 €

Apr 06

153,62 €

0,00 €

153,62 €

Mai 06

82,05 €

0,00 €

82,05 €

Jun 06

175,98 €

0,00 €

175,98 €

Jul 06

180,76 €

0,00 €

180,76 €

Aug 06

6,78 €

0,00 €

6,78 €

Sep 06

57,54 €

48,00 €

105,54 €

Okt 06

120,36 €

48,00 €

168,36 €

Nov 06

484,19 €

48,00 €

532,19 €

Dez 06

392,50 €

48,00 €

440,50 €

Jan 07

117,83 €

48,00 €

165,83 €

Feb 07

79,56 €

48,00 €

127,56 €

Mrz 07

212,82 €

48,00 €

260,82 €

Apr 07

5,82 €

48,00 €

53,82 €

Mai 07

170,89 €

48,00 €

218,89 €

Jun 07

21,15 €

48,00 €

69,15 €

Jul 07

148,30 €

48,00 €

196,30 €

Aug 07

59,06 €

48,00 €

107,06 €

Sep 07

235,22 €

48,00 €

283,22 €

Okt 07

131,02 €

48,00 €

179,02 €

Nov 07

223,34 €

48,00 €

271,34 €

Dez 07

270,88 €

48,00 €

318,88 €

Jan 08

208,16 €

48,00 €

256,16 €

Unter Berücksichtigung der jeweiligen Anrechnungsquote (individueller Bedarf ./. Gesamtbedarf) ergibt sich das individuell anzurechnende Einkommen der Kläger. Dieses ist vom individuellen Bedarf zur Ermittlung des individuellen Leistungsanspruchs abzuziehen.

Somit errechnen sich folgende, nach § 41 Abs. 2 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 23.12.2003 zu rundende (vgl. BSG, Urteil vom 19.03.2008 - B 11b AS 23/06 R - SozR 4-4200 § 24 Nr. 3; Urteil vom 10.05.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 12) monatlichen Leistungsansprüche:

Kläger zu 1.:

Monat

individueller Bedarf

Gesamtbedarf

Anrechnungsquote

anzurechnendes EK (gesamt)

individuell anzurechnen

individueller Leistungs-anspruch

Okt 05

342,57 €

785,43 €

0,43615599

0,00 €

0,00 €

343,00 €

Nov 05

360,71 €

857,99 €

0,42041283

0,00 €

0,00 €

361,00 €

Dez 05

329,46 €

732,99 €

0,44947407

0,00 €

0,00 €

329,00 €

Jan 06

342,57 €

785,43 €

0,43615599

14,51 €

6,33 €

336,00 €

Feb 06

366,67 €

881,08 €

0,41616066

70,57 €

29,37 €

337,00 €

Mrz 06

329,46 €

730,38 €

0,45108026

77,27 €

34,85 €

295,00 €

Apr 06

329,46 €

730,38 €

0,45108026

153,62 €

69,29 €

260,00 €

Mai 06

358,05 €

816,15 €

0,43870612

82,05 €

36,00 €

322,00 €

Jun 06

329,80 €

731,40 €

0,45091605

175,98 €

79,35 €

250,00 €

Jul 06

329,80 €

731,40 €

0,45091605

180,76 €

81,51 €

248,00 €

Aug 06

371,46 €

958,84 €

0,38740562

6,78 €

2,63 €

369,00 €

Sep 06

336,06 €

750,18 €

0,44797249

105,54 €

47,28 €

289,00 €

Okt 06

353,54 €

802,62 €

0,44048242

168,36 €

74,16 €

279,00 €

Nov 06

373,73 €

863,19 €

0,43296377

532,19 €

230,42 €

143,00 €

Dez 06

343,00 €

771,00 €

0,44487678

440,50 €

195,97 €

147,00 €

Jan 07

360,93 €

824,79 €

0,43760230

165,83 €

72,57 €

288,00 €

Feb 07

402,12 €

948,36 €

0,42401620

127,56 €

54,09 €

348,00 €

Mrz 07

343,00 €

771,00 €

0,44487678

260,82 €

116,03 €

227,00 €

Apr 07

343,00 €

771,00 €

0,44487678

53,82 €

23,94 €

319,00 €

Mai 07

390,24 €

912,72 €

0,42755719

218,89 €

93,59 €

297,00 €

Jun 07

343,24 €

771,72 €

0,44477272

69,15 €

30,76 €

312,00 €

Jul 07

344,24 €

774,72 €

0,44434118

196,30 €

87,22 €

257,00 €

Aug 07

231,83 €

834,15 €

0,27792363

107,06 €

29,75 €

202,00 €

Sep 07

319,24 €

699,72 €

0,45623964

283,22 €

129,22 €

190,00 €

Okt 07

337,34 €

754,02 €

0,44738866

179,02 €

80,09 €

257,00 €

Nov 07

366,24 €

840,72 €

0,43562661

271,34 €

118,20 €

248,00 €

Dez 07

319,24 €

699,72 €

0,45623964

318,88 €

145,49 €

174,00 €

Jan 08

644,69 €

1.676,07 €

0,38464384

256,16 €

98,53 €

546,00 €

Beim Kläger zu 1. war für die Zeit vom 01.11.2007 bis 31.01.2008 zu berücksichtigen, dass sich die Regelleistung infolge des (rechtskräftigen) Sanktionsbescheides vom 26.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2007 um 94 € monatlich reduziert hat. Hieraus folgt ein Leistungsanspruch des Klägers zu 1. für November 2007 i. H. v. 154 € (248 € ./. 94 €), für Dezember 2007 i. H. v. 80 € (174 € ./. 94 €) und für Januar 2008 i. H. v. 452 € (546 € ./. 96 €).

Klägerin zu 2.:

Monat

individueller Bedarf

Gesamt-bedarf

Anrech-nungsquote

anzurech-nendes EK (gesamt)

individuell anzurech-nen

individueller Leistungs-anspruch

Okt 05

342,57 €

785,43 €

0,43615599

0,00 €

0,00 €

343,00 €

Nov 05

360,71 €

857,99 €

0,42041283

0,00 €

0,00 €

361,00 €

Dez 05

329,46 €

732,99 €

0,44947407

0,00 €

0,00 €

329,00 €

Jan 06

342,57 €

785,43 €

0,43615599

14,51 €

6,33 €

336,00 €

Feb 06

366,67 €

881,08 €

0,41616066

70,57 €

29,37 €

337,00 €

Mrz 06

329,46 €

730,38 €

0,45108026

77,27 €

34,85 €

295,00 €

Apr 06

329,46 €

730,38 €

0,45108026

153,62 €

69,29 €

260,00 €

Mai 06

358,05 €

816,15 €

0,43870612

82,05 €

36,00 €

322,00 €

Jun 06

329,80 €

731,40 €

0,45091605

175,98 €

79,35 €

250,00 €

Jul 06

329,80 €

731,40 €

0,45091605

180,76 €

81,51 €

248,00 €

Aug 06

371,46 €

958,84 €

0,38740562

6,78 €

2,63 €

369,00 €

Sep 06

336,06 €

750,18 €

0,44797249

105,54 €

47,28 €

289,00 €

Okt 06

353,54 €

802,62 €

0,44048242

168,36 €

74,16 €

279,00 €

Nov 06

373,73 €

863,19 €

0,43296377

532,19 €

230,42 €

143,00 €

Dez 06

343,00 €

771,00 €

0,44487678

440,50 €

195,97 €

147,00 €

Jan 07

360,93 €

824,79 €

0,43760230

165,83 €

72,57 €

288,00 €

Feb 07

402,12 €

948,36 €

0,42401620

127,56 €

54,09 €

348,00 €

Mrz 07

343,00 €

771,00 €

0,44487678

260,82 €

116,03 €

227,00 €

Apr 07

343,00 €

771,00 €

0,44487678

53,82 €

23,94 €

319,00 €

Mai 07

390,24 €

912,72 €

0,42755719

218,89 €

93,59 €

297,00 €

Jun 07

343,24 €

771,72 €

0,44477272

69,15 €

30,76 €

312,00 €

Jul 07

344,24 €

774,72 €

0,44434118

196,30 €

87,22 €

257,00 €

Aug 07

430,16 €

834,15 €

0,51568663

107,06 €

55,21 €

375,00 €

Sep 07

319,24 €

699,72 €

0,45623964

283,22 €

129,22 €

190,00 €

Okt 07

337,34 €

754,02 €

0,44738866

179,02 €

80,09 €

257,00 €

Nov 07

366,24 €

840,72 €

0,43562661

271,34 €

118,20 €

248,00 €

Dez 07

319,24 €

699,72 €

0,45623964

318,88 €

145,49 €

174,00 €

Jan 08

644,69 €

1.676,07 €

0,38464384

256,16 €

98,53 €

546,00 €

Klägerin zu 3.:

Monat

individueller Bedarf

Gesamt-bedarf

Anrech-nungsquote

Anzurech-nendes EK (gesamt)

individuell anzurech-nen

individueller Leistungs-anspruch

Okt 05

84,57 €

785,43 €

0,10767350

0,00 €

0,00 €

85,00 €

Nov 05

102,71 €

857,99 €

0,11971002

0,00 €

0,00 €

103,00 €

Dez 05

71,46 €

732,99 €

0,09749110

0,00 €

0,00 €

71,00 €

Jan 06

84,57 €

785,43 €

0,10767350

14,51 €

1,56 €

83,00 €

Feb 06

108,67 €

881,08 €

0,12333755

70,57 €

8,70 €

100,00 €

Mrz 06

71,46 €

730,38 €

0,09783948

77,27 €

7,56 €

64,00 €

Apr 06

71,46 €

730,38 €

0,09783948

153,62 €

15,03 €

56,00 €

Mai 06

100,05 €

816,15 €

0,12258776

82,05 €

10,06 €

90,00 €

Jun 06

71,80 €

731,40 €

0,09816790

175,98 €

17,28 €

55,00 €

Jul 06

71,80 €

731,40 €

0,09816790

180,76 €

17,74 €

54,00 €

Aug 06

113,46 €

958,84 €

0,11833048

6,78 €

0,80 €

113,00 €

Sep 06

78,06 €

750,18 €

0,10405503

105,54 €

10,98 €

67,00 €

Okt 06

95,54 €

802,62 €

0,11903516

168,36 €

20,04 €

76,00 €

Nov 06

115,73 €

863,19 €

0,13407245

532,19 €

71,35 €

44,00 €

Dez 06

85,00 €

771,00 €

0,11024643

440,50 €

48,56 €

36,00 €

Jan 07

102,93 €

824,79 €

0,12479540

165,83 €

20,69 €

82,00 €

Feb 07

144,12 €

948,36 €

0,15196761

127,56 €

19,38 €

125,00 €

Mrz 07

85,00 €

771,00 €

0,11024643

260,82 €

28,75 €

56,00 €

Apr 07

85,00 €

771,00 €

0,11024643

53,82 €

5,93 €

79,00 €

Mai 07

132,24 €

912,72 €

0,14488562

218,89 €

31,71 €

101,00 €

Jun 07

85,24 €

771,72 €

0,11045457

69,15 €

7,64 €

78,00 €

Jul 07

86,24 €

774,72 €

0,11131764

196,30 €

21,85 €

64,00 €

Aug 07

172,16 €

834,15 €

0,20638974

107,06 €

22,10 €

150,00 €

Sep 07

61,24 €

699,72 €

0,08752072

283,22 €

24,79 €

36,00 €

Okt 07

79,34 €

754,02 €

0,10522267

179,02 €

18,84 €

61,00 €

Nov 07

108,24 €

840,72 €

0,12874679

271,34 €

34,93 €

73,00 €

Dez 07

61,24 €

699,72 €

0,08752072

318,88 €

27,91 €

33,00 €

Jan 08

386,69 €

1.676,07 €

0,23071232

256,16 €

59,10 €

328,00 €

Unter Berücksichtigung der ursprünglich gewährten Leistungen in der Zeit vom 01.10.2005 bis 31.01.2008 ergeben sich damit bei Gegenüberstellung der Leistungsrechnungen folgende zu Unrecht bewilligten Leistungen:

Kläger zu 1.:

Monat

ursprünglich bewilligt

tatsächlicher Anspruch

zu Unrecht bewilligt

Okt 05

430,30 €

343,00 €

87,30 €

Nov 05

430,30 €

361,00 €

69,30 €

Dez 05

430,30 €

329,00 €

101,30 €

Jan 06

424,80 €

336,00 €

88,80 €

Feb 06

402,63 €

337,00 €

65,63 €

Mrz 06

398,11 €

295,00 €

103,11 €

Apr 06

366,30 €

260,00 €

106,30 €

Mai 06

396,12 €

322,00 €

74,12 €

Jun 06

356,98 €

250,00 €

106,98 €

Jul 06

354,99 €

248,00 €

106,99 €

Aug 06

427,86 €

369,00 €

58,86 €

Sep 06

407,58 €

289,00 €

118,58 €

Okt 06

381,71 €

279,00 €

102,71 €

Nov 06

231,87 €

143,00 €

88,87 €

Dez 06

277,22 €

147,00 €

130,22 €

Jan 07

389,95 €

288,00 €

101,95 €

Feb 07

405,65 €

348,00 €

57,65 €

Mrz 07

350,96 €

227,00 €

123,96 €

Apr 07

435,92 €

319,00 €

116,92 €

Mai 07

368,17 €

297,00 €

71,17 €

Jun 07

429,62 €

312,00 €

117,62 €

Jul 07

378,48 €

257,00 €

121,48 €

Aug 07

226,98 €

202,00 €

24,98 €

Sep 07

336,47 €

190,00 €

146,47 €

Okt 07

379,35 €

257,00 €

122,35 €

Nov 07

247,36 €

154,00 €

93,36 €

Dez 07

227,80 €

80,00 €

147,80 €

Jan 08

560,95 €

452,00 €

108,95 €

Summe:

10.454,73 €

7.691,00 €

2.763,73 €

Klägerin zu 2.:

Monat

ursprünglich bewilligt

tatsächlicher Anspruch

zu Unrecht bewilligt

Okt 05

430,29 €

343,00 €

87,29 €

Nov 05

430,29 €

361,00 €

69,29 €

Dez 05

430,29 €

329,00 €

101,29 €

Jan 06

424,80 €

336,00 €

88,80 €

Feb 06

402,62 €

337,00 €

65,62 €

Mrz 06

398,10 €

295,00 €

103,10 €

Apr 06

366,29 €

260,00 €

106,29 €

Mai 06

396,11 €

322,00 €

74,11 €

Jun 06

356,98 €

250,00 €

106,98 €

Jul 06

354,99 €

248,00 €

106,99 €

Aug 06

427,85 €

369,00 €

58,85 €

Sep 06

407,59 €

289,00 €

118,59 €

Okt 06

381,72 €

279,00 €

102,72 €

Nov 06

231,87 €

143,00 €

88,87 €

Dez 06

277,22 €

147,00 €

130,22 €

Jan 07

389,94 €

288,00 €

101,94 €

Feb 07

405,65 €

348,00 €

57,65 €

Mrz 07

350,96 €

227,00 €

123,96 €

Apr 07

435,91 €

319,00 €

116,91 €

Mai 07

368,17 €

297,00 €

71,17 €

Jun 07

429,62 €

312,00 €

117,62 €

Jul 07

378,48 €

257,00 €

121,48 €

Aug 07

406,94 €

375,00 €

31,94 €

Sep 07

336,47 €

190,00 €

146,47 €

Okt 07

379,34 €

257,00 €

122,34 €

Nov 07

341,36 €

248,00 €

93,36 €

Dez 07

321,80 €

174,00 €

147,80 €

Jan 08

654,95 €

546,00 €

108,95 €

Summe:

10.916,60 €

8.146,00 €

2.770,60 €

Klägerin zu 3.:

Monat

ursprünglich bewilligt

tatsächlicher Anspruch

zu Unrecht bewilligt

Okt 05

172,29 €

85,00 €

87,29 €

Nov 05

172,29 €

103,00 €

69,29 €

Dez 05

172,29 €

71,00 €

101,29 €

Jan 06

170,09 €

83,00 €

87,09 €

Feb 06

161,21 €

100,00 €

61,21 €

Mrz 06

159,40 €

64,00 €

95,40 €

Apr 06

146,67 €

56,00 €

90,67 €

Mai 06

158,60 €

90,00 €

68,60 €

Jun 06

142,94 €

55,00 €

87,94 €

Jul 06

142,14 €

54,00 €

88,14 €

Aug 06

171,31 €

113,00 €

58,31 €

Sep 06

174,46 €

67,00 €

107,46 €

Okt 06

163,38 €

76,00 €

87,38 €

Nov 06

99,24 €

44,00 €

55,24 €

Dez 06

121,06 €

36,00 €

85,06 €

Jan 07

170,28 €

82,00 €

88,28 €

Feb 07

177,14 €

125,00 €

52,14 €

Mrz 07

153,26 €

56,00 €

97,26 €

Apr 07

190,35 €

79,00 €

111,35 €

Mai 07

160,77 €

101,00 €

59,77 €

Jun 07

187,61 €

78,00 €

109,61 €

Jul 07

165,74 €

64,00 €

101,74 €

Aug 07

179,12 €

150,00 €

29,12 €

Sep 07

144,84 €

36,00 €

108,84 €

Okt 07

163,29 €

61,00 €

102,29 €

Nov 07

146,94 €

73,00 €

73,94 €

Dez 07

138,52 €

33,00 €

105,52 €

Jan 08

456,98 €

328,00 €

128,98 €

Summe:

4.667,09 €

2.363,00 €

2.399,21 €

Da eine Verböserung für die Kläger nicht in Betracht kommt, ist die teilweise Rücknahme der Leistungsbewilligung monatlich jeweils auf die vom Beklagten verfügte Höhe beschränkt und eine Aufhebung der Bescheide erfolgt nur insoweit, als er in einzelnen Monaten die Leistungsbewilligung in zu hohem Maße aufgehoben hat. Eine Gesamtsaldierung kann insofern nicht erfolgen.

Damit war die (teilweise) Rücknahme der Leistungsbewilligungen durch den Beklagten durch das Gericht wie folgt aufzuheben:

Kläger zu 1.:

Monat

Umfang der Rücknahme durch Beklagten

Umfang der rechtmäßigen Rücknahme

aufzuhebende Differenz

Okt 05

85,42 €

87,30 €

- €

Nov 05

85,42 €

69,30 €

16,12 €

Dez 05

85,42 €

101,30 €

- €

Jan 06

86,21 €

88,80 €

- €

Feb 06

87,91 €

65,63 €

22,28 €

Mrz 06

87,55 €

103,11 €

- €

Apr 06

89,64 €

106,30 €

- €

Mai 06

87,67 €

74,12 €

13,55 €

Jun 06

90,25 €

106,98 €

- €

Jul 06

90,38 €

106,99 €

- €

Aug 06

85,73 €

58,86 €

26,87 €

Sep 06

97,81 €

118,58 €

- €

Okt 06

99,54 €

102,71 €

- €

Nov 06

109,58 €

88,87 €

20,71 €

Dez 06

106,52 €

130,22 €

- €

Jan 07

99,28 €

101,95 €

- €

Feb 07

98,26 €

57,65 €

40,61 €

Mrz 07

101,78 €

123,96 €

- €

Apr 07

96,33 €

116,92 €

- €

Mai 07

100,67 €

71,17 €

29,50 €

Jun 07

96,73 €

117,62 €

- €

Jul 07

100,04 €

121,48 €

- €

Aug 07

53,21 €

24,98 €

28,23 €

Sep 07

123,85 €

146,47 €

- €

Okt 07

120,20 €

122,35 €

- €

Nov 07

123,44 €

93,36 €

30,08 €

Dez 07

125,11 €

147,80 €

- €

Jan 08

122,91 €

108,95 €

13,96 €

Summe:

2.736,86 €

2.763,73 €

241,91 €

Klägerin zu 2.:

Monat

Umfang der Rücknahme durch Beklagten

Umfang der rechtmäßigen Rücknahme

aufzuhebende Differenz

Okt 05

85,42 €

87,29 €

- €

Nov 05

85,42 €

69,29 €

16,13 €

Dez 05

85,42 €

101,29 €

- €

Jan 06

86,21 €

88,80 €

- €

Feb 06

87,91 €

65,62 €

22,29 €

Mrz 06

87,55 €

103,10 €

- €

Apr 06

89,64 €

106,29 €

- €

Mai 06

87,67 €

74,11 €

13,56 €

Jun 06

90,25 €

106,98 €

- €

Jul 06

90,38 €

106,99 €

- €

Aug 06

85,73 €

58,85 €

26,88 €

Sep 06

97,81 €

118,59 €

- €

Okt 06

99,54 €

102,72 €

- €

Nov 06

109,58 €

88,87 €

20,71 €

Dez 06

106,52 €

130,22 €

- €

Jan 07

99,28 €

101,94 €

- €

Feb 07

98,26 €

57,65 €

40,61 €

Mrz 07

101,78 €

123,96 €

- €

Apr 07

96,33 €

116,91 €

- €

Mai 07

100,67 €

71,17 €

29,50 €

Jun 07

96,73 €

117,62 €

- €

Jul 07

100,04 €

121,48 €

- €

Aug 07

53,21 €

31,94 €

21,27 €

Sep 07

123,85 €

146,47 €

- €

Okt 07

120,20 €

122,34 €

- €

Nov 07

123,44 €

93,36 €

30,08 €

Dez 07

125,11 €

147,80 €

- €

Jan 08

122,91 €

108,95 €

13,96 €

Summe:

2.736,86 €

2.770,60 €

234,99 €

Klägerin zu 3.:

Monat

Umfang der Rücknahme durch Beklagten

Umfang der rechtmäßigen Rücknahme

aufzuhebende Differenz

Okt 05

85,42 €

87,29 €

- €

Nov 05

85,42 €

69,29 €

16,13 €

Dez 05

85,42 €

101,29 €

- €

Jan 06

84,81 €

87,09 €

- €

Feb 06

81,94 €

61,21 €

20,73 €

Mrz 06

81,17 €

95,40 €

- €

Apr 06

76,98 €

90,67 €

- €

Mai 06

80,91 €

68,60 €

12,31 €

Jun 06

75,75 €

87,94 €

- €

Jul 06

75,49 €

88,14 €

- €

Aug 06

85,13 €

58,31 €

26,82 €

Sep 06

89,07 €

107,46 €

- €

Okt 06

85,60 €

87,38 €

- €

Nov 06

65,53 €

55,24 €

10,29 €

Dez 06

71,65 €

85,06 €

- €

Jan 07

86,14 €

88,28 €

- €

Feb 07

88,16 €

52,14 €

36,02 €

Mrz 07

81,13 €

97,26 €

- €

Apr 07

92,04 €

111,35 €

- €

Mai 07

83,34 €

59,77 €

23,57 €

Jun 07

91,24 €

109,61 €

- €

Jul 07

84,60 €

101,74 €

- €

Aug 07

88,21 €

29,12 €

59,09 €

Sep 07

93,98 €

108,84 €

- €

Okt 07

101,30 €

102,29 €

- €

Nov 07

94,81 €

73,94 €

20,87 €

Dez 07

91,47 €

105,52 €

- €

Jan 08

95,88 €

128,98 €

- €

Summe:

2.382,59 €

2.399,21 €

225,83 €

Die Kläger zu 1. und 2. haben für sich und als gesetzliche Vertreterin der Klägerin zu 3. zumindest grob fahrlässig in Bezug auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse falsche bzw. unvollständige Angaben gemacht (§ 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Nachdem zunächst im Leistungsantrag im Rahmen der Kosten der Unterkunft anfallende Zinszahlungen für die Immobilienkredite angegeben wurden, bestätigten die Kläger in den Folgeanträgen vom 08.07.2005, 09.01.2006, 28.06.2006, 07.09.2006, 05.01.2007, 19.06.2007 und 02.01.2008, dass keine Änderungen eingetreten seien. Tatsächlich hat die Bank jedoch den Darlehensvertrag im September 2005 gekündigt, womit die Verpflichtung zur Zahlung von Darlehenszinsen ab Oktober 2005 entfallen ist. Dieser Umstand hätte von den Klägern angegeben bzw. mitgeteilt werden müssen. Damit wurden von den Klägern in Bezug auf ihren Bedarf an Kosten für die Unterkunft grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige und unvollständige Angaben gemacht. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Verlangt wird eine Sorgfaltspflichtverletzung in einem besonders hohen Maße, das heißt eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigt. Subjektiv unentschuldbar ist ein Verhalten, wenn schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn also nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (vgl. BSG, Urteil vom 27.07.2000 - B 7 AL 88/99 R - juris). Es gilt dabei ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab. Es kommt damit wesentlich darauf an, ob der Hilfebedürftige unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit hätte erkennen müssen, dass die betreffenden Angaben zu machen bzw. diesbezügliche Änderungen mitzuteilen waren.

Im Hinblick auf die im Rahmen der Erstantragstellung ausgefüllten Formulare, bei denen ausdrücklich nach den tatsächlichen Kosten der Unterkunft gefragt gewesen ist und in dessen Zusammenhang die Kläger auch entsprechende Zinsverbindlichkeiten angegeben sowie entsprechende Zahlungsnachweise durch Kontoauszüge und Kontenübersichten der D vorgelegt haben, konnten sie ohne weitere Überlegungen und ohne weiteres Nachdenken erkennen, dass es für die Leistungsbewilligung auf entsprechende Belastungen ankommt. Damit konnten die Kläger auch nicht davon ausgehen, dass sie im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft eine von allen anfallenden Kosten unabhängige Pauschale erhalten, zumal sie die Pauschale für die Unterkunft hätten einsetzen müssen. Tatsächlich zahlten sei aber weder Zins noch Tilgung. Die Mitteilungsverpflichtung in Bezug auf die Kündigung des Darlehens durch die D und dem daraus folgenden Wegfall der vertraglich geschuldeten Zinszahlungspflicht hätte sich den Klägern damit aufdrängen müssen. Im Übrigen wurde in den Folgeanträgen stets nach etwaigen Änderungen in Bezug auf die Kosten der Unterkunft und Heizung explizit gefragt. Auch hieraus konnten die Kläger die Wesentlichkeit der Darlehenskündigung erkennen.

Ihrer Mitteilungspflicht sind die Kläger auch nicht dadurch nachgekommen, dass sie dem Beklagten im Zusammenhang mit Folgeantragstellungen Kontoauszüge vorgelegt haben. Hieraus würde allenfalls erkennbar sein, dass tatsächlich von dem Bankkonto keine Darlehenszinsen mehr gezahlt worden sind. Nicht ersichtlich ist daraus aber, dass eine Pflicht zur Zahlung der Darlehenszinsen nach der Kündigung der Bank gar nicht mehr bestanden hat.

Die Klägerin zu 3. muss sich dabei das Verschulden der Kläger zu 1. und 2. als den gesetzlichen Vertretern zurechnen lassen, § 278 BGB. Zwar kann eine Zurechnung nicht bereits im Hinblick auf die Möglichkeit der Kläger zu 1.und 2., die Klägerin zu 3. im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft bezüglich der Beantragung und Entgegennahme der Leistungen vertreten zu können (§ 38 Abs. 1 Satz 1 SGB II), angenommen werden. Sie ergibt sich aber aus der gesetzlichen Vertretungsmacht der Eltern nach §§ 1626, 1629 BGB, ihre minderjährigen Kinder zu vertreten (vgl. auch Link in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 38 Rn. 27). Dabei genügt auch das schuldhafte Handeln von nur einem Elternteil (vgl. Udsching/Link, SGb 2007, 513 m. w. N.).

Der Beklagte hat die Jahresfrist aus § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten. Danach muss die Behörde, wenn sie einen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknimmt, dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Die Frist beginnt dann, wenn die Behörde der Ansicht ist, dass die ihr vorliegenden Tatsachen für eine Rücknahme bzw. Aufhebung der Bewilligung genügen (vgl. BSG, Urteil vom 06.04.2006 - B 7a AL 64/05 R - juris - m. w. N.). Zu den Tatsachen, die die Rücknahme eines Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen, gehören zunächst die Umstände, aus denen sich dessen Rechtswidrigkeit ergibt. Erforderlich ist zusätzlich aber die Kenntnis der Tatsachen, die die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit rechtfertigen. Die Jahresfrist wird daher nicht schon durch die bloße Kenntnis der Tatsachen ausgelöst, die die Rechtswidrigkeit selbst betreffen (vgl. insofern zur Aufhebung nach § 48 SGB X: BSG, Urteil vom 25.01.1994 - 7 RAr 14/93 - SozR 3-1300 § 48 Nr. 32 = BSGE 74, 20 - m. w. N.). Da die Rücknahme für die Vergangenheit neben der Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides auch das Vorliegen der Anforderungen des § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X voraussetzt, muss sich die Kenntnis der Behörde jedenfalls auch auf die Umstände nach § 45 Abs. 2 Satz 3 oder Abs. 3 Satz 2 SGB X beziehen, so dass für den Beginn der Frist also auch die Kenntnis der sog. inneren Tatsachen, wie etwa die grobe Fahrlässigkeit einer Mitteilungspflichtverletzung oder das Kennenmüssen der Rechtswidrigkeit, erforderlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 25.04.2002 - B 11 AL 69/01 R - juris; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 05/2015, § 45 Rn. 147). Regelmäßig ist dies erst nach der durchgeführten Anhörung des Betroffenen der Fall (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.1996 - 13 RJ 35/94 - BSGE 77, 295; Merten a. a. O. Rn. 151).

Vorliegend erhielt der Beklagte am 10.03.2008 Kenntnis davon, dass die Schuldzinsen von den Klägern nicht mehr gezahlt worden sind und er holte auch bereits weitere Auskünfte zu den angefallenen Hausnebenkosten ein. Hieraus ergab sich für den Beklagten offensichtlich bereits die teilweise Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Leistungsbewilligung. Allerdings konnte hieraus alleine noch nicht geschlossen werden, dass die Kläger tatsächlich grob fahrlässig ihre Mitteilungspflicht verletzt hatten. Insofern kam der Anhörung mit Schreiben vom 31.07.2008 Bedeutung zu. Auch wenn der Vortrag der Kläger, sie seien davon ausgegangen, die Unterkunftskosten und pauschalierter Form und nicht als Zahlungen für die Schuldzinsen erhalten zu haben, nicht vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entbindet, so musste ihnen entsprechende Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden. Damit begann die Jahresfrist erst mit Eingang der entsprechenden Äußerung der Kläger, so dass die Jahresfrist bei Erlass des Bescheides noch nicht verstrichen war. Im Übrigen enthielten die am 10.03.2008 vom Beklagten festgehaltenen Informationen keinen Hinweis, seit wann genau keine Zinsen mehr gezahlt worden sind. Auch dies war noch vom Beklagten zu ermitteln und wurde ihm frühestens mit Eingang der Faxbestätigung durch die Kläger am 18.03.2008 bekannt. Selbst hiervon ausgehend, hätte der Beklagte die Jahresfrist gewahrt.

Ein Ermessen hatte der Beklagte bei der teilweisen Rücknahme der Leistungsbewilligung nicht; er war zum Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes und der Rücknahme für die Vergangenheit rechtlich verpflichtet, § 330 Abs. 2 SGB III. Auf einen (anderweitigen) Verbrauch der gewährten Leistungen durch die Kläger kommt es damit nicht an.

Nach § 50 Abs. 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Soweit - wie oben ausgeführt - die teilweise Rücknahme der Leistungsbewilligungen für die Kläger zu Unrecht erfolgte, sind die entsprechenden Beträge auch nicht von ihnen zu erstatten. In folgendem Umfang hat demnach der Beklagte die Erstattung von Leistungen durch die Kläger zu Unrecht gefordert:

Zeitraum

Kläger

zu 1.

Klägerin

zu 2.

Klägerin

zu 3.

03/2005-09/2005

678,19 €

678,14 €

618,14 €

10/2005-01/2008

241,91 €

234,99 €

225,83 €

Summe:

920,10 €

913,13 €

843,97 €

Dass der Beklagte seine Rückforderungsansprüche nach seinen ursprünglichen Berechnungen teilweise auch auf die Regelleistung bezogen hat, ergab sich aus Umstand, dass - anders als nach der hier vorgenommenen Berechnung, bei der sich dieses Problem wegen anderer Bedarfslagen nicht ergeben hat - das Kindergeld wegen dem geringeren Unterkunftskosten in einigen Monaten nicht mehr vollständig beim jeweiligen Kind zur Bedarfsdeckung benötigt worden ist und insofern dann bei den Klägern zu 1. und 2. angerechnet werden musste (§ 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.2003 bzw. vom 24.03.2006). Allerdings hat der Beklagte insofern im Bescheid vom 10.03.2009 einen Teil der Regelleistung nur vom Kläger zu 1. zurückgefordert. Im Hinblick auf die gleichmäßige Anrechnung des Einkommens aus nicht verbrauchten Kindergeldes beim Kläger zu 1. und der Klägerin zu 2. ist dies fehlerhaft. Ebenso fehlt der entsprechende Anteil dann wiederum bei der Klägerin zu 2. in dem sie betreffenden Bescheid vom 10.03.2009. Da der Beklagte jedoch in den Widerspruchsbescheiden die zurückgeforderten Leistungen nicht mehr gesondert ausweist und nur noch einen jeweiligen Gesamtbetrag geltend macht, führt dieser Fehler im Ausgangsbescheid nicht zur Rechtswidrigkeit der Rückforderungsverwaltungsakte, zumal eine Differenzierung nach Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung einerseits und der Regelleistung andererseits nicht notwendig ist (vgl. BSG, Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr. 2).

Eine (weitere) Reduzierung der Erstattungsforderung in Bezug auf die Klägerin zu 3. kommt nicht unter Berücksichtigung einer begrenzten Erstattungspflicht aus § 1629a Abs. 1 Satz 1 1.HS BGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002 (BGBl I 42) in Betracht. Zwar muss die Klägerin zu 3. die überzahlten SGB II-Leistungen nur bis zur Höhe ihres Vermögens bei Eintritt ihrer Volljährigkeit erstatten (vgl. dazu BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 12/14 R - SozR 4-1300 § 50 Nr. 5; Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr. 2), jedoch lag die hier noch verbleibende Erstattungsforderung unter dem Vermögensbetrag der Klägerin zu 3. bei Eintritt ihrer Volljährigkeit. Wie oben ausgeführt waren von der ursprünglichen Erstattungsforderung des Beklagten i. H. v. 3.000,73 € gegenüber der Klägerin zu 3. ein Betrag von 843,97 € aufzuheben, so dass noch eine Forderung i. H. v. 2.156,76 € verbleibt. Allein die Guthaben auf den Konten der Sparkasse betrugen zum 15.02.2014 insgesamt 2.412,06 €. Damit verfügte die Klägerin zu 3. bei Eintritt ihrer Volljährigkeit über ein höheres Vermögen als die noch verbleibende Erstattungsforderung des Beklagten, so dass diese nicht weiter zu reduzieren war.

Die Berufung der Kläger war damit teilweise - in dem im Tenor beschriebenen Umfang - erfolgreich. Im Übrigen war sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 25. Nov. 2015 - L 11 AS 723/13

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 7 Leistungsberechtigte


(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die1.das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,2.erwerbsfähig sind,3.hilfebedürftig sind und4.ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschla

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 48 Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse


(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltun

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 45 Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen de

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 22 Bedarfe für Unterkunft und Heizung


(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Le

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 278 Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte


Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwen

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 11 Zu berücksichtigendes Einkommen


(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dies

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 20 Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts


(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des tägl

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 9 Hilfebedürftigkeit


(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer So

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 50 Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen


(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten. (2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatt

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 40 Anwendung von Verfahrensvorschriften


(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass1.rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 24 Anhörung Beteiligter


(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. (2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn 1. eine sof

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 28 Bedarfe für Bildung und Teilhabe


(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung we

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 330 Sonderregelungen für die Aufhebung von Verwaltungsakten


(1) Liegen die in § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für nichtig

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 41 Berechnung der Leistungen und Bewilligungszeitraum


(1) Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts besteht für jeden Kalendertag. Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht. (2) Berechnungen werd

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1629 Vertretung des Kindes


(1) Die elterliche Sorge umfasst die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind alle

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1626 Elterliche Sorge, Grundsätze


(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). (2) Bei der Pf

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 7a Altersgrenze


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 497 Verzug des Darlehensnehmers


(1) Soweit der Darlehensnehmer mit Zahlungen, die er auf Grund des Verbraucherdarlehensvertrags schuldet, in Verzug kommt, hat er den geschuldeten Betrag nach § 288 Abs. 1 zu verzinsen. Im Einzelfall kann der Darlehensgeber einen höheren oder der Dar

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(1) Soweit Anhaltspunkte dem nicht entgegenstehen, wird vermutet, dass die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte bevollmächtigt ist, Leistungen nach diesem Buch auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen u

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Tenor Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. Dezember 2013 und die Bescheide vom 3. März 2009 geändert durch die Bescheide vom 24. August 2009 und vom 28. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2012, vom 29. Oktober

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(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint,
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde,
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll,
4.
Allgemeinverfügungen oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl erlassen werden sollen,
5.
einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen,
6.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen oder
7.
gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70 Euro aufgerechnet oder verrechnet werden soll; Nummer 5 bleibt unberührt.

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Januar 2014 werden zurückgewiesen.

Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Januar 2014 geändert und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 26. September 2012 insgesamt zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungs- und das Revisionsverfahren Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen der zu berücksichtigenden Höhe einer Einnahme.

2

Die 1953 geborene Klägerin und der 1962 geborene Kläger leben in eheähnlicher Gemeinschaft und beziehen seit Oktober 2005 als Bedarfsgemeinschaft Alg II. Das beklagte Jobcenter bewilligte ihnen für den Zeitraum vom 1.6.2011 bis 31.10.2011 Alg II in Höhe von 968,36 Euro monatlich (Regelbedarf je 328 Euro, Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von zusammen 312,36 Euro; Bescheid vom 20.6.2011).

3

Der Kläger ist Miterbe nach seinem am 15.2.2011 verstorbenen Vater. Am 27.6.2011 wurden seinem Konto 8000 Euro gutgeschrieben, die er von seinem Bruder als Zahlung aus dem Erbe erhalten hatte. Zum Zeitpunkt der Gutschrift betrug der mit seiner Bank vereinbarte Dispositionskredit des Klägers 2900 Euro. Sein Konto war zu diesem Zeitpunkt mit 2985,89 Euro im Soll. Nach Gutschrift der 8000 Euro betrug das Guthaben 5014,11 Euro. Das auf dem Konto vorhandene Guthaben belief sich am 2.8.2011 auf 3505,23 Euro, am 1.9.2011 auf 2255,23 Euro, am 30.9.2011 auf 1819,35 Euro und am 1.10.2011 auf 1005,85 Euro.

4

Nachdem der Kläger am 28.6.2011 dem Beklagten den Eingang der 8000 Euro mitgeteilt hatte, hob dieser mit an die Klägerin adressiertem Bescheid vom 8.7.2011 die Leistungsbewilligung durch den Bescheid vom 20.6.2011 ab 1.8.2011 ganz auf: Ihr Partner - der Kläger - habe am 27.6.2011 Einkommen in Höhe von 8000 Euro erzielt. Damit seien die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nicht hilfebedürftig iS des § 9 SGB II, sodass ein Anspruch auf Alg II nicht mehr bestehe. Ab 1.8.2011 zahlte der Beklagte weder an die Klägerin noch an den Kläger Alg II. Beide Kläger legten durch ihren Prozessbevollmächtigten Widerspruch gegen den Aufhebungsbescheid vom 8.7.2011 ein. Der vollen Berücksichtigung der 8000 Euro stehe der gleichzeitige Abfluss in Höhe von 2985,89 Euro im Rahmen des Dispositionskredits entgegen. Die Kläger wiesen darauf hin, dass sie aufgrund der Aufhebung der Bewilligung sich selbst in der Kranken- und Pflegeversicherung versichern müssten, sodass sich ihr Bedarf um Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von monatlich insgesamt 291,28 Euro erhöhe. Während des Widerspruchsverfahrens hob der Beklagte gegenüber dem Kläger durch Bescheid vom 8.9.2011 den Bescheid vom 20.6.2011 über die Leistungsbewilligung ab 1.8.2011 ganz auf. Durch Widerspruchsbescheid vom 16.9.2011 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 8.7.2011 als unbegründet zurück.

5

Auf den Fortzahlungsantrag der Kläger vom 13.10.2011 bewilligte ihnen der Beklagte ab 1.11.2011 - aufgrund nicht geklärter Vermögensverhältnisse vorläufig - Alg II ohne Berücksichtigung eines Einkommens aus der Erbschaft wie zuvor in Höhe von 968,36 Euro monatlich.

6

Die von beiden Klägern gegen den Bescheid vom 8.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2011 erhobenen Klagen blieben vor dem Sozialgericht (SG) ohne Erfolg (Urteil vom 26.9.2012). Die von ihnen mit dem Begehren eingelegten Berufungen, dass nur ein Einkommen von 5014,11 Euro berücksichtigt werde, waren teilweise erfolgreich. Das Landessozialgericht (LSG) verurteilte den Beklagten, den Klägern im Oktober 2011 einen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 253,79 Euro zu gewähren; im Übrigen wies es die Berufungen zurück (Urteil vom 23.1.2014): Das dem Kläger am 27.6.2011 zugeflossene Einkommen in Höhe von 8000 Euro sei ab dem Folgemonat des Zuflusses nach § 11 Abs 3 SGB II auf den Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen, wobei unerheblich sei, dass das Konto des Klägers bei der Gutschrift überzogen gewesen sei und die Bank in dieser Höhe eine Verrechnung vorgenommen habe. Denn Einkommen sei auch all das, was der Betroffene einsetze, um sich von einer Schuld zu befreien. Es ergebe sich nach Bereinigung um die Versicherungspauschale ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von monatlich 1303,33 Euro, dem der Bedarf der Kläger im streitigen Zeitraum einschließlich der Zahlungen zur Kranken- und Pflegeversicherung mit monatlich 1259,64 Euro gegenüberstehe. Dieses Einkommen habe den Bedarf beider Kläger im Zeitraum vom 1.8.2011 bis 30.9.2011 gedeckt, weshalb die Aufhebung der Leistungsbewilligung insoweit rechtmäßig sei. Ein Anspruch auf die Gewährung eines Zuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung habe indes im Oktober 2011 bestanden. Denn am 1.10.2011 habe sich das Kontoguthaben des Klägers auf 1005,85 Euro belaufen. Dieser Betrag habe den Alg II-Bedarf der Kläger von 968,36 Euro überstiegen, aber nicht ausgereicht, um ihre Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vollständig zu zahlen.

7

Sowohl die Kläger als auch der Beklagte haben die vom LSG zugelassenen Revisionen eingelegt. Die Kläger wenden sich gegen die volle Berücksichtigung der Gutschrift auf dem Konto des Klägers in Höhe von 8000 Euro, obwohl den Klägern bereite Mittel aufgrund der Rückführung des Kontosolls nur in Höhe von 5014,11 Euro zur Verfügung gestanden hätten. Nur dieser Betrag sei nach § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II aufzuteilen gewesen, weshalb für den Zeitraum vom 1.8.2011 bis 31.10.2011 der monatliche Leistungsanspruch der Kläger nicht vollständig entfallen wäre.

8

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Januar 2014 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 26. September 2012 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 8. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2011 insoweit aufzuheben, als der Beklagte Einkommen von mehr als 5014,11 Euro berücksichtigt hat.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen der Kläger zurückzuweisen,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Januar 2014 zu ändern und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 26. September 2012 insgesamt zurückzuweisen.

10

Mit seiner Revision macht er eine Verletzung des § 11 Abs 3 SGB II geltend, denn danach sei nicht zu berücksichtigen, ob die zugeflossene einmalige Einnahme im gesamten sechsmonatigen Verteilzeitraum als bereites Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden habe.

11

Die Kläger beantragen insoweit,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässigen Revisionen der Kläger sind unbegründet, die zulässige Revision des Beklagten ist begründet.

13

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind zum einen die Urteile des LSG und des SG. Das Urteil des LSG ist Gegenstand auf die Revision des Beklagten, soweit es diesen zur Leistung in Höhe von 253,79 Euro für Oktober 2011 verurteilt hat, und auf die Revisionen der Kläger, soweit es ihre weitergehenden Berufungen gegen das Urteil des SG zurückgewiesen hat. Das Urteil des SG ist insgesamt Gegenstand auf die Revisionen der Kläger, weil es ihre Klagen gegen die Berücksichtigung eines Einkommens von mehr als 5014,11 Euro abgewiesen hat. Streitgegenstand ist zum anderen der Bescheid des Beklagten vom 8.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2011, durch den das den Klägern durch Bescheid vom 20.6.2011 bis zum 31.10.2011 bewilligte Alg II ab August 2011 ganz aufgehoben worden ist. Streitig ist der Zeitraum vom 1.8.2011 bis 31.10.2011.

14

2. Zutreffende Klageart ist die Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Diese ist bei rechtsschutzfreundlicher Auslegung des Bescheides vom 8.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2011 zulässig auf dessen Anfechtung beschränkt (zur Bescheidauslegung, die auch dem Revisionsgericht obliegt, vgl BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11). Zwar ist der Bescheid vom 8.7.2011 nur an die Klägerin adressiert, seine Regelung erfasst indes nach seinem Verfügungssatz und seiner Begründung auch den Kläger. So ist der Bescheid vom Beklagten auch umgesetzt worden, denn beiden Klägern zahlte er ab August 2011 kein Alg II mehr, und so ist der Bescheid auch von den Klägern verstanden worden, denn in deren beider Namen legte der vom Kläger bevollmächtigte Rechtsanwalt am 27.7.2011 Widerspruch gegen den Bescheid vom 8.7.2011 ein. Vor diesem Hintergrund ist der im Widerspruchsverfahren ergangene, an den Kläger adressierte Bescheid vom 8.9.2011 eine sog wiederholende Verfügung und kein weiterer anfechtbarer Verwaltungsakt, denn es wird die Regelung im Bescheid vom 8.7.2011 mit Blick auf den Kläger nur wiederholt (zur wiederholenden Verfügung vgl BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 17/13 R - SozR 4-1500 § 192 Nr 2 RdNr 16; Engelmann in von Wulffen/ Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 32). Dementsprechend ist auch der an den Bevollmächtigten beider Kläger adressierte Widerspruchsbescheid vom 16.9.2011 dahin auszulegen, dass durch diesen beider Widersprüche gegen den Aufhebungsbescheid vom 8.7.2011 zurückgewiesen worden sind.

15

Die Kläger begehren die teilweise Aufhebung der sie beschwerenden Aufhebungsentscheidung, weil die Bewilligung von Alg II bei einer Berücksichtigung von 5014,11 Euro statt 8000 Euro nur teilweise hätte aufgehoben werden dürfen. Mit der teilweisen Aufhebung des Bescheides vom 8.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2011 hätten die Kläger insoweit Anspruch auf Zahlung des ihnen durch Bescheid vom 20.6.2011 für den streitigen Zeitraum bewilligten Alg II. Die nur teilweise Anfechtung ist zulässig, weil die nur teilweise Aufhebung der Aufhebungsentscheidung des Beklagten nicht von vornherein ausscheidet (zur Teilanfechtung vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 4, 8b).

16

3. Maßgeblicher Zeitpunkt für die der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legende Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist die letzte Verwaltungsentscheidung.

17

Die angefochtene Aufhebungsentscheidung für die Zukunft durch Bescheid vom 8.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2011 ist materiell-rechtlich kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft, sondern ihre Regelungswirkung erschöpft sich in der Aufhebung der zuvor erfolgten Bewilligung. Der gerichtlichen Überprüfung dieser Aufhebungsentscheidung ist deshalb die zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung über die Aufhebung - Widerspruchsbescheid vom 16.9.2011 - gegebene Sach- und Rechtslage, nicht aber eine spätere Entwicklung zugrunde zu legen (zur Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts bei Anfechtungsklagen gemäß dem materiellen Recht vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 33, 33a).

18

4. Zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt ist die Aufhebungsentscheidung rechtmäßig. Die auf § 48 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützte Aufhebung für die Zukunft(dazu 5.) ist formell rechtmäßig (dazu 6.) und hinreichend bestimmt (dazu 7.). Die Aufhebungsentscheidung ist auch materiell rechtmäßig, denn dem Kläger war eine einmalige Einnahme in Höhe von 8000 Euro zugeflossen, die in dieser Höhe zu berücksichtigen war und im Aufhebungszeitpunkt absehbar die Bedarfe der Kläger im Aufhebungszeitraum deckte (dazu 8.). Der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Aufhebung steht nicht entgegen, dass im Oktober 2011 die noch vorhandenen Mittel der Kläger nicht ausreichten, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vollständig zu zahlen (dazu 9.).

19

5. Rechtsgrundlage der Aufhebungsentscheidung ist § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II(diese und alle weiteren Vorschriften des SGB II in der seit 1.4.2011 geltenden Fassung aufgrund der Bekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850) iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach gilt auch im SGB II: Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

20

6. Der Aufhebungsbescheid vom 8.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2011 ist formell rechtmäßig.

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a) Er leidet nicht an einem Anhörungsmangel. Zwar fehlen Feststellungen des LSG dazu, ob die Kläger vor Erlass des Aufhebungsbescheides durch den Beklagten angehört worden waren (§ 24 Abs 1 SGB X). Doch konnte von einer Anhörung des Klägers abgesehen werden, weil durch die Aufhebung iS des § 24 Abs 2 Nr 3 SGB X nicht von tatsächlichen Angaben des Klägers, der den Eingang der 8000 Euro dem Beklagten mitgeteilt hatte, zu seinen Ungunsten abgewichen werden sollte. Zudem sollte durch die Aufhebung iS des § 24 Abs 2 Nr 5 SGB X die einkommensabhängige Leistung Alg II den geänderten Verhältnissen, nämlich der Einnahme des Klägers in Höhe von 8000 Euro, angepasst werden. Ob auch von einer Anhörung der Klägerin abgesehen werden konnte, kann offen bleiben, denn eine unterbliebene Anhörung ist nach den vom LSG in Bezug genommenen streitbefangenen Bescheiden jedenfalls im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden und ist deshalb nach § 41 SGB X unbeachtlich(zu den Anforderungen an eine Heilung vgl BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3 RdNr 20).

22

b) Der Aufhebungsbescheid wahrt auch das Erfordernis der ordnungsgemäßen Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes (§ 37 SGB X) als formelle Voraussetzung für das Wirksamwerden gegenüber beiden Klägern (zu den Anforderungen an eine Bekanntgabe vgl BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3 RdNr 22). Der an die Klägerin adressierte Bescheid vom 8.7.2011 ist dieser bekanntgegeben worden. Diese Bekanntgabe ist zwar nicht nach § 38 SGB II dem von diesem belastenden Aufhebungsbescheid betroffenen Kläger zuzurechnen(zu den Grenzen des § 38 SGB II vgl BSG aaO RdNr 26). Doch ist ihm gegenüber der Bescheid nach allgemeinen Grundsätzen wirksam bekanntgegeben worden (zu deren Anforderungen vgl BSG aaO RdNr 28). Denn zum einen ist der Wille des Beklagten, die Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Bedarfsgemeinschaft durch Bescheid vom 8.7.2011 über die Klägerin auch zielgerichtet dem Kläger bekanntgeben zu wollen, daraus ersichtlich, dass nach seinem Inhalt das durch den Bescheid vom 20.6.2011 beiden Klägern als Bedarfsgemeinschaft bewilligte Alg II ab 1.8.2011 ganz aufgehoben worden ist, sodass auch der Kläger von der Aufhebung betroffen sein sollte. Eine Kenntnisnahme ist zum anderen durch den Kläger spätestens zu dem Zeitpunkt erfolgt, zu dem er dem prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt am 18.7.2011 den Auftrag zur Einlegung des Widerspruchs erteilte. Die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2011 an beide Kläger erfolgte gegenüber dem für beide im Widerspruchsverfahren aufgetretenen Bevollmächtigten.

23

7. Der Aufhebungsbescheid ist inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X).

24

Das Bestimmtheitserfordernis bezieht sich sowohl auf den Adressaten als auch den Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes (zu den Anforderungen vgl BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3 RdNr 30). Dem Bescheid vom 8.7.2011 lässt sich eindeutig entnehmen, dass beide Kläger betroffen sind. Dafür ist nicht nur das Adressfeld maßgeblich, in dem allein die Klägerin genannt wird, sondern die Bestimmung des oder der Adressaten kann sowohl durch den Text im Verfügungssatz als auch durch die Begründung des angefochtenen Bescheides erfolgen (BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 154/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 17). Vorliegend ergibt sich - wie ausgeführt - hieraus, dass neben der Klägerin auch der Kläger von der Aufhebung betroffen und damit Adressat des Bescheides vom 8.7.2011 ist. Ebenso bestehen keine Bedenken gegen die Bestimmtheit des Verfügungssatzes in diesem Bescheid, weil sich klar und unzweideutig erkennen lässt, dass beide Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft angesprochen sind und ihnen gegenüber die Alg II-Bewilligung vom 20.6.2011 ab 1.8.2011 ganz aufgehoben wird. Aus der Begründung, die auf den Wegfall der Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaftsmitglieder Bezug nimmt, war für die Kläger ohne Weiteres zu erkennen, dass Einkommen des Klägers auf den Bedarf beider Kläger angerechnet wurde und damit der individuelle Leistungsanspruch ganz entfiel.

25

8. Der Aufhebungsbescheid ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung - Erlass des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2011 - auch materiell rechtmäßig. Denn durch den Eingang von 8000 Euro am 27.6.2011 auf das Konto des Klägers ist iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen des Klägers und zugleich eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen beider Kläger eingetreten, die beim Erlass des Bewilligungsbescheides vom 20.6.2011 - eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung - vorgelegen haben, weil durch die Berücksichtigung dieser Einnahme ihre Hilfebedürftigkeit iS des SGB II entfiel, weshalb die Bewilligung (zumindest) mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben war.

26

a) Nach § 19 Abs 1 Satz 1 und § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Alg II, wenn sie - neben weiteren, hier nicht im Streit stehenden Voraussetzungen - hilfebedürftig sind. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs 1 SGB II ua, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Bei Personen, die als Partner in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind nach § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Nach den insoweit nicht angegriffenen und deshalb den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG (§ 163 SGG) bildeten die Kläger, beide erwerbsfähige Leistungsberechtigte, als eheähnliche Gemeinschaft eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 Nr 1 und Nr 3 Buchst c SGB II), weshalb Einkommen oder Vermögen des einen nach Maßgabe des § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II beim anderen Bedarfsgemeinschaftsmitglied für die Prüfung der Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen ist.

27

Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Nach § 12 Abs 1 SGB II sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Nach den Feststellungen des LSG verfügte die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht über eigenes Einkommen und verfügten die Kläger in diesem Zeitraum nicht über zu berücksichtigende Vermögenswerte. Doch ist der Kläger nach den Feststellungen des LSG Miterbe nach seinem am 15.2.2011 verstorbenen Vater geworden und erhielt er als Zahlung aus dem Erbe 8000 Euro, die seinem Konto am 27.6.2011 gutgeschrieben wurden.

28

b) Diese Erbschaft ist im Zeitpunkt des Erbfalls am 15.2.2011 Einkommen, nicht Vermögen (dazu c). Einkommen aus der Erbschaft ist indes zu berücksichtigen erst am 27.6.2011, als dem Kläger 8000 Euro als bereites Mittel tatsächlich zuflossen (dazu d). Die zugeflossenen 8000 Euro sind aufgrund der normativen Vorgaben des § 11 Abs 3 SGB II in dieser Höhe als einmalige Einnahme zu berücksichtigen(dazu e) und im Verteilzeitraum vom 1.7.2011 bis 31.12.2011 gleichmäßig aufzuteilen (dazu f). Die normativ zu berücksichtigenden monatlichen Teilbeträge überstiegen den Alg II-Bedarf der Kläger, ohne dass es hierfür darauf ankommt, dass am 1.7.2011 nicht mehr 8000 Euro als bereite Mittel vorhanden waren (dazu g). Denn es ist vorliegend zu unterscheiden zwischen dem tatsächlichen Zufluss einer einmaligen Einnahme, die durch die normativ vorgegebene Aufteilung in einem Verteilzeitraum zu berücksichtigen ist, und den bereiten Mitteln, die in den Monaten des Verteilzeitraums zur Verfügung stehen. Zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung deckten die noch vorhandenen bereiten Mittel den Bedarf der Kläger im Aufhebungszeitraum, sodass die normativ vorgegebene Berücksichtigung der einmaligen Einnahme von 8000 Euro zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt vom Beklagten nicht zu korrigieren war (dazu h).

29

c) Bei der Erbschaft handelt es sich um Einkommen, nicht um Vermögen. Einkommen ist grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte. Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (stRspr seit BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18). Ein solcher rechtlich maßgeblicher anderer Zufluss ergibt sich bei einem Erbfall aus § 1922 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), nach dem mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben übergeht (Gesamtrechtsnachfolge), was nach § 1922 Abs 2 BGB auch für den Anteil eines Miterben gilt. Eine Erbschaft ist indes grundsicherungsrechtlich nur dann Vermögen, wenn der Erbfall vor der (ersten) Antragstellung eingetreten ist (vgl im Einzelnen BSG Urteil vom 25.1.2012 - B 14 AS 101/11 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 47 RdNr 20; BSG Urteil vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - vorgesehen für SozR 4 RdNr 17). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, weil der Kläger - in Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin - seit Oktober 2005 ohne Unterbrechungen Alg II bezog und der Erblasser erst am 15.2.2011 verstarb.

30

d) Das Einkommen ist indes erst mit dem tatsächlichen Zufluss am 27.6.2011 zu berücksichtigen. Auch wenn, wie vorliegend aufgrund von § 1922 BGB, normativ ein anderer als der tatsächliche Zufluss maßgeblich für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist, ist die Erbschaft dem Bedarf als Einkommen erst in dem Zeitpunkt gegenüberzustellen, in dem sie den Klägern tatsächlich als bereites Mittel zur Deckung ihres Bedarfs zur Verfügung stand (vgl BSG vom 25.1.2012 - B 14 AS 101/11 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 47 RdNr 22; BSG Urteil vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - vorgesehen für SozR 4 RdNr 18). Dies ist vorliegend am 27.6.2011 der Fall, als die Zahlung aus dem Erbe in Höhe von 8000 Euro dem Konto des Klägers gutgeschrieben wurde.

31

e) Die zugeflossenen 8000 Euro sind in dieser Höhe als einmalige Einnahme iS des § 11 Abs 3 SGB II zu berücksichtigen. Eine Minderung durch die Rückführung des Solls auf dem Konto des Klägers in Höhe von 2985,89 Euro, das seine Bank aufgrund des zwischen beiden vereinbarten Dispositionskredits in Höhe von 2900 Euro hingenommen hatte, im Zeitpunkt des Zuflusses der 8000 Euro kommt grundsicherungsrechtlich nicht in Betracht.

32

aa) In Höhe des Kontosolls bestand eine Verbindlichkeit, eine Schuld, des Klägers gegenüber seiner Bank, die durch Verrechnung seitens der Bank im Rahmen einer Kontokorrentabrede mit dem Kläger getilgt worden ist (zum vereinbarten Dispositionskredit vgl K. P. Berger in MüKo-BGB, 6. Aufl 2012, vor § 488 RdNr 52, 55 ff, § 488 RdNr 3, 32, 147 f, 207, 228; Schürnbrand in MüKo-BGB, 6. Aufl 2012, § 491 RdNr 50, § 504 RdNr 7 ff). Zahlungen auf Verbindlichkeiten - abgesehen von der hier nicht einschlägigen Ausnahme der Aufwendungen zur Erfüllung von titulierten Unterhaltsverpflichtungen (§ 11b Abs 1 Satz 1 Nr 7 SGB II) - sind indes nicht vom Einkommen abzusetzen (vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14/7b AS 10/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 18 RdNr 25; BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 19; BSG Urteil vom 20.2.2014 - B 14 AS 53/12 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 11b Nr 4 RdNr 27). Es kommt für die Berücksichtigung der 8000 Euro als Einkommen rechtlich lediglich auf deren Zufluss an, und es ist unerheblich, ob und in welchem Umfang sich aufgrund der Gutschrift der 8000 Euro auf dem Konto des Klägers ein positiver Kontostand auf diesem Konto ergeben hat (so zu einer vergleichbaren Konstellation BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 200/10 R - juris RdNr 13).

33

Die normative Berücksichtigung der am 27.6.2011 zugeflossenen 8000 Euro bleibt deshalb davon unberührt, dass diese Einnahme aufgrund des mit der Bank vereinbarten Dispositionskredits teilweise dazu gedient hat, das Kontosoll zurückzuführen. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Einkommensverwendung, durch die der Zufluss der 8000 Euro nicht teilweise den Charakter als Einkommen verliert (so zu einer vergleichbaren Konstellation BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 25; BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 43/07 R - juris RdNr 28). Vielmehr erweist sich deren Einkommenscharakter eben darin, dass hieraus das Kontosoll zurückgeführt werden konnte (zum in Geld ausdrückbaren wirtschaftlichen Wert einer Befreiung von Schulden bzw Verringerung von Verbindlichkeiten vgl BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 132/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 60 RdNr 21).

34

bb) Dies wäre ebenso, wenn die Auffassung der Kläger zuträfe, dass die Rückführung des Kontosolls durch Verrechnung seitens der Bank mit einer Pfändung vergleichbar sei. Denn auch gepfändete Einkommensteile sind grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen (BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 18; vgl zur ausnahmsweisen Nichtberücksichtigung, wenn die Rückgängigmachung der Pfändung aus Rechtsgründen überhaupt nicht oder nicht ohne Weiteres realisiert werden kann, BSG aaO RdNr 19 ff); zudem sind die 8000 Euro dem Konto des Klägers tatsächlich gutgeschrieben worden. Aus Rechtsgründen war der Kläger wegen der fortbestehenden Kontokorrentabrede nicht gehindert, am 27.6.2011 von seinem Konto 8000 Euro abzuheben; ob er grundsicherungsrechtlich hierauf verwiesen werden könnte, ist für die Frage nach der Berücksichtigung von 8000 Euro oder nur von 5014,11 Euro als zugeflossenes Einkommen nicht relevant.

35

Etwas anderes folgt nicht aus dem Urteil des Senats vom 12.6.2013 (B 14 AS 73/12 R), dem sich ein für die hier aufgeworfene Frage maßgeblicher Rechtssatz nicht entnehmen lässt. Denn in jenem Rechtsstreit ging es um die Frage, ob eine im Juli 2011 - dem letzten Monat eines Bewilligungszeitraums - zugeflossene einmalige Einnahme in voller Höhe zu Beginn des Folgebewilligungszeitraums ab August 2011 zu berücksichtigen war, obwohl noch im Juli 2011 die Hälfte des zugeflossenen Geldes an den Treuhänder im Insolvenzverfahren überwiesen worden war. Während dort im Rahmen eines Fortbewilligungsantrags nur die zur Verfügung stehenden bereiten Mittel zu Beginn des neuen Bewilligungszeitraums Berücksichtigung fanden (zu einer entsprechenden Situation vgl BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57), geht es vorliegend um den Zufluss einer einmaligen Einnahme inmitten des laufenden Bewilligungszeitraums und die Frage, ob die Einnahme in Höhe ihres tatsächlichen Zuflusses zu berücksichtigen und der Aufhebungsentscheidung über die laufende Bewilligung zugrunde zu legen ist.

36

Schließlich ergibt sich anderes nicht aus dem Urteil des 4. Senats vom 16.5.2012 (B 4 AS 132/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 60). In diesem Rechtsstreit ging es um die Frage, ob sich die Aufwendungen für Unterkunftskosten im Folgemonat minderten, obwohl der Vermieter ein Betriebskostenguthaben in voller Höhe gegen Mietrückstände aufgerechnet hatte. Während dort die Mittel aus dem Guthaben den Leistungsberechtigten schon nicht ausgezahlt wurden und zu prüfen war, ob sie diese realisieren konnten, ist vorliegend die einmalige Einnahme durch Gutschrift auf dem Konto des Klägers diesem tatsächlich zugeflossen.

37

f) Ausgehend vom Tag des Zuflusses der 8000 Euro am 27.6.2011 begann der nach § 11 Abs 3 SGB II zu bestimmende Verteilzeitraum mit dem Zuflussfolgemonat am 1.7.2011 und endete am 31.12.2011. Nach § 11 Abs 3 Satz 1 und 2 SGB II sind zwar einmalige Einnahmen in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen; sofern für den Zuflussmonat - wie hier im Juni 2011 - bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, werden sie im Folgemonat berücksichtigt. Entfiele indes der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist nach § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen. Die 8000 Euro waren deshalb hier auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen, weil durch die Berücksichtigung der 8000 Euro in einem Monat der Leistungsanspruch der Kläger entfallen wäre, der aufgrund der letzten Bewilligung vom 20.6.2011 monatlich 968,36 Euro betrug.

38

g) Der normativ vorgegebenen Aufteilung ab 1.7.2011 zugrunde zu legen sind die zugeflossenen 8000 Euro, ohne dass es darauf ankommt, dass am 1.7.2011 auf dem Konto des Klägers 8000 Euro nicht mehr als bereite Mittel vorhanden waren.

39

Denn es ist jedenfalls bei einer Aufhebung wie vorliegend für die Zukunft zu unterscheiden zwischen dem tatsächlichen Zufluss einer einmaligen Einnahme im laufenden Bewilligungszeitraum, die nach der normativen Vorgabe des § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II aufzuteilen ist, und den bereiten Mitteln, die in den Monaten des Verteilzeitraums noch tatsächlich zur Verfügung stehen. Wird die einmalige Einnahme zwischen dem Tag ihres tatsächlichen Zuflusses und dem ersten Tag des Verteilzeitraums im laufenden Bewilligungszeitraum (teilweise) verwendet - was in der gesetzlichen Konstruktion des § 11 Abs 3 Satz 2 und 3 SGB II einer Aufteilung erst ab dem Zuflussfolgemonat angelegt ist -, führt dies nicht zu einer Minderung der aufzuteilenden einmaligen Einnahme im Aufhebungszeitraum(vgl BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - BSGE 114, 188 = SozR 4-4200 § 11 Nr 62, RdNr 25). Dass nach § 11 Abs 3 Satz 2 und 3 SGB II die Einnahme ab dem Zuflussfolgemonat zu berücksichtigen und auf sechs Monate aufzuteilen ist, bewirkt nicht, dass es nach dem Tag des tatsächlichen Zuflusses mit dem Monatsersten des Zuflussfolgemonats einen zweiten Tag gibt, an dem rechtlich nach der Höhe der im Verteilzeitraum aufzuteilenden einmaligen Einnahme zu fragen ist.

40

Im Verteilzeitraum war ein monatlicher Teilbetrag von 1012,05 Euro zu berücksichtigen. Denn ausgehend von 8000 Euro waren neben der Versicherungspauschale auch monatliche Beiträge für öffentliche Versicherungen nach § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 3 Buchst a SGB II abzusetzen, weil aufgrund der durch den Beklagten vollständig aufgehobenen Alg II-Bewilligung der Kranken- und Pflegeversicherungsschutz der Kläger entfiel(vgl BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 73/12 R - juris RdNr 17, 27). Insoweit hatten die Kläger monatliche Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 291,28 Euro aufzuwenden (8000 Euro ./. 6 Monate = 1333,33 Euro abzüglich der Versicherungspauschale von 30 Euro und der Beiträge von 291,28 Euro = 1012,05 Euro). Dieser monatliche Teilbetrag überstieg das im Aufhebungszeitraum bewilligte monatliche Alg II von 968,36 Euro und führte zum Wegfall der Hilfebedürftigkeit.

41

h) Zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung über die Aufhebung - Widerspruchsbescheid vom 16.9.2011 - war der Aufhebungsbescheid vom 8.7.2011 nicht rechtswidrig geworden, weil noch genügend bereite Mittel vorhanden waren, um im Aufhebungszeitraum den Alg II-Bedarf der Kläger zu decken und ihre Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen. Denn nach den Feststellungen des LSG überstieg am 30.9.2011 das Kontoguthaben des Klägers von 1819,35 Euro die Summe aus Alg II-Bedarf und Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.

42

9. Entgegen der Auffassung des LSG ist vorliegend nicht darüber zu entscheiden, ob die im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung rechtmäßige Aufhebungsentscheidung auch für Oktober 2011 in diesem Monat rechtswidrig geworden ist (s bereits oben 3.).

43

a) Allerdings war das LSG an einer Entscheidung darüber, ob im Oktober 2011 die bereiten Mittel der Kläger ausreichten, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vollständig zu zahlen, nicht bereits deshalb gehindert, weil es damit über den Streitgegenstand des Verfahrens hinausgehen würde. Denn aufgrund der vollständigen Aufhebung des den Klägern bewilligten Alg II für die Zukunft entfiel auch ihr mit dem Alg II-Bezug verbundener Schutz in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung. Im Rahmen seiner Aufhebungsentscheidung war deshalb durch den Beklagten zu prüfen, ob die Kläger im Aufhebungszeitpunkt absehbar über genügend Mittel verfügten, um im Aufhebungszeitraum ihren Versicherungsschutz selbst sicherzustellen oder ob ihnen insoweit ein Zuschuss nach § 26 SGB II zu leisten war; der Zuschuss ist insoweit vom Anfechtungsbegehren der Kläger umfasst.

44

b) Bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2011 verfügten die Kläger indes - wie ausgeführt - über genügend bereite Mittel auch zur Beitragszahlung. Nur hierauf kommt es vorliegend an.

45

Zwar ist es leistungsrechtlich nicht unbeachtlich, ob eine tatsächlich zugeflossene einmalige Einnahme im Verteilzeitraum noch zur Verfügung steht. Denn bei der Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme als Einkommen kommt es auch darauf an, ob zugeflossenes Einkommen im Verteilzeitraum als bereites Mittel geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken (vgl BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 13); hieran hat sich durch die Neuregelung des § 11 Abs 3 SGB II nichts geändert. Doch dass die Kläger nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt - Widerspruchsbescheid vom 16.9.2011 - mit den ihnen am 1.10.2011 zur Verfügung stehenden bereiten Mitteln von 1005,85 Euro am 1.10.2011 zwar ihren Alg II-Bedarf von 968,36 Euro decken, nicht jedoch die vollen monatlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von insgesamt 291,28 Euro zahlen konnten, berührt nicht die Rechtmäßigkeit der vollständigen Aufhebung der Alg II-Bewilligung auch für Oktober 2011 (s bereits oben 8 h).

46

Die nach der letzten Verwaltungsentscheidung vom 16.9.2011 entstandene tatsächliche Lücke zwischen den zu zahlenden Beiträgen und den noch freien bereiten Mitteln im Oktober 2011 hätte nur auf einen neuen Leistungsantrag der Kläger im und für den Oktober 2011 durch einen Zuschuss nach § 26 SGB II geschlossen werden können, an dem es indes fehlt(zur Überprüfung der Einkommensberücksichtigung im Verteilzeitraum auf entsprechenden Vortrag des Leistungsberechtigten vgl BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 14).

47

10. Rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass der Beklagte die Berücksichtigung der einmaligen Einnahme von 8000 Euro in der Weise umsetzte, dass er zunächst durch die angefochtene Aufhebungsentscheidung das den Klägern bis 31.10.2011 bewilligte Alg II für die Zukunft ab 1.8.2011 ganz aufhob, und eine Aufhebung für die Vergangenheit - Juli 2011 - nur ankündigte. Denn weder sind die Kläger hierdurch beschwert und ist auf ihre Anfechtungsklage hin nur die konkrete Aufhebungsentscheidung, die vom 1.8.2011 bis 31.10.2011 wirkte, zu prüfen, noch zwingt § 11 Abs 3 SGB II den Beklagten zur Umsetzung der Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme in einem Verteilzeitraum in nur einem Bescheid.

48

11. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Aufhebung des Bescheids vom 5. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2008 für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Oktober 2005 sowie vom 1. Februar bis 30. April 2006 wendet.

Im Übrigen wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Landessozialgerichts vorbehalten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheids, mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeit-raum von Juni 2005 bis November 2006 aufgehoben und die Erstattung von insgesamt 11 771,66 Euro gefordert hat.

2

Die im Juli 1950 geborene Klägerin war im streitigen Zeitraum alleinstehend und bezog von der Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters (im Folgenden nur noch Beklagter) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte gewährte der Klägerin Leistungen für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 (Bescheid vom 8.4.2005) und änderte in der Folge diese Bewilligung für den Zeitraum vom 1.7. bis 31.10.2005 (Bescheid vom 22.6.2005). Für den Bewilligungsabschnitt vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 bewilligte der Beklagte wiederum Leistungen in wechselnder Höhe (Bescheid vom 11.10.2005) und änderte diese für die Zeit vom 1.2. bis 30.4.2006 (Bescheid vom 13.12.2005). Für den Bewilligungsabschnitt vom 1.5.2006 bis 31.10.2006 bewilligte er Leistungen mit Bescheid vom 18.4.2006 und schließlich für die Zeit vom 1.11.2006 bis 30.4.2007 mit Bewilligungsbescheid vom 10.10.2006.

3

Der Beklagte erhielt in der Folge Kenntnis davon, dass der Klägerin im Jahr 2005 mehrere kleinere Geldbeträge sowie am 14.12.2005 ein Betrag von 9693,48 Euro aus einer Erbschaft zugeflossen seien. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 hob der Beklagte "die Entscheidungen" vom "8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 11.10.2006" über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom 1.6.2005 bis 31.7.2005 und vom 1.10.2005 bis 30.11.2005 teilweise sowie vom 1.9.2005 bis 30.9.2005 und vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 vollständig auf. Es folgte die Bezifferung der Aufhebungsbeträge getrennt nach Regelleistung, Beiträgen für Kranken- und Pflegeversicherung sowie für Leistungen für Unterkunft und Heizung, insgesamt ergab sich eine Gesamterstattungsforderung in Höhe von 11 771,66 Euro.

4

Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.6.2008 zurückgewiesen. Der Klägerin seien im Jahr 2005 insgesamt 10 793,48 Euro aus einer Erbschaft im Zeitraum von Juni 2005 bis Dezember 2005 zugeflossen. Es ergebe sich, ausgehend von der Aufschlüsselung im Einzelnen, ein monatlich anzurechnender Betrag von 869,46 Euro. Unter Berücksichtigung der im streitbefangenen Zeitraum ausgezahlten Leistungen und der abgeführten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung folge daraus ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 11 771,66 Euro. Nicht berücksichtigt werden könnten die Darlehensverpflichtungen der Klägerin. Der Widerspruchsbescheid enthielt darüber hinaus eine Übersicht, von welchen zugeflossenen Beträgen der Beklagte im streitigen Zeitraum jeweils monatlich ausgegangen ist sowie ferner eine nach Monaten differenzierte Übersicht, wie sich der Rückforderungsbetrag nach Auffassung des Beklagten errechnet (insoweit aber ohne Aufschlüsselung nach Regelleistung und Kosten der Unterkunft).

5

Das Sozialgericht (SG) Braunschweig hat auf die daraufhin erhobene Klage mit Urteil vom 23.6.2010 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.6.2008 aufgehoben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben (Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1.11.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Erbschaft vorliegend um Einkommen oder Vermögen gehandelt habe; ebenso könne offenbleiben, ob der Beklagte die Jahresfrist des § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 45 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eingehalten habe, denn der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.6.2008 sei bereits deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil er den Anforderungen des § 33 SGB X an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten nicht genüge. Es müsse die Kennzeichnung des Regelungsgegenstands nach dem bewilligten Betrag, den begünstigten Personen und dem Bewilligungszeitraum erfolgen. Zudem müsse die Aufhebung erkennbar machen, ob sie alle von dem jeweiligen Bewilligungsbescheid und seinen Änderungen geregelten Bezugsmonate betreffe oder sich auf einzelne Teilzeiträume beschränke, die dann zu benennen seien. Entsprechendes gelte hinsichtlich einer betragsmäßig vollständigen oder lediglich anteiligen Rücknahme. Vorliegend ergebe sich die mangelnde Bestimmtheit schon deshalb, weil gleich drei aufzuhebende Bescheide nicht benannt worden seien.

6

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen seien hinreichend bestimmt. Durch die ausdrückliche Benennung des Aufhebungszeitraums und unter Heranziehung der Begründung sowie ggf vorhandener Anlagen und früher ergangener Bescheide sei der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts jedenfalls einer widerspruchsfreien Auslegung zugänglich. Zudem seien die Aufhebungszeiträume dahingehend konkretisiert worden, ob eine teilweise oder eine vollständige Aufhebung der Bewilligung erfolgt sei. Die Regelung habe nur dahingehend verstanden werden können, dass im Hinblick auf die benannten Zeiträume die Leistungen unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden Bewilligungsentscheidungen in ihrer jeweils gültigen Fassung aufgehoben werden sollten. Die Benennung der fehlenden Änderungsbescheide sei schriftsätzlich im Klageverfahren nachgeholt worden. Im Übrigen genüge die angegriffene Entscheidung auch im Hinblick auf die Aufhebungssumme den Bestimmtheitsanforderungen, da jedenfalls im Widerspruchsbescheid eine ausführliche und detaillierte Darstellung der monatlichen Einzelbeträge erfolgt sei.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 23. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die vorinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend und führt ergänzend aus, bei fehlender Aufhebung von Bescheiden komme auch keine Erstattung in Betracht.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Beklagten (§ 160 Abs 1, § 164 Sozialgerichtsgesetz) ist nur teilweise im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Für die Zeiträume vom 1.7. bis 31.10.2005 sowie vom 1.2. bis 30.4.2006 war die Revision dagegen zurückzuweisen, denn insoweit fehlte es an der Aufhebung der auf diese Zeiträume entfallenden Leistungsbescheide (Änderungsbescheide), sodass das LSG insoweit die Berufung im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen hat.

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.6.2008. Gegen die in diesem Bescheid enthaltenen Verfügungen, die zuvor ergangenen Bewilligungsentscheidungen vom 8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 10.10.2006 über Leistungen nach dem SGB II vom 1.6. bis 31.7.2005 und vom 1.10. bis 30.11.2005 teilweise sowie vom 1.9. bis 30.9.2005 und vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 ganz aufzuheben, und für den Gesamtzeitraum vom 1.6.2005 bis 30.11.2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt 7286,56 Euro (Regelleistung 5557,51 Euro, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge 1729,05 Euro) und Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 4485,10 Euro, also insgesamt 11 771,66 Euro zurückzufordern, wendet sich die Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG).

12

2. Es kann vorliegend über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der vorangegangenen Verwaltungsakte nicht abschließend entschieden werden, weil das LSG im Hinblick auf die von ihm angenommene fehlende Bestimmtheit dieser angefochtenen Verwaltungsakte die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligungsbescheide nicht weiter geprüft hat.

13

a) Der Beklagte hat den angefochtenen Bescheid insoweit auf § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch und § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X gestützt. Ob er die Aufhebung der Bewilligungsentscheidungen vom 8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 10.10.2006 durchgehend auf § 48 SGB X stützen konnte, kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen durch das LSG nicht entschieden werden. Eine Anwendung des § 48 SGB X kommt in Betracht, wenn nach Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung eine wesentliche Änderung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht eingetreten ist. § 45 SGB X, der weitergehenden Vertrauensschutz bietet(vgl § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X), findet dagegen Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deshalb geändert werden soll. Beide Normen grenzen sich folglich nach dem Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, der aufgehoben werden soll, ab (vgl BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4, RdNr 13; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R).

14

Das LSG hat es bereits offen gelassen, ob es sich bei "der Erbschaft", die nach der Aufstellung im Widerspruchsbescheid in mehreren Etappen zugeflossen ist, um zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gehandelt hat; der für die Abgrenzung maßgebliche Zeitpunkt des jeweiligen Einkommenszuflusses (bzw Vermögenserwerbs) ist nicht geprüft worden. Schließlich fehlen auch Feststellungen zur Höhe ggf zu berücksichtigenden Einkommens. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, ob sämtliche Leistungsbewilligungen gemäß § 48 SGB X aufgehoben werden konnten, oder - wofür hier viel spricht - nicht jedenfalls die Bescheide betreffend die Leistungszeiträume ab dem Jahr 2006 nach dem Zufluss des Betrags von 9693,48 Euro im Dezember 2005 bereits anfänglich rechtswidrig waren und eine Aufhebung deshalb nur unter den Voraussetzungen von § 45 SGB X hätte erfolgen dürfen. Erst im Anschluss an diese Prüfung können abschließende Aussagen zur Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung getroffen werden. Allein der Umstand, dass der Beklagte seine Aufhebungsentscheidung vorliegend ausschließlich auf § 48 SGB X gestützt hat, führt allerdings nicht zum Erfolg der Klage, denn die §§ 45, 48 SGB X haben dasselbe Ziel, weshalb das Auswechseln der genannten Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig ist(vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 36 RdNr 17 mwN).

15

Je nachdem, welche Rechtsgrundlage einschlägig ist, wird das LSG die weiteren Voraussetzungen der jeweiligen Norm zu prüfen haben. Dabei werden auch Feststellungen zur formellen Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheids nachzuholen sein, insbesondere zur Durchführung der Anhörung, wobei ungeachtet der in den Verwaltungsakten befindlichen Unterlagen dazu das Erfordernis einer eigenständigen, nicht notwendigerweise förmlichen Anhörung jedenfalls durch das Widerspruchsverfahren gewahrt wäre (vgl BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2 RdNr 17; Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 144/10 R).

16

b) Die vom LSG angenommene Rechtswidrigkeit der Aufhebungsverfügung ergibt sich aber nicht aus der mangelnden Bestimmtheit iS von § 33 Abs 1 SGB X. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2; Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R). Maßstab für die Bestimmtheitsprüfung ist also der Empfängerhorizont, für die Beteiligten muss sich aus dem Verfügungssatz vollständig, klar und unzweideutig ergeben, was die Behörde will. Unschädlich ist es dabei, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl auch BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese Auslegungsmöglichkeiten finden allerdings ihre Grenze dort, wo es dem Adressaten überlassen bleibt, Gegenstand, Inhalt, Zeitpunkt und Umfang der Aufhebung zu bestimmen, weil der in begünstigende Rechtspositionen eingreifende Leistungsträger verpflichtet ist, diese Entscheidung selbst zu treffen und dem Adressaten bekannt zu geben (so BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R - SozR 4-2600 § 149 Nr 1 RdNr 14 unter Hinweis auf BSG SozR 3-2600 § 149 Nr 6 S 14 sowie BSG vom 29.4.1997 - 4 RA 25/96 - und vom 16.12.1997 - 4 RA 56/96).

17

Der Aufhebungsverwaltungsakt des Beklagten genügt den dargelegten Anforderungen an das Bestimmtheitserfordernis. Es geht aus dem Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides klar und unzweideutig hervor, dass der Beklagte als handelnde Behörde bestimmte, näher bezeichnete Leistungsbescheide, die allein die Klägerin betreffen, ganz oder teilweise aufhebt. Die Aufhebungsverfügungen sind auch nicht deshalb zu unbestimmt, weil sie nicht monatsweise zwischen der bewilligten Regelleistung und den Leistungen für Unterkunft und Heizung unterschieden hätten. Soweit teilweise vertreten wird, ein Aufhebungsverwaltungsakt sei nur dann hinreichend bestimmt, wenn er - spiegelbildlich zur Bewilligung - die aufgehobenen Leistungen monatsweise nach Leistungsarten unterscheide, insbesondere also deutlich machte, ob es sich um Leistungen für Unterkunft und Heizung oder um die Regelleistung handele (so LSG Rheinland-Pfalz vom 30.3.2010 - L 3 AS 138/08 - Juris RdNr 54 ff), folgt der Senat dem nicht (ablehnend für die Festsetzung der Erstattungsforderung nach § 50 Abs 1 SGB X bereits Urteil des Senats vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2 RdNr 37). Für den Leistungsberechtigten muss nur erkennbar sein, ob und in welchem Umfang ihm monatlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts verbleiben, um sein Verhalten daran ausrichten zu können. Jedenfalls mit dem Widerspruchsbescheid hat der Beklagte aber im Einzelnen erkennbar gemacht, welche Bezugsmonate in welchem Umfang von der Aufhebung betroffen sind.

18

Auch die Tatsache, dass der Beklagte im Aufhebungsverwaltungsakt einen Bewilligungsbescheid statt mit "10.10.2006" mit "11.10.2006" bezeichnet hat, hat nicht zur Folge, dass der Verwaltungsakt insgesamt wegen mangelnder Bestimmtheit rechtswidrig ist. Es handelte sich bei der fehlerhaften Datumsangabe - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt - um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die jederzeit beseitigt werden kann (vgl § 38 SGB X). Die fehlende Aufzählung sämtlicher für die betreffenden Leistungszeiträume relevanter Bewilligungsbescheide ist keine Frage der Bestimmtheit, denn dies wirkt sich lediglich auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung aus (dazu unter 3). Die Bestimmtheit des Verwaltungsakts ist deshalb nicht in Frage gestellt.

19

3. Der Erstattungsverwaltungsakt ist teilweise rechtswidrig und war insoweit aufzuheben. Eine Erstattung zu Unrecht erbrachter Geldleistungen kann auf § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X nur gestützt werden, soweit ein Verwaltungsakt (mithin die entsprechende Leistungsbewilligung) aufgehoben worden ist. Dies hat der Beklagte vorliegend hinsichtlich der Änderungsbescheide vom 22.6.2005 und vom 13.12.2005 versäumt. Zwar ist für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 einerseits und den Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 andererseits der zunächst maßgebliche Bewilligungsbescheid (vom 8.4.2005 bzw vom 11.10.2005) von der Aufhebung erfasst. Im laufenden Bewilligungszeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 hat der Beklagte aber ab dem 1.7.2005 aufgrund einer Änderung der Verhältnisse eine vollständig neue Leistungsbewilligung erlassen, nämlich den Änderungsbescheid vom 22.6.2005. Ebenso hat er für den Bewilligungszeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 mit Änderungsbescheid vom 13.12.2005 vom 1.2.2006 bis 30.4.2006 eine neue Leistungsbewilligung vorgenommen. Diese beiden Änderungsbescheide sind im Aufhebungsbescheid nicht genannt. Damit ist eine Aufhebung dieser Bescheide nicht verfügt; die Bewilligungsbescheide vom 22.6.2005 und vom 13.12.2005 sind bestandskräftig. Die Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 8.4.2005 und vom 11.10.2005 geht insoweit ins Leere. Eine Erstattung der Leistungen für die Zeiträume vom 1.7. bis 31.10.2005 und vom 1.2.2006 bis 30.4.2006 auf Grundlage von § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X scheidet aus.

20

Wegen des Erstattungsverwaltungsakts im Übrigen ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich, solange nicht feststeht, inwieweit die Aufhebung der übrigen Bewilligungen Bestand hat. Auch für den Erstattungsverwaltungsakt gilt, dass seine mangelnde Bestimmtheit nicht erkennbar ist. Die übrige Prüfung, ob die Erstattungsverfügung in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig ist, wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben. Ggf ist die gesamte Erstattungssumme im Hinblick auf die fehlende Aufhebung für einzelne Leistungszeiträume neu zu bestimmen.

21

Das LSG wird ggf über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 26. April 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Aufhebung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) hinsichtlich des Zeitabschnitts vom 1.1.2006 bis 30.4.2006.

2

Der Kläger zu 1 und seine im Februar 2004 und im Februar 2006 geborenen Kinder, die Klägerin zu 2 und die frühere Klägerin zu 3, bilden zusammen mit seiner früheren Partnerin und jetzigen Ehefrau, der Mutter der Kinder und früheren Klägerin (im Folgenden: E.), eine Bedarfsgemeinschaft, die seit dem Jahr 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom beklagten Jobcenter bezieht. Aufgrund eines Fortzahlungsantrags der E. wurden der Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 17.10.2005 für den Zeitraum von November 2005 bis April 2006 Leistungen bewilligt, die sich der Höhe nach zwischen 678,12 Euro und 923,86 Euro bewegten. Mit einem mit "Änderung" überschriebenen Bescheid vom 17.11.2005 wurden für Januar 2006 923,86 Euro, für Februar 2006 910,26 Euro und für März bis April 2006 jeweils 797,36 Euro bewilligt. Mit "Änderungsbescheiden" vom 3.5.2006, 21.9.2006 und 29.3.2007 wurden der Bedarfsgemeinschaft für die Monate Januar bis April 2006 jeweils niedrigere Leistungen als zuvor, der zweiten Tochter jedoch mit Bescheid vom 3.5.2006 erstmals Leistungen bewilligt, die sich dann jeweils erhöhten. Die höchsten Zahlungen wurden allen Klägern zuerkannt durch den zuletzt genannten Bescheid vom 29.3.2007 in Höhe von 482,98 Euro für Januar 2006, von 353,64 Euro für Februar, von 175,09 Euro für März 2006 und von 606,46 Euro für April 2006. Die Bescheide waren an die E. adressiert, die auch mit Schreiben vom 3.5.2006 zu einer Überzahlung infolge der Anrechnung von Einkommen angehört wurde. Sie habe vom 1.1.2006 bis 30.4.2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von 1988,19 Euro zu Unrecht bezogen. Die E. erhob am 19.5.2006 Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 3.5.2006, "woraus eine Nachzahlung von 1988,18 Euro resultiere". Auf den Widerspruch folgten die beiden Änderungsbescheide vom 21.9.2006 und vom 29.3.2007, die jeweils eine teilweise Abhilfe enthielten. Der Widerspruch der E. wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.5.2007 "nach Erteilung der Änderungsbescheide vom 21.9.2006 und vom 29.3.2007" zurückgewiesen.

3

Mit einem an die E., den Kläger zu 1 sowie an die E. als gesetzliche Vertreterin der Klägerin zu 2 gerichteten Erstattungsbescheid vom 21.4.2008 forderte der Beklagte unter Bezugnahme auf die Änderungsbescheide von der E. überzahlte Leistungen in Höhe von 742,76 Euro, von dem Kläger zu 1 in Höhe von 707,35 Euro und von der Klägerin zu 2 in Höhe von 360,58 Euro zurück. Über die Widersprüche dagegen ist noch nicht entschieden.

4

Das Sozialgericht (SG) hat im anschließenden Klageverfahren, das von den Eltern und den beiden Kindern geführt wurde, durch Urteil vom 26.11.2008 unter Abänderung der genannten Änderungsbescheide und des Widerspruchbescheids den Beklagten verurteilt, der E. sowie den Klägern unter Anrechnung der bisher gezahlten Leistungen höhere, aber unter dem Bescheid vom 17.11.2005 liegende Leistungen zu zahlen. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen worden. Die E. hat ihre Berufung zurückgenommen und das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Kläger, in der diese - nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 1.6.2010 (B 4 AS 89/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 29) zur Berücksichtigung von Zuschlägen als Einkommen - nur noch die Feststellung der Unwirksamkeit der Änderungsbescheide in der Gestalt des Widerspruchbescheids beantragt haben, zurückgewiesen (Urteil vom 26.4.2012). Zwar seien die angefochtenen Bescheide nur an die E. adressiert gewesen, da diese aber eine der gesetzlichen Vertreter der minderjährigen Kinder sei, genüge dies für eine Bekanntgabe diesen gegenüber (§§ 37, 39 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch). Gegenüber dem Kläger zu 1 sei, auch wenn die Vermutungswirkung des § 38 SGB II nicht greifen sollte, ein etwaiger Bekanntgabemangel zumindest geheilt worden. Nach § 9 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) gelte ein Schriftstück als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen sei. Der Kläger zu 1 habe die Änderungsbescheide in diesem Sinne tatsächlich erhalten.

5

Gegen dieses Urteil wenden sich die Kläger mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision. Sie rügen ihre unterlassene Anhörung nach § 24 SGB X, die mangelnde Bekanntgabe(§ 37 SGB X)der Bescheide, insbesondere gegenüber dem Kläger zu 1, sowie deren fehlende Bestimmtheit nach § 33 Abs 1 SGB X.

6

Die Revision der - früheren - Klägerin zu 3 ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen worden.

7

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 26. April 2012 aufzuheben, das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 26. November 2008 zu ändern sowie den Änderungsbescheid des Beklagten vom 29. März 2007 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 21. Mai 2007 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Der Beklagte hält das Urteil des LSG für zutreffend, alle Bescheide seien hinsichtlich der Anhörung, der Bekanntgabe sowie der Bestimmtheit rechtmäßig, etwaige Mängel seien jedenfalls geheilt worden.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Kläger ist zulässig (§§ 160, 164 Sozialgerichtsgesetz) und im Sinne der Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das LSG auch begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Über die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide kann nicht abschließend entschieden werden, weil es dazu an ausreichenden Feststellungen seitens des LSG bezüglich einer Anhörung fehlt. Zudem ist eine Zurückverweisung auch in Bezug auf die Klägerin zu 2 notwendig, weil das LSG - aus seiner Sicht zu Recht - Feststellungen zu den Ansprüchen der Kläger der Höhe nach unterlassen hat.

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die von den Klägern begehrte Aufhebung des Urteils des LSG bzw Änderung des Urteils des Sozialgerichts (SG) sowie die Aufhebung des letzten, günstigsten Abhilfe-(Änderungsbescheids) vom 29.3.2007 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 21.5.2007. Die vorangegangenen Änderungsbescheide vom 3.5.2006 und vom 21.9.2006 sind durch diesen letzten Änderungsbescheid vom 29.3.2007, der den Klägern die jeweils höchsten Leistungen bewilligt hat, ersetzt worden und sind damit erledigt (§ 39 Abs 2 SGB X).

12

Gegen diesen Bescheid haben sich die Kläger nach dem wahren Kern ihres Begehrens (vgl § 106 Abs 1 SGG) mit einer Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG)als statthafter Klageart gewandt. Die Aufhebung der angefochtenen Bescheide hatten die Kläger auch bereits vor dem SG beantragt und lediglich vor dem LSG auf dessen Anraten ihren Antrag auf die (unzulässige) Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide umgestellt. Da gemäß § 123 SGG das Gericht über die von einem Kläger erhobenen Ansprüche entscheidet, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein, muss nach dem tatsächlichen Begehren der Kläger, das diese in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben, von der Fortgeltung des ursprünglich gestellten Anfechtungsantrags ausgegangen werden. Im Rahmen dieses Antrags ist die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht zu prüfen. Aufgrund fehlender Feststellungen des LSG kann jedoch nicht beurteilt werden, ob der Kläger zu 1 vom beklagten Jobcenter anzuhören war (dazu unter 2.). Allerdings ist der Bescheid weder wegen fehlender Bekanntgabe (dazu unter 3.) noch mangender Bestimmtheit (dazu unter 4.) rechtswidrig.

13

2. Es kann nicht abschließend entschieden werden, ob der Kläger zu 1 neben der E. gesondert anzuhören war. Nach § 24 Abs 1 SGB X ist vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Bei belastenden Verwaltungsakten, also solchen, die gegenüber dem vorherigen Zustand eine ungünstigere Regelung enthalten, ist grundsätzlich anzuhören, denn die Anhörungsvorschriften sollen nach ihrem Sinn und Zweck vor Überraschungsentscheidungen schützen und das Vertrauen in die Verwaltung stärken (vgl BT-Drucks 7/868, S 28). Als eingreifender Verwaltungsakt in dem genannten Sinne sind auch Bescheide zu verstehen, die neben einer Begünstigung im Vergleich zum vorherigen Rechtszustand weniger günstigere Regelungen enthalten (vgl Siefert in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 24 RdNr 9).

14

Da die Änderungsbescheide vom 3.5.2006, vom 21.9.2006 sowie im hier maßgeblichen Bescheid vom 29.3.2007 im Vergleich zum ursprünglichen Bescheid vom 17.11.2005 jeweils ungünstigere, wenn auch sich kontinuierlich verbessernde Leistungsbewilligungen enthielten, ist grundsätzlich von einer Anhörungspflicht auszugehen.

15

a) Hinsichtlich der Klägerin zu 2 ist ein Anhörungserfordernis jedenfalls dadurch gewahrt worden, dass die E. im Ergebnis mit dem Schreiben vom 3.5.2006 nicht nur zu der beabsichtigten Rückforderung, sondern inzident auch zu den Änderungen im Vergleich zum Ausgangsbescheid angehört worden ist. Sie hat dementsprechend Widerspruch eingelegt und dieser hat in den nachfolgenden Änderungsbescheiden seinen Niederschlag gefunden. Da die minderjährige Klägerin zu 2 zumindest auch durch die E., ihre Mutter, gesetzlich vertreten wird, reichte das an die E. gerichtete Schreiben als Anhörung der Klägerin zu 2 aus (BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289, 293 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 24).

16

b) Ob der Kläger zu 1 nach den genannten Grundsätzen hier anzuhören war oder ob eine der in § 24 Abs 2 SGB X ausdrücklich normierten Ausnahmen von der grundsätzlichen Anhörungspflicht greift, kann wegen mangelnder tatsächlicher Angaben im Urteil des LSG nicht festgestellt werden.

17

aa) In Betracht kommt die Ausnahmevorschrift des § 24 Abs 2 Nr 3 SGB X, wonach von einer Anhörung abgesehen werden kann, wenn von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll. In diesem Fall ist der Zweck des rechtlichen Gehörs durch die eigenen Angaben des Betroffenen erfüllt, ob die beabsichtigte Entscheidung der Behörde den Beteiligten im Ergebnis belastet oder begünstigt, ist im Rahmen von § 24 Abs 2 Nr 3 SGB X unerheblich(s Siefert in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 24 RdNr 27). Dass der Kläger zu 1 in dem genannten Sinne selbst tatsächliche Angaben gegenüber dem Beklagten gemacht hat, ist nicht erkennbar. Die Angabe durch den Betroffenen ist aber grundsätzlich Voraussetzung für das Eingreifen der genannten Ausnahmevorschrift (vgl BSG SozR 3-1300 § 24 Nr 12: Ausnahme von der Anhörungspflicht bei Rückforderung überzahlter Vorschüsse nach Maßgabe der Einkommensangaben eines Betroffenen). Hierzu werden im wieder aufgenommenen Berufungsverfahren weitere Feststellungen zu treffen sein.

18

Soweit der Kläger zu 1 sich gegenüber dem Beklagten tatsächlich nicht selbst geäußert hat, kommt eine Zurechnung der Mitteilung durch die E. zu den aufgetretenen Änderungen, insbesondere der Geburt der früheren Klägerin zu 3, des Einkommens des Klägers zu 1 oder des Zuflusses von Mutterschaftsgeld nur in Betracht, wenn sie die Erklärungen zur Überzeugung des LSG mit dem ausdrücklichen Willen und Wissen für den Kläger zu 1 so gemacht hat, als habe er die Erklärungen iS von § 24 Abs 2 Nr 3 SGB X selbst abgegeben. Hierzu bedarf es aber ebenfalls weiterer Feststellungen des LSG. Keine Zurechnungswirkung entfaltet dagegen insoweit die Vertretungsfiktion nach § 38 Abs 1 SGB II(dazu sogleich unter cc).

19

bb) Ebenfalls einschlägig kann die in § 24 Abs 2 Nr 5 SGB X geregelte Ausnahme von der Anhörungspflicht sein. Danach kann eine Anhörung entfallen, wenn lediglich einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen. Dies setzt jedoch voraus, dass es sich um Einkommen des Klägers zu 1 handelt; soweit solches Einkommen ihm gegenüber die angefochtene Aufhebungsentscheidung trägt, bedurfte es einer zusätzlichen Anhörung durch den Beklagten dazu nicht, weil der Kläger zu 1 über diesen Zufluss in eigener Person Kenntnis hatte. Feststellungen dazu fehlen jedoch.

20

cc) Sollte das LSG zu dem Ergebnis kommen, dass der Beklagte unter keinem der genannten Gesichtspunkte von der Anhörung des Klägers zu 1 absehen konnte, ist jedenfalls die Heilung eines etwa bestehenden Anhörungsmangels im Widerspruchsverfahren gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X vorliegend nicht ersichtlich. Das Widerspruchsverfahren ersetzt die förmliche Anhörung, wenn den bis dahin nicht ausreichend angehörten Beteiligten Gelegenheit gegeben wird, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen sachgerecht zu äußern (vgl Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 41 RdNr 15 mwN). Das würde voraussetzen, dass dem Kläger zu 1 selbst Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern, was vorliegend nicht erkennbar ist.

21

Die Heilung eines etwaigen Anhörungsmangels über § 38 Abs 1 SGB II kann grundsätzlich ebenfalls nicht angenommen werden. Zwar wird die in der genannten Vorschrift geregelte Bevollmächtigung eines Leistungsberechtigten, Leistungen für die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen, dahingehend ausgelegt, dass diese vermutete Bevollmächtigung alle Verfahrenshandlungen erfasst, die mit der Antragstellung und der Entgegennahme der Leistungen zusammenhängen und der Verfolgung des Anspruchs dienen (grundlegend BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 29). Zu diesen Verfahrenshandlungen zählt auch die Einlegung eines Widerspruchs (vgl dazu nur Link in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 38 RdNr 23 und 25), jedoch kann die angenommene Bevollmächtigung in § 38 Abs 1 SGB II sich nur auf die Vornahme im Grundsatz begünstigender Handlungen beziehen ("Leistungen … zu beantragen und entgegenzunehmen"). Im Hinblick auf das Widerspruchsverfahren ist durch § 38 Abs 1 SGB II daher grundsätzlich nur die Einlegung des Widerspruchs zur Verhinderung der Rechtskraft eines Bescheids gedeckt. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Kläger zu 1 sich die Ausführungen der E. im Widerspruchsschreiben ausdrücklich zu eigen und deutlich gemacht hätte, dass das Vorbringen der E. auch in seinem Sinne umfassend und abschließend war und aus seiner Sicht Ergänzungen nicht notwendig waren.

22

3. Die angegriffenen Bescheide sind aber ungeachtet der Frage einer erforderlichen Anhörung insofern rechtmäßig, als das Erfordernis der ordnungsgemäßen Bekanntgabe eines Verwaltungsakts gemäß § 37 SGB X als formelle Voraussetzung für das Wirksamwerden des Bescheids vorliegend gewahrt ist. Eine wirksame Bekanntgabe ist zu bejahen, wenn die Behörde willentlich dem Adressaten vom Inhalt des Verwaltungsakts Kenntnis verschafft und der Adressat zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Die Bekanntgabe setzt somit eine zielgerichtete Mitteilung des Verwaltungsakts durch die Behörde voraus (siehe nur Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 37 RdNr 3a, 9). Richtet sich ein Verwaltungsakt an mehrere Beteiligte oder sind mehrere von ihm betroffen, so wird er jedem Einzelnen gegenüber erst zu dem Zeitpunkt wirksam, zu dem er ihm bekannt gegeben wird (BSG Urteil vom 21.7.1988 - 7 RAr 51/86 - BSGE 64, 17, 22 = SozR 1200 § 54 Nr 13),wobei die Möglichkeit der Kenntnisnahme zwingend, aber auch ausreichend ist (vgl Engelmann, aaO, § 37 RdNr 4 und 9 mwN). Daraus folgt, dass weder die zufällige Kenntnisnahme der Beteiligten vom Inhalt des Verwaltungsakts, etwa durch Mitteilung seitens eines Dritten, noch durch eine spätere Akteneinsicht im Gerichtsverfahren für eine wirksame Bekanntgabe ausreichen (vgl BSG Urteil vom 14.4.2011 - B 8 SO 12/09 R - BSGE 108, 123 = SozR 4-3500 § 82 Nr 7, RdNr 12).

23

a) Die genannten Wirksamkeitsvoraussetzungen sind hinsichtlich der Klägerin zu 2 erfüllt. Selbst wenn man von einer gemeinschaftlichen Vertretungsberechtigung der minderjährigen Klägerin durch den Kläger zu 1 und ihre Mutter, der E., ausgeht, konnte die Bekanntgabe der streitgegenständlichen Bescheide in zulässiger Weise allein an E. erfolgen. Im Hinblick auf die Bekanntgabe von Verwaltungsakten gegenüber Minderjährigen hat der Senat unter Heranziehung des Zustellungsrechts des Bundes (§ 6 Abs 3 VwZG)bereits entschieden, dass die Bekanntgabe gegenüber einem gesetzlichen Vertreter genügt (BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7, RdNr 21). Dass die Bekanntgabe an lediglich einen Elternteil ausreichend ist, wurde in der Folgezeit auch in einer weiteren Entscheidung des Senats bestätigt (BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 25).

24

b) Soweit von der Bekanntgabe andere Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 SGB II) betroffen sind, ergeben sich Besonderheiten, die auch für die Bekanntgabevoraussetzungen von Bedeutung sind. Vorliegend ist im Ergebnis von einer wirksamen Bekanntgabe auch gegenüber dem Kläger zu 1 auszugehen, auch wenn die Vermutungsregelung des § 38 SGB II für die Zurechnung von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden nicht greift.

25

aa) Nach § 38 Abs 1 Satz 1 SGB II wird vermutet, dass ein Leistungsberechtigter, der einen Antrag auf Leistungen stellt(§ 37 Abs 1 SGB II), bevollmächtigt ist, Leistungen nach dem SGB II auch für die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen. Daraus folgt, dass der auf Antrag eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten erteilte Bescheid diesem für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II bekannt gegeben werden kann. § 38 Abs 1 SGB II ist dahingehend auszulegen, dass die vermutete Bevollmächtigung alle Verfahrenshandlungen erfasst, die mit der Antragstellung und der Entgegennahme der Leistungen zusammenhängen und der Verfolgung des Anspruchs dienen(vgl oben unter 2 b) cc)). Aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und Verwaltungsprozessökonomie soll verhindert werden, dass die Verwaltung sich bei der Bewilligung von Leistungen trotz des Einzelanspruchs jedes Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft (stRspr seit BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12) stets an jeden einzelnen wenden muss.

26

Die Grenze der Wirkung des § 38 Abs 1 SGB II wird aber bei Verwaltungsakten gesehen, die eine belastende Entscheidung beinhalten, insbesondere also bei Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden(vgl Link in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 38 RdNr 46; Kallert in Gagel, SGB II, 52. Ergänzungslieferung 2014, § 38 RdNr 19; Aubel in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 38 RdNr 31). Da § 38 Abs 1 SGB II nichts an der materiellen Leistungsberechtigung ändert, stellt die Frage, wem gegenüber die Aufhebung eines Bewilligungsbescheids in welchem Umfang erfolgen kann und von wem die Erstattung von zu Unrecht gewährten Leistungen verlangt werden kann, eine Frage des materiellen Rechts dar(s Aubel, aaO, § 38 RdNr 31). Daher muss grundsätzlich die Bekanntgabe eines inhaltlich auch an die übrigen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft gerichteten Aufhebungs- und Erstattungsbescheids gegenüber dem jeweils betroffenen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft erfolgen. Die Bekanntgabe gegenüber dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, der die Leistungen beantragt hat, wirkt also nicht automatisch auch gegenüber den übrigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft (es sei denn, es handelt sich um die minderjährigen Kinder des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, vgl oben 3a), denn der Vorschrift des § 38 SGB II kann die Vermutung für die Existenz einer generellen und uneingeschränkten Vollmacht nicht entnommen werden(Udsching/Link, Aufhebung von Leistungsbescheiden im SGB II, SGb 2007, 513, 516).

27

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass E. zwar für die gesamte Bedarfsgemeinschaft Leistungen beantragen und entgegennehmen sowie auch Widerspruch einlegen konnte. Soweit aber der streitgegenständliche Änderungsbescheid auch belastende Anteile enthielt und insoweit eine Aufhebung vorheriger Leistungsbewilligungen erfolgt ist, konnte eine Bekanntgabe ihr gegenüber nicht automatisch auch gegenüber den übrigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft wirken, es sei denn, es handelte sich - wie bei der Klägerin zu 2 - um eines ihrer minderjährigen Kinder. Im Grundsatz mussten die Änderungsbescheide neben der E. auch dem Kläger zu 1 gesondert bekannt gegeben werden.

28

bb) Auch wenn § 38 SGB II für die Zurechnung von belastenden Verwaltungsakten im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich nicht gilt, schließt dies nicht aus, dass eine Bekanntgabe nach allgemeinen Grundsätzen erfolgen kann. Eine Bekanntgabe an ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, das nicht als Vertreter derselben nach § 38 SGB II auftritt, erfordert nach den oben dargestellten Voraussetzungen einen Bekanntgabewillen der Behörde ihm gegenüber sowie zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme dieses anderen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft von dem Verwaltungsakt. Der Bekanntgabewille der Behörde ist anzunehmen, wenn die Behörde zielgerichtet den Bescheid dem Regelungsadressaten über den vermuteten Vertreter nach § 38 SGB II als (vermeintlichen) Empfangsbevollmächtigten bekanntgibt und sich aus dem Inhalt des Bescheids eindeutig schließen lässt, wer Adressat und von der Entscheidung betroffen sein soll(Udsching/Link, Aufhebung von Leistungsbescheiden im SGB II, SGb 2007, 513, 516). Weitere Voraussetzung für eine Bekanntgabe ist, dass das von der Regelung betroffene Mitglied der Bedarfsgemeinschaft die Möglichkeit der Kenntnisnahme dadurch erlangt hat, dass der Verwaltungsakt so in seinen Machtbereich gelangt ist, dass es von dem Schriftstück Kenntnis nehmen und diese Kenntnisnahme nach den allgemeinen Gepflogenheiten auch von ihm erwartet werden kann (so bereits Bundesverwaltungsgericht , Urteil vom 11.5.1960 - V C 320.58 -, BVerwGE 10, 293; Fortführung in Beschluss vom 22.2.1994 - 4 B 212/93 -; vgl auch Bundesfinanzhof , Urteil vom 9.12.1999 - III R 37/97 -, BFHE 190, 292; s dazu Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 37 RdNr 4 ff mwN). Dann liegt kein Fall einer unwirksamen zufälligen Kenntnisnahme vor. Erst recht gilt der Zugang als erfolgt, wenn er tatsächlich stattgefunden hat.

29

Dem Kläger zu 1 sind die Änderungsbescheide nach den vorgenannten Grundsätzen bekannt gegeben worden. Zum einen ist der Wille des Beklagten, die geänderten Leistungsbescheide über die E. auch zielgerichtet dem Kläger zu 1 bekannt geben zu wollen, daraus ersichtlich, dass bereits im Verfügungssatz alle Adressaten mit Namen und Geburtsdaten aufgeführt sind, sodass es keine Zweifel geben kann, wer inhaltlich von der Entscheidung betroffen sein sollte. Eine Bekanntgabe ist im Übrigen - offenkundig durch die Weiterleitung durch die E. - gegenüber dem Kläger zu 1 jedenfalls spätestens zu dem Zeitpunkt erfolgt, zu dem er seinen Rechtsanwalt konsultierte und nach den Feststellungen des LSG die hier in Streit stehenden Änderungsbescheide Gegenstand der Unterredung gewesen sind, die schließlich in die Beauftragung zur Führung des vorliegenden Rechtsstreits mündete. Aufgrund dieser wirksamen Bekanntgabe der umstrittenen Bescheide auch gegenüber dem Kläger zu 1 kann es vorliegend dahingestellt bleiben, ob und in welcher Weise eine Heilung eines etwaigen Bekanntgabemangels erfolgen kann (vgl dazu Udsching/Link, Aufhebung von Leistungsbescheiden im SGB II, in SGb 2007, 513 ff).

30

4. Der angefochtene Änderungsbescheid ist auch inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X). Das Bestimmtheitserfordernis bezieht sich sowohl auf den Verfügungssatz (BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 8 SO 2/09 R - SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 11) als auch auf den Adressaten eines Verwaltungsakts (BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 154/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16). Es verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten (näher BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN). Zur Erfüllung der genannten Voraussetzungen genügt es, wenn aus dem gesamten Inhalt eines Bescheids einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung hinreichende Klarheit über die Regelung gewonnen werden kann. Ausreichende Klarheit besteht selbst dann, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 26).

31

a) Das Bestimmtheitserfordernis hinsichtlich des Adressaten der Verwaltungsakte ist hier gewahrt. Den jeweiligen Änderungsbescheiden lässt sich eindeutig entnehmen, welche Adressaten betroffen sind. Dafür ist nicht nur das Adressfeld maßgeblich, in dem die E. genannt wird, sondern die Bestimmung des oder der Adressaten kann sowohl durch den Text im Verfügungssatz als auch durch die Begründung des angefochtenen Bescheids erfolgen (so BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 154/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 17). Vorliegend ergibt sich - wie ausgeführt - bereits aus dem Verfügungssatz, dass neben der E. der Kläger zu 1, die Klägerin zu 2 und die zweite Tochter, die frühere Klägerin zu 3, von den Bescheiden betroffen und damit Adressaten dieser sind.

32

b) Ebenso ergeben sich keine Bedenken gegen die Bestimmtheit der Verfügungssätze in dem Änderungsbescheid, weil sich daraus und aus den vorangegangenen Änderungsbescheiden klar und unzweideutig erkennen lässt, dass sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft angesprochen und mit Ausnahme der früheren Klägerin zu 3 ihnen gegenüber Leistungsbewilligungen teilweise aufgehoben werden. Nicht nur sind alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bereits im Verfügungssatz namentlich benannt, vielmehr werden auch die eingetretenen Änderungen jeweils in bestimmter, zahlenmäßig benannter Höhe geregelt. Aus der gegebenen Begründung war für die Empfänger ohne Weiteres zu erkennen, dass Einkommen angerechnet wurde und sich damit der monatliche individuelle Leistungsanspruch auf einen konkreten Betrag verringerte. Es kommt insoweit nach den dargelegten Grundsätzen nicht allein auf die Überschrift "Änderung" an, sondern auf den Gesamtzusammenhang der Änderungsbescheide mit Bezug auf die ursprüngliche Leistungsbewilligung vom 17.10.2005 und den Änderungsbescheid vom 17.11.2005 sowie auf die in den Änderungsbescheiden vom 3.5.2006, vom 21.9.2006 und vom 29.3.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.5.2007 gegebene Begründung und durchgeführte Berechnung. Insoweit ist auch der allgemeine Hinweis dahingehend, dass für den Fall, dass Leistungen zu Unrecht erbracht worden seien, noch geprüft werde, inwieweit diese zurückzuzahlen seien, nicht zu beanstanden. Damit wird lediglich angekündigt, dass ggf noch ein Erstattungsbescheid folgen wird, dessen Rechtmäßigkeit dann wiederum gesondert zu prüfen ist.

33

5. Ob der Änderungsbescheid vom 29.3.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.5.2007 im Übrigen materiell-rechtlich rechtmäßig ist, kann mangels weiterer Feststellungen zu den Ansprüchen der Kläger, insbesondere der Feststellung der Bedarfe und der Frage, ob und ggf bei wem Einkommen oder Vermögen zu berücksichtigen ist, nicht beurteilt werden, weil das LSG seine Prüfung allein auf die formelle Rechtmäßigkeit beschränkt und aus seiner Sicht folgerichtig zu den materiellen Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs nichts ausgeführt hat.

34

Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Liegen die in § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist, so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen.

(2) Liegen die in § 45 Abs. 2 Satz 3 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vor, ist dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(3) Liegen die in § 48 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, ist dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Abweichend von § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an ein Verwaltungsakt auch aufzuheben, soweit sich das Bemessungsentgelt auf Grund einer Absenkung nach § 200 Abs. 3 zu Ungunsten der Betroffenen oder des Betroffenen ändert.

(4) Liegen die Voraussetzungen für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes vor, mit dem ein Anspruch auf Erstattung des Arbeitslosengeldes durch Arbeitgeber geltend gemacht wird, ist dieser mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(5) (weggefallen)

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Liegen die in § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist, so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen.

(2) Liegen die in § 45 Abs. 2 Satz 3 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vor, ist dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(3) Liegen die in § 48 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, ist dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Abweichend von § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an ein Verwaltungsakt auch aufzuheben, soweit sich das Bemessungsentgelt auf Grund einer Absenkung nach § 200 Abs. 3 zu Ungunsten der Betroffenen oder des Betroffenen ändert.

(4) Liegen die Voraussetzungen für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes vor, mit dem ein Anspruch auf Erstattung des Arbeitslosengeldes durch Arbeitgeber geltend gemacht wird, ist dieser mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(5) (weggefallen)

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Personen, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze mit Ablauf des Monats, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden. Für Personen, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Altersgrenze wie folgt angehoben:

für den
Geburtsjahrgang
erfolgt eine
Anhebung
um Monate
auf den Ablauf des Monats,
in dem ein Lebensalter
vollendet wird von
1947165 Jahren und 1 Monat
1948265 Jahren und 2 Monaten
1949365 Jahren und 3 Monaten
1950465 Jahren und 4 Monaten
1951565 Jahren und 5 Monaten
1952665 Jahren und 6 Monaten
1953765 Jahren und 7 Monaten
1954865 Jahren und 8 Monaten
1955965 Jahren und 9 Monaten
19561065 Jahren und 10 Monaten
19571165 Jahren und 11 Monaten
19581266 Jahren
19591466 Jahren und 2 Monaten
19601666 Jahren und 4 Monaten
19611866 Jahren und 6 Monaten
19622066 Jahren und 8 Monaten
19632266 Jahren und 10 Monaten
ab 19642467 Jahren.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tatbestand

Streitig ist die Aufhebung der für die Zeit vom 01.03.2011 bis 30.06.2011 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen der Nichtzahlung der Miete durch den Kläger an seine Vermieterin. Nach seinem Umzug aus dem M.-Kreis bezog der Kläger ab 01.11.2005 Alg II vom Beklagten. Er leidet insbesondere unter einer Laktose- und Fruktoseintoleranz. Nach dem Mietvertrag der bis zum 30.11.2011 bewohnten Wohnung und der Bescheinigung der Vermieterin betrug die Miete zunächst 305 EUR (Kaltmiete 220 EUR, kalte Nebenkosten 45 EUR und Heizung 40 EUR) und wurde vom Beklagten - gemäß der Vereinbarung im Mietvertrag - bis 31.10.2009 und wieder ab 01.05.2010 direkt an die Vermieterin überwiesen. Mit Bescheid vom 29.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2011 bewilligte der Beklagte vorläufig Alg II für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.2011 i. H. v. monatlich 803,33 EUR. Die monatliche Miete i. H. v. 338 EUR werde weiterhin an die Vermieterin überwiesen. Nach Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern (DRV), der Kläger erhalte ab 01.11.2010 bis 30.04.2012 eine arbeitsmarktbedingte Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, änderte der Beklagte mit Bescheid vom 17.02.2011 die Bewilligung des Alg II für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.2011 auf monatlich 231,10 EUR ab. Wegen des nur noch ergänzenden Leistungsanspruchs könne die Miete nicht länger direkt an die Vermieterin überwiesen werden. Unterkunftskosten würden i. H. v. 375,53 EUR anerkannt. Der Kläger sei verpflichtet, diesen Betrag an die Vermieterin bzw. die zuständigen Stellen vollständig zu zahlen, andernfalls müsse er mit einer Rückforderung der zweckwidrig verwendeten Leistungen rechnen. Entsprechende Zahlungen seien jeweils bis zum 10. des Monats nachzuweisen. Mit Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung ab 01.03.2011 ganz auf, da der Kläger keine Nachweise für die anfallenden Unterkunftskosten vorgelegt habe. Der Kläger sei im Bescheid vom 17.02.2011 darüber informiert worden, dass die Unterkunftskosten nicht mehr direkt an die Vermieterin überwiesen werden würden und er verpflichtet sei, die vollständigen berücksichtigten Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. v. 375,53 EUR an seine Vermieterin weiterzuleiten. Trotz entsprechender Aufforderung habe der Kläger keinen Nachweis für die Mietzahlungen ab 01.03.2011 vorgelegt. Unterkunftskosten, die ein Leistungsberechtigter nicht zahle, stellten keinen Bedarf im Sinne von „tatsächlichen Aufwendungen“ dar. Den übrigen Bedarf habe er mit seinem Renteneinkommen decken können. Die entsprechende Änderung der tatsächlichen Verhältnisse habe der Kläger zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilt. Im Rahmen einer Vorsprache gab die Vermieterin beim Beklagten an, der Kläger habe seit dem 01.03.2011 keine Mietzahlungen mehr geleistet. Mit Urteil des Amtsgerichts O. - Zweigstelle M. - vom 02.11.2011 (14 C 372/11) wurde der Kläger u. a. zur Räumung seiner Wohnung und Zahlung von Mietrückständen für die Zeit von März bis August 2011 i. H. v. insgesamt 2.028 EUR sowie Restschulden aus Haus- und Heizkostenabrechnungen für 2009 und 2010 i. H. v. 514,87 EUR verurteilt. Nach einem Umzug zum 01.11.2011 bewilligte der Beklagte wieder Alg II. Mit seiner beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger zuletzt die Aufhebung des Bescheides vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 beantragt. Neben der Rentengewährung durch die DRV habe der Beklagte ergänzend Alg II zu zahlen. Mittlerweile könne er keine Miete mehr bezahlen, da seine medizinische Versorgung vorrangig sei. Mit Urteil vom 16.02.2012 hat das SG den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 aufgehoben. Die Tatsache, dass der Kläger keine Mietzahlungen erbringe, sei für den Bedarf unerheblich. Es genüge, wenn der Leistungsberechtigte einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt sei. Es fehle an einer wesentlichen Änderung iSv § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Auch aus § 22 Abs. 7 Satz 2 SGB II ergebe sich, dass der Leistungsanspruch bei fehlender Mietzahlung nicht entfalle, sondern der Leistungsträger dann vielmehr die Miete direkt an die Vermieterin zahlen könne. Dies gelte auch, wenn nur ein Teilbetrag gewährt werde. Der Kläger hat ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem SG erklärt, er verzichte auf Rechtsmittel gegen das Urteil. Dagegen haben beide Beteiligte Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Der Beklagte hat vorgetragen, die Nichtzahlung der Miete durch den Kläger stelle eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dar. Aus dem Begriff „Aufwendungen“ in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II folge, dass solche nur dann anzunehmen seien, wenn die Miete tatsächlich bezahlt werde. So sehe auch das BSG (Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R) die tatsächliche Zahlung als notwendig an. Ab März 2011 habe der Kläger keine Miete mehr gezahlt, mithin keine Aufwendungen mehr gehabt. Auch spätere Versuche, ihn noch zur Mietzahlung zu veranlassen, um eine Leistungsgewährung zu ermöglichen, seien ohne Erfolg geblieben. Im Übrigen sei das Mietverhältnis bereits zum 31.10.2008 gekündigt worden und der Kläger habe vorgebracht, es bestehe gar keine Pflicht zur Mietzahlung. Er habe versucht, eine Mietminderung vorzunehmen. Hätte der Beklagte die Miete direkt überwiesen, so würden die Voraussetzungen des § 47 SGB X vorliegen. Eine Direktzahlung an die Vermieterin wäre ebenfalls nicht zielführend gewesen, da der Kläger nicht bereit gewesen sei, seinen Anteil selbst zu überweisen. § 22 Abs. 7 SGB II sei nicht einschlägig, da der Kläger sich ganz bewusst entschieden habe, die Miete nicht an seine Vermieterin zu überweisen. Soweit der Kläger weitere Ansprüche geltend mache, die nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen seien, bestehe kein Einverständnis mit einer entsprechenden Klageerweiterung.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 16.02.2012 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zu verwerfen. Der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 16.02.2012 zu verurteilen, Schadensersatz zu zahlen.

Zwar habe ihm das SG für die Zeit vom 01.03.2011 bis 30.06.2011 Recht gegeben, daneben müsse der Beklagte auch Schadenersatz leisten. Seinen Verzicht auf Rechtsmittel erkläre er für nichtig.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet; die Berufung des Klägers ist bereits unzulässig. Das SG hat zu Recht den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 aufgehoben. Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Berufung des Klägers ist unzulässig. Es fehlt an einer Beschwer. Eine solche liegt nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung dem Berufungskläger etwas versagt hat, was er beantragt hatte (formelle Beschwer), also bei Klageabweisung oder teilweiser Klageabweisung, nicht aber bei Stattgabe in vollem Umfang, grds. auch nicht, wenn das Gericht der Klage aus anderen Gründen stattgegeben hat, als vom Kläger vorgetragen (vgl. dazu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, vor § 143 Rn. 6 m. w. N.). Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem SG vom 16.02.2012 hat er zuletzt beim SG allein die Aufhebung des Bescheides vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 beantragt. Damit hat er sein Klagebegehren auf diesen Streitgegenstand - die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 - beschränkt. Eine solche Beschränkung war auch zulässig. Mit dem angefochtenen Bescheid hat der Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 01.03.2011 bis 30.06.2011 - insoweit waren dem Kläger Leistungen mit dem Bescheid vom 29.11.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17.02.2011 bewilligt worden - aufgehoben. Statthafte Klageart gegen diese Aufhebung ist die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG). Der Antrag ist ihm nach der Niederschrift auch vorgelesen und von ihm genehmigt worden, er wurde nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage gestellt. An der Wirksamkeit dieser Prozesserklärung besteht damit kein Zweifel. Ihr Inhalt wird durch den Inhalt der Sitzungsniederschrift bewiesen (§ 122 SGG i. V. m. § 165 Zivilprozessordnung -ZPO-) und ist unter Beachtung der Anforderungen von § 160 Abs. 3 Nr. 2 SGG und § 162 Abs. 1 ZPO protokolliert worden. Die Niederschrift ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgefertigt und vom Vorsitzenden sowie von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben worden (§ 122 SGG i. V. m. §§ 159 f ZPO). Diesem Antrag hat das SG in vollem Umfang entsprochen. Es hat (antragsgemäß) den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 aufgehoben. Damit ist der Kläger durch die Entscheidung des SG nicht beschwert. Auch wenn teilweise vertreten wird, eine Anschlussberufung - die im Hinblick auf die bereits zuvor vom Beklagten eingelegte Berufung angenommen werden könnte - könne alleine zum Zwecke einer Klageerweiterung eingelegt werden (vgl. dazu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 143 Rn. 5d m. w. N.), wäre eine solche Klageerweiterung im Berufungsverfahren mangels Zustimmung des Beklagten bzw. einer Sachdienlichkeit im Sinne einer Prozessökonomie nicht zulässig (§ 99 SGG). Der Kläger hat die im Berufungsverfahren gestellten Anträge zudem zuletzt auch nicht hilfsweise im Rahmen des Klageverfahrens vor dem SG gestellt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 17.05.1988 - 10 RKg 3/87 - BSGE 63, 167; Leitherer a. a. O.). Die Berufung des Klägers war damit als unzulässig zu verwerfen, ohne dass es darauf ankommt, ob einer solchen schon der nach der Niederschrift vom 16.02.2012 erklärte Rechtsmittelverzicht des Klägers - der nach dem Protokoll nicht nochmals vorgelesen und vom Kläger genehmigt worden ist - entgegen steht. Die zulässige Berufung des Beklagten ist dagegen unbegründet. Die mit dem Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 verfügte Aufhebung der Leistungsbewilligung ab dem 01.03.2011 ist rechtswidrig. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II i. d. F. des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) bzw. § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. d. F. der Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13.05.2011 (BGBl I 850) i. V. m. § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass vorliegend für die Zeit ab 01.03.2011 keine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist. Der Umstand, dass der Kläger die Miete nicht an seine Vermieterin gezahlt und die Leistungen des Beklagten nach eigenen Angaben im Hinblick auf den von ihm angenommenen krankheitsbedingten Mehrbedarf vorrangig eingesetzt hat, ist leistungsrechtlich nicht erheblich. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. d. F. des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 -BGBl I 453-). Bereits aus dem Gesetzeswortlaut folgt, dass danach nur solche Bedarfe zu berücksichtigen sind, die dem Leistungsberechtigten tatsächlich entstanden sind und für deren Deckung ein Bedarf besteht. Der Kläger hat für die Überlassung der von ihm bewohnten Wohnung im streitigen Zeitraum keine Mietzinszahlungen an die Vermieterin der Wohnung geleistet. Allerdings führt dies nicht - wie der Beklagte meint - bereits dazu, dass keine Unterkunftskosten mehr zu berücksichtigen wären. „Tatsächliche Aufwendungen“ für eine Wohnung liegen nicht nur dann vor, wenn die Miete bereits gezahlt wurde und nunmehr deren Erstattung verlangt wird, sondern es genügt, dass der Leistungsberechtigte im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist (vgl. BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 1; Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217; Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179; Luik in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 46; Krauß in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand 10/2012, § 22 Rn. 43). Dies ergibt sich schon daraus, dass bei einer Nichtzahlung der Miete regelmäßig die Kündigung und Räumung der Unterkunft droht. Zweck der Regelung über die Erstattung der Kosten für die Unterkunft ist es aber gerade, existentielle Notlagen zu beseitigen und den Eintritt von Wohnungslosigkeit zu verhindern. Für die Frage, ob tatsächlich Aufwendungen für Unterkunft entstanden sind, kommt es nicht darauf an, ob der Leistungsberechtigte der Verpflichtung aus eigenen Mitteln wird nachkommen können oder in der Vergangenheit nachkommen konnte, auch nicht, ob die Aufwendungen bisher durch andere Sozialleistungen gedeckt wurden. Ausgangspunkt für die Frage, ob eine wirksame Mietzinsverpflichtung des Hilfebedürftigen vorliegt, ist in erster Linie der Mietvertrag mit dem der geschuldete Mietzins vertraglich vereinbart worden ist (so insgesamt BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 1). Auch aus dem vom Beklagten im Widerspruchsbescheid in Bezug genommene Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 22.06.2006 - L 8 AS 165/06 ER) ergibt sich nichts anderes, da dort ebenfalls nur auf die Notwendigkeit tatsächlicher Aufwendungen abgestellt wird, die das Gericht dort u. a. im Hinblick auf die tatsächlichen Zahlungen für gegeben erachtet hat. Dass alleine tatsächliche Zahlungen „tatsächliche Aufwendungen“ darstellen sollen, geht daraus nicht hervor. Dies gilt auch für die vom Beklagten im Rahmen der Berufung angegebene Entscheidung des BSG (Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R). Dort wurde alleine die Höhe der tatsächlichen Zahlungen für maßgeblich dafür befunden, in welcher Höhe Aufwendungen zugrunde zu legen sind, wenn rein rechtlich ggf. nur ein geringerer Mietzinsanspruch des Vermieters besteht. Es wird aber nicht umgekehrt eine tatsächliche Zahlung als Anspruchsvoraussetzung bezeichnet. Der Kläger war für die Zeit vom 01.03.2011 bis 30.06.2011 unverändert einer entsprechenden Mietzinsforderung ausgesetzt. Mit Urteil des Amtsgerichts O. - Zweigstelle M. - vom 02.11.2011 (14 C 372/11) wurde er u. a. zur Zahlung der Mietrückständen für diesen Zeitraum verurteilt. Damit steht fest, dass - trotz einer etwaigen vorhergehenden Kündigung - ein Mietverhältnis fortbestanden und ebenso eine entsprechend wirksame Mietzinsforderung bestanden hat. Im Übrigen ist der Beklagte auch zuvor nicht davon ausgegangen, der Kläger habe wirksam eine Mietminderung vorgenommen oder es habe wegen einer Kündigung kein Mietzinsanspruch mehr bestanden. Bis einschließlich 28.02.2011 hat er entsprechende Aufwendungen berücksichtigt. Aber selbst eine der Vermieterin unzweifelhaft zustehende Nutzungsentschädigung bei Nichträumung der Wohnung durch den Kläger nach Kündigung würde als Aufwendung im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen sein (vgl. Luik a. a. O. Rn. 49). Es hätte dem Beklagten frei gestanden, wie zuvor auch, eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung über die Direktzahlung der bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung an die Vermieterin zu treffen (§ 22 Abs. 7 SGB II). Eine Einschränkung, dass die Direktzahlung nur dann möglich sein soll, wenn die vollständige Miete gezahlt werden kann, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Ebenso greift die Möglichkeit auch in den Fällen, in denen der Leistungsberechtigte eine Mietzinszahlung (unberechtigterweise) nicht vornehmen will. Wie oben ausgeführt, bestand nicht zuletzt nach dem Urteil des Amtsgerichts O. ein Anspruch auf ungeminderte Mietzinszahlung im streitgegenständlichen Zeitraum. Schließlich kann der Beklagte seine Entscheidung auch nicht auf § 47 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X stützen. Ein Widerruf der Bewilligungsentscheidung nach dieser Vorschrift setzt in jedem Fall eine Ermessensentscheidung voraus. Anders als für die Vorschrift des § 48 SGB X gibt es nach § 40 Abs. 1 SGB II aF bzw. § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB II nF i. V. m. § 330 SGB III keine Einschränkung des Ermessens. Eine solche Ermessensentscheidung hat der Beklagte im Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 nicht getroffen. Eine entsprechende Widerrufsentscheidung wäre schon deshalb aufzuheben. Das SG hat demnach den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 zu Recht aufgehoben. Die Berufung des Beklagten war mithin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 27. Mai 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), insbesondere die Kosten einer Auszugsrenovierung.

2

Die im Jahr 1975 geborene Klägerin zu 1 erhält mit ihren in den Jahren 1998 und 2003 geborenen Kindern, den Klägern zu 2 und 3, für die sie allein sorgeberechtigt ist, seit dem 1.1.2005 Leistungen nach dem SGB II und wohnte mit ihnen seit dem 1.3.2002 in Z. in einer Wohnung der beigeladenen Wohnungsbaugesellschaft. Die Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters - im Folgenden auch Beklagter - händigte der Klägerin zu 1 am 28.8.2006 ein Merkblatt aus, forderte sie zur Senkung der Kosten der Unterkunft auf und gewährte ab dem 1.12.2006 nur noch die als angemessen angesehenen Kosten der Unterkunft. In einem Gespräch am 3.2.2007, in dem der Beklagte dem Mietvertrag für die neue Wohnung zustimmte, wies er die Klägerin zu 1 darauf hin, dass der (alte) Mietvertrag mit der Beigeladenen starre Renovierungsregelungen beinhalte, die nichtig seien, und er - der Beklagte - keine Renovierungskosten übernehme. Im Laufe des Februars 2007 zogen die Kläger in ihre jetzige Wohnung um. Durch Schreiben vom 15.2.2007 teilte die Beigeladene der Klägerin zu 1 mit, sie habe die Wohnung am Ende des Mietverhältnisses am 28.2.2007 in vertragsgerechtem Zustand zu übergeben und es sei erforderlich, diese neu zu tapezieren und zu malern. Der mietvertragliche Fristenplan sei abgelaufen. In einem beigefügten Voranschlag wurden die Kosten auf 2636,80 Euro geschätzt. Die Kläger nahmen keine Arbeiten an der Wohnung vor. Die Beigeladene beauftragte eine Firma H., die der Beigeladenen am 5.4.2007 für die durchgeführten Maßnahmen 2955,10 Euro in Rechnung stellte. Den schon zuvor gestellten Antrag der Kläger auf Übernahme dieser Kosten lehnte der Beklagte ab, weil die Regelung über die Schönheitsreparaturen in dem Mietvertrag nichtig sei und keine Selbsthilfemöglichkeiten seitens der Kläger zu erkennen seien (Bescheid vom 21.2.2007, Widerspruchsbescheid vom 26.6.2007).

3

Das angerufene Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.7.2008). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Wohnungsbaugesellschaft beigeladen, auf die Berufung der Kläger den Beklagten verurteilt, die Kosten für die Auszugsrenovierung in Höhe von 2541,87 Euro zu übernehmen, und im Übrigen die Klage abgewiesen (Urteil vom 27.5.2009). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Die in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von 2955,10 Euro seien nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung tatsächlich angefallen und angemessen, wie sich aus dem Zustand der Wohnung nach dem Auszug der Kläger ergebe. Es seien aber nur die Nr 1 und Nr 3 der in der Rechnung enthaltenen Positionen teilweise von dem Beklagten als Kosten der Unterkunft zu übernehmen, sodass sich geschätzt unter Einbeziehung der Mehrwertsteuer der zugesprochene Betrag ergebe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24), der sich das LSG anschließe, seien Mietzinsen als tatsächliche Aufwendungen berücksichtigungsfähig, soweit sie auf der Grundlage einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung beruhen und vom Hilfeempfänger tatsächlich gezahlt werden. Gleiches gelte für die Kosten einer mietvertraglich vereinbarten Auszugsrenovierung. Ausreichend sei, dass der Hilfebedürftige einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt sei. Prüfungsmaßstab sei nicht zuförderst das tatsächliche Bestehen der Forderung, sondern dass sie "soziale Wirksamkeit" besitze. Lediglich wenn bekannt sei oder es hätte bekannt sein müssen, dass die Forderung nicht bestehe, dh offenkundig nicht vorliege, könne eventuell etwas Anderes gelten. Im Hinblick auf die "nicht unproblematische, diffizile und differenzierende Rechtsprechung der Zivilgerichte" könne vorliegend nicht sicher prognostiziert werden, ob die Kläger in einem Zivilrechtsstreit um die Kosten der Auszugsrenovierung unterliegen würden. An eine entsprechende "Einschätzung" des LSG wären die Zivilgerichte nicht gebunden. Daher sei es gerechtfertigt, lediglich auf die soziale Wirksamkeit der Forderung abzustellen und von einer ins Einzelne gehende mietrechtlichen Prüfung Abstand zu nehmen. Der Beigeladene habe angekündigt, ggf Klage zu erheben, und den Klägern könne nicht zugemutet werden, sich erst verklagen zu lassen. Für die Übernahme der weiteren Beträge mangele es an einer Rechtsgrundlage.

4

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 22 SGB II. Er macht geltend, für einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Auszugsrenovierung genüge nicht die "soziale Wirksamkeit" der Forderung des Vermieters, vielmehr sei auf deren zivilrechtliche Wirksamkeit abzustellen.

5

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 27. Mai 2010 aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Stralsund vom 25. Juli 2008 zurückzuweisen.

6

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Es sei maßgeblich auf die Sicht der Hilfebedürftigen abzustellen, ob sie sich zur Renovierung verpflichtet ansahen. Die Auffassung des Jobcenters sei nicht relevant.

8

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

9

Auf die Revision des Beklagten ist das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet, weil aufgrund der Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden kann, ob die Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Übernahme von Kosten für die Auszugsrenovierung in Höhe von 2541,87 Euro haben (§ 170 Abs 1, 2 Sozialgerichtsgesetz).

10

Zwar können die Kosten einer Auszugsrenovierung als Leistung für die Unterkunft zu übernehmen sein (dazu 3.). Voraussetzung dafür ist jedoch nicht deren "soziale Wirksamkeit", sondern ob sie tatsächliche, angemessene Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sind (dazu 4.). Die Ablehnung der Übernahme solcher Kosten als unangemessen wegen der Unwirksamkeit bestimmter Regelungen im Mietvertrag stellt besondere Anforderungen an das vom beklagten Jobcenter durchzuführende Kostensenkungsverfahren; insofern fehlen entsprechende Feststellungen des LSG (dazu 5.).

11

1. Streitgegenstand des Verfahrens ist die durch Bescheid vom 21.2.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.6.2007 ausgesprochene Weigerung des Beklagten, die von den Klägern geforderte höhere Leistung für Unterkunft und Heizung aufgrund der von der Beigeladenen ihnen gegenüber geltend gemachten Kosten für die Auszugsrenovierung zu gewähren. An der Zulässigkeit eines auf die Leistung für Unterkunft und Heizung beschränkten Rechtsmittels (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18; zuletzt: BSG vom 6.10.2011 - B 14 AS 66/11 R - zur Veröffentlichung vorgesehen) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II aufgrund des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), das insofern zum 1.1.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für laufende Verfahren über vorher abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert.

12

2. Rechtsgrundlage für den von den Klägern geltend gemachten und vom LSG zugesprochenen Anspruch auf die Kosten der Auszugsrenovierung sind § 7 Abs 1 Satz 1, § 19 Satz 1, § 22 Abs 1 Satz 1, § 28 SGB II in der Anfang des Jahres 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706), die auf den von den Klägern geltenden gemachten Anspruch Anfang des Jahres 2007 weiterhin anzuwenden ist. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nach § 7 SGB II erfüllte die im Leistungsbezug nach dem SGB II stehende Klägerin zu 1 sowie ihre mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder, die Kläger zu 2 und 3. Zu den als Arbeitslosengeld II bzw Sozialgeld zu erbringenden Leistungen gehören auch solche für die Unterkunft und Heizung, die in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit sie angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II).

13

3. Zu den als Leistungen für die Unterkunft zu erbringenden Aufwendungen können auch, wovon das LSG zu Recht ausgegangen ist, die Kosten einer Auszugsrenovierung gehören, soweit sie auf einem Mietvertrag des Hilfebedürftigen mit dem Vermieter beruhen. Solche Kosten sind - wie mietvertraglich vereinbarte Zuschläge für Schönheitsreparaturen im laufenden Mietverhältnis und Renovierungskosten bei Einzug in eine Wohnung - nicht mit der Regelleistung abgedeckt, sondern unterfallen nach dem Wortlaut des § 22 SGB II und aus systematischen Gründen den Kosten der Unterkunft(vgl zur Einzugsrenovierung: BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R, BSGE 102, 194 = SozR 4-4200 § 22 Nr 16; zur Auszugsrenovierung: BSG vom 6.10.2011 - B 14 AS 66/11 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).

14

4. Dem LSG kann jedoch nicht gefolgt werden, soweit es zur näheren Konkretisierung der von dem Beklagten zu übernehmenden Kosten der Auszugsrenovierung als Maßstab auf die "soziale Wirksamkeit" der Forderung der Beigeladenen gegenüber den Klägern abstellt. Maßgeblich für Leistungen für die Unterkunft sind nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen, soweit sie angemessen sind. Auszugehen ist damit von den vom Hilfebedürftigen zu leistenden Zahlungen. Da jedoch Hilfebedürftige aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse oftmals nicht in der Lage sind, einen größeren Betrag zu zahlen, vorliegend fast 3000 Euro, ist der tatsächlichen Zahlung gleichzusetzen, dass sie einer entsprechenden Forderung "ernsthaft" ausgesetzt sind (BSG vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16 f mwN).

15

In diesem vom LSG angeführten Urteil hat der 4. Senat des BSG keine weitere Voraussetzung "soziale Wirksamkeit" aufgestellt, auch wird der Begriff in dem angeführten Urteil nicht verwendet. Eine Ausnahme von der Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen hat der 4. Senat lediglich dann als erwägenswert angesehen, wenn die Unwirksamkeit der getroffenen Vereinbarung bekannt ist oder bekannt sein müsste, weil Aufwendungen für die Unterkunft, die auf einer zivilrechtlich unwirksamen Grundlage beruhen, nicht dauerhaft aus öffentlichen Mitteln bestritten werden können und dürfen (BSG vom 22.9.2009, aaO, RdNr 16, 21). Dieser Rechtsauffassung schließt sich der erkennende Senat an.

16

5. Das Jobcenter kann sich hier nicht ohne Weiteres auf die Unwirksamkeit bestimmter Regelungen im Mietvertrag berufen und darauf gestützte Abzüge von den tatsächlich zu leistenden Zahlungen des Hilfebedürftigen vornehmen, weil für ein solches Vorgehen keine Rechtsgrundlage dem SGB II zu entnehmen ist (BSG vom 22.9.2009, aaO, RdNr 17). Das Jobcenter muss vielmehr, wenn es eine Vereinbarung über die Unterkunftskosten für unwirksam hält, ein Kostensenkungsverfahren nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II einleiten, weil eine auf einer unwirksamen Vereinbarung beruhende Aufwendung nicht angemessen ist(BSG vom 22.9.2009, aaO, RdNr 23).

17

Bei einer einmaligen Forderung des Vermieters, wie vorliegend den Kosten der Auszugsrenovierung, kann die Kostensenkungsaufforderung sich nicht darin erschöpfen, die für angemessen gehaltenen Leistungen für die Unterkunft mitzuteilen, weil dies an der Forderung, der der Hilfebedürftige ausgesetzt ist, zumeist nichts ändern wird. Dies gilt ua für die Kosten einer Auszugsrenovierung und den damit zusammenhängenden schwierigen Rechtsfragen (vgl nur: Palandt, BGB, 70. Aufl 2011, § 535 RdNr 41 ff). Das Jobcenter muss in einer solchen Situation vielmehr dem Hilfebedürftigen das von ihm befürwortete Vorgehen gegenüber dem Vermieter aufzeigen und den Hilfebedürftigen in die Lage versetzen, seine Rechte gegenüber dem Vermieter wahrzunehmen. Bis zu diesen Hilfen seitens des Jobcenters sind Maßnahmen der Kostensenkung für den Hilfebedürftigen regelmäßig subjektiv unmöglich, es sei denn aufgrund seines Kenntnisstandes ist eine derartige Information entbehrlich (BSG vom 22.9.2009, aaO, RdNr 23; zu Anforderungen an ein Kostensenkungsverfahren, wenn nur die abstrakt angemessene Höhe der Leistung für die Unterkunft umstritten ist: BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8, RdNr 13).

18

Ob das von dem Beklagten durchgeführte Verwaltungsverfahren diesen Voraussetzungen entspricht, kann den Feststellungen des LSG nicht entnommen werden. Es hat nur festgestellt, dass der Beklagte die Klägerin zu 1 in einem Gespräch am 3.2.2007 wegen des bevorstehenden Umzugs darauf hingewiesen hat, der Mietvertrag mit der Beigeladenen beinhalte starre Renovierungsregelungen, die nichtig seien, und er - der Beklagte - werde keine Renovierungskosten übernehmen. Zu weiteren Gesprächen und Hinweisen des Beklagten gegenüber den Klägern (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8, RdNr 15: Kostensenkungsaufforderung als Angebot zu einem Dialog) enthält das Urteil des LSG keine Feststellungen. Andererseits kann ihm auch nicht entnommen werden, dass es solche nicht gab und der Beklagte nicht die aufgezeigten Voraussetzungen erfüllt hat, zumal die Beigeladene bisher gegenüber den Klägern keine weiteren Schritte zur Durchsetzung der Forderung eingeleitet hat.

19

6. Für das weitere Verfahren wird zu beachten sein:

a) Zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits wird zunächst zu prüfen sein, ob der Beklagte ein den obigen Anforderungen entsprechendes Kostensenkungsverfahren hinsichtlich der umstrittenen Kosten der Auszugsrenovierung eingeleitet hat. Für ein vorprozessuales Verfahren zwischen Mieter und Vermieter mag eine entsprechende Beratung, ggf Hilfe bei der Anfertigung von Schreiben seitens des Jobcenters genügen. Sollte keine Einigung zwischen den Beteiligten erzielt werden und der Vermieter den Mieter/Hilfebedürftigen wegen der Kosten der Auszugsrenovierung vor dem Zivilgericht verklagen, so wird das Jobcenter seine Pflichten im Rahmen des Kostensenkungsverfahrens nur durch eine Beteiligung an dem Rechtsstreit, sei es als Nebenintervenient oder Streithelfer, nachkommen können, zumal des Kostenrisiko dieses Zivilverfahrens als Annex zu den umstrittenen Leistungen gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II von ihm zu tragen ist(vgl BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 100, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41 RdNr 35).

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Eine für alle drei Beteiligten - Jobcenter und Hilfebedürftiger/Mieter sowie Vermieter - rechtsverbindliche Entscheidung des Rechtsstreits um die Rechtmäßigkeit der Regelungen im Mietvertrag über die Kosten einer Auszugsrenovierung kann es - wie das LSG zu Recht erkannt hat - in einem sozialgerichtlichen Verfahren wie dem vorliegenden nicht geben. Selbst wenn der Vermieter zu dem Rechtsstreit zwischen Hilfebedürftigem und Jobcenter über die Kosten der Auszugsrenovierung beigeladen wird, entfaltet das Urteil des SG gegenüber dem Vermieter keine Rechtskraft hinsichtlich der zivilrechtlichen Vorfragen zur Rechtmäßigkeit der Regelungen im Mietvertrag. Der Vermieter kann vielmehr die Kosten der Auszugsrenovierung gegenüber dem Mieter/Hilfebedürftigen ggf mit Erfolg vor den Zivilgerichten einklagen. Denn rechtskräftige Urteile binden die Beteiligten nur, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist (§ 141 Abs 1 SGG; im Ergebnis ebenso: § 322 Abs 1 Zivilprozessordnung). Die Rechtskraft eines Urteils ist "auf den in der Urteilsformel enthaltenen Gedanken beschränkt" (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 75 Nr 31 S 40 mwN). Ausführungen über materiell-rechtliche Vorfragen oder präjudizielle Rechtsverhältnisse nehmen an der Rechtskraftwirkung des Urteils nicht teil (Breitkreuz in ders/Fichte, SGG, 2009, § 141 Nr 6; Bolay in Handkommentar SGG , 3. Aufl 2009, § 141 RdNr 9 f mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 141 RdNr 7a f; vgl zur ZPO: Vollkommer in Zöller, ZPO, 27. Aufl 2009, Vor § 322 RdNr 31 ff).

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Eine über die Rechtskraftwirkung eines Urteils hinausgehende Bindung der Beteiligten kann nur im Zivilprozess mittels einer Nebenintervention (§§ 66 ff ZPO) oder einer Streitverkündung (§§ 72 ff ZPO) erreicht werden, die es beide im sozialgerichtlichen Verfahren nicht gibt (vgl Breitkreuz in ders/Fichte, SGG, § 69 RdNr 4; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 74 RdNr 1; Littmann in HK-SGG, § 74 RdNr 2). Die über die Rechtskraftwirkung hinausgehende höhere Bindung auch hinsichtlich der tragenden Entscheidungsgründe (vgl Vollkommer, in Zöller, ZPO, § 68 RdNr 9 mwN; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl 2011, § 68 RdNr 1, 6) wird erreicht, weil der Nebenintervenient und derjenige, dem der Streit verkündet wurde, "im Verhältnis zur der Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört (wird), dass der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei" (§ 68, § 74 ZPO).

22

b) Solange der Beklagte ein solches Kostensenkungsverfahren nicht eingeleitet hat, ist ebenso wie bei laufenden Mietzinsforderungen von der Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen für die Auszugsrenovierung auszugehen.

23

Leitet der Beklagte ein solches Verfahren ein, so müssen die oben aufgezeigten Voraussetzungen erfüllt sein, damit es zu einer Kostensenkung führen kann. Ist der Hilfebedürftige entgegen der Auffassung des Beklagten im Kostensenkungsverfahren der Auffassung, die Kosten der Auszugsrenovierung würden vom Vermieter zu Recht geltend gemacht, so muss er sich nicht von diesem vor dem Zivilgericht verklagen lassen, sondern kann den zivilrechtlichen Anspruch anerkennen und von dem Jobcenter eine Entscheidung über die Kosten der Auszugsrenovierung verlangen. Der Hilfebedürftige setzt sich damit jedoch, wie aufgezeigt, der Gefahr einer für ihn negativen Entscheidung des Jobcenters aus.

24

c) Hat der Beklagte ein Kostensenkungsverfahren eingeleitet und der Hilfebedürftige gegen den die Übernahme der Kosten der Auszugsrenovierung ablehnenden Verwaltungsakt vor dem SG Klage erhoben, muss das angerufene SG den Rechtsstreit unter allen erdenklichen Gesichtspunkten einschließlich der Rechtmäßigkeit der entsprechenden Regelungen im Mietvertrag prüfen (§ 17 Abs 2 Gerichtsverfassungsgesetz), was vorliegend noch nicht geschehen ist.

25

Ob ein solches sozialgerichtliches Verfahren zur Vermeidung divergierender Entscheidung und zur Durchführung eines mietrechtlichen Zivilrechtsstreits auszusetzen ist, kann nicht abschließend beurteilt werden (vgl zur Anwendung des § 114 Abs 2 SGG bei Aufrechnung mit einer zivilgerichtlichen Forderung: BSG vom 11.12.1968 - 10 RV 606/65 - BSGE 29, 44, 46 f = SozR Nr 2 zu § 114 SGG einerseits und BSG vom 26.6.1963 - 1 RA 21/60 - BSGE 19, 207, 209 ff = SozR Nr 6 zu § 1299 RVO andererseits), zumal eine vergleichsweise Beendigung des sozialgerichtlichen Verfahrens denkbar erscheint, wie sie das LSG vorliegend angestrebt hat.

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7. Einer Entscheidung über die Verfahrensrügen des Beklagten bedarf es nicht (§ 170 Abs 3 SGG). Über die Kosten des Revisionsverfahrens wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu entscheiden haben.

Tatbestand

Streitig ist die Aufhebung der für die Zeit vom 01.03.2011 bis 30.06.2011 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen der Nichtzahlung der Miete durch den Kläger an seine Vermieterin. Nach seinem Umzug aus dem M.-Kreis bezog der Kläger ab 01.11.2005 Alg II vom Beklagten. Er leidet insbesondere unter einer Laktose- und Fruktoseintoleranz. Nach dem Mietvertrag der bis zum 30.11.2011 bewohnten Wohnung und der Bescheinigung der Vermieterin betrug die Miete zunächst 305 EUR (Kaltmiete 220 EUR, kalte Nebenkosten 45 EUR und Heizung 40 EUR) und wurde vom Beklagten - gemäß der Vereinbarung im Mietvertrag - bis 31.10.2009 und wieder ab 01.05.2010 direkt an die Vermieterin überwiesen. Mit Bescheid vom 29.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2011 bewilligte der Beklagte vorläufig Alg II für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.2011 i. H. v. monatlich 803,33 EUR. Die monatliche Miete i. H. v. 338 EUR werde weiterhin an die Vermieterin überwiesen. Nach Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern (DRV), der Kläger erhalte ab 01.11.2010 bis 30.04.2012 eine arbeitsmarktbedingte Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, änderte der Beklagte mit Bescheid vom 17.02.2011 die Bewilligung des Alg II für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.2011 auf monatlich 231,10 EUR ab. Wegen des nur noch ergänzenden Leistungsanspruchs könne die Miete nicht länger direkt an die Vermieterin überwiesen werden. Unterkunftskosten würden i. H. v. 375,53 EUR anerkannt. Der Kläger sei verpflichtet, diesen Betrag an die Vermieterin bzw. die zuständigen Stellen vollständig zu zahlen, andernfalls müsse er mit einer Rückforderung der zweckwidrig verwendeten Leistungen rechnen. Entsprechende Zahlungen seien jeweils bis zum 10. des Monats nachzuweisen. Mit Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung ab 01.03.2011 ganz auf, da der Kläger keine Nachweise für die anfallenden Unterkunftskosten vorgelegt habe. Der Kläger sei im Bescheid vom 17.02.2011 darüber informiert worden, dass die Unterkunftskosten nicht mehr direkt an die Vermieterin überwiesen werden würden und er verpflichtet sei, die vollständigen berücksichtigten Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. v. 375,53 EUR an seine Vermieterin weiterzuleiten. Trotz entsprechender Aufforderung habe der Kläger keinen Nachweis für die Mietzahlungen ab 01.03.2011 vorgelegt. Unterkunftskosten, die ein Leistungsberechtigter nicht zahle, stellten keinen Bedarf im Sinne von „tatsächlichen Aufwendungen“ dar. Den übrigen Bedarf habe er mit seinem Renteneinkommen decken können. Die entsprechende Änderung der tatsächlichen Verhältnisse habe der Kläger zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilt. Im Rahmen einer Vorsprache gab die Vermieterin beim Beklagten an, der Kläger habe seit dem 01.03.2011 keine Mietzahlungen mehr geleistet. Mit Urteil des Amtsgerichts O. - Zweigstelle M. - vom 02.11.2011 (14 C 372/11) wurde der Kläger u. a. zur Räumung seiner Wohnung und Zahlung von Mietrückständen für die Zeit von März bis August 2011 i. H. v. insgesamt 2.028 EUR sowie Restschulden aus Haus- und Heizkostenabrechnungen für 2009 und 2010 i. H. v. 514,87 EUR verurteilt. Nach einem Umzug zum 01.11.2011 bewilligte der Beklagte wieder Alg II. Mit seiner beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger zuletzt die Aufhebung des Bescheides vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 beantragt. Neben der Rentengewährung durch die DRV habe der Beklagte ergänzend Alg II zu zahlen. Mittlerweile könne er keine Miete mehr bezahlen, da seine medizinische Versorgung vorrangig sei. Mit Urteil vom 16.02.2012 hat das SG den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 aufgehoben. Die Tatsache, dass der Kläger keine Mietzahlungen erbringe, sei für den Bedarf unerheblich. Es genüge, wenn der Leistungsberechtigte einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt sei. Es fehle an einer wesentlichen Änderung iSv § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Auch aus § 22 Abs. 7 Satz 2 SGB II ergebe sich, dass der Leistungsanspruch bei fehlender Mietzahlung nicht entfalle, sondern der Leistungsträger dann vielmehr die Miete direkt an die Vermieterin zahlen könne. Dies gelte auch, wenn nur ein Teilbetrag gewährt werde. Der Kläger hat ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem SG erklärt, er verzichte auf Rechtsmittel gegen das Urteil. Dagegen haben beide Beteiligte Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Der Beklagte hat vorgetragen, die Nichtzahlung der Miete durch den Kläger stelle eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dar. Aus dem Begriff „Aufwendungen“ in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II folge, dass solche nur dann anzunehmen seien, wenn die Miete tatsächlich bezahlt werde. So sehe auch das BSG (Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R) die tatsächliche Zahlung als notwendig an. Ab März 2011 habe der Kläger keine Miete mehr gezahlt, mithin keine Aufwendungen mehr gehabt. Auch spätere Versuche, ihn noch zur Mietzahlung zu veranlassen, um eine Leistungsgewährung zu ermöglichen, seien ohne Erfolg geblieben. Im Übrigen sei das Mietverhältnis bereits zum 31.10.2008 gekündigt worden und der Kläger habe vorgebracht, es bestehe gar keine Pflicht zur Mietzahlung. Er habe versucht, eine Mietminderung vorzunehmen. Hätte der Beklagte die Miete direkt überwiesen, so würden die Voraussetzungen des § 47 SGB X vorliegen. Eine Direktzahlung an die Vermieterin wäre ebenfalls nicht zielführend gewesen, da der Kläger nicht bereit gewesen sei, seinen Anteil selbst zu überweisen. § 22 Abs. 7 SGB II sei nicht einschlägig, da der Kläger sich ganz bewusst entschieden habe, die Miete nicht an seine Vermieterin zu überweisen. Soweit der Kläger weitere Ansprüche geltend mache, die nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen seien, bestehe kein Einverständnis mit einer entsprechenden Klageerweiterung.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 16.02.2012 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zu verwerfen. Der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 16.02.2012 zu verurteilen, Schadensersatz zu zahlen.

Zwar habe ihm das SG für die Zeit vom 01.03.2011 bis 30.06.2011 Recht gegeben, daneben müsse der Beklagte auch Schadenersatz leisten. Seinen Verzicht auf Rechtsmittel erkläre er für nichtig.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet; die Berufung des Klägers ist bereits unzulässig. Das SG hat zu Recht den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 aufgehoben. Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Berufung des Klägers ist unzulässig. Es fehlt an einer Beschwer. Eine solche liegt nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung dem Berufungskläger etwas versagt hat, was er beantragt hatte (formelle Beschwer), also bei Klageabweisung oder teilweiser Klageabweisung, nicht aber bei Stattgabe in vollem Umfang, grds. auch nicht, wenn das Gericht der Klage aus anderen Gründen stattgegeben hat, als vom Kläger vorgetragen (vgl. dazu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, vor § 143 Rn. 6 m. w. N.). Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem SG vom 16.02.2012 hat er zuletzt beim SG allein die Aufhebung des Bescheides vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 beantragt. Damit hat er sein Klagebegehren auf diesen Streitgegenstand - die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 - beschränkt. Eine solche Beschränkung war auch zulässig. Mit dem angefochtenen Bescheid hat der Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 01.03.2011 bis 30.06.2011 - insoweit waren dem Kläger Leistungen mit dem Bescheid vom 29.11.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17.02.2011 bewilligt worden - aufgehoben. Statthafte Klageart gegen diese Aufhebung ist die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG). Der Antrag ist ihm nach der Niederschrift auch vorgelesen und von ihm genehmigt worden, er wurde nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage gestellt. An der Wirksamkeit dieser Prozesserklärung besteht damit kein Zweifel. Ihr Inhalt wird durch den Inhalt der Sitzungsniederschrift bewiesen (§ 122 SGG i. V. m. § 165 Zivilprozessordnung -ZPO-) und ist unter Beachtung der Anforderungen von § 160 Abs. 3 Nr. 2 SGG und § 162 Abs. 1 ZPO protokolliert worden. Die Niederschrift ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgefertigt und vom Vorsitzenden sowie von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben worden (§ 122 SGG i. V. m. §§ 159 f ZPO). Diesem Antrag hat das SG in vollem Umfang entsprochen. Es hat (antragsgemäß) den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 aufgehoben. Damit ist der Kläger durch die Entscheidung des SG nicht beschwert. Auch wenn teilweise vertreten wird, eine Anschlussberufung - die im Hinblick auf die bereits zuvor vom Beklagten eingelegte Berufung angenommen werden könnte - könne alleine zum Zwecke einer Klageerweiterung eingelegt werden (vgl. dazu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 143 Rn. 5d m. w. N.), wäre eine solche Klageerweiterung im Berufungsverfahren mangels Zustimmung des Beklagten bzw. einer Sachdienlichkeit im Sinne einer Prozessökonomie nicht zulässig (§ 99 SGG). Der Kläger hat die im Berufungsverfahren gestellten Anträge zudem zuletzt auch nicht hilfsweise im Rahmen des Klageverfahrens vor dem SG gestellt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 17.05.1988 - 10 RKg 3/87 - BSGE 63, 167; Leitherer a. a. O.). Die Berufung des Klägers war damit als unzulässig zu verwerfen, ohne dass es darauf ankommt, ob einer solchen schon der nach der Niederschrift vom 16.02.2012 erklärte Rechtsmittelverzicht des Klägers - der nach dem Protokoll nicht nochmals vorgelesen und vom Kläger genehmigt worden ist - entgegen steht. Die zulässige Berufung des Beklagten ist dagegen unbegründet. Die mit dem Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 verfügte Aufhebung der Leistungsbewilligung ab dem 01.03.2011 ist rechtswidrig. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II i. d. F. des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) bzw. § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. d. F. der Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13.05.2011 (BGBl I 850) i. V. m. § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass vorliegend für die Zeit ab 01.03.2011 keine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist. Der Umstand, dass der Kläger die Miete nicht an seine Vermieterin gezahlt und die Leistungen des Beklagten nach eigenen Angaben im Hinblick auf den von ihm angenommenen krankheitsbedingten Mehrbedarf vorrangig eingesetzt hat, ist leistungsrechtlich nicht erheblich. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. d. F. des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 -BGBl I 453-). Bereits aus dem Gesetzeswortlaut folgt, dass danach nur solche Bedarfe zu berücksichtigen sind, die dem Leistungsberechtigten tatsächlich entstanden sind und für deren Deckung ein Bedarf besteht. Der Kläger hat für die Überlassung der von ihm bewohnten Wohnung im streitigen Zeitraum keine Mietzinszahlungen an die Vermieterin der Wohnung geleistet. Allerdings führt dies nicht - wie der Beklagte meint - bereits dazu, dass keine Unterkunftskosten mehr zu berücksichtigen wären. „Tatsächliche Aufwendungen“ für eine Wohnung liegen nicht nur dann vor, wenn die Miete bereits gezahlt wurde und nunmehr deren Erstattung verlangt wird, sondern es genügt, dass der Leistungsberechtigte im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist (vgl. BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 1; Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217; Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179; Luik in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 46; Krauß in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand 10/2012, § 22 Rn. 43). Dies ergibt sich schon daraus, dass bei einer Nichtzahlung der Miete regelmäßig die Kündigung und Räumung der Unterkunft droht. Zweck der Regelung über die Erstattung der Kosten für die Unterkunft ist es aber gerade, existentielle Notlagen zu beseitigen und den Eintritt von Wohnungslosigkeit zu verhindern. Für die Frage, ob tatsächlich Aufwendungen für Unterkunft entstanden sind, kommt es nicht darauf an, ob der Leistungsberechtigte der Verpflichtung aus eigenen Mitteln wird nachkommen können oder in der Vergangenheit nachkommen konnte, auch nicht, ob die Aufwendungen bisher durch andere Sozialleistungen gedeckt wurden. Ausgangspunkt für die Frage, ob eine wirksame Mietzinsverpflichtung des Hilfebedürftigen vorliegt, ist in erster Linie der Mietvertrag mit dem der geschuldete Mietzins vertraglich vereinbart worden ist (so insgesamt BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 1). Auch aus dem vom Beklagten im Widerspruchsbescheid in Bezug genommene Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 22.06.2006 - L 8 AS 165/06 ER) ergibt sich nichts anderes, da dort ebenfalls nur auf die Notwendigkeit tatsächlicher Aufwendungen abgestellt wird, die das Gericht dort u. a. im Hinblick auf die tatsächlichen Zahlungen für gegeben erachtet hat. Dass alleine tatsächliche Zahlungen „tatsächliche Aufwendungen“ darstellen sollen, geht daraus nicht hervor. Dies gilt auch für die vom Beklagten im Rahmen der Berufung angegebene Entscheidung des BSG (Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R). Dort wurde alleine die Höhe der tatsächlichen Zahlungen für maßgeblich dafür befunden, in welcher Höhe Aufwendungen zugrunde zu legen sind, wenn rein rechtlich ggf. nur ein geringerer Mietzinsanspruch des Vermieters besteht. Es wird aber nicht umgekehrt eine tatsächliche Zahlung als Anspruchsvoraussetzung bezeichnet. Der Kläger war für die Zeit vom 01.03.2011 bis 30.06.2011 unverändert einer entsprechenden Mietzinsforderung ausgesetzt. Mit Urteil des Amtsgerichts O. - Zweigstelle M. - vom 02.11.2011 (14 C 372/11) wurde er u. a. zur Zahlung der Mietrückständen für diesen Zeitraum verurteilt. Damit steht fest, dass - trotz einer etwaigen vorhergehenden Kündigung - ein Mietverhältnis fortbestanden und ebenso eine entsprechend wirksame Mietzinsforderung bestanden hat. Im Übrigen ist der Beklagte auch zuvor nicht davon ausgegangen, der Kläger habe wirksam eine Mietminderung vorgenommen oder es habe wegen einer Kündigung kein Mietzinsanspruch mehr bestanden. Bis einschließlich 28.02.2011 hat er entsprechende Aufwendungen berücksichtigt. Aber selbst eine der Vermieterin unzweifelhaft zustehende Nutzungsentschädigung bei Nichträumung der Wohnung durch den Kläger nach Kündigung würde als Aufwendung im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen sein (vgl. Luik a. a. O. Rn. 49). Es hätte dem Beklagten frei gestanden, wie zuvor auch, eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung über die Direktzahlung der bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung an die Vermieterin zu treffen (§ 22 Abs. 7 SGB II). Eine Einschränkung, dass die Direktzahlung nur dann möglich sein soll, wenn die vollständige Miete gezahlt werden kann, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Ebenso greift die Möglichkeit auch in den Fällen, in denen der Leistungsberechtigte eine Mietzinszahlung (unberechtigterweise) nicht vornehmen will. Wie oben ausgeführt, bestand nicht zuletzt nach dem Urteil des Amtsgerichts O. ein Anspruch auf ungeminderte Mietzinszahlung im streitgegenständlichen Zeitraum. Schließlich kann der Beklagte seine Entscheidung auch nicht auf § 47 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X stützen. Ein Widerruf der Bewilligungsentscheidung nach dieser Vorschrift setzt in jedem Fall eine Ermessensentscheidung voraus. Anders als für die Vorschrift des § 48 SGB X gibt es nach § 40 Abs. 1 SGB II aF bzw. § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB II nF i. V. m. § 330 SGB III keine Einschränkung des Ermessens. Eine solche Ermessensentscheidung hat der Beklagte im Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 nicht getroffen. Eine entsprechende Widerrufsentscheidung wäre schon deshalb aufzuheben. Das SG hat demnach den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 zu Recht aufgehoben. Die Berufung des Beklagten war mithin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Liegen die in § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist, so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen.

(2) Liegen die in § 45 Abs. 2 Satz 3 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vor, ist dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(3) Liegen die in § 48 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, ist dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Abweichend von § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an ein Verwaltungsakt auch aufzuheben, soweit sich das Bemessungsentgelt auf Grund einer Absenkung nach § 200 Abs. 3 zu Ungunsten der Betroffenen oder des Betroffenen ändert.

(4) Liegen die Voraussetzungen für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes vor, mit dem ein Anspruch auf Erstattung des Arbeitslosengeldes durch Arbeitgeber geltend gemacht wird, ist dieser mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(5) (weggefallen)

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt höhere Kosten der Unterkunft nach § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Streitig ist dabei insbesondere, welche Kosten der Kläger geltend machen kann, der in einem Wohnmobil lebte.

2

Der im Jahre 1955 geborene, allein lebende Kläger ist seit 1.2.2005 arbeitslos. Er lebte in einem Wohnmobil, das er an wechselnden Standorten in K. abstellte. Gegenüber der Beklagten gab er an, dass er einen festen Standplatz für sein Wohnmobil nicht habe. Den Standplatz wechsele er nach Aufforderung durch die Polizei bzw Anwohner. Die Beklagte bewilligte dem Kläger zunächst durch Bescheid vom 22.7.2005 die Regelleistung nach § 20 Abs 2 SGB II für den Zeitraum vom 4.7.2005 bis 31.12.2005. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, die Kosten für das Halten des Wohnmobils in Höhe von insgesamt 250 Euro monatlich müssten als Kosten der Unterkunft und Heizung berücksichtigt werden. Dabei machte er im Einzelnen folgende Positionen geltend: Kraftfahrzeugsteuer 15 Euro, Kraftfahrzeugversicherung 20 Euro, Gas, Heizung 45 Euro, Diesel 100 Euro, Pflege 20 Euro und Wartung 50 Euro monatlich. Zur Versorgung der Unterkunft mit Wasser, zur Entsorgung von Abwasser und zum Aufladen der Batterien müsse das Wohnmobil in begrenztem Umfang gefahren werden. Ihm stünden im Übrigen Leistungen bereits ab dem 15.6.2005 zu, weil er an diesem Tag bei der Beklagten vorgesprochen habe. Die Beklagte bewilligte dem Kläger durch Änderungsbescheide vom 30.11.2005 Leistungen (Regelleistungen) auch für die Zeit vom 21.6. bis 30.6.2005 und 1.7. bis 3.7.2005. Durch weiteren Änderungsbescheid vom 30.11.2005 bewilligte sie ihm für den Monat Dezember 2005 eine einmalige Heizkostenbeihilfe in Höhe von 371 Euro für den Betrieb der eigengesteuerten Heizanlage (Propangasheizung) im Wohnmobil des Klägers während der Dauer der Heizperiode vom 1.10.2005 bis zum 30.4.2006. Den weitergehenden Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Bescheid vom 14.12.2005 zurück. Die vom Kläger geltend gemachten Kosten stellten keine Kosten der Unterkunft iS des § 22 Abs 1 SGB II dar.

3

Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben, die das Sozialgericht (SG) Speyer durch Urteil vom 15.1.2008 abgewiesen hat. Die Berufung blieb ohne Erfolg. Zur Begründung seines Urteils vom 23.4.2009 hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz ausgeführt, es könne zunächst nicht festgestellt werden, dass der Kläger, wie von ihm behauptet, bereits am 15.6.2005 einen Leistungsantrag bei der Beklagten gestellt habe. Hinsichtlich des weiteren streitigen Zeitraums vom 21.6.2005 bis 31.12.2005 habe der Kläger seine Klage in zulässiger Weise auf Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt. Zwar stelle ein Wohnmobil grundsätzlich eine Unterkunft im Sinne des SGB II dar. Einen Anspruch auf weitere Leistungen habe er jedoch nicht. Unter einer Unterkunft sei eine bauliche Anlage zu verstehen, die geeignet sei, vor den Unbilden der Witterung zu schützen und einen Raum für die Privatheit zu gewährleisten. Dies sei auch bei einem Wohnmobil der Fall. Entgegen der Ansicht anderer Landessozialgerichte könne dem Kläger auch eine etwaige straßenrechtliche oder straßenverkehrsrechtliche Unzulässigkeit nicht entgegengehalten werden, solange die für das Straßenrecht zuständigen Behörden nicht gegen das Parken einschritten. Allerdings seien die Kosten für das Halten eines Wohnmobils auf den Zweck des Wohnmobils als Unterkunft einzuschränken. Ein Wohnmobil diene außer als Unterkunft auch als Verkehrsmittel. Kosten für die Nutzung eines Fahrzeugs seien Bestandteil der pauschal festgelegten Regelleistung gemäß § 20 SGB II. Dies habe zur Folge, dass nur solche Kosten als Kosten der Unterkunft erstattungsfähig seien, die konkret wegen der Verwendung des Wohnmobils als Wohnungsersatz anfallen würden (zB Kosten eines Stellplatzes). Mithin sei die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass die Kosten der Propangasheizung zu berücksichtigen seien. Durch die Bewilligung von 371 Euro für sieben Monate sei dem Kläger aber mehr als beantragt bewilligt worden. Treibstoffkosten könnten dem Bereich "Unterkunft" nur dann zugerechnet werden, wenn sie in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Nutzung des Wohnmobils als Wohnungsersatz anfielen. Für solche Kosten sei vorliegend nichts ersichtlich, weil der Kläger nach seinen eigenen Angaben den Treibstoff allein deshalb benötige, um sein Wohnmobil zu fahren. Soweit er geltend mache, er müsse das Wohnmobil zur Versorgung mit Wasser, zur Entsorgung von Abwasser, zum Aufladen der Batterien und zum Wechsel des Stellplatzes regelmäßig bewegen, seien dies keine Kosten, die spezifisch durch die Nutzung des Wohnmobils als Unterkunft bedingt seien. Auch die Kosten der Kraftfahrzeugsteuer und der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung habe der Kläger allein wegen des Haltens des Wohnmobils als Fahrzeug zu tragen. Entsprechendes gelte für Kosten der Reparatur und Wartung. Der Kläger habe im Übrigen auch nicht geltend gemacht, welche konkreten zusätzlichen Aufwendungen für Wartung er im streitigen Zeitraum gehabt habe, die dem Verwendungszweck des Wohnmobils als Wohnungsersatz gedient hätten.

4

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner - vom Senat zugelassenen - Revision. Er rügt eine Verletzung des § 22 Abs 1 SGB II. Er macht insbesondere geltend, dass er ebenso wie ein Wohnungseigentümer Nebenkosten bis zur Höhe der abstrakt angemessenen Kosten einer Mietwohnung erstattet erhalten müsse. Zunächst sei sein Wohnmobil wie eine selbst genutzte Eigentumswohnung als angemessen zu betrachten, denn bei seinem Wohnmobil handele es sich um ein durchschnittliches Modell. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (Hinweis auf das Urteil vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 67/0AS 67/06 R - RdNr 24) seien Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen seien. Als angemessen seien die Aufwendungen für eine Wohnung anzusehen, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügten und keinen gehobenen Wohnstandard aufwiesen. Die neuesten zu Mietwohnungen entwickelten Grundsätze des BSG würden auch gelten, soweit Hilfebedürftige Kosten für eine selbst genutzte Eigentumswohnung von angemessener Größe geltend machen (Hinweis auf das Urteil des erkennenden Senats vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - und des 4. Senats des BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 9/09 R -). Da richtigerweise auch Wohnmobile als Unterkunft iS des § 22 Abs 1 SGB II gelten können, gäbe es im Hinblick auf die durch die Unterkunft verursachten Kosten im Regelfall keinen sachlichen Grund, Haus- oder Wohnungseigentümer anders als Wohnmobilbesitzer zu behandeln. Der Wortlaut des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II schließe die Berücksichtigung von Kraftfahrzeugsteuern, Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, Reparaturkosten, Wartung und Pflege eines zum Wohnen anstelle einer Wohnung genutzten Wohnmobils nicht aus. Auch der Sinn und Zweck der Leistung stehe einer Übernahme der genannten Kosten bis zur Höhe der abstrakt angemessenen Kosten nicht entgegen. Zu den grundsätzlich erstattungsfähigen Aufwendungen für die Unterkunft bei Eigenheimen gehörten neben den zur Finanzierung geleisteten Schuldzinsen auch die Nebenkosten wie zB Beiträge zur Wohngebäudeversicherung, Grundsteuern, Wasser- und Abwassergebühren und ähnliche Aufwendungen im jeweils maßgeblichen Bewilligungszeitraum.

5

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23.4.2009 und das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 15.1.2008 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.7.2005, in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30.11.2005, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2005 zu ändern und dem Kläger für die Zeit vom 21.6. bis 31.12.2005 Leistungen für Unterkunft iS des § 22 SGB II - Kraftfahrzeugsteuer, Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, Reparaturkosten, Wartung und Pflege des Wohnmobils sowie Kosten für Kraftstoff als Nebenkosten - bis zur Höhe der angemessenen Kosten einer Mietwohnung zu gewähren.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Die Kosten der Unterkunft könnten nur insoweit geltend gemacht werden, als das Wohnmobil als Wohnstätte genutzt werde. Soweit es als Verkehrsmittel diene, könnten die Kosten nicht gemäß § 22 Abs 1 SGB II berücksichtigt werden. Nebenkosten iS des § 22 Abs 1 SGB II seien zudem nur diejenigen, die als Nebenkosten ihrer Art nach in § 2 Betriebskostenverordnung aufgeführt seien. Es sei evident, dass dies bei der Kraftfahrzeugsteuer oder Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung und weiteren Unterhaltungskosten eines Kraftfahrzeugs nicht der Fall sei. Darüber hinaus seien die Kosten für die Nutzung eines Kraftfahrzeugs bereits Bestandteil der pauschalierten Regelleistung gemäß § 20 SGB II. Schließlich habe der Kläger auch keinen Nachweis erbracht, dass anfallende Treibstoffkosten in unmittelbarem Zusammenhang mit der Nutzung des Wohnmobils als Unterkunftsersatz gestanden hätten. Hinsichtlich des Vergleichs zwischen Wohneigentum und Wohnmobil sei festzustellen, dass der Wohneigentümer durch Erwerb der Immobilie vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme von Immobiliendarlehen wesentlich verbindlichere und langfristigere Verpflichtungen eingegangen sei als der Erwerber eines Wohnmobils.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist nur teilweise begründet. Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen und der Beklagten steht dem Kläger auch ein Anspruch auf Erstattung der Kraftfahrzeugsteuer und der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung ab dem 21.6.2005 bis 31.12.2005 zu. Ein weitergehender Anspruch besteht jedoch nicht, sodass die Revision im Übrigen zurückzuweisen ist. Den Anspruch auf Leistungen bereits ab 15.6.2005 wegen einer behaupteten Antragstellung gemäß § 37 SGB II an diesem Tag verfolgt der Kläger im Revisionsverfahren nicht mehr.

9

Für den streitigen Zeitraum ab 21.6.2005 hat der Kläger sein Begehren rechtmäßigerweise auf die Erstattung der Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beschränkt. Dem Kläger stehen höhere Kosten der Unterkunft als bislang bewilligt lediglich insoweit zu, als die Beklagte auch verpflichtet war, die anteiligen monatlichen Kosten für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung und die Kraftfahrzeugsteuer zu übernehmen (hierzu unter 2). Das LSG ist dabei zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass auch ein Wohnmobil eine "Unterkunft" iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II darstellen kann (unter 1).

10

1. Gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Unter einer Unterkunft im Sinne des SGB II ist jede Einrichtung oder Anlage zu verstehen, die geeignet ist, vor den Unbilden des Wetters bzw der Witterung zu schützen und eine gewisse Privatsphäre (einschließlich der Möglichkeit, private Gegenstände zu verwahren) gewährleistet. Unter diesen Begriff der Unterkunft im Sinne des SGB II fallen auch Wohnwagen und Wohnmobile (vgl hierzu Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 22 RdNr 12 mwN; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 15; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 21 ff, Stand IX/09; Piepenstock in juris-PK SGB II, 2. Aufl 2007, § 22 RdNr 28). Nicht maßgeblich ist dabei für den Begriff der Unterkunft, dass die dauerhafte Nutzung eines Wohnmobils oder Wohnwagens im öffentlichen Straßenraum ordnungsrechtlich als Sondernutzung wohl unzulässig wäre (so insbesondere das LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.10.2007 - L 19 B 1700/07 AS ER = FEVS 59, 230, 232; ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8.3.2006 - L 19 B 42/06 AS ER). Das SGB II stellt insofern auf den tatsächlichen Wohnbedarf (die konkrete Hilfebedürftigkeit) ab, der im Einzelfall auch durch die Nutzung eines Wohnmobils gedeckt werden kann. Jedenfalls ist es den Grundsicherungsträgern und auch den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit im Regelfall verwehrt, gegenüber den Antragstellern eigenständige ordnungsrechtliche Prüfungen vorzunehmen und insofern in der Rolle einer Sonderordnungsbehörde die jeweilige Unterkunft zu bewerten. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die zuständige Ordnungsbehörde eingreift und dem Kläger die Nutzung seines Wohnmobils zu Wohnzwecken im öffentlichen Straßenraum untersagt. Dies war hier jedoch nach den Feststellungen des LSG nicht der Fall.

11

2. Dem Kläger stehen als Kosten der Unterkunft iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich die tatsächlich für den Wohnbedarf anfallenden Kosten zu, soweit diese angemessen sind. Aus einem Vergleich mit den Nebenkosten, die im Falle eines selbst genutzten Wohneigentums geltend gemacht werden können, ergibt sich, dass dem Kläger auch ein Anspruch auf Erstattung der Kraftfahrzeugsteuer und der Kosten für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung zusteht. Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 15.4.2008 (B 14/7b AS 34/06 R = BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10) klargestellt, dass zu den Unterkunftskosten für selbst genutzte Hausgrundstücke alle notwendigen Ausgaben zählen, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen sind (aaO, RdNr 38). Insofern findet § 7 Abs 2 der Verordnung zu § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) entsprechend Anwendung(vgl aaO, RdNr 38). Wie bei Mietwohnungen sind auch bei Wohnungseigentum die angemessenen Heizkosten zu übernehmen. Insofern standen dem Kläger zunächst die anteiligen Kosten für die Heizung seines Wohnmobils mit Propangas zu, wobei die Beklagte - worauf das LSG zutreffend hingewiesen hat - dem Kläger mit 371 Euro für eine siebenmonatige Heizperiode bereits einen höheren Betrag als beantragt bewilligt hat.

12

Nach § 7 Abs 2 Nr 2 der entsprechend heranzuziehenden Verordnung zu § 82 SGB XII sind als Kosten der Unterkunft auch Steuern vom Grundbesitz, sonstige öffentliche Abgaben und Versicherungsbeiträge zu berücksichtigen. Der Kläger weist insofern zu Recht darauf hin, dass die Grundsteuer und weitere Grundabgaben als Nebenkosten eines Hauseigentümers im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II im Rahmen der Angemessenheit als dessen Unterkunftskosten Berücksichtigung finden. Nutzt ein Grundsicherungsempfänger ein Wohnmobil als (einzige) Unterkunft, so sind die Kraftfahrzeugsteuern und die Beiträge für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nicht anders zu behandeln als die Grundsteuern, die als Grundlasten auf dem Wohneigentum eines entsprechenden Hauseigentümers liegen, wenn ohne sie eine Nutzung des Wohneigentums zum Zwecke des Wohnens in der konkret durchgeführten Form nicht möglich wäre. Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des SGB II sind daher die Kraftfahrzeugsteuern und die Beiträge zur Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung des Klägers nicht anders zu behandeln als entsprechende Steuern und Abgaben, die auf dem Grundeigentum liegen. Da der Kläger das Wohnmobil auf öffentlichen Straßen nutzt, kann er auch nicht darauf verwiesen werden, dass er sein Wohnmobil polizeilich abmelden und einen Stellplatz aufsuchen könne, für den die Kraftfahrzeugsteuern und die Beiträge für die Haftpflichtversicherung nicht mehr anfallen würden. Ob die Beklagte dies im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II vom Kläger hätte fordern können, kann hier dahinstehen, denn sie hat ein solches Vorgehen jedenfalls nicht gewählt. Insofern war die Beklagte daher verpflichtet, die für das aktuelle Wohnen in dem Wohnmobil zwingend erforderliche monatlich anteilige Kraftfahrzeugsteuer und die Beiträge für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung des Klägers zu übernehmen, wobei das BSG als Revisionsgericht die von dem Kläger bislang lediglich pauschal geltend gemachten Beträge von 20 bzw 15 Euro monatlich nicht eigenständig auf ihre sachliche Richtigkeit überprüfen kann. Der konkrete Nachweis über die Höhe der monatlich anfallenden Kosten wird daher vom Kläger gegenüber der Beklagten erst noch zu erbringen sein.

13

Anders verhält es sich bei den übrigen geltend gemachten Kosten des Klägers. Diese stellen keine Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II dar. Für Pflege und Wartung seines Wohnmobils beantragt der Kläger lediglich pauschal 70 Euro monatlich. Der Kläger muss sich hier ebenso behandeln lassen wie ein Wohneigentümer, dem gerade kein Anspruch auf eine "Erhaltungspauschale" zusteht (BSG, Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 38/08 R - = SozR 4-4200 § 22 Nr 17, insbesondere RdNr 16). Der Verweis auf die Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII führt lediglich zu einer "entsprechenden" Anwendung der Verordnung(so auch BSG, aaO). Zwar sieht § 7 Abs 2 Satz 1 Nr 4 der Verordnung zu § 82 SGB XII vor, dass zu den notwendigen Ausgaben auch der Erhaltungsaufwand gehört. Allerdings handelt es sich hier um eine Bestimmung zur Einkommensberücksichtigung im Sozialhilferecht, die nur dann zur Anwendung kommt, wenn der Leistungsberechtigte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Insoweit liegen bei einer selbst genutzten Immobilie (und erst recht hier bei einem zu Wohnzwecken genutzten Wohnmobil) mangels Einkommenserzielung schon die Voraussetzungen für die Anwendung der Pauschale nicht vor. Im Übrigen kann diese sich schon deshalb nicht bedarfserhöhend auswirken, weil § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II von dem Grundsatz ausgeht, dass nur tatsächliche Aufwendungen berücksichtigungsfähig sind(aaO, RdNr 16). Insofern hat das LSG zu Recht entschieden, dass der Kläger nur dann Reparaturkosten oder andere Kosten zur Erhaltung seines Wohnmobils hätte geltend machen können, wenn diese im streitigen Zeitraum konkret angefallen und belegt worden wären.

14

Ebenso wenig steht dem Kläger ein Anspruch auf Dieselkraftstoff in Höhe der von ihm geltend gemachten 100 Euro monatlich zu. Zu Recht verweist das LSG hier darauf, dass diese vom Kläger geltend gemachten Kosten nicht spezifisch mit der Funktion des Wohnmobils gerade als Unterkunft verbunden sind. Dem Kläger steht im Rahmen seines Wohnbedarfs kein Anspruch darauf zu, sich zusätzlich mit dem Wohnmobil noch fortzubewegen bzw mit seinem Fahrzeug am Verkehr teilzunehmen. Diesen Bedarf muss der Kläger - wie jeder Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II - aus der Regelleistung decken. Der Senat hat hier nicht darüber zu befinden, inwiefern die in der Abteilung 07 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) enthaltenen Anteile für die Teilnahme am Verkehr, die dann in die Regelleistung eingeflossen sind, den Bedarf decken können. Rechtlich maßgebend ist hier ausschließlich, dass eine Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr in keinem Zusammenhang mehr mit dem Schutzzweck des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II (Gewährung einer angemessenen Unterkunft) steht. Soweit der Kläger schließlich geltend macht, er müsse das Wohnmobil gerade wegen seiner Nutzung als Wohnung (etwa zur Leerung der Toilette etc) bewegen, kann auch dies keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für Kraftstoff begründen. Es kann dahinstehen, ob diese Behauptung des Klägers zutrifft. Ein Anspruch scheidet ohnehin aus, weil bei den Kraftstoffkosten eine Differenzierung in Kosten, die zur Teilnahme am Straßenverkehr anfallen und solchen, die wegen der Nutzung als Unterkunft u.U. erforderlich sein könnten, schon rein tatsächlich nicht möglich ist.

15

Angesichts der vom Kläger geltend gemachten Beträge hat der Senat im Übrigen keine Zweifel, dass die Kosten des Wohnmobils angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II waren und insbesondere unter der Vergleichsschwelle der Mietkosten einer angemessenen Ein-Zimmer-Wohnung liegen.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.

(1) Soweit der Darlehensnehmer mit Zahlungen, die er auf Grund des Verbraucherdarlehensvertrags schuldet, in Verzug kommt, hat er den geschuldeten Betrag nach § 288 Abs. 1 zu verzinsen. Im Einzelfall kann der Darlehensgeber einen höheren oder der Darlehensnehmer einen niedrigeren Schaden nachweisen.

(2) Die nach Eintritt des Verzugs anfallenden Zinsen sind auf einem gesonderten Konto zu verbuchen und dürfen nicht in ein Kontokorrent mit dem geschuldeten Betrag oder anderen Forderungen des Darlehensgebers eingestellt werden. Hinsichtlich dieser Zinsen gilt § 289 Satz 2 mit der Maßgabe, dass der Darlehensgeber Schadensersatz nur bis zur Höhe des gesetzlichen Zinssatzes (§ 246) verlangen kann.

(3) Zahlungen des Darlehensnehmers, die zur Tilgung der gesamten fälligen Schuld nicht ausreichen, werden abweichend von § 367 Abs. 1 zunächst auf die Kosten der Rechtsverfolgung, dann auf den übrigen geschuldeten Betrag (Absatz 1) und zuletzt auf die Zinsen (Absatz 2) angerechnet. Der Darlehensgeber darf Teilzahlungen nicht zurückweisen. Die Verjährung der Ansprüche auf Darlehensrückzahlung und Zinsen ist vom Eintritt des Verzugs nach Absatz 1 an bis zu ihrer Feststellung in einer in § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 bezeichneten Art gehemmt, jedoch nicht länger als zehn Jahre von ihrer Entstehung an. Auf die Ansprüche auf Zinsen findet § 197 Abs. 2 keine Anwendung. Die Sätze 1 bis 4 finden keine Anwendung, soweit Zahlungen auf Vollstreckungstitel geleistet werden, deren Hauptforderung auf Zinsen lautet.

(4) Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen beträgt der Verzugszinssatz abweichend von Absatz 1 für das Jahr 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Die Absätze 2 und 3 Satz 1, 2, 4 und 5 sind auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge nicht anzuwenden.

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Kläger begehren höhere Leistungen für die Kosten der Unterkunft (KdU) für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2010, weil der Beklagte auch für die Verzugszinsen aufkommen müsse, die für den von der D. Bank gekündigten Immobilienkredit angefallen sind.
Der 1950 geborene Kläger zu 1. lebte bis Ende Februar 2011 zusammen mit seiner 1953 geborenen Ehefrau (Klägerin zu 2.), seiner am 1994 geborenen Tochter (Klägerin zu 3.) und seinem am 1986 geborenen Sohn (Kläger zu 4.) in einer Doppelhaushälfte in D., die jeweils zur Hälfte im Eigentum des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. stand. Die zur Finanzierung des Eigenheims vom Kläger zu 1. abgeschlossenen Darlehensverträge in Höhe von 340 000 EUR waren bereits vor der erstmaligen Antragstellung auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II; am 22. Januar 2009) durch die kreditgebende D. Bank gekündigt worden (Kündigung vom 20. November 2007); die D. Bank machte neben der Rückzahlung aller sofort fällig gestellten Hauptforderungen in Höhe von 335 469,43 EUR (s. Kündigung vom 20. November 2007) Verzugsschadensersatz geltend (s. Blatt 41 ff. der Senatsakten).
Im Mai 2010 beantragten die Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen über Juni 2010 hinaus. Im Antrag gaben sie Schuldzinsen in Höhe von 1.223,33 EUR (Stand 2006) an. Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 20. Mai 2010 für Juli bis Dezember 2010 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich drei mal 52,23 EUR (Gas 135,00 EUR monatlich, Wasser/Abwasser 64,00 EUR monatlich und Grundsteuer 31,92 EUR monatlich abzüglich eines Pauschbetrages in Höhe von 22,00 EUR für die Warmwassererwärmung geteilt durch vier Personen). Bereits mit Bescheid vom 19. Februar 2010 übernahm der Beklagte den gesamten Beitrag für die Immobilienversicherung bei der A. Versicherungs-Aktiengesellschaft für das Jahr 2010 und mit Bescheid vom 3. März 2010 die Abfallgebühren für das Jahr 2010. Mit Bescheid vom 25. Mai 2010 erstattete der Beklagte Kosten für die Heizungswartung in voller Höhe und mit Bescheid vom 28. Juni 2010 die gesamten Kosten für den Schornsteinfeger. Ebenso übernahm der Beklagte mit Bescheid vom 10. Februar 2011 die vollen Kosten für das von Oktober bis Dezember 2010 angeschaffte Brennholz.
Mit Schreiben vom 24. Mai 2010 erhoben die Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. Mai 2010, mit dem sie u.a. Kosten für die Unterkunft geltend machten. Diesbezüglich verwiesen sie auf eine Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG; S 20 AS 1100/10), mit der sie ebenfalls die Verzugszinsen als Kosten der Unterkunft geltend machten. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehöre der Kläger Ziff. 4., weil er durch sein Einkommen (Ausbildungsvergütung 450 EUR monatlich, wovon 187,85 EUR anzurechnen seien, und 184 EUR Kindergeld) seinen Bedarf (287 EUR Regelleistung und 52,23 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung) decken könne. Die Kosten der Unterkunft seien mit 208,92 EUR zutreffend berechnet. Die zusätzlich geltend gemachten Verzugszinsen seien keine Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II. Die Kosten seien zu gleichen Teilen auf vier Personen zu verteilen, sodass auf jede Person ein Betrag von 52,23 EUR entfalle. Dies ergebe einen Leistungsbetrag in Höhe von 156,69 EUR.
Am 21. September 2010 haben die Kläger zum SG Klage erhoben (Eingang 21. September 2010). Die Eigenheimzulage 2010 werde aufgrund ihres Widerspruches nicht mehr als Einkommen angerechnet. Zwar seien im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Beschluss des SG vom 26. Juli 2010, S 20 AS 3784/10 ER; Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 3. August 2010, L 7 AS 3572/10 ER-B) die Erstattung der Verzugszinsen abgelehnt worden; der Beklagte müsse aber KdU wie bei einem Mieter gewähren. Das Einkommen des Klägers Ziff. 4 sei nur in Höhe von 335,05 EUR anzurechnen. Mit Bescheid vom 1. September 2010 hat der Beklagte zum Bescheid vom 20. Mai 2010 einen Änderungsbescheid erlassen, mit dem das Nebeneinkommen der Kläger Ziff. 1. und 2. neu berechnet worden ist; die Leistungen für die KdU blieben unverändert. Mit Bescheid vom 7. September 2010 wurde der Bescheid vom 1. September 2010 insofern geändert, als keine Einbehaltung mehr an die Regionaldirektion erfolge. Mit zwei Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 24. September 2010 verlangte der Beklagte die Erstattung von 49,72 EUR bzw. 70,28 EUR gezahlter Regelleistung aufgrund des im September 2010 zugeflossenen Einkommens. Gegen die Bescheide vom September 2010 haben die Kläger keinen Widerspruch eingelegt.
In der Verhandlung vor dem SG haben die Kläger beantragt, für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2010 weitere KdU in Höhe von 600,00 EUR monatlich zu gewähren. Das SG hat die Klage abgewiesen. Streitgegenstand sei allein der Bewilligungsbescheid vom 20. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. August 2010, soweit die Kläger höhere Leistungen für die Unterkunft für die Zeit von Juli bis Dezember 2010 geltend machten. Die Bescheide vom 1. bzw. 7. September 2010 seien nicht Gegenstand des Verfahrens geworden, da sie keine Regelung zu den abtrennbaren KdU enthielten. Von den monatlichen Kosten für Gas (135,00 EUR), Wasserversorgung und Abwasserentsorgung (64,00 EUR) und Grundsteuer (31,92 EUR) seien - entgegen der Auffassung der Beklagten - sogar 23,08 EUR abzuziehen, sodass kein weitergehender Anspruch bestehe. Die Zinsverpflichtungen der Kläger stellten keine KdU im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar. Es müsse sich um Kosten handeln, die mit der Beschaffung oder Erhaltung der Unterkunft verknüpft seien. Die zur Finanzierung des Eigenheims aufgenommenen Darlehen seien aber bereits vor der Antragstellung gekündigt worden, womit die gesamte Darlehenssumme sofort zur Zahlung fällig geworden sei. Die vertragliche Grundlage für die regelmäßigen Zinsleistungen sei entfallen. Die Kläger schuldeten die sofortige und vollständige Rückzahlung der Darlehenssumme. Die anfallenden Zinsen seien keine Schuldzinsen im Sinne des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern Verzugszinsen im Sinne des § 497 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB. Diese bildeten keine vertragliche Gegenleistung für die Überlassung der Darlehenssumme, sondern seien gesetzliche Folge für die Nichtrückzahlung der Darlehenssumme nach Kündigung des Kreditvertrages. Allein die Zahlung auf die aktuellen Zinsforderungen sicherten deshalb auch nicht den Erhalt der Unterkunft. Vielmehr sei das Kreditinstitut in der Lage, in das Grundstück zu vollstrecken, auch wenn die aktuellen Zinsforderungen beglichen würden. Des Weiteren handele es sich bei dieser Zinsforderung nicht um jeweils monatlich anfallende, vereinbarte Beträge, sondern um einen aufgelaufenen Betrag, der durch Zins- und Zinseszinswirkungen stetig anwachse. Zwischen den aktuellen Zinsforderungen der Bank und der Unterkunft bestehe mithin keine Verknüpfung, die mit der Erhaltung der Unterkunft verknüpft sei (Bezugnahme auf den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 3. August 2010). Die Kläger könnten auch keine fiktiven Mietkosten erstattet verlangen, da § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II tatsächliche Mietkosten voraussetze. Diese Rechtslage verstoße auch nicht gegen Art. 3 Grundgesetz, da die gesetzliche Unterscheidung danach, ob Kosten tatsächlich anfallen oder nicht, verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Der Kläger zu 4. habe keinen Anspruch und gehöre nicht zur Bedarfsgemeinschaft. Da der Bedarf in Höhe von 287,00 EUR (Regelleistung) und Kosten der Unterkunft in Höhe von 51,96 EUR von dem zu berücksichtigenden Einkommen aus dem Ausbildungsverhältnis bei der Firma Gehrke GmbH in Höhe von 187,85 EUR und dem Kindergeld in Höhe von 184,00 EUR vollständig gedeckt sei.
Gegen das den Klägern am 29. Juni 2011 zugestellte Urteil haben sie am 29. Juli 2011 Berufung eingelegt und weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 600,00 EUR monatlich für den Zeitraum Juli bis Dezember 2010 geltend gemacht. Auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 hätten sie einen Anspruch auf Leistungen zur Kostendeckung von Unterkunft und Heizung. Bereits aus dem Wortlaut des § 22 SGB II [in der neuen, ab 1. Januar 2011 geltenden Fassung], wonach Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind, ergebe sich, dass auch Verzugszinsen zu erstatten seien.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Juni 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 20. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2010 zu verurteilen, ihnen 3.600,00 EUR weitere Leistungen für Unterkunft für die Zeit vom 1. Juli 2010 bis 31. Dezember 2010 zu gewähren.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Auch die vorgelegte Zinsaufstellung belege, dass es sich bei der von der Bank geltend gemachten Forderung um einen Verzugsschadensersatz handele.
13 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.
15 
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2010 zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist hinsichtlich der streitgegenständlichen KdU rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Senat verweist zur Begründung auf das angefochtene Urteil des SG (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG) sowie auf die zwischen den Beteiligten ergangenen Beschlüsse des SG vom 26. Juli 2010 (S 20 AS 3784/10 ER) und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 3. August 2010 (L 7 AS 3572/10 ER-B).
16 
Zutreffend hat das SG insbesondere dargelegt, dass Streitgegenstand allein die geltend gemachten KdU im Zeitraum von Juli bis Dezember 2010 sind, weshalb die Änderungsbescheide vom 1. und 7. September 2010 nicht gem. § 96 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Verfahrens geworden sind, da sie keine Regelungen zu den auch abtrennbaren (BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 8/06 R, veröffentlicht in Juris) KdU enthalten (vgl. nur Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Aufl., § 96 SGG Rdnr.4 ff. m.w.N. sowie Rdnr. 2 zur Anwendung des § 96 SGG, wenn der Bescheid wie hier nach Erlass des Widerspruchsbescheides, aber vor Klageerhebung erlassen wird). Dementsprechend sind auch die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 24. September 2010 nicht Gegenstand des Verfahrens geworden, da sie die Regelung über die KdU unberührt lassen. Nachdem den Klägern sämtliche tatsächlichen Neben- und Betriebskosten gewährt worden sind (s. die Bescheide vom 19. Februar, 3. März, 25. Mai, 28. Juni 2010 und 10. Februar 2011) ist noch darüber zu entscheiden, ob den Klägern KdU für die angefallenen Verzugszinsen -die D. Bank macht ausdrücklich nicht den Vertragszins (vgl. hierzu BGH, 28. April 1988, III ZR 57/87, veröffentlicht in Juris) sondern Schadensersatz geltend- zu gewähren sind.
17 
Der Senat folgt den zwischen den Beteiligten ergangenen Entscheidungen des SG (vom 26. Juli 2010, S 20 AS 3784/10 ER, und vom 21. Juni 2011, S 20 AS 5899/10) und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (vom 3. August 2010, L 7 AS 3572/10 ER-B) darin, dass die von der D. Bank als Schadensersatz geforderten Verzugszinsen (siehe die mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2012 vorgelegte Aufstellung auf Bl. 41 ff. der Senatsakten) keine Kosten der Unterkunft sind und befindet sich damit in Übereinstimmung mit allen hierzu vorgefundenen Entscheidungen der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8. Mai 2008, L 2 B 94/07 AS-ER, veröffentlicht in Juris; und Beschluss vom 7. November 2008, L 2 B 152/08 AS-ER; Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 6. November 2008, S 15 AS 893/05; Sozialgericht Neuruppin, Beschluss vom 22. August 2011, S 26 1090/11 ER [mit Hinweis auf entsprechenden unveröffentlichten Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Juni 2011, L 10 AS 823/11B ER]; alle unter www.sozialgerichtsbarkeit.de abrufbar).
18 
Bereits aus dem Wortlaut des einschlägigen § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung ergibt sich, dass es sich um tatsächliche Aufwendungen für die Unterkunft handeln muss. Bewohnt der Hilfesuchende ein Eigenheim, sind Kosten der Unterkunft die Aufwendungen, die er als mit dem Eigentum unmittelbar verbundene Lasten zu tragen hat. Es muss sich dabei um Kosten handeln, die mit der Erhaltung der Unterkunft verknüpft sind. Der monatlichen Mietschuld des Mieters entspricht der monatliche Darlehenszins des Eigentümers für das hierfür aufgenommene Immobiliendarlehen, weshalb der vereinbarungsgemäß zu zahlende Kreditzins als Gegenleistung für die Überlassung der Darlehenssumme dem Grunde nach zu übernehmen ist (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt und Landessozialgericht Baden-Württemberg, a.a.O.). Selbst die vollständige Übernahme der von der D. Bank gestellten Schadensersatzforderung würde aber in keiner Weise rechtlich der Erhaltung der Unterkunft dienen, da die Bank wegen der fälligen Hauptforderung die Vollstreckung in das Grundstück betreiben kann und auch betrieben hat. Der Beklagte ist aber zur Erstattung nur derjenigen Kosten verpflichtet, die dem Leistungsempfänger ein Nutzungsrecht vermitteln können. Hier resultiert das Nutzungsrecht bereits aus dem Eigentum; eine vertragliche Verpflichtung zur Zahlung eines Kreditzinses besteht nicht.
19 
Die D. Bank hat mit dem Kläger zu 1. auch keinen Vertrag geschlossen, der die Rückzahlung der Schulden unter Verhinderung von Vollstreckungsmaßnahmen regelt (vgl. hierzu Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. August 2010, L 7 AS 3572/10 ER-B und Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. November 2008, L 2 B 152/08 AS ER, a.a.O.; vgl. aber auch Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 13. April 2010, L 9 AS 18/09, veröffentlicht in Juris), so dass nicht entschieden werden muss, ob ein erkaufter bloßer Vollstreckungsschutz ausreichend ist, um die dafür anfallenden Kosten als Aufwendungen für die Unterkunft im Sinne des § 22 SGB II qualifizieren zu können (so Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. November 2008, L 2 B 152/08 AS ER, a.a.O.).
20 
Nichts anderes ergibt sich aus dem Schreiben der D. Bank vom 16. Juni 2010. Damit weist die D. Bank den Wunsch auf eine Umschuldung mit der Begründung zurück, dass keine nennenswerten Zahlungen seit der Darlehenskündigung am 20. November 2007 erfolgt sind. Die Kläger machen diesbezüglich geltend, dass Leistungen des Beklagten für die Verzugszinsen möglicherweise die D. Bank veranlasst hätte, einer Umschuldung zuzustimmen. Hierauf kommt es aber rechtlich nicht an, da es nicht Aufgabe des SGB II-Trägers ist, eine Finanzierung bzw. Umschuldung zu ermöglichen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Juli 2006, L 14 B 224/06 AS ER, veröffentlicht in Juris).
21 
Auch aus dem von den Klägern sowohl schriftlich, als auch in der mündlichen Verhandlung zitierte Urteil des BSG (B 14/11b AS 67/06) ergibt sich keine andere rechtliche Bewertung. Das BSG hatte in dem genannten Urteil über die Frage zu entscheiden, ob (ausnahmsweise) Tilgungsleistungen als Bestandteil der Finanzierungskosten einer selbst genutzten Eigentumswohnung vom Grundsicherungsträger zu übernehmen sind. Die hier im Streit stehenden Zinsforderung der D. Bank (Verzugszinsen) dienen jedoch nicht der Finanzierung des Eigenheims, sondern dienen dem Ersatz des Schadens, der durch die nicht (rechtzeitige) Zahlung der vertraglich vereinbarten Zins- und Tilgungszahlungen an die Bank entstanden ist.
22 
Nicht entscheiden muss der Senat, ob sich - wie die Kläger meinen - aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der ab 1. Januar 2011 geltenden Fassung, wonach Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind, etwas anderes ergibt. Denn für den geltend gemachten Anspruch auf Leistungen von Juli bis Dezember 2010 ist die Fassung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II bis 31. Dezember 2010 maßgebend.
23 
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch ein Anspruch gemäß § 22 Abs. 5 SGB II nicht besteht. Gemäß § 22 Abs. 5 können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden. Ein Anspruch auf Übernahme von Schulden kommt bereits deshalb nicht in Betracht, da die derzeitigen neuen Unterkünfte der Kläger gesichert sind. Die Kläger wohnen nicht mehr in ihrem früheren Eigenheim, sodass eine Schuldübernahme mit Hilfe eines Darlehens zur Behebung einer sonst drohenden Wohnungslosigkeit nicht mehr in Betracht kommt. Hinzu kommt, dass es sich bei den Schulden wegen Verzuges nicht um KdU handelt (s.o.). Schließlich ist auch die fällig gestellte gesamte Hauptschuld nicht zu übernehmen, da es nicht ansatzweise gerechtfertigt ist, im Falle einer zusammengebrochenen privaten Finanzierung den Erhalt von Grundeigentum mit einem steuerfinanzierten Darlehen von über 300 000 EUR zu ermöglichen (vgl. auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, L 14 B 224/06 AS ER, veröffentlicht in Juris).
24 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei war für den Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass der Beklagte keinen berechtigten Anlass zur Klage gegeben hat und die Rechtsverfolgung der Kläger insgesamt ohne Erfolg geblieben ist.
25 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) liegen nicht vor.

Gründe

 
14 
Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.
15 
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2010 zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist hinsichtlich der streitgegenständlichen KdU rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Senat verweist zur Begründung auf das angefochtene Urteil des SG (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG) sowie auf die zwischen den Beteiligten ergangenen Beschlüsse des SG vom 26. Juli 2010 (S 20 AS 3784/10 ER) und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 3. August 2010 (L 7 AS 3572/10 ER-B).
16 
Zutreffend hat das SG insbesondere dargelegt, dass Streitgegenstand allein die geltend gemachten KdU im Zeitraum von Juli bis Dezember 2010 sind, weshalb die Änderungsbescheide vom 1. und 7. September 2010 nicht gem. § 96 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Verfahrens geworden sind, da sie keine Regelungen zu den auch abtrennbaren (BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 8/06 R, veröffentlicht in Juris) KdU enthalten (vgl. nur Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Aufl., § 96 SGG Rdnr.4 ff. m.w.N. sowie Rdnr. 2 zur Anwendung des § 96 SGG, wenn der Bescheid wie hier nach Erlass des Widerspruchsbescheides, aber vor Klageerhebung erlassen wird). Dementsprechend sind auch die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 24. September 2010 nicht Gegenstand des Verfahrens geworden, da sie die Regelung über die KdU unberührt lassen. Nachdem den Klägern sämtliche tatsächlichen Neben- und Betriebskosten gewährt worden sind (s. die Bescheide vom 19. Februar, 3. März, 25. Mai, 28. Juni 2010 und 10. Februar 2011) ist noch darüber zu entscheiden, ob den Klägern KdU für die angefallenen Verzugszinsen -die D. Bank macht ausdrücklich nicht den Vertragszins (vgl. hierzu BGH, 28. April 1988, III ZR 57/87, veröffentlicht in Juris) sondern Schadensersatz geltend- zu gewähren sind.
17 
Der Senat folgt den zwischen den Beteiligten ergangenen Entscheidungen des SG (vom 26. Juli 2010, S 20 AS 3784/10 ER, und vom 21. Juni 2011, S 20 AS 5899/10) und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (vom 3. August 2010, L 7 AS 3572/10 ER-B) darin, dass die von der D. Bank als Schadensersatz geforderten Verzugszinsen (siehe die mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2012 vorgelegte Aufstellung auf Bl. 41 ff. der Senatsakten) keine Kosten der Unterkunft sind und befindet sich damit in Übereinstimmung mit allen hierzu vorgefundenen Entscheidungen der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8. Mai 2008, L 2 B 94/07 AS-ER, veröffentlicht in Juris; und Beschluss vom 7. November 2008, L 2 B 152/08 AS-ER; Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 6. November 2008, S 15 AS 893/05; Sozialgericht Neuruppin, Beschluss vom 22. August 2011, S 26 1090/11 ER [mit Hinweis auf entsprechenden unveröffentlichten Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Juni 2011, L 10 AS 823/11B ER]; alle unter www.sozialgerichtsbarkeit.de abrufbar).
18 
Bereits aus dem Wortlaut des einschlägigen § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung ergibt sich, dass es sich um tatsächliche Aufwendungen für die Unterkunft handeln muss. Bewohnt der Hilfesuchende ein Eigenheim, sind Kosten der Unterkunft die Aufwendungen, die er als mit dem Eigentum unmittelbar verbundene Lasten zu tragen hat. Es muss sich dabei um Kosten handeln, die mit der Erhaltung der Unterkunft verknüpft sind. Der monatlichen Mietschuld des Mieters entspricht der monatliche Darlehenszins des Eigentümers für das hierfür aufgenommene Immobiliendarlehen, weshalb der vereinbarungsgemäß zu zahlende Kreditzins als Gegenleistung für die Überlassung der Darlehenssumme dem Grunde nach zu übernehmen ist (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt und Landessozialgericht Baden-Württemberg, a.a.O.). Selbst die vollständige Übernahme der von der D. Bank gestellten Schadensersatzforderung würde aber in keiner Weise rechtlich der Erhaltung der Unterkunft dienen, da die Bank wegen der fälligen Hauptforderung die Vollstreckung in das Grundstück betreiben kann und auch betrieben hat. Der Beklagte ist aber zur Erstattung nur derjenigen Kosten verpflichtet, die dem Leistungsempfänger ein Nutzungsrecht vermitteln können. Hier resultiert das Nutzungsrecht bereits aus dem Eigentum; eine vertragliche Verpflichtung zur Zahlung eines Kreditzinses besteht nicht.
19 
Die D. Bank hat mit dem Kläger zu 1. auch keinen Vertrag geschlossen, der die Rückzahlung der Schulden unter Verhinderung von Vollstreckungsmaßnahmen regelt (vgl. hierzu Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. August 2010, L 7 AS 3572/10 ER-B und Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. November 2008, L 2 B 152/08 AS ER, a.a.O.; vgl. aber auch Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 13. April 2010, L 9 AS 18/09, veröffentlicht in Juris), so dass nicht entschieden werden muss, ob ein erkaufter bloßer Vollstreckungsschutz ausreichend ist, um die dafür anfallenden Kosten als Aufwendungen für die Unterkunft im Sinne des § 22 SGB II qualifizieren zu können (so Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. November 2008, L 2 B 152/08 AS ER, a.a.O.).
20 
Nichts anderes ergibt sich aus dem Schreiben der D. Bank vom 16. Juni 2010. Damit weist die D. Bank den Wunsch auf eine Umschuldung mit der Begründung zurück, dass keine nennenswerten Zahlungen seit der Darlehenskündigung am 20. November 2007 erfolgt sind. Die Kläger machen diesbezüglich geltend, dass Leistungen des Beklagten für die Verzugszinsen möglicherweise die D. Bank veranlasst hätte, einer Umschuldung zuzustimmen. Hierauf kommt es aber rechtlich nicht an, da es nicht Aufgabe des SGB II-Trägers ist, eine Finanzierung bzw. Umschuldung zu ermöglichen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Juli 2006, L 14 B 224/06 AS ER, veröffentlicht in Juris).
21 
Auch aus dem von den Klägern sowohl schriftlich, als auch in der mündlichen Verhandlung zitierte Urteil des BSG (B 14/11b AS 67/06) ergibt sich keine andere rechtliche Bewertung. Das BSG hatte in dem genannten Urteil über die Frage zu entscheiden, ob (ausnahmsweise) Tilgungsleistungen als Bestandteil der Finanzierungskosten einer selbst genutzten Eigentumswohnung vom Grundsicherungsträger zu übernehmen sind. Die hier im Streit stehenden Zinsforderung der D. Bank (Verzugszinsen) dienen jedoch nicht der Finanzierung des Eigenheims, sondern dienen dem Ersatz des Schadens, der durch die nicht (rechtzeitige) Zahlung der vertraglich vereinbarten Zins- und Tilgungszahlungen an die Bank entstanden ist.
22 
Nicht entscheiden muss der Senat, ob sich - wie die Kläger meinen - aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der ab 1. Januar 2011 geltenden Fassung, wonach Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind, etwas anderes ergibt. Denn für den geltend gemachten Anspruch auf Leistungen von Juli bis Dezember 2010 ist die Fassung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II bis 31. Dezember 2010 maßgebend.
23 
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch ein Anspruch gemäß § 22 Abs. 5 SGB II nicht besteht. Gemäß § 22 Abs. 5 können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden. Ein Anspruch auf Übernahme von Schulden kommt bereits deshalb nicht in Betracht, da die derzeitigen neuen Unterkünfte der Kläger gesichert sind. Die Kläger wohnen nicht mehr in ihrem früheren Eigenheim, sodass eine Schuldübernahme mit Hilfe eines Darlehens zur Behebung einer sonst drohenden Wohnungslosigkeit nicht mehr in Betracht kommt. Hinzu kommt, dass es sich bei den Schulden wegen Verzuges nicht um KdU handelt (s.o.). Schließlich ist auch die fällig gestellte gesamte Hauptschuld nicht zu übernehmen, da es nicht ansatzweise gerechtfertigt ist, im Falle einer zusammengebrochenen privaten Finanzierung den Erhalt von Grundeigentum mit einem steuerfinanzierten Darlehen von über 300 000 EUR zu ermöglichen (vgl. auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, L 14 B 224/06 AS ER, veröffentlicht in Juris).
24 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei war für den Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass der Beklagte keinen berechtigten Anlass zur Klage gegeben hat und die Rechtsverfolgung der Kläger insgesamt ohne Erfolg geblieben ist.
25 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) liegen nicht vor.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Februar 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 18. März 2009 geändert, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, den Klägern mehr als 478,35 Euro der mit Bescheid der Stadt Düren vom 14. Mai 2008 festgesetzten Kosten für die Verlegung von Anschlusskanälen als Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 1. August 2007 bis zum 31. Juli 2008 zu gewähren. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt 4/5 der außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Der Beklagte wendet sich gegen seine Verurteilung zur Übernahme von einmalig angefallenen Kosten in Höhe von 584,65 Euro für die Sanierung des Kanalhausanschlusses als Kosten der Unterkunft durch die Vorinstanzen.

2

Der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 sind Eigentümer des 390 qm großen Grundstücks S straße in D, das mit einem Wohnhaus (Wohnfläche 180 qm) bebaut ist. Sie leben mit ihren sieben (im streitigen Zeitraum minderjährigen) Kindern, den Klägern zu 3 bis 9, gemeinsam mit zwei weiteren, nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Familienangehörigen in diesem Haus. Sie beziehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Unter anderem gewährte der Beklagte für die Zeit vom 1.8.2007 bis zum 31.7.2008 Leistungen in Höhe von insgesamt 1545,16 Euro monatlich (Bescheid vom 17.7.2007). Als Kosten der Unterkunft legte er dabei monatliche Gesamtkosten in Höhe von 429,85 Euro (9/11 der Gesamtkosten von 525,37 Euro) sowie monatliche Heizkostenanteile in Höhe von 90 Euro (9/11 von 110 Euro) zugrunde. Für die Zeit ab 1.4.2008 änderte der Beklagte die Bewilligungsentscheidung und bewilligte Leistungen in Höhe von 1562,99 Euro monatlich und dabei ua Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 537,68 Euro, wobei er Hauslasten in Höhe von 423,14 Euro monatlich und Kosten für Heizung in Höhe von 114,54 Euro monatlich berücksichtigte (Bescheid vom 18.4.2008). Für die Zeit ab 1.7.2008 bewilligte er schließlich Leistungen in Höhe von 1591,99 Euro monatlich; die Kosten der Unterkunft und Heizung blieben insoweit unverändert.

3

Mit Bescheid über die Festsetzung und Erhebung der Kosten für die Erneuerung oder Ausbesserung der Anschlusskanäle für das Grundstück vom 14.5.2008 setzte die Stadt Düren gegenüber dem Kläger zu 1 Anschlusskosten für die Verlegung von Anschlusskanälen in Höhe von 584,65 Euro fest. Der Betrag werde einen Monat nach Bekanntgabe fällig. Der Kläger zu 1 beantragte die Übernahme dieser Kosten bei dem Beklagten. Er sei nicht bereit für diese Kosten aufzukommen, da er die Erneuerung bzw Ausbesserung der Anschlusskanäle nicht gewollt habe (Schreiben vom 24.5.2008). Den Antrag lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 23.7.2008; Widerspruchsbescheid vom 14.8.2008).

4

Der hiergegen zum Sozialgericht (SG) Aachen erhobenen Klage hat das SG stattgegeben und den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen zur Übernahme der mit Bescheid vom 14.5.2008 festgesetzten Kosten in Höhe von 584,65 Euro verurteilt (Urteil vom 18.3.2009). Die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen (Urteil vom 25.2.2010). Zur Begründung hat es ausgeführt, bei den mit Bescheid vom 14.5.2008 festgesetzten Kosten handele es sich um Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 SGB II. Zu den erstattungsfähigen Aufwendungen für die Unterkunft bei Eigenheimen gehörten alle mit dem Eigentum verbundenen notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen seien. § 7 Abs 2 der Verordnung (VO) zu § 82 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) sei - wie schon unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes - insoweit entsprechend anzuwenden(Hinweis auf BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, RdNr 38 und BVerwGE 77, 232). Bei den im vorliegenden Fall gemäß § 10 Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NRW) in Verbindung mit der Entwässerungssatzung sowie der Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt Düren festgesetzten und erhobenen Kosten handele es sich um einen Kostenersatz, der wie eine sonstige öffentliche Abgabe iS des § 7 Abs 2 Satz 1 Nr 2 VO zu § 82 SGB XII zu werten sei, auch wenn es sich rechtstechnisch (anders als in anderen Bundesländern) nicht um eine Gebühr handele, sondern um eine öffentlich-rechtliche Entgeltleistung besonderer Art. Der Senat halte es für geboten, den Begriff der öffentlichen Abgabe in § 7 Abs 2 Satz 1 Nr 2 VO zu § 82 SGB XII sozialrechtlich auf den vorliegend geltend gemachten Kostenersatzanspruch gemäß § 10 KAG NRW auszudehnen. Für eine je nach Bundesland unterschiedliche Behandlung solcher Kostenersatzansprüche sei ein sachlicher Grund nicht gegeben. Zudem ruhe der Kostenersatzanspruch nach § 10 KAG NRW als öffentliche Last auf dem Grundstück(Hinweis auf OVG NRW Urteil vom 10.8.1998 - 22 A 2059/95). Entgegen der Auffassung des Beklagten komme es damit auf eine Unterscheidung zwischen werterhaltenden und wertsteigernden Ausgaben nicht an. Eine Übernahme der als sonstige öffentliche Abgabe zu qualifizierenden Kosten werde allein durch das Kriterium der Angemessenheit begrenzt. An der Angemessenheit der Kosten bestünden vorliegend keine Zweifel, weil schon die von dem Beklagten als für die Bedarfsgemeinschaft angemessen angesehene Kaltmiete in Höhe von 744,54 Euro monatlich nicht überschritten würde.

5

Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten. Die vom LSG vorgenommene Auslegung unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Belastung über alle Bundesländer hinweg überzeuge nicht. Eine "sozialrechtliche Ausdehnung" und damit bundeseinheitliche Anwendung der jeweils für den Hilfebedürftigen günstigsten landesrechtlichen Vorschriften sei vom Bundessozialgericht (BSG) schon bei der Bestimmung der Flächenwerte für eine "angemessene Unterkunft" verworfen worden (BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Damit habe das BSG bewusst Ungleichbehandlungen von Bundesland zu Bundesland in Kauf genommen. § 7 Abs 2 Satz 1 Nr 2 der VO zu § 82 SGB XII könne keine Anwendung finden, denn sonstige öffentlich-rechtliche Entgeltleistungen besonderer Art seien nicht erfasst.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Februar 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 18. März 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie halten die Entscheidungen von SG und LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist nur zu einem Teil begründet, im Übrigen aber unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). SG und LSG sind im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass den Klägern wegen der im laufenden Bewilligungsabschnitt fällig gewordenen Kosten für die Erneuerung oder Ausbesserung der Anschlusskanäle für das Grundstück höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zustehen. Insoweit ist mit Fälligkeit der Kosten im Juni 2008 eine wesentliche Änderung iS von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gegenüber den Verhältnissen eingetreten, die bei Erlass der Bescheide vom 17.7.2007 und vom 18.4.2008 für den Zeitraum vom 1.8.2007 bis zum 31.7.2008 hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung vorlagen (dazu unter 2 a). Allerdings ist der von diesem Zeitpunkt an geänderte, aktuelle tatsächliche Bedarf der Kläger an Kosten der Unterkunft und Heizung nur in Höhe der auf sie entfallenden Kopfteile an den Gesamtkosten für das von elf Personen bewohnte Haus zu berücksichtigen (dazu unter 2 b). Die danach berücksichtigungsfähigen Kosten in Höhe von 478,35 Euro (9/11 von 584,65 Euro) sind mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse zugunsten der Kläger zu berücksichtigen, denn die Kosten für Unterkunft und Heizung stellen sich auch unter Einschluss dieser weiteren Kosten als angemessen dar (dazu unter 2 c).

10

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 23.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.8.2008, mit dem der Beklagte die Übernahme der im Mai 2008 festgesetzten und im Juni 2008 fällig gewordenen Kosten für die Erneuerung und Ausbesserung der Anschlusskanäle als Kosten der Unterkunft und Heizung abgelehnt hat. Gegen diese Bescheide wenden sich die Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG iVm § 56 SGG). Bereits mit ihrem Antrag vor dem SG haben die Kläger den Streitstoff inhaltlich ausdrücklich auf höhere Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkt (zur Zulässigkeit einer derartigen Beschränkung vgl nur BSGE 97, 217 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18; zur rechtlich nicht möglichen weiteren Aufspaltung des Streitgegenstands, etwa in Unterkunfts- und Heizkosten: BSG, aaO, RdNr 18, 22). Der Höhe nach ist die Überprüfung im Revisionsverfahren auf weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 584,65 Euro begrenzt, weil nur der Beklagte durch die Urteile von SG und LSG beschwert ist und Revision eingelegt hat.

11

2. Die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheides misst sich an § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch und § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, weil der Beklagte den Klägern mit den vorangegangenen Bewilligungsbescheiden vom 17.7.2007 und vom 18.4.2008 Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.7.2008 bewilligt hatte und die Fälligkeit der weiteren, streitigen Kosten zeitlich in diesen Bewilligungsabschnitt fällt. Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, hier also der Bescheid vom 17.7.2007 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 18.4.2008, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Dabei sind bei der Frage, ob bzw inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - bezogen auf die hier streitigen Kosten der Unterkunft und Heizung - dazu führt, dass die ursprünglichen Bewilligungsbescheide abzuändern sind, grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl nur BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 38 RdNr 12 mwN) .

12

Die Kläger erfüllten im Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.7.2008 die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 19 Satz 1, § 22 SGB II. Damit haben sie ua Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Es ergeben sich nach den Feststellungen des LSG und dem Vortrag der Beteiligten dabei keine Anhaltspunkte dafür, dass die mit Bescheiden vom 17.7.2007 und vom 18.4.2008 für den Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.7.2008 bewilligten Kosten für Unterkunft und Heizung ursprünglich unzutreffend festgesetzt sein könnten.

13

a) Eine gegenüber den ursprünglichen Bewilligungen mit Bescheiden vom 17.7.2007 und vom 18.4.2008 wesentliche Änderung in den Verhältnissen ist mit der Fälligkeit der mit Bescheid der Stadt Düren vom 14.5.2008 festgesetzten und erhobenen Kosten für die Verlegung von Anschlusskanälen im Juni 2008 eingetreten. Für diesen Monat sind höhere tatsächliche Kosten für Unterkunft und Heizung entstanden, die entgegen der Auffassung des Beklagten dem Grunde nach berücksichtigungsfähig im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sind.

14

Zu den grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Aufwendungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II für die Unterkunft in Eigenheimen gehören neben den zur Finanzierung geleisteten Schuldzinsen auch die Nebenkosten, wie zB Beiträge zur Wohngebäudeversicherung, Grundsteuern, Wasser- und Abwassergebühren und ähnliche Aufwendungen im jeweils maßgebenden Bewilligungszeitraum. Wird ein Eigenheim bewohnt, zählen zu den Kosten der Unterkunft die Aufwendungen, die der Leistungsberechtigte als mit dem Eigentum unmittelbar verbundene Lasten zu tragen hat. Soweit solche Kosten in einer Summe fällig werden, sind sie als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen (vgl etwa BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 36).

15

Bei den streitigen Anschlusskosten handelt es sich um solche einmalig anfallenden Lasten, die im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II berücksichtigungsfähig sind. Bei der Frage nach den berücksichtigungsfähigen Kosten für Unterkunft und Heizung bei selbst genutzten Eigenheimen geht es nur darum, diejenigen Kosten zu bestimmen, die tatsächlich und untrennbar mit der Nutzung des Hausgrundstücks anfallen. Insoweit hat das LSG im Einzelnen unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen ausgeführt, dass die Anschlusskosten nach § 10 KAG NRW als öffentliche Last auf dem Grundstück liegen. Sie erwachsen nach den Feststellungen des LSG aus dem gemeindlichen Anschluss- und Benutzungszwang, dem der Grundstückseigentümer unterworfen ist, und sind so ausgestaltet, dass sie für den Eigentümer unvermeidbare und unmittelbar mit der Nutzung des Grundstücks verbundene Lasten sind. An diese Auslegung der landesrechtlichen Vorschriften ist der Senat gebunden (§ 162 SGG). Auf die weitergehende landesrechtliche Ausgestaltung solcher Lasten als Gebühr oder öffentlich-rechtliche Entgeltleistung besonderer Art kommt es nach Sinn und Zweck des § 22 SGB II nicht an. Inwieweit eine Übernahme solcher öffentlich-rechtlicher Lasten, denen sich der Hauseigentümer nicht entziehen kann, durch den Träger der Grundsicherung als gerechtfertigt anzusehen ist, ist allein eine Frage der Angemessenheit solcher Kosten, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat.

16

Dagegen ist unerheblich, ob die Einbeziehung dieser Kosten von Wortlaut und Sinn und Zweck des § 7 Abs 2 Satz 1 Nr 2 VO zu § 82 SGB XII gedeckt ist, wie das LSG meint. § 7 VO zu § 82 SGB XII ist für die Feststellung, welche (Neben)Kosten für Eigentümer als berücksichtigungsfähige Kosten anzusehen sind, (nur) entsprechend anzuwenden(BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, RdNr 38). Die dort genannten Kosten können nur Anhaltspunkt dafür sein, in welchem Umfang berücksichtigungsfähige Kosten im Rahmen des § 22 SGB II entstehen. Bereits aufgrund ihrer systematischen Stellung kommt der Regelung bei der Konkretisierung des Begriffs der Aufwendungen für Unterkunft keine bindende Wirkung zu (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 17 RdNr 16).

17

Schließlich kann dahinstehen, ob die von der Stadt Düren vorgenommenen Kanalausbesserungen, die den streitigen Kosten zugrunde liegen, als notwendige Erhaltungsmaßnahmen auch aus diesem Grund zu den berücksichtigungsfähigen Kosten gehören.

18

b) Allerdings sind auch einmalig anfallende Kosten bei der Nutzung eines Eigenheimes von mehreren Personen nicht in vollem Umfang, sondern nur anteilig pro Kopf zu berücksichtigen. Da nur neun der insgesamt elf Familienmitglieder als Hilfebedürftige nach den Feststellungen des LSG eine Bedarfsgemeinschaft bilden und nur deren Kosten der Unterkunft im vorliegenden Verfahren von dem Beklagten geltend gemacht werden können, belaufen sich die weiteren, im Monat Juni 2008 berücksichtigungsfähigen Kosten auf 478,35 Euro und nicht auf 584,65 Euro, wie die Vorinstanzen meinen. Nutzen Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, so sind die Kosten der Unterkunft im Regelfall unabhängig von Alter oder Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind (stRspr, vgl etwa BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33 mwN). Unerheblich ist insoweit auch, dass nur der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 als Grundstückeigentümer von der Stadt Düren wegen der streitigen Kosten in Anspruch genommen worden sind.

19

c) Die danach berücksichtigungsfähigen einmaligen Kosten in Höhe von 478,35 Euro erweisen sich schließlich auch als angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, sodass sich die Verurteilung des Beklagten zu ihrer Übernahme insoweit als zutreffend erweist.

20

Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind (im Einzelnen nur BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10). Diese Rechtsprechung ist dahin zu konkretisieren, dass der Vergleich zwischen den Kosten für eine im örtlichen Vergleichsraum abstrakt angemessene Nettokaltmiete und den Kosten, die bei der Nutzung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen entstehen, an Hand der im Kalenderjahr anfallenden Kosten vorzunehmen ist. Dies rechtfertigt sich daraus, dass üblicherweise vor allem die Betriebskosten für Eigenheime (etwa Grundsteuern, Beiträge zur Versicherungen, Wasser- und Abwassergebühren) nicht monatlich, sondern jährlich, halbjährlich oder vierteljährlich anfallen. Um die regelmäßigen Kosten von Eigenheimen realistisch abzubilden, erscheint eine monatliche Betrachtungsweise damit nicht geeignet. Andererseits berücksichtigt die Prüfung der Angemessenheit von Kosten bezogen auf einen Jahreszeitraum, dass nach § 41 Abs 1 Satz 5 SGB II aF Leistungen (wie dies vorliegend geschehen ist) längstens für ein Jahr bewilligt werden dürfen. Längstens für diesen Zeitraum kann davon ausgegangen werden, dass wesentliche Veränderungen in den Lebensverhältnissen eines Hilfebedürftigen nicht eintreten. Die Prüfung der Angemessenheit von Gesamtkosten bezogen auf ein Jahr bedeutet allerdings - wie bereits ausgeführt - nicht, dass tatsächlich einmalig anfallende Kosten vom Träger der Grundsicherung über längere Zeiträume verteilt zu gewähren wären.

21

Nach den Feststellungen des LSG hält der Beklagte eine monatliche Kaltmiete (ohne Nebenkosten) in Höhe von 744,54 Euro, mithin eine Jahreskaltmiete in Höhe von 8934,48 Euro für eine neunköpfige Bedarfsgemeinschaft für angemessen. Diese Kosten, die die üblichen von Mietern zu zahlenden (kalten) Nebenkosten noch nicht enthalten (vgl dazu zuletzt BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - RdNr 33, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), werden mit den auf die Kläger entfallenden, von dem Beklagten als berücksichtigungsfähig anerkannten Anteilen der Gesamtkosten des Hauses im Jahre 2008 (5097,81 Euro zuzüglich Heizkosten) bei weitem nicht erreicht. Der vom LSG mitgeteilte Sachverhalt gibt mithin keinen Anlass an der Angemessenheit der Gesamtkosten des Eigenheimes auch unter Einschluss der einmalig angefallenen Kosten für die Verlegung der Kanalanschlüsse in Höhe von 478,35 Euro zu zweifeln.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen, soweit das Landessozialgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen hat.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt für den Zeitraum vom 13.7. bis 30.9.2005 höheres Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und anschließend die Leistung dem Grunde nach. Umstritten ist insbesondere, inwieweit eine von ihrem Ehemann bezogene Verletztenrente, wegen der Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ruhen, als Einkommen zu berücksichtigen ist.

2

Die am 14.8.1948 geborene Klägerin ist mit dem am 13.9.1940 geborenen früheren Kläger zu 1 verheiratet. Der Ehemann der Klägerin wurde am 30.7.1996 im Rahmen seiner Berufstätigkeit Opfer eines Gewaltverbrechens. Durch den Vorfall hat er erhebliche dauerhafte Verletzungen davongetragen. Der Freistaat Sachsen erkannte das Attentat als Gewalttat nach dem OEG an, stellte Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folgen dieser Tat nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), heute: Grad der Schädigungsfolgen (GdS), von 100 vH fest und gewährte als Leistungen eine entsprechende Grundrente, Pflegezulage, Schwerstbeschädigtenzulage, Ausgleichsrente und einen Kinder- sowie Ehegattenzuschlag. Im Jahr 2000 erkannte die zuständige Berufsgenossenschaft (BG) das Attentat als Arbeitsunfall nach § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) an und gewährte rückwirkend Pflegegeld sowie eine Verletztenrente. Wegen der Anrechnung der Verletztenrente nach dem SGB VII auf die Leistungen nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG und wegen weiterer Ansprüche schweben zwischen dem Ehemann und dem Freistaat Sachsen noch mehrere gerichtliche Verfahren.

3

Am 13.7.2005 beantragten die Klägerin und ihr Ehemann bei dem Beklagten, dem für ihren damaligen Wohnort zuständigen Jobcenter, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zu diesem Zeitpunkt bezog der Ehemann von der BG monatlich eine Verletztenrente in Höhe von 3014,98 Euro und Pflegegeld in Höhe von 818,38 Euro und gab an, keine weiteren Einkünfte zu haben. Für seine private Krankenversicherung wandte er monatlich 587,27 Euro auf. Die Klägerin war zu Lasten des Freistaats Sachsen nach den Regelungen des BVG Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung. Daneben bestand eine private Krankenzusatzversicherung, für die 213,48 Euro monatlich zu zahlen waren. Die Eheleute bewohnten eine Eigentumswohnung, nutzten aber zudem eine weitere eigene Wohnung in demselben Haus, wobei ein Zimmer jener Wohnung als Archiv diente. Für beide Wohnungen waren monatlich Schuldzinsen von 386,80 Euro an die Kreissparkasse und von 740 Euro an eine Bausparkasse zu zahlen. Die Grundsteuer für die überwiegend bewohnte Wohnung betrug jährlich 175,23 Euro, die Vorauszahlungen auf die Nebenkosten inklusive Heizung und Warmwasser betrugen 160 Euro monatlich. Der Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 15.7.2005). Einem monatlichen Bedarf von 2482,27 Euro, bestehend aus den Regelbedarfen von zusammen 622 Euro, der Krankenversicherung des Ehemanns von 587,27 Euro, Unterkunftskosten in Höhe von 1126 Euro sowie Nebenkosten in Höhe von 147 Euro (160 Euro abzüglich der Warmwasserpauschale), stehe ein Einkommen von 2984,98 Euro gegenüber, das sich aus der Verletztenrente von 3014,98 Euro abzüglich der Versicherungspauschale von 30 Euro zusammensetze. Der mit der Begründung, in der Verletztenrente seien sämtliche Leistungen nach dem OEG enthalten, die nicht als Einkommen auf andere Sozialleistungen angerechnet werden dürften und daher von der Verletztenrente abgesetzt werden müssten, erhobene Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 2.9.2005).

4

Die dagegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht (SG), das den örtlichen Träger der Sozialhilfe zum Rechtsstreit beigeladen hat, abgewiesen (Urteil vom 16.1.2008). Die Klage des früheren Klägers zu 1 wurde abgewiesen, weil er mit dem 12.9.2005 die Altersgrenze von 65 Jahren überschritten habe, außerdem sei er zuvor schon voll erwerbsgemindert gewesen, sodass ein Anspruch auf Alg II nicht bestehe. Die Klägerin sei nicht nach dem SGB II anspruchsberechtigt, weil sie nicht hilfebedürftig sei. Das Einkommen des Ehemanns reiche aus, um seinen und ihren Bedarf zu decken, denn die Verletztenrente sei in vollem Umfang anrechenbares Einkommen.

5

Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 16.5.2012 die Berufung des Ehemanns in vollem Umfang zurückgewiesen. Ansprüche nach dem SGB II stünden ihm aus den vom SG genannten Gründen nicht zu, Ansprüche nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) könnten nur gegen den Beigeladenen bestehen, mangels entsprechenden Antrags seien solche Ansprüche aber nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Die Klage der Klägerin sei hingegen zu einem Teil begründet. Sie erfülle die persönlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Alg II. Für die Zeit ab Antragstellung vom 13.7. bis 30.9.2005 sei sie hilfebedürftig in Höhe von 556,90 Euro gewesen, denn aus verfassungsrechtlichen Erwägungen (Art 3 Abs 1 Grundgesetz ) sei der Teil der Verletztenrente des Ehemanns, der einer Grundrente nach § 31 BVG entspreche, anrechnungsfrei zu stellen; dies seien zunächst 621 Euro und ab September 2005 658 Euro monatlich gewesen. Zwar privilegiere § 11 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 SGB II aF ausdrücklich nur die Grundrente nach dem BVG selbst und den Gesetzen, die das BVG für anwendbar erklärten, und eine analoge Anwendung auf die Verletztenrente sei wegen der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers nicht möglich. Es sei aber aus Gleichbehandlungsgrundsätzen im Wege einer verfassungskonformen Auslegung der Teil der Verletztenrente als zweckbestimmte Einnahme nach § 11 Abs 3 Nr 1a SGB II aF abzusetzen, der der Höhe der Grundrente nach dem BVG entspreche, während weitere Beträge in Höhe der Schwerstbeschädigtenzulage, der Ausgleichsrente, des Berufsschadensausgleichs oder der Kinder- oder Ehegattenzulagen nicht von der Verletztenrente abgesetzt werden könnten. Für die Zeit vom 1.10.2005 bis Ende 2007 habe kein Anspruch mangels Hilfebedürftigkeit bestanden. Einem Anspruch gegen den Beklagten habe ab Ende 2007 der Umzug der Kläger aus dem Bezirk des Beklagten in einen anderen Landkreis, der sowohl örtlicher Sozialhilfeträger als auch zugelassener kommunaler Träger nach dem SGB II sei, entgegengestanden. Dort seien keine Leistungen beantragt worden.

6

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision. Sie rügt eine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG iVm § 11 Abs 3 Nr 1a SGB II aF. Zu Unrecht sei das LSG davon ausgegangen, die Schwerstbeschädigtenzulage diene überwiegend der Sicherung des Lebensunterhalts. Die vom LSG herausgearbeiteten Besonderheiten der Beschädigtengrundrente träfen auch auf die Schwerstbeschädigtenzulage zu, die ebenfalls eine Entschädigung für die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität darstelle und ebenso wie die Beschädigtengrundrente eine Leistung sei, welche die Allgemeinheit in Ansehung des von dem Berechtigten erbrachten Opfers erbringe. Dass auch die Schwerstbeschädigtenzulage zu den zweckbestimmten Einnahmen zähle, die einem anderen Zweck als dem des Alg II zu dienen bestimmt seien, ergebe sich auch aus den Durchführungshinweisen der Bundesagentur für Arbeit für die Anwendung des SGB II. Daher sei hier ebenso eine verfassungskonforme Auslegung notwendig. Dasselbe gelte auch für die Ausgleichsrente für Schwerbeschädigte. Insoweit habe der Gesetzgeber selbst angeordnet, dass die Leistung ganz oder teilweise einem anderen Zweck dienen solle als die Leistungen nach dem SGB II. Da es sich bei dem Zuschlag für Ehegatten um einen Zuschlag zur Ausgleichsrente handele, sei auch dieser im Wege der verfassungskonformen Auslegung ein Teil, der von der Verletztenrente als zweckbestimmte Einnahme abzusetzen sei. Es ergebe sich als Ergebnis bei der Einkommensberechnung für die Eheleute kein Einkommensüberhang für die Klägerin, sondern eine Unterdeckung ihres Bedarfs, sodass sie Anspruch auf weitere Leistungen nach dem SGB II habe.

7

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 2012 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Januar 2008 zu ändern sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. September 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 13. Juli bis 30. September 2005 höheres Arbeitslosengeld II und für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 16. Mai 2012 überhaupt Arbeitslosengeld II zu zahlen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin hat im Sinne der Aufhebung der zweitinstanzlichen Entscheidung, soweit ihre Berufung zurückgewiesen worden ist, und der Zurückverweisung der Sache an das LSG Erfolg (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG kann nicht abschließend entschieden werden, ob der Klägerin ein Anspruch auf höheres Alg II und anschließend auf Alg II dem Grunde nach zusteht.

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid des beklagten Jobcenters des ursprünglichen Wohnorts der Klägerin vom 15.7.2005, mit dem Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für sie und für ihren Ehemann nach dem SGB II vollständig abgelehnt wurden, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.9.2005. Gegen die genannten Bescheide haben sich die Klägerin und zunächst auch ihr Ehemann in zulässiger Weise mit einer Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG)gewandt, wobei nur eine Verurteilung dem Grunde nach beantragt wurde. Während das SG einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II vollständig verneint hat, hat das LSG den Beklagten zur Zahlung von 556,90 Euro an die Klägerin für den Zeitraum vom 13.7.2005 bis zum 30.9.2005 verurteilt und die Berufungen im Übrigen zurückgewiesen. Die allein die Revision führende Klägerin begehrt nunmehr ab dem Zeitpunkt der Antragstellung am 13.7.2005 bis zum 30.9.2005, also dem Zeitraum, für den das LSG ihr Leistungen zugesprochen hatte, höheres Alg II und für den Zeitraum danach überhaupt Alg II. Dabei ist wegen des in zeitlicher Hinsicht unbegrenzt gestellten Antrags und der vollständigen Leistungsablehnung grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG für das Ende des streitbefangenen Zeitraums maßgeblich (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 30; vgl Krasney/ Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, VII. Kap RdNr 98). Diese fand am 16.5.2012 statt.

12

2. Der Begründetheit der Revision steht nicht entgegen, dass die Klägerin und ihr Ehemann ab einem nicht genau bezeichneten Zeitpunkt Ende Dezember 2007 durch einen Umzug in einen anderen Landkreis nicht mehr der örtlichen Zuständigkeit des beklagten Jobcenters unterfielen (vgl § 36 SGB II)und sie an ihrem neuen Wohnort keinen Leistungsantrag gestellt haben (vgl zum Antragserfordernis § 37 Abs 1 SGB II). Zwar ist der Beklagte seit ihrem Wegzug nicht mehr der örtlich zuständige Leistungsträger, sodass es an der Passivlegitimation hinsichtlich des Leistungsbegehrens fehlt. Die örtliche Zuständigkeit ist jedoch kein anspruchsbegründendes Element, weshalb der Antrag der Klägerin trotz Umzugs bis zur letzten mündlichen Verhandlung fortwirkt und über den geltend gemachten Anspruch auch entschieden werden kann, vielmehr sind weitere örtlich zuständige Leistungsträger im wiedereröffneten Berufungsverfahren beizuladen.

13

3. Die Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend darüber entscheiden zu können, ob der Klägerin die begehrte Leistung dem Grunde nach zusteht. Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004 - BGBl I 2014: im Folgenden: SGB II aF) erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), die erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig (Nr 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Den Feststellungen in dem angefochtenen Urteil kann zwar entnommen werden, dass die Klägerin die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II hinsichtlich des Lebensalters, der Erwerbsfähigkeit und des gewöhnlichen Aufenthalts im streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt hat, allerdings sind die Ausführungen des LSG zur Hilfebedürftigkeit der Klägerin nicht durch entsprechende Sachverhaltsfeststellungen getragen.

14

a) Nach § 9 Abs 1 SGB II aF ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus zu berücksichtigendem Einkommen und Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Nach § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II ist bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ua auch das Einkommen des Partners zu berücksichtigen, nach Satz 3 dieser Vorschrift gilt jede Person einer Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, wenn in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt ist.

15

Die Klägerin, die mit ihrem Ehemann zusammengelebt hat, bildete mit diesem im streitigen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft (vgl § 7 Abs 3 SGB II). Zur Prüfung eines Anspruchs der Klägerin ist daher der Bedarf beider Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einerseits und das der Bedarfsgemeinschaft zufließende Einkommen und das eventuell vorhandene Vermögen andererseits gegenüberzustellen. Dabei stehen die Tatsachen, dass der Ehemann dauerhaft voll erwerbsgemindert war, am 13.9.2005 die Altersgrenze nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II überschritt und selbst keine Leistungen nach dem SGB II erhalten konnte, seiner Einbeziehung in die Bedarfsgemeinschaft nicht entgegen(stRspr, vgl zuletzt BSG Urteil vom 16.4.2013 - B 14 AS 71/12 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 12). Die Prüfung der Hilfebedürftigkeit der Klägerin ist nach den Grundsätzen durchzuführen, die das Bundessozialgericht (BSG) für sog gemischte Bedarfsgemeinschaften entwickelt hat (vgl grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - juris RdNr 29 ff, SozR 4-4200 § 9 Nr 5). Danach ist in einem ersten Schritt der Bedarf der Klägerin zu bestimmen und in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob und in welchem Umfang dem Bedarf der Klägerin eigenes Einkommen oder Einkommen ihres Ehemanns sowie verwertbares Vermögen entgegensteht.

16

b) Der Bedarf der Klägerin setzte sich zusammen aus dem Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts (früher: Regelleistung, § 20 SGB II aF) und den Bedarfen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II). Als Bedarf der Klägerin hat das LSG zunächst zutreffend - durch Verweis auf das Urteil des SG - die Regelleistung für Eheleute in Höhe von damals je 311 Euro zugrunde gelegt und ausgeführt, Beiträge für die private Krankenzusatzversicherung der Klägerin seien nicht zu berücksichtigen, da diese gesetzlich krankenversichert sei. Anhaltspunkte für einen Mehrbedarf (§ 21 SGB II) sind nicht zu erkennen.

17

Die Feststellungen hinsichtlich der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung reichen jedoch für eine abschließende Bedarfsermittlung nicht aus. Das LSG hat, ausgehend davon, dass die Klägerin mit ihrem Ehemann zwei Eigentumswohnungen bewohnte, die tatsächlichen Kosten, bestehend aus Schuldzinsen, Grundsteuer und Nebenkosten inklusive Heizkosten mit 1301,80 Euro beziffert, sodass auf die Klägerin bei Aufteilung nach Kopfteilen 650,90 Euro entfallen würden. Diese Summe ist schon deshalb nicht zutreffend, weil das LSG die Grundsteuer von jährlich 175,23 Euro (für die "überwiegend bewohnte" Wohnung) auf einen Monatsbetrag von 14,60 Euro umgelegt hat, was der ständigen Rechtsprechung des BSG widerspricht (vgl zB BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 44 RdNr 20). Darüber hinaus sind ungeachtet der Tatsache, dass in der Regel die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II aF für die ersten sechs Monate übernommen werden müssen, wenn keine Kostensenkung möglich ist oder es - wie hier - bereits an einer Kostensenkungsaufforderung fehlt, jedenfalls keine ausreichenden Feststellungen zur Angemessenheit getroffen worden, weder hinsichtlich der Frage, ob zwei Wohnungen, von denen die eine möglicherweise auch teilweise geschäftlich genutzt wird, überhaupt in die Unterkunftskosten Eingang finden können, noch hinsichtlich der Frage der benutzten Wohnfläche, die das LSG ungeprüft nach der subjektiven Schätzung der Klägerin zugrunde gelegt hat.

18

Die nicht ausreichenden Feststellungen hinsichtlich des Bedarfs für Unterkunft und Heizung haben auch insoweit Auswirkungen, als nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Hilfebedürftigkeit der Klägerin verwertbares Vermögen entgegengestanden hat. Als einzusetzendes Vermögen gemäß § 12 Abs 1 SGB II kommt die zweite Eigentumswohnung in Betracht. Ggf wäre noch zu klären, ob eine mögliche Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich wäre oder eine besondere Härte darstellen würde (§ 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II).

19

Feststellungen hinsichtlich des Bedarfs für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach dem Umzug fehlen vollständig.

20

c) Für die Beurteilung, ob der Klägerin weitere Ansprüche nach dem SGB II zustehen, kommt es auch auf den Bedarf ihres mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehemanns an. Im Ansatz zutreffend ist für den Ehemann ebenfalls ein Regelbedarf von 311 Euro zugrunde gelegt worden, ebenso ein Mehrbedarf für gehbehinderte Menschen in Höhe von 17 % des maßgeblichen Regelsatzes in Höhe von 52,87 Euro. Zu Recht hat das LSG des Weiteren auf der Bedarfsseite die Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung des Ehemannes in Höhe von 587,27 Euro berücksichtigt, weil dieser nach den Feststellungen des LSG unter keinem Gesichtspunkt gesetzlich kranken- und pflegeversichert und ihm eine freiwillige gesetzliche Krankenversicherung nicht möglich war. Der Gesamtbedarf des Ehemannes kann aber nicht festgestellt werden, weil hinsichtlich der Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung die schon bei der Klägerin erörterten Feststellungen fehlen.

21

4. Da es vorliegend allein um Ansprüche der Klägerin geht und diese nach den Feststellungen des LSG nicht über Einkommen verfügte, wird im wieder aufgenommenen Berufungsverfahren nach Feststellung der Bedarfe für beide Eheleute zu klären sein, ob bzw in welchem Umfang Einkommen des Ehemanns bei der Klägerin zu berücksichtigen ist, denn nur das den Bedarf des nicht leistungsberechtigten Mitglieds übersteigende Einkommen ist auf die hilfebedürftigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu verteilen (BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 47 ff). Dem noch zu ermittelnden Bedarf des Ehemanns steht als Einkommen ab Juli 2005 die ihm in Höhe von 3014,98 Euro monatlich gezahlte Verletztenrente gegenüber. Ab Oktober 2005 kam die Altersrente in Höhe von damals 520,96 Euro hinzu, die aber zu einer Absenkung der Verletztenrente führte. Das LSG hat zutreffend das dem Ehemann gezahlte monatliche Pflegegeld in Höhe von 818,38 Euro als zweckbestimmte Einnahme gemäß § 11 Abs 3 Nr 1a SGB II aF angesehen und nicht als Einkommen berücksichtigt sowie die Versicherungspauschale von 30 Euro abgesetzt.

22

a) Bei der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens des Ehemannes hat das LSG zu Recht dessen Verletztenrente nicht in voller Höhe als Einkommen berücksichtigt, sondern den Teil der Verletztenrente nach den §§ 56 ff SGB VII anrechnungsfrei gestellt, der der Grundrente nach den §§ 30, 31 Abs 1 BVG entspricht, einschließlich des Alterserhöhungsbetrags(§ 31 Abs 1 Satz 2 BVG). Hierfür bedarf es nicht einer Begründung über die Zuschreibung einer Zweckbestimmung nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II aF, sondern das Ergebnis folgt bereits aus einer verfassungskonformen Auslegung des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF(heute § 11a Abs 1 SGB II).

23

aa) § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass unter den Tatbestand "Grundrente nach dem BVG und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen" auch der Anteil einer Verletztenrente zu fassen ist, hinsichtlich dessen eine Grundrente nach dem OEG iVm dem BVG gemäß § 65 Abs 1 BVG ruht.

24

Dies widerspricht weder dem Urteil des BSG vom 5.9.2007 (B 11b AS 15/06 R - BSGE 99, 47 = SozR 4-4200 § 11 Nr 5), wonach eine direkte Anwendung des § 11 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 SGB II aF auf die Verletztenrente angesichts der Gesetzesgeschichte und des klaren Wortlauts ebenso wie eine analoge Anwendung der Vorschrift ausscheidet, noch der Rechtsprechung, dass eine Privilegierung der Verletztenrente sowohl gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF als auch gemäß § 11 Abs 3 Nr 1 und 2 SGB II aF ausscheidet(BSG Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 62/06 R -; BSG Urteil vom 17.3.2009 - B 14 AS 15/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 20 RdNr 13; Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 198/11 R -). Es erfolgt keine analoge Anwendung des § 11 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 SGB II aF auf die Verletztenrente, sondern das Tatbestandsmerkmal "Grundrente nach dem BVG" wird - entsprechend dem Gesetzeswortlaut - durchgängig auf die Grundrente nach dem BVG und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, angewendet, auch wenn der Anspruch auf diese Rente ruht, weil sie auf derselben Ursache beruht wie die Verletztenrente(§ 65 Abs 1 BVG). Damit steht die hiesige Entscheidung im Einklang mit den genannten Entscheidungen des BSG, die eine Besserstellung der Verletztenrente ablehnen und insofern keine Verletzung des Gleichheitsgebots aus Art 3 Abs 1 GG sehen, denn alle Entscheidungen betrafen "reine Verletztenrenten" ohne Ruhenswirkung nach dem BVG.

25

bb) Der Ehemann war in entsprechender Anwendung des BVG (§ 1 Abs 1 OEG)Anspruchsberechtigter einer Grundrente nach dem OEG iVm §§ 30, 31 Abs 1 BVG, die er ursprünglich auch erhalten hat. Diese Grundrente wird ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen sowie gesellschaftliche oder berufliche Stellung gezahlt (vgl Dau in Knickrehm, HK - Gesamtes soziales Entschädigungsrecht, § 31 BVG, RdNr 1)und ihr kommt nach der Gesetzesbegründung (vgl BT-Drucks 1/1333, S 43, 45; BT-Drucks 3/1239, S 21) eine besondere Stellung deshalb zu, weil sie eine Entschädigung für die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität darstellt und Mehraufwendungen ausgleichen soll, die der Geschädigte infolge der Schädigung gegenüber einem gesunden Menschen hat. Dass Rentenansprüche nach dem BVG gemäß § 65 BVG ggf zum Ruhen gebracht werden, hat seinen Grund darin, dass Doppelleistungen ausgeschlossen werden sollen. Aus dem Zusammenhang von § 3 Abs 4 OEG und § 4 Abs 1 Nr 2 SGB VII ergibt sich, dass Gewaltopfern eine daneben bestehende Verletztenrente nicht vorenthalten werden soll, weil diese ggf höher ist als die Versorgung nach dem BVG. Die Ruhensregelung soll nur verhindern, dass sich durch Addition eine unangemessen hohe Versorgung ergibt, während aus dem Zusammenspiel der Normen ersichtlich ist, dass der Zweck nicht darin liegen soll, den Personen, die Ansprüche nach beiden Leistungssystemen haben, insgesamt niedrigere Leistungen zu gewähren, als wenn sie nur nach dem OEG iVm dem BVG abgesichert wären.

26

Dies entspricht auch der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Nichtannahmebeschluss vom 16.3.2011 (1 BvR 591/08 und 1 BvR 593/08) entschieden, es handele sich um eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung, wenn zwischen den Beziehern einer Grundrente nach dem BVG, die nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF nicht als Einkommen berücksichtigt werde, und den Beziehern einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, die nach dem SGB II in vollem Umfang als Einkommen berücksichtigt werde, unterschieden werde. Dabei hat das BVerfG deutlich gemacht, dass die Grundrente, anders als die Verletztenrente, zu einem anderen Zweck als der Sicherung des Lebensunterhalts gezahlt werde. Der Entscheidung ist aber zu entnehmen, dass die Verfassungsmäßigkeit der Anrechnung einer Verletztenrente nur für den Fall angenommen wird, dass es sich tatsächlich nur um eine Verletztenrente nach den Vorschriften des SGB VII aufgrund eines Arbeitsunfalls handelt, nicht aber um eine Fallgestaltung wie die vorliegende, in der die Verletztenrente einen grundsätzlich (fort-)bestehenden Anspruch auf eine Grundrente nach dem BVG zum Ruhen bringt.

27

b) Die Schwerstbeschädigtenzulage nach § 31 Abs 5 BVG in der bis zum 30.6.2007 gültigen Fassung (nunmehr § 31 Abs 4 BVG) nimmt nicht an der Privilegierung der Grundrente im Rahmen der Leistungsberechnung nach dem SGB II teil, da § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF ausdrücklich nur auf die Grundrente nach dem BVG verweist und eine Ausdehnung auf weitere im BVG vorgesehene Leistungen nicht vorgenommen werden kann(ebenso Schmidt in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 11a RdNr 6; Striebinger in Gagel, SGB II/SGB III, Stand März 2013, § 11a SGB II RdNr 8; ggf aA Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand IV/13, § 11a RdNr 76, der eine Gleichstellung erwägt). Das BVerfG hat in seinem Urteil zur Ungleichbehandlung der versorgungsberechtigten Kriegsopfer in den alten und den neuen Bundesländern gemäß § 84a BVG ausgeführt, die Feststellung der Verletzung des Art 3 Abs 1 GG beschränke sich auf die Grundrente nach § 31 Abs 1 Satz 1 BVG und könne nicht auf andere Leistungen nach dem BVG erstreckt werden(BVerfG Urteil vom 14.3.2000 - 1 BvR 284/96 und 1 BvR 1659/96 - BVerfGE 102, 41 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3). In der Folge hat zwar der 9. Senat des BSG in seinem Urteil vom 12.6.2003 (B 9 V 2/02 R - BSGE 91, 114 = SozR 4-3100 § 84a Nr 1) entschieden, die Schwerstbeschädigtenzulage sei in verfassungskonformer Auslegung des § 84a Satz 3 BVG ebenso wie die Beschädigtengrundrente in den neuen Bundesländern ab 1.1.1999 ohne Absenkung zu zahlen, diese Entscheidung bezog sich jedoch nur auf die Höhe der zu zahlenden Schwerstbeschädigtenzulage im Rahmen der Fortentwicklung der genannten Entscheidung des BVerfG. Im Übrigen ist aber dargelegt worden, dass es sich bei der Schwerstbeschädigtenzulage um einen Versorgungsanspruch eigener Art handele, der gerade nicht mit dem Anspruch auf Beschädigtengrundrente identisch sei. Letzteres spricht für eine Beschränkung der Privilegierung in § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF auf die Grundrente nach dem BVG.

28

Die Schwerstbeschädigtenzulage ist auch nicht als zweckbestimmte Einnahme gemäß § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II aF von der Berücksichtigung als Einkommen auszunehmen. Die genannte Vorschrift will verhindern, dass eine sich aus einer öffentlich-rechtlichen Norm oder einer privatrechtlichen Grundlage ergebende besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch Berücksichtigung im Rahmen des SGB II verfehlt wird und dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden (vgl nur BSG Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 16/06 R - BSGE 99, 240, 242 = SozR 4-4200 § 11 Nr 8; BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 90/10 R -). Der Schwerstbeschädigtenzulage wird aber gerade kein bestimmter Zweck zugemessen, vielmehr wird sie gezahlt, um außergewöhnlich schwer Betroffenen für den erlittenen Integritätsverlust Genugtuung zu leisten (Dau, aaO, § 31 BVG, RdNr 8). Da der Gesetzgeber im Rahmen der Berücksichtigung von Einkommen nach dem SGB II grundsätzlich sämtliche Einnahmen erfassen will, gilt dies auch für Zahlungen wie die Schwerstbeschädigtenzulage, mit der der Betroffene ohne Beachtung irgendeines Zwecks nach Belieben verfahren kann.

29

c) Die Ausgleichsrente nach § 32 BVG ist ebenfalls von der Privilegierung bei der Einkommensberücksichtigung ausgenommen. Die Ausgleichsrente ist ebenso wie die im Urteil des BVerfG vom 14.3.2000 (aaO) thematisierte Kleiderverschleißpauschale (§ 15 BVG) rein materiell ausgerichtet, sodass sie sich von der Grundrente nach dem BVG mit ihrem immateriellen Gehalt unterscheidet (vgl BSG Urteile vom 5.9.2007 - B 11b AS 15/06 R - BSGE 99, 47 = SozR 4-4200 § 11 Nr 5, RdNr 33 und vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 62/06 R - juris RdNr 30). Die Ausgleichsrente wird bei fehlender Erwerbstätigkeit gezahlt und soll den allgemeinen Lebensunterhalt unabhängig von der Sozialhilfe auf einem Mindestniveau sichern (Dau, aaO, § 32 BVG RdNr 1 und 2). Eine verfassungskonforme Auslegung des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF mit dem Ziel einer Ausdehnung auf die Ausgleichsrente scheidet angesichts dieses Unterschieds aus. Gleiches gilt für eine Nichtberücksichtigung der Ausgleichsrente nach § 11 Abs 3 SGB II aF, weil sie einen anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II verfolgt. Der Zweck der Ausgleichsrente besteht vielmehr ebenso wie die Leistungen nach dem SGB II in der Existenzsicherung des Leistungsempfängers.

30

d) Da der Zuschlag für Ehegatten nach § 33a BVG, den die Klägerin ebenfalls anrechnungsfrei gestellt haben möchte, einen Teil der Ausgleichsrente darstellt und einkommensabhängig gezahlt wird, ist die Revision auch insofern nicht begründet; es gelten die Ausführungen unter c).

31

5. Das LSG wird im wieder eröffneten Berufungsverfahren zunächst die Bedarfe der Klägerin und ihres Ehemanns und sodann das Einkommen des Ehemanns unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze zu ermitteln haben. Sollte das zu berücksichtigende Einkommen des Ehemannes den Bedarf der Klägerin nicht in vollem Umfang abdecken, hat diese - falls nicht Hilfebedürftigkeit durch zumutbaren Einsatz von Vermögen entfällt - einen Anspruch auf (weitere) Leistungen nach dem SGB II. Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Juni 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Gewährung höherer Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) für die Zeit vom 5.8.2007 bis zum 29.2.2008.

2

Der 1957 geborene Kläger (ursprünglich Kläger zu 1) und der 1977 geborene chinesische Staatsangehörige Y, der das vorliegende Verfahren im Klage- und Berufungsverfahren als Kläger zu 2 betrieben hatte, waren im streitigen Zeitraum eingetragene Lebenspartner nach dem Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz ). Sie bezogen seit dem 1.1.2005 von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Für die von ihnen bewohnte 61,44 qm große 2,5 Zimmerwohnung in Berlin-Schöneberg zahlten sie nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg im streitigen Zeitraum eine Miete einschließlich Heizkosten von insgesamt 532,49 Euro monatlich. Der Beklagte teilte ihnen mit Schreiben vom 29.1.2007 mit, dass ihre KdU nicht angemessen seien. Für einen Zwei-Personen-Haushalt gelte insoweit ein Richtwert in Höhe von 444 Euro. Sie seien daher verpflichtet, ihre KdU zu senken. Er, der Beklagte, sei bereit, die tatsächlichen KdU noch für sechs Monate nach Zugang seines Schreibens zu übernehmen.

3

Mit Bescheid vom 27.6.2007 gewährte der Beklagte dem Kläger und seinem Partner für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 31.8.2007 Leistungen in Höhe von 916,49 Euro monatlich. Als Bedarf legte er dabei jeweils den Regelsatz für Partner einer Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 312 Euro und berücksichtigungsfähige KdU in Höhe von 532,49 Euro zugrunde. Hierauf rechnete er zunächst Einkommen an. Nach Widerspruch wegen der Berücksichtigung von Einkommen und nachdem Y mitgeteilt hatte, er werde vom 2.8.2007 an für voraussichtlich vier Monate wegen familiärer Verpflichtungen nach Peking reisen, bewilligte der Beklagte dem Kläger für August 2007 Leistungen in Höhe von insgesamt 578,24 Euro (312 Euro Regelleistung und 266,24 Euro KdU). Der Bescheid berücksichtige als Änderungen die unerlaubte Ortsabwesenheit des Y Dadurch sei dessen Leistungsanspruch weggefallen (Änderungsbescheid vom 7.8.2007). Mit Bescheid vom 23.8.2007 in der Fassung des Bescheides vom 25.9.2007 gewährte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1.9.2007 bis zum 29.2.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 534 Euro monatlich (312 Euro Regelleistung und 222 Euro KdU). Die hiergegen gerichteten Widersprüche blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheide vom 25.9.2007 und 26.9.2007).

4

Während des hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) Berlin geführten Klageverfahrens kehrte Y am 6.12.2007 nach Deutschland zurück. Für die Zeit vom 6.12.2007 bis zum 29.2.2008 bewilligte ihm der Beklagte daraufhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 534 Euro monatlich (für Dezember 2007 anteilig in Höhe von 437,60 Euro; Bescheid vom 28.12.2007).

5

Das SG hat den Beklagten mit Urteil vom 18.1.2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit der Ortsabwesenheit des Y Leistungen in Höhe des Regelsatzes für Alleinstehende von 347 Euro zu gewähren. Während der Ortsabwesenheit des Y sei zwar nicht die Bedarfsgemeinschaft aufgelöst worden, weil keine dauerhafte Trennungsabsicht vorgelegen habe. Jedoch seien mit der Abreise das gemeinsame Wirtschaften aus einem Topf und damit die Grundlage der Bildung des Mischregelsatzes entfallen. Zu Recht habe der Beklagte dagegen nur die Hälfte der Kaltmiete und der Nebenkosten berücksichtigt. Dies entspreche der Kopfteilmethode, die solange anzuwenden sei, wie die Kläger eine Bedarfsgemeinschaft bildeten. Die angemessene Bruttokaltmiete für einen Zwei-Personen-Haushalt betrage ausgehend von den obersten Spannenwerten im Berliner Mietspiegel 407,40 Euro (Kaltmiete von 293,40 Euro zuzüglich angemessener kalter Betriebskosten in Höhe von 114 Euro). Zusätzlich gehöre die tatsächliche Heizkostenvorauszahlung abzüglich der Warmwasser- und Kochgaspauschale zu den angemessenen Kosten für Heizung.

6

Die hiergegen vom Kläger und Y zum LSG eingelegten Berufungen sind ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 9.6.2009). Streitgegenstand seien im Berufungsverfahren nach zulässiger Beschränkung des Streitgegenstandes noch der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 5.8.2007 bis zum 29.2.2008 und des Y für die Zeit nach seiner Rückkehr aus Peking, also vom 7.12.2007 bis zum 29.2.2008. Gegenstand des Verfahrens seien damit die Bescheide des Beklagten vom 27.6.2007, 23.8.2007 und vom 25.9.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. und 26.9.2007 sowie der Bescheid vom 28.12.2007. Die Änderungsbescheide des Beklagten vom 7.8.2007 und vom 6.9.2007 seien dagegen nicht Gegenstand dieses Verfahrens geworden, denn die Verfügungssätze dieser Bescheide erschöpften sich in der Aufhebung der Leistungsbewilligung für Y ab dem 8.7.2007 bzw ab August 2007 wegen Ortsabwesenheit. Nachdem der Beklagte seine Berufung zurückgenommen habe, sei das erstinstanzliche Urteil im Übrigen insoweit rechtskräftig und damit für die Beteiligten bindend, als das SG den Beklagten verpflichtet habe, dem Kläger für die Dauer der Ortsabwesenheit des Y die höhere Regelleistung nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II zu gewähren.

7

Beide Berufungskläger seien Berechtigte iS des § 7 Abs 1 SGB II(in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30.7.2004, BGBl I 2014), insbesondere hätten sie während des streitigen Zeitraums ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II)gehabt und seien auch hilfebedürftig gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II in Verbindung mit § 9 SGB II gewesen. Neben der Regelleistung nach § 20 SGB II, deren Höhe nicht mehr streitig sei, hätten sie Anspruch auf Leistungen für die KdU in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen seien. Ansprüche auf weitergehende KdU als von dem Beklagten bewilligt ergäben sich nach Bestimmung der abstrakt angemessenen Kosten nach der sog Produkttheorie nicht.

8

Hinsichtlich der Feststellung der angemessenen Wohnungsgröße sei die für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zugrunde zu legen, für die in Berlin - in Ermangelung von Richtlinien zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung - Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) - zum einen an die Bestimmungen zur Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen zur Belegung von nach dem WoFG belegungsgebundenen Wohnungen(insoweit an die Mitteilung Nr 8/2004 vom 15.12.2004 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung) und zum anderen - wegen fehlender Bestimmungen über den Mietwohnungsbau - an die Richtlinien über Förderungssätze für eigengenutztes Wohneigentum der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 25.5.1999 (Eigentumsförderungssätze 1999, ABl 1999, 2918 ff) anzuknüpfen sei. Nach Maßgabe dieser Regelungen sei eine Wohnungsgröße von bis zu 60 qm für die Kläger angemessen.

9

Für die weitere Feststellung des angemessenen Unterkunftsbedarfs seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließe, die Kosten für eine Wohnung, "die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist", zu ermitteln. Hierfür seien die sich aus der Berliner Mietspiegeltabelle 2007 (Amtsblatt für Berlin 2007, 1797) ergebenden durchschnittlichen Mittelwerte für einfache Wohnlagen und Ausstattungen für Neu- und Altbauten zugrunde zu legen. Für eine Wohnfläche von vierzig bis unter sechzig Quadratmetern in einfacher Lage ergebe sich eine Nettokaltmiete von gerundet 4,54 Euro pro qm (Summe aus sämtlichen Mittelwerten geteilt durch 9), und also eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von insgesamt 272,40 Euro (4,54 Euro x 60 qm). Hierzu seien als angemessene kalte Betriebskosten die durchschnittlichen kalten Betriebskosten, die regelmäßig mit dem Mietzins zu entrichten seien, unter Zugrundelegung der vom Deutschen Mieterbund (DMB) mit dem "Betriebskostenspiegel 2007" veröffentlichten Angaben (www.mieterbund.de) zu bestimmen, die sich auf 1,79 Euro pro qm (einschließlich Steuern und Abgaben), mithin für eine Wohnung von 60 qm auf 107,40 Euro monatlich beliefen. Zuzüglich einer angemessenen Bruttokaltmiete von insgesamt 379,80 Euro seien Heizkosten in Höhe von 0,85 Euro pro qm (ebenfalls unter Rückgriff auf den Betriebskostenspiegel 2007) als angemessen anzusehen, sodass sich bei einer Wohnungsgröße von 60 qm eine angemessene monatliche Bruttowarmmiete in Höhe von insgesamt 430,80 Euro (379,80 Euro + 51 Euro) ergebe. Zur Überzeugung des Senats stehe in Berlin eine ausreichende Zahl gerade auch von Zwei-Zimmer-Wohnungen in diesem Mietsegment mit dem vorgenannten Mietniveau zur Verfügung. Ein "Bestandsschutz" nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II bestehe nicht mehr. Der Kläger habe auch während der Dauer der Ortsabwesenheit des Y keinen Anspruch auf Leistungen für die KdU in Höhe der gesamten Kosten der Mietwohnung, sondern nur in Höhe der Hälfte dieser Kosten. Besonderheiten, die ein Abweichen vom Prinzip der Aufteilung der Unterkunftskosten nach der Kopfzahl der Wohnungsnutzer rechtfertigen könnten, bestünden im vorliegenden Fall nicht. Unerheblich sei, dass ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft wegen einer länger als sechs Wochen währenden Ortsabwesenheit vorübergehend vom Leistungsbezug ausgeschlossen (vgl § 7 Abs 4a SGB II in Verbindung mit § 3 Abs 4 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit zur Pflicht des Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können vom 23.10.1997 , geändert durch Art 1 1. ÄndAnO vom 16.11.2001 ) und infolgedessen außer Stande gewesen sei, den auf ihn entfallenden Anteil der Unterkunftskosten aufzubringen. Denn insoweit handele es sich um eine von dem Lebenspartner des Klägers selbst zu verantwortende Entscheidung, sich länger als sechs Wochen von seinem Wohnsitz zeit- und ortsfern aufzuhalten. Diese Entscheidung könne den Beklagten nicht verpflichten, dem anderen Hilfebedürftigen nunmehr nicht nur Leistungen für die KdU in Höhe seines Kopfteils, sondern in Höhe der gesamten tatsächlichen KdU zu erbringen.

10

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers. An dem Revisionsverfahren hat sich Y, der mittlerweile vom Kläger dauernd getrennt lebt, nicht beteiligt. Der Kläger rügt die fehlerhafte Anwendung des § 22 Abs 1 SGB II durch das LSG. Während der Ortsabwesenheit des Y liege ein Sachverhalt vor, der ein Abweichen vom Grundsatz der Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfzahl rechtfertige. Y habe aufgrund der Ortsabwesenheit keinen Beitrag zu den KdU beisteuern können, sodass die bei der Bedarfsgemeinschaft vermuteten Synergieeffekte ausfielen. Es seien für diesen Zeitraum die angemessenen KdU entsprechend einem Ein-Personen-Haushalt in Höhe von 422,50 Euro abzüglich der Warmwasserpauschale in Ansatz zu bringen. Die abstrakte Angemessenheit der Wohnungskosten sei unter Rückgriff auf den günstigsten Spannenhöchstwert innerhalb der verschiedenen Bauklassen für Wohnungen mit Bad und WC in einfacher Wohnlage zu bestimmen, solange der Träger der Grundsicherung dem Hilfebedürftigen nicht die konkrete Möglichkeit der Anmietung von günstigeren Wohnungen nachweise. Nur bei Zugrundelegung des Spannenoberwerts könne ausreichend sicher geschlussfolgert werden, dass eine angemessene Wohnung tatsächlich gefunden werden könne. Dies gelte auch für die kalten Betriebskosten. Zwar ergebe sich nach dem Betriebskostenspiegel des DMB ein deutlich niedrigerer Mittelwert. Dieser bundesdeutsche Wert könne aber nicht maßgeblich sein, sondern es sei auf die mutmaßlichen Betriebskosten aus dem Berliner Mietspiegel für eine konkret in Berlin anzumietende Wohnung zurückzugreifen. Ausgehend von einer Nettokaltmiete in Höhe von 4,71 Euro pro qm (einfache Wohnlage Baujahre 1965-1972), kalten Betriebskosten in Höhe von 2,59 Euro pro qm und Heizkosten in Höhe von 1,15 Euro ergebe sich (bei einer Wohnungsgröße für eine Person in Höhe von 50 qm) eine angemessene Gesamtmiete in Höhe von 422,50 Euro, die um 6,53 Euro für Warmwasser zu bereinigen sei (Hinweis auf LSG Berlin-Brandenburg Beschlüsse vom 4.4.2008 - L 32 AS 458/08 AS ER und vom 5.9.2007 - L 32 AS 1312/07 AS ER). Entsprechend seien die Kosten für einen Zwei-Personen-Haushalt zu berechnen.

11

           

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Juni 2009 aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Januar 2008 sowie die Bescheide des Beklagten vom 27. Juni 2007, vom 7. August 2007, vom 23. August 2007 und vom 25. September 2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. September 2007 und 26. September 2007 sowie den Bescheid vom 28. Dezember 2007 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger weitere Kosten der Unterkunft und Heizung abzüglich bereits gezahlter Kosten für den Bewilligungszeitraum

        

vom 5. August 2007 bis 31. August 2007 in Höhe von 370,01 Euro,

        

vom 1. September 2007 bis 30. November 2007 in Höhe von monatlich 411,12 Euro,

        

vom 1. Dezember 2007 bis 6. Dezember 2007 in Höhe von 82,22 Euro,

        

vom 7. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2007 in Höhe von 221,87 Euro,

        

vom 1. Januar 2008 bis 31. Januar 2008 in Höhe von 266,07 Euro und

        

vom 1. Februar 2008 bis 29. Februar 2008 in Höhe von 270,07 Euro

        

zu gewähren.

12

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Er hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob der Kläger höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beanspruchen kann, als sie das SG zugesprochen hat.

15

1. Streitgegenstand sind allein Ansprüche des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von August 2007 bis Februar 2008. Der Kläger ist durch das Urteil des SG im Hinblick auf die Höhe der Regelleistung nicht beschwert und hat dementsprechend den Streitstoff in der Sache auf die KdU beschränkt (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung vgl nur BSGE 97, 217, 222 f = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 6 f, jeweils RdNr 18). Er hat bereits im Widerspruchs- und Klageverfahren für den Fall, dass Y höhere KdU nicht zuständen, die gesamten Unterkunftskosten geltend gemacht, sodass er insoweit durch das SG-Urteil beschwert und seine Berufung statthaft ist. Nachdem der Beklagte die von ihm geführte Berufung zurückgenommen hat, ist das SG-Urteil bindend geworden, auch soweit es höhere KdU (nämlich hinsichtlich der Kosten der Heizung) zugesprochen hat als ursprünglich bewilligt. Das LSG wird nach Zurückverweisung des Rechtsstreits die weitergehende, im Revisionsverfahren vorgenommene betragsmäßige Beschränkung des Streitstoffs zu beachten haben.

16

Bei diesem auf die KdU beschränkten Streitgegenstand sind Gegenstand des Verfahrens die Bescheide des Beklagten vom 27.6.2007, vom 7.8.2007, vom 23.8.2007 und vom 25.9.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25.9.2007 und 26.9.2007 sowie der Bescheid vom 28.12.2007. Unzutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 7.8.2007 nicht Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Mit diesem als Änderungsbescheid bezeichneten Bescheid sollte ausdrücklich den Änderungen Rechnung getragen werden, die sich aus der Ortsabwesenheit des Y ergeben haben. Der Bescheid beinhaltet damit sinngemäß auch die Regelung, dass aus der Ortsabwesenheit des Y für den Kläger weder ein Anspruch auf höhere Regelleistung noch auf höhere KdU folgt. Diese Regelung hat der Kläger schon mit seinem Widerspruch angegriffen und damit zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Lediglich der ergänzend am 6.9.2007 ergangene, ausschließlich an Y gerichtete Aufhebungsbescheid ist nicht (mehr) Gegenstand des Verfahrens, denn er betrifft nur die Aufhebung von Bewilligungen an Y

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2. Der Kläger gehört nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil er das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II). Auch die rechtliche Würdigung des LSG, er habe im streitigen Zeitraum mit Y in Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst b SGB II gelebt, ist nicht zu beanstanden. Nach dem Vortrag des Klägers und seines damaligen Partners, den das LSG bei seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, bestand ein Trennungswille im zweiten Halbjahr 2007 nicht, auf den es insoweit nach § 15 Abs 5 LPartG wie nach § 1567 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) maßgeblich ankommt(vgl im Einzelnen BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 49/09 R - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16).

18

3. a) Leistungen für Unterkunft werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Welche Aufwendungen für die Unterkunft vorliegend tatsächlich angefallen sind, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht abschließend entnehmen. Das LSG hat die Gesamtaufwendungen für Unterkunft nicht von denen der Heizung getrennt ausgewiesen. Lediglich aus dem Tatbestand des SG-Urteils lässt sich ersehen, dass sich die tatsächlichen Kosten aus einer Nettokaltmiete in Höhe von 393,27 Euro und 70,68 Euro Betriebskosten sowie einem nicht an den Vermieter zu entrichtenden Abschlag für die Gasversorgung (wohl bei einer Gasetagenheizung) in Höhe von 89 Euro zusammengesetzt haben, von denen der Beklagte nur einen Teil anerkannt hat. Das LSG wird dies nach Zurückverweisung des Rechtsstreits im Einzelnen nachzuvollziehen und die Prüfung der Unterkunftskosten getrennt von den Kosten der Heizung durchzuführen haben (vgl nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23).

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b) Die tatsächlich aufgewandten KdU bis zur Höhe ihrer Angemessenheit stehen dem Kläger in der Zeit vom 5.8.2007 bis zum 6.12.2007 allein zu. Für die Anwendung des Kopfteilprinzips ist in dieser Zeit entgegen der Auffassung des LSG kein Raum, weil der Kläger die Wohnung nach den Feststellungen des LSG während dieser Zeit nicht mit weiteren Personen gemeinsam, sondern allein genutzt hat. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG setzt die Aufteilung der KdU nach Köpfen voraus, dass die Wohnung gemeinsam mit anderen Personen genutzt wird (vgl BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, jeweils RdNr 28; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 9 RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 6 RdNr 13; BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19). Entscheidend ist mithin, dass neben dem Hilfebedürftigen die Wohnung den aktuell bestehenden Unterkunftsbedarf weiterer Personen abdeckt. Daran fehlt es, soweit ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft die Wohnung über einen Zeitraum nicht nutzt, der zu einem Ausschluss von Leistungen nach § 7 Abs 4, 4a SGB II führt. Entgegen der Auffassung des LSG steht der Sinn und Zweck des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 4a SGB II dem nicht entgegen. Der Leistungsausschluss wegen Ortsabwesenheit nach § 7 Abs 4a SGB II findet - bezogen auf die KdU - seine Begründung gerade darin, dass die Notwendigkeit der Übernahme der Wohnungskosten dann nicht erkennbar ist, wenn die Wohnung nicht genutzt wird. Diesem Ausschluss von KdU entspricht es durchaus, wenn bei der Verteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteilen ein nur "fiktiver" Anteil des ortsabwesenden Partners nicht eingestellt wird. Es ist dem verbliebenen Partner einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a oder b SGB II, die trotz der Abwesenheit des Partners ausnahmsweise nicht aufgelöst wird, jedenfalls bei einer im Vorhinein auf bis zu sechs Monate beschränkten Abwesenheit des Partners nicht zumutbar, die KdU vorübergehend zu senken(dazu im Einzelnen unter 4.a). Es geht damit in solchen Konstellationen nicht darum, den verbliebenen Partner in die Lage zu versetzen, etwaigen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten gegenüber seinem ortsabwesenden Partner nachzukommen, sondern es ihm selbst zu ermöglichen, den eigenen Wohnbedarf (zumindest für eine Übergangszeit) voll zu decken.

20

4. Die Angemessenheit von KdU ist unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln (dazu unter a). Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen (dazu unter b), wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (dazu unter c). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zugrunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen. Diese Prüfung haben weder der Beklagte noch SG und LSG rechtsfehlerfrei vorgenommen.

21

a) Zutreffend hat das LSG eine Wohnungsgröße von 60 qm als angemessen für einen Zwei-Personen-Haushalt zugrunde gelegt. Die im Vorhinein auf vier Monate begrenzte Ortsabwesenheit des Y führt nicht dazu, dass wegen der Prüfung der Angemessenheit auf die Wohnungsgröße für eine Person abzustellen wäre.

22

Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs 1 bis 5 WoFG vom 13.9.2001 (BGBI I 2376) iVm § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (nF) der Bekanntmachung vom 13.9.2001 (BGBl I 2404). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs 4 WoFG(als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs 2 WoBindG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Das Land Berlin hat allerdings zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 5 WoBindG nF und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen (vgl Hinweis 8). Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an Einzelpersonen Wohnraum bis zu 50 qm und an Zwei-Personen-Haushalte Wohnraum von bis zu 60 qm überlassen werden. An diese Regelungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF, die auch nach Inkrafttreten von § 27 WoFG und § 5 WoBindG nF Grundlage für die Belegung von gefördertem Wohnraum sind, ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14). Die weitergehenden Differenzierungen nach der Raumzahl sind für die Auslegung des § 22 Abs 1 SGB II unbeachtlich. Dies haben die für die Grundsicherung zuständigen Senate bereits für andere Bundesländer entschieden, in denen neben der Wohnungsgröße auch die Raumzahl entscheidend ist (vgl für Bayern BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, juris RdNr 15; für Rheinland-Pfalz BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14 und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 34; für Nordrhein-Westfalen BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 16). Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb für das Land Berlin anderes gelten sollte. Auf die (unterschiedlichen) Wohnungsgrößen in den (zum 31.12.1999 außer Kraft getretenen) Richtlinien der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen für die Förderung der Neuschaffung von Wohnraum im sozialen Wohnungsbau (Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 vom 16.7.1990 in der Fassung der Änderungsvorschriften vom 13.12.1992) und den Richtlinien über die Förderung von eigengenutztem Wohneigentum (Eigentumsförderungssätze 1999 vom 25.5.1999), die das LSG ergänzend herangezogen hat, kommt es nicht an. Diese mögen Auswirkungen auf die üblichen Wohnungsgrößen im geförderten Wohnungsbau nach 1992 haben (und damit ohnehin nur für ein Teilsegment des in Bezug zu nehmenden Wohnungsmarktes), es handelt sich aber nicht um Bestimmungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF.

23

Soweit die landesrechtlichen Bestimmungen an die Personenzahl in einem Haushalt anknüpfen, hat der Senat bereits mehrfach entschieden, dass Ausgangspunkt für die Berechnung der Wohnfläche die Zahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ist (vgl nur BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 12 RdNr 21). Dies gilt im Ausgangspunkt auch, wenn Partner der Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a oder b SGB II dauerhaft in getrennten Wohnungen leben, ohne dass ein Trennungswille vorliegt, und eine Haushaltsgemeinschaft deshalb nicht besteht. Insgesamt können KdU nur in einer Höhe beansprucht werden, wie sie Partnern in einer gemeinsamen Wohnung zustehen (BSG Urteil vom 18.2.2010 - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16, jeweils RdNr 17). Besonderheiten hinsichtlich der Feststellung der maßgeblichen Wohnungsgröße sind allerdings für Fälle denkbar, in denen zwar eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a oder b SGB II trotz Auflösung der Haushaltsgemeinschaft wegen eines fehlenden Trennungswillens iS des § 1567 Abs 1 BGB bzw des § 15 Abs 5 LPartG fortbesteht, ein Partner der Bedarfsgemeinschaft aber wegen eines dauerhaften auswärtigen Aufenthalts die Wohnung nicht nutzt und Leistungen nach dem SGB II nicht erhalten kann. Namentlich die Auflösung der Haushaltsgemeinschaft bei längerem Aufenthalt eines Partners außerhalb des in § 7 Abs 4a SGB II genannten Bereichs (wie etwa einem langfristigen Auslandsaufenthalt) oder bei einem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung mit der Folge des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 4 SGB II (etwa der Verbüßung einer Freiheitsstrafe) kann es für den verbliebenen Partner zumutbar werden lassen, die entstehenden Gesamtkosten zu mindern und seine Wohnverhältnisse an die dauerhafte alleinige Nutzung der Wohnung anzupassen. Der Erhalt einer größeren, für zwei Personen zugeschnittenen Wohnung mit Hilfe von Leistungen nach dem SGB II ist zeitlich nicht unbegrenzt schutzwürdig. Anlass zu weitergehender Festlegung, von welchem Zeitpunkt an Maßnahmen zur Kostensenkung vom Träger nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II verlangt werden können, bietet der vorliegende Fall nicht. Jedenfalls wenn der auswärtige Aufenthalt im Vorhinein auf unter sechs Monate beschränkt ist, ergibt sich eine solche Obliegenheit für den verbliebenen Partner der Bedarfsgemeinschaft nicht.

24

b) Zutreffend hat das LSG bei der Bestimmung der angemessenen KdU als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin herangezogen. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes ist zunächst der Wohnort des Hilfebedürftigen. Nach der Rechtsprechung des BSG muss es sich bei dem Vergleichsraum im Übrigen um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die gegen die Annahme des LSG sprechen, dass es sich bei der Stadt Berlin insgesamt um einen solchen Vergleichsraum handelt. Die Stadt Berlin ist mit einer Einwohnerzahl von rund 3,4 Millionen (Stand 2006; Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg) und einer Fläche von rund 891 qkm zwar nahezu dreimal so groß wie die Stadt München (rund 1,36 Millionen Einwohner bei einer Fläche von rund 310 qkm; Quelle: Statistisches Amt München), für die der 4. Senat des BSG einen homogenen Lebens- und Wohnbereich angenommen hat ( vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Die einen Vergleichsraum prägenden Merkmale liegen aber - trotz dieser Größe - auch bezogen auf das Stadtgebiet von Berlin vor. Der öffentliche Nahverkehr ist auf die Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen her ausgerichtet. Von den Randlagen aus ergeben sich in die innerstädtischen Bezirke insoweit lediglich Fahrzeiten, wie sie auch erwerbstätigen Pendlern zugemutet werden (vgl § 121 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Eine Beschränkung auf bestimmte Bezirke (oder Ortsteile) mit besonders verdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum birgt zudem das Risiko einer Gettoisierung. Außerdem zeigt die Wohnlagenkarte als Anlage zu dem vom LSG in Bezug genommenen Berliner Mietspiegel, dass ohnehin in allen Bezirken auch einfache Wohnlagen, an deren Mietniveau sich die Referenzmieten orientieren (dazu sogleich), vorhanden sind, sodass auch von daher die Bildung eines engeren Vergleichsraums nicht erforderlich erscheint. Es steht nicht zu befürchten, dass mit einem ggf zur Kostensenkung erforderlichen Umzug regelmäßig das nähere soziale Umfeld verlassen werden muss. Soweit ein solcher Umzug über die Orts- oder auch Bezirksgrenzen hinweg im Einzelfall gleichwohl notwendig wird, ist dies im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller Hilfebedürftigen hinzunehmen (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 18).

25

c) Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Berlin als dem räumlichen Vergleichsmaßstab lässt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsgrenze) im streitgegenständlichen Zeitraum mangels ausreichender Feststellungen revisionsgerichtlich nicht abschließend bestimmen. Zugrunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24); die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 20). Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln ( vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R ).

26

aa) Die Träger der Grundsicherung entscheiden in Berlin über die Angemessenheit von Unterkunftskosten auf Grundlage der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7.6.2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3743), für den streitigen Zeitraum geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30.5.2006 (Amtsblatt für Berlin 2006, 2062; im Folgenden: AV-Wohnen). Es handelt sich dabei um bloße Verwaltungsvorschriften, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfalten. Weder aus den AV-Wohnen selbst noch aus dem Vortrag des Beklagten wird erkennbar, dass den dort genannten Oberwerten (444 Euro für einen Zwei-Personen-Haushalt) ein schlüssiges Konzept im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BSG zugrunde liegt. Ob zur Ermittlung des Wertes die Produkttheorie unter Zugrundelegung der oben genannten Wohnungsgrößen angewandt und bezogen auf die verschiedenen Wohnungsgrößen Daten gesammelt und ausgewertet worden sind, wird nicht erkennbar und ist von dem Beklagten nicht vorgetragen. Im Übrigen ist der in den AV-Wohnen genannte Referenzwert schon deshalb zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet, weil er eine Bruttowarmmiete ausweist, obwohl die Beurteilung von Unterkunftskosten von der Beurteilung der Heizkosten unabhängig zu erfolgen hat (ausdrücklich bereits BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, jeweils RdNr 19).

27

bb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG daher in einem dritten Schritt die angemessene Referenzmiete auf Grundlage des Berliner Mietspiegels 2007 (Amtsblatt für Berlin 2007, 1797) bestimmt. Qualifizierte Mietspiegel iS des § 558d BGB (wie der Berliner Mietspiegel) können - wie auch einfache Mietspiegel - Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach § 22 Abs 1 SGB II sein(vgl bereits BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris RdNr 16; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 25 und zuletzt BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25). Es ergeben sich aus der Funktion von einfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff BGB zwar einige Vorgaben, die für die Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem Maße Bedeutung haben(zum Folgenden auch Butzer/Keller, NZS 2009, 65). Vor allem dürfen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist. Daran orientiert sollen (wie dies auch bezogen auf den Berliner Mietspiegel der Fall ist) nur solche Wohnungen zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels herangezogen werden (vgl Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin 2002, S 17). Zudem darf bei der Erstellung eines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, denn §§ 558 ff BGB finden nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung. Aus diesem Grund kann gegen die Heranziehung einfacher und qualifizierter Mietspiegel im Anwendungsbereich des § 22 SGB II vor allem eingewandt werden, sie bildeten das Mietniveau hinsichtlich der Bestandsmieten im einfachen Marktsegment nur teilweise, nämlich lediglich bezogen auf sog Neuvertragswohnungen und geänderte Bestandswohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt ab. Allerdings ist - wie bereits ausgeführt - auch bei der Prüfung nach § 22 Abs 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten wäre für den Fall, dass die Bestandswohnung unangemessen teuer ist. Im Hinblick auf das mit dem Mietspiegel nicht erfasste Marktsegment der preisgebundenen Wohnungen bestehen - jedenfalls bezogen auf Berlin - keine weitergehenden Bedenken. Mit dem Wegfall der Anschlussförderung für Objekte des Sozialen Wohnungsbaus, bei denen die 15jährige Grundförderung ab dem 1.1.2003 endet (dazu BVerwGE 126, 33), und dem Verzicht auf die entsprechenden Belegungsbindungen sank der Anteil mietpreisgebundener Sozialwohnungen bis Ende 2006 auf knapp 12 % des Gesamtwohnungsbestandes (vgl Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin 2007, S 30 unter Bezugnahme auf Daten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung). Hilfebedürftige werden damit in erster Linie auf die Wohnungssuche auf dem freien Wohnungsmarkt angewiesen sein.

28

Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Bauklassen grundsätzlich nicht zulässig, wovon das LSG im Ausgangspunkt zutreffend ausgegangen ist (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Über das Baualter können zwar sehr vergröbernd Rückschlüsse auf die Bauweise und den Baustandard gezogen werden. Insbesondere liegt der Ausstattungsgrad von Neubauten im Regelfall über dem Ausstattungsgrad in Gebäuden älterer Bauklassen. Gerade Wohnungen, die in der Nachkriegszeit erbaut worden sind, haben häufig einen wesentlich geringeren Ausstattungsgrad. Aus dem Mietspiegel allein lässt sich jedoch nicht ersehen, inwieweit gerade Wohnungen einer bestimmten Baualtersklasse in einem Umfang zur Verfügung stehen, die den Rückschluss zulassen, im konkreten Vergleichsraum sei eine "angemessene" Wohnung tatsächlich anmietbar. Zudem birgt die Verweisung auf bestimmte Bauklassen verdeckt die Gefahr einer Gettoisierung. Solange nicht statistisch valides Material vorliegt, das eine Aussage darüber zulässt, welche Bauklassen in welchem Umfang tatsächlich die gesamte Stadt als Vergleichsraum - und nicht lediglich ganz bestimmte, als sozial problematisch einzuschätzende Teile einer Stadt - prägen, erscheint es nicht zulässig, allein bestimmte Bauklassen in Bezug zu nehmen. Dies gilt auch hinsichtlich der Bauklassen, die den Standard von Neubauten abbilden. Zwar werden eine ganze Anzahl von Neubauten einen Ausstattungsgrad haben, der über das in Bezug zu nehmende Segment nach § 22 SGB II hinausgeht. Eine generelle Festlegung, der Hilfeempfänger sei schlechterdings von der Anmietung einer solchen Wohnung ausgeschlossen, lässt sich aber nicht treffen (vgl auch BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Erst wenn weitergehendes Material erkennen lässt, dass Gebäude dieser Bauklassen den Mietmarkt des unteren Marktsegments nicht maßgeblich mitprägen, kommt eine Außerachtlassung der Mietpreise für solche Bauklassen in Betracht.

29

Allerdings weist der Berliner Mietspiegel in den Spalten 1 und 3 innerhalb der Bauklassen bis 1918 und bis 1949 Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne Bad) gesondert aus. Es handelt sich einerseits um Wohnungen mit "Ofenheizung", bei denen sich der Mieter der Wohnung mit der Versorgung mit Kohlen und der Entsorgung der Asche befassen muss (vgl LG Berlin Urteil vom 15.1.2007 - 67 S 305/06 - juris RdNr 13), und andererseits oder kumulativ um Wohnungen ohne Bad (mit Innen-WC), in denen sich die Bewohner nur mit fließendem Wasser am Waschbecken (sei es in WC oder Küche) waschen, aber nicht duschen können. Zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes sind diese Werte nicht mit heranzuziehen, denn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad können Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen werden. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, diese Werte seien einzubeziehen, um eine möglichst breite Datenbasis zu erhalten. Wenn solche Wohnungen nicht den unteren, sondern den untersten Standard abbilden, gehören sie von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung des qualifizierten Mietspiegels unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet.

30

cc) Die Bildung eines arithmetischen Mittelwerts aus den (verbleibenden) Mittelwerten der Bauklassen als abschließenden Schritt zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Nettokalt-Vergleichsmiete, wie ihn das LSG vorgenommen hat, erfüllt die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept nicht. Die Bildung arithmetischer Werte bietet gerade bei einem so weitgehend ausdifferenzierten Tabellen-Mietspiegel wie dem Berliner Mietspiegel nicht die Gewähr dafür, dass der abgebildete Wert als solcher tatsächlich den Schwerpunkt eines Mietpreises im einfachen Segment abbildet. Die sog Tabellenmethode, nach der der Berliner Mietspiegel erstellt ist, stellt die Daten als Mietspannen nach den einzelnen Wohnwertmerkmalen (hier Bauklassen, Größe der Wohnungen und Lage) in Rasterfeldern zusammen. Zwischen den einzelnen (insgesamt 107 besetzten) Rasterfeldern bestehen keine Beziehungen. Sie spiegeln allein die Datenerhebung in dem einzelnen, mit den drei Parametern beschriebenen Teilmietmarkt wider. Einzelne Felder haben also je nach der Anzahl von Wohnungen, die in diesem Segment vertreten sind, eine unterschiedliche Aussagekraft für den Gesamtmarkt. Weil die Rasterfelder nicht (im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der hier wiedergegebenen Mietpreise) aufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad an Zufälligkeit belastet, besonders wenn einzelne Werte - wie vorliegend der Wert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den übrigen Werten abweichen. Das arithmetische Mittel für sich genommen bietet damit nicht die Gewähr, dass das einfache Mietsegment realistisch abgebildet wird.

31

Das LSG wird daher nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens zu prüfen haben, ob sich aus den Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder anderen Quellen weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art ziehen lassen. Solche Rückschlüsse, die aus weitergehendem Material (das etwa auch der Träger der Grundsicherung aufgrund eigener Erhebungen einführen könnte) getroffen werden, müssen gerichtlich überprüfbar sein. Dies trifft auf die Grundlagendaten für qualifizierte Mietspiegel zu. Für einen qualifizierten Mietspiegel ist immer eine Primärdatenerhebung erforderlich, also die Erhebung von Daten, die ausschließlich zum Zweck der Mietspiegelerstellung erhoben wurden. Die Daten der Primärdatenerhebung müssen repräsentativ sein, die gezogene Stichprobe muss ein getreues Abbild des Wohnungsmarktes abgeben (vgl im Einzelnen Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl 2008, § 558d RdNr 7). Die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze muss in einer öffentlich zugänglichen Dokumentation niedergelegt sein (aaO RdNr 10). Es erscheint damit durchaus sinnvoll, solche Grundlagendaten bei Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Konzepts heranzuziehen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Auswertung dieser bereits vorhandenen Daten zu einem erhöhten (über einfache Rechenschritte hinausgehenden) Aufwand bei den Gerichten führen muss. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist in erster Linie der kommunale Träger für solche notwendig erscheinenden Auswertungen im Rahmen der Mitwirkungspflichten heranzuziehen (grundlegend dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26). Dies gilt erst recht dann, wenn die vom Grundsicherungsträger bei seiner Entscheidung herangezogenen Daten als Entscheidungsgrundlage ungeeignet sind, wie dies in Berlin mit der AV-Wohnen der Fall ist.

32

Es könnten sich im Ergebnis weitergehender Auswertungen durch den Träger der Grundsicherung durchaus Anhaltspunkte ergeben, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen ist. Lassen sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial nicht ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Bauklassen zu bilden (dazu Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 46). Ein solcher Mittelwert böte immerhin die Gewähr, dass ein einzelner Wert für eine bestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt. Dabei erscheint es - wovon auch das LSG ausgegangen ist - zulässig, einen Wert auf Grundlage der jeweiligen Mittelwerte der Rasterfelder zu bilden. Er bestimmt eine nach den weiteren Ausstattungsmerkmalen, die im Mietspiegel nicht schon in den Rasterfeldern ihren Niederschlag finden (Bad, Küche, Wohnung, Gebäude, Wohnumfeld), durchschnittliche Wohnung. Also gibt der Mittelwert sowohl die schlecht ausgestatteten Wohnungen in einer bevorzugten, einfachen Wohnlage als auch die gut ausgestatteten Wohnungen in sehr einfachen Wohnlagen (zB an einer Durchgangsstraße) wieder. Mit dem Mittelwert aus der einfachen Wohnlage werden schließlich auch schlechter ausgestattete Wohnungen in mittlerer und guter Wohnlage erfasst.

33

d) Zutreffend geht das LSG davon aus, dass neben der Nettokaltmiete auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 BGB - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen sind. Schon der Wortlaut des § 22 Abs 1 SGB II zeigt, dass diese Kosten zu den KdU für einen Hilfebedürftigen gehören und nicht - wie die Heizkosten - getrennt erfasst werden sollen. Zur realistischen Abbildung eines abstrakt angemessenen Mietpreises ist die Einbeziehung des Faktors "kalte Betriebskosten" erforderlich. Dies entspricht den mietrechtlichen Vorgaben im Mietwohnungsbau, an denen sich der Gesetzgeber des SGB II wegen der KdU orientiert. Eine vertragliche Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten auf den Mieter erfolgt bei Abschluss eines Mietvertrages nahezu ausnahmslos, denn ohne eine solche Regelung können die in § 556 BGB genannten Betriebskosten vom Vermieter nicht auf den Mieter umgelegt werden (vgl nur Blank in Blank/Börstinghaus, aaO § 556 RdNr 1). Auch der Vermieter von preisgebundenem Wohnraum kann Betriebskosten nur als gesondert abzurechnende Kosten auf den Mieter abwälzen (vgl § 20 der Verordnung über die Ermittlung der zulässigen Miete für preisgebundene Wohnungen - Neubaumietenverordnung - BGBl I 1990, 2204 idF BGBl I 2003, 2346).

34

Eine Umlagevereinbarung bei der Miete über Wohnraum muss die in § 556 Abs 1 und 2 BGB iVm der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufhebung von Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen(BetrKV; vom 25.11.2003, BGBl I 2346 ) normierten Vorgaben beachten. Wegen der abstrakt angemessenen Kosten iS des § 22 Abs 1 SGB II sind die dort genannten Betriebskosten maßgebend. Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte. Insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen ergeben sich regional deutliche Unterschiede, auf die Rücksicht genommen werden muss. Eine weitergehende Gewichtung scheint dagegen nicht notwendig, da nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten. Neben den (nichtamtlichen) Übersichten in Mietspiegeln kommen auch Übersichten der örtlichen Interessenverbände in Betracht, die an der Anerkennung des Mietspiegels beteiligt waren. Soweit die örtlich erfassten Werte nicht aktuell sind, liegt es nahe, vom Träger der Grundsicherung entsprechende Rückfragen bei den örtlichen Interessenverbänden durchführen zu lassen bzw die Werte an die allgemeine Preisentwicklung anzupassen. Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden. Solche Gründe, weshalb die Werte des Deutschen Mieterbundes ein realistischeres Bild des örtlichen Preisniveaus von Berlin abgeben sollten, sind bislang nicht ersichtlich.

35

5. Das LSG wird abschließend die Heizkosten getrennt von den Unterkunftskosten zu bestimmen haben (dazu nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23). Auszugehen ist dabei zunächst von den tatsächlichen Kosten. Diese Kosten, die nach den Feststellungen des SG in einer Gasabschlagszahlung von 89 Euro monatlich an ein Berliner Gasversorgungsunternehmen bestehen, sind sodann um die Kosten der Warmwasserbereitung zu bereinigen, wenn feststeht, dass die Erwärmung des Wassers wie die Heizung über eine Gasetagenheizung (Gastherme) erfolgt ist (vgl BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5). Ferner lässt sich dem Urteil des SG entnehmen, dass durch den Beklagten von den Gasabschlagszahlungen zusätzlich eine Pauschale für Kochenergie abgezogen worden ist. Soweit die notwendigen Feststellungen des LSG hierzu ergeben, dass vorliegend mit einem Gasherd gekocht wird und die Kosten hierfür ebenfalls in den Gasabschlagszahlungen enthalten sind, ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Kosten wie die Kosten für das Warmwasser insoweit bereits in der Regelleistung unter der Position Haushaltsenergie enthalten sind. Allerdings erschließt sich dem Senat nicht, woraus sich die Höhe der vom Beklagten und dem SG zugrunde gelegten Pauschale ergeben soll. Maßgeblich kann auch insoweit allein der Anteil sein, der bereits in der Regelleistung für das Kochen (im Regelfall das Kochen mit einem Elektroherd) enthalten ist (vgl BSG aaO RdNr 23 ff). Offenbar vertritt der Beklagte (und ihm folgend das SG Berlin) wie die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin die Auffassung, dieser Anteil sei mit 22,3 Prozent des in der Regelleistung enthalten Anteils für Haushaltsenergie zu bestimmen. Erläuternd heißt es dazu etwa in dem Rundschreiben I Nr 5/2009 der Senatsverwaltung: abrufbar über die Internetpräsenz der Senatsverwaltung: http://www.berlin.de/sen/soziales/berliner-sozialrecht/archiv/rdschr/2009_05_anlage.html) ua über die Pauschalen für Haushaltsenergie (sog Energiepauschalen): "Der Anteil der Pauschale für Haushaltsenergie am Regelsatz insgesamt ist durch die Regelsatzbemessung auf Grundlage der EVS 2003 vorgegeben, die Verteilung der Bestandteile jedoch nicht. Die prozentualen Anteile wurden anhand der in Berlin zugrunde gelegten Werte für das Bezugsjahr 2003 ermittelt." Das LSG wird zu ermitteln haben, ob entsprechende Unterlagen bei der Senatsverwaltung vorliegen, die eine realistische Abbildung des Verbrauchsanteils für die Kochenergie (sei es mit Strom, sei es mit Gas) zulassen. Dies erscheint nach bisherigem Stand zumindest zweifelhaft. Lässt sich ein Bezugspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des Energieanteils, der für das Kochen in der Regelleistung enthalten sein soll, nicht finden, hat ein entsprechender Abzug von den Heizkosten im Falle der Versorgung mit Gas für Haushaltsenergie zu unterbleiben.

36

Die tatsächlichen (bereinigten) Kosten für Heizung sind solange als angemessen von dem Beklagten zu übernehmen, wie der nach der Rechtsprechung des Senats maßgebliche Grenzwert nicht überschritten wird (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 25).

37

Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

(1) Berechnungen werden auf zwei Dezimalstellen durchgeführt, wenn nichts Abweichendes bestimmt ist.

(2) Bei einer auf Dezimalstellen durchgeführten Berechnung wird die letzte Dezimalstelle um 1 erhöht, wenn sich in der folgenden Dezimalstelle eine der Zahlen 5 bis 9 ergeben würde.

(3) (weggefallen)

(4) Bei einer Berechnung wird eine Multiplikation vor einer Division durchgeführt.

(1) Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts besteht für jeden Kalendertag. Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht.

(2) Berechnungen werden auf zwei Dezimalstellen durchgeführt, wenn nichts Abweichendes bestimmt ist. Bei einer auf Dezimalstellen durchgeführten Berechnung wird die letzte Dezimalstelle um eins erhöht, wenn sich in der folgenden Dezimalstelle eine der Ziffern 5 bis 9 ergeben würde.

(3) Über den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist in der Regel für ein Jahr zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum soll insbesondere in den Fällen regelmäßig auf sechs Monate verkürzt werden, in denen

1.
über den Leistungsanspruch vorläufig entschieden wird (§ 41a) oder
2.
die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung unangemessen sind.
Die Festlegung des Bewilligungszeitraums erfolgt einheitlich für die Entscheidung über die Leistungsansprüche aller Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft. Wird mit dem Bescheid über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht auch über die Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Absatz 2, 4, 6 und 7 entschieden, ist die oder der Leistungsberechtigte in dem Bescheid über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung über Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Absatz 2, 4, 6 und 7 gesondert erfolgt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005.

2

Die 1959 geborene Klägerin ist alleinstehend und bewohnt eine Ein-Zimmer-Wohnung, die durch zwei Gas-Einzelöfen und einen Heizlüfter im Bad beheizt wird. Im Oktober 2004 beantragte sie bei dem Beklagten die Gewährung von Alg II und legte dabei eine Bescheinigung ihrer Hausärztin vor, wonach bei ihr aufgrund eines Diabetes mellitus Typ I Krankenkost (Diabeteskost) erforderlich sei.

3

Mit Bescheid vom 13.11.2004 bewilligte der Beklagte Alg II von Januar bis Mai 2005 in Höhe von 794,56 Euro und für Juni 2005 in Höhe von 777,16 Euro, wobei er neben einem befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 134 Euro einen monatlichen Mehrbedarf von 25,56 Euro für kostenaufwändige Ernährung wegen Diabetes mellitus Typ I berücksichtigte. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass der Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zu gering sei und ihr einschließlich Praxisgebühr und Zuzahlung monatliche Kosten in Höhe von mindestens 50 Euro entstünden. Mit Widerspruchsbescheid vom 4.2.2005 bewilligte der Beklagte daraufhin für die Zeit von Januar bis Mai 2005 monatlich 795,23 Euro und für Juni 2005 775,18 Euro. Den darüber hinausgehenden Widerspruch wies er als unbegründet zurück.

4

Am 1.3.2005 erhob die Klägerin Klage zum SG und begründete ihre Klage insbesondere damit, dass eine Anpassung des seit 1997 nicht erhöhten Mehrbedarfsbetrages zu erfolgen habe, die Regelleistung in Höhe von 345 Euro zu gering sei und zusätzliche Stromkosten von monatlich 11 Euro zu berücksichtigen seien, weil sie ihr Bad mit einem Heizlüfter beheize. Während des Klageverfahrens hat der Beklagte mit Änderungsbescheiden vom 4.3.2005, 7.9.2005 und 15.11.2005 zuletzt Leistungen für Januar und Februar in Höhe von monatlich 806,33 Euro, für März 689,26 Euro, für April 810,33 Euro, für Mai 802,82 Euro und für Juni 2005 782,72 Euro bewilligt. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Beklagte am 29.6.2006 ein Teilanerkenntnis abgegeben und sich bereit erklärt, der Klägerin über die mit Bescheid vom 15.11.2005 zuerkannten Leistungen hinaus für März 2005 Leistungen in Höhe von 795,23 Euro (gemäß dem Widerspruchsbescheid), für Mai 2005 in Höhe von 807,56 Euro und für Juni 2005 in Höhe von 784,46 Euro (gemäß dem Bescheid vom 4.3.2005) zu bewilligen. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen. Mit Urteil vom 29.6.2006 hat das SG die darüber hinausgehende Klage abgewiesen.

5

Mit Urteil vom 15.12.2006 hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass sie einen Bedarf habe, der in der Höhe erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweiche. Insofern werde auf die Entscheidungsgründe des SG verwiesen, wonach ein Mehrbetrag für kostenaufwändige Ernährung nach dem Krankheitsbild der Klägerin nicht gerechtfertigt sei und die Kosten für Arztbesuche und Zuzahlungen im Regelbetrag enthalten seien.

6

Auf die Revision der Klägerin hat das BSG mit Urteil vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07 R - das Urteil des LSG vom 15.12.2006 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, da es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen fehle, insbesondere für die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für eine kostenaufwändige Krankenernährung gemäß § 21 Abs 5 SGB II.

7

Das LSG hat hierauf die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Außerdem hat das LSG ein gerichtliches Sachverständigengutachten bei dem Internisten Dr. S. eingeholt. Mit Urteil vom 23.10.2009 hat das LSG der Klägerin einen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zugesprochen. Insoweit sei bei den Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) ein Anteil an den Stromkosten, der für eine angemessene Beheizung des Bades mittels des vorhandenen Heizlüfters erforderlich sei, ergänzend zu berücksichtigen. Der konkrete Stromverbrauch des Heizlüfters zur Beheizung des Bades - etwa über einen getrennten Zähler - werde nicht erfasst. Die vom SG berücksichtigte Betriebsdauer des Heizlüfters von einer halben Stunde täglich sei sehr knapp bemessen, weshalb zu Gunsten der Klägerin im Rahmen der Schätzung eine volle Stunde zugrunde gelegt werde. Insgesamt belaufe sich die der Klägerin zustehende Nachzahlung für Kosten der Unterkunft und Heizung für den streitgegenständlichen Zeitraum auf 60,69 Euro. Im Übrigen hat das LSG die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Es bestehe unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme kein Anspruch der Klägerin auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Wegen des Verbots der reformatio in peius verbleibe es jedoch bei dem von der Beklagten zuerkannten Mehrbedarf in Höhe von 25,56 Euro monatlich. Eine Verrechnung mit dem Nachzahlungsanspruch auf Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung komme nicht in Betracht.

8

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 21 Abs 5 SGB II. Das Tatbestandsmerkmal "medizinische Gründe" in § 21 Abs 5 SGB II umfasse auch nicht krankheitsbedingte und in der körperlichen Verfassung eines Menschen liegende Umstände, die ärztlich festgestellt werden könnten. Vorliegend bestehe ein erhöhter Grundumsatz bzw ein erhöhter Kalorienverbrauch, der zu einer finanziellen Mehrbelastung führe, welche die bereits monatlich gewährten 25,56 Euro deutlich übersteige. Weder der Wortlaut der Norm noch die Gesetzesbegründung würden die Beschränkung auf Gesundheitsschäden hergeben. Ausgehend von ihren Angaben, wonach sie bereits seit ihrer Kindheit habe sehr viel essen müssen, hätte das LSG eine individuelle Kaloriemetrie zur Ermittlung ihres erhöhten Grundbedarfs durchführen müssen. Der Hinweis des LSG auf die Regelleistung des § 20 Abs 1 SGB II gehe fehl, da ein pauschaler Regelleistungsbetrag nur den durchschnittlichen Bedarf decke. Die vorliegend erforderliche Vollkost lasse sich nicht aus dem Regelsatz finanzieren. Auch hierzu fehle es an Feststellungen des LSG. Es liege eine Verletzung des § 170 Abs 5 SGG vor, da das LSG insoweit entgegen der Rechtsprechung des BSG die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 herangezogen und hieraus abgeleitet habe, dass Vollkost aus dem Regelsatz finanzierbar sei. Hilfsweise bestehe ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen Bedarfs, der nicht von den Leistungen nach § 20 SGB II erfasst werde, jedoch zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zwingend zu decken sei. Schließlich sei der vom LSG errechnete Betrag für die Leistungen für Unterkunft und Heizung wegen fehlerhafter Anwendung der Rundungsregel des § 41 Abs 2 SGB II um 1 Euro zu niedrig.

9

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Oktober 2009 abzuändern und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juni 2006 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seiner Bescheide vom 13. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2005, dieser in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 4. März 2005, 7. September 2005 und 15. November 2005 zu verurteilen, ihr höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 zu gewähren.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen im streitigen Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005.

12

1. Die Klägerin ist im streitigen Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005 nach den Feststellungen des LSG leistungsberechtigt als erwerbsfähige Hilfebedürftige iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Damit hat sie Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 SGB II, idF des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I 2954).

13

2. Die Klägerin hat weder wegen eines erhöhten Kalorienbedarfs noch aufgrund einer etwaigen Ernährung mit sog "Vollkost" einen Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung.

14

a) Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, erhalten nach § 21 Abs 5 SGB II einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Dieser ergänzt die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 21 SGB II idF des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Er umfasst Bedarfe, die nicht durch die Regelleistung abgedeckt sind (§ 21 Abs 1 SGB II).

15

Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung ist kein abtrennbarer Teil der Regelung über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Die Gewährung des Mehrbedarfs allein kann damit nicht zulässiger Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein (BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).

16

b) Voraussetzung für die Gewährung des Mehrbedarfs ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordert, deren Kosten aufwändiger sind als dies für Personen ohne diese Einschränkung der Fall ist (BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; Düring in Gagel, SGB III mit SGB II, Stand Juli 2010, § 21 RdNr 19). Es muss also ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder drohenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen kostenaufwändigen Ernährung vorliegen. Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor.

17

aa) Mit "medizinischen Gründen" sind nur krankheitsbedingte Gründe gemeint. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 21 Abs 5 SGB II bewusst an den Rechtszustand des § 23 Abs 4 BSHG angeknüpft. Danach war für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anzuerkennen. Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur war ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer drohenden oder bestehenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung des Mehrbedarfs (Hofmann in: LPK-BSHG, 6. Aufl 2003, § 23 RdNr 28; vgl auch Behrend in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 43). Unter der Geltung des BSHG wurde die kostenaufwändige Ernährung gemäß § 23 Abs 4 BSHG deshalb auch als "Krankenkostzulage" bezeichnet(vgl Knopp/Fichtner, BSHG, 5. Aufl 1983, § 23 RdNr 22; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl 1997, § 23 RdNr 30; Schoch, Sozialhilfe, 3. Aufl 2001, S 167; Hofmann in LPK-BSHG, 6. Aufl 2003, § 23 RdNr 28; Linhart, BSHG § 23 RdNr 14 - Stand 39. EL, Juli 2004).

18

Wie in der früheren Sozialhilfe, dem Referenzsystem für das SGB II (BT-Drucks 15/1514 S 1), wollte der Gesetzgeber auch im Rahmen des Alg II einen Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung vorsehen. In der Gesetzesbegründung ist unter Bezugnahme auf den Rechtszustand des BSHG zum Tatbestandsmerkmal "aus medizinischen Gründen" ausgeführt worden: "Wie in der Sozialhilfe ist auch im Rahmen des Arbeitslosengeldes II ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung vorgesehen. Hierbei ist eine Präzisierung dahin gehend vorgenommen worden, dass der Mehrbedarf nur bei Nachweis des Bedarfs aus medizinischen Gründen anzuerkennen ist. Zur Angemessenheit des Mehrbedarfs können die hierzu vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen herangezogen werden." (BT-Drucks 15/1516, S 57).

19

Auch die vergleichende Betrachtung der Vorschriften des § 21 Abs 5 SGB II und des § 30 Abs 5 des SGB XII bestätigt, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder drohenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen kostenaufwändigen Ernährung erforderlich ist. Die Definition des Kreises der Anspruchsberechtigten ist in § 21 Abs 5 SGB II zwar anders formuliert als in § 30 Abs 5 SGB XII, der dem früheren § 23 Abs 4 BSHG nachgebildet ist. Gemäß § 30 Abs 5 SGB XII in der ab 1.1.2005 gültigen Fassung des Gesetzes vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) wird für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Hingegen sind auch anspruchsberechtigt erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer aufwendigen Ernährung bedürfen. Wie aufgezeigt, sollte nach der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs 5 SGB II(BT-Drucks 15/1516, S 57) mit der Formulierung klargestellt werden, dass der Mehrbedarf nur bei Nachweis des Bedarfs aus medizinischen Gründen anzuerkennen sei.

20

Folglich hat der Gesetzgeber inhaltliche Unterschiede zwischen § 21 Abs 5 SGB II und § 30 Abs 5 SGB XII nicht beabsichtigt. Sinn und Zweck der Leistungen ist es in beiden Fällen, durch die krankheitsbedingte besondere Ernährung drohende oder bestehende Gesundheitsschäden abzuwenden oder zu verhindern (Lang/Knickrehm in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 49 f; Düring in Gagel, SGB III mit SGB II, § 21 RdNr 31; O. Loose in GK-SGB II § 21 RdNr 32, 34; Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 21 RdNr 25; Simon in: jurisPK-SGB XII, § 30 RdNr 92; vgl auch Behrend in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 43). Anspruchsvoraussetzung bei § 21 Abs 5 SGB II ist daher immer das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer drohenden oder bestehenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung. Dementsprechend hat auch das BSG bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 21 Abs 5 SGB II bislang stets von "Krankenernährung" oder "krankheitsbedingtem Mehrbedarf" gesprochen(BSG vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07 R) und ausgeführt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nur vorliegen, wenn eine oder mehrere Erkrankungen eine kostenaufwändige Ernährung bedingen (BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5; vgl auch BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).

21

bb) Der von der Klägerin behauptete erhöhte Kalorienbedarf ist nach den Feststellungen des LSG nicht auf eine Krankheit, also auf einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, zurückzuführen. Nach diesen Feststellungen liegen bei der Klägerin zwar verschiedene Krankheiten, insbesondere ein Diabetes mellitus Typ I vor; diese verursachen jedoch weder einen erhöhten Kalorienbedarf noch einen anderen Ernährungsmehrbedarf iS des § 21 Abs 5 SGB II. Das LSG hat den Sachverhalt vollständig und ausreichend ermittelt, indem es sachverständige Zeugenauskünfte sowie ein internistisches ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt hat, um sich die erforderliche Sachkunde zu verschaffen. Damit hat das LSG von den Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung gestanden haben, Gebrauch gemacht (vgl BSG vom 12.2.2009 - B 5 R 48/08 B; BSG vom 11.12.1969 - GS 2/68 - BSGE 30, 192, 205 = SozR Nr 20 zu § 1247 RVO). Ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) liegt nicht vor.

22

Nach den Feststellungen, die das LSG nach ausreichenden Ermittlungen des Sachverhalts getroffen hat, liegen keine begründeten Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Krankenkost vor. Das LSG konnte nach der vorgenommenen eigenständigen Aufklärung des Sachverhalts und der Prüfung der Umstände des Einzelfalles dahinstehen lassen, ob die überarbeiteten, aktualisierten Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen sind (zum Meinungsstand siehe Düring in Gagel, SGB III mit SGB II, § 21 RdNr 40). Auch durch die aktuellen Empfehlungen wird die grundsätzliche Verpflichtung der Verwaltung und der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, die Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts von Amts wegen aufzuklären ( § 20 SGB X bzw § 103 SGG ), nicht aufgehoben. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 1.10.2008 zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (abgedruckt in NDV 2008, 503 ff) ersetzen nicht eine ggf erforderliche Begutachtung im Einzelfall.

23

Unabhängig von der in der Rechtsprechung umstrittenen Frage, ob die Empfehlungen 2008 als antizipiertes Sachverständigengutachten anzusehen sind (bejahend zB Sächsisches LSG vom 27.8.2009 - L 3 AS 245/08 - und vom 22.6.2009 - L 7 AS 250/08; Bayerisches LSG vom 23.4.2009 - L 11 AS 124/08; LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 9.3.2009 - L 8 AS 68/08; offen gelassen: LSG Nordrhein-Westfalen vom 15.3.2010 - L 19 <20> AS 50/09 - und vom 4.10.2010 - L 19 AS 1140/10), können die Empfehlungen 2008 jedenfalls als Orientierungshilfe dienen und es sind weitere Ermittlungen im Einzelfall nur dann erforderlich, sofern Besonderheiten, insbesondere von den Empfehlungen abweichende Bedarfe, substantiiert geltend gemacht werden (so bereits zu den Empfehlungen 1997: BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 64/06 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 2 S 7 f). Da die Empfehlungen des Deutschen Vereins keine Rechtsnormqualität aufweisen (BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R - BSGE 100, 83, 89 f = SozR 4-4200 § 20 Nr 6 S 44 und - B 14/7b AS 64/06 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 2 S 6 f), gibt es auch keine Hinderungsgründe, die darin enthaltenen medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse auch mit den Ergebnissen der Amtsermittlung zu vergleichen bzw in diese einfließen zu lassen, wenn diese Zeiträume betreffen, die vor der Veröffentlichung der neuen Empfehlungen am 1.10.2008 lagen (so bereits Sächsisches LSG vom 26.2.2009 - L 2 AS 152/07; LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 9.3.2009 - L 8 AS 68/08). Wenn dann - wie vorliegend - nach dem Ergebnis der im Einzelfall durchgeführten Amtsermittlung eine Abweichung von den Empfehlungen nicht festzustellen ist (vgl zu diesem Gesichtspunkt auch BVerfG vom 20.6.2006 - 1 BvR 2673/05 - juris RdNr 19), ist eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht erforderlich.

24

cc) Da nur für eine krankheitsbedingt erforderliche kostenaufwändige Ernährung gemäß § 21 Abs 5 SGB II ein Mehrbedarf zu gewähren ist, hat das LSG zu Recht davon abgesehen, den individuell angemessenen Ernährungsbedarf bzw den tatsächlichen individuellen Grundumsatz und Kalorienbedarf der Klägerin zu ermitteln. Auf die Gewährung eines individuell angemessenen Bedarfs für Ernährung besteht kein Anspruch. Dies folgt aus dem verfassungsrechtlich zulässigen System der Gewährung einer statistisch ermittelten Regelleistung als Festbetrag. Maßgeblich für die Bestimmung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II sind in diesem System stets die im Einzelfall medizinisch begründeten tatsächlichen Kosten für eine besondere Ernährung, die von der Regelleistung nicht gedeckt ist. Für die allgemeine Kritik, eine ausgewogene Ernährung sei aus dem Regelsatz nicht zu finanzieren, ist § 21 Abs 5 SGB II jedoch kein Auffangtatbestand(Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 21 RdNr 24).

25

dd) Die Ernährung mit einer sog "Vollkost" bei Diabetes mellitus I/II unterfällt nicht § 21 Abs 5 SGB II, da es sich nicht um eine Krankenkost handelt, auf die die Vorschrift abzielt, sondern um eine Ernährungsweise, die auf das Leitbild des gesunden Menschen Bezug nimmt.

26

Die Vollkost ist jedoch aus der Regelleistung zu bestreiten. Auch insoweit gilt, dass für die allgemeine Kritik, eine ausgewogene Ernährung sei aus dem Regelsatz nicht zu finanzieren, § 21 Abs 5 SGB II kein Auffangtatbestand ist.

27

3. Der Sache nach ist das Begehren der Klägerin demnach darauf gerichtet, für ihren geltend gemachten individuellen Ernährungsbedarf eine höhere Regelleistung zu erstreiten. Dieses Begehren hat gleichfalls keinen Erfolg.

28

a) Im streitgegenständlichen Zeitraum besteht lediglich ein Anspruch auf eine monatliche Regelleistung in Höhe von 345 Euro. Zwar hat das BVerfG die Vorschriften über die Höhe der Regelleistung, ua die des § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II, mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt. Daraus folgt aber nicht, dass einem Hilfebedürftigen ein höherer Anspruch auf Leistungen zusteht. Vielmehr gilt die Vorschrift des § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II in der jeweils anzuwendenden Fassung bis zum 31.12.2010 fort. Der Gesetzgeber wurde lediglich verpflichtet, die Regelleistung für die Zukunft neu festzusetzen (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 ff - juris RdNr 210 ff; BVerfG vom 18.2.2010 - 1 BvR 1523/08; BVerfG vom 24.3.2010 - 1 BvR 395/09; BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 17/10 R). Folglich ist im vorliegenden Verfahren davon auszugehen, dass die der Klägerin im Jahre 2005 bewilligte Regelleistung in Höhe von 345 Euro für den hier streitigen Zeitraum hinzunehmen ist (vgl BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 17/10 R - juris RdNr 16).

29

b) Zudem hat das BVerfG ausgeführt, die Regelleistung reiche zur Sicherung der physischen Seite des Existenzminimums aus: "Für den Betrag der Regelleistung von 345 Euro nach § 20 Abs 2 1. Halbsatz SGB II aF kann eine evidente Unterschreitung nicht festgestellt werden, weil die Regelleistung zur Sicherung der physischen Seite des Existenzminimums zumindest ausreicht und der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der sozialen Seite des Existenzminimums weiter ist. So kommt beispielsweise eine Untersuchung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zu dem Ergebnis, dass die Beträge des § 2 Abs 2 Regelsatzverordnung für 'Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren' sowie für 'Beherbergungsdienstleistungen, Gaststättenbesuche' die Ernährung eines Alleinstehenden mit Vollkost decken können (vgl seine Empfehlungen zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe, 3. Aufl., sub III 2 )" (RdNr 152 des Urteils vom 9.2.2010).

30

c) Eine abweichende Bedarfsermittlung kommt nicht in Betracht. Nach dem Leistungssystem des SGB II ist eine individuelle Bedarfsermittlung bzw abweichende Bestimmung der Höhe der Regelleistung nicht vorgesehen (vgl dazu BSG 18.6.2008 - B 14 AS 22/07 R - BSGE 101, 70 76 f = SozR 4-4200 § 11 Nr 11 S 65 f). Dies gilt sowohl zu Gunsten wie auch zu Lasten des Grundsicherungsempfängers. Bei der Ernährung handelt es sich um einen Grundbedarf, der von der Regelleistung des § 20 Abs 1 SGB II gedeckt werden soll. Es ist konstitutiver Bestandteil des Systems des SGB II, eine abweichende Festsetzung der Bedarfe, wie sie § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII zulässt, gerade nicht vorzusehen. Folglich gestattet es das SGB II nicht, außerhalb von § 21 Abs 5 SGB II einen individuellen Ernährungsbedarf bedarfserhöhend geltend zu machen.

31

Der Verzicht auf eine individuelle Bedarfsbestimmung entspricht im Übrigen auch dem Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber mit einer Pauschalierung der Regelleistung im SGB II verband. Die pauschalierte Regelleistung sollte gerade die Selbstverantwortung und Eigenständigkeit der Hilfeempfänger fördern (BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 11 RdNr 24). Diese sind darauf angewiesen, mit dem in der Regelleistung pauschaliert enthaltenen Betrag ihre grundlegenden Bedürfnisse zu decken. Außerhalb der gemäß § 21 SGB II gewährten Mehrbedarfe und der gemäß § 23 Abs 3 SGB II aF - in der ab 1.1.2005 gültigen Fassung - gewährten einmaligen Leistungen sind monetäre Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Das System des SGB II ist insofern abschließend (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R - BSGE 100, 83, 91 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6 S 45).

32

In diesem vom Gesetzgeber in zulässiger Weise gewählten System der pauschalierten Regelleistung ist weder - wie von der Klägerin begehrt - eine individuelle Kaloriemetrie vorzunehmen, noch durch eine isolierte Herausnahme und Überprüfung einzelner Bedarfspositionen zu prüfen, ob eine bestimmte individuell gewünschte Ernährungsweise von einer bestimmten Bedarfsposition der Regelleistung direkt erfasst und abgebildet wird. Das BVerfG hat hierzu im Urteil vom 9.2.2010, aaO, RdNr 205 ausgeführt: "Die Gewährung einer Regelleistung als Festbetrag ist grundsätzlich zulässig. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen darf der Gesetzgeber typisierende und pauschalierende Regelungen treffen (vgl BVerfGE 87, 234 <255 f>; 100, 59 <90>; 195 <205>). Dies gilt auch für Leistungen zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Allerdings verlangt Art 1 Abs 1 GG , der die Menschenwürde jedes einzelnen Individuums ohne Ausnahme schützt, dass das Existenzminimum in jedem Einzelfall sichergestellt wird. Der Hilfebedürftige, dem ein pauschaler Geldbetrag zur Verfügung gestellt wird, kann über seine Verwendung im Einzelnen selbst bestimmen und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen ausgleichen. Dies ist ihm auch zumutbar. Dass sich der Gesamtbetrag aus statistisch erfassten Ausgaben in den einzelnen Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zusammensetzt, bedeutet nicht, dass jedem Hilfebedürftigen die einzelnen Ausgabenpositionen und -beträge stets uneingeschränkt zur Verfügung stehen müssen. Es ist vielmehr dem Statistikmodell eigen, dass der individuelle Bedarf eines Hilfebedürftigen vom statistischen Durchschnittsfall abweichen kann. Die regelleistungsrelevanten Ausgabepositionen und -beträge sind von vornherein als abstrakte Rechengrößen konzipiert, die nicht bei jedem Hilfebedürftigen exakt zutreffen müssen, sondern erst in ihrer Summe ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleisten sollen. Wenn das Statistikmodell entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben angewandt und der Pauschalbetrag insbesondere so bestimmt worden ist, dass ein Ausgleich zwischen verschiedenen Bedarfspositionen möglich ist […], kann der Hilfebedürftige in der Regel sein individuelles Verbrauchsverhalten so gestalten, dass er mit dem Festbetrag auskommt; vor allem hat er bei besonderem Bedarf zuerst auf das Ansparpotenzial zurückzugreifen, das in der Regelleistung enthalten ist.“

33

Folglich ist nicht individuell zu ermitteln, ob eine bestimmte Ernährungsweise, die nicht von § 21 Abs 5 SGB II umfasst wird, sondern aus der Regelleistung zu bestreiten ist, im Einzelnen von der entsprechenden Bedarfsposition gedeckt wird. Denn es ist Sache des Hilfebedürftigen selbst, über die Verwendung des bewilligten Festbetrages im Einzelnen zu bestimmen und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen auszugleichen.

34

4. Ansprüche auf Gewährung einer von der Regelleistung abweichenden Leistung auf der Grundlage sonstiger Anspruchsgrundlagen bestehen gleichfalls nicht.

35

a) Die Klägerin kann keinen Anspruch aus einer entsprechenden Anwendung des § 73 SGB XII herleiten. Nach Satz 1 dieser Vorschrift können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Voraussetzung eines Anspruchs nach § 73 SGB XII ist nach der Rechtsprechung des 7b. Senats, der sich auch der 14. Senat des BSG angeschlossen hat, eine besondere Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist. Zugleich muss auch der Bereich der Grundrechtsausübung tangiert sein (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242, 250 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1 RdNr 22 f; BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 19 f). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil es sich bei der Ernährung mit ausgewogener Mischkost bzw sog "Vollkost" um einen typischen, innerhalb des SGB II zu befriedigenden Bedarf handelt.

36

b) Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht im Hinblick auf die durch eine Anordnung des BVerfG im Urteil vom 9.2.2010 (aaO) geschaffene Härtefallregelung, die der Gesetzgeber mittlerweile mWv 3.6.2010 in § 21 Abs 6 SGB II geregelt hat(Gesetz vom 27.5.2010, BGBl I 671). Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 9.2.2010 (insbesondere RdNr 207) klargestellt, dass der von ihm verfassungsrechtlich abgeleitete, zusätzliche Anspruch immer dann notwendig werde, wenn ein bestimmter fortlaufender atypischer Bedarf außerhalb der Regelleistung des § 20 SGB II nicht gedeckt werden könne. Nach den Feststellungen des LSG kann die Klägerin keinen derartigen besonderen Bedarf geltend machen.

37

5. Schließlich hat die Klägerin keinen Anspruch auf einen höheren Leistungsbetrag mit Rücksicht auf die fehlerhafte Anwendung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II durch das LSG. Hierbei geht der Senat davon aus, dass der Ansatz des LSG hinsichtlich der hier ausnahmsweise als KdU anteilig zu berücksichtigenden Stromkosten nicht zu beanstanden ist. Das LSG hat jedoch nicht beachtet, dass lediglich Endzahlbeträge der monatlichen Leistung nach § 41 Abs 2 SGB II zu runden sind, Zwischenberechnungsschritte aber von der Rundung ausgenommen sind(vgl BSG SozR 4-4200 § 24 Nr 3 RdNr 25).

38

Aus einer fehlerhaften Anwendung der Rundungsregelung folgt hier schon deshalb kein höherer Zahlbetrag, weil der Beklagte - wie bereits ausgeführt worden ist - bei der Leistungsbewilligung einen Betrag von monatlich 25,56 Euro für kostenaufwändige Ernährung in Ansatz gebracht hatte, auf den die Klägerin keinen Anspruch hatte. Zwar folgt hieraus nicht, dass die Bescheide durch den erkennenden Senat zu Lasten der Klägerin zu ändern waren, denn einer solchen Änderung steht das Verbot der reformatio in peius entgegen (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 64/06 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 2 S 8; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274, 281 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18 S 130). Da jedoch im Verfahren der Anspruch auf Alg II einschließlich der angemessenen KdU insgesamt streitig ist, kann die Klägerin einen höheren Zahlbetrag nur beanspruchen, wenn der Verfügungssatz der Bewilligung von Alg II sich insoweit der Höhe nach als unrichtig erweist. Insoweit ist die Höhe der Leistung unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen.

39

Dem steht nicht entgegen, dass das BSG eine Beschränkung des Klagebegehrens auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bzw die Kosten für Unterkunft für zulässig erachtet hat (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18), denn die Klägerin hat eine Beschränkung ihres Klagebegehrens nicht vorgenommen. Eine (Teil-)Bestandskraft ist hinsichtlich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich des zuerkannten Mehrbedarfs folglich nicht eingetreten.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts besteht für jeden Kalendertag. Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht.

(2) Berechnungen werden auf zwei Dezimalstellen durchgeführt, wenn nichts Abweichendes bestimmt ist. Bei einer auf Dezimalstellen durchgeführten Berechnung wird die letzte Dezimalstelle um eins erhöht, wenn sich in der folgenden Dezimalstelle eine der Ziffern 5 bis 9 ergeben würde.

(3) Über den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist in der Regel für ein Jahr zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum soll insbesondere in den Fällen regelmäßig auf sechs Monate verkürzt werden, in denen

1.
über den Leistungsanspruch vorläufig entschieden wird (§ 41a) oder
2.
die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung unangemessen sind.
Die Festlegung des Bewilligungszeitraums erfolgt einheitlich für die Entscheidung über die Leistungsansprüche aller Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft. Wird mit dem Bescheid über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht auch über die Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Absatz 2, 4, 6 und 7 entschieden, ist die oder der Leistungsberechtigte in dem Bescheid über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung über Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Absatz 2, 4, 6 und 7 gesondert erfolgt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005.

2

Die 1959 geborene Klägerin ist alleinstehend und bewohnt eine Ein-Zimmer-Wohnung, die durch zwei Gas-Einzelöfen und einen Heizlüfter im Bad beheizt wird. Im Oktober 2004 beantragte sie bei dem Beklagten die Gewährung von Alg II und legte dabei eine Bescheinigung ihrer Hausärztin vor, wonach bei ihr aufgrund eines Diabetes mellitus Typ I Krankenkost (Diabeteskost) erforderlich sei.

3

Mit Bescheid vom 13.11.2004 bewilligte der Beklagte Alg II von Januar bis Mai 2005 in Höhe von 794,56 Euro und für Juni 2005 in Höhe von 777,16 Euro, wobei er neben einem befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 134 Euro einen monatlichen Mehrbedarf von 25,56 Euro für kostenaufwändige Ernährung wegen Diabetes mellitus Typ I berücksichtigte. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass der Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zu gering sei und ihr einschließlich Praxisgebühr und Zuzahlung monatliche Kosten in Höhe von mindestens 50 Euro entstünden. Mit Widerspruchsbescheid vom 4.2.2005 bewilligte der Beklagte daraufhin für die Zeit von Januar bis Mai 2005 monatlich 795,23 Euro und für Juni 2005 775,18 Euro. Den darüber hinausgehenden Widerspruch wies er als unbegründet zurück.

4

Am 1.3.2005 erhob die Klägerin Klage zum SG und begründete ihre Klage insbesondere damit, dass eine Anpassung des seit 1997 nicht erhöhten Mehrbedarfsbetrages zu erfolgen habe, die Regelleistung in Höhe von 345 Euro zu gering sei und zusätzliche Stromkosten von monatlich 11 Euro zu berücksichtigen seien, weil sie ihr Bad mit einem Heizlüfter beheize. Während des Klageverfahrens hat der Beklagte mit Änderungsbescheiden vom 4.3.2005, 7.9.2005 und 15.11.2005 zuletzt Leistungen für Januar und Februar in Höhe von monatlich 806,33 Euro, für März 689,26 Euro, für April 810,33 Euro, für Mai 802,82 Euro und für Juni 2005 782,72 Euro bewilligt. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Beklagte am 29.6.2006 ein Teilanerkenntnis abgegeben und sich bereit erklärt, der Klägerin über die mit Bescheid vom 15.11.2005 zuerkannten Leistungen hinaus für März 2005 Leistungen in Höhe von 795,23 Euro (gemäß dem Widerspruchsbescheid), für Mai 2005 in Höhe von 807,56 Euro und für Juni 2005 in Höhe von 784,46 Euro (gemäß dem Bescheid vom 4.3.2005) zu bewilligen. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen. Mit Urteil vom 29.6.2006 hat das SG die darüber hinausgehende Klage abgewiesen.

5

Mit Urteil vom 15.12.2006 hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass sie einen Bedarf habe, der in der Höhe erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweiche. Insofern werde auf die Entscheidungsgründe des SG verwiesen, wonach ein Mehrbetrag für kostenaufwändige Ernährung nach dem Krankheitsbild der Klägerin nicht gerechtfertigt sei und die Kosten für Arztbesuche und Zuzahlungen im Regelbetrag enthalten seien.

6

Auf die Revision der Klägerin hat das BSG mit Urteil vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07 R - das Urteil des LSG vom 15.12.2006 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, da es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen fehle, insbesondere für die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für eine kostenaufwändige Krankenernährung gemäß § 21 Abs 5 SGB II.

7

Das LSG hat hierauf die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Außerdem hat das LSG ein gerichtliches Sachverständigengutachten bei dem Internisten Dr. S. eingeholt. Mit Urteil vom 23.10.2009 hat das LSG der Klägerin einen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zugesprochen. Insoweit sei bei den Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) ein Anteil an den Stromkosten, der für eine angemessene Beheizung des Bades mittels des vorhandenen Heizlüfters erforderlich sei, ergänzend zu berücksichtigen. Der konkrete Stromverbrauch des Heizlüfters zur Beheizung des Bades - etwa über einen getrennten Zähler - werde nicht erfasst. Die vom SG berücksichtigte Betriebsdauer des Heizlüfters von einer halben Stunde täglich sei sehr knapp bemessen, weshalb zu Gunsten der Klägerin im Rahmen der Schätzung eine volle Stunde zugrunde gelegt werde. Insgesamt belaufe sich die der Klägerin zustehende Nachzahlung für Kosten der Unterkunft und Heizung für den streitgegenständlichen Zeitraum auf 60,69 Euro. Im Übrigen hat das LSG die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Es bestehe unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme kein Anspruch der Klägerin auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Wegen des Verbots der reformatio in peius verbleibe es jedoch bei dem von der Beklagten zuerkannten Mehrbedarf in Höhe von 25,56 Euro monatlich. Eine Verrechnung mit dem Nachzahlungsanspruch auf Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung komme nicht in Betracht.

8

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 21 Abs 5 SGB II. Das Tatbestandsmerkmal "medizinische Gründe" in § 21 Abs 5 SGB II umfasse auch nicht krankheitsbedingte und in der körperlichen Verfassung eines Menschen liegende Umstände, die ärztlich festgestellt werden könnten. Vorliegend bestehe ein erhöhter Grundumsatz bzw ein erhöhter Kalorienverbrauch, der zu einer finanziellen Mehrbelastung führe, welche die bereits monatlich gewährten 25,56 Euro deutlich übersteige. Weder der Wortlaut der Norm noch die Gesetzesbegründung würden die Beschränkung auf Gesundheitsschäden hergeben. Ausgehend von ihren Angaben, wonach sie bereits seit ihrer Kindheit habe sehr viel essen müssen, hätte das LSG eine individuelle Kaloriemetrie zur Ermittlung ihres erhöhten Grundbedarfs durchführen müssen. Der Hinweis des LSG auf die Regelleistung des § 20 Abs 1 SGB II gehe fehl, da ein pauschaler Regelleistungsbetrag nur den durchschnittlichen Bedarf decke. Die vorliegend erforderliche Vollkost lasse sich nicht aus dem Regelsatz finanzieren. Auch hierzu fehle es an Feststellungen des LSG. Es liege eine Verletzung des § 170 Abs 5 SGG vor, da das LSG insoweit entgegen der Rechtsprechung des BSG die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 herangezogen und hieraus abgeleitet habe, dass Vollkost aus dem Regelsatz finanzierbar sei. Hilfsweise bestehe ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen Bedarfs, der nicht von den Leistungen nach § 20 SGB II erfasst werde, jedoch zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zwingend zu decken sei. Schließlich sei der vom LSG errechnete Betrag für die Leistungen für Unterkunft und Heizung wegen fehlerhafter Anwendung der Rundungsregel des § 41 Abs 2 SGB II um 1 Euro zu niedrig.

9

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Oktober 2009 abzuändern und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juni 2006 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seiner Bescheide vom 13. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2005, dieser in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 4. März 2005, 7. September 2005 und 15. November 2005 zu verurteilen, ihr höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen im streitigen Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005.

12

1. Die Klägerin ist im streitigen Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005 nach den Feststellungen des LSG leistungsberechtigt als erwerbsfähige Hilfebedürftige iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Damit hat sie Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 SGB II, idF des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I 2954).

13

2. Die Klägerin hat weder wegen eines erhöhten Kalorienbedarfs noch aufgrund einer etwaigen Ernährung mit sog "Vollkost" einen Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung.

14

a) Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, erhalten nach § 21 Abs 5 SGB II einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Dieser ergänzt die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 21 SGB II idF des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Er umfasst Bedarfe, die nicht durch die Regelleistung abgedeckt sind (§ 21 Abs 1 SGB II).

15

Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung ist kein abtrennbarer Teil der Regelung über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Die Gewährung des Mehrbedarfs allein kann damit nicht zulässiger Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein (BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).

16

b) Voraussetzung für die Gewährung des Mehrbedarfs ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordert, deren Kosten aufwändiger sind als dies für Personen ohne diese Einschränkung der Fall ist (BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; Düring in Gagel, SGB III mit SGB II, Stand Juli 2010, § 21 RdNr 19). Es muss also ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder drohenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen kostenaufwändigen Ernährung vorliegen. Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor.

17

aa) Mit "medizinischen Gründen" sind nur krankheitsbedingte Gründe gemeint. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 21 Abs 5 SGB II bewusst an den Rechtszustand des § 23 Abs 4 BSHG angeknüpft. Danach war für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anzuerkennen. Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur war ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer drohenden oder bestehenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung des Mehrbedarfs (Hofmann in: LPK-BSHG, 6. Aufl 2003, § 23 RdNr 28; vgl auch Behrend in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 43). Unter der Geltung des BSHG wurde die kostenaufwändige Ernährung gemäß § 23 Abs 4 BSHG deshalb auch als "Krankenkostzulage" bezeichnet(vgl Knopp/Fichtner, BSHG, 5. Aufl 1983, § 23 RdNr 22; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl 1997, § 23 RdNr 30; Schoch, Sozialhilfe, 3. Aufl 2001, S 167; Hofmann in LPK-BSHG, 6. Aufl 2003, § 23 RdNr 28; Linhart, BSHG § 23 RdNr 14 - Stand 39. EL, Juli 2004).

18

Wie in der früheren Sozialhilfe, dem Referenzsystem für das SGB II (BT-Drucks 15/1514 S 1), wollte der Gesetzgeber auch im Rahmen des Alg II einen Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung vorsehen. In der Gesetzesbegründung ist unter Bezugnahme auf den Rechtszustand des BSHG zum Tatbestandsmerkmal "aus medizinischen Gründen" ausgeführt worden: "Wie in der Sozialhilfe ist auch im Rahmen des Arbeitslosengeldes II ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung vorgesehen. Hierbei ist eine Präzisierung dahin gehend vorgenommen worden, dass der Mehrbedarf nur bei Nachweis des Bedarfs aus medizinischen Gründen anzuerkennen ist. Zur Angemessenheit des Mehrbedarfs können die hierzu vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen herangezogen werden." (BT-Drucks 15/1516, S 57).

19

Auch die vergleichende Betrachtung der Vorschriften des § 21 Abs 5 SGB II und des § 30 Abs 5 des SGB XII bestätigt, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder drohenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen kostenaufwändigen Ernährung erforderlich ist. Die Definition des Kreises der Anspruchsberechtigten ist in § 21 Abs 5 SGB II zwar anders formuliert als in § 30 Abs 5 SGB XII, der dem früheren § 23 Abs 4 BSHG nachgebildet ist. Gemäß § 30 Abs 5 SGB XII in der ab 1.1.2005 gültigen Fassung des Gesetzes vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) wird für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Hingegen sind auch anspruchsberechtigt erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer aufwendigen Ernährung bedürfen. Wie aufgezeigt, sollte nach der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs 5 SGB II(BT-Drucks 15/1516, S 57) mit der Formulierung klargestellt werden, dass der Mehrbedarf nur bei Nachweis des Bedarfs aus medizinischen Gründen anzuerkennen sei.

20

Folglich hat der Gesetzgeber inhaltliche Unterschiede zwischen § 21 Abs 5 SGB II und § 30 Abs 5 SGB XII nicht beabsichtigt. Sinn und Zweck der Leistungen ist es in beiden Fällen, durch die krankheitsbedingte besondere Ernährung drohende oder bestehende Gesundheitsschäden abzuwenden oder zu verhindern (Lang/Knickrehm in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 49 f; Düring in Gagel, SGB III mit SGB II, § 21 RdNr 31; O. Loose in GK-SGB II § 21 RdNr 32, 34; Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 21 RdNr 25; Simon in: jurisPK-SGB XII, § 30 RdNr 92; vgl auch Behrend in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 43). Anspruchsvoraussetzung bei § 21 Abs 5 SGB II ist daher immer das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer drohenden oder bestehenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung. Dementsprechend hat auch das BSG bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 21 Abs 5 SGB II bislang stets von "Krankenernährung" oder "krankheitsbedingtem Mehrbedarf" gesprochen(BSG vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07 R) und ausgeführt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nur vorliegen, wenn eine oder mehrere Erkrankungen eine kostenaufwändige Ernährung bedingen (BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5; vgl auch BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).

21

bb) Der von der Klägerin behauptete erhöhte Kalorienbedarf ist nach den Feststellungen des LSG nicht auf eine Krankheit, also auf einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, zurückzuführen. Nach diesen Feststellungen liegen bei der Klägerin zwar verschiedene Krankheiten, insbesondere ein Diabetes mellitus Typ I vor; diese verursachen jedoch weder einen erhöhten Kalorienbedarf noch einen anderen Ernährungsmehrbedarf iS des § 21 Abs 5 SGB II. Das LSG hat den Sachverhalt vollständig und ausreichend ermittelt, indem es sachverständige Zeugenauskünfte sowie ein internistisches ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt hat, um sich die erforderliche Sachkunde zu verschaffen. Damit hat das LSG von den Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung gestanden haben, Gebrauch gemacht (vgl BSG vom 12.2.2009 - B 5 R 48/08 B; BSG vom 11.12.1969 - GS 2/68 - BSGE 30, 192, 205 = SozR Nr 20 zu § 1247 RVO). Ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) liegt nicht vor.

22

Nach den Feststellungen, die das LSG nach ausreichenden Ermittlungen des Sachverhalts getroffen hat, liegen keine begründeten Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Krankenkost vor. Das LSG konnte nach der vorgenommenen eigenständigen Aufklärung des Sachverhalts und der Prüfung der Umstände des Einzelfalles dahinstehen lassen, ob die überarbeiteten, aktualisierten Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen sind (zum Meinungsstand siehe Düring in Gagel, SGB III mit SGB II, § 21 RdNr 40). Auch durch die aktuellen Empfehlungen wird die grundsätzliche Verpflichtung der Verwaltung und der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, die Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts von Amts wegen aufzuklären ( § 20 SGB X bzw § 103 SGG ), nicht aufgehoben. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 1.10.2008 zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (abgedruckt in NDV 2008, 503 ff) ersetzen nicht eine ggf erforderliche Begutachtung im Einzelfall.

23

Unabhängig von der in der Rechtsprechung umstrittenen Frage, ob die Empfehlungen 2008 als antizipiertes Sachverständigengutachten anzusehen sind (bejahend zB Sächsisches LSG vom 27.8.2009 - L 3 AS 245/08 - und vom 22.6.2009 - L 7 AS 250/08; Bayerisches LSG vom 23.4.2009 - L 11 AS 124/08; LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 9.3.2009 - L 8 AS 68/08; offen gelassen: LSG Nordrhein-Westfalen vom 15.3.2010 - L 19 <20> AS 50/09 - und vom 4.10.2010 - L 19 AS 1140/10), können die Empfehlungen 2008 jedenfalls als Orientierungshilfe dienen und es sind weitere Ermittlungen im Einzelfall nur dann erforderlich, sofern Besonderheiten, insbesondere von den Empfehlungen abweichende Bedarfe, substantiiert geltend gemacht werden (so bereits zu den Empfehlungen 1997: BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 64/06 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 2 S 7 f). Da die Empfehlungen des Deutschen Vereins keine Rechtsnormqualität aufweisen (BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R - BSGE 100, 83, 89 f = SozR 4-4200 § 20 Nr 6 S 44 und - B 14/7b AS 64/06 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 2 S 6 f), gibt es auch keine Hinderungsgründe, die darin enthaltenen medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse auch mit den Ergebnissen der Amtsermittlung zu vergleichen bzw in diese einfließen zu lassen, wenn diese Zeiträume betreffen, die vor der Veröffentlichung der neuen Empfehlungen am 1.10.2008 lagen (so bereits Sächsisches LSG vom 26.2.2009 - L 2 AS 152/07; LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 9.3.2009 - L 8 AS 68/08). Wenn dann - wie vorliegend - nach dem Ergebnis der im Einzelfall durchgeführten Amtsermittlung eine Abweichung von den Empfehlungen nicht festzustellen ist (vgl zu diesem Gesichtspunkt auch BVerfG vom 20.6.2006 - 1 BvR 2673/05 - juris RdNr 19), ist eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht erforderlich.

24

cc) Da nur für eine krankheitsbedingt erforderliche kostenaufwändige Ernährung gemäß § 21 Abs 5 SGB II ein Mehrbedarf zu gewähren ist, hat das LSG zu Recht davon abgesehen, den individuell angemessenen Ernährungsbedarf bzw den tatsächlichen individuellen Grundumsatz und Kalorienbedarf der Klägerin zu ermitteln. Auf die Gewährung eines individuell angemessenen Bedarfs für Ernährung besteht kein Anspruch. Dies folgt aus dem verfassungsrechtlich zulässigen System der Gewährung einer statistisch ermittelten Regelleistung als Festbetrag. Maßgeblich für die Bestimmung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II sind in diesem System stets die im Einzelfall medizinisch begründeten tatsächlichen Kosten für eine besondere Ernährung, die von der Regelleistung nicht gedeckt ist. Für die allgemeine Kritik, eine ausgewogene Ernährung sei aus dem Regelsatz nicht zu finanzieren, ist § 21 Abs 5 SGB II jedoch kein Auffangtatbestand(Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 21 RdNr 24).

25

dd) Die Ernährung mit einer sog "Vollkost" bei Diabetes mellitus I/II unterfällt nicht § 21 Abs 5 SGB II, da es sich nicht um eine Krankenkost handelt, auf die die Vorschrift abzielt, sondern um eine Ernährungsweise, die auf das Leitbild des gesunden Menschen Bezug nimmt.

26

Die Vollkost ist jedoch aus der Regelleistung zu bestreiten. Auch insoweit gilt, dass für die allgemeine Kritik, eine ausgewogene Ernährung sei aus dem Regelsatz nicht zu finanzieren, § 21 Abs 5 SGB II kein Auffangtatbestand ist.

27

3. Der Sache nach ist das Begehren der Klägerin demnach darauf gerichtet, für ihren geltend gemachten individuellen Ernährungsbedarf eine höhere Regelleistung zu erstreiten. Dieses Begehren hat gleichfalls keinen Erfolg.

28

a) Im streitgegenständlichen Zeitraum besteht lediglich ein Anspruch auf eine monatliche Regelleistung in Höhe von 345 Euro. Zwar hat das BVerfG die Vorschriften über die Höhe der Regelleistung, ua die des § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II, mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt. Daraus folgt aber nicht, dass einem Hilfebedürftigen ein höherer Anspruch auf Leistungen zusteht. Vielmehr gilt die Vorschrift des § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II in der jeweils anzuwendenden Fassung bis zum 31.12.2010 fort. Der Gesetzgeber wurde lediglich verpflichtet, die Regelleistung für die Zukunft neu festzusetzen (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 ff - juris RdNr 210 ff; BVerfG vom 18.2.2010 - 1 BvR 1523/08; BVerfG vom 24.3.2010 - 1 BvR 395/09; BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 17/10 R). Folglich ist im vorliegenden Verfahren davon auszugehen, dass die der Klägerin im Jahre 2005 bewilligte Regelleistung in Höhe von 345 Euro für den hier streitigen Zeitraum hinzunehmen ist (vgl BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 17/10 R - juris RdNr 16).

29

b) Zudem hat das BVerfG ausgeführt, die Regelleistung reiche zur Sicherung der physischen Seite des Existenzminimums aus: "Für den Betrag der Regelleistung von 345 Euro nach § 20 Abs 2 1. Halbsatz SGB II aF kann eine evidente Unterschreitung nicht festgestellt werden, weil die Regelleistung zur Sicherung der physischen Seite des Existenzminimums zumindest ausreicht und der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der sozialen Seite des Existenzminimums weiter ist. So kommt beispielsweise eine Untersuchung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zu dem Ergebnis, dass die Beträge des § 2 Abs 2 Regelsatzverordnung für 'Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren' sowie für 'Beherbergungsdienstleistungen, Gaststättenbesuche' die Ernährung eines Alleinstehenden mit Vollkost decken können (vgl seine Empfehlungen zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe, 3. Aufl., sub III 2 )" (RdNr 152 des Urteils vom 9.2.2010).

30

c) Eine abweichende Bedarfsermittlung kommt nicht in Betracht. Nach dem Leistungssystem des SGB II ist eine individuelle Bedarfsermittlung bzw abweichende Bestimmung der Höhe der Regelleistung nicht vorgesehen (vgl dazu BSG 18.6.2008 - B 14 AS 22/07 R - BSGE 101, 70 76 f = SozR 4-4200 § 11 Nr 11 S 65 f). Dies gilt sowohl zu Gunsten wie auch zu Lasten des Grundsicherungsempfängers. Bei der Ernährung handelt es sich um einen Grundbedarf, der von der Regelleistung des § 20 Abs 1 SGB II gedeckt werden soll. Es ist konstitutiver Bestandteil des Systems des SGB II, eine abweichende Festsetzung der Bedarfe, wie sie § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII zulässt, gerade nicht vorzusehen. Folglich gestattet es das SGB II nicht, außerhalb von § 21 Abs 5 SGB II einen individuellen Ernährungsbedarf bedarfserhöhend geltend zu machen.

31

Der Verzicht auf eine individuelle Bedarfsbestimmung entspricht im Übrigen auch dem Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber mit einer Pauschalierung der Regelleistung im SGB II verband. Die pauschalierte Regelleistung sollte gerade die Selbstverantwortung und Eigenständigkeit der Hilfeempfänger fördern (BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 11 RdNr 24). Diese sind darauf angewiesen, mit dem in der Regelleistung pauschaliert enthaltenen Betrag ihre grundlegenden Bedürfnisse zu decken. Außerhalb der gemäß § 21 SGB II gewährten Mehrbedarfe und der gemäß § 23 Abs 3 SGB II aF - in der ab 1.1.2005 gültigen Fassung - gewährten einmaligen Leistungen sind monetäre Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Das System des SGB II ist insofern abschließend (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R - BSGE 100, 83, 91 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6 S 45).

32

In diesem vom Gesetzgeber in zulässiger Weise gewählten System der pauschalierten Regelleistung ist weder - wie von der Klägerin begehrt - eine individuelle Kaloriemetrie vorzunehmen, noch durch eine isolierte Herausnahme und Überprüfung einzelner Bedarfspositionen zu prüfen, ob eine bestimmte individuell gewünschte Ernährungsweise von einer bestimmten Bedarfsposition der Regelleistung direkt erfasst und abgebildet wird. Das BVerfG hat hierzu im Urteil vom 9.2.2010, aaO, RdNr 205 ausgeführt: "Die Gewährung einer Regelleistung als Festbetrag ist grundsätzlich zulässig. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen darf der Gesetzgeber typisierende und pauschalierende Regelungen treffen (vgl BVerfGE 87, 234 <255 f>; 100, 59 <90>; 195 <205>). Dies gilt auch für Leistungen zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Allerdings verlangt Art 1 Abs 1 GG , der die Menschenwürde jedes einzelnen Individuums ohne Ausnahme schützt, dass das Existenzminimum in jedem Einzelfall sichergestellt wird. Der Hilfebedürftige, dem ein pauschaler Geldbetrag zur Verfügung gestellt wird, kann über seine Verwendung im Einzelnen selbst bestimmen und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen ausgleichen. Dies ist ihm auch zumutbar. Dass sich der Gesamtbetrag aus statistisch erfassten Ausgaben in den einzelnen Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zusammensetzt, bedeutet nicht, dass jedem Hilfebedürftigen die einzelnen Ausgabenpositionen und -beträge stets uneingeschränkt zur Verfügung stehen müssen. Es ist vielmehr dem Statistikmodell eigen, dass der individuelle Bedarf eines Hilfebedürftigen vom statistischen Durchschnittsfall abweichen kann. Die regelleistungsrelevanten Ausgabepositionen und -beträge sind von vornherein als abstrakte Rechengrößen konzipiert, die nicht bei jedem Hilfebedürftigen exakt zutreffen müssen, sondern erst in ihrer Summe ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleisten sollen. Wenn das Statistikmodell entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben angewandt und der Pauschalbetrag insbesondere so bestimmt worden ist, dass ein Ausgleich zwischen verschiedenen Bedarfspositionen möglich ist […], kann der Hilfebedürftige in der Regel sein individuelles Verbrauchsverhalten so gestalten, dass er mit dem Festbetrag auskommt; vor allem hat er bei besonderem Bedarf zuerst auf das Ansparpotenzial zurückzugreifen, das in der Regelleistung enthalten ist.“

33

Folglich ist nicht individuell zu ermitteln, ob eine bestimmte Ernährungsweise, die nicht von § 21 Abs 5 SGB II umfasst wird, sondern aus der Regelleistung zu bestreiten ist, im Einzelnen von der entsprechenden Bedarfsposition gedeckt wird. Denn es ist Sache des Hilfebedürftigen selbst, über die Verwendung des bewilligten Festbetrages im Einzelnen zu bestimmen und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen auszugleichen.

34

4. Ansprüche auf Gewährung einer von der Regelleistung abweichenden Leistung auf der Grundlage sonstiger Anspruchsgrundlagen bestehen gleichfalls nicht.

35

a) Die Klägerin kann keinen Anspruch aus einer entsprechenden Anwendung des § 73 SGB XII herleiten. Nach Satz 1 dieser Vorschrift können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Voraussetzung eines Anspruchs nach § 73 SGB XII ist nach der Rechtsprechung des 7b. Senats, der sich auch der 14. Senat des BSG angeschlossen hat, eine besondere Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist. Zugleich muss auch der Bereich der Grundrechtsausübung tangiert sein (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242, 250 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1 RdNr 22 f; BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 19 f). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil es sich bei der Ernährung mit ausgewogener Mischkost bzw sog "Vollkost" um einen typischen, innerhalb des SGB II zu befriedigenden Bedarf handelt.

36

b) Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht im Hinblick auf die durch eine Anordnung des BVerfG im Urteil vom 9.2.2010 (aaO) geschaffene Härtefallregelung, die der Gesetzgeber mittlerweile mWv 3.6.2010 in § 21 Abs 6 SGB II geregelt hat(Gesetz vom 27.5.2010, BGBl I 671). Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 9.2.2010 (insbesondere RdNr 207) klargestellt, dass der von ihm verfassungsrechtlich abgeleitete, zusätzliche Anspruch immer dann notwendig werde, wenn ein bestimmter fortlaufender atypischer Bedarf außerhalb der Regelleistung des § 20 SGB II nicht gedeckt werden könne. Nach den Feststellungen des LSG kann die Klägerin keinen derartigen besonderen Bedarf geltend machen.

37

5. Schließlich hat die Klägerin keinen Anspruch auf einen höheren Leistungsbetrag mit Rücksicht auf die fehlerhafte Anwendung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II durch das LSG. Hierbei geht der Senat davon aus, dass der Ansatz des LSG hinsichtlich der hier ausnahmsweise als KdU anteilig zu berücksichtigenden Stromkosten nicht zu beanstanden ist. Das LSG hat jedoch nicht beachtet, dass lediglich Endzahlbeträge der monatlichen Leistung nach § 41 Abs 2 SGB II zu runden sind, Zwischenberechnungsschritte aber von der Rundung ausgenommen sind(vgl BSG SozR 4-4200 § 24 Nr 3 RdNr 25).

38

Aus einer fehlerhaften Anwendung der Rundungsregelung folgt hier schon deshalb kein höherer Zahlbetrag, weil der Beklagte - wie bereits ausgeführt worden ist - bei der Leistungsbewilligung einen Betrag von monatlich 25,56 Euro für kostenaufwändige Ernährung in Ansatz gebracht hatte, auf den die Klägerin keinen Anspruch hatte. Zwar folgt hieraus nicht, dass die Bescheide durch den erkennenden Senat zu Lasten der Klägerin zu ändern waren, denn einer solchen Änderung steht das Verbot der reformatio in peius entgegen (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 64/06 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 2 S 8; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274, 281 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18 S 130). Da jedoch im Verfahren der Anspruch auf Alg II einschließlich der angemessenen KdU insgesamt streitig ist, kann die Klägerin einen höheren Zahlbetrag nur beanspruchen, wenn der Verfügungssatz der Bewilligung von Alg II sich insoweit der Höhe nach als unrichtig erweist. Insoweit ist die Höhe der Leistung unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen.

39

Dem steht nicht entgegen, dass das BSG eine Beschränkung des Klagebegehrens auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bzw die Kosten für Unterkunft für zulässig erachtet hat (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18), denn die Klägerin hat eine Beschränkung ihres Klagebegehrens nicht vorgenommen. Eine (Teil-)Bestandskraft ist hinsichtlich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich des zuerkannten Mehrbedarfs folglich nicht eingetreten.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

(1) Soweit Anhaltspunkte dem nicht entgegenstehen, wird vermutet, dass die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte bevollmächtigt ist, Leistungen nach diesem Buch auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen. Leben mehrere erwerbsfähige Leistungsberechtigte in einer Bedarfsgemeinschaft, gilt diese Vermutung zugunsten der Antrag stellenden Person.

(2) Für Leistungen an Kinder im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts hat die umgangsberechtigte Person die Befugnis, Leistungen nach diesem Buch zu beantragen und entgegenzunehmen, soweit das Kind dem Haushalt angehört.

(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).

(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.

(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.

(1) Die elterliche Sorge umfasst die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind allein, soweit er die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 übertragen ist. Bei Gefahr im Verzug ist jeder Elternteil dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind; der andere Elternteil ist unverzüglich zu unterrichten.

(2) Der Vater und die Mutter können das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1824 ein Betreuer von der Vertretung des Betreuten ausgeschlossen ist. Steht die elterliche Sorge für ein Kind den Eltern gemeinsam zu, so kann der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen. Das Familiengericht kann dem Vater und der Mutter nach § 1789 Absatz 2 Satz 3 und 4 die Vertretung entziehen; dies gilt nicht für die Feststellung der Vaterschaft.

(2a) Der Vater und die Mutter können das Kind in einem gerichtlichen Verfahren nach § 1598a Abs. 2 nicht vertreten.

(3) Sind die Eltern des Kindes miteinander verheiratet oder besteht zwischen ihnen eine Lebenspartnerschaft, so kann ein Elternteil Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend machen, solange

1.
die Eltern getrennt leben oder
2.
eine Ehesache oder eine Lebenspartnerschaftssache im Sinne von § 269 Absatz 1 Nummer 1 oder 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zwischen ihnen anhängig ist.
Eine von einem Elternteil erwirkte gerichtliche Entscheidung und ein zwischen den Eltern geschlossener gerichtlicher Vergleich wirken auch für und gegen das Kind.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Liegen die in § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist, so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen.

(2) Liegen die in § 45 Abs. 2 Satz 3 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vor, ist dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(3) Liegen die in § 48 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, ist dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Abweichend von § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an ein Verwaltungsakt auch aufzuheben, soweit sich das Bemessungsentgelt auf Grund einer Absenkung nach § 200 Abs. 3 zu Ungunsten der Betroffenen oder des Betroffenen ändert.

(4) Liegen die Voraussetzungen für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes vor, mit dem ein Anspruch auf Erstattung des Arbeitslosengeldes durch Arbeitgeber geltend gemacht wird, ist dieser mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(5) (weggefallen)

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 9. August 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Erstattungsforderung.

2

Die am 14.7.1989 geborene Klägerin bezog von dem beklagten Grundsicherungsträger zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester seit dem 1.1.2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Anträge auf Gewährung von Leistungen stellte durchgehend die Mutter. Ab August 2005 bezog die Klägerin monatliche Unterhaltsleistungen von dem getrennt lebenden Vater. Eine Mitteilung gegenüber dem Beklagten erfolgte insoweit nicht.

3

Im Januar 2007 erfuhr der Beklagte von den Unterhaltszahlungen und hob mit an die Mutter gerichtetem Bescheid vom 28.6.2007 die für den Zeitraum 1.8.2005 bis 31.7.2006 ergangenen Bewilligungen "für Sie und Ihre Kinder" auf. Die Gesamtüberzahlung in Höhe von 2539,65 Euro war nach den einzelnen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft und jeweils nach Regelleistung und Kosten für Unterkunft und Heizung aufgeschlüsselt. Für die Klägerin ergab sich ein Gesamtbetrag von 1820,90 Euro (1292,85 Euro Regelleistung und 528,05 Euro Leistungen für Unterkunft und Heizung). Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass der Bescheid, soweit er die Kinder betreffe, an die Mutter als gesetzliche Vertreterin ergehe, und die Erstattung der zu Unrecht gezahlten Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 2539,65 Euro gefordert. Auf den Widerspruch der Klägerin reduzierte der Beklagte die Erstattungssumme durch einen unmittelbar an die zwischenzeitlich volljährig gewordene Klägerin versandten Bescheid vom 1.10.2008 auf 1770,99 Euro und wies den Widerspruch im Übrigen zurück (Widerspruchsbescheid vom 18.11.2008).

4

Die hiergegen gerichtete Klage hat die Klägerin hinsichtlich der Aufhebung der Bewilligungsbescheide zurückgenommen und der Beklagte hat die Erstattungssumme in einem Erörterungstermin am 7.1.2010 auf 1043,51 Euro reduziert. Die gegen das Erstattungsverlangen gerichtete Klage hat die Klägerin fortgeführt und zugleich "die Einrede des § 1629a BGB" erhoben. Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat die Klage abgewiesen und zugleich die Sprungrevision zugelassen (Urteil vom 9.8.2010). Der auf § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützte Erstattungsbescheid sei rechtmäßig. § 1629a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) stehe dem nicht entgegen. Ob diese Vorschrift ohnehin erst im Vollstreckungsverfahren Berücksichtigung finden könne, könne dahinstehen. Vielmehr sei diese Norm im Sozialrecht von vornherein nicht anwendbar. Insbesondere beschränke sich der in § 61 Satz 2 SGB X enthaltene Verweis auf die ergänzende Anwendung der Vorschriften des BGB auf öffentlich-rechtliche Verträge und dies bedeute im Umkehrschluss, dass die Vorschriften des BGB im Bereich des SGB X nicht allgemein anwendbar seien. Eine entsprechende Anwendung des § 1629a BGB scheide aus, weil es an einer mit dem Zivilrecht vergleichbaren Interessenlage fehle und für die Anwendung dieser Vorschrift kein Bedürfnis bestehe. Bei der Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes gemäß §§ 45 ff SGB X habe die Behörde bereits die unterschiedlichen öffentlichen und privaten Interessen abzuwägen. Etwas anderes folge auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten. Selbst wenn man von einer Anwendbarkeit des § 1629a BGB ausgehe, stehe seiner Anwendung im konkreten Fall doch § 1629a Abs 2 Alt 2 BGB entgegen, wonach die Haftungsbeschränkung nicht für Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften gelte, die alleine der Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des Minderjährigen dienten. Bei den nunmehr zurückgeforderten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes handele es sich um solche Verbindlichkeiten.

5

In ihrer fristgerecht unter Beifügung einer Zustimmungserklärung des Beklagten in elektronischer Form eingelegten Sprungrevision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 1629a BGB sowie § 50 SGB X. Ergänzend beruft sie sich auf ein Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 23.7.2009 an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, in dem ausgeführt wird, dass die Gefahr einer Überschuldung Minderjähriger durch die Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II im Hinblick auf § 1629a BGB nicht gesehen werde. Diese Norm begründe ein Leistungsverweigerungsrecht für das dann volljährige Kind gegenüber dem Gläubiger. Der Erstattungsanspruch bestünde weiterhin, müsse aber nicht mehr erfüllt werden. Die Bundesregierung gehe davon aus, dass die Grundsicherungsstellen gemäß § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) entsprechend beraten. Die Klägerin ist allerdings der Ansicht, dass es ihr möglich sein müsse, diesen Einwand bereits außerhalb des Vollstreckungsverfahrens geltend zu machen.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 9. August 2010 sowie den Erstattungsbescheid des Beklagten vom 28. Juni 2007 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 1. Oktober 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2008 sowie des Teilanerkenntnisses des Beklagten vom 7. Januar 2010 aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das angefochtene Urteil und weist nur ergänzend darauf hin, dass § 1629a BGB erst im Vollstreckungsverfahren Anwendung finden könne. Die Rechtmäßigkeit des zugrunde liegenden Bescheids bleibe hiervon unberührt.

Entscheidungsgründe

9

Die Sprungrevision der Klägerin ist zulässig (hierzu A.) und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das Landessozialgericht (LSG) begründet (vgl § 170 Abs 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz; hierzu B.).

10

A. Die Klägerin hat die Sprungrevision form- und fristgerecht eingelegt.

11

Die Revision ist nach § 164 Abs 1 Satz 1 iVm § 65a SGG mittels eines elektronischen Dokuments mit qualifizierter elektronischer Signatur formgerecht erhoben worden(vgl § 65a Abs 1 Satz 3 SGG iVm § 2 Abs 3 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundessozialgericht, BGBl I 2006, 3219; vgl grundlegend BFHE 215, 47 zur "Funktionsäquivalenz" der Signatur zur eigenhändigen Unterschrift).

12

Die für die Sprungrevision geltenden Formerfordernisse sind erfüllt (vgl § 161 Abs 1 SGG): Das SG hat die Sprungrevision in seinem Urteil zugelassen und die Zustimmungserklärung des Revisionsbeklagten ist innerhalb der Revisionsfrist beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen. Denn der Revisionsschrift der Klägerin war eine Erklärung des Beklagten beigefügt, nach der er sich damit einverstanden erklärt, dass "die Sprungrevision eingelegt und zugelassen wird".

13

Dass die Zustimmungserklärung des Beklagten nicht im Original übersandt wurde, sondern in elektronischer Form als Anhang im pdf-Format zu der in elektronischer Form ordnungsgemäß übersandten Revisionsschrift, steht dem in § 161 Abs 1 Satz 1 SGG enthaltenen Schriftlichkeitserfordernis nicht entgegen. Dass das Schriftformerfordernis für die Zustimmungserklärung erfüllt ist, wenn der Revisionskläger die ihm per Telefax zugeleitete Zustimmung des Gegners seinerseits per Fax an das Gericht weiterleitet, entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 13; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 161 RdNr 4a). Denn angesichts der auch bei "Originalen" möglichen Fälschungen ist für die Erfüllung des Formerfordernisses entscheidend, dass aus der Erklärung die Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision mit der Folge einer Übergehung der Berufungsinstanz, die Person des Erklärenden und dessen Wille, die Erklärung in den Verkehr zu bringen, entnommen werden kann.

14

Diese Voraussetzungen sind auch gewahrt, wenn ein Beteiligter die ihm als Telefax zugesandte Zustimmungserklärung eines anderen Beteiligten einscannt und in eine pdf-Datei umwandelt, um sie als elektronische Datei im Rahmen seiner elektronischen Aktenbearbeitung und Kommunikation mit dem Gericht weiterverwenden zu können. Aus der Einfügung des § 65a SGG durch das Justizkommunikationsgesetz vom 22.3.2005 (BGBl I 837) und der damit begründeten Zulässigkeit der Übermittlung von elektronischen Dokumenten an die Gerichte kann nur hergeleitet werden, dass die Übermittlung eines eingescanntes Dokumentes als Anhang einer den Anforderungen des § 65a SGG genügenden Revisionsschrift dem Schriftformerfordernis genügt. Die Möglichkeit, als Anlage ein eingescanntes Dokument zu versenden, ohne dabei mit verfahrensrechtlich vorgegebenen Formerfordernissen in Konflikt zu kommen, ist die notwendige Folge dieser technischen Möglichkeit und des mit dem Gesetz verfolgten Zweckes, auch in Gerichtsverfahren elektronische Dokumente als Äquivalent zur Papierform rechtswirksam zu verwenden (Gesetzesbegründung zum Justizkommunikationsgesetz, BT-Drucks 15/4067 S 24).

15

B. Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 4 Satz 1 SGG). Ob die angefochtene Entscheidung mit revisiblem Recht vereinbar ist (vgl § 162 SGG)kann aufgrund des vom SG festgestellten Sachverhalts (vgl § 163 SGG) nicht abschließend geprüft werden.

16

Mangels fehlender Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob der hier noch alleine streitgegenständliche und auf § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 50 SGB X beruhende Erstattungsbescheid vom 28.6.2007 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 1.10.2008 und des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2008 sowie des Teilanerkenntnisses des Beklagten vom 7.1.2010 formell rechtmäßig ist; insbesondere ob die nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 24 Abs 1 SGB X erforderliche Anhörung stattgefunden hat oder ein entsprechender Verfahrensmangel geheilt worden ist(s I.). Allerdings steht der materiellen Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts nicht bereits seine mangelnde Bestimmtheit entgegen (s II.). Während die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 50 SGB X im vorliegenden Fall grundsätzlich vorliegen(s III.), konnte aber ebenfalls nicht abschließend entschieden werden, ob die Haftung der Klägerin hier gemäß des entsprechend anwendbaren § 1629a BGB begrenzt ist und der Erstattungsbescheid bereits deshalb (ggf teilweise) aufzuheben ist(s IV.).

17

I. Der Rechtsstreit unterliegt bereits deshalb der Zurückverweisung, weil der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des SG die formelle Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheides nicht abschließend prüfen kann. Insbesondere fehlt es an Feststellungen zu der Frage, ob vor Erlass des Erstattungsbescheides eine Anhörung der Klägerin gemäß § 24 Abs 1 SGB X stattgefunden hat.

18

Auch wenn die Erstattung entsprechend der Forderung des § 50 Abs 3 Satz 2 SGB X mit der (hier gemäß § 77 SGG bindend gewordenen) Aufhebung verbunden worden ist, ändert dies nichts daran, dass es sich bei dem Erstattungsverlangen um einen eigenständigen Verwaltungsakt nach § 31 SGB X handelt, der seinerseits in die Rechte der Klägerin eingegriffen hat und deshalb vor seinem Erlass eine entsprechende Anhörung voraussetzt(vgl BSG SozR 1300 § 45 Nr 12).

19

1. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme von diesem Anhörungserfordernis sind nicht gegeben. Ein Fall des Ausnahmekatalogs des § 24 Abs 2 SGB X liegt bereits tatbestandlich nicht vor. Insbesondere wurden nicht lediglich einkommensabhängige Leistungen an geänderte Verhältnisse angepasst (§ 24 Abs 2 Nr 5 SGB X), weil die Behörde auf der Grundlage des § 50 SGB X für die Vergangenheit Leistungen erstattet verlangt.

20

Der Anwendungsbereich des § 24 SGB X ist für den vorliegenden Fall ebenfalls nicht - etwa im Sinne einer teleologischen Reduktion(vgl hierzu BSG SozR 4-1300 § 24 Nr 1) - eingeschränkt (vgl Thieme in Wannagat, SGB X, Stand 2001, § 24 RdNr 6). Eine solche Einschränkung ergibt sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass die Erstattung nach § 50 Abs 1 SGB X ohnehin akzessorisch zu der hier bestandskräftigen Aufhebung ist, weil es sich bei § 24 Abs 2 SGB X um einen abschließenden Ausnahmekatalog handelt, wie sich aus der rechtsstaatlichen Bedeutung der Anhörung und dem Vergleich mit § 28 Abs 2 Verwaltungsverfahrensgesetz ergibt, der eine Generalklausel mit Beispielen enthält(stRspr BSGE 44, 207 = SozR 1200 § 34 Nr 2; BSG SozR 1200 § 34 Nr 14; Vogelgesang in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 2011, § 24 RdNr 10). Dass es nicht darauf ankommt, ob die Anhörung die Entscheidung in der Sache hätte beeinflussen können, folgt auch aus § 42 Satz 2 SGB X.

21

2. Das LSG wird zu klären haben, ob bislang eine Anhörung gemäß § 24 Abs 1 SGB X stattgefunden hat oder ob, sollte dies nicht der Fall gewesen sein, im Widerspruchs- oder Klageverfahren gemäß § 41 Abs 2 SGB X eine Heilung dieses Verfahrensmangels stattgefunden hat.

22

a) Dabei wird das LSG zu berücksichtigen haben, dass, solange die Klägerin minderjährig war, die vor dem Erlass des Erstattungsbescheides erforderliche Anhörung gegenüber einem vertretungsberechtigten Erziehungsberechtigten zu erfolgen hatte. Auf die Frage, ob § 38 SGB II für das Aufhebungs- und Erstattungsverfahren überhaupt Anwendung finden kann(vgl hierzu Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 38 RdNr 2, 23b), kommt es deswegen nicht an.

23

Die Vertretungsmacht, die hier die Notwendigkeit einer Anhörung der Erziehungsberechtigten begründet, folgt aus der elterlichen Sorge (§ 1629 Abs 1 Satz 1 BGB). Dabei lässt sich den Feststellungen des SG bereits nicht entnehmen, ob abweichend von der gemäß § 1629 Abs 1 Satz 2 BGB grundsätzlich gemeinschaftlichen Vertretung des Kindes hier eine alleinige Vertretung durch die Mutter nach § 1629 Abs 1 Satz 3 BGB in Betracht kommt(vgl hierzu BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2). Im Rahmen der Anhörung braucht dieser Frage allerdings nicht nachgegangen zu werden, weil die Anhörung eines Elternteils insoweit ausreichend ist.

24

Obwohl nach § 24 Abs 1 SGB X "der Beteiligte"(vgl § 12 SGB X) anzuhören ist, gilt dies nicht für den Fall, dass der Beteiligte sozialrechtlich nicht handlungsfähig ist (vgl § 11 Abs 1 SGB X). Dann ist sein gesetzlicher Vertreter anzuhören (vgl nur Mutschler in Kasseler Komm, SGB X, Stand 2011, § 24 RdNr 10). Dem steht § 36 SGB I als öffentlich-rechtliche Ausnahme nach § 11 Abs 1 Nr 2 SGB X(von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 11 RdNr 7) nicht entgegen, weil es sich beim Aufhebungs- und Erstattungsverfahren um ein eigenständiges Verwaltungsverfahren handelt, das nicht auf die Gewährung von Sozialleistungen gerichtet ist und deswegen von § 36 Abs 1 Satz 1 SGB I, der erkennbar auf den rechtlichen Vorteil für den Minderjährigen abstellt, nicht umfasst ist(vgl Didong in: jurisPK-SGB I, § 36 RdNr 16; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 15; Udsching/Link, SGb 2007, 513, 516).

25

Für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten gegenüber Minderjährigen hat der Senat unter Heranziehung des Zustellungsrechts des Bundes bereits entschieden, dass die Bekanntgabe gegenüber einem gesetzlichen Vertreter genügt (BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7, RdNr 21 unter Berufung auf § 6 Abs 3 VwZG; vgl auch Udsching/Link, SGb 2007, 513, 516). Dies gilt entsprechend auch für die Anhörung. Dagegen spricht nicht, dass § 6 Abs 3 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) letztlich der in § 1629 Abs 1 Satz 2 Halbs 2 BGB geregelten Empfangsvertretung als Fall der "passiven" Stellvertretung entspricht(vgl zu § 6 Abs 3 VwZG: Sadler, VwVG/VwZG, 7. Aufl 2010, § 6 RdNr 20; Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, 9. Aufl 2011, § 6 VwZG RdNr 4; vgl zu § 1629 Abs 1 Satz 2 Halbs 2 BGB; Diederichsen in Palandt, BGB, 70. Aufl 2011, § 1629 RdNr 15). Denn das in § 24 Abs 1 SGB X geregelte Anhörungserfordernis dient in erster Linie dem Schutz vor Überraschungsentscheidungen. Zudem soll es das Vertrauensverhältnis zwischen dem Bürger und der Sozialverwaltung stärken (vgl BT-Drucks 7/868 S 28). Es erfüllt damit seinen Zweck, ohne dass es ein aktives Tun des Anzuhörenden bzw seines Vertreters voraussetzt. Im Übrigen erschiene es widersprüchlich, wenn zwar die mit der Gefahr der Bestandskraft einhergehende Bekanntgabe eines Bescheides an nur einen Elternteil erfolgen dürfte, nicht aber die vor dem Erlass des Bescheides notwendige Anhörung.

26

b) Im Hinblick auf die mögliche Heilung einer unterlassenen Anhörung, wird das LSG zu berücksichtigen haben, dass die Nachholung der Anhörung nach § 41 Abs 2 SGB X im Gerichtsverfahren ein eingeständiges, nicht notwendigerweise förmliches Verwaltungsverfahren - ggf unter Aussetzung des Gerichtsverfahrens - voraussetzt, das auch die Erklärung der Behörde umfasst, sie halte nach erneuter Prüfung unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Anhörung am bisher erlassenen Verwaltungsakt fest(ausführlich BSG vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

27

c) Sollte das LSG zu dem Ergebnis kommen, dass vor Erlass des Erstattungsbescheides eine Anhörung nicht stattgefunden hat und dieser Verfahrensmangel bislang nicht geheilt worden ist - auch nicht im Rahmen des von der Klägerin durchgeführten Widerspruchsverfahrens oder des Erörterungstermins -, wird es zu beachten haben, dass jedenfalls im jetzt durchzuführenden Berufungsverfahren keine Heilung mehr in Betracht kommt.

28

Nach § 41 Abs 2 SGB X erfährt die Möglichkeit der Heilung insofern eine zeitliche Grenze, als die Anhörung nach § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X nur bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann. Entsprechend der mit § 41 Abs 2 SGB X korrespondierenden Vorschrift des § 114 Abs 2 Satz 2 SGG(vgl BSG SozR 3-2600 § 243 Nr 9: "funktionale Einheit") ist diese Vorschrift nicht mehr anwendbar, nachdem erstmals die letzte Tatsacheninstanz abgeschlossen wurde. Im Falle der Sprungrevision wird die zeitliche Grenze damit durch den Erlass des erstinstanzlichen Urteils gesetzt (vgl allgemein Steinwedel in Kasseler Komm, SGB X, Stand 2011, § 41 RdNr 23, 27; offen gelassen von: BSG vom 2.6.2004 - B 7 AL 58/03 R - BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1, RdNr 9 = Juris RdNr 17; BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - Juris RdNr 19).

29

Gegen die Heilung eines Verfahrensmangels durch Nachholung im Gerichtsverfahren im Rahmen eines wiedereröffneten Berufungsverfahrens nach einer Zurückverweisung spricht entscheidend, dass diese von einem Verfahrensmangel des LSG - nämlich fehlenden Feststellungen zur Anhörung - abhängig ist. Denn eine Zurückverweisung kommt nur in Betracht, wenn das LSG keine Feststellungen zur Anhörung getroffen hat. Hat das LSG hingegen festgestellt, dass keine Anhörung erfolgt ist, besteht kein Grund für eine Zurückverweisung. Das Letztere muss ebenfalls gelten, wenn das LSG keine Feststellungen getroffen hat und diese fehlenden Feststellungen des LSG in Verbindung mit einer Aufklärungsrüge eines Beteiligten zu entsprechenden Ermittlungen und Feststellungen des Revisionsgerichts führen. Für eine Verschlechterung der Rechtsposition des klagenden Adressaten eines Verwaltungsakts, in dem der beklagten Behörde eine weitere Gelegenheit zur Heilung ihres Verfahrensfehlers eingeräumt wird, wenn es im anschließenden gerichtlichen Verfahren zu einem Verfahrensmangel des angerufenen Gerichts gekommen ist, der von der Behörde erfolgreich gerügt wird, ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich. Dagegen spricht vielmehr der Ausnahmecharakter des § 114 Abs 2 Satz 2 SGG, nachdem der vergleichbare § 94 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung aufgehoben wurde(vgl Berchtold in Festschrift 50 Jahre BSG, 2004, 97, 115 f sowie BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - RdNr 19; BSG vom 31.10.2002 - B 4 RA 43/01 R - Juris RdNr 17).

30

II. Der angefochtene Erstattungsbescheid vom 28.6.2007 war (noch) inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X).

31

Das Bestimmtheitserfordernis als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt zum einen, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten (näher BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN). Zum anderen muss der Verwaltungsakt eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bilden (BVerwGE 123, 261, 283).

32

1. Bedenken gegenüber der hinreichenden Bestimmtheit des mit dem inzwischen bestandskräftig gewordenen Aufhebungsbescheides verbundenen Erstattungsbescheides ergeben sich nicht bereits daraus, dass der Adressat des Erstattungsverlangens nicht hinreichend erkennbar wäre.

33

Zwar könnten sich deswegen Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit ergeben, weil der Erstattungsbescheid vom 28.6.2007 alleine an die Mutter der seinerzeit noch minderjährigen Klägerin gerichtet war. Auch wird die Mutter entsprechend dieser Adressierung an verschiedenen Stellen des Bescheides direkt angesprochen, wenn es etwa heißt, es bestünde gegen diese eine Gesamtforderung in Höhe von 2539,65 Euro und dieser Betrag sei von ihr gemäß § 50 SGB X zu erstatten. Entscheidend ist allerdings, dass sich aus dem Bescheid mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass der zurückzuzahlende Gesamtbetrag das Ergebnis einer Addition von insgesamt drei Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidungen ist, die sich jeweils an die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft richten. So heißt es im Rahmen der hier noch streitgegenständlichen Erstattungsregelung, es "wurden Ihnen und Ihren Kindern [...] Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 2539,65 Euro zu Unrecht gezahlt". Die (individuelle) Aufschlüsselung der überzahlten Leistungen ist Bestandteil der Aufhebungsentscheidung, vor deren Hintergrund auch die Erstattungsregelung zu sehen ist, weil der Beklagte, entsprechend der Vorgabe des § 50 Abs 3 Satz 2 SGB X, beide Entscheidungen verbunden hat(vgl auch BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 27 RdNr 13).

34

Dass der Beklagte bei Erlass des Erstattungsbescheides nicht davon ausging, die Mutter der Klägerin sei (Gesamt-)Schuldnerin der Rückforderungssumme, ergibt sich dabei insbesondere aus der Formulierung: "Soweit der Bescheid Ihre Kinder betrifft, ergeht er an Sie als gesetzlichen Vertreter." Vor dem Hintergrund der fehlenden sozialrechtlichen Handlungsfähigkeit der Klägerin und ihrer Schwester zum damaligen Zeitpunkt war es konsequent, die Erfüllung der Rückzahlungsverpflichtung alleine von einem Elternteil zu verlangen, ohne dass dadurch die eigentlichen Bescheidadressaten nicht mehr erkennbar wären.

35

2. Weitergehende Bedenken gegenüber der Bestimmtheit des Erstattungsbescheides bestehen nicht. Es bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, ob die zum Arbeitsförderungsrecht ergangene Rechtsprechung des BSG, wonach ein Aufhebungsbescheid dann nicht hinreichend bestimmt iS des § 33 SGB X ist, wenn er nur eine Teilaufhebung für einen Gesamtzeitraum in Höhe eines Gesamtbetrags ohne Konkretisierung dieses Betrags für die einzelnen Wochen enthält(BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1, RdNr 10; SozR 3-1500 § 128 Nr 15 S 32 f), auf das SGB II, eventuell modifiziert um das hier grundsätzlich geltende Monatsprinzip, zu übertragen ist.

36

Zumindest für den hier noch streitgegenständlichen Erstattungsverwaltungsakt lässt sich die Notwendigkeit einer solchen Differenzierung der gesetzlichen Regelung des § 50 SGB X nicht entnehmen(so auch Krasney in Kasseler Komm, SGB X, Stand 2011, § 33 RdNr 7; Sächsisches LSG vom 18.9.2008 - L 3 AS 40/08 - Juris RdNr 60). § 50 Abs 3 Satz 1 SGB X fordert lediglich, die "zu erstattende Leistung" festzusetzen. Weitergehende Differenzierungsanforderungen dürften nicht zuletzt der eigentlichen Zielvorgabe der Bestimmtheitsanforderung, nämlich eine eindeutige Vollstreckungsgrundlage zu schaffen und dem Betroffenen das von ihm erwartete Verhalten klar vor Augen zu führen, eher abträglich sein.

37

3. Der Erstattungsbescheid ist auch nicht deshalb zu unbestimmt, weil er in der Gestalt, die er durch den Änderungsbescheid vom 1.10.2008 und den Widerspruchsbescheid vom 18.11.2008 erfahren hat, im Rahmen der Festsetzung der zu erstattenden Leistung nicht mehr zwischen dem der Klägerin bewilligten Sozialgeld und den Leistungen für Unterkunft und Heizung unterschied. Soweit teilweise vertreten wird, ein Aufhebungs- und wohl auch ein Erstattungsbescheid seien nur dann hinreichend bestimmt, wenn sie - spiegelbildlich zur Bewilligung - die aufgehobenen Leistungen nach Leistungsarten unterschieden, insbesondere also deutlich machten, ob es sich um Leistungen für Unterkunft und Heizung oder um die Regelleistung handele (so LSG Rheinland-Pfalz vom 30.3.2010 - L 3 AS 138/08 - Juris RdNr 54 ff), folgt dem der Senat jedenfalls für die Festsetzung der zu erstattenden Leistung nach § 50 SGB X nicht. Gegen die Notwendigkeit weiterer Differenzierungen im Rahmen der isolierten Rückforderung spricht die im Grundsatz bestehende Akzessorietät des Erstattungsverwaltungsakts zum Ergebnis der Aufhebungsentscheidung. Die Vorschrift des § 40 Abs 2 Satz 1 SGB II, wonach abweichend von § 50 SGB X unter bestimmten Umständen ein Teil der Unterkunftskosten von der Erstattung ausgenommen bleibt, steht dem nicht entgegen. Dies betrifft allenfalls die Begründung des Verwaltungsakts, nicht aber die hinreichende Bestimmtheit seines Verfügungssatzes.

38

III. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X liegen vor. Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen nach dieser Vorschrift zu erstatten. Hier ist der Aufhebungsbescheid vom 28.6.2007 durch die Rücknahme der Klage bereits bestandskräftig geworden (vgl § 77 SGG).

39

Zutreffend hat sich der Beklagte im Hinblick auf die Rückforderung zudem an die Klägerin gewandt. Ausgehend von der Annahme, dass das SGB II keinen Anspruch einer Bedarfsgemeinschaft als solcher kennt, sondern dass Anspruchsinhaber grundsätzlich jeweils alle einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (grundlegend BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12), können auch in der Rückforderungskonstellation nur von demjenigen Leistungen verlangt werden, dem sie zuvor bewilligt worden waren (vgl nur BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 15; Udsching/Link, SGb 2007, 513, 514). Ein Erstattungsanspruch etwa gegen die gesetzlichen Vertreter des Leistungsempfängers scheidet auch dann aus, wenn diese die Überzahlung durch Verletzung ihrer Mitteilungspflichten hinsichtlich ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse verursacht haben (so zur Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz bereits BVerwG, NZS 1992, 156; FEVS 43, 324). Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber dem Vertreter nach § 34 SGB II wird davon nicht berührt.

40

IV. Eine abschließende Entscheidung der von der Revision aufgeworfenen Frage, ob § 1629a BGB bereits zur Rechtswidrigkeit des Erstattungsbescheides führt, ist nicht möglich. Entgegen der Ansicht des SG ist § 1629a BGB auch im Rahmen der Rückforderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II entsprechend anwendbar(dazu unter 1.), und zwar bereits im Erstattungs- und nicht erst im Vollstreckungsverfahren (dazu unter 2.). Dem steht auch § 1629a Abs 2 Alt 2 BGB nicht entgegen(dazu unter 3.). Jedoch hat das SG, von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent, keine Feststellungen zur Höhe des Vermögens der Klägerin bei Eintritt der Volljährigkeit getroffen.

41

1. Dem Erstattungsanspruch des Beklagten gegen die Revisionsklägerin gemäß § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X kann die Beschränkung der Minderjährigenhaftung entgegenstehen.

42

In seinem Beschluss vom 13.5.1986 (1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155 = NJW 1986, 1859) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ua ausgeführt: Das als Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 Grundgesetz (GG) anerkannte Recht auf Selbstbestimmung wird berührt, wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder kraft der ihnen zustehenden gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 1629 Abs 1 BGB) finanziell verpflichten können. Hierdurch können in erheblichem Maße die Grundbedingungen freier Entfaltung und Entwicklung und damit nicht nur einzelne Ausformungen allgemeiner Handlungsfreiheit, sondern die engere persönliche Lebenssphäre junger Menschen betroffen werden. Es ist verfassungsrechtlich noch hinnehmbar, wenn sich die Haftung des Minderjährigen bei einem ererbten und fortgeführten Handelsgeschäft auf das im Wege der Erbfolge erworbene Vermögen beschränkt. Nichts anderes kann für die finanziellen Folgen gelten, die Minderjährigen als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft über die Vertretungsregelung für Bedarfsgemeinschaften nach § 38 SGB II aufgebürdet werden.

43

Der Gesetzgeber ist der vom BVerfG in dem Beschluss vom 13.5.1986 (aaO) formulierten Aufforderung, in Wahrnehmung seiner Wächteramtes (Art 6 Abs 2 Satz 2 GG) Regelungen zu treffen, die verhindern, dass der volljährig Gewordene nicht mehr als nur eine scheinbare Freiheit erreicht, nachgekommen und hat durch das Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz vom 25.8.1998 ( BGBl I 2487) § 1629a BGB geschaffen. Danach ist die Haftung des ehemaligen Minderjährigen und nun volljährig Gewordenen für Verbindlichkeiten, die Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht mit Wirkung für den Minderjährigen begründet haben, beschränkt auf den Bestand des Vermögens des Minderjährigen bei Eintritt der Volljährigkeit. Diese in Ausführung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erfolgte gesetzgeberische Entscheidung gilt mangels anderer Anhaltspunkte für die "Minderjährigenhaftung" im SGB II entsprechend.

44

Hierfür spricht auch die Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 34a SGB II "Ersatzansprüche für rechtswidrig erhaltene Leistungen" durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453 - RBEG), in der ausgeführt wird: "Die Regelung des neuen § 34a trägt damit dem praktischen Bedürfnis nach Inanspruchnahme des Verursachers Rechnung, da insbesondere bei Leistungsgewährung an minderjährige Kinder auch ein Anspruch gegenüber den gesetzlichen Vertretern bestehen kann. ... Im Übrigen gilt bei Eintritt der Volljährigkeit zugunsten der Schuldner § 1629a BGB, so dass insoweit eine Beschränkung auf das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen gegeben sein kann." (BT-Drucks 17/3404 S 113). Dies deckt sich mit der von der Klägerin zur Akte gereichten Antwort des BMAS an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, wonach vor dem Hintergrund der Regelung des § 1629a BGB eine Gefahr des überschuldeten Eintritts in die Volljährigkeit nicht gesehen werde und dementsprechend kein Tätigwerden des Gesetzgebers erforderlich sei.

45

2. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann diese entsprechende Geltung der Haftungsbeschränkung gemäß § 1629a BGB nicht erst im Verwaltungsvollstreckungsverfahren Anwendung finden(so aber für das Steuerfestsetzungsverfahren BFHE 203, 5), weil schon der Erstattungsbescheid aus den aufgezeigten Gründen gegen das höherrangige Verfassungsrecht verstößt.

46

Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum ein (verfassungswidriger) Erstattungsbescheid gegenüber einem volljährig Gewordenen zunächst bestandskräftig werden sollte, bevor diesem die Möglichkeit gegeben werden soll, seine Haftungsbeschränkung, die zu diesem Zeitpunkt bereits "entscheidungsreif" wäre, geltend zu machen. Abgesehen von den durch das Vollstreckungsverfahren entstehenden weiteren (unnötigen) Kosten erscheint es auch unter Praktikabilitätsgesichtspunkten geboten, die ggf schwierige Feststellung des Vermögens bei Eintritt der Volljährigkeit möglichst zeitnah zu bestimmen.

47

Sollte - wie vorliegend - der Schuldner bei Erlass des Erstattungsbescheides noch nicht volljährig sein, ist der Erstattungsbescheid zum Zeitpunkt seines Erlasses zunächst rechtmäßig. Dies entspricht der § 1629a BGB zugrunde liegenden unbeschränkten Haftung des Minderjährigen bis zum Eintritt der Volljährigkeit(vgl nur Diederichsen in Palandt, BGB, 70. Aufl 2011, § 1629a BGB RdNr 8; kritisch hierzu K. Schmidt, Festschrift für Derleder, 2005, S 601, 607). Soweit aber bei Eintritt der Volljährigkeit das an diesem Tag bestehende pfändbare Vermögen hinter den (unter § 1629a BGB fallenden) Verbindlichkeiten zurückbleibt, kommt die Haftungsbeschränkung zum Zuge. In diesem Fall besteht gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X ein Anspruch auf Aufhebung des Erstattungsbescheides.

48

Tritt - wie in diesem Verfahren - die Volljährigkeit nach Erlass des ursprünglichen Erstattungsbescheides, aber noch vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens ein, ist zu beachten, dass bei (reinen) Anfechtungsklagen der maßgebende Zeitpunkt in der Regel die Sach- und Rechtslage bei Erlass der letzten behördlichen Entscheidung ist (vgl nur Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 33 mwN). Sollten die Voraussetzungen des § 1629a BGB gegeben sein, was mangels Feststellungen des SG zur Vermögenslage der Klägerin bei Eintritt der Volljährigkeit nicht beurteilt werden kann, wäre der Erstattungsbescheid von Anfang an rechtswidrig.

49

3. Der Haftungsbeschränkung der Klägerin steht vorliegend nicht entgegen, dass die Haftungsbeschränkung nicht für Rechtsgeschäfte aus der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse gilt (§ 1629a Abs 2 Alt 2 BGB). Denn diese Regelung zielt entsprechend dem Begriff "persönliche Bedürfnisse" nicht auf das durch das SGB II abgedeckte Existenzminimum, sondern auf Kleingeschäfte des täglichen Lebens seitens des Minderjährigen oder größere altersgerechte Anschaffungen wie ein Fahrrad oder einen Computer ab (vgl auch Gesetzesbegründung zum RBEG, BT-Drucks 17/3404 S 113).

50

Nach der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des MHbeG sollen mit dieser Ausnahme von der Haftungsbegrenzung nicht nur Kleingeschäfte des täglichen Lebens (zB Kauf von Nahrungsmitteln oder Schulutensilien), sondern auch größere Geschäfte erfasst werden, die für Minderjährige der jeweiligen Altersstufe typisch oder jedenfalls nicht ungewöhnlich sind (zB Kauf eines Fahrrades oder Computers). In beiden Fällen bedürfe der Minderjährige keines Schutzes, weil ihm der Gegenwert des Geschäfts unmittelbar zugute komme und keine "unzumutbaren" finanziellen Belastungen im Sinne der Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 72, 155, 173) in Rede stünden (BT-Drucks 13/5624 S 13, ebenso: Diederichsen in Palandt, BGB, 70. Aufl 2011, § 1629a RdNr 11).

51

Auch wenn die dem Minderjährigen gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes den (im Sinne der Existenzsicherung) verstandenen "persönlichen Bedürfnissen" des Kindes dienten, sind diese von der Ausnahmeregelung nicht mit umfasst. Auf den Fall, dass grundsätzlich alle "persönlichen Bedürfnisse" des Kindes durch staatliche Fürsorgeleistungen sichergestellt werden müssen, weil die Leistungsfähigkeit der Eltern als Unterhaltsverpflichtete nicht genügt, zielt die Ausnahmeregelung erkennbar nicht ab. Zudem ist in diesen Fällen gerade nicht mehr der (generalisierte) Schluss zulässig, dass durch die Rückforderung keine unzumutbaren finanziellen Belastungen entstehen. Allein diese Grundannahme rechtfertigt aber die Anwendung dieser Ausnahmeregelung, ohne dass es im Rahmen der Rückforderung von SGB II-Leistungen überzeugen würde, eine summenmäßige Begrenzung einzuführen, ab der die auf dem Fehlverhalten der (grundsätzlich ebenfalls ersatzpflichtigen) Eltern beruhende Schuldenlast "unzumutbar" wäre (für eine teleologische Reduktion des § 1629a Abs 2 Alt 2 BGB für den Fall, dass dem Minderjährigen erhebliche finanzielle Belastungen drohten, Huber in Münchener Komm, BGB, 5. Aufl 2008, § 1629a RdNr 28).

52

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren noch über die Rechtmäßigkeit einer Erstattungsforderung des Beklagten für den Zeitraum vom 1.9.2006 bis 31.12.2006.

2

Der im Februar 1989 geborene Kläger lebte 2006 in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter, seiner Halbschwester und seinem Stiefvater, deren Mitglieder seit Januar 2005 SGB II-Leistungen bezogen. Der Stiefvater gab bei der erstmaligen Antragstellung im August 2004 an, dass der Kläger Schüler sei. In den - gleichfalls von ihm auch für die Bedarfsgemeinschaft unterschriebenen und bei der bis zum Ende des Jahres 2010 zuständigen ARGE SGB II Burgenland Naumburg (ARGE) abgegebenen - SGB II-Folgeanträgen verneinte er diesbezügliche Änderungen. Die Funktion des SGB II-Trägers ist ab Anfang des Jahres 2011 auf den Beklagten übergegangen (im Folgenden: Beklagter).

3

Der Beklagte berücksichtigte bei den SGB II-Leistungen für den Kläger als bedarfsminderndes Einkommen nur das Kindergeld in Höhe von 154 Euro. Für die Zeit von September 2006 bis Dezember 2006 wurden ihm zunächst monatliche Leistungen in Höhe von 260,24 Euro bewilligt (Bescheid vom 30.3.2006 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 1.9.2006). Wegen eines Umzugs der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in eine Wohnung mit niedrigeren Unterkunftskosten und der Anrechnung von Erwerbseinkommen der Mutter des Klägers im Dezember 2006 erfolgten weitere Änderungsbescheide, nach deren Inhalt sich als SGB II-Leistungen für den Kläger im November 2006 ein Betrag in Höhe von 253,12 Euro und im Dezember 2006 ein SGB II-Anspruch in Höhe von 239,39 Euro ergab. Bei Eintritt seiner Volljährigkeit am 28.2.2007 verfügte der Kläger lediglich über ein Girokontoguthaben in Höhe von 27,29 Euro.

4

Erst aufgrund eines Datenabgleichs im Juli 2007 erfuhr der Beklagte, dass dem Kläger für die Zeit vom 18.9.2006 bis 17.7.2007 wegen seiner Teilnahme an einer von der BA geförderten berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme eine BAB - bewilligt durch einen an seinen Stiefvater gerichteten Bescheid der BA vom 28.9.2006 - in Höhe von 211 Euro monatlich zuerkannt worden war. Daraufhin hob der Beklagte die den Kläger betreffenden SGB II-Bewilligungen für den Zeitraum vom 1.9.2006 bis 31.7.2007 teilweise auf und forderte die Erstattung von insgesamt 1581,87 Euro (Bescheid vom 13.11.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10.7.2008).

5

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 6.8.2010). Im Berufungsverfahren hat der Beklagte den angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 27.2.2007 (Tag vor Eintritt der Volljährigkeit des Klägers) aufgehoben. Daraufhin hat das LSG das Urteil des SG sowie den Bescheid vom 13.11.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10.7.2008 in der Fassung des Teilanerkenntnisses abgeändert und den Erstattungsbescheid aufgehoben, "soweit für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis zum 31. Dezember 2006 ein über 27,29 Euro hinausgehender Betrag gefordert" worden ist. Im Übrigen hat das LSG die Berufung - betreffend den Zeitraum vom 28.2. bis 31.7.2007 - zurückgewiesen und die Revision "beschränkt auf den Zeitraum vom 1. September 2006 bis 31. Dezember 2006 zugelassen" (Urteil vom 17.10.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Neuberechnung des Beklagten sei zwar dem Grunde nach zu Recht erfolgt, weil der Kläger BAB erhalten habe. Seine Haftung sei jedoch analog § 1629a BGB auf dasjenige Vermögen beschränkt, das er besessen habe, als er volljährig geworden sei. Dem stehe nicht entgegen, dass die Erstattungsforderung erst nach Eintritt der Volljährigkeit begründet worden sei. § 1629a BGB bezwecke zu verhindern, dass der Betroffene mit seiner Volljährigkeit nur eine scheinbare finanzielle Freiheit erlange, weil er durch eine von seinem Vertretungsberechtigten begründete Verbindlichkeit belastet sei. Dieser Zweck werde nur erreicht, wenn die Haftungsbeschränkung die bei Eintritt der Volljährigkeit dem Grunde nach bestehenden Forderungen gegen den Minderjährigen erfasse, ohne dass es auf den Zeitpunkt der Geltendmachung, Konkretisierung oder Fälligkeit ankomme. Im Übrigen sei die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden.

6

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 50 SGB X iVm § 1629a BGB. Es sei nicht bereits mit dem Zufluss der BAB während der Minderjährigkeit des Klägers eine Erstattungsforderung begründet worden. Vielmehr sei diese erst durch den nach Eintritt seiner Volljährigkeit erlassenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid entstanden, sodass § 1629a BGB nicht angewandt werden könne. Es fehle auch an einer Handlung iS des § 1629a BGB. Es erfolge keine Zurechnung eines Verhaltens iS des § 38 SGB II oder § 278 BGB. Vielmehr führe allein der Zufluss von Einkommen aus der BAB zu der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung des Klägers insgesamt zurückzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass die mit der Aufhebung der SGB II-Bewilligung verbundene Erstattungsverfügung rechtswidrig ist, soweit die Erstattungsforderung des Beklagten einen Betrag in Höhe von 27,29 Euro übersteigt.

10

Gegenstand des Verfahrens ist der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 13.11.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10.7.2008, gegen den sich der Kläger zu Recht mit der Anfechtungsklage wendet (§ 54 Abs 1 SGG). Im Revisionsverfahren streitig ist nur noch die Erstattungsverfügung des Beklagten, soweit der Zeitraum vom September bis Dezember 2006 betroffen ist. Das Berufungsgericht hat die Revision in zulässiger Weise nur bezogen auf die Aufhebung und Erstattung der in diesem Zeitraum von dem Beklagten an den Kläger bewilligten SGB II-Leistungen zugelassen. Da der Kläger das Berufungsurteil nicht angefochten hat, ist der Bescheid vom 13.11.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10.7.2008 bestandskräftig geworden, soweit die mit der noch streitigen Erstattungsverfügung verbundene Aufhebung der SGB II-Bewilligungen betreffend den (noch) streitigen Zeitraum von September 2006 bis Dezember 2006 verfügt worden ist.

11

Die Erstattungspflicht des Klägers folgt aus § 50 Abs 1 S 1 SGB X. Nach dieser Regelung sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Der Beklagte bewilligte dem Kläger von September bis Dezember 2006 SGB II-Leistungen in Höhe von 1012,93 Euro, obgleich er - schon wegen der im Einzelnen vom Berufungsgericht begründeten Anrechnung der ab September 2006 neben dem Kindergeld zugeflossene BAB - nur SGB II-Leistungen in Höhe von 531 Euro beanspruchen konnte. Insoweit ist die Leistungsbewilligung bestandskräftig aufgehoben worden.

12

Der Kläger muss die überzahlten SGB II-Leistungen jedoch nur bis zur Höhe seines Vermögens bei Eintritt seiner Volljährigkeit erstatten. Dieses belief sich auf einen Betrag in Höhe von 27,29 Euro. Die nur begrenzte Erstattungspflicht folgt aus § 1629a Abs 1 S 1 Halbs 1 BGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 2.1.2002 (BGBl I 42). Hiernach beschränkt sich die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht oder sonstige vertretungsberechtigte Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft oder eine sonstige Handlung mit Wirkung für das Kind begründet haben, auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes.

13

Der Rechtsgrundsatz des § 1629a Abs 1 S 1 Halbs 1 BGB gilt gleichermaßen für die auf § 50 Abs 1 S 1 SGB X beruhenden Ansprüche auf Erstattung der an einen Minderjährigen erbrachten SGB II-Leistungen gemäß den §§ 20 bis 22 SGB II und ist von Amts wegen zu beachten. Der 14. Senat des BSG hat bereits entschieden, dass dem Erstattungsanspruch eines Grundsicherungsträgers gemäß § 50 Abs 1 S 1 SGB X gegen einen Minderjährigen die Haftungsbeschränkung aus § 1629a BGB entgegenstehen kann(BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2). Unter Hinweis auf die der Einführung des § 1629a BGB vorausgehende Rechtsprechung des BVerfG(Beschluss vom 13.5.1986 - 1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155) hat der 14. Senat ausgeführt, dass das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG abgeleitete Recht auf Selbstbestimmung berührt werde, wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder kraft der ihnen zustehenden gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 1629 Abs 1 BGB) über erlangtes Vermögen hinaus finanziell verpflichten könnten. Die in Ausführung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erfolgte Regelung des § 1629a BGB gelte mangels anderer Anhaltspunkte für die "Minderjährigenhaftung" im SGB II entsprechend. Hiervon sei auch der Gesetzgeber ausgegangen. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 34a SGB II(idF des Gesetzes vom 24.3.2011 ). Hierin habe der Gesetzgeber betont, dass die Regelung des neuen § 34a SGB II dem praktischen Bedürfnis nach Inanspruchnahme des Verursachers Rechnung trage, weil insbesondere bei der Leistungserbringung an minderjährige Kinder auch ein Anspruch gegenüber den gesetzlichen Vertretern bestehen könne. Im Übrigen gelte bei Eintritt der Volljährigkeit zugunsten der Schuldner § 1629a BGB, sodass insoweit eine Beschränkung auf das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen gegeben sein könne(vgl BT-Drucks 17/3404, S 113).

14

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des 14. Senats an. In gleicher Weise geht er davon aus, dass die Haftungsbeschränkung nicht erst im Verwaltungsvollstreckungsverfahren gilt (so BFH Urteil vom 1.7.2003 - VIII R 45/01 - BFHE 203, 5). Eine Verweisungsnorm innerhalb des Sozialgesetzbuches ist nicht erforderlich, denn § 1629a BGB entspricht - wie zB der Grundsatz von Treu und Glauben(§§ 157, 242 BGB) oder die im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs ergänzend heranzuziehenden bereicherungsrechtlichen Grundsätze - einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, der ohne ausdrückliche Verweisung auf das geschriebene Recht des BGB auch für Erstattungsansprüche eines Leistungsträgers gegen einen Leistungsempfänger gilt (vgl zur Entbehrlichkeit einer Verweisungsnorm bei allgemeinen Rechtsgrundsätzen Krasney in Kasseler Komm, Stand Juni 2014, § 61 SGB X RdNr 5).

15

Die Voraussetzungen für die Haftungsbeschränkung nach § 50 SGB X iVm § 1629a BGB sind für die gegen den Kläger erhobene Erstattungsforderung erfüllt, soweit diese das bei ihm am Tag seiner Volljährigkeit vorhandene Vermögen von 27,29 Euro übersteigt. Die Erstattungsforderung des Beklagten betrifft während der Minderjährigkeit erbrachte Leistungen und ist durch eine sonstige Handlung des gesetzlichen Vertreters iS des § 1629a Abs 1 S 1 Halbs 1 BGB begründet worden.

16

Die hier im Jahre 2006, also während der Minderjährigkeit des Klägers, überzahlten Leistungen wurden wesentlich durch die Handlungen seiner Mutter bewirkt. Eine "sonstige Handlung" iS des § 1629a Abs 1 S 1 BGB kann auch in einem pflichtwidrigen Unterlassen des gesetzlichen Vertreters bestehen, wenn hieraus Verbindlichkeiten für den Minderjährigen erwachsen(Coester in Staudingers Komm zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Stand April 2007, § 1629a RdNr 23). Ein solches pflichtwidriges Unterlassen lag hier vor. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)hatte die Mutter des Klägers diesem bereits zu Beginn der berufsfördernden Maßnahme zugesagt, dass sie den Beklagten über den Bezug der BAB informieren werde. Hierzu war sie auch nach § 60 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB I verpflichtet. Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat hiernach Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Auch das Verschweigen von Umständen kann als unrichtige Angabe angesehen werden, wenn eine Mitteilungspflicht bestand, weil die Umstände für die fragliche Leistung rechtlich erheblich waren und dies dem Betroffenen auch bekannt war oder sein musste (Roller in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 11 RdNr 7 mwN). Ein solcher Sachverhalt ist hier nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) gegeben. Nach den tatsächlichen Umständen, die das Berufungsgericht im Rahmen seiner Überprüfung der im Revisionsverfahren nicht mehr streitigen Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung für den Zeitraum vom 28.2. bis 31.7.2007 gewürdigt hat, hatte der Kläger seine Mutter bereits zu Beginn der berufsvorbereitenden Maßnahme darüber informiert, dass er und die anderen Maßnahmeteilnehmer darauf hingewiesen worden seien, dass der BAB-Bezug dem zuständigen SGB II-Träger zu melden sei.

17

Die sozialrechtliche Mitteilungspflicht der Mutter des Klägers als dessen gesetzliche Vertreterin (§ 11 Abs 1 Nr 2 SGB X) bleibt dadurch unberührt, dass für den im letzten Quartal 2006 17-jährigen Kläger grundsätzlich die Regelung des § 36 Abs 1 SGB I zur sozialrechtlichen Handlungsfähigkeit in Teilbereichen (Stellung und Verfolgung von Anträgen, Entgegennahme von Sozialleistungen) anwendbar war. Hiernach kann - wer das fünfzehnte Lebensjahr vollendet hat - Anträge auf Sozialleistungen stellen und verfolgen sowie Sozialleistungen entgegennehmen (§ 36 Abs 1 S 1 SGB I). Unabhängig von dem Umstand, dass der Kläger von der ihm eingeräumten sozialrechtlichen Handlungsfähigkeit keinen Gebrauch gemacht hat, ist das hier streitige Aufhebungs- und Erstattungsverfahren ein eigenständiges Verwaltungsverfahren. Es ist nicht auf die Gewährung von Sozialleistungen gerichtet und deswegen von § 36 Abs 1 S 1 SGB I, der erkennbar auf den rechtlichen Vorteil für den Minderjährigen abstellt, von vornherein nicht umfasst(BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 24).

18

Die Haftungsbegrenzung wegen einer Verletzung der Mitteilungspflicht der Mutter des Klägers entfällt auch nicht deshalb, weil die SGB II-Bewilligung für den hier streitigen Zeitraum vom 1.9.2006 bis 31.12.2006 wegen Einkommenserzielung nach Erlass des Bewilligungsbescheids (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X) aufgehoben worden ist. Die Erstattungsforderung gegenüber dem Kläger wird dadurch nicht zu einer Verbindlichkeit ohne Handlungsbezug, bei der grundsätzlich von einer Nichtanwendbarkeit der Haftungsbeschränkungsmöglichkeit des § 1629a Abs 1 BGB auszugehen ist(Coester in Staudingers Komm zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Stand April 2007, § 1629a RdNr 44). Die allein den Kläger nach Eintritt seiner Volljährigkeit treffende Erstattungsverpflichtung war vielmehr durch ein pflichtgemäßes Verhalten seiner Mutter während der Minderjährigkeit beeinflussbar. Insofern ist zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, dass die von § 60 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB I geforderte unverzügliche Mitteilung des BAB-Bezugs zu einer Anpassung der Höhe der SGB II-Leistungen durch den Beklagten geführt hätte, sodass es nicht zu einer Überzahlung und Erstattungspflicht des Klägers für in der Zeit der Minderjährigkeit entstandene Verbindlichkeiten gekommen wäre. Dies "begründet" iS des § 1629a BGB eine Verbindlichkeit zu Lasten des Klägers durch ein Handeln seiner Mutter als gesetzliche Vertreterin(§ 1629 Abs 1 BGB).

19

Der Reduzierung der Erstattungsforderung des Beklagten auf das im Zeitpunkt des Eintritts seiner Volljährigkeit vorhandene Vermögen des Klägers steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte den Bescheid vom 13.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.7.2008 erst nach Eintritt der Volljährigkeit des Klägers erlassen hat. Die Haftungsbegrenzung des § 1629a BGB als verfassungsunmittelbarer Grundsatz verfolgt einen Schutz des Minderjährigen vor nachteiligen Verfügungen seiner gesetzlichen Vertreter. Dieser Schutz wäre - worauf das LSG zutreffend hinweist - weitgehend beseitigt, wenn es darauf ankäme, zu welchem Zeitpunkt die durch eine Handlung des gesetzlichen Vertreters verursachte Verbindlichkeit dem Grunde nach entstanden oder durch Verwaltungsakt konkretisiert und geltend gemacht worden ist. Zwar lag der Entscheidung des 14. Senats (vgl BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2)ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Erstattungsbescheid während der Minderjährigkeit des Adressaten erging. Nichts anderes kann jedoch gelten, wenn bereits der Ausgangsbescheid an den Volljährigen gerichtet wird. Andernfalls hätte es - worauf der Kläger zu Recht hinweist - der Grundsicherungsträger in der Hand, entgegen § 1629a BGB die Erstattung für die von einem Leistungsempfänger während seiner Minderjährigkeit bezogenen Leistungen durch Erlass des Erstattungsbescheids nach seiner Volljährigkeit - ggf auch durch gezieltes Abwarten - zu erreichen. Entscheidend ist daher nur, dass die für die Verbindlichkeit kausale Handlung - im Sinne eines Tuns oder pflichtwidrigen Unterlassens - sowie der Leistungsbezug in die Phase der Minderjährigkeit fallen (vgl Huber in Münchener Komm zum BGB, 6. Aufl 2012, § 1629a BGB RdNr 24). Diese Auslegung begünstigt insbesondere auch keine zweckwidrige Inanspruchnahme von Sozialleistungen, weil der Grundsicherungsträger den gesetzlichen Vertreter zumindest seit dem 1.4.2011 über § 34a SGB II nF auf Erstattung in Anspruch nehmen kann(zur Inpflichtnahme des gesetzlichen Vertreters nach § 34 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II idF des Gesetzes vom 14.12.2003 ; Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 34 RdNr 11, 13a, 29).

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 9. August 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Erstattungsforderung.

2

Die am 14.7.1989 geborene Klägerin bezog von dem beklagten Grundsicherungsträger zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester seit dem 1.1.2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Anträge auf Gewährung von Leistungen stellte durchgehend die Mutter. Ab August 2005 bezog die Klägerin monatliche Unterhaltsleistungen von dem getrennt lebenden Vater. Eine Mitteilung gegenüber dem Beklagten erfolgte insoweit nicht.

3

Im Januar 2007 erfuhr der Beklagte von den Unterhaltszahlungen und hob mit an die Mutter gerichtetem Bescheid vom 28.6.2007 die für den Zeitraum 1.8.2005 bis 31.7.2006 ergangenen Bewilligungen "für Sie und Ihre Kinder" auf. Die Gesamtüberzahlung in Höhe von 2539,65 Euro war nach den einzelnen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft und jeweils nach Regelleistung und Kosten für Unterkunft und Heizung aufgeschlüsselt. Für die Klägerin ergab sich ein Gesamtbetrag von 1820,90 Euro (1292,85 Euro Regelleistung und 528,05 Euro Leistungen für Unterkunft und Heizung). Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass der Bescheid, soweit er die Kinder betreffe, an die Mutter als gesetzliche Vertreterin ergehe, und die Erstattung der zu Unrecht gezahlten Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 2539,65 Euro gefordert. Auf den Widerspruch der Klägerin reduzierte der Beklagte die Erstattungssumme durch einen unmittelbar an die zwischenzeitlich volljährig gewordene Klägerin versandten Bescheid vom 1.10.2008 auf 1770,99 Euro und wies den Widerspruch im Übrigen zurück (Widerspruchsbescheid vom 18.11.2008).

4

Die hiergegen gerichtete Klage hat die Klägerin hinsichtlich der Aufhebung der Bewilligungsbescheide zurückgenommen und der Beklagte hat die Erstattungssumme in einem Erörterungstermin am 7.1.2010 auf 1043,51 Euro reduziert. Die gegen das Erstattungsverlangen gerichtete Klage hat die Klägerin fortgeführt und zugleich "die Einrede des § 1629a BGB" erhoben. Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat die Klage abgewiesen und zugleich die Sprungrevision zugelassen (Urteil vom 9.8.2010). Der auf § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützte Erstattungsbescheid sei rechtmäßig. § 1629a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) stehe dem nicht entgegen. Ob diese Vorschrift ohnehin erst im Vollstreckungsverfahren Berücksichtigung finden könne, könne dahinstehen. Vielmehr sei diese Norm im Sozialrecht von vornherein nicht anwendbar. Insbesondere beschränke sich der in § 61 Satz 2 SGB X enthaltene Verweis auf die ergänzende Anwendung der Vorschriften des BGB auf öffentlich-rechtliche Verträge und dies bedeute im Umkehrschluss, dass die Vorschriften des BGB im Bereich des SGB X nicht allgemein anwendbar seien. Eine entsprechende Anwendung des § 1629a BGB scheide aus, weil es an einer mit dem Zivilrecht vergleichbaren Interessenlage fehle und für die Anwendung dieser Vorschrift kein Bedürfnis bestehe. Bei der Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes gemäß §§ 45 ff SGB X habe die Behörde bereits die unterschiedlichen öffentlichen und privaten Interessen abzuwägen. Etwas anderes folge auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten. Selbst wenn man von einer Anwendbarkeit des § 1629a BGB ausgehe, stehe seiner Anwendung im konkreten Fall doch § 1629a Abs 2 Alt 2 BGB entgegen, wonach die Haftungsbeschränkung nicht für Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften gelte, die alleine der Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des Minderjährigen dienten. Bei den nunmehr zurückgeforderten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes handele es sich um solche Verbindlichkeiten.

5

In ihrer fristgerecht unter Beifügung einer Zustimmungserklärung des Beklagten in elektronischer Form eingelegten Sprungrevision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 1629a BGB sowie § 50 SGB X. Ergänzend beruft sie sich auf ein Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 23.7.2009 an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, in dem ausgeführt wird, dass die Gefahr einer Überschuldung Minderjähriger durch die Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II im Hinblick auf § 1629a BGB nicht gesehen werde. Diese Norm begründe ein Leistungsverweigerungsrecht für das dann volljährige Kind gegenüber dem Gläubiger. Der Erstattungsanspruch bestünde weiterhin, müsse aber nicht mehr erfüllt werden. Die Bundesregierung gehe davon aus, dass die Grundsicherungsstellen gemäß § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) entsprechend beraten. Die Klägerin ist allerdings der Ansicht, dass es ihr möglich sein müsse, diesen Einwand bereits außerhalb des Vollstreckungsverfahrens geltend zu machen.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 9. August 2010 sowie den Erstattungsbescheid des Beklagten vom 28. Juni 2007 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 1. Oktober 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2008 sowie des Teilanerkenntnisses des Beklagten vom 7. Januar 2010 aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das angefochtene Urteil und weist nur ergänzend darauf hin, dass § 1629a BGB erst im Vollstreckungsverfahren Anwendung finden könne. Die Rechtmäßigkeit des zugrunde liegenden Bescheids bleibe hiervon unberührt.

Entscheidungsgründe

9

Die Sprungrevision der Klägerin ist zulässig (hierzu A.) und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das Landessozialgericht (LSG) begründet (vgl § 170 Abs 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz; hierzu B.).

10

A. Die Klägerin hat die Sprungrevision form- und fristgerecht eingelegt.

11

Die Revision ist nach § 164 Abs 1 Satz 1 iVm § 65a SGG mittels eines elektronischen Dokuments mit qualifizierter elektronischer Signatur formgerecht erhoben worden(vgl § 65a Abs 1 Satz 3 SGG iVm § 2 Abs 3 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundessozialgericht, BGBl I 2006, 3219; vgl grundlegend BFHE 215, 47 zur "Funktionsäquivalenz" der Signatur zur eigenhändigen Unterschrift).

12

Die für die Sprungrevision geltenden Formerfordernisse sind erfüllt (vgl § 161 Abs 1 SGG): Das SG hat die Sprungrevision in seinem Urteil zugelassen und die Zustimmungserklärung des Revisionsbeklagten ist innerhalb der Revisionsfrist beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen. Denn der Revisionsschrift der Klägerin war eine Erklärung des Beklagten beigefügt, nach der er sich damit einverstanden erklärt, dass "die Sprungrevision eingelegt und zugelassen wird".

13

Dass die Zustimmungserklärung des Beklagten nicht im Original übersandt wurde, sondern in elektronischer Form als Anhang im pdf-Format zu der in elektronischer Form ordnungsgemäß übersandten Revisionsschrift, steht dem in § 161 Abs 1 Satz 1 SGG enthaltenen Schriftlichkeitserfordernis nicht entgegen. Dass das Schriftformerfordernis für die Zustimmungserklärung erfüllt ist, wenn der Revisionskläger die ihm per Telefax zugeleitete Zustimmung des Gegners seinerseits per Fax an das Gericht weiterleitet, entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 13; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 161 RdNr 4a). Denn angesichts der auch bei "Originalen" möglichen Fälschungen ist für die Erfüllung des Formerfordernisses entscheidend, dass aus der Erklärung die Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision mit der Folge einer Übergehung der Berufungsinstanz, die Person des Erklärenden und dessen Wille, die Erklärung in den Verkehr zu bringen, entnommen werden kann.

14

Diese Voraussetzungen sind auch gewahrt, wenn ein Beteiligter die ihm als Telefax zugesandte Zustimmungserklärung eines anderen Beteiligten einscannt und in eine pdf-Datei umwandelt, um sie als elektronische Datei im Rahmen seiner elektronischen Aktenbearbeitung und Kommunikation mit dem Gericht weiterverwenden zu können. Aus der Einfügung des § 65a SGG durch das Justizkommunikationsgesetz vom 22.3.2005 (BGBl I 837) und der damit begründeten Zulässigkeit der Übermittlung von elektronischen Dokumenten an die Gerichte kann nur hergeleitet werden, dass die Übermittlung eines eingescanntes Dokumentes als Anhang einer den Anforderungen des § 65a SGG genügenden Revisionsschrift dem Schriftformerfordernis genügt. Die Möglichkeit, als Anlage ein eingescanntes Dokument zu versenden, ohne dabei mit verfahrensrechtlich vorgegebenen Formerfordernissen in Konflikt zu kommen, ist die notwendige Folge dieser technischen Möglichkeit und des mit dem Gesetz verfolgten Zweckes, auch in Gerichtsverfahren elektronische Dokumente als Äquivalent zur Papierform rechtswirksam zu verwenden (Gesetzesbegründung zum Justizkommunikationsgesetz, BT-Drucks 15/4067 S 24).

15

B. Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 4 Satz 1 SGG). Ob die angefochtene Entscheidung mit revisiblem Recht vereinbar ist (vgl § 162 SGG)kann aufgrund des vom SG festgestellten Sachverhalts (vgl § 163 SGG) nicht abschließend geprüft werden.

16

Mangels fehlender Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob der hier noch alleine streitgegenständliche und auf § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 50 SGB X beruhende Erstattungsbescheid vom 28.6.2007 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 1.10.2008 und des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2008 sowie des Teilanerkenntnisses des Beklagten vom 7.1.2010 formell rechtmäßig ist; insbesondere ob die nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 24 Abs 1 SGB X erforderliche Anhörung stattgefunden hat oder ein entsprechender Verfahrensmangel geheilt worden ist(s I.). Allerdings steht der materiellen Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts nicht bereits seine mangelnde Bestimmtheit entgegen (s II.). Während die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 50 SGB X im vorliegenden Fall grundsätzlich vorliegen(s III.), konnte aber ebenfalls nicht abschließend entschieden werden, ob die Haftung der Klägerin hier gemäß des entsprechend anwendbaren § 1629a BGB begrenzt ist und der Erstattungsbescheid bereits deshalb (ggf teilweise) aufzuheben ist(s IV.).

17

I. Der Rechtsstreit unterliegt bereits deshalb der Zurückverweisung, weil der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des SG die formelle Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheides nicht abschließend prüfen kann. Insbesondere fehlt es an Feststellungen zu der Frage, ob vor Erlass des Erstattungsbescheides eine Anhörung der Klägerin gemäß § 24 Abs 1 SGB X stattgefunden hat.

18

Auch wenn die Erstattung entsprechend der Forderung des § 50 Abs 3 Satz 2 SGB X mit der (hier gemäß § 77 SGG bindend gewordenen) Aufhebung verbunden worden ist, ändert dies nichts daran, dass es sich bei dem Erstattungsverlangen um einen eigenständigen Verwaltungsakt nach § 31 SGB X handelt, der seinerseits in die Rechte der Klägerin eingegriffen hat und deshalb vor seinem Erlass eine entsprechende Anhörung voraussetzt(vgl BSG SozR 1300 § 45 Nr 12).

19

1. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme von diesem Anhörungserfordernis sind nicht gegeben. Ein Fall des Ausnahmekatalogs des § 24 Abs 2 SGB X liegt bereits tatbestandlich nicht vor. Insbesondere wurden nicht lediglich einkommensabhängige Leistungen an geänderte Verhältnisse angepasst (§ 24 Abs 2 Nr 5 SGB X), weil die Behörde auf der Grundlage des § 50 SGB X für die Vergangenheit Leistungen erstattet verlangt.

20

Der Anwendungsbereich des § 24 SGB X ist für den vorliegenden Fall ebenfalls nicht - etwa im Sinne einer teleologischen Reduktion(vgl hierzu BSG SozR 4-1300 § 24 Nr 1) - eingeschränkt (vgl Thieme in Wannagat, SGB X, Stand 2001, § 24 RdNr 6). Eine solche Einschränkung ergibt sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass die Erstattung nach § 50 Abs 1 SGB X ohnehin akzessorisch zu der hier bestandskräftigen Aufhebung ist, weil es sich bei § 24 Abs 2 SGB X um einen abschließenden Ausnahmekatalog handelt, wie sich aus der rechtsstaatlichen Bedeutung der Anhörung und dem Vergleich mit § 28 Abs 2 Verwaltungsverfahrensgesetz ergibt, der eine Generalklausel mit Beispielen enthält(stRspr BSGE 44, 207 = SozR 1200 § 34 Nr 2; BSG SozR 1200 § 34 Nr 14; Vogelgesang in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 2011, § 24 RdNr 10). Dass es nicht darauf ankommt, ob die Anhörung die Entscheidung in der Sache hätte beeinflussen können, folgt auch aus § 42 Satz 2 SGB X.

21

2. Das LSG wird zu klären haben, ob bislang eine Anhörung gemäß § 24 Abs 1 SGB X stattgefunden hat oder ob, sollte dies nicht der Fall gewesen sein, im Widerspruchs- oder Klageverfahren gemäß § 41 Abs 2 SGB X eine Heilung dieses Verfahrensmangels stattgefunden hat.

22

a) Dabei wird das LSG zu berücksichtigen haben, dass, solange die Klägerin minderjährig war, die vor dem Erlass des Erstattungsbescheides erforderliche Anhörung gegenüber einem vertretungsberechtigten Erziehungsberechtigten zu erfolgen hatte. Auf die Frage, ob § 38 SGB II für das Aufhebungs- und Erstattungsverfahren überhaupt Anwendung finden kann(vgl hierzu Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 38 RdNr 2, 23b), kommt es deswegen nicht an.

23

Die Vertretungsmacht, die hier die Notwendigkeit einer Anhörung der Erziehungsberechtigten begründet, folgt aus der elterlichen Sorge (§ 1629 Abs 1 Satz 1 BGB). Dabei lässt sich den Feststellungen des SG bereits nicht entnehmen, ob abweichend von der gemäß § 1629 Abs 1 Satz 2 BGB grundsätzlich gemeinschaftlichen Vertretung des Kindes hier eine alleinige Vertretung durch die Mutter nach § 1629 Abs 1 Satz 3 BGB in Betracht kommt(vgl hierzu BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2). Im Rahmen der Anhörung braucht dieser Frage allerdings nicht nachgegangen zu werden, weil die Anhörung eines Elternteils insoweit ausreichend ist.

24

Obwohl nach § 24 Abs 1 SGB X "der Beteiligte"(vgl § 12 SGB X) anzuhören ist, gilt dies nicht für den Fall, dass der Beteiligte sozialrechtlich nicht handlungsfähig ist (vgl § 11 Abs 1 SGB X). Dann ist sein gesetzlicher Vertreter anzuhören (vgl nur Mutschler in Kasseler Komm, SGB X, Stand 2011, § 24 RdNr 10). Dem steht § 36 SGB I als öffentlich-rechtliche Ausnahme nach § 11 Abs 1 Nr 2 SGB X(von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 11 RdNr 7) nicht entgegen, weil es sich beim Aufhebungs- und Erstattungsverfahren um ein eigenständiges Verwaltungsverfahren handelt, das nicht auf die Gewährung von Sozialleistungen gerichtet ist und deswegen von § 36 Abs 1 Satz 1 SGB I, der erkennbar auf den rechtlichen Vorteil für den Minderjährigen abstellt, nicht umfasst ist(vgl Didong in: jurisPK-SGB I, § 36 RdNr 16; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 15; Udsching/Link, SGb 2007, 513, 516).

25

Für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten gegenüber Minderjährigen hat der Senat unter Heranziehung des Zustellungsrechts des Bundes bereits entschieden, dass die Bekanntgabe gegenüber einem gesetzlichen Vertreter genügt (BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7, RdNr 21 unter Berufung auf § 6 Abs 3 VwZG; vgl auch Udsching/Link, SGb 2007, 513, 516). Dies gilt entsprechend auch für die Anhörung. Dagegen spricht nicht, dass § 6 Abs 3 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) letztlich der in § 1629 Abs 1 Satz 2 Halbs 2 BGB geregelten Empfangsvertretung als Fall der "passiven" Stellvertretung entspricht(vgl zu § 6 Abs 3 VwZG: Sadler, VwVG/VwZG, 7. Aufl 2010, § 6 RdNr 20; Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, 9. Aufl 2011, § 6 VwZG RdNr 4; vgl zu § 1629 Abs 1 Satz 2 Halbs 2 BGB; Diederichsen in Palandt, BGB, 70. Aufl 2011, § 1629 RdNr 15). Denn das in § 24 Abs 1 SGB X geregelte Anhörungserfordernis dient in erster Linie dem Schutz vor Überraschungsentscheidungen. Zudem soll es das Vertrauensverhältnis zwischen dem Bürger und der Sozialverwaltung stärken (vgl BT-Drucks 7/868 S 28). Es erfüllt damit seinen Zweck, ohne dass es ein aktives Tun des Anzuhörenden bzw seines Vertreters voraussetzt. Im Übrigen erschiene es widersprüchlich, wenn zwar die mit der Gefahr der Bestandskraft einhergehende Bekanntgabe eines Bescheides an nur einen Elternteil erfolgen dürfte, nicht aber die vor dem Erlass des Bescheides notwendige Anhörung.

26

b) Im Hinblick auf die mögliche Heilung einer unterlassenen Anhörung, wird das LSG zu berücksichtigen haben, dass die Nachholung der Anhörung nach § 41 Abs 2 SGB X im Gerichtsverfahren ein eingeständiges, nicht notwendigerweise förmliches Verwaltungsverfahren - ggf unter Aussetzung des Gerichtsverfahrens - voraussetzt, das auch die Erklärung der Behörde umfasst, sie halte nach erneuter Prüfung unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Anhörung am bisher erlassenen Verwaltungsakt fest(ausführlich BSG vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

27

c) Sollte das LSG zu dem Ergebnis kommen, dass vor Erlass des Erstattungsbescheides eine Anhörung nicht stattgefunden hat und dieser Verfahrensmangel bislang nicht geheilt worden ist - auch nicht im Rahmen des von der Klägerin durchgeführten Widerspruchsverfahrens oder des Erörterungstermins -, wird es zu beachten haben, dass jedenfalls im jetzt durchzuführenden Berufungsverfahren keine Heilung mehr in Betracht kommt.

28

Nach § 41 Abs 2 SGB X erfährt die Möglichkeit der Heilung insofern eine zeitliche Grenze, als die Anhörung nach § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X nur bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann. Entsprechend der mit § 41 Abs 2 SGB X korrespondierenden Vorschrift des § 114 Abs 2 Satz 2 SGG(vgl BSG SozR 3-2600 § 243 Nr 9: "funktionale Einheit") ist diese Vorschrift nicht mehr anwendbar, nachdem erstmals die letzte Tatsacheninstanz abgeschlossen wurde. Im Falle der Sprungrevision wird die zeitliche Grenze damit durch den Erlass des erstinstanzlichen Urteils gesetzt (vgl allgemein Steinwedel in Kasseler Komm, SGB X, Stand 2011, § 41 RdNr 23, 27; offen gelassen von: BSG vom 2.6.2004 - B 7 AL 58/03 R - BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1, RdNr 9 = Juris RdNr 17; BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - Juris RdNr 19).

29

Gegen die Heilung eines Verfahrensmangels durch Nachholung im Gerichtsverfahren im Rahmen eines wiedereröffneten Berufungsverfahrens nach einer Zurückverweisung spricht entscheidend, dass diese von einem Verfahrensmangel des LSG - nämlich fehlenden Feststellungen zur Anhörung - abhängig ist. Denn eine Zurückverweisung kommt nur in Betracht, wenn das LSG keine Feststellungen zur Anhörung getroffen hat. Hat das LSG hingegen festgestellt, dass keine Anhörung erfolgt ist, besteht kein Grund für eine Zurückverweisung. Das Letztere muss ebenfalls gelten, wenn das LSG keine Feststellungen getroffen hat und diese fehlenden Feststellungen des LSG in Verbindung mit einer Aufklärungsrüge eines Beteiligten zu entsprechenden Ermittlungen und Feststellungen des Revisionsgerichts führen. Für eine Verschlechterung der Rechtsposition des klagenden Adressaten eines Verwaltungsakts, in dem der beklagten Behörde eine weitere Gelegenheit zur Heilung ihres Verfahrensfehlers eingeräumt wird, wenn es im anschließenden gerichtlichen Verfahren zu einem Verfahrensmangel des angerufenen Gerichts gekommen ist, der von der Behörde erfolgreich gerügt wird, ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich. Dagegen spricht vielmehr der Ausnahmecharakter des § 114 Abs 2 Satz 2 SGG, nachdem der vergleichbare § 94 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung aufgehoben wurde(vgl Berchtold in Festschrift 50 Jahre BSG, 2004, 97, 115 f sowie BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - RdNr 19; BSG vom 31.10.2002 - B 4 RA 43/01 R - Juris RdNr 17).

30

II. Der angefochtene Erstattungsbescheid vom 28.6.2007 war (noch) inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X).

31

Das Bestimmtheitserfordernis als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt zum einen, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten (näher BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN). Zum anderen muss der Verwaltungsakt eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bilden (BVerwGE 123, 261, 283).

32

1. Bedenken gegenüber der hinreichenden Bestimmtheit des mit dem inzwischen bestandskräftig gewordenen Aufhebungsbescheides verbundenen Erstattungsbescheides ergeben sich nicht bereits daraus, dass der Adressat des Erstattungsverlangens nicht hinreichend erkennbar wäre.

33

Zwar könnten sich deswegen Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit ergeben, weil der Erstattungsbescheid vom 28.6.2007 alleine an die Mutter der seinerzeit noch minderjährigen Klägerin gerichtet war. Auch wird die Mutter entsprechend dieser Adressierung an verschiedenen Stellen des Bescheides direkt angesprochen, wenn es etwa heißt, es bestünde gegen diese eine Gesamtforderung in Höhe von 2539,65 Euro und dieser Betrag sei von ihr gemäß § 50 SGB X zu erstatten. Entscheidend ist allerdings, dass sich aus dem Bescheid mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass der zurückzuzahlende Gesamtbetrag das Ergebnis einer Addition von insgesamt drei Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidungen ist, die sich jeweils an die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft richten. So heißt es im Rahmen der hier noch streitgegenständlichen Erstattungsregelung, es "wurden Ihnen und Ihren Kindern [...] Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 2539,65 Euro zu Unrecht gezahlt". Die (individuelle) Aufschlüsselung der überzahlten Leistungen ist Bestandteil der Aufhebungsentscheidung, vor deren Hintergrund auch die Erstattungsregelung zu sehen ist, weil der Beklagte, entsprechend der Vorgabe des § 50 Abs 3 Satz 2 SGB X, beide Entscheidungen verbunden hat(vgl auch BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 27 RdNr 13).

34

Dass der Beklagte bei Erlass des Erstattungsbescheides nicht davon ausging, die Mutter der Klägerin sei (Gesamt-)Schuldnerin der Rückforderungssumme, ergibt sich dabei insbesondere aus der Formulierung: "Soweit der Bescheid Ihre Kinder betrifft, ergeht er an Sie als gesetzlichen Vertreter." Vor dem Hintergrund der fehlenden sozialrechtlichen Handlungsfähigkeit der Klägerin und ihrer Schwester zum damaligen Zeitpunkt war es konsequent, die Erfüllung der Rückzahlungsverpflichtung alleine von einem Elternteil zu verlangen, ohne dass dadurch die eigentlichen Bescheidadressaten nicht mehr erkennbar wären.

35

2. Weitergehende Bedenken gegenüber der Bestimmtheit des Erstattungsbescheides bestehen nicht. Es bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, ob die zum Arbeitsförderungsrecht ergangene Rechtsprechung des BSG, wonach ein Aufhebungsbescheid dann nicht hinreichend bestimmt iS des § 33 SGB X ist, wenn er nur eine Teilaufhebung für einen Gesamtzeitraum in Höhe eines Gesamtbetrags ohne Konkretisierung dieses Betrags für die einzelnen Wochen enthält(BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1, RdNr 10; SozR 3-1500 § 128 Nr 15 S 32 f), auf das SGB II, eventuell modifiziert um das hier grundsätzlich geltende Monatsprinzip, zu übertragen ist.

36

Zumindest für den hier noch streitgegenständlichen Erstattungsverwaltungsakt lässt sich die Notwendigkeit einer solchen Differenzierung der gesetzlichen Regelung des § 50 SGB X nicht entnehmen(so auch Krasney in Kasseler Komm, SGB X, Stand 2011, § 33 RdNr 7; Sächsisches LSG vom 18.9.2008 - L 3 AS 40/08 - Juris RdNr 60). § 50 Abs 3 Satz 1 SGB X fordert lediglich, die "zu erstattende Leistung" festzusetzen. Weitergehende Differenzierungsanforderungen dürften nicht zuletzt der eigentlichen Zielvorgabe der Bestimmtheitsanforderung, nämlich eine eindeutige Vollstreckungsgrundlage zu schaffen und dem Betroffenen das von ihm erwartete Verhalten klar vor Augen zu führen, eher abträglich sein.

37

3. Der Erstattungsbescheid ist auch nicht deshalb zu unbestimmt, weil er in der Gestalt, die er durch den Änderungsbescheid vom 1.10.2008 und den Widerspruchsbescheid vom 18.11.2008 erfahren hat, im Rahmen der Festsetzung der zu erstattenden Leistung nicht mehr zwischen dem der Klägerin bewilligten Sozialgeld und den Leistungen für Unterkunft und Heizung unterschied. Soweit teilweise vertreten wird, ein Aufhebungs- und wohl auch ein Erstattungsbescheid seien nur dann hinreichend bestimmt, wenn sie - spiegelbildlich zur Bewilligung - die aufgehobenen Leistungen nach Leistungsarten unterschieden, insbesondere also deutlich machten, ob es sich um Leistungen für Unterkunft und Heizung oder um die Regelleistung handele (so LSG Rheinland-Pfalz vom 30.3.2010 - L 3 AS 138/08 - Juris RdNr 54 ff), folgt dem der Senat jedenfalls für die Festsetzung der zu erstattenden Leistung nach § 50 SGB X nicht. Gegen die Notwendigkeit weiterer Differenzierungen im Rahmen der isolierten Rückforderung spricht die im Grundsatz bestehende Akzessorietät des Erstattungsverwaltungsakts zum Ergebnis der Aufhebungsentscheidung. Die Vorschrift des § 40 Abs 2 Satz 1 SGB II, wonach abweichend von § 50 SGB X unter bestimmten Umständen ein Teil der Unterkunftskosten von der Erstattung ausgenommen bleibt, steht dem nicht entgegen. Dies betrifft allenfalls die Begründung des Verwaltungsakts, nicht aber die hinreichende Bestimmtheit seines Verfügungssatzes.

38

III. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X liegen vor. Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen nach dieser Vorschrift zu erstatten. Hier ist der Aufhebungsbescheid vom 28.6.2007 durch die Rücknahme der Klage bereits bestandskräftig geworden (vgl § 77 SGG).

39

Zutreffend hat sich der Beklagte im Hinblick auf die Rückforderung zudem an die Klägerin gewandt. Ausgehend von der Annahme, dass das SGB II keinen Anspruch einer Bedarfsgemeinschaft als solcher kennt, sondern dass Anspruchsinhaber grundsätzlich jeweils alle einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (grundlegend BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12), können auch in der Rückforderungskonstellation nur von demjenigen Leistungen verlangt werden, dem sie zuvor bewilligt worden waren (vgl nur BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 15; Udsching/Link, SGb 2007, 513, 514). Ein Erstattungsanspruch etwa gegen die gesetzlichen Vertreter des Leistungsempfängers scheidet auch dann aus, wenn diese die Überzahlung durch Verletzung ihrer Mitteilungspflichten hinsichtlich ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse verursacht haben (so zur Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz bereits BVerwG, NZS 1992, 156; FEVS 43, 324). Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber dem Vertreter nach § 34 SGB II wird davon nicht berührt.

40

IV. Eine abschließende Entscheidung der von der Revision aufgeworfenen Frage, ob § 1629a BGB bereits zur Rechtswidrigkeit des Erstattungsbescheides führt, ist nicht möglich. Entgegen der Ansicht des SG ist § 1629a BGB auch im Rahmen der Rückforderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II entsprechend anwendbar(dazu unter 1.), und zwar bereits im Erstattungs- und nicht erst im Vollstreckungsverfahren (dazu unter 2.). Dem steht auch § 1629a Abs 2 Alt 2 BGB nicht entgegen(dazu unter 3.). Jedoch hat das SG, von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent, keine Feststellungen zur Höhe des Vermögens der Klägerin bei Eintritt der Volljährigkeit getroffen.

41

1. Dem Erstattungsanspruch des Beklagten gegen die Revisionsklägerin gemäß § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X kann die Beschränkung der Minderjährigenhaftung entgegenstehen.

42

In seinem Beschluss vom 13.5.1986 (1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155 = NJW 1986, 1859) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ua ausgeführt: Das als Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 Grundgesetz (GG) anerkannte Recht auf Selbstbestimmung wird berührt, wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder kraft der ihnen zustehenden gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 1629 Abs 1 BGB) finanziell verpflichten können. Hierdurch können in erheblichem Maße die Grundbedingungen freier Entfaltung und Entwicklung und damit nicht nur einzelne Ausformungen allgemeiner Handlungsfreiheit, sondern die engere persönliche Lebenssphäre junger Menschen betroffen werden. Es ist verfassungsrechtlich noch hinnehmbar, wenn sich die Haftung des Minderjährigen bei einem ererbten und fortgeführten Handelsgeschäft auf das im Wege der Erbfolge erworbene Vermögen beschränkt. Nichts anderes kann für die finanziellen Folgen gelten, die Minderjährigen als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft über die Vertretungsregelung für Bedarfsgemeinschaften nach § 38 SGB II aufgebürdet werden.

43

Der Gesetzgeber ist der vom BVerfG in dem Beschluss vom 13.5.1986 (aaO) formulierten Aufforderung, in Wahrnehmung seiner Wächteramtes (Art 6 Abs 2 Satz 2 GG) Regelungen zu treffen, die verhindern, dass der volljährig Gewordene nicht mehr als nur eine scheinbare Freiheit erreicht, nachgekommen und hat durch das Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz vom 25.8.1998 ( BGBl I 2487) § 1629a BGB geschaffen. Danach ist die Haftung des ehemaligen Minderjährigen und nun volljährig Gewordenen für Verbindlichkeiten, die Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht mit Wirkung für den Minderjährigen begründet haben, beschränkt auf den Bestand des Vermögens des Minderjährigen bei Eintritt der Volljährigkeit. Diese in Ausführung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erfolgte gesetzgeberische Entscheidung gilt mangels anderer Anhaltspunkte für die "Minderjährigenhaftung" im SGB II entsprechend.

44

Hierfür spricht auch die Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 34a SGB II "Ersatzansprüche für rechtswidrig erhaltene Leistungen" durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453 - RBEG), in der ausgeführt wird: "Die Regelung des neuen § 34a trägt damit dem praktischen Bedürfnis nach Inanspruchnahme des Verursachers Rechnung, da insbesondere bei Leistungsgewährung an minderjährige Kinder auch ein Anspruch gegenüber den gesetzlichen Vertretern bestehen kann. ... Im Übrigen gilt bei Eintritt der Volljährigkeit zugunsten der Schuldner § 1629a BGB, so dass insoweit eine Beschränkung auf das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen gegeben sein kann." (BT-Drucks 17/3404 S 113). Dies deckt sich mit der von der Klägerin zur Akte gereichten Antwort des BMAS an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, wonach vor dem Hintergrund der Regelung des § 1629a BGB eine Gefahr des überschuldeten Eintritts in die Volljährigkeit nicht gesehen werde und dementsprechend kein Tätigwerden des Gesetzgebers erforderlich sei.

45

2. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann diese entsprechende Geltung der Haftungsbeschränkung gemäß § 1629a BGB nicht erst im Verwaltungsvollstreckungsverfahren Anwendung finden(so aber für das Steuerfestsetzungsverfahren BFHE 203, 5), weil schon der Erstattungsbescheid aus den aufgezeigten Gründen gegen das höherrangige Verfassungsrecht verstößt.

46

Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum ein (verfassungswidriger) Erstattungsbescheid gegenüber einem volljährig Gewordenen zunächst bestandskräftig werden sollte, bevor diesem die Möglichkeit gegeben werden soll, seine Haftungsbeschränkung, die zu diesem Zeitpunkt bereits "entscheidungsreif" wäre, geltend zu machen. Abgesehen von den durch das Vollstreckungsverfahren entstehenden weiteren (unnötigen) Kosten erscheint es auch unter Praktikabilitätsgesichtspunkten geboten, die ggf schwierige Feststellung des Vermögens bei Eintritt der Volljährigkeit möglichst zeitnah zu bestimmen.

47

Sollte - wie vorliegend - der Schuldner bei Erlass des Erstattungsbescheides noch nicht volljährig sein, ist der Erstattungsbescheid zum Zeitpunkt seines Erlasses zunächst rechtmäßig. Dies entspricht der § 1629a BGB zugrunde liegenden unbeschränkten Haftung des Minderjährigen bis zum Eintritt der Volljährigkeit(vgl nur Diederichsen in Palandt, BGB, 70. Aufl 2011, § 1629a BGB RdNr 8; kritisch hierzu K. Schmidt, Festschrift für Derleder, 2005, S 601, 607). Soweit aber bei Eintritt der Volljährigkeit das an diesem Tag bestehende pfändbare Vermögen hinter den (unter § 1629a BGB fallenden) Verbindlichkeiten zurückbleibt, kommt die Haftungsbeschränkung zum Zuge. In diesem Fall besteht gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X ein Anspruch auf Aufhebung des Erstattungsbescheides.

48

Tritt - wie in diesem Verfahren - die Volljährigkeit nach Erlass des ursprünglichen Erstattungsbescheides, aber noch vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens ein, ist zu beachten, dass bei (reinen) Anfechtungsklagen der maßgebende Zeitpunkt in der Regel die Sach- und Rechtslage bei Erlass der letzten behördlichen Entscheidung ist (vgl nur Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 33 mwN). Sollten die Voraussetzungen des § 1629a BGB gegeben sein, was mangels Feststellungen des SG zur Vermögenslage der Klägerin bei Eintritt der Volljährigkeit nicht beurteilt werden kann, wäre der Erstattungsbescheid von Anfang an rechtswidrig.

49

3. Der Haftungsbeschränkung der Klägerin steht vorliegend nicht entgegen, dass die Haftungsbeschränkung nicht für Rechtsgeschäfte aus der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse gilt (§ 1629a Abs 2 Alt 2 BGB). Denn diese Regelung zielt entsprechend dem Begriff "persönliche Bedürfnisse" nicht auf das durch das SGB II abgedeckte Existenzminimum, sondern auf Kleingeschäfte des täglichen Lebens seitens des Minderjährigen oder größere altersgerechte Anschaffungen wie ein Fahrrad oder einen Computer ab (vgl auch Gesetzesbegründung zum RBEG, BT-Drucks 17/3404 S 113).

50

Nach der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des MHbeG sollen mit dieser Ausnahme von der Haftungsbegrenzung nicht nur Kleingeschäfte des täglichen Lebens (zB Kauf von Nahrungsmitteln oder Schulutensilien), sondern auch größere Geschäfte erfasst werden, die für Minderjährige der jeweiligen Altersstufe typisch oder jedenfalls nicht ungewöhnlich sind (zB Kauf eines Fahrrades oder Computers). In beiden Fällen bedürfe der Minderjährige keines Schutzes, weil ihm der Gegenwert des Geschäfts unmittelbar zugute komme und keine "unzumutbaren" finanziellen Belastungen im Sinne der Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 72, 155, 173) in Rede stünden (BT-Drucks 13/5624 S 13, ebenso: Diederichsen in Palandt, BGB, 70. Aufl 2011, § 1629a RdNr 11).

51

Auch wenn die dem Minderjährigen gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes den (im Sinne der Existenzsicherung) verstandenen "persönlichen Bedürfnissen" des Kindes dienten, sind diese von der Ausnahmeregelung nicht mit umfasst. Auf den Fall, dass grundsätzlich alle "persönlichen Bedürfnisse" des Kindes durch staatliche Fürsorgeleistungen sichergestellt werden müssen, weil die Leistungsfähigkeit der Eltern als Unterhaltsverpflichtete nicht genügt, zielt die Ausnahmeregelung erkennbar nicht ab. Zudem ist in diesen Fällen gerade nicht mehr der (generalisierte) Schluss zulässig, dass durch die Rückforderung keine unzumutbaren finanziellen Belastungen entstehen. Allein diese Grundannahme rechtfertigt aber die Anwendung dieser Ausnahmeregelung, ohne dass es im Rahmen der Rückforderung von SGB II-Leistungen überzeugen würde, eine summenmäßige Begrenzung einzuführen, ab der die auf dem Fehlverhalten der (grundsätzlich ebenfalls ersatzpflichtigen) Eltern beruhende Schuldenlast "unzumutbar" wäre (für eine teleologische Reduktion des § 1629a Abs 2 Alt 2 BGB für den Fall, dass dem Minderjährigen erhebliche finanzielle Belastungen drohten, Huber in Münchener Komm, BGB, 5. Aufl 2008, § 1629a RdNr 28).

52

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.