Arbeitsgericht Düsseldorf Beschluss, 16. Sept. 2016 - 14 BV 160/15

ECLI:ECLI:DE:ARBGD:2016:0916.14BV160.15.00
bei uns veröffentlicht am16.09.2016

Tenor

1.Es wird festgestellt, dass die am 13.07.2015 erfolgte Wahl des Herrn I. und der Frau B. als Vertreter der Gewerkschaften für den Aufsichtsrat der F. nichtig ist.

2.Es wird festgestellt, dass die am 13.07.2015 erfolgte Wahl der Frau B. als Ersatzmitglied für Herrn I. in den Aufsichtsrat der F. nichtig ist.

3.Es wird festgestellt, dass die am 13.07.2015 erfolgte Wahl des Herrn N. als Ersatzmitglied für Frau B. in den Aufsichtsrat der F. nichtig ist.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Betriebsverfassungsgesetz


§ 21a idF d. Art. 1 Nr. 51 G v. 23.7.2001 I 1852 dient der Umsetzung des Artikels 6 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 83 Verfahren


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen. Die am Verfahren Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. (1a) Der Vorsitzende kann den Beteiligten eine Frist für ihr Vorbringen

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 19 Wahlanfechtung


(1) Die Wahl kann beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 97 Entscheidung über die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung


(1) In den Fällen des § 2a Abs. 1 Nr. 4 wird das Verfahren auf Antrag einer räumlich und sachlich zuständigen Vereinigung von Arbeitnehmern oder von Arbeitgebern oder der obersten Arbeitsbehörde des Bundes oder der obersten Arbeitsbehörde eines Lande

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 2 Tarifvertragsparteien


(1) Tarifvertragsparteien sind Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern. (2) Zusammenschlüsse von Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern (Spitzenorganisationen) können im Namen der ihnen angeschlossene

Aktiengesetz - AktG | § 98 Gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats


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Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 8 Wählbarkeit


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Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 18 Vorbereitung und Durchführung der Wahl


(1) Der Wahlvorstand hat die Wahl unverzüglich einzuleiten, sie durchzuführen und das Wahlergebnis festzustellen. Kommt der Wahlvorstand dieser Verpflichtung nicht nach, so ersetzt ihn das Arbeitsgericht auf Antrag des Betriebsrats, von mindestens dr

Mitbestimmungsgesetz - MitbestG | § 7 Zusammensetzung des Aufsichtsrats


(1) Der Aufsichtsrat eines Unternehmens 1. mit in der Regel nicht mehr als 10 000 Arbeitnehmern setzt sich zusammen aus je sechs Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer;2. mit in der Regel mehr als 10 000, jedoch nicht mehr al

Mitbestimmungsgesetz - MitbestG | § 22 Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer


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Mitbestimmungsgesetz - MitbestG | § 16 Wahl der Vertreter von Gewerkschaften in den Aufsichtsrat


(1) Die Delegierten wählen die Aufsichtsratsmitglieder, die nach § 7 Abs. 2 Vertreter von Gewerkschaften sind, in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl für die in § 15 Abs. 1 bestimmte Zeit. (2) Die Wahl erfolgt auf Grund von Wah

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Bundesarbeitsgericht Beschluss, 17. Nov. 2015 - 1 ABN 39/15

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Tenor Die Beschwerde der als „Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG)“ bezeichneten Arbeitnehmerkoalition gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Hessischen Landesarbe

Bundesarbeitsgericht Beschluss, 04. Nov. 2015 - 7 ABR 42/13

bei uns veröffentlicht am 04.11.2015

Tenor Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1. bis 14. gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 11. April 2013 - 9 TaBV 308/12 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Beschluss, 23. Juli 2014 - 7 ABR 23/12

bei uns veröffentlicht am 23.07.2014

Tenor Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 4. und 5. wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12. Januar 2012 - 3 TaBV 7/11 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Beschluss, 16. Apr. 2014 - 10 AZB 6/14

bei uns veröffentlicht am 16.04.2014

Tenor 1. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 29. Januar 2014 - 4 Ta 248/13 (9) - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Beschluss, 10. Dez. 2013 - 1 ABR 43/12

bei uns veröffentlicht am 10.12.2013

Tenor Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 2. Mai 2012 - H 6 TaBV 103/11 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Beschluss, 14. Aug. 2013 - 7 ABR 46/11

bei uns veröffentlicht am 14.08.2013

Tenor Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1. - 9. gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. März 2011 - 9 TaBV 164/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Beschluss, 09. Juli 2013 - 1 ABR 17/12

bei uns veröffentlicht am 09.07.2013

Tenor 1. Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 18. Januar 2012 - 5 TaBV 10/11 - aufgehoben, soweit die Beschwerde der A

Bundesarbeitsgericht Beschluss, 11. Juni 2013 - 1 ABR 33/12

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Tenor Die Rechtsbeschwerde von ver.di gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 21. März 2012 - 3 TaBV 7/11 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Beschluss, 13. März 2013 - 7 ABR 47/11

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Tenor Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. März 2011 - 9 TaBV 163/10 - wird zurückgewiesen.

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Tenor Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. August 2010 - 5 TaBV 9/10 - aufgehoben.
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Landesarbeitsgericht Düsseldorf Beschluss, 12. Aug. 2016 - 4 Ta 488/16

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Tenor Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1, 2, 3 und 6 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 16.06.2016 - 6 BV 206/15 - wird zurückgewiesen. 1G r ü n d e : 2I. 3Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl der De

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(1) Der Aufsichtsrat eines Unternehmens

1.
mit in der Regel nicht mehr als 10 000 Arbeitnehmern setzt sich zusammen aus je sechs Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer;
2.
mit in der Regel mehr als 10 000, jedoch nicht mehr als 20 000 Arbeitnehmern setzt sich zusammen aus je acht Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer;
3.
mit in der Regel mehr als 20 000 Arbeitnehmern setzt sich zusammen aus je zehn Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer.
Bei den in Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Unternehmen kann die Satzung (der Gesellschaftsvertrag) bestimmen, daß Satz 1 Nr. 2 oder 3 anzuwenden ist. Bei den in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Unternehmen kann die Satzung (der Gesellschaftsvertrag) bestimmen, daß Satz 1 Nr. 3 anzuwenden ist.

(2) Unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer müssen sich befinden

1.
in einem Aufsichtsrat, dem sechs Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer angehören, vier Arbeitnehmer des Unternehmens und zwei Vertreter von Gewerkschaften;
2.
in einem Aufsichtsrat, dem acht Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer angehören, sechs Arbeitnehmer des Unternehmens und zwei Vertreter von Gewerkschaften;
3.
in einem Aufsichtsrat, dem zehn Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer angehören, sieben Arbeitnehmer des Unternehmens und drei Vertreter von Gewerkschaften.

(3) Unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer eines in § 1 Absatz 1 genannten, börsennotierten Unternehmens müssen im Fall des § 96 Absatz 2 Satz 3 des Aktiengesetzes Frauen und Männer jeweils mit einem Anteil von mindestens 30 Prozent vertreten sein. Satz 1 gilt auch für ein nicht börsennotiertes Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes im Sinne des § 393a Absatz 1 des Aktiengesetzes oder des § 77a Absatz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

(4) Die in Absatz 2 bezeichneten Arbeitnehmer des Unternehmens müssen das 18. Lebensjahr vollendet haben und ein Jahr dem Unternehmen angehören. Auf die einjährige Unternehmensangehörigkeit werden Zeiten der Angehörigkeit zu einem anderen Unternehmen, dessen Arbeitnehmer nach diesem Gesetz an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern des Unternehmens teilnehmen, angerechnet. Diese Zeiten müssen unmittelbar vor dem Zeitpunkt liegen, ab dem die Arbeitnehmer zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern des Unternehmens berechtigt sind. Die weiteren Wählbarkeitsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes müssen erfüllt sein.

(5) Die in Absatz 2 bezeichneten Gewerkschaften müssen in dem Unternehmen selbst oder in einem anderen Unternehmen vertreten sein, dessen Arbeitnehmer nach diesem Gesetz an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern des Unternehmens teilnehmen.

(1) In den Fällen des § 2a Abs. 1 Nr. 4 wird das Verfahren auf Antrag einer räumlich und sachlich zuständigen Vereinigung von Arbeitnehmern oder von Arbeitgebern oder der obersten Arbeitsbehörde des Bundes oder der obersten Arbeitsbehörde eines Landes, auf dessen Gebiet sich die Tätigkeit der Vereinigung erstreckt, eingeleitet.

(2) Für Verfahren nach § 2a Absatz 1 Nummer 4 ist das Landesarbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Vereinigung, über deren Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit zu entscheiden ist, ihren Sitz hat.

(2a) Für das Verfahren sind § 80 Absatz 1, 2 Satz 1 und Absatz 3, §§ 81, 83 Absatz 1 und 2 bis 4, §§ 83a, 84 Satz 1 und 2, § 91 Absatz 2 und §§ 92 bis 96 entsprechend anzuwenden. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Absatz 4 und 5 entsprechend.

(3) Der rechtskräftige Beschluss über die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung wirkt für und gegen jedermann. Die Vorschrift des § 63 über die Übersendung von Urteilen gilt entsprechend für die rechtskräftigen Beschlüsse von Gerichten für Arbeitssachen im Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4.

(4) In den Fällen des § 2a Abs. 1 Nr. 4 findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann statt, wenn die Entscheidung über die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit darauf beruht, daß ein Beteiligter absichtlich unrichtige Angaben oder Aussagen gemacht hat. § 581 der Zivilprozeßordnung findet keine Anwendung.

(5) Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob eine Vereinigung tariffähig oder ob die Tarifzuständigkeit der Vereinigung gegeben ist, so hat das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des Beschlußverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 auszusetzen. Im Falle des Satzes 1 sind die Parteien des Rechtsstreits auch im Beschlußverfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 antragsberechtigt.

(1) Tarifvertragsparteien sind Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern.

(2) Zusammenschlüsse von Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern (Spitzenorganisationen) können im Namen der ihnen angeschlossenen Verbände Tarifverträge abschließen, wenn sie eine entsprechende Vollmacht haben.

(3) Spitzenorganisationen können selbst Parteien eines Tarifvertrags sein, wenn der Abschluß von Tarifverträgen zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben gehört.

(4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 haften sowohl die Spitzenorganisationen wie die ihnen angeschlossenen Verbände für die Erfüllung der gegenseitigen Verpflichtungen der Tarifvertragsparteien.

Tenor

Die Beschwerde der als „Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG)“ bezeichneten Arbeitnehmerkoalition gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 9. April 2015 - 9 TaBV 225/14 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

Die auf sämtliche Beschwerdegründe des § 72 Abs. 2 ArbGG gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

I. Soweit die Beschwerde auf die Verkennung der grundsätzlichen Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) gestützt wird, genügt ihre Begründung nicht den in §§ 92a, 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG bestimmten Anforderungen.

3

1. Nach §§ 92a, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, dass eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen sowie klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt. Entscheidungserheblich ist eine Rechtsfrage, wenn sich das Landesarbeitsgericht im anzufechtenden Beschluss mit ihr befasst und sie beantwortet hat und bei einer anderen Beantwortung möglicherweise eine für den Beschwerdeführer günstige Entscheidung getroffen hätte. Gemäß §§ 92a, 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG muss der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage und ihre Entscheidungserheblichkeit in der Beschwerdebegründung darlegen. Dies erfordert, dass er die durch die anzufechtende Entscheidung aufgeworfene Rechtsfrage konkret benennt und ihre Klärungsfähigkeit, Klärungsbedürftigkeit, Entscheidungserheblichkeit und die allgemeine Bedeutung für die Rechtsordnung oder ihre Auswirkung auf die Interessen jedenfalls eines größeren Teils der Allgemeinheit aufzeigt (BAG 22. Mai 2012 - 1 ABN 27/12 - Rn. 3).

4

2. Diese Voraussetzungen sind nicht dargetan.

5

a) Bei der auf Seite 16 der Beschwerdebegründung angesprochenen Fragestellung zur Frage des Rechtsmissbrauchs fehlt es schon an der erforderlichen Formulierung einer konkreten und entscheidungserheblichen Rechtsfrage. Deren Inhalt ist auch nicht offensichtlich, so dass ihre konkrete Benennung durch den Beschwerdeführer nicht ausnahmsweise entbehrlich ist.

6

b) Bei den von der Beschwerde auf Seite 14, 26, 31 und 35 der Beschwerdebegründung formulierten Fragestellungen handelt es sich nicht um Rechtsfragen iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Weder diese selbst noch die dazu gegebene Begründung lassen erkennen, welchen objektiven Inhalt die dort aufgenommenen Begrifflichkeiten „kriminelle Aktionen und Aktivitäten“, „nachweisbare Tendenz“, „Umfang der Repräsentanz einer Arbeitnehmerkoalition in der Betriebsverfassung“ sowie „geringer Organisationsgrad“ umfassen sollen. Daneben fehlt es insoweit auch an der konkreten Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der einzelnen von der Beschwerde formulierten Merkmale für die anzufechtende Entscheidung.

7

c) An der ausreichenden Darlegung der Entscheidungserheblichkeit fehlt es gleichermaßen bei der auf Seite 19 der Beschwerdebegründung formulierten Rechtsfrage zur Bedeutung der Mitgliederzahl für die Durchsetzungsfähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition. Daneben fehlt es auch an Vorbringen zu ihrer Klärungsbedürftigkeit. Die drei von der Beschwerde aus einer Fülle von Kampfmaßnahmen herangezogenen Beispiele über vermeintlich erfolglos gebliebene Arbeitskämpfe sind weder repräsentativ noch geeignet, die Senatsrechtsprechung in Frage zu stellen, wonach die Anzahl der gegenwärtigen Mitglieder einer Arbeitnehmerkoalition ein geeignetes Kriterium zur Beurteilung von deren Durchsetzungsfähigkeit gegenüber dem sozialen Gegenspieler darstellt.

8

d) In Bezug auf die auf Seite 28 der Beschwerdebegründung formulierte Rechtsfrage zur Erforderlichkeit der Angabe der Mitgliederzahl einer Arbeitnehmerkoalition für die Beurteilung der Tariffähigkeit wird deren Klärungsbedürftigkeit nicht ausreichend dargelegt. Es fehlt an einer Auseinandersetzung, aus welchen Gründen die zuletzt in den in der Beschwerdebegründung angeführten Senatsentscheidungen vom 28. März 2006 (- 1 ABR 58/04 - BAGE 117, 308) und vom 5. Oktober 2010 (- 1 ABR 88/09 - BAGE 136, 1) enthaltenen Rechtssätze einer erneuten Überprüfung durch den Senat bedürfen. Hierzu ist der Hinweis auf die Veröffentlichungspraxis von anderen Gewerkschaften offenkundig unzureichend.

9

e) In Bezug auf die auf Seite 38 der Beschwerdebegründung formulierte Rechtsfrage zur Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention für die Beurteilung der Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition hat die Beschwerde deren Klärungsbedürftigkeit nicht ausreichend dargelegt. Mit dieser Fragestellung hat sich der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 28. März 2006 befasst. Er hat angenommen, Art. 11 Abs. 1 EMRK enthalte keine Regelungen über die Anforderungen, die an die Tariffähigkeit einer Gewerkschaft zu stellen sind(BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 51, BAGE 117, 308). Mit dieser Entscheidung setzt sich die Beschwerdebegründung nicht auseinander.

10

II. Eine entscheidungserhebliche Divergenz iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG liegt nicht vor.

11

1. Nach §§ 92a, 72 Abs. 2 ArbGG kann die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht auch dann angefochten werden, wenn eine Divergenz iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG vorliegt. Dazu muss der anzufechtende Beschluss von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der im Gesetz genannten Gerichte abweichen und auf dieser Abweichung beruhen. Das hat der Beschwerdeführer zu begründen und die Entscheidung, von der der Beschluss des Landesarbeitsgerichts abweicht, zu bezeichnen. Die Beschwerde muss darlegen, dass der anzufechtende Beschluss einen allgemeinen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz aufgestellt hat und dass dieser von einem in einer divergenzfähigen Entscheidung aufgestellten Rechtssatz abweicht. Hierfür reicht die Benennung einer fehlerhaften oder unterlassenen Anwendung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der im Gesetz genannten Gerichte nicht aus.

12

2. Die auf den Seiten 12, 17, 25, 28, 33 und 35 der Beschwerdebegründung behaupteten Divergenzen zu Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts liegen nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat in den angeführten Teilen seiner Entscheidung keine fallübergreifenden abstrakten Rechtssätze aufgestellt, die von Rechtssätzen der in § 72a Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte oder Spruchkörper abweichen. Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen auch nur geltend, das Landesarbeitsgericht habe die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts bei seiner Entscheidung nicht oder nicht ausreichend beachtet. Insoweit rügt sie nur die fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landesarbeitsgericht, die ihr die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht eröffnet. Ob der Beschluss des Landesarbeitsgerichts rechtsfehlerhaft ist, könnte das Bundesarbeitsgericht nur im Rahmen einer zugelassenen Rechtsbeschwerde prüfen.

13

III. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht wegen einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung von rechtlichem Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nach § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2, § 92a ArbGG zuzulassen.

14

1. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt vor, wenn besondere Umstände hinreichend deutlich machen, dass der Richter den Vortrag der Partei nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht(BVerfG 23. Juni 1993 - 1 BvR 485/92 - zu II 3 der Gründe). Wird in einem Beschlussverfahren der Sachverhalt vom Beschwerdegericht nur unzureichend aufgeklärt, kann ein damit verbundener einzelfallbezogener Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz (§ 83 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) mit einer auf § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2, § 92a ArbGG gestützten Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden, wenn das Landesarbeitsgericht zugleich in entscheidungserheblicher Weise gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstößt. Ein Verstoß gegen das einfach-rechtliche Gebot der ausreichenden Sachverhaltsaufklärung wird nicht von § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG erfasst. Art. 103 Abs. 1 GG schützt auch nicht davor, dass das Gericht dem Vortrag einer Partei nicht die aus deren Sicht richtige Bedeutung beimisst(BAG 14. Juni 2006 - 5 AZN 73/06 - Rn. 9).

15

2. Daran gemessen hat die Beschwerdeführerin nicht ausreichend dargetan, dass die von ihr auf den Seiten 16, 21, 28, 29, 33 und 35 der Beschwerdebegründung behaupteten Verstöße gegen den Amtsermittlungsgrundsatz zugleich eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung von rechtlichem Gehör iSd. Art. 103 Abs. 1 GG darstellen. Soweit die Beschwerde auf Seite 29 der Beschwerdebegründung zusätzlich die Nichterhebung der von ihr angebotenen Beweise rügt, ist dies allein zur ordnungsgemäßen Darlegung des Zulassungsgrunds aus § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG nicht ausreichend. Die Beschwerde hätte darlegen müssen, was eine Beweisaufnahme ergeben hätte und dass deren Ergebnis unter Beachtung des Begründungswegs des Landesarbeitsgerichts zu einer für sie günstigen Entscheidung geführt hätte. Hieran fehlt es.

16

3. Die von der Beschwerde auf Seite 28 der Beschwerdebegründung behauptete Verletzung der Hinweispflicht führt ebenso nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG. Die Beschwerde legt nicht dar, welchen konkreten Hinweis zu ihrem Vorbringen sie vermisst hat und welchen Vortrag sie auf einen solchen Hinweis gehalten hätte. Ebenso hat sie in Bezug auf den unterbliebenen Hinweis keinen Vortrag zur Entscheidungserheblichkeit gehalten.

17

IV. Auf die Ablehnung des von der Beschwerdeführerin gestellten Aussetzungsantrags durch das Landesarbeitsgericht kann die Beschwerde nicht gestützt werden. Zwar wiederholt und vertieft sie in der Beschwerdebegründung ihr Vorbringen zu der von ihr angenommenen Verfassungswidrigkeit des § 97 Abs. 2 ArbGG idF von Art. 2 Nr. 4 Buchst. b des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz) vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348). Jedoch formuliert sie insoweit weder eine Rechtsfrage iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG noch legt sie dar, dass diese Frage zur Vermeidung divergierender Entscheidungen der Instanzgerichte einer höchstrichterlichen Klärung bedarf, die ggf. zu einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG führen könnte. Ebenso kann dahinstehen, ob die Beschränkung des Instanzenzugs für die Beurteilung der Tariffähigkeit verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Einen hierin liegenden Verstoß kann die Beschwerdeführerin nicht auf die Verletzung ihres Anspruchs auf die Gewährung von rechtlichem Gehör iSd. Art. 103 Abs. 1 GG stützen. Ebenso hat sie nicht ausreichend dargetan, dass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, von einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht abzusehen, gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstößt. Soweit ersichtlich sind im arbeitsrechtlichen Schrifttum - außer von dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin - keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Änderung des § 97 Abs. 2 ArbGG geäußert worden.

18

V. Von einer weiteren Begründung zum sonstigen, vom Senat geprüften Vorbringen der Beschwerdeführerin wird gemäß §§ 92a, 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Rechtsbeschwerde zuzulassen ist.

        

    Schmidt    

        

    K. Schmidt    

        

    Koch    

        

        

        

    Rath    

        

    N. Schuster    

                 

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen. Die am Verfahren Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken.

(1a) Der Vorsitzende kann den Beteiligten eine Frist für ihr Vorbringen setzen. Nach Ablauf einer nach Satz 1 gesetzten Frist kann das Vorbringen zurückgewiesen werden, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts seine Zulassung die Erledigung des Beschlussverfahrens verzögern würde und der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt. Die Beteiligten sind über die Folgen der Versäumung der nach Satz 1 gesetzten Frist zu belehren.

(2) Zur Aufklärung des Sachverhalts können Urkunden eingesehen, Auskünfte eingeholt, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernommen und der Augenschein eingenommen werden.

(3) In dem Verfahren sind der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Stellen zu hören, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Sprecherausschussgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz, dem Drittelbeteiligungsgesetz, den §§ 177, 178 und 222 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, dem § 18a des Berufsbildungsgesetzes und den zu diesen Gesetzen ergangenen Rechtsverordnungen sowie nach dem Gesetz über Europäische Betriebsräte, dem SE-Beteiligungsgesetz, dem SCE-Beteiligungsgesetz, dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung und dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung im einzelnen Fall beteiligt sind.

(4) Die Beteiligten können sich schriftlich äußern. Bleibt ein Beteiligter auf Ladung unentschuldigt aus, so ist der Pflicht zur Anhörung genügt; hierauf ist in der Ladung hinzuweisen. Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(5) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Arbeitsgerichts oder seines Vorsitzenden findet die Beschwerde nach Maßgabe des § 78 statt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1. bis 14. gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 11. April 2013 - 9 TaBV 308/12 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer als Delegiertenwahl oder als unmittelbare Wahl durchzuführen ist.

2

Die Beteiligten zu 1. bis 14. sind Arbeitnehmer der Beteiligten zu 16. Diese hält 100 % der Geschäftsanteile der Beteiligten zu 17. und 18. Es besteht ein Aufsichtsrat mit je acht Mitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer. Nachdem die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in der Vergangenheit auf Antrag der IG BCE durch Beschluss des Amtsgerichts gemäß § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG iVm. § 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG bestellt worden waren, wurde der bei der Beteiligten zu 16. bestehende Gesamtbetriebsrat durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 29. Juli 2010 (- 9 TaBV 4/10 -) verpflichtet, im Unternehmen der Beteiligten zu 16. einen aus drei Mitgliedern bestehenden Hauptwahlvorstand zur Durchführung der Aufsichtsratswahlen nach dem MitbestG 1976 zu bestellen.

3

Das zu 16. beteiligte Unternehmen gab durch Aushang am 12. Mai 2011 bekannt, dass bei den Beteiligten zu 16. bis 18. insgesamt 7678 Arbeitnehmer beschäftigt seien. Dabei wurden Leiharbeitnehmer nicht berücksichtigt. In seiner Sitzung vom 5. Juli 2011 stellte der zu 15. beteiligte Hauptwahlvorstand demgegenüber für den 1. Juli 2011 eine Gesamtbeschäftigtenzahl von 8341 Personen fest, von denen er 8176 als wahlberechtigt ansah. Dabei berücksichtigte er 444 wahlberechtigte Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen. Mit am 11. Juli 2011 ausgehängter Bekanntmachung vom 5. Juli 2011 teilte der Hauptwahlvorstand mit, dass die Wahl gemäß § 9 Abs. 1 MitbestG als Delegiertenwahl durchgeführt werde, wenn nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die unmittelbare Wahl beschlössen. Ein Antrag der Arbeitnehmer auf unmittelbare Wahl wurde nicht gestellt. Einsprüche gegen die beabsichtigte Delegiertenwahl wurden nicht erhoben.

4

Auf Antrag der Beteiligten zu 1. bis 14. untersagte das Landesarbeitsgericht dem Hauptwahlvorstand im einstweiligen Rechtsschutz bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, die Wahl als Delegiertenwahl durchzuführen.

5

In dem vorliegenden Hauptsacheverfahren haben die Beteiligten zu 1. bis 14. die Auffassung vertreten, es habe eine unmittelbare Wahl stattzufinden, da Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG nicht berücksichtigt werden dürften. § 3 Abs. 1 MitbestG verweise wegen des Arbeitnehmerbegriffs im Mitbestimmungsrecht auf § 5 Abs. 1 BetrVG, der Leiharbeitnehmer nicht erfasse. Etwas anderes lasse sich auch für § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG nicht daraus herleiten, dass Leiharbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen bei den Wahlen der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer aktiv wahlberechtigt seien. Der Gesetzgeber habe die Ermittlung der Schwellenwerte für das Wahlverfahren nicht an eine bestimmte Anzahl wahlberechtigter Arbeitnehmer geknüpft, sondern auf die Zahl der regelmäßig dem Unternehmen angehörenden Arbeitnehmer abgestellt.

6

Leiharbeitnehmer seien allenfalls dann zu berücksichtigen, wenn durch ihren Einsatz ein dauerhafter betrieblicher Arbeitskräftebedarf abgedeckt werde. Zu den „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmern iSv. § 9 Abs. 1 MitbestG könnten nur solche Arbeitnehmer gehören, die nicht nur vorübergehend im Unternehmen beschäftigt würden. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, der seit dem 1. Dezember 2011 den dauerhaften Einsatz von Leiharbeitnehmern untersage, spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass Leiharbeitnehmer nicht zur Befriedigung eines dauerhaften Bedarfs eingesetzt würden. Zudem habe der Hauptwahlvorstand die Anzahl der auf Stammarbeitsplätzen beschäftigten Leiharbeitnehmer unzutreffend ermittelt. Er habe keinen angemessenen Referenzzeitraum zugrunde gelegt. Im Jahr 2011 seien Leiharbeitnehmer in der Produktion zum größten Teil deshalb eingesetzt worden, um dem Beschäftigungsbedarf aufgrund einer Sonderkonjunktur Rechnung zu tragen. Für 2012 sei ein Produktionsrückgang geplant gewesen. Am 31. März 2012 hätten nur noch 168 Leiharbeitnehmer im Konzern gearbeitet.

7

Die Beteiligten zu 1. bis 14. haben beantragt,

        

dem Hauptwahlvorstand (Beteiligter zu 15.) aufzugeben, die Wahlen der Arbeitnehmervertreter zu dem bei der Beteiligten zu 16. bestehenden Aufsichtsrat in unmittelbarer Wahl nach § 9 Abs. 2 MitbestG durchzuführen.

8

Die Beteiligten zu 15. bis 18. haben beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie haben die Ansicht vertreten, die wahlberechtigten Leiharbeitnehmer seien bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl nach § 9 MitbestG mitzuzählen. § 9 MitbestG ziele mit der Delegiertenwahl in größeren Unternehmen auf eine Steigerung der Transparenz und wirksamere Einflussnahme der in kleineren Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer auf die Wahl. Hierfür sei es unerheblich, ob die Arbeitsplätze mit eigenen Arbeitnehmern oder mit Leiharbeitnehmern besetzt seien. Für die Ermittlung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl reiche bei Unternehmen, deren Belegschaftsstärke stark schwanke, ein Referenzzeitraum von sechs Monaten aus. Zum Zeitpunkt der Einleitung der Wahl im Juli 2011 sei nicht absehbar gewesen, dass die Zahl der Leiharbeitnehmer aufgrund eines Beschäftigungseinbruchs Ende März 2012 auf unter 200 absinken würde.

9

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1. bis 14. zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1. bis 14. ihren Antrag weiter. Die Beteiligten zu 15. bis 18. begehren die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

10

B. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen den Antrag abgewiesen. Der zulässige Antrag ist unbegründet. Die Wahl der Arbeitnehmervertreter zu dem bei der Beteiligten zu 16. bestehenden Aufsichtsrat ist nicht nach § 9 Abs. 2 MitbestG in unmittelbarer Wahl, sondern nach § 9 Abs. 1 MitbestG als Delegiertenwahl durchzuführen. Der Hauptwahlvorstand hat zutreffend festgestellt, dass den Beteiligten zu 16. bis 18. regelmäßig mehr als 8000 Arbeitnehmer iSv. § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG angehören. Dabei hat der Hauptwahlvorstand zu Recht 444 auf Stammarbeitsplätzen eingesetzte wahlberechtigte Leiharbeitnehmer berücksichtigt.

11

I. Der Antrag, dem Hauptwahlvorstand aufzugeben, die Wahlen der Arbeitnehmervertreter zu dem bei der Beteiligten zu 16. bestehenden Aufsichtsrat in unmittelbarer Wahl nach § 9 Abs. 2 MitbestG durchzuführen, ist zulässig.

12

1. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, der im Beschlussverfahren entsprechende Anwendung findet.

13

a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Antragsschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Das ist erforderlich, um zu klären, worüber das Gericht entscheidet und worauf sich der objektive Umfang der Rechtskraft einer Sachentscheidung iSv. § 322 Abs. 1 ZPO erstreckt. Dazu ist es ausreichend, wenn der Antrag in einer dem Bestimmtheitserfordernis genügenden Weise ausgelegt werden kann. Das Gericht ist daher gehalten, eine entsprechende Auslegung des Antrags vorzunehmen, wenn hierdurch eine vom Antragsteller erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird (BAG 11. Februar 2015 - 7 ABR 98/12 - Rn. 14).

14

b) Der Antrag bezieht sich nach der Antragsbegründung auf die konkrete Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer, die der Hauptwahlvorstand mit der Bekanntmachung vom 5. Juli 2011 nach § 13 Abs. 2 der Dritten Wahlordnung zum Mitbestimmungsgesetz (3. WO) eingeleitet hat. Diese Wahl war auch Gegenstand des im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Beschlusses vom 22. September 2011, mit dem das Landesarbeitsgericht dem Hauptwahlvorstand untersagt hat, die Wahl bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache als Delegiertenwahl durchzuführen. Für einen von der konkret eingeleiteten Wahl unabhängigen Antrag würde zudem das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Die Wahl durch Delegierte oder als unmittelbare Wahl hängt nach § 9 MitbestG zunächst von der Feststellung des Hauptwahlvorstands ab, ob dem Unternehmen in der Regel mehr als 8000 Arbeitnehmer angehören oder nicht. Dafür sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Hauptwahlvorstands über die Bekanntmachung nach § 13 3. WO entscheidend. Mit der Bekanntmachung wird die maßgebliche Wahlart für das gesamte weitere Wahlverfahren festgeschrieben. Spätere Veränderungen der Belegschaftsstärke können hieran nichts mehr ändern (Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler Mitbestimmungsrecht 3. Aufl. § 9 MitbestG Rn. 11; WWKK/Wißmann 4. Aufl. § 9 Rn. 8; Raiser/Jacobs in Raiser/Veil/Jacobs MitbestG 6. Aufl. § 9 Rn. 5). Eine Änderung der Wahlart kommt nur aufgrund eines Beschlusses der Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG in Betracht. Es ist daher für jede konkrete Wahl vom jeweiligen Hauptwahlvorstand gesondert anhand der regelmäßigen Beschäftigtenzahl zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Bekanntmachung nach § 13 3. WO zu ermitteln, in welcher Wahlart die Wahl durchzuführen ist. Da sich bei der Anzahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer stets Änderungen ergeben können, kann nicht unabhängig von einer bestimmten Wahl geklärt werden, ob in einem Unternehmen oder Konzern die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer durch Delegierte oder in unmittelbarer Wahl zu wählen sind.

15

2. Die Beteiligten zu 1. bis 14. sind antragsbefugt.

16

a) Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist ein Beteiligter antragsbefugt, wenn er durch die begehrte Entscheidung in seiner kollektivrechtlichen Rechtsposition betroffen sein kann. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht und dies nicht von vornherein als aussichtslos erscheint (BAG 17. Februar 2015 - 1 ABR 41/13 - Rn. 16; 22. Juli 2014 - 1 ABR 94/12 - Rn. 12; 25. August 1981 - 1 ABR 61/79 - zu B II 3 a der Gründe, BAGE 37, 31).

17

b) Danach sind die Beteiligten zu 1. bis 14. antragsbefugt. Der Hauptwahlvorstand kann bereits während des Wahlverfahrens auf Antrag von mindestens drei nach § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 MitbestG anfechtungsberechtigten Arbeitnehmern durch eine gerichtliche Entscheidung dazu verpflichtet werden, die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in unmittelbarer Wahl nach § 9 Abs. 2 MitbestG durchzuführen, obwohl die Wahl nach seiner (unzutreffenden) Beurteilung als Delegiertenwahl nach § 9 Abs. 1 MitbestG stattzufinden hat. Anders als bei Betriebsratswahlen sind die anfechtungsberechtigten Arbeitnehmer nicht darauf verwiesen, die vom Hauptwahlvorstand eingeleitete Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer abzuwarten und diese ggf. anschließend anzufechten. Vielmehr ist zur Vermeidung einer Wahlanfechtung eine gerichtliche Kontrolle bereits während des Wahlverfahrens zulässig, um rechtzeitig fehlerhafte Maßnahmen des Hauptwahlvorstands korrigieren, unterlassene Handlungen durchsetzen und Störungen ausschließen zu können (vgl. BAG 25. August 1981 - 1 ABR 61/79 - BAGE 37, 31; Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler vor § 9 MitbestG Rn. 59; ErfK/Oetker 15. Aufl. § 22 MitbestG Rn. 4; Raiser/Jacobs in Raiser/Veil/Jacobs § 22 Rn. 24; WWKK/Wißmann § 22 Rn. 61 mwN). Gegenstand einer vorgezogenen gerichtlichen Kontrolle können Handlungen und Unterlassungen des Hauptwahlvorstands sein, die zu einer Wahlanfechtung führen können (Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler vor § 9 MitbestG Rn. 61; Raiser/Jacobs in Raiser/Veil/Jacobs § 22 Rn. 26; WWKK/Wißmann § 22 Rn. 63 mwN). Antragsberechtigt ist, wer nach § 22 Abs. 2 MitbestG zur Anfechtung der Wahl berechtigt ist(Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler vor § 9 MitbestG Rn. 68; Raiser/Jacobs in Raiser/Veil/Jacobs § 22 Rn. 28; WWKK/Wißmann § 22 Rn. 65 mwN). Soweit das Bundesarbeitsgericht bei Betriebsratswahlen eine solche vorgezogene Rechtsschutzmöglichkeit grundsätzlich als nicht zulässig erachtet, ist dies auf die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nicht übertragbar.

18

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats darf bei einer Betriebsratswahl in die Entscheidungen des Wahlvorstands allenfalls dann eingegriffen werden, wenn die Wahl mit einem zur Nichtigkeit führenden Fehler behaftet ist. Die bloße Anfechtbarkeit genügt nicht (grundlegend BAG 27. Juli 2011 - 7 ABR 61/10 - Rn. 25 ff. mwN zum Streitstand, BAGE 138, 377). Dies beruht darauf, dass eine erfolgreiche Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 1 BetrVG keine rückwirkende Kraft hat, sondern nur für die Zukunft wirkt. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Wahlanfechtungsverfahrens bleibt auch ein nicht ordnungsgemäß gewählter Betriebsrat mit allen betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen im Amt. Würde schon im Fall der voraussichtlich sicheren Anfechtbarkeit der bevorstehenden Wahl ein Eingriff in die Wahl durch ein zeitaufwendiges vorgezogenes gerichtliches Kontrollverfahren zugelassen, würde verhindert, dass zumindest vorläufig ein Betriebsrat zustande kommt, wie es das Betriebsverfassungsgesetz vorsieht. Damit würde ein betriebsratsloser Zustand entstehen oder aufrechterhalten, der nach der Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes lediglich bei einer nichtigen Wahl eintreten darf (vgl. zum Antrag auf Abbruch einer Betriebsratswahl BAG 27. Juli 2011 - 7 ABR 61/10 - Rn. 29 - 34, aaO).

19

bb) Diese Erwägungen gelten für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nicht.

20

(1) Zwar regeln auch das Mitbestimmungsgesetz und die Wahlordnungen hierzu nicht, ob und unter welchen Voraussetzungen in eine eingeleitete Aufsichtsratswahl eingegriffen werden kann und wer hierfür antragsberechtigt ist (WWKK/Wißmann § 22 Rn. 60 unter Hinweis auf die „eher unbedeutende“ Ausnahme in § 10 Abs. 3 1. WO, § 10 Abs. 3 2. WO und § 10 Abs. 3 3. WO zur gerichtlichen Durchsetzung eines Änderungsverlangens einzelner Arbeitnehmer/innen auf Antrag eines Mitglieds des Betriebswahlvorstands). § 22 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG sieht wie § 19 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG ebenfalls nur die Anfechtung einer durchgeführten Wahl vor. Eine erfolgreiche Wahlanfechtung entfaltet danach keine Rückwirkung, sondern wirkt nur für die Zukunft. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Wahlanfechtungsverfahrens bleibt ein nicht ordnungsgemäß gewählter Aufsichtsrat mit allen Befugnissen im Amt (WWKK/Wißmann § 22 Rn. 56 f.; vgl. zum BetrVG BAG 27. Juli 2011 - 7 ABR 61/10 - Rn. 32, BAGE 138, 377).

21

(2) Allerdings hat eine Verzögerung der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer durch ein vorgezogenes gerichtliches Kontrollverfahren keine vergleichbaren Auswirkungen wie eine Verzögerung einer Betriebsratswahl. Dadurch kann - anders als bei einer Betriebsratswahl - kein mitbestimmungsfreier Zustand entstehen, sondern allenfalls eine zeitlich begrenzte Ersatzbestellung der Arbeitnehmervertreter nach § 104 Abs. 2 und Abs. 3 AktG erforderlich werden. Deshalb sind gerichtliche Eingriffe in das vom Wahlvorstand eingeleitete, noch nicht abgeschlossene Verfahren statthaft und nicht auf Nichtigkeitsfälle begrenzt (Raiser/Jacobs in Raiser/Veil/Jacobs § 22 Rn. 25; WWKK/Wißmann § 22 Rn. 82 mwN; aA Fuchs/Köstler/Pütz Handbuch zur Aufsichtsratswahl 5. Aufl. Rn. 632).

22

3. Das Rechtsschutzbedürfnis ist nicht dadurch entfallen, dass seit dem Aushang der Bekanntmachung des Hauptwahlvorstands am 11. Juli 2011 inzwischen ein Zeitraum von über vier Jahren verstrichen ist. Das Rechtsschutzbedürfnis für das vorgezogene gerichtliche Kontrollverfahren entfällt durch Zeitablauf erst dann, wenn die Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer endet und die begehrte Entscheidung damit keinen Einfluss mehr auf die Aufsichtsratswahl haben kann (WWKK/Wißmann § 22 Rn. 72 f., 85). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

23

a) § 15 Abs. 1 Satz 1 MitbestG verweist hinsichtlich der Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer auf die für Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner geltenden Bestimmungen. Die für alle Aufsichtsratsmitglieder geltende Höchstdauer der Amtszeit bestimmt sich nach § 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG iVm. § 102 AktG. Danach können Aufsichtsratsmitglieder nicht für längere Zeit als bis zur Beendigung derjenigen Anteilseignerversammlung bestellt werden, die über die Entlastung des Aufsichtsrats für das vierte Geschäftsjahr nach Beginn der Amtszeit beschließt. Die Amtszeit beginnt in der Regel nicht bereits mit der Wahl, sondern in dem in der Satzung oder bei der Bestellung bestimmten Zeitpunkt. Die höchstzulässige Amtszeit beträgt damit etwa fünf Jahre, weil die Entlastung des Aufsichtsrats in den ersten acht Monaten eines Geschäftsjahres für das vorangegangene Geschäftsjahr beschlossen werden muss (vgl. im Einzelnen WWKK/Wißmann § 6 Rn. 66 f., § 15 Rn. 144 ff.).

24

b) Danach ist das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen. Das Landesarbeitsgericht hat zwar keine ausdrücklichen Feststellungen zur Dauer der Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder im Unternehmen der Beteiligten zu 16. getroffen. Aufgrund der Bekanntmachung des Hauptwahlvorstands vom 5. Juli 2011 ist aber davon auszugehen, dass die Höchstdauer der Amtszeit nicht vor der Entscheidung des Senats am 4. November 2015 geendet hat. Die Beteiligten haben sich nicht auf ein früheres Ende der Amtszeit berufen.

25

II. Der Antrag ist nicht begründet. Die Wahl ist nicht nach § 9 Abs. 2 MitbestG in unmittelbarer Wahl, sondern gemäß § 9 Abs. 1 MitbestG als Delegiertenwahl durchzuführen. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

26

1. Nach § 9 Abs. 1 MitbestG werden die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer eines Unternehmens mit in der Regel mehr als 8000 Arbeitnehmern durch Delegierte gewählt, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die unmittelbare Wahl beschließen. § 9 Abs. 2 MitbestG bestimmt, dass die Wahl in Unternehmen mit in der Regel nicht mehr als 8000 Arbeitnehmern in unmittelbarer Wahl erfolgt, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die Wahl durch Delegierte beschließen. Die Wahlart hängt daher von der Anzahl der dem Unternehmen in der Regel angehörenden Arbeitnehmer ab.

27

2. Das Mitbestimmungsgesetz definiert den Begriff „Arbeitnehmer“ nicht selbst, sondern verweist in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MitbestG auf den betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff des § 5 Abs. 1 BetrVG.

28

a) Allerdings enthält auch § 5 Abs. 1 BetrVG keine Definition des Arbeitnehmerbegriffs, sondern setzt diesen voraus. Dabei geht das Betriebsverfassungsgesetz in § 5 Abs. 1 Satz 1 vom allgemeinen Arbeitnehmerbegriff aus, den es in § 5 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Abs. 2 und Abs. 3 erweitert sowie einschränkt. Danach ist Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (vgl. BAG 5. Dezember 2012 - 7 ABR 48/11 - Rn. 17 mwN, BAGE 144, 74). Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen einem Arbeitnehmer und dem Inhaber eines Betriebs genügt allerdings nicht in jedem Fall, um die Beurteilung zu rechtfertigen, der Arbeitnehmer sei auch im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn Arbeitnehmer „des Betriebs“. Erforderlich ist hierzu vielmehr die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung des Arbeitnehmers zu einem bestimmten Betrieb. Diese setzt regelmäßig voraus, dass der Arbeitnehmer in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert ist (vgl. BAG 5. Dezember 2012 - 7 ABR 48/11 - Rn. 18 mwN, aaO).

29

b) Diese sog. „Zwei-Komponenten-Lehre“, nach der zu den konstitutiven Merkmalen der Betriebszugehörigkeit einerseits ein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber, andererseits die tatsächliche Eingliederung in dessen Betriebsorganisation gehört (BAG 10. November 2004 - 7 ABR 12/04 - zu B II 1 der Gründe mwN, BAGE 112, 305), wird regelmäßig ohne Weiteres der „Normalfall-Gestaltung“ gerecht, „die dadurch gekennzeichnet ist, dass ein Arbeitnehmer aufgrund eines wirksamen Arbeitsvertrags in der einzigen Betriebsstätte seines Arbeitgebers unselbständige, fremdbestimmte Arbeit tatsächlich leistet“ (Raab GK-BetrVG 10. Aufl. § 7 Rn. 24). Schwierigkeiten entstehen aber bei atypischen Fallgestaltungen, insbesondere beim sog. „drittbezogenen Personaleinsatz“, also beim Arbeitseinsatz von Arbeitnehmern in Drittbetrieben. Hier ist die „Arbeitgeberstellung aufgespalten“ (Raab GK-BetrVG § 7 Rn. 50). Der zum „Vertragsarbeitgeber“ in arbeitsvertraglicher Beziehung stehende Arbeitnehmer ist in den Betrieb des „Betriebsarbeitgebers“ eingegliedert. Beim drittbezogenen Personaleinsatz führt die reine „Zwei-Komponenten-Lehre“ nicht zu sachgerechten Ergebnissen. Ihre uneingeschränkte Anwendung hätte vielmehr zur Folge, dass der Arbeitnehmer einerseits dem Betrieb seines Vertragsarbeitgebers mangels Eingliederung nicht zugeordnet werden könnte, während es andererseits zum Betriebsarbeitgeber an einem arbeitsvertraglichen Band fehlt. In derartigen Fällen der aufgespaltenen Arbeitgeberstellung bedarf es daher einer differenzierten Beurteilung der betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung von Arbeitnehmern. Diese hat zum einen zu beachten, dass der Gesetzgeber die betriebsverfassungsrechtliche Behandlung des drittbezogenen Personaleinsatzes bereits zu einem nicht unbeträchtlichen Umfang teils im Betriebsverfassungsgesetz, teils in anderen Gesetzen geregelt hat. Zum anderen gilt es zu berücksichtigen, dass im Betriebsverfassungsgesetz in ganz unterschiedlichem Zusammenhang auf den „Arbeitnehmer“ abgestellt wird (vgl. BAG 5. Dezember 2012 - 7 ABR 48/11 - Rn. 20, BAGE 144, 74). Daher sind beim drittbezogenen Personaleinsatz und einer aufgespaltenen Arbeitgeberstellung differenzierende Lösungen geboten, die zum einen die ausdrücklich normierten (spezial-)gesetzlichen Konzepte, zum anderen aber auch die Funktion des Arbeitnehmerbegriffs im jeweiligen betriebsverfassungsrechtlichen Zusammenhang angemessen berücksichtigen. Dabei ist eine normzweckorientierte Auslegung der jeweiligen auf den oder die Arbeitnehmer abstellenden Vorschrift geboten (BAG 5. Dezember 2012 - 7 ABR 48/11 - Rn. 25, aaO). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Senat an seiner früheren Rechtsprechung, Leiharbeitnehmer seien im Rahmen der in § 9 Satz 1 BetrVG bestimmten, für die Größe des Betriebsrats maßgeblichen Schwellenwerte nicht zu berücksichtigen(BAG 16. April 2003 - 7 ABR 53/02 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 106, 64; 10. März 2004 - 7 ABR 49/03 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 110, 27), nicht festgehalten und entschieden, dass bei einer insbesondere am Sinn und Zweck der Schwellenwerte in § 9 BetrVG orientierten Auslegung des Gesetzes die in der Regel beschäftigten Leiharbeitnehmer mitzuzählen sind(BAG 13. März 2013 - 7 ABR 69/11 - Rn. 21 ff., BAGE 144, 340).

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c) Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für die Schwellenwerte im Mitbestimmungsgesetz. Die Frage, ob Leiharbeitnehmer bei den Schwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung zu berücksichtigen sind, lässt sich damit nicht allgemein, sondern nur bezogen auf den jeweiligen Schwellenwert beantworten. Es kommt daher vorliegend darauf an, welche Funktion dem Arbeitnehmerbegriff im Hinblick auf den Schwellenwert des § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG zukommt. Dies erfordert keine Entscheidung darüber, ob Leiharbeitnehmer bei dem Schwellenwert des § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, von dem es abhängt, ob die Arbeitnehmer in den dort genannten Unternehmen ein Mitbestimmungsrecht nach dem Mitbestimmungsgesetz haben, berücksichtigt werden müssen (dafür: Hay/Grüneberg NZA 2014, 814; WWKK/Koberski § 1 Rn. 35; Köstler EWiR 2014, 347; Schaub/Koch ArbR-HdB 16. Aufl. § 260 Rn. 3; MüArbR/Wißmann 3. Aufl. § 279 Rn. 5; ders. in WWKK vor § 9 Rn. 108; dagegen: OLG Hamburg 31. Januar 2014 - 11 W 89/13 - Rn. 32 f.; Künzel/Schmid NZA 2013, 300; Lambrich/Reinhard NJW 2014, 2229, 2231; Lunk NZG 2014, 778, 779). Es geht auch nicht um die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei den für die Größe des Aufsichtsrats nach § 7 MitbestG maßgeblichen Schwellenwerten, sondern allein um den für die Art des Wahlverfahrens nach § 9 MitbestG geltenden Schwellenwert. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass auf Stammarbeitsplätzen eingesetzte wahlberechtigte Leiharbeitnehmer insoweit mitzählen (vgl. auch Hay/Grüneberg NZA 2014, 814, 819 f.; Krause ZIP 2014, 2209, 2212, 2216 f., 2220; ErfK/Oetker § 9 MitbestG Rn. 1; aA Künzel/Schmid NZA 2013, 300; Krüger EWiR 2013, 627, 628).

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aa) Der Wortlaut des § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG gibt zwar keinen Aufschluss darüber, ob Leiharbeitnehmer bei der Schwelle von „in der Regel mehr als 8000 Arbeitnehmern“ mitzählen. Insbesondere ist daraus, dass die Bestimmung - anders als § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG - nicht auf die Beschäftigung von Arbeitnehmern abstellt, nicht zu schließen, für § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG sei allein die arbeitsvertragliche Beziehung zu dem Unternehmen maßgeblich. Für diese Interpretation bietet der Wortlaut des Gesetzes keinen hinreichenden Anhaltspunkt (vgl. Krause ZIP 2014, 2209, 2211).

32

bb) Der systematische Kontext der Bestimmung spricht jedoch dafür, wahlberechtigte Leiharbeitnehmer bei den für die Wahlart maßgeblichen Schwellenwerten in § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG zu berücksichtigen.

33

Leiharbeitnehmern stehen im Rahmen der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in mehrfacher Hinsicht Wahl- und Abstimmungsbefugnisse zu. Nach § 10 Abs. 2 Satz 2, § 18 Satz 2 MitbestG iVm. § 7 Satz 2 BetrVG sind Leiharbeitnehmer bei der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden. In § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG ist zwar in unmittelbarem Zusammenhang mit dem für die Wahlart maßgeblichen Schwellenwert nur von Arbeitnehmern, nicht von wahlberechtigten Arbeitnehmern die Rede. Allerdings können nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG die „wahlberechtigten Arbeitnehmer“ die jeweils andere Wahlart beschließen. Das bedeutet, dass bei der Beschlussfassung darüber, ob statt einer Wahl durch Delegierte eine unmittelbare Wahl oder statt einer unmittelbaren Wahl eine Wahl durch Delegierte stattfinden soll, wahlberechtigte Leiharbeitnehmer abstimmen dürfen. Sie können auch den nach § 9 Abs. 3 MitbestG erforderlichen Antrag unterzeichnen und zählen zu dem für den Antrag erforderlichen Quorum von einem Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmer. Die in § 9 MitbestG zum Ausdruck gelangte Wertentscheidung, dass die Wahlberechtigten über die Art der Wahl befinden können, schließt es aus, wahlberechtigte Personen bei dem Schwellenwert nicht zu berücksichtigen(vgl. ErfK/Oetker § 9 MitbestG Rn. 1; aA Künzel/Schmid NZA 2013, 300, 302; Lunk NZG 2014, 778, 779).

34

cc) Die Berücksichtigung der wahlberechtigten Leiharbeitnehmer entspricht dem Sinn und Zweck des Schwellenwertes in § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG.

35

Für Unternehmen mit in der Regel mehr als 8000 Arbeitnehmern schreibt § 9 Abs. 1 MitbestG die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer durch Delegierte als gesetzliche Regelwahlart vor. Die gesetzliche Präferenz für die Wahl durch Delegierte bei Überschreiten dieses Schwellenwertes beruht auf der Erwägung, dass eine Wahl in Unternehmen und Konzernen dieser Größe mittels betrieblich gewählter Delegierter transparenter sein und eher auch den Belegschaften kleinerer Betriebe und Unternehmen eine wirksame Einflussnahme ermöglichen kann als die unmittelbare Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern, die den Arbeitnehmern oft kaum bekannt sein werden (Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drs. 7/4845 S. 6; Krause ZIP 2014, 2209, 2214; WWKK/Wißmann § 9 Rn. 4). Für diese Zwecke macht es keinen Unterschied, ob die Arbeitnehmer zur Stammbelegschaft gehören oder ob die Arbeitsplätze mit Arbeitnehmern besetzt sind, die zwar keinen Arbeitsvertrag mit dem Unternehmen haben, aber wie eigene Arbeitnehmer in den Betrieb integriert sind (Krause ZIP 2014, 2209, 2214; Hay/Grüneberg NZA 2014, 814, 819 f.; aA Krüger EWiR 2013, 627, 628). Demgegenüber hat das mit der Unternehmensmitbestimmung verfolgte Ziel einer gleichberechtigten und gleichgewichtigen Teilnahme von Anteilseignern und Arbeitnehmern an den Entscheidungsprozessen in Unternehmen (BT-Drs. 7/2172 S. 16 ff.) für die Frage der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei den für die Wahlart maßgeblichen Schwellenwerten keine wesentliche Bedeutung. Ebenso wenig kommt es in diesem Zusammenhang darauf an, inwieweit Leiharbeitnehmer im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung von unternehmerischen Planungen und Entscheidungen betroffen sind und hierauf Einfluss nehmen sollen (vgl. hierzu Krause ZIP 2014, 2209, 2215), und dass der Aufsichtsrat, dessen Tätigkeit nach §§ 111 ff. AktG auf die langfristige Unternehmenspolitik und die Kontrolle strategischer Entscheidungen gerichtet ist, das mittel- und langfristige Geschäftsinteresse wahrt (vgl. hierzu OLG Hamburg 31. Januar 2014 - 11 W 89/13 - Rn. 32 f.). Der Gesetzgeber hat trotz dieser Gegebenheiten Leiharbeitnehmern das aktive Wahlrecht bei den Wahlen der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer und bei der Abstimmung über die Wahlart zuerkannt. Deshalb kommt diesen Umständen auch für die Frage, ob Leiharbeitnehmer bei dem für die Wahlart maßgeblichen Schwellenwert zu berücksichtigen sind, keine entscheidende Bedeutung zu.

36

dd) Der Berücksichtigung von wahlberechtigten Leiharbeitnehmern bei dem Schwellenwert von 8000 Arbeitnehmern in § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG steht auch nicht entgegen, dass Leiharbeitnehmer nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG im Entleiherbetrieb nur „vorübergehend“ beschäftigt werden dürfen. Das bedeutet nicht, dass sie von vornherein nicht zu den nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmern zählen könnten(aA Künzel/Schmid NZA 2013, 300, 301). Durch das bei Schwellenwerten in der Mitbestimmung grundsätzlich übliche Merkmal „in der Regel“ will der Gesetzgeber zufälligen Resultaten bei schwankenden Beschäftigtenzahlen vorbeugen. Maßgeblich ist daher die normale Beschäftigtenzahl, also diejenige Personalstärke, die für den Betrieb oder das Unternehmen im Allgemeinen kennzeichnend ist (vgl. etwa zu § 9 BetrVG: BAG 12. November 2008 - 7 ABR 73/07 - Rn. 16; 7. Mai 2008 - 7 ABR 17/07 - Rn. 17). Zur Ermittlung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl ist nicht nur der Personalbestand in der Vergangenheit zugrunde zu legen, sondern auch die künftige, aufgrund konkreter Unternehmerentscheidungen zu erwartende Entwicklung des Beschäftigtenstands einzubeziehen (vgl. etwa zu § 9 BetrVG: BAG 12. November 2008 - 7 ABR 73/07 - Rn. 16; 7. Mai 2008 - 7 ABR 17/07 - Rn. 17). Die Feststellung der maßgeblichen Unternehmensgröße erfordert daher sowohl eine rückblickende Betrachtung, für die ein Zeitraum zwischen sechs Monaten bis zwei Jahren als angemessen erachtet wird (zB ErfK/Oetker § 1 MitbestG Rn. 6 im Anschluss an OLG Düsseldorf 9. Dezember 1994 - 19 W 2/94 AktE - Rn. 18 [juris]: 17 bis 20 Monate; Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler § 3 MitbestG Rn. 62; Raiser in Raiser/Veil/Jacobs § 1 Rn. 20; Krause ZIP 2014, 2209, 2219: 18 bis 24 Monate; Ulmer FS Heinsius [1991] S. 855, 864: 6 bis 12 Monate), als auch eine Prognose, bei der konkrete Veränderungsentscheidungen einzubeziehen sind (LAG München 24. Juli 2007 - 6 TaBV 3/07 - Rn. 33). Werden Arbeitnehmer nicht ständig, sondern lediglich zeitweilig beschäftigt, kommt es für die Frage der regelmäßigen Beschäftigung darauf an, ob sie normalerweise während des größten Teils eines Jahres, dh. länger als sechs Monate beschäftigt werden (BAG 18. Oktober 2011 - 1 AZR 335/10 - Rn. 21, BAGE 139, 342; 12. November 2008 - 7 ABR 73/07 - Rn. 16; 7. Mai 2008 - 7 ABR 17/07 - Rn. 17; 16. November 2004 - 1 AZR 642/03 - zu I 3 der Gründe). Das gilt auch für Leiharbeitnehmer, wenn das Unternehmen Leiharbeit längerfristig als Instrument zur Deckung des Personalbedarfs nutzt (Hay/Grüneberg NZA 2014, 814, 817; Krause ZIP 2014, 2209, 2219 mwN).

37

ee) Die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerten steht auch mit der Richtlinie 2008/104/EG im Einklang.

38

Nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104/EG werden Leiharbeitnehmer unter Bedingungen, die die Mitgliedstaaten festlegen, im Leiharbeitsunternehmen bei der Berechnung der Schwellenwerte für die Einrichtung der Arbeitnehmervertretungen berücksichtigt, die nach Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht oder in Tarifverträgen vorgesehen sind. Sie zählen also grundsätzlich beim Verleiher. Nach Abs. 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Leiharbeitnehmer auch im entleihenden Unternehmen in derselben Weise berücksichtigt werden wie Stammarbeitskräfte. Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104/EG regelt, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, die Verpflichtung nach Abs. 1 umzusetzen, wenn sie die Option nach Abs. 2 wahrnehmen. Daraus wird die Auffassung abgeleitet, Leiharbeitnehmer seien bei den Schwellenwerten der Mitbestimmung beim Entleiher nicht mitzurechnen, weil der deutsche Gesetzgeber von dem nach Art. 7 Abs. 2 und Abs. 3 der Richtlinie 2008/104/EG eingeräumten Wahlrecht bisher keinen Gebrauch gemacht habe. Anderenfalls hätte er das Gesetz in § 14 Abs. 2 AÜG ändern oder die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern in §§ 1, 9 MitbestG ausdrücklich anordnen müssen. Der Rechtsprechung sei eine solche Rechtsfortbildung verwehrt (so Rieble NZA 2012, 485, 487; Künzel/Schmid NZA 2013, 300, 302). Diese Auffassung berücksichtigt nicht, dass Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2008/104/EG sich auf die Schwellenwerte für die Einrichtung der Arbeitnehmervertretungen bezieht und deshalb für den Schwellenwert des § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG, der für die Art der Wahl der bereits eingerichteten Arbeitnehmervertretung maßgeblich ist, schon seinem Wortlaut nach nicht einschlägig ist. Im Übrigen ergibt die vorstehend vorgenommene Auslegung der gesetzlichen Regelung in § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG anhand des Wortlauts, des Gesamtzusammenhangs und von deren Sinn und Zweck, dass der Gesetzgeber die Berücksichtigung von wahlberechtigten Leiharbeitnehmern bei dem Schwellenwert in § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG vorgesehen hat.

39

3. Damit hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, dass auf Stammarbeitsplätzen beschäftigte wahlberechtigte Leiharbeitnehmer bei dem für die Wahlart maßgeblichen Schwellenwert zu berücksichtigen sind. Die Feststellung, dass der Schwellenwert des § 9 Abs. 1 MitbestG von in der Regel mehr als 8000 Arbeitnehmern zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Bekanntmachung der Wahl gemäß § 13 Abs. 3 der 3. WO am 11. Juli 2011 überschritten war, ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Der Hauptwahlvorstand hat seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten, indem er bei der Festlegung der Delegiertenwahl als gesetzlicher Regelwahlart von 8341 in der Regel beschäftigten und 8176 wahlberechtigten Arbeitnehmern ausgegangen ist.

40

a) Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1. bis 14. hat der Hauptwahlvorstand diese Entscheidung auf einer nachvollziehbaren Tatsachengrundlage getroffen. Er hat in seiner Sitzung vom 5. Juli 2011 festgestellt, dass unter Einbeziehung der auf Stammarbeitsplätzen eingesetzten wahlberechtigten Leiharbeitnehmer am 1. Juli 2011 8341 Personen in allen Betrieben der Unternehmen beschäftigt waren. Dabei hat er ausweislich des Protokolls Nr. 4 vom 5. Juli 2011 nicht nur festgestellt, dass alle korrigierten Wählerlisten aus den einzelnen Standorten vorlagen. Bei der Ermittlung der Anzahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer hat der Hauptwahlvorstand „alle korrigierten Wählerlisten aus den einzelnen Standorten“ zugrunde gelegt. Dies ist nicht zu beanstanden. Nach § 11 Abs. 1 3. WO übersendet der jeweilige Betriebswahlvorstand dem Hauptwahlvorstand eine Kopie der Wählerliste und teilt ihm die Zahlen der in der Regel im Betrieb beschäftigten in § 3 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG bezeichneten Arbeitnehmer und leitenden Angestellten mit. Die Aufstellung der Wählerlisten und die Ermittlung der in der Regel Beschäftigten ist daher grundsätzlich Sache der Betriebswahlvorstände. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Hauptwahlvorstand Listen zugrunde legen muss, die fehlerhaft sind. Hier kann der Hauptwahlvorstand nicht nur die Beseitigung von Fehlern verlangen, er hat im Zweifel auch ein Selbsteintrittsrecht (WWKK/Wißmann vor § 9 Rn. 72 - 75, 105) und kann deshalb die regelmäßige Arbeitnehmerzahl eigenständig festlegen. So wäre der Hauptwahlvorstand nicht an die ermittelte Zahl der regelmäßig Beschäftigten gebunden, wenn in den Wählerlisten Leiharbeitnehmer nicht oder nach unzutreffenden Grundsätzen berücksichtigt worden wären. Dafür besteht hier aber kein Anhaltspunkt. Der Hauptwahlvorstand hat die Listen überprüft und ausgewertet. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat er 444 wahlberechtigte Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen berücksichtigt. Die Rüge der Antragsteller, das Landesarbeitsgericht habe die ihm obliegenden Aufklärungspflichten verletzt, indem es seiner Entscheidung ausschließlich die vom Hauptwahlvorstand veranschlagte Arbeitnehmerzahl zugrunde gelegt habe ohne zu überprüfen, ob die Leiharbeitnehmer tatsächlich einen dauerhaften Arbeitskräftebedarf befriedigen sollten, greift nicht durch. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurden ausschließlich wahlberechtigte Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen berücksichtigt. Die Antragsteller haben nicht dargelegt, bei welchen der vom Hauptwahlvorstand berücksichtigten Leiharbeitnehmer das nicht der Fall gewesen sein sollte.

41

b) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Berücksichtigung von 444 wahlberechtigten Leiharbeitnehmern auf Stammarbeitsplätzen der regelmäßigen Beschäftigungslage in den Unternehmen entsprach. Dabei hat das Landesarbeitsgericht nicht lediglich auf die aktuelle Beschäftigtenzahl im Juli 2011 abgestellt. Es hat seiner Feststellung vielmehr den Überblick der Beteiligten zu 16. bis 18. über die Beschäftigtenzahlen seit November 2010 zugrunde gelegt. Dieser Referenzzeitraum ist für die Ermittlung der die Unternehmen kennzeichnenden Belegschaftsstärke ausreichend. Danach wurden in der Zeit ab November 2010 bis zu der Wahlbekanntmachung am 11. Juli 2011 - einschließlich der wahlberechtigten Leiharbeitnehmer - ständig über 8000 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Zahl der Leiharbeitnehmer, deren Einsatz bei den Beteiligten zu 16. bis 18. grundsätzlich länger als drei Monate vorgesehen ist, lag in der ersten Jahreshälfte 2011 zwischen 428 und 462. Das Landesarbeitsgericht hat überdies nicht nur den Personalbestand für diesen Zeitraum berücksichtigt, sondern die Entwicklung vor dem Hintergrund der schwankenden Reifenproduktion der Beteiligten zu 16. in dem Zeitraum von Anfang des Jahres 2009 bis Ende September 2011 beurteilt. Dabei hat es festgestellt, dass die Zahl der Arbeitnehmer einschließlich der Leiharbeitnehmer, die im Konzern länger als drei Monate eingesetzt waren, nicht jede Abwärtsbewegung mitmachte. Abgesehen von einer „kleinen Delle“ Ende des zweiten Quartals 2010 entwickelte sich die Zahl der Arbeitnehmer ab dem dritten Quartal 2009 stetig nach oben und lag ab dem dritten Quartal 2010 über 8000. Diese Entwicklung war im Jahr 2012 rückläufig. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bestanden jedoch zum Zeitpunkt der Bekanntmachung im Juli 2011 keine Anhaltspunkte für diese künftige Entwicklung. Die Antragsteller rügen zu Unrecht, das Landesarbeitsgericht habe nicht aufgeklärt, ob und ggf. in welchem Umfang die Einstellung von Leiharbeitnehmern im Jahr 2011 durch eine Sonderkonjunktur veranlasst war. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ging die Entwicklung der Beschäftigtenzahlen, von einer „kleinen Delle“ abgesehen, seit November 2009 stetig nach oben. Die Antragsteller haben nicht vorgetragen, woraus im Juli 2011 hätte geschlossen werden können, dass der Personalbestand in absehbarer Zeit rückläufig sein und unter 8000 Arbeitnehmer iSv. § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG absinken würde. Die behauptete Äußerung des Dr. L in der Aufsichtsratssitzung vom 20. März 2012, das Jahr 2011 sei ein Rekordjahr gewesen, in dem die Beschäftigungslage auf einer Sonderkonjunktur beruht habe, genügt dazu nicht. Aus dieser Äußerung kann nicht geschlossen werden, dass dafür bereits im Juli 2011 greifbare Anhaltspunkte bestanden.

        

    Gräfl    

        

    M. Rennpferdt    

        

    Kiel    

        

        

        

    Meißner    

        

    Schuh    

                 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 2. Mai 2012 - H 6 TaBV 103/11 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der Verwendung von „Google Maps“ zu Abrechnungszwecken.

2

Die Arbeitgeberin betreibt ein zum Konzern „Deutsche Post DHL“ gehörendes Logistikunternehmen. Antragsteller ist der für die Standorte Neumünster, Hamburg, Bremen und Hannover gebildete Betriebsrat.

3

Im Konzern besteht eine Konzernbetriebsvereinbarung „Informationstechnologie des Konzerns Deutsche Post AG“ vom 20. August/22. September 2004 (KBV 2004). Diese beschreibt und regelt das Verfahren für die IT-mäßige Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten (§ 1 Abs. 1 KBV 2004). Bei der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin bestand eine im Jahr 1997 abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung über die Einführung und den Betrieb EDV-gestützter Systeme (GBV 1997). Deren Regelungsgegenstand war die Planung, Einführung und Nutzung eines EDV-Systems sowie die Arbeitsorganisation (Nr. 3 GBV 1997). Die GBV 1997 ist im Jahr 2005 gekündigt worden.

4

Im Juni 2009 beantragte ein Arbeitnehmer die Erstattung von Reisekosten für die Teilnahme an einer Betriebsversammlung. Da die im Antrag angegebene Fahrtstrecke dem Niederlassungsleiter überhöht erschien, ermittelte dieser mit dem Routenplaner von „Google Maps“ die Entfernung zwischen der Wohnanschrift des Arbeitnehmers und dem Ort der Betriebsversammlung. Der betroffene Arbeitnehmer wurde auf die nach Auffassung der Arbeitgeberin überhöhte Kilometerangabe in der Reisekostenabrechnung hingewiesen und später abgemahnt.

5

Der Betriebsrat verlangte von der Arbeitgeberin daraufhin, die Anwendung von „Google Maps“ im Betrieb zu unterlassen.

6

Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Nutzung dieses Routenplaners im Betrieb unterliege nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG seinem Mitbestimmungsrecht. Das Programm sei dazu bestimmt, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.

7

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt,

        

1.    

der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, im Betrieb das Programm „Google Maps“ anzuwenden, solange eine Einigung mit dem Betriebsrat hierzu nicht erzielt oder durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist;

                 

hilfsweise

                 

der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, im Betrieb das Programm „Google Maps“ unter Verwendung von personenbezogenen oder personenbeziehbaren Daten ihrer Arbeitnehmer anzuwenden, insbesondere unter Verwendung von Wohnanschriften zur Überprüfung von Fahrstreckenangaben ihrer Arbeitnehmer, solange eine Einigung mit dem Betriebsrat nicht erzielt oder durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist;

                 

höchst hilfsweise,

                 

der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Informationen, die sie unter Verwendung personenbezogener oder personenbeziehbarer Daten ihrer Arbeitnehmer durch das Programm „Google Maps“ gewonnen hat, zur Leistungs- oder Verhaltenskontrolle zu verwenden, solange eine Zustimmung des Betriebsrats oder des Gesamtbetriebsrats nicht vorliegt oder durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist;

        

2.    

der Arbeitgeberin für jede Zuwiderhandlung gegen die unter 1. genannte Verpflichtung ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 Euro anzudrohen.

8

Die Arbeitgeberin hat die Abweisung der Anträge beantragt.

9

Das Arbeitsgericht hat den Hauptantrag sowie den dort allein gestellten ersten Hilfsantrag und den Antrag zu 2. abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen und den in der Beschwerdeinstanz erstmals gestellten zweiten Hilfsantrag zum Antrag zu 1. abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat die ursprünglich gestellten Anträge weiter.

10

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag zu 1. und den ersten Hilfsantrag sowie den darauf bezogenen Antrag zu 2. zu Recht abgewiesen. Das beanspruchte Mitbestimmungsrecht bei der Anwendung des Routenplaners „Google Maps“ besteht nicht. Den zweiten Hilfsantrag zum Antrag zu 1. hat das Beschwerdegericht rechtskräftig abgewiesen.

11

I. Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist nicht, ob der Betriebsrat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus der KBV 2004 oder der GBV 1997 herleiten kann. Das Landesarbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 18. Mai 2010 (- 1 ABR 6/09 - BAGE 134, 249) einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats aus den vom Konzern- bzw. Gesamtbetriebsrat abgeschlossen Vereinbarungen mit der Begründung verneint, der Betriebsrat habe aus eigenem Recht grundsätzlich keinen Anspruch auf Durchführung einer von einer anderen Arbeitnehmervertretung in originärer Zuständigkeit abgeschlossenen Betriebsvereinbarung. Dem tritt die Rechtsbeschwerde nicht entgegen. Sie hat ihren Anspruch im Rechtsbeschwerdeverfahren allein auf die Verletzung eines aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG abgeleiteten Mitbestimmungsrechts beschränkt. Dies hat der Betriebsrat in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt. Entsprechend dem so bestimmten Verfahrensgegenstand verfolgt der Betriebsrat auch den in der Beschwerdeinstanz erhobenen zweiten Hilfsantrag zum Antrag zu 1. nicht mehr weiter.

12

II. Die zulässigen Anträge sind unbegründet.

13

1. Der Hauptantrag des Betriebsrats ist nach der gebotenen Auslegung zulässig.

14

a) Nach seinem Wortlaut ist der Hauptantrag auf die Unterlassung der Anwendung von „Google Maps“ gerichtet. Ein solches Antragsverständnis würde auch die Nutzung dieses Routenplaners im Betrieb der Arbeitgeberin umfassen, selbst wenn dabei keine leistungs- oder verhaltensbezogenen Daten von Arbeitnehmern erhoben würden. In diesem Sinn kann der Antrag jedoch nicht verstanden werden. Nach der im Hilfsantrag enthaltenen Einschränkung („insbesondere”) ist bereits der Hauptantrag entsprechend dem betrieblichen Anlassfall dahingehend zu verstehen, dass es dem Betriebsrat um die Untersagung der Nutzung dieses Routenplaners für die Ermittlung der Wegstrecke zwischen der Wohnadresse von Arbeitnehmern zum Arbeitsort geht, soweit diese Angaben für einen Abgleich in Reisekostenanträgen der Belegschaft herangezogen werden sollen. Nur hierüber geht der Streit der Beteiligten. Bei diesem Verständnis des Hauptantrags ist der erste Hilfsantrag des Betriebsrats gegenstandslos.

15

b) Der so verstandene Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Arbeitgeberin könnte bei einer Verurteilung mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, was von ihr verlangt wird.

16

c) Am Rechtsbeschwerdeverfahren sind nur der Betriebsrat und die Arbeitgeberin beteiligt.

17

aa) Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf Anhörung, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz im Einzelfall am Verfahren beteiligt sind. Beteiligte in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen ist. Die ordnungsgemäße Anhörung der Verfahrensbeteiligten ist von Amts wegen noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu prüfen (BAG 9. Juli 2013 - 1 ABR 17/12 - Rn. 11).

18

bb) Aufgrund der vom Betriebsrat vorgenommenen Beschränkung des Verfahrensgegenstands in der Rechtsbeschwerdeinstanz muss der Senat die von den Vorinstanzen unterlassene Beteiligung des Konzern- und des Gesamtbetriebsrats sowie möglicher anderer Betriebsräte im Konzern der Arbeitgeberin nicht nachholen. Von der Entscheidung über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts entsprechend dem betrieblichen Anlassfall sind andere Arbeitnehmervertretungen in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung nicht unmittelbar betroffen.

19

2. Der Antrag ist unbegründet. Ein Mitbestimmungstatbestand nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG liegt nicht vor.

20

a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat ua. mitzubestimmen bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. „Überwachung“ im Sinne der genannten Vorschrift ist ein Vorgang, durch den Informationen über das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers erhoben und - jedenfalls in der Regel - aufgezeichnet werden, um sie auch späterer Wahrnehmung zugänglich zu machen. Die Informationen müssen auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden, so dass sie zumindest für eine gewisse Dauer verfügbar bleiben und vom Arbeitgeber herangezogen werden können (BAG 27. Januar 2004 - 1 ABR 7/03 - Rn. 27, BAGE 109, 235). Die Überwachung muss aber durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden. Dazu muss diese aufgrund ihrer technischen Natur unmittelbar, dh. wenigstens in ihrem Kern die Überwachung vornehmen, indem sie das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer kontrolliert. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG setzt daher voraus, dass die technische Einrichtung selbst und automatisch die Daten über bestimmte Vorgänge verarbeitet(BAG 8. November 1994 - 1 ABR 20/94 - zu B I 1 der Gründe). Ausreichend ist, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels einer technischen Einrichtung erfolgt (BAG 15. Dezember 1992 - 1 ABR 24/92 - zu B Il 1 b der Gründe). Zur Überwachung „bestimmt“ sind technische Einrichtungen dann, wenn sie objektiv geeignet sind, Verhaltens- oder Leistungsinformationen der Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen; auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an.

21

b) Danach unterliegt der Einsatz des Routenplaners „Google Maps“ nicht dem Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

22

aa) Dieser internetbasierte Routenplaner schlägt dem Nutzer entsprechend den von ihm gewählten Vorgaben verschiedene Routen für die von ihm eingegebene Strecke vor. Für diese Wegstrecken werden ua. die zurückzulegenden Kilometer und die von den jeweiligen Verkehrsverhältnissen sowie den eingestellten Wegstreckenparametern abhängigen geschätzten Fahrtzeiten angezeigt. Der Nutzer des Routenplaners erhält nur Angaben über die vom System vorgeschlagenen Fahrmöglichkeiten, nicht aber über eine tatsächlich zurückgelegte Wegstrecke. Diese wird vom Routenplaner nicht ermittelt. Eine Aufzeichnung von Informationen über das Fahrverhalten in Echtzeit nimmt der Routenplaner, anders als etwa GPS-Systeme, nicht vor.

23

bb) Die Vorinstanzen haben nicht aufgeklärt, ob die Arbeitgeberin den Routenplaner auch dazu einsetzt, die Entfernungsangaben der Arbeitnehmer in den Reisekostenanträgen im Sinne einer Ehrlichkeitskontrolle zu überprüfen oder nur zur Ermittlung der kürzesten Wegstrecke für die von ihr zu ersetzenden Reisekosten. Im letztgenannten Fall fehlte es schon an der Bestimmtheit der technischen Einrichtung für die Überwachung der Leistung oder des Verhaltens der Arbeitnehmer iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Die Arbeitgeberin erstattet Reisekosten nur für die kürzeste verkehrsübliche Wegstrecke zwischen dem Ausgangs- und dem Arbeitsort. Für deren Berechnung sind die Entfernungsangaben der Arbeitnehmer in ihren Erstattungsanträgen jedoch ohne Bedeutung.

24

cc) Die Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG lägen aber auch dann nicht vor, wenn zugunsten des Betriebsrats unterstellt würde, dass die Arbeitgeberin den Routenplaner von „Google Maps“ nicht ausschließlich für die Berechnung der erstattungsfähigen Reisekosten einsetzt. Es fehlt an der notwendigen Leistungs- oder Verhaltenskontrolle durch eine technische Einrichtung.

25

Die Überprüfung der in den Reisekostenanträgen enthaltenen Entfernungsangaben wird nicht durch den Routenplaner, sondern ausschließlich durch menschliches Handeln in Gang gesetzt. Der mit der Prüfung der Fahrtkostenabrechnung betraute Bearbeiter entscheidet eigenständig über den Einsatz des Routenplaners und die Verwendung der mit seiner Hilfe erzielten Informationen. Die Reaktion auf Unstimmigkeit bei der Angabe der Wegstrecke wird nicht durch die dabei gewonnenen Ergebnisse bestimmt, sondern hängt davon ab, ob der jeweilige Bearbeiter weitere Schritte zur Aufklärung der Angaben aus der Fahrtkostenabrechnung für notwendig hält. Anders als bei einer automatisierten Verhaltens- und Leistungskontrolle sind der Einsatz des Routenplaners und die Reaktion auf die durch seine Verwendung gewonnenen Erkenntnisse vom Tätigwerden einer kontrollierenden Person abhängig.

26

dd) Eine andere Auslegung des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gebietet auch nicht der Normzweck.

27

(1) Sinn der Vorschrift ist es, Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich der Arbeitnehmer durch Verwendung anonymer technischer Kontrolleinrichtungen nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen (BAG 27. Januar 2004 - 1 ABR 7/03 - zu B II 1 c der Gründe, BAGE 109, 235). Die auf technischem Weg erfolgte Ermittlung und Aufzeichnung von Informationen über den Arbeitnehmer bergen die Gefahr in sich, dass in dessen Persönlichkeitsbereiche eingedrungen wird, die einer nicht technischen Überwachung nicht zugänglich sind, und dass der Arbeitnehmer zum Objekt einer Überwachungstechnik gemacht wird, der er sich nicht entziehen kann (BAG 18. Februar 1986 - 1 ABR 21/84 - zu B II 3 b der Gründe, BAGE 51, 143). Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers wird bei einer technisierten Ermittlung von Verhaltens- und Leistungsdaten wegen der - gegenüber einer Überwachung durch Menschen - ungleich größeren Möglichkeit zur durchgehenden Datenverarbeitung besonders gefährdet. Darüber hinaus sind die Abläufe der technikgestützten Datenermittlung für den Arbeitnehmer vielfach nicht wahrnehmbar und es fehlt regelmäßig an einer Möglichkeit, sich ihr zu entziehen. Die Einbindung in eine von ihm nicht beeinflussbare Überwachungstechnik kann zu erhöhter Abhängigkeit führen und damit die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hindern (BAG 8. November 1994 - 1 ABR 20/94 - zu B I 1 der Gründe).

28

(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind derartige Wirkungen mit der Nutzung des internetbasierten Routenplaners bei der Überprüfung von Angaben in Fahrtkostenabrechnungen allein noch nicht verbunden. Vielmehr steht die Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Nachprüfung ebenso wie die Entscheidung über den Einsatz von weiteren Aufklärungsmitteln allein in der Entscheidungsbefugnis des Bearbeiters. Eine Automatik, dass dem Arbeitnehmer allein beim Auftreten von Differenzen in den Entfernungsangaben zwischen seiner Fahrtkostenabrechnung und der individuellen Routenplanerrecherche eines Sachbearbeiters vorgegebene Maßnahmen drohen, ist weder offensichtlich noch vom Landesarbeitsgericht festgestellt. Auch eine Einflussnahme zu einem bestimmten Verhalten, nämlich die kürzeste Fahrtstrecke zu benutzen, erfolgt allenfalls durch die arbeitgeberseitigen Vorgaben für die Erstattung von Reisekosten, nicht aber durch den Einsatz des Routenplaners.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Schäferkord    

        

    Schwitzer    

                 

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 18. Januar 2012 - 5 TaBV 10/11 - aufgehoben, soweit die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 2. Mai 2011 - 26 BV 23/09 - zurückgewiesen worden ist.

2. Der vorgenannte Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 2. Mai 2011 wird teilweise abgeändert, soweit den Anträgen des Gesamtbetriebsrats entsprochen worden ist.

Die Anträge werden insgesamt abgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über Unterrichtungsansprüche im Bereich der Berufsbildung.

2

Die Arbeitgeberin betreibt ein Einzelhandelsunternehmen. Sie beschäftigt in ca. 370 Filialen rd. 17.500 Mitarbeiter. In ihrem Unternehmen ist der antragstellende Gesamtbetriebsrat gebildet.

3

Die Arbeitgeberin führt unternehmensweit Berufsausbildungsmaßnahmen sowie weitere Berufsbildungsmaßnahmen durch. Zwischen den Beteiligten entstanden im Jahr 2009 Meinungsverschiedenheiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Ermittlung und Erörterung des Berufsbildungsbedarfs ihrer Arbeitnehmer.

4

Der Gesamtbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, er sei für die Wahrnehmung der Rechte aus § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zuständig. Die der Arbeitgeberin nach dieser Vorschrift obliegende Verpflichtung, den Berufsbildungsbedarf zu ermitteln, verlange die Durchführung einer Ist-Analyse, die Erstellung eines Soll-Konzepts und die Ermittlung des betrieblichen Bildungsinteresses der Arbeitnehmer.

5

Der Gesamtbetriebsrat hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung - zuletzt beantragt,

        

1.    

ihm nach Rechtskraft und nachfolgend spätestens zum 31. Januar eines jeden Kalenderjahres eine namentliche Liste aller beschäftigten Arbeitnehmer einschließlich der Auszubildenden zu übergeben, in der die auf die auszuübende Tätigkeit bezogenen vorhandenen Qualifikationen jeweils bezogen auf die einzelnen Arbeitnehmer angegeben werden;

        

2.    

ihm zum 31. Januar jedes folgenden Kalenderjahres eine Liste zu übergeben, in der die durchgeführten Bildungsmaßnahmen des abgelaufenen Kalenderjahres bezogen auf jeden einzelnen Arbeitnehmer mitgeteilt werden;

        

3.    

ihn spätestens zum 31. Januar eines jeden Kalenderjahres über die geplanten Maßnahmen der Berufsausbildung und Maßnahmen der beruflichen Fortbildung und beruflichen Umschulung für das jeweilige Kalenderjahr zu informieren;

        

4.    

ihn bis zum Beginn jedes Geschäftsjahres darüber zu informieren, ob Änderungen der Arbeitsabläufe, Arbeitsinhalte, Einführung neuer technischer Einrichtungen oder andere Investitionen geplant sind, die Auswirkungen auf den Bildungsbedarf der beschäftigten Arbeitnehmer einschließlich der Auszubildenden haben.

6

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

7

Sie hat gemeint, bei einem Teil der betrieblichen Maßnahmen, für die der Gesamtbetriebsrat ein Beteiligungsrecht beanspruche, handele es sich um mitbestimmungsfreie Einweisungen iSv. § 81 Abs. 1 Satz 2 BetrVG.

8

Die Vorinstanzen haben den Anträgen des Gesamtbetriebsrats entsprochen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter.

9

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet.

10

I. Der angefochtene Beschluss ist schon deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil das Beschwerdegericht nicht alle am Verfahren beteiligten Stellen als Verfahrensbeteiligte angehört hat.

11

1. Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf Anhörung, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz im Einzelfall am Verfahren beteiligt sind. Beteiligte in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen ist (vgl. BAG 25. September 2012 - 1 ABR 45/11 - Rn. 18). Die ordnungsgemäße Anhörung der Verfahrensbeteiligten ist von Amts wegen noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu prüfen. Ist die Anhörung eines Beteiligten in den Tatsacheninstanzen unterblieben, stellt dies einen Verfahrensfehler dar, der zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Beschwerdegericht führen kann.

12

2. Das Landesarbeitsgericht hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, die bei der Arbeitgeberin errichteten Betriebsräte im Verfahren anzuhören. Die vom Gesamtbetriebsrat begehrte Entscheidung kann auch deren betriebsverfassungsrechtliche Stellung betreffen. Wird dessen Anträgen entsprochen, stünde fest, dass nur dieser und nicht die in den Betrieben errichteten Betriebsräte für die Ausübung des Beteiligungsrechts aus § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zuständig sind. Die Beteiligung der Betriebsräte musste sich den Vorinstanzen auch deshalb aufdrängen, weil die Arbeitgeberin während des gesamten Verfahrens die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats in Zweifel gezogen hat.

13

II. Einer hierauf gestützten Zurückverweisung bedarf es indes nicht, da der Senat eine eigene Sachentscheidung treffen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Anträge des Gesamtbetriebsrats sind nicht hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und daher unzulässig. Auf die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der Einzelbetriebsräte wirken sie daher nicht ein.

14

1. Im Beschlussverfahren muss ein Antrag ebenso bestimmt sein wie im Urteilsverfahren. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist auf das Beschlussverfahren und die in ihm gestellten Anträge entsprechend anwendbar. Der jeweilige Streitgegenstand muss so konkret umschrieben werden, dass der Umfang der Rechtskraftwirkung für die Beteiligten nicht zweifelhaft ist. Der in Anspruch genommene Beteiligte muss bei einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung eindeutig erkennen können, was von ihm verlangt wird. Die Prüfung, welche Maßnahmen der Schuldner vorzunehmen oder zu unterlassen hat, darf grundsätzlich nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden (BAG 22. Mai 2012 - 1 ABR 11/11 - Rn. 15).

15

2. Streiten die Beteiligten um das Bestehen und den Inhalt eines Beteiligungsrechts hinsichtlich eines betrieblichen Vorgangs, ist dieser so genau zu bezeichnen, dass mit der Entscheidung über den Antrag feststeht, für welche betriebliche Maßnahme eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht eines Beteiligten besteht. Enthält der Antrag Rechtsbegriffe, ist dies unter Bestimmtheitsgesichtspunkten nur ausreichend, wenn sich aus dem Vorbringen der Beteiligten ergibt, welche tatsächlichen und in ihrer rechtlichen Beurteilung zwischen ihnen umstrittenen Sachverhalte von dem im Antrag verwandten Begriff umfasst sind (zum Begriff der Versetzung BAG 11. Dezember 2007 - 1 ABR 73/06 - Rn. 13). Eine dem Antrag stattgebende Entscheidung, die lediglich den Gesetzestext wiederholt, ist regelmäßig nicht geeignet, einen bestimmten Streit der Beteiligten mit Rechtskraftwirkung beizulegen (BAG 6. Dezember 1988 - 1 ABR 43/87 - zu B I 1 der Gründe; 29. Juni 1988 - 7 ABR 15/87 - zu B I 2 b der Gründe, BAGE 59, 120).

16

3. Diesen Bestimmtheitsanforderungen genügen die Anträge des Gesamtbetriebsrats nicht.

17

a) Mit dem Antrag zu 1. möchte der Gesamtbetriebsrat von der Arbeitgeberin jährlich eine namentliche Aufstellung von sämtlichen in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitarbeitern erhalten. In dieser soll sie deren vorhandene Qualifikationen aufführen, soweit diese für die gegenwärtig ausgeübte Tätigkeit von Bedeutung sind. Nach dem Antragsverständnis des Gesamtbetriebsrats bezieht sich die Verpflichtung der Arbeitgeberin auf die Angabe von allen theoretischen und praktischen Kenntnissen, sofern diese tätigkeitsrelevant sein können. Bei dieser Zuordnung muss die Arbeitgeberin beurteilen, ob die ihr bekannten Qualifikationen der Arbeitnehmer für die von ihnen auszuübenden Tätigkeiten von Bedeutung sind. Der Gesamtbetriebsrat hat aber weder schriftsätzlich noch in der Anhörung vor dem Senat verdeutlicht, nach welchen Kriterien sich die Beurteilung der Tätigkeitsrelevanz einer Qualifikation für die auszuübende Tätigkeit bestimmt.

18

b) Die Anträge zu 2. und 3. genügen nicht dem Bestimmtheitserfordernis, weil nicht hinreichend deutlich ist, über welche Maßnahmen die Arbeitgeberin den Gesamtbetriebsrat vergangenheits- und zukunftsbezogen unterrichten soll. Der Gesamtbetriebsrat hat in der Anhörung vor dem Senat klargestellt, dass der in dieser Form in den Einzelvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes nicht verwandte Begriff der „Bildungsmaßnahmen“ die in § 1 Abs. 1 BBiG bezeichneten Maßnahmen zur Berufsausbildung, beruflichen Fortbildung und beruflicher Umschulung erfassen soll. Damit ist die mit den Anträgen erstrebte Verpflichtung der Arbeitgeberin jedoch nicht hinreichend beschrieben, sondern es wird nur der Gesetzeswortlaut wiederholt. Dies war vorliegend nicht ausreichend. Zwischen den Beteiligten bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Maßnahmen von der Erörterungspflicht des § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erfasst werden oder von der Arbeitgeberin nach § 81 Abs. 1 BetrVG ohne Beteiligung der Betriebsräte durchgeführt werden können. Es wäre daher Aufgabe des antragstellenden Gesamtbetriebsrats gewesen, die Maßnahmen, für die er ein Beteiligungsrecht nach § 96 Abs. 1 BetrVG beansprucht, abstrahierend zu bezeichnen(BAG 23. April 1991 - 1 ABR 49/90 - zu B II 1 der Gründe). Nur so kann die Arbeitgeberin erkennen, welche Verpflichtungen sie bei einer stattgebenden Entscheidung erfüllen muss.

19

c) Unbestimmt ist auch der Antrag zu 4. Es ist weder offenkundig noch vom Gesamtbetriebsrat näher ausgeführt, welchen Inhalt die im Antrag verwandten Begriffe „Änderungen der Arbeitsabläufe“, „Arbeitsinhalte“, „Einführung neuer technischer Einrichtungen“ oder „andere Investitionen“ haben. Einer solchen Klarstellung hätte es insbesondere deshalb bedurft, weil die Beteiligten vorprozessual und in den Vorinstanzen darüber gestritten haben, ob bestimmte betriebliche Veränderungen eine Änderung der Arbeitsmethode oder des Arbeitsablaufs darstellen. Es bleibt zudem offen, unter welchen Voraussetzungen die im Antrag genannten Maßnahmen „Auswirkungen“ auf den Bildungsbedarf der Arbeitnehmer haben. Aus dem Vorbringen des Gesamtbetriebsrats wird nicht erkennbar, nach welchen Kriterien die Arbeitgeberin diese Beurteilung vornehmen soll.

20

4. Einer Anhörung der Einzelbetriebsräte im Rechtsbeschwerdeverfahren bedurfte es demnach nicht mehr. Die Anträge des Gesamtbetriebsrats werden durch diese Entscheidung aufgrund ihrer fehlenden Bestimmtheit als unzulässig abgewiesen. Hierdurch erwächst weder eine Rechtskraft- noch eine Bindungswirkung in Bezug auf die Zuständigkeit für das Beteiligungsrecht aus § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Damit steht fest, dass die Einzelbetriebsräte durch eine Entscheidung in diesem Verfahren nicht in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung betroffen werden.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Sibylle Spoo    

        

    Hann    

                 

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen. Die am Verfahren Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken.

(1a) Der Vorsitzende kann den Beteiligten eine Frist für ihr Vorbringen setzen. Nach Ablauf einer nach Satz 1 gesetzten Frist kann das Vorbringen zurückgewiesen werden, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts seine Zulassung die Erledigung des Beschlussverfahrens verzögern würde und der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt. Die Beteiligten sind über die Folgen der Versäumung der nach Satz 1 gesetzten Frist zu belehren.

(2) Zur Aufklärung des Sachverhalts können Urkunden eingesehen, Auskünfte eingeholt, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernommen und der Augenschein eingenommen werden.

(3) In dem Verfahren sind der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Stellen zu hören, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Sprecherausschussgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz, dem Drittelbeteiligungsgesetz, den §§ 177, 178 und 222 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, dem § 18a des Berufsbildungsgesetzes und den zu diesen Gesetzen ergangenen Rechtsverordnungen sowie nach dem Gesetz über Europäische Betriebsräte, dem SE-Beteiligungsgesetz, dem SCE-Beteiligungsgesetz, dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung und dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung im einzelnen Fall beteiligt sind.

(4) Die Beteiligten können sich schriftlich äußern. Bleibt ein Beteiligter auf Ladung unentschuldigt aus, so ist der Pflicht zur Anhörung genügt; hierauf ist in der Ladung hinzuweisen. Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(5) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Arbeitsgerichts oder seines Vorsitzenden findet die Beschwerde nach Maßgabe des § 78 statt.

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 29. Januar 2014 - 4 Ta 248/13 (9) - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 8.137,02 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten im Ausgangsverfahren über Annahmeverzugsansprüche der Klägerin für die Monate Juni 2012 bis Mai 2013 in Höhe von 60.000,00 Euro brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 19.314,90 Euro.

2

Die Beklagte hatte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche verhaltensbedingte Kündigung vom 23. April 2012 zum 31. Mai 2012 gekündigt. Mit Urteil vom 5. Dezember 2012 hat das Arbeitsgericht Dresden der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die von der Beklagten eingelegte Berufung ist durch das Sächsische Landesarbeitsgericht durch Beschluss vom 5. April 2013 (- 6 Sa 13/13 -) ohne Zulassung der Revisionsbeschwerde als unzulässig verworfen worden. Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge wies das Sächsische Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 11. Juni 2013 (- 6 Sa 265/13 -) zurück. Die Beklagte erhob daraufhin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts und die Beschlüsse des Sächsischen Landesarbeitsgerichts beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde (- 1 BvR 1954/13 -), über die noch nicht entschieden ist.

3

Mit Beschluss vom 27. September 2013 hat das Arbeitsgericht Dresden den Rechtsstreit auf Antrag der Beklagten gemäß § 148 ZPO bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ausgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Sächsische Landesarbeitsgericht durch Beschluss vom 29. Januar 2014 diese Entscheidung aufgehoben und den Aussetzungsantrag zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

4

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht nimmt im Ergebnis zutreffend an, dass eine Aussetzung des Rechtsstreits im Hinblick auf die erhobene Verfassungsbeschwerde nicht in Betracht kommt.

5

1. Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Das Gesetz stellt die Aussetzung in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts. Eine Aussetzung muss nur dann erfolgen, wenn sich das Ermessen des Gerichts auf null reduziert hat (BAG 17. Juni 2003 - 2 AZR 245/02 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 106, 293). Gegenüber dem vorrangigen Zweck einer Aussetzung - einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern - sind insbesondere die Nachteile einer langen Verfahrensdauer und die dabei entstehenden Folgen für die Parteien abzuwägen (BAG 17. Juni 2003 - 2 AZR 245/02 - zu B II 2 c der Gründe, aaO). Dabei ist der Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 ArbGG ebenso zu berücksichtigen wie die Vorschriften zum Schutz vor überlanger Verfahrensdauer(§ 9 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, § 198 ff. GVG).

6

2. Es kann dahinstehen, ob die Auffassung des Landesarbeitsgerichts zutrifft, wonach es wegen der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts Dresden über die Kündigung bereits an einem vorgreiflichen Rechtsverhältnis, das Gegenstand eines anhängigen Rechtsstreits ist, fehlt.

7

a) Das Landesarbeitsgericht nimmt insoweit zutreffend an, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts Dresden nach Verwerfung der Berufung der Beklagten als unzulässig (§ 66 Abs. 2 Satz 2 ArbGG iVm. § 522 Abs. 1 ZPO) und (spätestens) nach der Entscheidung über deren Anhörungsrüge (§ 78a ArbGG) rechtskräftig geworden ist. Hieran ändert die erhobene Verfassungsbeschwerde nichts. Bei ihr handelt es sich um einen außerordentlichen Rechtsbehelf, der die Rechtskraft des angegriffenen Urteils nicht hemmt und die Pflicht des Unterlegenen, das Urteil zu befolgen, nicht beseitigt (BVerfG 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - zu C III 2 a aa der Gründe, BVerfGE 107, 395; 18. Januar 1996 - 1 BvR 2116/94 - zu B der Gründe, BVerfGE 93, 381). Damit steht (zunächst) rechtskräftig fest, dass die Kündigung vom 23. April 2012 unwirksam war.

8

b) Kommt allerdings das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der erhobenen Verfassungsbeschwerde zu dem Ergebnis, dass das Recht der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt wurde und hebt es die Beschlüsse des Landesarbeitsgerichts gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG auf, stünde die Wirksamkeit der Kündigung erneut im Streit. Deshalb spricht manches dafür, dass trotz des anderen Streitgegenstandes der Verfassungsbeschwerde (vgl. dazu Zuck Das Recht der Verfassungsbeschwerde 4. Aufl. Rn. 19) die Annahme des Bestehens eines vorgreiflichen Rechtsstreits und eine entsprechende Anwendung des § 148 ZPO im Einzelfall nicht ausgeschlossen sind(vgl. zu dieser Möglichkeit: BVerfG 11. Januar 2000 - 1 BvR 1392/99 - zu II 2 der Gründe; BAG 28. Januar 1988 - 2 AZR 296/87 - zu II 3 a der Gründe; BGH 17. Juli 2013 - IV ZR 150/12 - [jeweils zu anhängigen Verfassungsbeschwerden über ein entscheidungserhebliches Gesetz]; BAG 27. Januar 1998 - 3 AZR 430/96 - zu A der Gründe [zu Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen in Parallelfällen]).

9

3. Unabhängig hiervon ist die angegriffene Entscheidung nicht zu beanstanden. Das Arbeitsgericht durfte den Rechtsstreit über die von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsansprüche (§ 615 BGB) nicht aussetzen. Auch unter Berücksichtigung der - was die Ermessensausübung angeht - eingeschränkten Überprüfungskompetenz im Beschwerderechtszug (vgl. dazu BAG 26. Oktober 2009 - 3 AZB 24/09 - Rn. 7 ff.; BGH 12. Dezember 2005 - II ZB 30/04 - Rn. 6) hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts einer Überprüfung nicht stand. Es hat die Grenzen seines Ermessens deutlich überschritten und wesentliche Aspekte verkannt.

10

a) Die Vorgreiflichkeit eines Rechtsstreits ist kein Ermessenskriterium, sondern eine Voraussetzung des § 148 ZPO, die erfüllt sein muss, damit das Ermessen des Gerichts überhaupt eröffnet ist(BVerfG 22. September 2008  - 1 BvR 1707/08 - Rn. 19, BVerfGK 14, 270).

11

b) Führen Parteien einen Rechtsstreit über Entgeltansprüche, die von der Wirksamkeit einer Kündigung abhängen, über die bereits eine (nicht rechtskräftige) Entscheidung zugunsten des Arbeitnehmers vorliegt, kommt eine Aussetzung dieses Rechtsstreits regelmäßig nicht in Betracht. Dem steht der Umstand entgegen, dass der Arbeitnehmer typischerweise auf seine Vergütung angewiesen ist und sich nicht auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen verweisen lassen muss, wenn ein Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber besteht. Der arbeitsrechtliche Beschleunigungsgrundsatz (§ 9 Abs. 1 ArbGG) verbietet in solchen Fällen regelmäßig, eine Aussetzung vorzunehmen (vgl. zB LAG Köln 19. Juni 2006 - 3 Ta 60/06 -; LAG Schleswig-Holstein 24. November 2006 - 2 Ta 268/06 -; Hessisches LAG 3. Juli 2002 - 12 Ta 213/02 -; Thüringer LAG 27. Juni 2001 - 6/9 Ta 160/00 -; Düwell/Lipke/Kloppenburg ArbGG 3. Aufl. § 55 Rn. 25; GK-ArbGG/Schütz Stand Dezember 2013 § 55 Rn. 48; GMP/Germelmann ArbGG 8. Aufl. § 55 Rn. 29; Schwab/Weth/Korinth ArbGG 3. Aufl. § 55 Rn. 43; vgl. auch BVerfG 22. September 2008 - 1 BvR 1707/08 - Rn. 20, BVerfGK 14, 270). Für eine ermessensfehlerfreie Aussetzungsentscheidung müssen in einem solchen Fall besondere Gründe des Einzelfalls vorliegen, die das schützenswerte Interesse des Arbeitnehmers an einer auch vorläufigen Existenzsicherung ausnahmsweise überwiegen (LAG Köln 14. Dezember 1992 - 11 Ta 234/92 -). Der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit, nämlich den Rechtsstreit über die Vergütung ggf. deutlich zu vereinfachen, kann dabei keine Rolle spielen. Diese Erwägungen gelten erst recht, wenn das zunächst vorgreifliche Verfahren über die Wirksamkeit einer Kündigung rechtskräftig abgeschlossen und lediglich ein außerordentlicher Rechtsbehelf eingelegt ist. Solche besonderen Gründe hat das Arbeitsgericht weder erwogen noch hat die Beklagte diese vorgetragen. Sie hat sich vielmehr ausschließlich auf die Vorgreiflichkeit ihrer Verfassungsbeschwerde berufen. Allein die Gefahr widersprechender Entscheidungen bei einem Erfolg der Verfassungsbeschwerde und einem Erfolg der Beklagten im dann fortzusetzenden Kündigungsschutzprozess führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Arbeitgeberin bleibt auch im Fall einer Ablehnung der Aussetzung nicht schutzlos. Sollte es nach einem Erfolg ihrer Verfassungsbeschwerde im Ergebnis zur Abweisung der Kündigungsschutzklage kommen, stünde ihr, falls der Vergütungsklage rechtskräftig stattgegeben worden ist, die Restitutionsklage nach § 580 Nr. 6 ZPO zur Verfügung(vgl. BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 6 der Gründe, BAGE 103, 290; vgl. auch BGH 23. November 2006 - IX ZR 141/04 - zu I 2 b der Gründe). Ob in Fällen, in denen erkennbar eine Überschreitung der 5-Jahres-Frist des § 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO droht, etwas anderes gilt, kann dahinstehen. Dafür gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte.

12

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

        

        

        

                 

(1) Tarifvertragsparteien sind Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern.

(2) Zusammenschlüsse von Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern (Spitzenorganisationen) können im Namen der ihnen angeschlossenen Verbände Tarifverträge abschließen, wenn sie eine entsprechende Vollmacht haben.

(3) Spitzenorganisationen können selbst Parteien eines Tarifvertrags sein, wenn der Abschluß von Tarifverträgen zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben gehört.

(4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 haften sowohl die Spitzenorganisationen wie die ihnen angeschlossenen Verbände für die Erfüllung der gegenseitigen Verpflichtungen der Tarifvertragsparteien.

(1) Der Aufsichtsrat eines Unternehmens

1.
mit in der Regel nicht mehr als 10 000 Arbeitnehmern setzt sich zusammen aus je sechs Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer;
2.
mit in der Regel mehr als 10 000, jedoch nicht mehr als 20 000 Arbeitnehmern setzt sich zusammen aus je acht Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer;
3.
mit in der Regel mehr als 20 000 Arbeitnehmern setzt sich zusammen aus je zehn Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer.
Bei den in Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Unternehmen kann die Satzung (der Gesellschaftsvertrag) bestimmen, daß Satz 1 Nr. 2 oder 3 anzuwenden ist. Bei den in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Unternehmen kann die Satzung (der Gesellschaftsvertrag) bestimmen, daß Satz 1 Nr. 3 anzuwenden ist.

(2) Unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer müssen sich befinden

1.
in einem Aufsichtsrat, dem sechs Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer angehören, vier Arbeitnehmer des Unternehmens und zwei Vertreter von Gewerkschaften;
2.
in einem Aufsichtsrat, dem acht Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer angehören, sechs Arbeitnehmer des Unternehmens und zwei Vertreter von Gewerkschaften;
3.
in einem Aufsichtsrat, dem zehn Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer angehören, sieben Arbeitnehmer des Unternehmens und drei Vertreter von Gewerkschaften.

(3) Unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer eines in § 1 Absatz 1 genannten, börsennotierten Unternehmens müssen im Fall des § 96 Absatz 2 Satz 3 des Aktiengesetzes Frauen und Männer jeweils mit einem Anteil von mindestens 30 Prozent vertreten sein. Satz 1 gilt auch für ein nicht börsennotiertes Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes im Sinne des § 393a Absatz 1 des Aktiengesetzes oder des § 77a Absatz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

(4) Die in Absatz 2 bezeichneten Arbeitnehmer des Unternehmens müssen das 18. Lebensjahr vollendet haben und ein Jahr dem Unternehmen angehören. Auf die einjährige Unternehmensangehörigkeit werden Zeiten der Angehörigkeit zu einem anderen Unternehmen, dessen Arbeitnehmer nach diesem Gesetz an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern des Unternehmens teilnehmen, angerechnet. Diese Zeiten müssen unmittelbar vor dem Zeitpunkt liegen, ab dem die Arbeitnehmer zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern des Unternehmens berechtigt sind. Die weiteren Wählbarkeitsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes müssen erfüllt sein.

(5) Die in Absatz 2 bezeichneten Gewerkschaften müssen in dem Unternehmen selbst oder in einem anderen Unternehmen vertreten sein, dessen Arbeitnehmer nach diesem Gesetz an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern des Unternehmens teilnehmen.

(1) Die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds oder eines Ersatzmitglieds der Arbeitnehmer kann beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, daß durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflußt werden konnte.

(2) Zur Anfechtung berechtigt sind

1.
mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer des Unternehmens,
2.
der Gesamtbetriebsrat des Unternehmens oder, wenn in dem Unternehmen nur ein Betriebsrat besteht, der Betriebsrat sowie, wenn das Unternehmen herrschendes Unternehmen eines Konzerns ist, der Konzernbetriebsrat, soweit ein solcher besteht,
3.
der Gesamt- oder Unternehmenssprecherausschuss des Unternehmens oder, wenn in dem Unternehmen nur ein Sprecherausschuss besteht, der Sprecherausschuss sowie, wenn das Unternehmen herrschendes Unternehmen eines Konzerns ist, der Konzernsprecherausschuss, soweit ein solcher besteht,
4.
der Gesamtbetriebsrat eines anderen Unternehmens, dessen Arbeitnehmer nach diesem Gesetz an der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder des Unternehmens teilnehmen, oder, wenn in dem anderen Unternehmen nur ein Betriebsrat besteht, der Betriebsrat,
5.
der Gesamt- oder Unternehmenssprecherausschuss eines anderen Unternehmens, dessen Arbeitnehmer nach diesem Gesetz an der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder des Unternehmens teilnehmen, oder, wenn in dem anderen Unternehmen nur ein Sprecherausschuss besteht, der Sprecherausschuss,
6.
jede nach § 16 Abs. 2 vorschlagsberechtigte Gewerkschaft,
7.
das zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugte Organ.
Die Anfechtung ist nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tag der Veröffentlichung im Bundesanzeiger an gerechnet, zulässig.

(1) Ist streitig oder ungewiss, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist, so entscheidet darüber auf Antrag ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat.

(2) Antragsberechtigt sind

1.
der Vorstand,
2.
jedes Aufsichtsratsmitglied,
3.
jeder Aktionär,
4.
der Gesamtbetriebsrat der Gesellschaft oder, wenn in der Gesellschaft nur ein Betriebsrat besteht, der Betriebsrat,
5.
der Gesamt- oder Unternehmenssprecherausschuss der Gesellschaft oder, wenn in der Gesellschaft nur ein Sprecherausschuss besteht, der Sprecherausschuss,
6.
der Gesamtbetriebsrat eines anderen Unternehmens, dessen Arbeitnehmer nach den gesetzlichen Vorschriften, deren Anwendung streitig oder ungewiß ist, selbst oder durch Delegierte an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft teilnehmen, oder, wenn in dem anderen Unternehmen nur ein Betriebsrat besteht, der Betriebsrat,
7.
der Gesamt- oder Unternehmenssprecherausschuss eines anderen Unternehmens, dessen Arbeitnehmer nach den gesetzlichen Vorschriften, deren Anwendung streitig oder ungewiss ist, selbst oder durch Delegierte an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft teilnehmen, oder, wenn in dem anderen Unternehmen nur ein Sprecherausschuss besteht, der Sprecherausschuss,
8.
mindestens ein Zehntel oder einhundert der Arbeitnehmer, die nach den gesetzlichen Vorschriften, deren Anwendung streitig oder ungewiß ist, selbst oder durch Delegierte an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft teilnehmen,
9.
Spitzenorganisationen der Gewerkschaften, die nach den gesetzlichen Vorschriften, deren Anwendung streitig oder ungewiß ist, ein Vorschlagsrecht hätten,
10.
Gewerkschaften, die nach den gesetzlichen Vorschriften, deren Anwendung streitig oder ungewiß ist, ein Vorschlagsrecht hätten.
Ist die Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes oder die Anwendung von Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes streitig oder ungewiß, so sind außer den nach Satz 1 Antragsberechtigten auch je ein Zehntel der wahlberechtigten in § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Mitbestimmungsgesetzes bezeichneten Arbeitnehmer oder der wahlberechtigten leitenden Angestellten im Sinne des Mitbestimmungsgesetzes antragsberechtigt.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten sinngemäß, wenn streitig ist, ob der Abschlußprüfer das nach § 3 oder § 16 des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes maßgebliche Umsatzverhältnis richtig ermittelt hat.

(4) Entspricht die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht der gerichtlichen Entscheidung, so ist der neue Aufsichtsrat nach den in der Entscheidung angegebenen gesetzlichen Vorschriften zusammenzusetzen. § 97 Abs. 2 gilt sinngemäß mit der Maßgabe, daß die Frist von sechs Monaten mit dem Eintritt der Rechtskraft beginnt.

(1) Die Wahl kann beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

(2) Zur Anfechtung berechtigt sind mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber. Die Wahlanfechtung ist nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig.

(3) Die Anfechtung durch die Wahlberechtigten ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist, wenn nicht zuvor aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt wurde. Dies gilt nicht, wenn die anfechtenden Wahlberechtigten an der Einlegung eines Einspruchs gehindert waren. Die Anfechtung durch den Arbeitgeber ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist und wenn diese Unrichtigkeit auf seinen Angaben beruht.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1. - 9. gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. März 2011 - 9 TaBV 164/10 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl des Arbeitnehmervertreters im Aufsichtsrat der Beteiligten zu 10.

2

Die Beteiligte zu 10. ist ein Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH. Bei ihr sind 555 Mitarbeiter angestellt. Sie betreibt zusammen mit der Beteiligten zu 13., bei der 833 Mitarbeiter angestellt sind, fünf Regionalbahnen nämlich die K mit insgesamt 165 Mitarbeitern, die E mit insgesamt 237 Mitarbeitern, die O mit insgesamt 27 Mitarbeitern, die S mit insgesamt 581 Mitarbeitern und die W mit insgesamt 262 Mitarbeitern. Beide Unternehmen gehören zum Deutsche Bahn Konzern. Grund ihrer gesellschaftsrechtlichen Trennung ist, dass das der Gründung der Deutsche Bahn AG zugrundeliegende Gesetz eine Trennung der Verkehrsdienstleistungen und der Infrastruktur vorsieht.

3

Zwischen den Beteiligten zu 10. und 13. auf Arbeitgeberseite und der Tarifgemeinschaft der Eisenbahnergewerkschaften, bestehend aus der Gewerkschaft TRANSNET, der GDBA und GDL, auf Arbeitnehmerseite besteht ein am 15. Dezember 2005 abgeschlossener „Tarifvertrag zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragen bei der DB RegioNetz Infrastruktur GmbH und DB RegioNetz Verkehrs GmbH (BetrVTV-RegioNetz)“. Nach § 2 iVm. dem Anhang zum BetrVTV-RegioNetz sind Betriebsräte bei der Geschäftsführung sowie für die jeweiligen als Profitcenter ausgestalteten Regionalbahnen zu wählen.

4

Am 3. März 2010 fanden bei der Beteiligten zu 10. Wahlen für den Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat statt. Dabei behandelte der Wahlvorstand auch die Arbeitnehmer, die einen Arbeitsvertrag mit der Beteiligten zu 13. haben, als wahlberechtigt. Sie nahmen an der Wahl teil. Deren Ergebnis wurde am 12. März 2010 im Bundesanzeiger bekannt gemacht. Der jetzige Beteiligte zu 12. ist für den in diesen Wahlen gewählten und während des Rechtsbeschwerdeverfahrens verstorbenen früheren Beteiligten zu 12. als gewähltes Ersatzmitglied in den Aufsichtsrat nachgerückt.

5

Die Antragsteller zu 1. und 2. sind Arbeitnehmer der Beteiligten zu 10., die Antragsteller zu 3. - 9. der Beteiligten zu 13. Mit ihrem am 26. März 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz haben sie die Ansicht vertreten, die Wahl des zu 11. beteiligten Aufsichtsrats der Beteiligten zu 10. sei nichtig, weil Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zur Beteiligten zu 13. stehen, nach dem Drittelbeteiligungsgesetz für diese Wahl nicht wahlberechtigt seien. Jedenfalls sei die Wahl deswegen aber anfechtbar.

6

Die Beteiligten zu 1. - 9. haben sinngemäß beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die bei der Beteiligten zu 10. nach Maßgabe des Drittelbeteiligungsgesetzes durchgeführte Wahl des Arbeitnehmervertreters in den Aufsichtsrat nichtig ist;

        

2.    

hilfsweise, die bei der Beteiligten zu 10. nach Maßgabe des Drittelbeteiligungsgesetzes durchgeführte Aufsichtsratswahl für unwirksam zu erklären.

7

Die Beteiligten zu 10. und 13. sowie das früher zu 12. beteiligte Aufsichtsratsmitglied haben beantragt,

        

die Anträge abzuweisen.

8

Der Beteiligte zu 11. hat keinen Antrag gestellt.

9

Die Beteiligten zu 10. und 13. sowie das früher zu 12. beteiligte Aufsichtsratsmitglied haben die Wahl des Aufsichtsratsmitglieds für rechtswirksam gehalten. Es seien auch die Arbeitnehmer eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen an der Aufsichtsratswahl zu beteiligen, die in keinem Arbeitsverhältnis zum Unternehmen stünden, dessen Aufsichtsrat zu wählen sei.

10

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1. - 9. zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1. - 9. ihre Anträge weiter. Im Rechtsbeschwerdeverfahren berufen sie sich zuletzt ergänzend darauf, dass der BetrVTV-RegioNetz unwirksam sei und daher schon kein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen vorliege, der zur Wahlberechtigung der bei der Beteiligten zu 13. angestellten Arbeitnehmer führen könne. Die Beteiligten zu 10. und 13. sowie der nunmehr zu 12. Beteiligte begehren die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde. Der zu 11. beteiligte Aufsichtsrat stellt keinen Antrag.

11

B. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Anträge abgewiesen. Die Wahl des Aufsichtsratsmitglieds der Arbeitnehmer bei der Beteiligten zu 10. ist weder nichtig noch anfechtbar.

12

I. Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet.

13

1. Der Hauptantrag ist zulässig.

14

Die Feststellung der Nichtigkeit einer Wahl nach dem Drittelbeteiligungsgesetz kann - unabhängig von den formellen Voraussetzungen einer Wahlanfechtung nach § 11 Drittelbeteiligungsgesetz - von jedermann jederzeit geltend gemacht werden, sofern hieran ein rechtliches Interesse besteht(BAG 13. März 2013 - 7 ABR 47/11 - Rn. 10 mwN). Dies ist bei den Antragstellern, die zu den vom Wahlvorstand an der Wahl beteiligten Arbeitnehmern gehören, der Fall. Der Antrag ist auch hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwar ist das Datum der Wahl im Antrag nicht angegeben, aus der Antragsbegründung ergibt sich jedoch, dass die am 3. März 2010 durchgeführte Wahl gemeint ist.

15

2. Der Hauptantrag ist unbegründet. Die Wahl ist nicht nichtig.

16

a) Die Nichtigkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer kann wegen der damit verbundenen weitreichenden Folgen nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden, in denen die Voraussetzungen der Wahl nicht vorliegen oder bei der Wahl gegen fundamentale Wahlgrundsätze in so hohem Maße verstoßen wurde, dass nicht einmal der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl vorliegt (BAG 13. März 2013 - 7 ABR 47/11 - Rn. 13 mwN).

17

b) Hiernach ist die Wahl nicht nichtig.

18

aa) Die Voraussetzungen der Wahl liegen vor. Als Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist die Beteiligte zu 10. nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Abs. 1 Drittelbeteiligungsgesetz verpflichtet, einen drittelbeteiligten Aufsichtsrat zu bilden. Diese Voraussetzung ist hier schon deshalb erfüllt, weil bei der Beteiligten zu 10. mehr als 500 Arbeitnehmer angestellt sind.

19

bb) Die Wahl verstößt auch nicht in so hohem Maße gegen fundamentale Wahlgrundsätze, dass nicht einmal mehr der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl vorliegt. Die Antragsteller berufen sich darauf, der Kreis der wahlberechtigten Arbeitnehmer sei verkannt worden. Ein derartiger Fehler begründet jedoch in der Regel nicht die Nichtigkeit der Wahl (vgl. BAG 13. März 2013 - 7 ABR 47/11 - Rn. 15). Auch hier wäre der Verstoß nicht so gewichtig, dass schon der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl nicht mehr vorläge.

20

II. Auch der Hilfsantrag ist zulässig, aber unbegründet.

21

1. Der Hilfsantrag ist ebenfalls hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Aus der Antragsbegründung ergibt sich, dass die am 3. März 2010 durchgeführte Wahl angefochten werden soll.

22

2. Die Anfechtungsfrist des § 11 Abs. 2 Satz 2 DrittelbG ist gewahrt.

23

3. Die Anfechtungsberechtigung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 DrittelbG konnte zugunsten sämtlicher Antragsteller unterstellt werden, obwohl die Antragsteller zu 3. - 9. die - zur Wahlanfechtung grundsätzlich erforderliche - eigene Wahlberechtigung gerade selbst in Abrede stellen.

24

4. Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, sind die Voraussetzungen der Wahlanfechtung nicht gegeben. Nach § 11 Abs. 1 DrittelbG setzt die Anfechtung der Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ua. voraus, dass gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist. Hier liegt ein Verstoß gegen Wahlvorschriften nicht vor. Die in einem Arbeitsverhältnis zur Beteiligten zu 13. stehenden, bei der Geschäftsführung und den fünf Regionalbahnen tätigen Arbeitnehmer waren berechtigt, an der Wahl des Aufsichtsratsmitglieds der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat der Beteiligten zu 10. teilzunehmen.

25

a) Wie der Senat in dem Beschluss vom 13. März 2013 (- 7 ABR 47/11 - Rn. 24 ff. mwN) im Hinblick auf die Aufsichtsratswahl bei der Beteiligten zu 13. entschieden und ausführlich begründet hat, gehören zu den „Arbeitnehmern des Unternehmens“, die nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Drittelbeteiligungsgesetz wahlberechtigt sind, auch Arbeitnehmer, die in einem Betrieb arbeiten, den ein Unternehmen mit einem anderen Unternehmen zusammen führt und die in einem Arbeitsverhältnis zu diesem anderen Unternehmen stehen. Hieran hält der Senat fest und sieht von einer erneuten Darlegung der hierfür entscheidenden Erwägungen ab. Auch die Antragsteller haben gegen die Ausführungen im Beschluss vom 13. März 2013 (- 7 ABR 47/11 -) keine Einwendungen erhoben.

26

b) Entgegen den von den Antragstellern im Rechtsbeschwerdeverfahren zuletzt geltend gemachten Bedenken sind die vom Wahlvorstand in die Wahl einbezogenen Arbeitnehmer der Beteiligten zu 13. Arbeitnehmer eines von der Beteiligten zu 10. mit der Beteiligten zu 13. geführten gemeinsamen Betriebs. Dabei kommt es auf die Wirksamkeit des BetrVTV-RegioNetz nicht an. Auch im Falle von dessen Unwirksamkeit wären die von den Beteiligten zu 10. und 13. geführten Betriebe gemeinsame Betriebe iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG.

27

aa) Von einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen ist auszugehen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Dazu müssen sich die beteiligten Unternehmen zumindest konkludent zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Diese einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Funktionen eines Arbeitgebers in sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken. Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genügt dagegen nicht. Vielmehr müssen die Funktionen des Arbeitgebers in den sozialen und personellen Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden (vgl. zB BAG 13. August 2008 - 7 ABR 21/07 - Rn. 19; zuletzt 13. Februar 2013 - 7 ABR 36/11 - Rn. 28 mwN).

28

bb) Diese Voraussetzungen sind nach den vom Landesarbeitsgericht - überwiegend im Wege der Bezugnahme - getroffenen Feststellungen erfüllt.

29

Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist der Senat als Rechtsbeschwerdegericht auf eine Rechtskontrolle des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts beschränkt. Ebenso wie im Revisionsverfahren nach § 559 ZPO unterliegt seiner Beurteilung nur der vom Beschwerdegericht festgestellte Sachverhalt sowie grundsätzlich nur das aus der Beschwerdeentscheidung oder dem Sitzungsprotokoll ersichtliche Vorbringen der Beteiligten. Hier hat das Beschwerdegericht sowohl auf den vorgetragenen Inhalt der Beschwerdeschriftsätze als auch wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens auf die Gründe des Beschlusses des Arbeitsgerichts verwiesen. Das Arbeitsgericht hat wiederum auf die Ausführungen der Beteiligten zu 10. in ihrem Schriftsatz vom 7. Juni 2010 und des seinerzeitigen Beteiligten zu 12. im Schriftsatz vom 11. Juni 2010 Bezug genommen. Hiergegen hat keiner der Beteiligten Einwendungen erhoben.

30

Der Senat hat daher das Vorbringen der Beteiligten zu 10. und des früheren Beteiligten zu 12. in ihren vom Arbeitsgericht in Bezug genommenen Schriftsätzen zugrunde zu legen. Danach haben die Beteiligten zu 10. und 13. jeweils eine Geschäftsführung bestehend aus einem Sprecher und zwei weiteren Geschäftsführern. Diese sind personenidentisch. Die Geschäftsführung entscheidet über alle Angelegenheiten von grundsätzlicher oder wesentlicher Bedeutung für die Gesellschaften. Unterhalb der Geschäftsführungsebene sind die einzelnen Regionalbahnen jeweils als „Profitcenter“ ausgestaltet. Dort besteht für die Planung und das operative Geschäft eine eigene Leitungsebene. Die jeweils für die Leitung zuständige Person handelt in dieser Funktion sowohl für die Beteiligte zu 10. als auch für die Beteiligte zu 13. Bei größeren Profitcentern wird ein Teil der Leitungstätigkeit auf andere Mitglieder der Profitcenterleitung übertragen. Auch insoweit besteht Personenidentität. Die Leitung der Profitcenter ist für alle Personalfragen, einschließlich der Personalentwicklung und des Sicherstellens der ordnungsgemäßen Durchführung von arbeitsrechtlichen, betriebsverfassungsrechtlichen und tariflichen Angelegenheiten zuständig. Soziale Einrichtungen der Profitcenter werden von Arbeitnehmern beider Unternehmen genutzt. Soweit es einen Personalleiter gibt, ist dabei dieser für den Kontakt mit dem Betriebsrat zuständig. Betriebsräte sind bei der gemeinsamen Geschäftsführung der Beteiligten zu 10. und 13. sowie in den einzelnen Profitcentern eingerichtet. Die Beteiligte zu 10. und der frühere Beteiligte zu 12. haben daraus abgeleitet, dass zwischen den Beteiligten zu 10. und 13. Gemeinschaftsbetriebe nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG bestehen. Dass die Antragsteller dieses Vorbringen nicht bestreiten wollten, ergibt sich schon daraus, dass sie in der vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Beschwerdebegründung vom 14. September 2010 ausgeführt haben, die Beteiligten zu 10. und 13. würden „auf betrieblicher Ebene Gemeinschaftsbetriebe“ bilden.

31

Dem entspricht im Übrigen auch die im BetrVTV-RegioNetz vorgenommene Zuordnung. Daher kommt es nicht darauf an, ob für die Anwendung des Drittelbeteiligungsgesetzes auf die gesetzliche oder ggf. auf eine gewillkürte Betriebsverfassung nach § 3 BetrVG abzustellen ist. Ebenso wenig musste den erstmals in der Rechtsbeschwerdeinstanz von den Antragstellern vorgebrachten Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit des BetrVTV-RegioNetz nachgegangen werden.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Zwanziger    

        

        

        

    Schiller    

        

    Glock    

                 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. März 2011 - 9 TaBV 163/10 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl eines Arbeitnehmervertreters in den Aufsichtsrat.

2

Antragsteller sind die zu 1. bis 7. beteiligten wahlberechtigten Arbeitnehmer der zu 8. beteiligten D V GmbH, welche ca. 830 Arbeitnehmer beschäftigt. Der zu 9. Beteiligte ist der bei ihr gebildete Aufsichtsrat. Die D V GmbH und die zu 11. beteiligte D I GmbH, die ca. 550 Arbeitnehmer beschäftigt, gehören zum Konzern der D AG. Sie führen gemeinsam fünf Betriebe.

3

Am 3. März 2010 fand bei der D V GmbH die Wahl des Aufsichtsratsmitglieds der Arbeitnehmer nach dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) statt, an der auch die Arbeitnehmer der D I GmbH teilnahmen. Ausweislich des am 12. März 2010 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichten Wahlergebnisses wurde der Beteiligte zu 10. als Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer gewählt.

4

Mit am 19. März 2010 beim Arbeitsgericht eingegangener Antragsschrift haben die zu 1. bis 7. beteiligten Antragsteller die Nichtigkeit, hilfsweise Unwirksamkeit der Wahl geltend gemacht. Sie haben die Ansicht vertreten, die Arbeitnehmer der D I GmbH seien zu Unrecht an der Wahl beteiligt worden. Es seien nur die Arbeitnehmer aktiv wahlberechtigt, die in einem Arbeitsverhältnis mit der D V GmbH stünden.

5

Die Antragsteller haben beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die bei der Beteiligten zu 8. nach Maßgabe des Drittelbeteiligungsgesetzes durchgeführte Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat nichtig ist;

        

2.    

hilfsweise, die bei der Beteiligten zu 8. nach Maßgabe des Drittelbeteiligungsgesetzes durchgeführte Aufsichtsratswahl für unwirksam zu erklären.

6

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Die Beschwerde der Antragsteller blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Begehren weiter. Die Beteiligten zu 8., 10. und 11. beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

7

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen erkannt, dass die Wahl des Aufsichtsratsmitglieds der Arbeitnehmer bei der D V GmbH weder nichtig noch anfechtbar ist.

8

I. Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet. Die streitbefangene Wahl ist nicht nichtig.

9

1. Der Hauptantrag ist zulässig.

10

a) Die Feststellung der Nichtigkeit einer Wahl nach dem DrittelbG kann - unabhängig von den formellen Voraussetzungen einer Wahlanfechtung nach § 11 DrittelbG - von jedermann jederzeit geltend gemacht werden, sofern hieran ein rechtliches Interesse besteht(vgl. BAG 16. April 2008 - 7 ABR 6/07 - Rn. 9, BAGE 126, 286; ErfK/Oetker 13. Aufl. § 11 DrittelbG Rn. 5 mwN). Dies ist bei den Antragstellern, die Arbeitnehmer der D V GmbH sind, der Fall.

11

b) Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Auch wenn das Datum der Wahl im Antrag nicht wiedergegeben ist, folgt aus der Antragsbegründung das Begehren der Antragsteller, die Nichtigkeit der am 3. März 2010 bei der D V GmbH durchgeführten Wahl des Aufsichtsratsmitglieds der Arbeitnehmer festzustellen.

12

2. Der Hauptantrag ist unbegründet. Es kann dahinstehen, ob die in einem Arbeitsverhältnis zur D I GmbH stehenden Arbeitnehmer berechtigt waren, an der bei der D V GmbH durchgeführten Wahl des Aufsichtsratsmitglieds der Arbeitnehmer teilzunehmen. Der behauptete Verstoß gegen die Vorschriften über das aktive Wahlrecht nach dem DrittelbG wäre schon nicht geeignet, die Nichtigkeit der Wahl vom 3. März 2010 zu begründen.

13

a) Die Nichtigkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer kann wegen der damit verbundenen weitreichenden Folgen nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden, in denen die Voraussetzungen der Wahl nicht vorlagen oder bei der Wahl gegen fundamentale Wahlgrundsätze in so hohem Maße verstoßen wurde, dass nicht einmal mehr der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl vorliegt (für die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl vgl. BAG 21. September 2011 - 7 ABR 54/10 - Rn. 26; vgl. auch HWK/Seibt 5. Aufl. § 11 DrittelbG Rn. 8 mwN), beispielsweise weil die erstmalige Wahl der Arbeitnehmervertreter ohne vorheriges Statusverfahren durchgeführt wurde (so BAG 16. April 2008 - 7 ABR 6/07 - Rn. 11, BAGE 126, 286 ).

14

b) Hiernach ist der von den Antragstellern behauptete Verstoß gegen die Vorschriften über das aktive Wahlrecht nach dem DrittelbG nicht geeignet, die Nichtigkeit der Wahl vom 3. März 2010 zu begründen.

15

aa) Die Verkennung des Kreises der wahlberechtigten Arbeitnehmer hat in der Regel nicht die Nichtigkeit der durchgeführten Wahl zur Folge (vgl. für die Betriebsratswahl BAG 19. November 2003 - 7 ABR 25/03 -). Selbst wenn die bei der D I GmbH beschäftigten Arbeitnehmer an der Wahl des Mitglieds der Arbeitnehmer des bei der D V GmbH gebildeten Aufsichtsrats nicht hätten teilnehmen dürfen (vgl. aber dazu, dass sie zur Wahl berechtigt waren, unter B II 2 b der Gründe), wäre der Verstoß nicht so gewichtig, dass nicht einmal mehr der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl vorläge.

16

bb) Die Wahl ist auch nicht etwa deshalb nichtig, weil es bereits an den Voraussetzungen für die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds der Arbeitnehmer fehlte. Das als Gesellschaft mit beschränkter Haftung verfasste zu 8. beteiligte Unternehmen ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Abs. 1 DrittelbG verpflichtet, einen drittelbeteiligten Aufsichtsrat zu bilden. Es beschäftigt in der Regel mehr als 500 vertraglich „eigene“ Arbeitnehmer. Es kommt nicht darauf an, ob bei der Ermittlung des Schwellenwertes nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG die in den fünf gemeinsamen Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer der D I GmbH „mitzählen“.

17

II. Der damit zur Entscheidung anfallende Hilfsantrag der Wahlanfechtung ist zulässig, aber unbegründet.

18

1. Die formellen Voraussetzungen für eine Wahlanfechtung liegen vor.

19

a) Die Wahlanfechtung ist statthaft. Nach § 11 Abs. 1 DrittelbG kann die Wahl eines oder mehrerer Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer angefochten werden, wenn die Wahl fehlerhaft war.

20

b) Die zu 1. bis 7. beteiligten Antragsteller sind als wahlberechtigte Arbeitnehmer der D V GmbH nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 DrittelbG zur Anfechtung der Wahl befugt.

21

c) Die Anfechtungsfrist des § 11 Abs. 2 Satz 2 DrittelbG von zwei Wochen nach der Veröffentlichung des Wahlergebnisses im elektronischen Bundesanzeiger ist eingehalten. Das Wahlergebnis wurde am 12. März 2010 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht. Die Wahlanfechtung ist am 19. März 2010 beim Arbeitsgericht eingegangen.

22

2. Der Hilfsantrag hat in der Sache keinen Erfolg. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, ist die Wahlanfechtung unbegründet.

23

a) Nach § 11 Abs. 1 DrittelbG kann die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds der Arbeitnehmer angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

24

b) Bei der am 3. März 2010 bei der D V GmbH durchgeführten Wahl des Aufsichtsratsmitglieds der Arbeitnehmer wurde nicht gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht verstoßen. Die in einem Arbeitsverhältnis zu der D I GmbH stehenden Arbeitnehmer haben zu Recht an der Wahl teilgenommen. Sie sind nach § 5 Abs. 2 Satz 1 DrittelbG wahlberechtigte Arbeitnehmer der D V GmbH, auch wenn sie mit ihr keinen Arbeitsvertrag geschlossen haben.

25

aa) Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 DrittelbG sind zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer wahlberechtigt die Arbeitnehmer des Unternehmens, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Führen mehrere - jeweils der drittelparitätischen Mitbestimmung nach § 1 Abs. 1 DrittelbG unterliegende - Unternehmen einen(oder mehrere) Gemeinschaftsbetrieb(e), haben die mit einem Trägerunternehmen arbeitsvertraglich verbundenen Arbeitnehmer des gemeinsamen Betriebs (oder der gemeinsamen Betriebe) das aktive Wahlrecht bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat bei jedem Trägerunternehmen. Sie sind iSv. § 5 Abs. 2 Satz 1 DrittelbG(auch) Arbeitnehmer des oder der anderen Unternehmen, mit dem sie keinen Arbeitsvertrag geschlossen haben. Das ergibt eine am Normwortlaut unter Hinzuziehung der Gesetzeshistorie, an der Systematik sowie an Sinn und Zweck der Unternehmensmitbestimmung orientierte Auslegung von § 5 Abs. 2 Satz 1 DrittelbG(eine unternehmensmitbestimmungsrechtliche „Mehrfachberücksichtigung“ der Arbeitnehmer eines Gemeinschaftsbetriebs und insbesondere deren aktives Wahlrecht bei der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in allen Trägerunternehmen nehmen im Schrifttum an: Däubler FS Zeuner S. 19, 31; Fuchs/Köstler/Pütz Handbuch zur Aufsichtsratswahl 5. Aufl. Rn. 31; Gaul Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 34 Rn. 45; Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler Mitbestimmungsrecht 3. Aufl. § 10 MitbestG Rn. 21; Hanau ZfA 1990, 115, 127; Hjort NZA 2001, 696, 701; HWK/Seibt § 3 DrittelbG Rn. 3; Raiser/Veil MitbestG 5. Aufl. § 3 Rn. 44; Säcker ZfA 2008, 51, 61; ders. Die Wahlordnungen zum Mitbestimmungsgesetz Rn. 213; Thüsing/Forst FS Kreutz S. 867, 880; Wiedemann SAE 1962, 212, 213; WWKK/Koberski 4. Aufl. § 3 MitbestG Rn. 42; WWKK/Wißmann § 10 MitbestG Rn. 24; aA Herrmann Der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen S. 166 f.; Hohenstatt/Schramm NZA 2010, 846, 850; Windbichler Arbeitsrecht im Konzern S. 501; vgl. auch ErfK/Oetker § 5 DrittelbG Rn. 6 und §§ 10 - 18 MitbestG Rn. 3 [bei § 1 DrittelbG Rn. 28 aber auf die hM im Schrifttum verweisend]; diff. Bonanni Der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen S. 293; Wanhöfer Gemeinschaftsbetrieb und Unternehmensmitbestimmung S. 121; Zöllner FS Semler S. 995, 1012). Eine Entscheidung darüber, ob die Arbeitnehmer des Gemeinschaftsbetriebs in den Aufsichtsrat des Trägerunternehmens, mit dem sie keinen Arbeitsvertrag geschlossen haben, wählbar sind, erfordert der Streitfall ebenso wenig wie eine Aussage darüber, ob diese Arbeitnehmer bei den in § 1 Abs. 1 DrittelbG genannten Schwellenwerten den Trägerunternehmen „wechselseitig“ zugerechnet werden(zu Letzterem - differenzierend nach dem Umfang der Arbeitsleistung - BAG 1. Dezember 1961 - 1 ABR 15/60 - [zur Berechnung der mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerte des § 77 Abs. 2 BetrVG 1952]; vgl. auch LG Hannover 14. Mai 2012 - 25 O 65/11 - [mit zust. Anm. Lüers/Schomaker BB 2013, 565]; LG Hamburg 21. Oktober 2008 - 417 O 171/07 - [zum Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer nach dem MitbestG]; vgl. ferner zur mitbestimmungsrechtlichen Berücksichtigung von Fremdpersonal Hanseatisches OLG Hamburg 29. Oktober 2007 - 11 W 27/07 - [keine Berücksichtigung von gestelltem Personal bei den Schwellenwerten von § 1 DrittelbG]; OLG Düsseldorf 12. Mai 2004 - 19 W 2/04 - [keine Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei den Schwellenwerten von §§ 76, 77, 77a BetrVG 1952]).

26

(1) Nach dem Wortlaut von § 5 Abs. 2 Satz 1 DrittelbG sind wahlberechtigt die „Arbeitnehmer des Unternehmens“.

27

(a) Dies legt auf den ersten Blick nahe, als wahlberechtigt nur diejenigen Arbeitnehmer anzusehen, die einen Arbeitsvertrag mit dem Unternehmen geschlossen haben, bei dem ein drittelbeteiligter Aufsichtsrat zu bilden ist. Die Norm formuliert zwar nicht „Vertragsarbeitnehmer“ oder „Arbeitnehmer des Vertragsarbeitgebers“. Sie bezieht sich aber auch nicht auf den „Betrieb“ oder den „Betriebsarbeitgeber“. Nach dem fachsprachlich feststehenden Sprachgebrauch sind die Kategorien „Betrieb“ und „Unternehmen“ zu unterscheiden. Für sich genommen kann der Begriff „Unternehmen“ nicht dahin ausgelegt werden, dass mit ihm (auch) „Betrieb“ gemeint sei (vgl. hierzu BAG 29. September 2004 - 1 ABR 39/03 - zu B III 2 a aa der Gründe, BAGE 112, 100). Aus den allgemeinen Begriffsbestimmungen im Drittelbeteiligungsgesetz folgt nichts anderes. Während „Arbeitnehmer“ und „Betrieb“ nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 DrittelbG - unter Verweis auf das Betriebsverfassungsgesetz - legaldefiniert sind, kennt das Drittelbeteiligungsgesetz keinen eigenständigen Unternehmensbegriff(zum BetrVG vgl. BAG 17. März 2010 - 7 AZR 706/08 - Rn. 15). Bei der betrieblichen Mitbestimmung wird im Zusammenhang mit dem Begriff des Unternehmens an die in anderen Gesetzen vorgeschriebenen Rechts- und Organisationsformen angeknüpft (vgl. BAG 13. Februar 2007 - 1 AZR 184/06 - Rn. 17 mwN, BAGE 121, 168). Auch § 1 DrittelbG mit der Normüberschrift „Erfasste Unternehmen“ verwendet den Unternehmensbegriff stellvertretend für die Rechtsform des jeweiligen Unternehmensträgers(AG, GmbH usw.; vgl. zu § 1 MitbestG Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler Mitbestimmungsrecht § 1 MitbestG Rn. 35). Der mitbestimmungsrechtliche Unternehmensbegriff ist damit kein anderer als der der betrieblichen Mitbestimmung.

28

(b) Allerdings verbietet die textliche Fassung von § 5 Abs. 2 Satz 1 DrittelbG auch kein Verständnis dahingehend, als Arbeitnehmer „des“ Unternehmens - auch - diejenigen anzusehen, die in einem von diesem Unternehmen geführten Gemeinschaftsbetrieb beschäftigt sind, ohne dass sie mit diesem Unternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben. Der Gemeinschaftsbetrieb ist ein Betrieb aller und jedes der an ihm beteiligten Unternehmen. Daher ist es vom Wortsinn her nicht ausgeschlossen, alle in einem Gemeinschaftsbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer als Arbeitnehmer aller und jedes der beteiligten Unternehmen anzusehen. Die Formulierung „des Unternehmens“ in § 5 Abs. 2 Satz 1 DrittelbG lässt sich auch dahin verstehen, dass damit inhaltlich eine Zugehörigkeit im weitesten Sinn ausgedrückt werden soll. Wortlaut und Wortsinn sind nicht überschritten, wenn man dem Possessivgenitiv eine „Zuordnungsbedeutung“ (allg. hierzu auch Duden 8. Aufl. Bd. 4 Die Grammatik Rn. 1268) dahingehend entnimmt, die Arbeitnehmer des von einem Unternehmen geführten Gemeinschaftsbetriebs diesem Unternehmen - auch ohne „arbeitsvertragliches Band“ - zuzurechnen. Dies steht nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 29. September 2004 (- 1 ABR 39/03 - BAGE 112, 100), wonach es bei der an die Belegschaftsgröße des Unternehmens anknüpfenden Eröffnung des Mitbestimmungstatbestands nach § 99 BetrVG auf die Anzahl der vom betreffenden Unternehmen als Vertragsarbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer ankommt. Die Formulierungen in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG(„In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern“) und in § 5 Abs. 2 Satz 1 DrittelbG(„die Arbeitnehmer des Unternehmens“) sind zwar ähnlich, aber nicht identisch. Vor allem aber stehen sie in einem unterschiedlichen Sinnzusammenhang.

29

(c) Aus der Entstehungsgeschichte des DrittelbG ergibt sich deutlich, dass mit der Formulierung „Arbeitnehmer des Unternehmens“ in § 5 Abs. 2 Satz 1 DrittelbG alle in Gemeinschaftsbetrieben beschäftigten Arbeitnehmer - unabhängig von ihrer arbeitsvertraglichen Bindung - gemeint sind.

30

(aa) Die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat war vor Inkrafttreten des Drittelbeteiligungsgesetzes (mit Ausnahme von § 13 DrittelbG am 1. Juli 2004) in den §§ 76 bis 87a des Betriebsverfassungsgesetzes vom 11. Oktober 1952 (BetrVG 1952) geregelt. Die übrigen Vorschriften des BetrVG 1952 waren bereits durch die Neuregelung der Betriebsverfassung im Jahr 1972 aufgehoben worden. Der verbliebene „Regelungsrest“ zur Unternehmensmitbestimmung und die darauf aufbauende Wahlordnung aus dem Jahr 1953 blieben zunächst auch noch nach dem Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23. Juli 2001 (BetrVG-ReformG) in Kraft. Mit dem Zweiten Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 18. Mai 2004 (BGBl. I S. 974), das ua. eine Ablösung des BetrVG 1952 durch das Drittelbeteiligungsgesetz festlegt, wollte der Gesetzgeber den von ihm als „für die Praxis nur noch schwer handhabbar“ angesehenen „Regelungsrest“ durch „anwenderfreundliche Regelungen“ neu fassen, „ohne den bisherigen Geltungsbereich und den Inhalt des Gesetzes zu verändern“ (vgl. BT-Drucks. 15/2542 S. 1). Zu den inhaltlichen Schwerpunkten des Drittelbeteiligungsgesetzes heißt es in der Gesetzesbegründung ferner wörtlich (vgl. BT-Drucks. 15/2542 S. 10):

        

„Mit dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) wird das BetrVG 1952 abgelöst. Es handelt sich im Wesentlichen um die redaktionelle Neufassung unübersichtlicher Regelungen und damit um Rechtsbereinigung und Vereinfachung.“

31

(bb) Die vormals in § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1952 geregelte Wahlberechtigung war betriebsbezogen formuliert. Die Vorschrift lautete:

        

„Die Vertreter der Arbeitnehmer werden in allgemeiner, geheimer, gleicher und unmittelbarer Wahl von allen nach § 7 des Betriebsverfassungsgesetzes wahlberechtigten Arbeitnehmern der Betriebe des Unternehmens für die Zeit gewählt, die im Gesetz oder in der Satzung für die von der Hauptversammlung zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder bestimmt ist.“

32

Nach der sprachlichen Fassung waren damit in gemeinsam geführten Betrieben tätige Arbeitnehmer solche aller Trägerunternehmen. Mit § 5 Abs. 2 DrittelbG wurde die „bisherige, sich durch eine Verweisung ergebende betriebsbezogene Formulierung in § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1952 … durch eine unternehmensbezogene Formulierung ersetzt“(vgl. BT-Drucks. 15/2542 S. 13). Dem Gesetzgeber ging es offensichtlich um eine rein sprachliche Modifikation. Im Unterschied zu der Änderung des Gesetzeswortlauts in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch das BetrVG-ReformG(von „Betrieb“ in „Unternehmen“), mit der erklärtermaßen auch inhaltlich etwas anderes ausgedrückt ist (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf des BetrVG-ReformG in BT-Drucks. 14/5741 S. 50; vgl. auch BAG 29. September 2004 - 1 ABR 39/03 - zu B III 2 c der Gründe, BAGE 112, 100), kommt in den Gesetzesmaterialien zum Drittelbeteiligungsgesetz an keiner Stelle ein inhaltlicher Änderungswille des Gesetzgebers zum Ausdruck. Im Gegenteil: Es widerspräche dem deutlich verlautbarten Regelungsziel, mit dem Drittelbeteiligungsgesetz die Bestimmungen des BetrVG 1952 zur Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat im wesentlichen Inhalt nicht verändern zu wollen, wenn man der unternehmensbezogenen Formulierung von § 5 Abs. 2 Satz 1 DrittelbG einen anderen Regelungsgehalt zur Wahlberechtigung als dem des betriebsbezogen verfassten § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1952 beimessen würde.

33

(2) Die Gesetzessystematik spricht gleichfalls für die Berechtigung von Arbeitnehmern eines Gemeinschaftsbetriebs zu der Wahl von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat bei allen den gemeinsamen Betrieb führenden - und vom Drittelbeteiligungsgesetz erfassten - Unternehmen. Nach § 6 Satz 1 DrittelbG erfolgt die Wahl aufgrund von Wahlvorschlägen ua. „der Betriebsräte“. „Die Betriebsräte“ sind im Übrigen gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BetrVG zur Wahlanfechtung berechtigt. Nach der gesetzlichen Betriebsverfassung ist der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen die für die Bildung des Betriebsrats maßgebliche Organisationseinheit, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Der Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs repräsentiert somit die Arbeitnehmer aller Trägerunternehmen unabhängig davon, mit welchem Unternehmen diese einen Arbeitsvertrag geschlossen haben. Es erschiene eher unstimmig, bei dem aktiven Wahlrecht der in einem Gemeinschaftsbetrieb tätigen Arbeitnehmer nach dem Vertragsarbeitgeber zu differenzieren, während die Wahlvorschlags- und Wahlanfechtungsberechtigung dem Gremium ihrer Interessenvertretung unabhängig von einem Vertragsarbeitgeberbezug zukommt.

34

(3) Sinn und Zweck der Unternehmensmitbestimmung sprechen deutlich für ein Verständnis des § 5 Abs. 2 Satz 1 DrittelbG dahingehend, dass die Arbeitnehmer eines Gemeinschaftsbetriebs ein auf die Aufsichtsräte aller Trägerunternehmen bezogenes aktives Wahlrecht haben.

35

(a) Sinn des Mitbestimmungsrechts im Drittelbeteiligungsgesetz ist - wie zuvor in §§ 76 ff. BetrVG 1952 - die Sicherung der kollektiven Interessenvertretung der Belegschaft im Aufsichtsrat. Die Mitbestimmungsrechte für Arbeitnehmer dienen dazu, die mit ihrer Unterordnung unter fremde Leitungs- und Organisationsgewalt verbundene Fremdbestimmung durch die institutionelle Beteiligung an unternehmerischen Entscheidungen zu mildern. Auch die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat dient der kollektiven Interessenvertretung der Belegschaft durch die Mitbestimmung im Hinblick auf die sozialen und personellen Auswirkungen wirtschaftlicher Unternehmerentscheidungen in einem wichtigen Organ des Unternehmensträgers (vgl. BGH 7. Februar 2012 - II ZB 14/11 - Rn. 26 mwN; BAG 18. Juni 1970 - 1 ABR 3/70 - zu 2 der Gründe, BAGE 22, 390).

36

(b) Arbeitnehmer eines Gemeinschaftsbetriebs werden nicht nur durch die Entscheidungen desjenigen Unternehmens betroffen, mit dem sie einen Arbeitsvertrag geschlossen haben, sondern gleichermaßen von den unternehmerischen Entscheidungen des (oder der) weiteren am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen. Dem Gemeinschaftsbetrieb ist typisch, dass Entscheidungen eines an ihm beteiligten Unternehmens über dessen Unternehmensgrenzen hinaus wirken. Das Ziel der Repräsentation aller von den unternehmerischen Entscheidungen betroffenen Arbeitnehmer im Aufsichtsrat kann daher bei Gemeinschaftsbetrieben am ehesten erreicht werden, wenn die dort beschäftigten Arbeitnehmer hinsichtlich der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer bei allen Trägerunternehmen wahlberechtigt sind (zur teleologischen Auslegung ebenso - allerdings über die Wahlberechtigung hinausgehend und im Sinn einer allgemeinen Zurechnung der Arbeitnehmer zu allen Trägerunternehmen - Thüsing/Forst FS Kreutz S. 867, 870 ff.).

37

(4) Diesem Verständnis von § 5 Abs. 2 Satz 1 DrittelbG im Sinn eines „doppelten“ oder „mehrfachen“ aktiven Wahlrechts von Arbeitnehmern bei den Wahlen ihrer Vertreter in den Aufsichtsrat oder die Aufsichtsräte des von zwei oder mehreren Unternehmen geführten Betriebs steht nicht entscheidend entgegen, dass die Belegschaften der Gemeinschaftsbetriebe in dem Aufsichtsrat des jeweiligen Trägerunternehmens gegenüber den Belegschaften anderer Betriebe des Unternehmens, in denen nur Vertragsarbeitnehmer beschäftigt werden, stärker repräsentiert sind, als es allein dem Verhältnis aller Vertragsarbeitnehmer des Unternehmens entspricht. Dem Gemeinschaftsbetrieb ist eigen, dass seine Belegschaft von arbeitnehmerrelevanten Entscheidungen der Gremien zweier oder mehrerer Unternehmen betroffen ist. Im Hinblick auf diese „doppelte“ oder „mehrfache“ Betroffenheit ist eine „doppelte“ oder „mehrfache“ Partizipation an den unternehmerischen Entscheidungsebenen von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Sie dient der Wahrung des Gleichlaufs zwischen arbeitgeberseitiger Entscheidungsmacht und Arbeitnehmerbeteiligung (vgl. Däubler FS Zeuner S. 19, 31; Thüsing/Forst FS Kreutz S. 867, 875).

38

bb) Hiernach waren die Arbeitnehmer der D I GmbH berechtigt, an der am 3. März 2010 bei der D V GmbH durchgeführten Wahl des Aufsichtsratsmitglieds der Arbeitnehmer teilzunehmen. Sie sind Arbeitnehmer der von der D V GmbH und der D I GmbH gemeinsam geführten fünf Betriebe und damit wahlberechtigte Arbeitnehmer der D V GmbH iSv. § 5 Abs. 2 Satz 1 DrittelbG, auch wenn sie in einem Arbeitsverhältnis mit der D I GmbH stehen.

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

    Schmidt    

        

        

        

    Bea    

        

    Strippelmann    

                 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 4. und 5. wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12. Januar 2012 - 3 TaBV 7/11 - aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 4. und 5. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 11. Mai 2011 - 22 BV 411/10 - abgeändert:

Der Antrag der Beteiligten zu 1. bis 3. wird abgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten in der Rechtsbeschwerde über die Wirksamkeit der Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung.

2

Antragsteller zu 1. bis 3. sind in der Zentrale der Arbeitgeberin in S beschäftigte, als schwerbehinderte Menschen anerkannte Arbeitnehmer. Der Beteiligte zu 3. befindet sich seit dem 1. Oktober 2011 in der Freistellungsphase seiner Altersteilzeit.

3

Am 11. Oktober 2010 erließ der Wahlvorstand ein Wahlausschreiben für die Wahl der Vertrauensperson und der stellvertretenden Mitglieder, das auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

„...

4. Zu wählen ist die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen sowie drei stellvertretende Mitglieder. Die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und die drei stellvertretenden Mitglieder werden in getrennten Wahlgängen gewählt.

5. Die wahlberechtigten Schwerbehinderten und die gleichgestellten behinderten Menschen werden aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen nach Erlass dieses Wahlausschreibens, spätestens bis zum 25. Oktober 2010, 18:30 Uhr, getrennte Wahlvorschläge für die Schwerbehindertenvertretung und die stellvertretenden Mitglieder schriftlich beim Wahlvorstand einzureichen. Nach diesem Termin eingehende Wahlvorschläge können nicht berücksichtigt werden.

Zur Wahl stehen nur die Bewerberinnen und Bewerber, die in einem gültigen Wahlvorschlag vorgeschlagen worden sind.

Aus den Wahlvorschlägen muss sich eindeutig ergeben, wer als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und wer als stellvertretendes Mitglied vorgeschlagen wird; für beide Ämter kann dieselbe Person vorgeschlagen werden. Jede Bewerberin/jeder Bewerber kann nur in einem Wahlvorschlag benannt werden, es sei denn, dass sie/er in einem als Vertrauensperson für schwerbehinderte Menschen und im anderen als stellvertretendes Mitglied vorgeschlagen wird. Jede/jeder Wahlberechtigte kann nur einen Wahlvorschlag für die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und einen Wahlvorschlag für die stellvertretenden Mitglieder unterzeichnen. ... Dem Wahlvorschlag ist die schriftliche Zustimmung der Bewerberin/des Bewerbers beizufügen.

6. ...“

4

Am 13. Oktober 2010 reichte der Beteiligte zu 3. einen Wahlvorschlag für die Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung ein, in dem neben ihm selbst die Arbeitnehmer J und K zur Wahl vorgeschlagen wurden. Dem Wahlvorschlag waren unter anderem schriftliche Zustimmungserklärungen der Wahlbewerber beigefügt. Herr K hatte seine Zustimmung zur Kandidatur jedoch bereits vor Einreichung des Wahlvorschlags am 12. Oktober 2010 gegenüber dem Wahlvorstand per E-Mail zurückgezogen und dem Beteiligten zu 3. eine Kopie zugeleitet. Mit Schreiben vom 2. November 2010 teilte der Wahlvorstand dem Beteiligten zu 3. mit, dass er den Rücktritt von Herrn K akzeptiere; dessen Kandidatur werde nicht bekannt gemacht und erscheine nicht auf den Stimmzetteln. Die weiteren Kandidaturen blieben gültig.

5

Die Wahl fand am 22. November 2010 statt. Der Wahlvorstand gab das Wahlergebnis am 30. November 2010 bekannt. Danach wurde Frau K als Vertrauensperson, Frau B als erste Stellvertreterin, Frau L als zweite Stellvertreterin und der Beteiligte zu 3. als dritter Stellvertreter der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen gewählt.

6

Am 13. Dezember 2010 haben die Beteiligten zu 1. bis 3. beim Arbeitsgericht beantragt, die Wahl „der Schwerbehindertenvertretung“ vom 25. November 2010 für unwirksam zu erklären. Sie haben in der Antragsschrift die Schwerbehindertenvertretung als Beteiligte zu 4. und die Arbeitgeberin als Beteiligte zu 5. bezeichnet. In der Begründung heißt es, der Antrag richte sich gegen die Schwerbehindertenvertretung 2010 sowie gegen das Unternehmen.

7

Die Beteiligten zu 1. bis 3. haben die Wahl der Schwerbehindertenvertretung ursprünglich aus mehreren Gründen angefochten. Sie haben einen angeblichen Verstoß des Wahlvorstandes gegen § 3 Abs. 2 SchwbVWO gerügt, der die Reichweite des Einsichtsrechts der Arbeitnehmer in die Wählerliste verkannt habe. Daneben wurde der Anfechtungsantrag auf eine Verletzung des § 6 Abs. 2 SchwbVWO gestützt, weil ein Wahlvorschlag wegen Nichterreichens der Mindestanzahl an Stützunterschriften zurückgewiesen wurde, ohne dass den Einreichern mitgeteilt worden sei, um welche Stützunterschriften es sich dabei gehandelt habe. Im Beschwerdeverfahren haben die Beteiligten zu 1. bis 3. den Antrag, soweit sich dieser auf die Wirksamkeit der Wahl der Vertrauensperson bezogen hat, mit Zustimmung der Beteiligten zu 4. und 5. „zurückgenommen“. Sie haben stattdessen „nur noch“ die Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung mit der Begründung angefochten, die Streichung des Kandidaten K vom Wahlvorschlag der Stellvertreter verstoße gegen wesentliche Wahlvorschriften. Da Herr K seine Zustimmung zur Kandidatur wirksam erteilt habe und der Wahlvorschlag mit der erforderlichen Anzahl von Stützunterschriften eingereicht worden sei, habe er vom Wahlvorstand auf die Liste der Wahlvorschläge gesetzt werden müssen. Ein Rücktritt von der Kandidatur nach schriftlich erteilter Zustimmung sei rechtlich nicht möglich. Außerdem sei der Wahlvorstand nach der Wahlordnung nicht berechtigt gewesen, nur einen Kandidaten von der Liste zu streichen und die übrigen Kandidaten zuzulassen. Entweder habe der Wahlvorschlag insgesamt zugelassen oder insgesamt gestrichen werden müssen. Eine Beeinflussung des Wahlergebnisses habe in beiden Fällen nicht ausgeschlossen werden können.

8

Die Beteiligten zu 1. bis 3. haben beantragt,

die Wahl der Schwerbehindertenvertretung bei der D AG, Zentrale S, vom 22. November 2010 für unwirksam zu erklären.

9

Schwerbehindertenvertretung und Arbeitgeberin haben die Auffassung vertreten, das Rechtsschutzbedürfnis für den Anfechtungsantrag sei nachträglich entfallen, nachdem der Beteiligte zu 3. am 1. Oktober 2011 in die Freistellungsphase der Altersteilzeit eingetreten und damit nicht mehr im Betrieb beschäftigt sei. Damit werde der Anfechtungsantrag nicht mehr von den erforderlichen drei Wahlberechtigten getragen. Die Anfechtung sei jedenfalls unbegründet. Herr K sei analog § 6 Abs. 3 Satz 3 SchwbVWO von der Liste der Wahlvorschläge zu streichen gewesen, da dieser seine Kandidatur bereits zurückgezogen habe, bevor der Wahlvorschlag beim Wahlvorstand eingereicht worden sei. Aber selbst wenn der Widerruf der Zustimmung durch den Arbeitnehmer K unwirksam und der Wahlvorstand nicht befugt gewesen wäre, den Vorschlag K zu streichen, habe das Wahlergebnis für die gewählten Stellvertreter jedenfalls nicht schlechter ausfallen können. Eine Wahl aller Personen einschließlich des Arbeitnehmers K hätte sich andererseits nicht ausgewirkt, weil Herr K auf das Amt verzichtet hätte.

10

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerden der Schwerbehindertenvertretung und der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit den vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerden verfolgen die Schwerbehindertenvertretung und die Arbeitgeberin ihre Abweisungsanträge weiter. Neben Sachrügen zur Anwendung des Wahlrechts machen sie als absoluten Revisionsgrund eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Landesarbeitsgerichts (§ 547 Nr. 1 ZPO) geltend. Der Vorsitz der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg war nach dem im Internet veröffentlichten Geschäftsverteilungsplan 2012 der Richterin am Arbeitsgericht W übertragen. Auf die im Rechtsbeschwerdeverfahren erfolgte Anfrage des Verfahrensbevollmächtigten der Schwerbehindertenvertretung teilte der Präsident des Landesarbeitsgerichts mit E-Mail vom 5. Juni 2012 mit, die Richterin am Arbeitsgericht W sei zum Zwecke der Erprobung für die Dauer von neun Monaten abgeordnet worden. Ebenfalls im Rechtsbeschwerdeverfahren wurden durch Beschluss vom 23. Januar 2014 die weiteren gewählten Stellvertreter B und L als Beteiligte zu 6. und 7. gehört. Die Beteiligte zu 6. hat in der Anhörung vor dem Senat erklärt, sie sei ebenfalls Rechtsbeschwerdeführerin und hat sich dem Rechtsbeschwerdeantrag der Beteiligten zu 4. und 5. angeschlossen. Die Antragsteller beantragen die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde. Die Beteiligte zu 7. hat während des Rechtsbeschwerdeverfahrens mit Schreiben vom 17. März 2014 mitgeteilt, sie lege ihr Amt mit Wirkung vom 1. April 2014 nieder, und ist zum Anhörungstermin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Die übrigen Beteiligten haben das Verfahren daraufhin übereinstimmend hinsichtlich der Wahl der Beteiligten zu 7. für erledigt erklärt. Der Vorsitzende hat das Verfahren insoweit gemäß § 95 Satz 4, § 83a Abs. 2 ArbGG eingestellt.

11

B. Die im Rechtsbeschwerdeverfahren erstmals in ihrer Funktion als stellvertretendes Mitglied der Schwerbehindertenvertretung Beteiligte zu 6. hat entgegen ihrer eigenen, in der Anhörung vor dem Senat geäußerten Auffassung keine Rechtsbeschwerde eingelegt. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 4. und 5. ist begründet. Zwar liegt der absolute Rechtsbeschwerdegrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Landesarbeitsgerichts nicht vor. Die Rechtsbeschwerden haben jedoch Erfolg, weil die Antragsteller entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts fristgemäß nur die Wahl der Vertrauensperson und nicht auch die Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung angefochten haben. Bei der Wahl der Stellvertreter handelt es sich um eine gegenüber der Wahl der Vertrauensperson eigenständige Wahl. Nach Ablauf der Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 BetrVG konnten die Beteiligten zu 1. bis 3. ihren Antrag deshalb nicht mehr zulässig auf die Anfechtung der Stellvertreterwahl umstellen.

12

I. Am Verfahren sind neben den Antragstellern, der Vertrauensperson und der Arbeitgeberin alle gewählten Stellvertreter beteiligt, die ihr Amt im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch innehaben.

13

1. § 83 Abs. 3 ArbGG regelt nicht selbst, wer Beteiligter des jeweiligen Verfahrens ist. Die Vorschrift ordnet lediglich an, dass die genannten Personen und Stellen zu hören sind. Maßgeblich ist, welche Personen oder Stellen durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen, personalvertretungsrechtlichen oder mitbestimmungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen werden (vgl. BAG 13. Juni 2007 - 7 ABR 62/06 - Rn. 9 ; 9. Juli 2013 -  1 ABR 17/12  - Rn. 11 ). Die Beteiligtenbefugnis ist vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens - auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz - von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen. Die zu Unrecht unterbliebene Beteiligung eines Verfahrensbeteiligten kann auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz dadurch behoben werden, dass die betreffende Person künftig am Verfahren beteiligt wird. Die rechtsfehlerhafte Nichtbeteiligung von Beteiligten ist als Verfahrensfehler ohne eine darauf gerichtete Rüge für die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses nicht von Bedeutung (BAG 20. April 2005 - 7 ABR 44/04 - zu B I 1 der Gründe mwN, BAGE 114, 228).

14

2. Danach sind neben den Antragstellern, der Vertrauensperson und der Arbeitgeberin die am 22. November 2010 gewählten stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung an dem Verfahren beteiligt.

15

a) Die Beteiligung aller Stellvertreter ergibt sich daraus, dass nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in Betrieben, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, eine Vertrauensperson und wenigstens ein stellvertretendes Mitglied gewählt werden und die Wahl des stellvertretenden Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung unabhängig von der Wahl der Vertrauensperson angefochten werden kann. Nach § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX finden die Vorschriften über die Wahlanfechtung des Betriebsrats nach § 19 BetrVG sinngemäß Anwendung.

16

aa) Das Wahlanfechtungsrecht sieht zwar eine teilweise Anfechtung der Wahl in der Regel nicht vor. Insbesondere lässt sich die Wahl einzelner Mitglieder oder von Ersatzmitgliedern nicht anfechten. § 19 BetrVG dient der Korrektur eines unter Verletzung von Wahlvorschriften zustande gekommenen Wahlergebnisses. Es zielt darauf ab, die Unwirksamkeit einer Wahl festzustellen, um auf diese Weise eine erneute, den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Wahl zu ermöglichen. Wirkt sich der Wahlverstoß auf die Wahl sämtlicher Betriebsratsmitglieder aus, kann ein gesetzmäßiger Zustand nur durch eine Neuwahl aller Betriebsratsmitglieder erreicht werden. Ansonsten blieben die von der Wahlanfechtung ausgenommenen, aber gleichwohl verfahrensfehlerhaft gewählten Betriebsratsmitglieder im Amt oder würden an die Stelle der mit Feststellung der Unwirksamkeit ihrer Wahl aus dem Betriebsrat ausscheidenden Betriebsratsmitglieder treten (ausführlich dazu BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 91/07 - Rn. 14).

17

bb) Die Wahl des stellvertretenden Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung kann jedoch unabhängig von der Wahl der Vertrauensperson angefochten werden. Die in Bezug genommenen betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmungen sind nicht in strikter und ausschließlicher Befolgung ihres Wortlauts anzuwenden, sondern nach § 94 Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 SGB IX unter Berücksichtigung des mit ihnen verfolgten Zwecks. Unsachgemäße Gleichsetzungen sind zu vermeiden. Von der Sache her gebotene Differenzierungen dürfen nicht ausgeschlossen werden (ausführlich dazu BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 91/07 - Rn. 16). Aus der gesetzlichen Aufgabenverteilung zwischen der Vertrauensperson und ihrem stellvertretenden Mitglied sowie der von der Betriebsratswahl abweichenden Ausgestaltung des Wahlverfahrens der Schwerbehindertenvertretung nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX folgt, dass es sich nicht um eine einheitliche, sondern um zwei getrennt durchgeführte Wahlen handelt(vgl. BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 91/07 - Rn. 17 ff.). Das Wahlrecht wird getrennt für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung und des stellvertretenden Mitglieds ausgeübt. Sie werden nicht in einem, sondern in zwei getrennten Wahlgängen gewählt ( § 9 Abs. 2 Satz 2, § 5 Abs. 1 Nr. 7 SchwbVWO ). Es sind unterschiedliche Vorschlagslisten für die beiden Wahlen einzureichen ( § 6 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 8 SchwbVWO ), wobei die Wahlbewerber sowohl für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung als auch für die Wahl des Stellvertreters vorgeschlagen werden können ( § 6 Abs. 1 Satz 4, Abs. 3 Satz 1 SchwbVWO ). Schließlich kann eine gesonderte Nachwahl des stellvertretenden Mitglieds unter den in §§ 17, 21 SchwbVWO bestimmten Voraussetzungen erfolgen. Dies hat zur Folge, dass grundsätzlich alle gewählten Stellvertreter an dem Anfechtungsverfahren zu beteiligen sind (ausführlich dazu BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 91/07 - Rn. 20).

18

b) Neben dem Beteiligten zu 3., einem der Antragsteller des Verfahrens, waren danach im Verfahren auch die erste Stellvertreterin Frau B als Beteiligte zu 6. sowie - bis zur teilweisen Einstellung des Verfahrens - die weitere Stellvertreterin Frau L als Beteiligte zu 7. zu hören.

19

3. Werden die stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren am Verfahren beteiligt, liegt darin ein Rechtsfehler, der auf entsprechende Rüge grundsätzlich zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgerichts führt, weil alle Stellvertreter vor einer Sachentscheidung über den Wahlanfechtungsantrag anzuhören sind und sie Gelegenheit zu tatsächlichem Vorbringen erhalten müssen (vgl. BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 91/07 - Rn. 22). Dieser Verfahrensfehler wurde vorliegend im Rechtsbeschwerdeverfahren von der Beteiligten zu 6. auch gerügt. Dennoch war vorliegend eine Zurückverweisung entsprechend § 563 Abs. 3 ZPO ausnahmsweise entbehrlich. Die Rechte der Beteiligten zu 6. werden dadurch nicht verkürzt. Die Beteiligte zu 6. hat, wie bereits zuvor schriftsätzlich angekündigt, die Abweisung des Antrags der Antragsteller begehrt und dies in der mündlichen Anhörung näher begründet. Die Antragsteller hatten Gelegenheit, hierauf zu erwidern. Der Senat hat dem Begehr der Beteiligten zu 6. in der Sache entsprochen. Durch eine Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht konnte sich die Rechtsposition der Beteiligten zu 6. nicht verbessern. Weiterer Tatsachenvortrag, der zur Zurückverweisung hätte Anlass geben können, wurde von den Beteiligten nicht gehalten. Die Sache war daher zur Endentscheidung reif.

20

II. Die statthafte Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 4. und 5. ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Abweisung des Anfechtungsantrags.

21

1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht bereits aufgrund der Rüge begründet, das Landesarbeitsgericht sei durch die Richterin am Arbeitsgericht W nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen. Ein absoluter Rechtsbeschwerdegrund nach § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG iVm. § 547 Nr. 1 ZPO liegt nicht vor.

22

a) Das Bundesarbeitsgericht hat ausschließlich auf eine zulässige, insbesondere hinreichend begründete Rüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO hin zu prüfen, ob ein absoluter Revisionsgrund iSv. § 547 Nr. 1 bis Nr. 6 ZPO vorliegt(GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 40 mwN). Wird ein absoluter Revisionsgrund nach § 547 Nr. 1 bis Nr. 5 ZPO geltend gemacht, hat die Revision die Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensfehler des Berufungsgerichts ergeben soll, substantiiert vorzutragen. Die bloße Benennung des Zulassungsgrundes genügt nicht (BAG 5. Dezember 2011 - 5 AZN 1036/11 - Rn. 7; 25. Januar 2012 - 4 AZR 185/10 - Rn. 10).

23

Der absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Berufungsgerichts gemäß § 547 Nr. 1 ZPO liegt vor, wenn über die Rechtsstreitigkeit andere Richter entscheiden als die gesetzlich dazu berufenen. Die darauf gestützte Rechtsbeschwerde muss daher aufzeigen, aus welchen konkreten Gründen der herangezogene Richter nicht zur Entscheidung berufen war. Nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Auch Maßnahmen und Entscheidungen eines Gerichts können gegen dieses Gebot verstoßen. Ziel der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist es, der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorzubeugen, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte. Damit sollen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (vgl. nur BVerfG 24. Februar 2009 - 1 BvR 182/09  - Rn. 7, BVerfGK 15, 111).

24

b) Hier hat die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg gerügt, die Richterin am Arbeitsgericht W, unter deren Vorsitz die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts am 12. Januar 2012 den angefochtenen Beschluss gefasst hat, habe an der Entscheidung nicht mitwirken dürfen, weil sie nicht iSd. § 35 Abs. 1 Satz 1, § 36 ArbGG auf Lebenszeit zur Vorsitzenden Richterin am Landesarbeitsgericht ernannt gewesen sei.

25

aa) Für die Landesarbeitsgerichte schreibt § 35 Abs. 1 ArbGG vor, dass es aus dem Präsidenten und ua. „der erforderlichen Zahl von weiteren Vorsitzenden” besteht. Darunter ist die Schaffung von Planstellen durch die jeweiligen Landesjustizbehörden zu verstehen. § 35 Abs. 1 ArbGG geht davon aus, dass Richter, die die Funktion eines Kammervorsitzenden am Landesarbeitsgericht ausüben, an diesem Gericht planmäßig angestellt und als „Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht” ernannt sind. Nur solchen garantiert Art. 97 Abs. 2 GG die persönliche Unabhängigkeit durch Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit( BGH 13. Juli 1995 - V ZB 6/94  - BGHZ 130, 304, 308 ).

26

Die Heranziehung von nicht planmäßig angestellten Richtern (Richtern auf Probe, abgeordneten Richtern) darf nur in den Grenzen erfolgen, die sich nach verständigem Ermessen aus der Notwendigkeit, Nachwuchs heranzubilden, oder aus anderen zwingenden Gründen ergeben (so schon BVerfG 9. November 1955 - 1 BvL 13/52 ua. - BVerfGE 4, 331, 345 ). Eine Abordnung muss dabei die Ausnahme sein und darf nicht zur Regel werden. Eine vorübergehende Abordnung eines Richters am Arbeitsgericht an ein Landesarbeitsgericht kann zulässigerweise mit einer nicht vorhersehbaren Überlastung des Landesarbeitsgerichts oder mit dem Zweck seiner Erprobung begründet werden, um bei der Bewerbung um ein Richteramt mit höherem Endgrundgehalt berücksichtigt werden zu können. Auch für den zur Erprobung abgeordneten Richter besteht die zu den sachlichen Voraussetzungen der Unabhängigkeit gehörende Weisungsfreiheit uneingeschränkt (ausführlich BGH Dienstgericht des Bundes 16. März 2005 - RiZ (R) 2/04 - BGHZ 162, 333).

27

Eine Abordnung darf von der Justizverwaltung nicht dazu genutzt werden, Einsparungen vorzunehmen. Deshalb führen auch Erprobung, Krankheitsvertretung und Entlastungsabordnung zu einer verfassungswidrigen Gerichtsbesetzung, wenn die Arbeitslast des Gerichts deshalb nicht bewältigt werden kann, weil es unzureichend mit Planstellen ausgestattet ist oder weil die Justizverwaltung es verabsäumt hat, offene Planstellen binnen angemessener Frist zu besetzen. Dementsprechend muss sich die Abordnung in zeitlichen und sachlichen Grenzen halten. Die sich aus § 27 BBG und § 17 BRRG aF ergebende Wertung einer Abordnung von zwei Jahren und mehr als noch „vorübergehend” ist auf eine Richterabordnung nicht ohne weiteres übertragbar. Hier sind verfassungsrechtlich strengere Maßstäbe anzulegen. Eine feste Grenze gibt es jedoch nicht. Sie ist vielmehr im Einzelfall anhand der jeweils konkreten Gegebenheiten unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertungen zu bestimmen (vgl. BAG 6. Juni 2007 - 4 AZR 411/06 - Rn. 34 mwN, BAGE 123, 46 ua. unter Hinweis auf BVerfG 3. Juli 1962 - 2 BvR 628/60 ua. - BVerfGE 14, 156, 164 f.).

28

bb) Danach war die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts im Zeitpunkt der Entscheidung am 12. Januar 2012 ordnungsgemäß besetzt. Aus der E-Mail des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts vom 5. Juni 2012, deren Inhalt und Autor von der Rechtsbeschwerde nicht bestritten sind, ergibt sich, dass die Richterin am Arbeitsgericht W für einen Zeitraum von neun Monaten zum Zwecke der Erprobung abgeordnet wurde. Angesichts des Abordnungszeitraums von nicht einmal einem Jahr, der sich für eine Erprobung als angemessen erweist, sind sachfremde Erwägungen bei der Abordnungsentscheidung der Landesjustizverwaltung nicht erkennbar. Der Vortrag der Rechtsbeschwerde, dass die Nichtbesetzung der Stellen auf anderen - möglicherweise fiskalischen - Erwägungen beruhte, erschöpft sich in der Vermutung, die Richterin am Arbeitsgerichts W sei möglicherweise bereits vormals beim Landesarbeitsgericht erprobt worden. Hierzu hat die Rechtsbeschwerde aber nicht einmal dargetan, den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts um entsprechende Auskunft ersucht zu haben.

29

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil die Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung nicht fristgerecht angefochten wurde.

30

a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die angefochtene Entscheidung nicht schon deshalb aufzuheben, weil das Rechtsschutzbedürfnis für den Wahlanfechtungsantrag im Laufe des Verfahrens entfallen wäre.

31

aa) Die Wahlberechtigung des die Wahl anfechtenden Arbeitnehmers muss grundsätzlich nur zum Zeitpunkt der Wahl gegeben sein (ständige Rechtsprechung seit BAG 4. Dezember 1986 - 6 ABR 48/85 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 53, 385). Ein Wegfall der Wahlberechtigung durch Ausscheiden aus dem Betrieb nimmt dem Arbeitnehmer die Anfechtungsbefugnis nicht. Nur wenn sämtliche die Wahl anfechtenden Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausscheiden, führt dies zur Unzulässigkeit des Antrags, da für die Fortführung des Wahlanfechtungsverfahrens in diesem Fall kein Rechtsschutzbedürfnis mehr besteht (BAG 16. November 2005 - 7 ABR 9/05 - Rn. 16 mwN, BAGE 116, 205; DKKW-Homburg 14. Aufl. § 19 Rn. 25; Fitting 27. Aufl. § 19 Rn. 29; HWGNRH-Nicolai 9. Aufl. § 19 Rn. 22; Thüsing in Richardi BetrVG 14. Aufl. § 19 Rn. 38).

32

(1) Die Rechtsbeschwerde vertritt den Standpunkt, für den Anfechtungsantrag bestehe schon dann kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, wenn die vom Gesetz in § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX iVm. § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vorausgesetzte Mindestzahl der Anfechtenden unterschritten werde. Sinn und Zweck dieses Quorums bestehe darin zu verhindern, dass nicht ein einzelner Arbeitnehmer - ein unterlegener Bewerber oder „Querulant“ - ein aufwendiges und schwieriges Verfahren in Gang setzen und betreiben könne. Die Anfechtung müsse bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz von mindestens drei Anfechtenden getragen sein. Es widerspreche Sinn und Zweck des aus individueller Rechtsposition betriebenen Anfechtungsverfahrens, wenn derjenige, dessen Betriebszugehörigkeit entfalle, jenes weiterführen könne, obwohl er durch die Entscheidung nicht mehr betroffen sei (vgl. Kreutz GK-BetrVG 10. Aufl. § 19 Rn. 66, 69 und Rn. 58 mwN, der die Anfechtungsberechtigung nicht als Voraussetzung der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit ansieht).

33

(2) Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest. Dem Gesetzeszweck wird durch das bei Stellung eines Anfechtungsantrags erforderliche Quorum von drei Wahlberechtigten ausreichend Rechnung getragen. Dementsprechend hat auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG 27. April 1983 - 6 P 17.81 -BVerwGE 67, 145) den objektiven Charakter von Wahlanfechtungsverfahren hervorgehoben. Entgegen der Rechtsbeschwerde ist es gerade nicht die individuelle Rechtsposition, die das Anfechtungsrecht entscheidend kennzeichnet. Das gilt insbesondere für das Wahlanfechtungsverfahren, das nicht dem Einzelinteresse, sondern dem Allgemeininteresse dient. Das Anfechtungsrecht der Gewerkschaften zeigt, dass das Rechtsschutzinteresse nicht eine persönliche Beschwer voraussetzt. Im Vordergrund steht vielmehr das Allgemeininteresse an der Ordnungsmäßigkeit der Wahl (vgl. für den Personalrat BVerwG 27. April 1983 - 6 P 17.81 - aaO). Diese Erwägungen gelten auch für die Wahlen der Schwerbehindertenvertretung und deren Stellvertreter.

34

bb) Der Ausnahmefall, dass alle Anfechtenden im Verlaufe des Verfahrens aus dem Betrieb ausgeschieden sind und der Anfechtungsantrag deshalb mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden ist, liegt hier nicht vor. Nach der Anfechtung der Wahl ist lediglich die Wahlberechtigung des Antragstellers zu 3. mit dessen Eintritt in die Freistellungsphase am 1. Oktober 2011 entfallen, während die Antragsteller zu 1. und 2. nach wie vor dem Betrieb angehören. Das Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Unwirksamkeit der Wahl besteht damit für alle Antragsteller fort.

35

b) Die Rechtsbeschwerde hat jedoch Erfolg, weil die am 22. November 2010 durchgeführte Wahl der Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung nicht innerhalb der entsprechend anzuwendenden zweiwöchigen Anfechtungsfrist des § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX iVm. § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG angefochten wurde und die Wahl auch nicht nichtig ist.

36

aa) Die Stellvertreterwahl ist nicht wirksam angefochten worden.

37

(1) § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX erklärt die Vorschriften über die Wahlanfechtung bei der Wahl des Betriebsrats für die Wahl der Vertrauensperson und des stellvertretenden Mitglieds für sinngemäß anwendbar. Für die Betriebsratswahl bestimmt § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, dass die Anfechtung nur binnen einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses zulässig ist. Mit dem Ablauf der Anfechtungsfrist erlischt das Anfechtungsrecht des einzelnen Anfechtungsberechtigten. Die in § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG bestimmte Frist für die Anfechtung der Wahl dient der Rechtssicherheit. Dadurch soll gewährleistet werden, dass möglichst rasch nach Abschluss der Wahl Klarheit darüber geschaffen wird, ob die Wahl angefochten wird oder nicht (BAG 20. April 2005 - 7 ABR 44/04 - zu B III 2 a der Gründe, BAGE 114, 228). Bei den getrennt anzufechtenden Wahlen der Vertrauensperson und der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung muss den Beteiligten durch den fristgemäßen Anfechtungsantrag unzweifelhaft die Feststellung möglich sein, ob ihre Wahl angefochten werden soll.

38

(2) Die Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung wurde hier nicht rechtzeitig innerhalb der nach § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG einzuhaltenden Frist von zwei Wochen nach der Bekanntgabe des am 30. November 2010 durch Aushang bekannt gemachten Wahlergebnisses angefochten. Die Antragsschrift zur Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens ging zwar am 13. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht ein. Der Antrag, die Wahl der Schwerbehindertenvertretung vom 25. November 2010 für unwirksam zu erklären, richtete sich aber ausschließlich gegen die Wahl der Vertrauensperson und nicht auch gegen die Wahl der Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung. Dies wird daran deutlich, dass im Rubrum der Antragsschrift ausdrücklich nur die „Schwerbehindertenvertretung“ bezeichnet ist. Dass hiermit die gewählte Vertrauensperson gemeint war und nicht - zumindest auch - die selbständig gewählten Stellvertreter, ergibt sich daraus, dass die als Beteiligte bezeichnete Schwerbehindertenvertretung durch die „Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen Frau K“ vertreten wird. Auf die Wahl der Stellvertreter bezieht sich demgegenüber weder der Anfechtungsantrag noch sind die Stellvertreter als Beteiligte im Rubrum der Antragsschrift bezeichnet. Deshalb lässt sich der auf „die Schwerbehindertenvertretung“ bezogene Antrag nicht dahin auslegen, dass neben der Wahl der Vertrauensperson auch die Stellvertreterwahl angefochten werden sollte.

39

Auch konnte es für die Antragsteller keinem Zweifel unterliegen, dass zwei getrennte Wahlen durchgeführt wurden, die ggf. getrennt anzufechten sind. Nach Punkt 4 Satz 2 des mit der Antragsschrift vorgelegten Wahlausschreibens werden „die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und die drei stellvertretenden Mitglieder in getrennten Wahlgängen gewählt“. Mit Punkt 5 des Wahlausschreibens wurden die wahlberechtigten Schwerbehinderten und die gleichgestellten behinderten Menschen nicht nur aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen nach Erlass dieses Wahlausschreibens getrennte Wahlvorschläge für die Schwerbehindertenvertretung und die stellvertretenden Mitglieder schriftlich beim Wahlvorstand einzureichen. Das Wahlausschreiben enthielt dort zusätzlich den Hinweis, dass sich aus den Wahlvorschlägen eindeutig ergeben müsse, wer als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und wer als stellvertretendes Mitglied vorgeschlagen werde. Aus Gründen der Rechtssicherheit, die besonders im Wahlanfechtungsrecht hervorgehobene Bedeutung beansprucht, ist die Anfechtung der Wahl der Stellvertreter unter diesen Umständen nicht allein dadurch hinreichend deutlich erfolgt, dass die Antragsteller ihre Anfechtung inhaltlich auch auf einen Grund gestützt haben, der nur die Wirksamkeit der Stellvertreterwahl betrifft.

40

bb) Die Wahl vom 22. November 2010 ist nicht nichtig.

41

(1) Im Unterschied zur Wahlanfechtung kann die Nichtigkeit der Wahl auch außerhalb der in § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG bestimmten Anfechtungsfrist jederzeit von jedermann geltend gemacht werden, der daran ein berechtigtes Interesse hat. Ebenso wie die Betriebsratswahl ist die Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung nur in ganz besonderen Ausnahmefällen nichtig, in denen gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt. Voraussetzung ist, dass der Mangel offenkundig und deshalb ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist. Die Betriebsratswahl muss „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“ (st. Rspr., vgl. BAG 20. April 2005 - 7 ABR 44/04 - zu B III 3 der Gründe, BAGE 114, 228; 21. September 2011 - 7 ABR 54/10 - Rn. 26 mwN, BAGE 139, 197).

42

(2) Unter derart gravierenden Mängeln leidet die Stellvertreterwahl vom 22. November 2010 nicht deshalb, weil der Wahlvorstand den Kandidaten K vom Wahlvorschlag der Stellvertreter gestrichen hat, nachdem dieser seine Zustimmung zur Kandidatur vor der Veröffentlichung des Wahlvorschlags widerrufen hat. Selbst wenn ein Rücktritt von der Kandidatur nach schriftlich erteilter Zustimmung rechtlich nicht möglich oder es dem Wahlvorstand nicht gestattet sein sollte, in einer solchen Situation analog § 6 Abs. 3 Satz 3 SchwbVWO nur einen Kandidaten von der Liste zu streichen und die übrigen Kandidaten zuzulassen, wäre die Wahl aufgrund eines solchen Fehlers nur anfechtbar. Sie wäre aber nicht nichtig.

        

    Linsenmaier    

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

        

        

    Busch    

        

    Kley    

                 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. August 2010 - 5 TaBV 9/10 - aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 11. März 2010 - 11 BV 28/09 - abgeändert.

Die Betriebsratswahl vom 2. Dezember 2009 im Wahlbezirk 17 (Freiberg) wird für unwirksam erklärt.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer außerhalb der regelmäßigen Wahlperiode durchgeführten, erstmaligen Betriebsratswahl vom 2. Dezember 2009.

2

Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit eine Vielzahl von Filialen und Verkaufsstellen zum Vertrieb von Drogeriewaren. Einzelne Filialen und Verkaufsstellen sind zu Bezirken zusammengefasst, die jeweils einem Bezirksleiter unterstehen. Die Arbeitgeberin änderte den Zuschnitt der Bezirke in der Vergangenheit wiederholt.

3

Am 7. März 1995 unterzeichneten die Arbeitgeberin und die damalige Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) eine „Gemeinsame Erklärung“, in der es ua. heißt:

        

„Die Firma Anton Schlecker und die Gewerkschaft HBV haben sich am 7.3.1995 geeinigt und werden in einem Tarifvertrag § 3 BetrVG festlegen, daß Betriebsräte in der Firma Anton Schlecker grundsätzlich auf der Ebene der Bezirksleitungen gewählt werden können.

        

Die HBV vertrat bisher die Auffassung, daß auf der Ebene der Verkaufsbüros eine Betriebsratswahl stattfinden könne, Schlecker wollte für die einzelnen betriebsratsfähigen Filialen und für den Hauptbetrieb Betriebsratswahlen zulassen.

        

Nach Unterzeichnung des Tarifvertrages treten alle bisher von der HBV initiierten Wahlvorstände zurück. Es werden dann Wahlen auf der vereinbarten Organisationsebene der Firma eingeleitet.“

4

Am 7. April 1995 unterzeichneten die Arbeitgeberin und die Gewerkschaft HBV den „Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Ziffer 3 Betriebsverfassungsgesetz“(im Folgenden: Zuordnungs-TV). Dieser hat folgenden Inhalt:

        

㤠1

        

Tariflicher Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt

        

1.    

räumlich:

für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland

        

2.    

sachlich:

für alle Verkaufsstellen oder Filialen der Fa. Anton Schlecker, Ehingen, ausgenommen Lager (Logistik-Service Center), Zentrale, Verkaufsbüros, SB-Warenhäuser, Baumärkte, Fleischwerke und Fleischverkaufsstellen

        

3.    

persönlich:

für alle im räumlichen und sachlichen Geltungsbereich bei der Fa. Anton Schlecker beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG

        

§ 2

        

Zusammenarbeit

        

Zur Gewährleistung eines erfolgreichen Zusammenwirkens zwischen den Arbeitnehmern, dem Arbeitgeber und den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften in Fragen Betriebsverfassung und wegen der besonderen Verhältnisse in den Verkaufsstellen oder Filialen, sind sich die Parteien einig, nach § 3 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG eine von § 4 BetrVG abweichende Regelung über die Zuordnung von Betriebsteilen vorzunehmen. Die Errichtung von Betriebsräten wird dadurch erleichtert.

        

§ 3

        

Zuordnung von Betriebsteilen

        

Die im Geltungsbereich dieses Vertrages liegenden Verkaufsstellen oder Filialen, die als Betriebsteile anzusehen sind, werden abweichend von § 4 BetrVG untereinander zugeordnet in Regionen, die sich im einzelnen aus der beiliegenden und einen wesentlichen Bestandteil dieses Tarifvertrages bildenden Karte ergeben.

        

Infolge dieser Zuordnung wählen die Arbeitnehmer der in der jeweiligen Region liegenden Verkaufsstellen oder Filialen jeweils einen Betriebsrat.

        

§ 4

        

Neue Betriebsteile

        

Die Zuordnung gemäß § 3 gilt auch für Betriebsteile, die während der Laufzeit dieses Vertrages errichtet oder übernommen werden.

        

§ 5

        

Geltungsdauer

        

Dieser Tarifvertrag tritt mit Erteilung der Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung in Kraft. Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Er kann mit einer Frist von sechs Monaten erstmals zum 31.12.1997 und danach zum Ende der gesetzlichen Amtszeit gemäß § 13 BetrVG gekündigt werden.“

5

Zuverlässige auf den Zeitpunkt der Unterzeichnung des Zuordnungs-TV am 7. April 1995 bezogene Feststellungen über Existenz und Inhalt der in § 3 des Tarifvertrags angesprochenen Karte sind vom Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Nach dem - unwidersprochenen - Vorbringen der Arbeitgeberin im Rechtsbeschwerdeverfahren wurden „die Karten“ nach dem Abschluss des Tarifvertrags von der Arbeitgeberin erstellt und dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung nachgereicht. Der Senat hat eine auf seine Aufforderung von der Arbeitgeberin vorgelegte und von dieser als authentisch bezeichnete Karte in der mündlichen Anhörung in Augenschein genommen. Die Karte hat einen Maßstab von 1:700 000. Sie erfasst das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. In ihr sind - erkennbar von Hand - mit schwarzem, ca. 1,0 bis 1,5 mm breitem Stift Gebietsgrenzen und Zahlen eingetragen. Die Karte enthält keinen ausdrücklichen Bezug auf den Zuordnungs-TV. Unterschriften oder Paraphen finden sich auf der Karte nicht. Die Karte weist - insbesondere an den Faltungen - erhebliche Gebrauchsspuren auf. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts entsprachen die - in der Karte eingezeichneten - Grenzen der Betriebsratsregionen den Zuständigkeitsbereichen der damaligen Bezirksleitungen.

6

Die Karte weist ua. den Bezirk „17“ aus. In diesem befindet sich ua. der Ort Freiberg und - ganz oder teilweise - der Kreis Freiberg und der Mittlere Erzgebirgskreis. An den Bezirk grenzen - soweit erkennbar - die mit den Nummern 391, 35, 37 und 370 bezeichneten Bezirke an. Der Grenzverlauf des Bezirks 17 lässt sich jedenfalls anhand der Karte insbesondere im Westen nicht eindeutig erkennen. Auch wurden in diesem Bereich mit weißer Farbe Korrekturen vorgenommen.

7

Am 2. Dezember 2009 führte der vom Gesamtbetriebsrat eingesetzte Wahlvorstand im Bezirk 17 außerhalb des regelmäßigen Wahlzeitraums erstmals eine Betriebsratswahl durch. Der Wahlvorstand beteiligte an der Wahl die Arbeitnehmer der in diesem Bezirk gelegenen Filialen. Aufgrund von Umstrukturierungen waren die Zuständigkeitsbereiche der Bezirksleiter zu dieser Zeit gegenüber denjenigen von 1995 erheblich verändert. Der Bezirk 17 fiel im Dezember 2009 in die Zuständigkeit von fünf Bezirksleitungen. Das Wahlergebnis wurde am 7. Dezember 2009 bekannt gegeben.

8

Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2009, beim Arbeitsgericht am 11. Dezember 2009 eingegangen, hat die Arbeitgeberin begehrt, die Wahl für unwirksam zu erklären. Die Antragsschrift ist von dem Prokuristen S unterzeichnet.

9

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die Betriebsratswahl sei nichtig, jedenfalls aber anfechtbar. Bei der Wahl sei der Betriebsbegriff verkannt worden. Auf der Grundlage des Zuordnungs-TV sei eine Betriebsratswahl nicht mehr zulässig gewesen, da sich seit Abschluss des Tarifvertrags im Jahr 1995 aufgrund von Expansionen und betrieblichen Umorganisationen die Identität der betrieblichen Organisationseinheiten geändert habe. Der Zuordnungs-TV sei nicht mehr wirksam.

10

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

        

die Betriebsratswahl vom 2. Dezember 2009 im Wahlbezirk 17 (Freiberg) für unwirksam zu erklären.

11

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag der Arbeitgeberin abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Antrag sei bereits unzulässig, da die Antragsschrift nicht ordnungsgemäß unterschrieben sei. Außerdem könne die Betriebsratswahl im Bezirk 17 nicht isoliert angefochten werden. Jedenfalls sei die Wahlanfechtung unbegründet. Der Betriebsbegriff sei nicht verkannt worden. Der Wahlbezirk 17 gelte auf der Grundlage des Zuordnungs-TV weiterhin als Betrieb, in dem ein Betriebsrat zu wählen sei.

12

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Antrag weiter.

13

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die von der Arbeitgeberin frist- und formgerecht angefochtene Betriebsratswahl ist unwirksam. Durch die Einbeziehung sämtlicher Filialen, die in den geographischen Bereich des als Bezirk 17 bezeichneten Gebiets fallen, wurde der Betriebsbegriff verkannt. Allerdings war und ist der Zuordnungs-TV wirksam. Seine Wirkung wurde entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin durch die vorgenommenen Umstrukturierungen und Veränderungen der Gebiete der Bezirksleiter nicht beendet. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht aber angenommen, die Einheiten, für die nach dem Zuordnungs-TV Betriebsräte zu wählen seien, seien trotz der Umstrukturierungen unverändert geblieben. Wie die gebotene Auslegung des Zuordnungs-TV ergibt, sind für die Errichtung von Betriebsräten nicht statisch bestimmte geographische Grenzen, sondern dynamisch die jeweiligen, aufgrund der Entscheidungen der Arbeitgeberin geschaffenen Regionen der Bezirksleitungen maßgeblich. Dies hat der Wahlvorstand bei der streitbefangenen Wahl nicht beachtet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist ein Anfechtungsrecht der Arbeitgeberin auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil vorangegangene Betriebsratswahlen in benachbarten Regionen unangefochten geblieben sind.

14

I. Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Er ist form- und fristgerecht beim Arbeitsgericht eingegangen. Die Arbeitgeberin ist anfechtungsberechtigt. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass vorangegangene Betriebsratswahlen in benachbarten Regionen nicht angefochten wurden.

15

1. Die förmlichen Voraussetzungen einer zulässigen Wahlanfechtung sind erfüllt. Die Arbeitgeberin ist nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zur Anfechtung der Wahl berechtigt. Die Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist eingehalten. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, wahrte die Antragsschrift die Schriftform des § 81 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 ArbGG. Der Namenszug des Prokuristen S unter der Antragsschrift erfüllt die an eine ordnungsgemäße Unterschrift zu stellenden Anforderungen.

16

a) Die ein Verfahren nach § 81 Abs. 1 Halbs. 2 ArbGG einleitende Antragsschrift bedarf nach dem auch im Beschlussverfahren anwendbaren § 130 Nr. 6 ZPO der eigenhändigen Unterschrift der den Schriftsatz verantwortenden Person(vgl. BAG 21. Oktober 1969 - 1 ABR 8/69 - zu II 3 a der Gründe, AP BetrVG § 3 Nr.10). Eine Unterschrift setzt einen individuellen Schriftzug voraus, der sich - ohne lesbar sein zu müssen - als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt. Ein Schriftzug, der als bewusste und gewollte Namenskürzung erscheint (Handzeichen, Paraphe), stellt keine formgültige Unterschrift dar. Ob ein Schriftzug eine Unterschrift oder lediglich eine Abkürzung darstellt, beurteilt sich nach dem äußeren Erscheinungsbild. In Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen, ist insoweit ein großzügiger Maßstab anzulegen, wenn die Autorenschaft gesichert ist (BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 864/06 - Rn. 13 mwN, BAGE 125, 345).

17

b) Der Namenszug des Prokuristen S in der Antragsschrift entspricht diesen Anforderungen. Der Schriftzug ist zwar nicht lesbar. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, lassen die mehrfachen richtungsändernden Schreibbewegungen aber insbesondere unter Berücksichtigung des relativ kurzen Namens hinreichend erkennen, dass eine volle Unterschrift und nicht lediglich eine Paraphe oder Abkürzung des Namens gewollt war. Der Betriebsrat hat gegen diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts im Rechtsbeschwerdeverfahren auch keine Einwendungen erhoben.

18

2. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, das Anfechtungsrecht der Arbeitgeberin sei vorliegend deshalb ausgeschlossen, weil die Wahlen in anderen, insbesondere auch den benachbarten Regionen unangefochten geblieben seien.

19

a) Allerdings hat der Senat, worauf das Landesarbeitsgericht zutreffend hinweist, mit Beschluss vom 31. Mai 2000 (- 7 ABR 78/98 - BAGE 95, 15) in Anknüpfung an einen Beschluss vom 7. Dezember 1988 (- 7 ABR 10/88 - BAGE 60, 276) entschieden, bei der Anfechtung einer Betriebsratswahl, die darauf gestützt werde, dass in einem einheitlichen Betrieb unter Verkennung des Betriebsbegriffs mehrere Betriebsräte für jeweils unselbständige Betriebsteile gewählt worden seien, müsse die Wahl aller Betriebsräte angefochten werden; die gegen die Wahl eines einzelnen Betriebsrats gerichtete Anfechtung sei in einem solchen Fall unzulässig (BAG 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - zu B II 1 der Gründe, aaO). Dies gelte auch, soweit in einem solchen Wahlanfechtungsverfahren weitere Verfahrensverstöße geltend gemacht würden, die unabhängig von einer Verkennung des Betriebsbegriffs die Unwirksamkeit der Wahl zur Folge hätten (BAG 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - zu B II 1 b der Gründe, aaO). Der Senat hat das vor allem mit der Erwägung begründet, es könne in einem solchen Fall durch die Annullierung von nur einer Betriebsratswahl kein betriebsverfassungsgemäßer Zustand erreicht werden. Wenn in einem einheitlichen Betrieb unter Verkennung des Betriebsbegriffs für einen unselbständigen Betriebsteil ein Betriebsrat gewählt worden sei, könne dieser betriebsverfassungswidrige Zustand nur durch gerichtliche Annullierung der Wahl sämtlicher Betriebsräte beseitigt werden, damit die Betriebsbelegschaft einen neuen, für den gesamten Betrieb einheitlich zuständigen Betriebsrat wählen könne (BAG 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - zu B II 1 a der Gründe, aaO).

20

b) Der Streitfall verlangt keine Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung uneingeschränkt festzuhalten ist. Jedenfalls ist sie auf die vorliegende Fallgestaltung entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht übertragbar. Zum einen kann bei Anwendung eines Tarifvertrags, der gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 5 BetrVG bestimmte Betriebe eines Unternehmens zu betriebsverfassungsrechtlichen Einheiten zusammenfasst, die Zulässigkeit einer Wahlanfechtung wegen Verkennung des - tarifvertraglich gewillkürten - Betriebsbegriffs nicht davon abhängig gemacht werden, dass alle Wahlen in den gebildeten Organisationseinheiten angefochten werden. Zum andern gilt dies in besonderem Maße, wenn die Wahlen nicht zeitgleich, sondern - insbesondere wegen § 13 Abs. 2 BetrVG - zeitlich versetzt stattfinden.

21

aa) Wäre die Zulässigkeit einer auf die Verkennung des Betriebsbegriffs gestützten Anfechtung der Betriebsratswahl in einer nach einem Zuordnungstarifvertrag gebildeten betriebsorganisatorischen Einheit davon abhängig, dass auch die Betriebsratswahlen in den angrenzenden Regionen angefochten werden, würde die in § 19 Abs. 1 BetrVG vorgesehene und gewährleistete Möglichkeit der Anfechtung von Betriebsratswahlen in unzumutbarer Weise eingeschränkt und erschwert. Zum einen führte die Obliegenheit, die Betriebsratswahlen auch in den angrenzenden Regionen anzufechten, zu einem das gesamte Tarifgebiet erfassenden „Domino-Effekt“, grenzen doch an die angrenzenden Regionen wiederum weitere Regionen an. Zum zweiten müsste bei einem solchen „Konzept“ entweder den nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ebenfalls anfechtungsberechtigten drei Wahlberechtigten oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft die Obliegenheit und damit die Befugnis zuerkannt werden, auch die Wahlen in - sämtlichen - anderen Betrieben, denen sie nicht angehören oder in denen sie nicht vertreten sind, anzufechten, oder es müsste bei der Zulässigkeit von Wahlanfechtungen je nach Anfechtungsberechtigtem unterschieden werden. Beides erscheint systematisch unvertretbar. Zum dritten würde die Situation gänzlich perplex, wenn ein zur Anfechtung der Wahl Berechtigter einen anderen Anfechtungsgrund als die Verkennung des Betriebsbegriffs geltend machen würde und sich der Betriebsrat zur Verteidigung darauf beriefe, seine Wahl sei isoliert nicht anfechtbar, da auch der Betriebsbegriff verkannt worden sei.

22

bb) Dass die unterbliebene Anfechtung der Betriebsratswahlen in den angrenzenden Regionen der Zulässigkeit der Wahlanfechtung nicht entgegenstehen kann, zeigt sich besonders deutlich, wenn die Wahlen nicht zeitgleich, sondern - wie hier - zeitlich versetzt stattfinden. Ein derartiges Zulässigkeitserfordernis könnte vielmehr dazu führen, dass sich ein betriebsverfassungs- und tarifvertragsgemäßer Zustand überhaupt nicht mehr herstellen ließe. Vielmehr könnte der Anfechtung einer nach § 13 Abs. 2 BetrVG „unregelmäßigen“ Wahl in einer betriebsorganisatorischen Einheit die unterbliebene Anfechtung der nach § 13 Abs. 1 BetrVG „regelmäßigen“ Wahlen in anderen Einheiten entgegengehalten werden. Gleiches könnte umgekehrt im Falle der Anfechtung der nächsten regelmäßigen Wahl geschehen.

23

cc) Die - isolierte - Anfechtung der hier streitbefangenen Wahl ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil sich so ein betriebsverfassungs- und tarifvertragsgemäßer Zustand nicht herstellen ließe. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass im Falle der Begründetheit der Wahlanfechtung eine die Verkennung des Betriebsbegriffs vermeidende, alle betroffenen Arbeitnehmer erfassende Neuwahl nicht möglich ist, sondern bis zu den nächsten regelmäßigen Betriebsratswahlen vorübergehend ein Zustand eintritt, in dem ein Teil der oder sogar alle betroffenen Arbeitnehmer keine Möglichkeit haben, von ihrem Recht zur Wahl eines Betriebsrats Gebrauch zu machen. Das bedeutet jedoch nicht notwendig, dass sie bis dahin vertretungslos würden. Vielmehr spricht angesichts des Umstands, dass sich die Zahl der Gebietsleiter in der streitbefangenen Region vergrößert und deren geographischer Zuständigkeitsbereich verkleinert hat, vieles dafür, dass im Falle der Begründetheit der vorliegenden Wahlanfechtung ein Teil der betroffenen Arbeitnehmer erneut einen Betriebsrat in der für sie zutreffend ermittelten betriebsverfassungsrechtlichen organisatorischen Einheit wählen kann, während ein anderer Teil von den bereits unangefochten gewählten Betriebsräten in den angrenzenden Regionen repräsentiert wird. Weitergehende Hinweise sind insoweit schon mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen weder geboten noch möglich.

24

II. Die Wahlanfechtung ist entgegen der Beurteilung des Landesarbeitsgerichts begründet. Die angefochtene Wahl ist zwar nicht nichtig. Sie ist aber anfechtbar, da der Betriebsbegriff verkannt wurde. Allerdings ist der Zuordnungs-TV entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin weiterhin wirksam. Der Wahlvorstand ist jedoch auf der Grundlage des Zuordnungs-TV nicht von der zutreffenden betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit ausgegangen.

25

1. Die angefochtene Betriebsratswahl ist nicht nichtig.

26

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Betriebsratswahl nur nichtig bei groben und offensichtlichen Verstößen gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts, die so schwerwiegend sind, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Wegen der weitreichenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders gravierenden Wahlverstößen angenommen werden. Voraussetzung ist, dass der Mangel offenkundig und deshalb ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist. Die Betriebsratswahl muss „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“. Dies ist bei einer Betriebsratswahl, die unter Verkennung des Betriebsbegriffs durchgeführt worden ist, grundsätzlich nicht der Fall. Sie hat in der Regel nur die Anfechtbarkeit der Wahl zur Folge (BAG 19. November 2003 - 7 ABR 25/03 - zu C I 1 der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 1).

27

b) Hiernach ist die Betriebsratswahl nicht nichtig. Zwar hat der Wahlvorstand den Begriff der nach dem Zuordnungs-TV maßgeblichen betriebsorganisatorischen Einheit verkannt (s. hierzu noch unten). Dieser Fehler ist jedoch nicht so schwerwiegend, als dass der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr bestünde. Vielmehr hat der Wahlvorstand lediglich in einer schwierigen Auslegungsfrage eine fehlerhafte Beurteilung vorgenommen.

28

2. Die Betriebsratswahl ist anfechtbar. Der Wahlvorstand hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts die für die Wahl maßgebliche betriebsorganisatorische Einheit verkannt.

29

a) Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann die Wahl eines Betriebsrats angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, durch den Verstoß konnte das Wahlergebnis nicht verändert oder beeinflusst werden. Ein solcher Verstoß liegt ua. vor, wenn bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff verkannt wurde (vgl. BAG 19. November 2003 - 7 ABR 25/03 - zu C I 1 der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 1). Gleiches gilt, wenn eine Betriebsratswahl unter Anwendung eines unwirksamen Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG durchgeführt wurde(vgl. hierzu BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 27/08 - Rn. 11, BAGE 131, 277) oder der Wahlvorstand bei der Anwendung eines wirksamen Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG die danach maßgebliche betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit verkannt hat.

30

b) Hiernach ist die vorliegende Wahl anfechtbar. Zwar ist der Zuordnungs-TV wirksam geschlossen worden. Er hat auch entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin durch die späteren Umstrukturierungen und organisatorischen Änderungen seine Wirkung nicht verloren. Der Wahlvorstand hat aber entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts die nach dem Zuordnungs-TV maßgebliche betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit verkannt.

31

aa) Der Zuordnungs-TV ist wirksam. Gegen seine Wirksamkeit bestünden allerdings durchgreifende Bedenken, wenn die in § 3 des Zuordnungs-TV angesprochene Karte konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags sein sollte. In diesem Fall würde der Tarifvertrag weder dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG noch den an die Normenklarheit zu stellenden Mindestanforderungen genügen. Wie die gebotene Auslegung des Zuordnungs-TV ergibt, ist die Karte jedoch kein konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags, sondern hat lediglich erläuternden Charakter.

32

(1) Falls die in § 3 des Zuordnungs-TV angesprochene Karte Bestandteil des Tarifvertrags sein sollte, wäre - jedenfalls nach den dem Senat zur Verfügung stehenden, einer weiteren Aufklärung ersichtlich nicht zugänglichen tatsächlichen Feststellungen - dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG nicht genügt.

33

(a) Nach § 1 Abs. 2 TVG bedürfen Tarifverträge der Schriftform. Das Tarifvertragsrecht kennt keinen eigenständigen Schriftformbegriff. Die Schriftform richtet sich daher grundsätzlich nach § 126 BGB und den in der Rechtsprechung entwickelten Konkretisierungen dieser Norm. Hiernach muss die Urkunde eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Es reicht bei Dokumenten mit Anlagen aber aus, wenn die sachliche Zusammengehörigkeit von unterzeichneter Haupturkunde und Anlage zweifelsfrei feststeht. Dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG ist daher genügt, wenn die Tarifvertragsurkunde klar und zweifelsfrei auf - selbst nicht unterzeichnete - Schriftstücke verweist, selbst wenn diese nicht körperlich mit der Urkunde verbunden sind. Dies ist anzunehmen, wenn der Tarifvertrag in seinem Wortlaut unmittelbar oder mittelbar auf die Anlage Bezug nimmt (BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 2/05 - Rn. 30, BAGE 118, 141; 6. Oktober 2010 - 7 ABR 80/09 - Rn. 19 mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 45 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 19). Die Zusammengehörigkeit von Haupturkunde und Anlage kann auch dadurch sichergestellt werden, dass die unterzeichnete Anlage ihrerseits auf die Haupturkunde verweist (vgl. zur Notwendigkeit einer solchen Rückverweisung bei einem Interessenausgleich mit Namensliste BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 551/08 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 21). Fehlt es sowohl an einer körperlichen Verbindung als auch an einer Unterzeichnung oder Paraphierung der Anlage, ist für die Wahrung der Schriftform zumindest erforderlich, dass zweifelsfrei nur eine Fassung der in Bezug genommenen, eindeutig bezeichneten Anlage existiert. Andernfalls lässt sich nicht zuverlässig feststellen, welche Norm maßgeblich sein und für die Normunterworfenen gelten soll.

34

(b) Hiernach ist die in § 3 Abs. 1 des Zuordnungs-TV angesprochene Karte nicht formwirksam in Bezug genommen. Zwar wird sie in § 3 Abs. 1 des Zuordnungs-TV als wesentlicher Bestandteil des Tarifvertrags bezeichnet. Eine zuverlässige Zuordnung von Tarifvertrag und Karte ist aber nicht möglich. Ein von den Tarifvertragsparteien unterzeichnetes Exemplar der Karte gibt es ersichtlich nicht. Die von der Arbeitgeberin - einer der beiden Tarifvertragsparteien - vorgelegte, in der mündlichen Anhörung vor dem Senat in Augenschein genommene Karte weist weder Unterschriften noch eine Rückverweisung auf den Zuordnungs-TV aus. Allein anhand dieser Karte lässt sich daher nicht einmal eine unmittelbare Verbindung zu dem Zuordnungs-TV herstellen. Darüber hinaus ist nicht sicher feststellbar, wie viele Exemplare oder Fassungen dieser Karte es gibt. Gegen die Annahme, es gebe nur ein Exemplar, spricht bereits der Umstand, dass nach dem - unwidersprochenen - Vorbringen der Arbeitgeberin im Rechtsbeschwerdeverfahren „die Karten“ nach dem Abschluss des Tarifvertrags von der Arbeitgeberin erstellt und dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung nachgereicht wurden. Bei ausschließlich maschinenschriftlichen Schriftstücken könnte das Vorhandensein mehrerer identischer Anlagen möglicherweise noch als unschädlich erachtet werden. Bei Anlagen, die zu wesentlichen Teilen aus manuell eingezeichneten Linien bestehen, ist dies jedoch nicht der Fall.

35

(2) Falls die in § 3 des Zuordnungs-TV angesprochene Karte konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags sein sollte, wäre darüber hinaus den Mindestanforderungen des Gebots der Bestimmtheit und Normenklarheit nicht genügt.

36

(a) Das letztlich aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit verlangt grundsätzlich, dass der Normgeber die von ihm erlassenen Regelungen so bestimmt fasst, dass die Rechtsunterworfenen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen (vgl. zum „Gebot der Bestimmtheit und Klarheit“ - allerdings bei gesetzlichen Grundrechtsbeschränkungen - BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 - und - 1 BvR�1 BvR 1254/07 - Rn. 93 bis 97 mwN, BVerfGE 120, 378). Dies gilt grundsätzlich auch für tarifvertragliche Regelungen. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien bei der technischen Umsetzung der von ihnen verfolgten Zwecke regelmäßig einen weiten Gestaltungsspielraum. Daher ist ihnen insbesondere auch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe nicht verwehrt. Gerichte dürfen diese nicht etwa wegen mangelnder Justiziabilität unangewendet lassen. Vielmehr ist es ihre Aufgabe, erforderlichenfalls unbestimmte Rechtsbegriffe im Wege der Auslegung zu konkretisieren. Lediglich in ganz besonderen Ausnahmefällen dürfen Gerichte tarifliche Regelungen wegen mangelnder Bestimmtheit und des darauf beruhenden Verstoßes gegen rechtsstaatliche Grundsätze für unwirksam erachten (vgl. BAG 29. Januar 1986 - 4 AZR 465/84 - zu 5 bis 7 der Gründe mwN, BAGE 51, 59; vgl. auch 4. Dezember 1997 - 2 AZR 809/96 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 87, 210).

37

(b) Hier läge, sofern die in § 3 des Zuordnungs-TV angesprochene Karte konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags sein sollte, ein solcher Ausnahmefall vor. Falls die handschriftlich in die Karte oder die Karten - ob es nur eine oder aber mehrere Karten gibt, ist, wie ausgeführt, nicht zuverlässig feststellbar - eingezeichneten Linien konstitutiv die Grenzen der betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten darstellen sollten, ließen sich diese insbesondere in Randbereichen auch im Wege der Auslegung nicht mehr zuverlässig ermitteln. Der Senat hat sich durch den nach § 293 ZPO auch im Rechtsbeschwerdeverfahren zulässigen(vgl. dazu BAG 15. April 2008 - 9 AZR 159/07 - Rn. 41 mwN, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 38 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 21),in der mündlichen Anhörung vorgenommenen Augenschein in die von der Arbeitgeberin vorgelegte Karte davon überzeugt, dass aufgrund des kleinen Maßstabs, der Genauigkeit der Karte, der Dicke der handschriftlichen Linien und der Linienführung in vielen Bereichen, insbesondere in Ballungsgebieten und in Randbereichen, eine zuverlässige Grenzziehung nicht möglich ist. Die Filialen oder Verkaufsstellen selbst sind in der Karte nicht eingezeichnet. Die „Unschärfen“ sind auch nicht etwa unbeachtlich. Gerade bei tarifvertraglichen Vorschriften, durch die abweichend von den gesetzlichen Betriebsverfassungsstrukturen betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheiten geschaffen werden, sind eindeutige Grenzziehungen - sei es auch durch abstrakte, eine Subsumtion ermöglichende Kriterien - unverzichtbar.

38

(3) Die Wirksamkeit des Zuordnungs-TV scheitert gleichwohl weder am Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG noch an den an seine Bestimmtheit zu stellenden Mindestanforderungen. Wie die Auslegung des Zuordnungs-TV ergibt, ist die in seinem § 3 angesprochene Karte kein konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags, sondern hat lediglich deklaratorischen, erläuternden Charakter. Sie gibt nur ungefähr die Grenzen der bei Abschluss des Tarifvertrags im April 1995 bestehenden Regionen wieder. Maßgebliches Kriterium für die durch den Tarifvertrag gewillkürten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten sind die jeweiligen, aufgrund der organisatorischen Entscheidung der Arbeitgeberin gebildeten Regionen der Bezirksleiter. Die durch den Tarifvertrag vorgesehenen betriebsratsfähigen Einheiten sind daher nicht statisch auf den Zustand im Jahr 1995 festgeschrieben, sondern dynamisch und damit Veränderungen unterworfen.

39

(a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben der Tarifnorm zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist dabei stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen - ohne Bindung an eine Reihenfolge - weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags oder die praktische Tarifübung, ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. nur BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 830/09 - Rn. 12 mwN, NZA 2011, 708).

40

(b) Die Anwendung dieser Grundsätze auf die Auslegung des Zuordnungs-TV führt zu dem Ergebnis, dass für die Bildung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten nicht die in der Karte nur ungefähr wiedergegebenen Grenzen der Bezirksleiterregionen von 1995, sondern vielmehr die Bezirksleiterregionen in ihrem jeweiligen Zuschnitt maßgeblich sind.

41

(aa) Der Wortlaut des Tarifvertrags und der durch ihn vermittelte Wortsinn sind nicht eindeutig. Allerdings spricht die Formulierung in § 3 Abs. 1 Zuordnungs-TV, wonach sich die Regionen „im einzelnen aus der beiliegenden und einen wesentlichen Bestandteil dieses Tarifvertrages bildenden Karte ergeben“, dafür, dass die Karte konstitutiven Charakter haben und die in ihr eingezeichneten Gebiete unveränderlich festgeschrieben werden sollen. Zwingend ist dies jedoch nicht.

42

(bb) Wesentlich gegen ein solches statisch-geographisches Verständnis der tariflichen Regelung sprechen der tarifliche Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck der Regelung. Bereits aus der „Gemeinsamen Erklärung“ der Tarifvertragsparteien vom 7. März 1995 ergibt sich, dass sich die Tarifvertragsparteien darauf geeinigt haben, dass „Betriebsräte in der Firma Anton Schlecker grundsätzlich auf der Ebene der Bezirksleitungen gewählt werden können“. Das spricht gegen ein statisch-geographisches und für ein dynamisch-funktionales Verständnis der tariflichen Regelung. Vor allem aber entspricht ein dynamisch-funktionales Verständnis dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung.

43

(aaa) Bereits nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG in der bis zum 27. Juli 2001 geltenden Fassung (aF) dienten die von § 4 BetrVG(aF) abweichenden tariflichen Regelungen dazu, die Bildung von Vertretungen der Arbeitnehmer zu erleichtern. Schon der Zweck dieser Regelung ging - jedenfalls auch - dahin, es den Tarifvertragsparteien zu ermöglichen, betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheiten zu schaffen, die eine optimale Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats und eine größtmögliche Betreuung der Arbeitnehmer bewirken (vgl. BAG 24. Januar 2001 - 4 ABR 4/00 - zu B III 2 a der Gründe, BAGE 97, 31; Fitting 19. Aufl. § 3 Rn. 49). Noch deutlicher ist das gesetzgeberische Anliegen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BetrVG in der seit 28. Juli 2001 geltenden Fassung, wonach tariflich die Zusammenfassung von Betrieben dann vorgesehen werden kann, „wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient“. Im Interesse einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer liegt es insbesondere, wenn die Interessenvertretungen dort errichtet werden, wo unternehmerische Leitungsmacht konkret entfaltet und ausgeübt wird und die mitbestimmungsrechtlich relevanten Entscheidungen getroffen werden (vgl. BAG 13. Oktober 2004 - 7 ABR 56/03 - zu B IV 1 e cc [1] der Gründe mwN, BAGE 112, 166). Maßgeblich für die sachgerechte Bildung von Arbeitnehmervertretungen sind daher die organisatorischen Vorgaben des Arbeitgebers. Diese sind nicht nur für die gesetzlichen, sondern ebenso bei tarifvertraglich gewillkürten Vertretungsstrukturen von Bedeutung. Auch bei Tarifverträgen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BetrVG ist es sachgerecht, sich bei der Zusammenfassung von Betrieben zu einer tarifvertraglichen betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit an den organisatorischen Entscheidungen des Arbeitgebers zu orientieren. Dies gilt nicht nur für die bei Abschluss des Tarifvertrags bestehenden Organisationsstrukturen. Vielmehr ist es sinnvoll, nicht nur statisch einen bestimmten Zustand festzuschreiben, sondern bei der tariflichen Regelung bereits die Möglichkeit späterer Veränderungen der Organisationsstrukturen zu berücksichtigen. Andernfalls liefe der Tarifvertrag Gefahr, bei jeder wesentlichen Änderung der Organisation, die dem Arbeitgeber als solche regelmäßig nicht verboten ist, sein Substrat zu verlieren (vgl. Fitting 25. Aufl. § 3 Rn. 86).

44

(bbb) Dass auch die Tarifvertragsparteien des Zuordnungs-TV das Ziel im Auge hatten, dauerhafte, auch Änderungen einbeziehende, effiziente Vertretungsstrukturen zu schaffen, zeigen die Regelungen in §§ 2, 4 und 5 Zuordnungs-TV. So ist in § 2 als Ziel des Tarifvertrags ausdrücklich die „Gewährleistung eines erfolgreichen Zusammenwirkens zwischen den Arbeitnehmern, dem Arbeitgeber und den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften in Fragen Betriebsverfassung“ genannt. In § 3 Zuordnungs-TV ist die Möglichkeit berücksichtigt, dass während der Laufzeit des Tarifvertrags neue Betriebsteile errichtet und übernommen werden, und § 4 macht deutlich, dass die Regelungen des Tarifvertrags nicht etwa nur für eine Amtszeit, sondern auf Dauer gelten sollen. Auch dies spricht gegen ein geographisch-statisches und für ein dynamisch-funktionales Verständnis der tariflichen Regelungen.

45

(cc) Gegen einen konstitutiven Charakter der in § 3 Zuordnungs-TV in Bezug genommenen Karte und für ein dynamisch-funktionales, an die jeweiligen Regionen der Bezirksleitungen anknüpfendes dynamisches Verständnis spricht maßgeblich auch der Grundsatz der möglichst gesetzeskonformen Auslegung. Danach ist im Zweifel der Auslegung der Vorzug zu geben, bei der sich die tarifliche Regelung als wirksam erweist. Hier wäre der Tarifvertrag wegen mangelnder Schriftform nach § 1 Abs. 2 TVG sowie aus Gründen mangelnder Bestimmtheit unwirksam, wenn die Karte als konstitutiver Bestandteil zu erachten wäre. Dagegen begegnet es keinen durchgreifenden Wirksamkeitsbedenken, wenn für die Errichtung der Betriebsräte die jeweiligen Regionen der Bezirksleiter maßgeblich sind. Die damit verbundene Dynamik ist rechtlich zulässig. Auch die gesetzlichen Betriebsverfassungsstrukturen sind insofern dynamisch, als bei der Errichtung von Betriebsräten die sich ändernden organisatorischen Vorgaben des Arbeitgebers zu beachten und nachzuvollziehen sind. Bei diesem Verständnis wird die tarifliche Regelung nicht unbestimmt. Wie die Vorsitzende des Betriebsrats in der mündlichen Anhörung erklärt hat, ist unschwer feststellbar, welche Verkaufsstellen und Filialen zu welcher jeweiligen Region gehören.

46

bb) Der Zuordnungs-TV ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Er wird sowohl den Erfordernissen des bei seinem Abschluss im Jahr 1995 geltenden § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG(aF) als auch den Voraussetzungen des seit 28. Juli 2001 geltenden, einen weiteren Anwendungsbereich erfassenden § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BetrVG gerecht. Bei der Arbeitgeberin handelt es sich um ein Unternehmen mit vielen, bundesweit verstreuten Filialen. Sie weist damit eine Unternehmensstruktur auf, für die ein besonderes Bedürfnis nach einer „maßgeschneiderten“ Vertretungsstruktur im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG(aF) bestand (vgl. dazu BAG 24. Januar 2001 - 4 ABR 4/00 - zu B III 2 b der Gründe, BAGE 97, 31) und bei der die Zusammenfassung von Betrieben die Bildung von Betriebsräten iSv. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BetrVG erleichtert und zugleich einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient. Insoweit haben die Beteiligten auch keine Bedenken erhoben. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat die nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BetrVG(aF) noch erforderliche Zustimmung zu dem Tarifvertrag erteilt.

47

cc) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin hat der Zuordnungs-TV durch die zahlreichen erheblichen Umstrukturierungen und organisatorischen Veränderungen seine Wirksamkeit nicht verloren.

48

(1) Allerdings kann durch Strukturveränderungen das Substrat für eine durch einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG errichtete betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit entfallen. Die tarifvertraglich gebildete Einheit kann ihre Identität verlieren (vgl. Fitting § 3 Rn. 86). So kann beispielsweise die Grundlage für Spartenbetriebsräte iSv. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verloren gehen, wenn der Arbeitgeber die Spartenorganisation aufgibt. Auch im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung ist es dem Arbeitgeber unbenommen, durch organisatorische Veränderungen Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes zu bilden, zusammenzulegen, zu spalten oder zu zerschlagen. Das ist im Rahmen der tariflich gewillkürten Betriebsverfassungsstrukturen nicht anders.

49

(2) Hier ist durch die Umstrukturierungen und organisatorischen Änderungen die Möglichkeit, auf der Grundlage des Zuordnungs-TV Betriebsräte zu bilden, nicht entfallen. Bei einem rein geographisch-statischen Verständnis des Tarifvertrags könnte dies zwar der Fall sein, da dann zu einem erheblichen Teil die Leitungsstrukturen nicht mehr kongruent wären mit den betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten. Bei einem dynamisch-funktionalen Verständnis ist das jedoch nicht der Fall. Vielmehr ist es hiernach weiterhin möglich, Betriebsräte jeweils dort zu errichten, wo sich die unternehmerische Leitungsmacht entfaltet. Werden Bezirksleiterregionen zusammengelegt, ist dort statt bislang mehrerer Betriebsräte nur noch ein Betriebsrat zu wählen, werden sie aufgespalten, sind statt eines Betriebsrats mehrere Betriebsräte zu wählen.

50

dd) Die streitbefangene Wahl vom 2. Dezember 2009 ist anfechtbar, weil der Wahlvorstand auf der Grundlage des weiterhin anzuwendenden Zuordnungs-TV den Betriebsbegriff verkannt hat. Da es zum damaligen Zeitpunkt im sog. Bezirk 17 mehrere Bezirksleitungen mit jeweils eigenen Zuständigkeitsbereichen gab, durfte keine einheitliche Wahl durchgeführt werden. Betriebsräte waren vielmehr nach Maßgabe der organisatorischen Vorgaben der Arbeitgeberin in den damaligen Regionen der Bezirksleitungen zu wählen.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Gallner    

        

        

        

    Bea    

        

    Krollmann    

                 

(1) Tarifvertragsparteien sind Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern.

(2) Zusammenschlüsse von Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern (Spitzenorganisationen) können im Namen der ihnen angeschlossenen Verbände Tarifverträge abschließen, wenn sie eine entsprechende Vollmacht haben.

(3) Spitzenorganisationen können selbst Parteien eines Tarifvertrags sein, wenn der Abschluß von Tarifverträgen zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben gehört.

(4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 haften sowohl die Spitzenorganisationen wie die ihnen angeschlossenen Verbände für die Erfüllung der gegenseitigen Verpflichtungen der Tarifvertragsparteien.

(1) Die Delegierten wählen die Aufsichtsratsmitglieder, die nach § 7 Abs. 2 Vertreter von Gewerkschaften sind, in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl für die in § 15 Abs. 1 bestimmte Zeit.

(2) Die Wahl erfolgt auf Grund von Wahlvorschlägen der Gewerkschaften, die in dem Unternehmen selbst oder in einem anderen Unternehmen vertreten sind, dessen Arbeitnehmer nach diesem Gesetz an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern des Unternehmens teilnehmen. Wird nur ein Wahlvorschlag gemacht, so findet abweichend von Absatz 1 Mehrheitswahl statt. In diesem Fall muß der Wahlvorschlag mindestens doppelt so viele Bewerber enthalten, wie Vertreter von Gewerkschaften in den Aufsichtsrat zu wählen sind.

(1) In den Fällen des § 2a Abs. 1 Nr. 4 wird das Verfahren auf Antrag einer räumlich und sachlich zuständigen Vereinigung von Arbeitnehmern oder von Arbeitgebern oder der obersten Arbeitsbehörde des Bundes oder der obersten Arbeitsbehörde eines Landes, auf dessen Gebiet sich die Tätigkeit der Vereinigung erstreckt, eingeleitet.

(2) Für Verfahren nach § 2a Absatz 1 Nummer 4 ist das Landesarbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Vereinigung, über deren Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit zu entscheiden ist, ihren Sitz hat.

(2a) Für das Verfahren sind § 80 Absatz 1, 2 Satz 1 und Absatz 3, §§ 81, 83 Absatz 1 und 2 bis 4, §§ 83a, 84 Satz 1 und 2, § 91 Absatz 2 und §§ 92 bis 96 entsprechend anzuwenden. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Absatz 4 und 5 entsprechend.

(3) Der rechtskräftige Beschluss über die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung wirkt für und gegen jedermann. Die Vorschrift des § 63 über die Übersendung von Urteilen gilt entsprechend für die rechtskräftigen Beschlüsse von Gerichten für Arbeitssachen im Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4.

(4) In den Fällen des § 2a Abs. 1 Nr. 4 findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann statt, wenn die Entscheidung über die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit darauf beruht, daß ein Beteiligter absichtlich unrichtige Angaben oder Aussagen gemacht hat. § 581 der Zivilprozeßordnung findet keine Anwendung.

(5) Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob eine Vereinigung tariffähig oder ob die Tarifzuständigkeit der Vereinigung gegeben ist, so hat das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des Beschlußverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 auszusetzen. Im Falle des Satzes 1 sind die Parteien des Rechtsstreits auch im Beschlußverfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 antragsberechtigt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde von ver.di gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 21. März 2012 - 3 TaBV 7/11 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Tariffähigkeit der Arbeitnehmervereinigung „medsonet. Die Gesundheitsgewerkschaft e. V.“ (medsonet).

2

Antragstellerin ist die Gewerkschaft ver.di, die Mitglied des beteiligten Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ist. Medsonet ist Mitglied des beteiligten Christlichen Gewerkschaftsbundes Deutschland (CGB). Sie hat am 20. Oktober 2008 mit dem vom Arbeitsgericht beteiligten Bundesverband Deutscher Privatkliniken (BDPK) e. V. (BDPK) und darüber hinaus mit dem Arbeitgeberverband Pflege e. V., drei Stiftungen in Freiburg i. Br., dem Landesverband der Privatkliniken in Hessen e. V. sowie dem Landesverband der Privatkliniken in Rheinland-Pfalz e. V. als Tarifverträge bezeichnete Vereinbarungen geschlossen. Erstinstanzlich wurden des Weiteren die A Klinik GmbH sowie der dort gewählte Betriebsrat beteiligt, nachdem zwischen diesen Betriebsparteien vor dem Arbeitsgericht Siegburg ein anhängiges Beschlussverfahren bis zur Entscheidung über die Tariffähigkeit von medsonet ausgesetzt wurde und der Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht Hamburg beantragt hatte, festzustellen, „dass die Gewerkschaft medsonet nicht für den Abschluss von Tarifverträgen fähig ist, die in Ausfüllung der Öffnung des § 7 ArbZG Abweichungen von diesem Gesetz auf betrieblicher Ebene ermöglichen sollen, soweit der Betrieb, für den er gewählt wurde, davon betroffen ist“(- 19 BV 15/10 -). Jenes Verfahren ist mit dem hier anhängigen nicht verbunden worden. Das Landesarbeitsgericht hat die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und die Bundesrepublik Deutschland als Beteiligte in das Verfahren einbezogen.

3

Medsonet wurde am 5. März 2008 gegründet. Nach der in der Gründungsversammlung beschlossenen Satzung handelt es sich hierbei um eine „Gewerkschaft“ der Arbeitnehmer in allen Bereichen des Gesundheitswesens und der sozialen Dienste, unabhängig von deren Trägerschaft. Sie ist nach eigenem Verständnis zuständig für die Arbeitnehmer in Krankenhäusern, Einrichtungen der Rehabilitation, stationären und ambulanten Alten-/Krankenpflege, Behinderteneinrichtungen, Rettungsdiensten und Transportunternehmen, Blutspendediensten und Einrichtungen der allgemeinen Wohlfahrtspflege. Medsonet verfolgt das satzungsmäßige Ziel, mit den Arbeitgebern und ihren Verbänden Tarifabschlüsse zu erzielen. Aufgrund einer vom Bundesgewerkschaftstag am 11. Februar 2012 beschlossenen und am 4. Januar 2013 in das Vereinsregister eingetragenen Satzungsänderung ist medsonet grundsätzlich nicht mehr zuständig für Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft. Hierdurch hat sich nach eigenen Angaben der Zuständigkeitsbereich auf etwa ein Drittel der nach ihren Angaben ca. 2,4 Mio. Beschäftigten im Gesundheitswesen reduziert. Aufgrund einer mit der „DHV - Die Berufsgewerkschaft e. V.“ geschlossenen Vereinbarung erbringt diese für medsonet Dienstleistungen in den Bereichen Buchhaltung, Mitgliederverwaltung, Beitragseinzug und Mitgliederbetreuung. Hierfür zahlt ihr medsonet eine Bearbeitungspauschale iHv. 40 % ihres gesamten Mitgliedsbeitragsaufkommens, wobei sie davon ausgeht, dass der durchschnittliche Mitgliedsbeitrag 15,00 Euro monatlich beträgt. Nach eigenen Angaben hatte medsonet zum 31. Dezember 2011 7.439 Mitglieder gehabt.

4

Ver.di hat geltend gemacht, medsonet sei von Anfang an nicht tariffähig gewesen. Die Arbeitnehmervereinigung sei nicht in der Lage, eigenständig die Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen. Sie sei nicht ausreichend durchsetzungsfähig und leistungsstark. Bei den von ihr abgeschlossenen „Tarifverträgen“ habe es sich um Gefälligkeitstarifverträge gehandelt.

Ver.di hat beantragt

5

        

1.    

festzustellen, dass medsonet keine tariffähige Gewerkschaft iSd. § 2 Abs. 1 TVG ist;

        

2.    

festzustellen, dass medsonet zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bundesmanteltarifvertrags Nr. 1 für die Beschäftigten in Privatkliniken, abgeschlossen zwischen ihr und dem Bundesverband Deutscher Privatkliniken e. V., keine tariffähige Gewerkschaft iSd. § 2 Abs. 1 TVG war.

6

Medsonet und der Arbeitgeberverband Pflege e. V. haben Antragsabweisung beantragt und ausgeführt, bei medsonet handele es sich um eine noch in der Aufbauphase befindliche Gewerkschaft. Für die Leistungsfähigkeit ihrer Organisation müsse es daher genügen, wenn sie durch hauptamtliche Mitarbeiter eines gewerkschaftlichen Kooperationspartners unterstützt werde. Unter Berücksichtigung dessen sei sie ausreichend leistungsfähig gewesen. Ihre Durchsetzungsfähigkeit werde durch den Abschluss von über 100 Tarifverträgen belegt.

7

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen stattgegeben. Auf die Beschwerden von medsonet und dem Arbeitgeberverband Pflege e. V. hat das Landesarbeitsgericht den Beschluss des Arbeitsgerichts abgeändert, soweit dieses dem Antrag zu 2. entsprochen hat, im Übrigen hat es die Beschwerden zurückgewiesen. Die Beschwerden der Stiftungen sowie des Betriebsrats der A Klinik GmbH hat das Landesarbeitsgericht als unzulässig verworfen, da diese - ebenso wie die A Klinik GmbH - nicht an dem Verfahren zu beteiligen waren. Gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts haben ver.di sowie medsonet und der Arbeitgeberverband Pflege e. V. im Umfang ihres Unterliegens Rechtsbeschwerde eingelegt. Medsonet und der Arbeitgeberverband Pflege e. V. haben vor der Anhörung im Rechtsbeschwerdeverfahren ihre Rechtsbeschwerden zurückgenommen. Das Verfahren ist daraufhin hinsichtlich des zu 1. gestellten Feststellungsantrags nach § 94 Abs. 3 Satz 2 ArbGG eingestellt worden.

8

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde von ver.di, mit der sich diese gegen die Abweisung des Antrags zu 2. richtet, ist unbegründet. Aufgrund der nach Rücknahme der Rechtsbeschwerden von medsonet und dem Arbeitgeberverband Pflege e. V. rechtskräftig gewordenen Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass medsonet keine tariffähige Gewerkschaft ist, ist auch rechtskräftig entschieden, dass medsonet zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bundesmanteltarifvertrags Nr. 1 für die Beschäftigten in Privatkliniken keine tariffähige Gewerkschaft iSd. § 2 Abs. 1 TVG war. Ein Interesse an einer gesonderten Feststellung besteht insoweit nicht.

9

I. Die gebotene Antragsauslegung ergibt, dass ver.di mit dem noch anhängigen Feststellungsantrag zu 2. eine punktuelle Feststellung begehrt, nämlich dass medsonet zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bundesmanteltarifvertrags Nr. 1 für die Beschäftigten in Privatkliniken keine tariffähige Gewerkschaft iSd. § 2 Abs. 1 TVG war. In der Anhörung vor dem Senat hat ver.di klargestellt, dass es ihr mit diesem Antrag darum geht, deutlich erkennbar zu machen, dass medsonet bei Abschluss auch dieser Vereinbarung nicht tariffähig war.

10

II. Für einen solchen Antrag besitzt ver.di die nötige Antragsbefugnis. Diese steht einer Vereinigung zu, deren Tarifzuständigkeit sich räumlich und sachlich zumindest teilweise auf das Gebiet der Vereinigung erstreckt, deren Tariffähigkeit bestritten wird (BAG 14. Dezember 2010 - 1 ABR 19/10 - Rn. 42, BAGE 136, 302). Diese Anforderungen erfüllt ver.di. Sie ist unbestritten selbst tariffähig. Nach Nr. 1.4 des Anhangs 1 ihrer Satzung erstreckt sich deren Organisationsbereich auch auf Betriebe und Einrichtungen des öffentlichen und privaten Gesundheitswesens.

11

III. Ver.di hat für die begehrte Feststellung das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Hierfür genügt es, dass medsonet nach ihrer Satzung im Bereich des Gesundheitswesens Tariffähigkeit beansprucht (vgl. BAG 17. April 2012 - 1 ABR 5/11 - Rn. 50). Daneben muss nicht noch geprüft werden, ob für den Antrag ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO besteht. Diese Vorschrift findet in den Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG keine Anwendung. Jene sind nicht auf das Bestehen eines Rechtsverhältnisses, sondern auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Eigenschaft gerichtet. Das Rechtsschutzinteresse von ver.di ist nicht deswegen entfallen, weil medsonet aufgrund einer behaupteten Satzungsänderung vom 9. März 2013 nun nicht mehr beabsichtigt, Tarifverträge zu verhandeln und zu schließen. Diese Satzungsänderung war zum Zeitpunkt der Anhörung vor dem Senat noch nicht ins Vereinsregister eingetragen und hat deshalb noch keine Wirksamkeit erlangt (§ 71 Abs. 1 BGB). Schon aus diesem Grund ist sie für die mit dem Antrag begehrte Feststellung unbeachtlich.

12

IV. Als Antragstellerin ist ver.di Beteiligte des Verfahrens. Die weiteren Beteiligten ergeben sich aus der durch § 97 Abs. 2 ArbGG bewirkten entsprechenden Anwendung von § 83 Abs. 3 ArbGG.

13

1. Hiernach bestimmt sich der Kreis der in den Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG anzuhörenden Personen und Stellen wie in den anderen in § 2a Abs. 1 ArbGG aufgeführten Verfahren nach materiellem Recht. Die Beteiligtenstellung setzt somit grundsätzlich voraus, dass die anzuhörenden Personen und Stellen von dem Verfahren nach § 97 Abs. 1 ArbGG in einer durch die Rechtsordnung geschützten Rechtsposition unmittelbar betroffen werden(vgl. BAG 14. Dezember 2010 - 1 ABR 19/10 - Rn. 58, BAGE 136, 302). Dabei ist grundsätzlich die Beteiligung der jeweiligen Spitzenverbände ausreichend (BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 19, BAGE 117, 308). Erstreckt sich die Zuständigkeit der Vereinigung, deren Tariffähigkeit umstritten ist, auf das Gebiet mehrerer Bundesländer, ist an dem Verfahren auch die oberste Arbeitsbehörde des Bundes beteiligt (BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 88/09 - Rn. 18, BAGE 136, 1). Eine nur mittelbare Betroffenheit von Personen und Stellen oder ein rechtlich nicht geschütztes Interesse, in das Verfahren einbezogen zu werden, reichen nicht aus.

14

2. Nach diesen Grundsätzen sind neben ver.di als Antragstellerin, medsonet als Tarifvereinigung, über deren Tariffähigkeit gestritten wird, der CGB, der DGB und die BDA als Spitzenverbände zu beteiligen. In das Rechtsbeschwerdeverfahren war darüber hinaus noch der Arbeitgeberverband Pflege e. V. allein deswegen einzubeziehen, weil er auch in diesem Verfahrensstadium einen Abweisungsantrag gestellt hatte. Dieser war geeignet, eine Beteiligtenstellung zu begründen, da im Falle der Antragsabweisung das kontradiktorische Gegenteil der vom Antragsteller begehrten Feststellung feststeht (BAG 14. Dezember 2010 - 1 ABR 19/10 - Rn. 57, BAGE 136, 302). Der BDPK war im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr zu beteiligen, weil er hier keinen Antrag gestellt hat. Die vom Landesarbeitsgericht beteiligten Landesverbände der Privatkliniken in Hessen und Rheinland-Pfalz waren nicht Beteiligte des Rechtsbeschwerdeverfahrens, da sie hier keine eigenständigen Abweisungsanträge gestellt, sondern lediglich den Abweisungsantrag des Arbeitgeberverbands Pflege e. V. unterstützt haben. Dieses Antragsverständnis ergibt sich hinreichend deutlich daraus, dass sie in ihrem mehr als drei Monate nach Zustellung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz zur Begründung ihres Abweisungsantrags ohne eigene substantielle Darlegungen lediglich auf dessen Ausführungen Bezug genommen haben (vgl. hierzu BAG 25. August 1981 - 1 ABR 61/79 - zu B III 1 der Gründe, BAGE 37, 31). Die Stiftungen, die als Arbeitgeber „Tarifverträge“ mit medsonet geschlossen haben, sind nicht am Verfahren beteiligt. Deren Interessen sind ebenso wie die der weiteren Arbeitgeberverbände durch die Beteiligung der BDA auf Arbeitgeberseite als ausreichend gewahrt anzusehen (BAG 14. Dezember 2010 - 1 ABR 19/10 - Rn. 59, aaO). Ebenso wenig waren die vom Arbeitsgericht beteiligten Betriebsparteien der A Klinik GmbH in das Verfahren einzubeziehen. Dem steht die anderweitige Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) des mit dem Antrag zu 2. inhaltlich identischen Antrags aus dem Verfahren - 19 BV 15/10 - entgegen (vgl. dazu BAG 14. Dezember 2010 - 1 ABR 19/10 - Rn. 34, aaO).

15

V. Der Antrag von ver.di ist unzulässig. Über die mit dem Antrag zu 2. begehrte Feststellung ist bereits durch den in Rechtskraft erwachsenen Antrag zu 1. entschieden. Ein darüber hinausgehendes besonderes Interesse an der begehrten punktuellen Feststellung besteht nicht.

16

1. Der Umfang der Rechtskraft (§ 322 ZPO) des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts ergibt sich aus der Beschlussformel und der Beschlussbegründung des Landesarbeitsgerichts.

17

a) Im Beschlusstenor hat das Landesarbeitsgericht dem Antrag zu 1. von ver.di entsprochen und festgestellt, dass medsonet keine tariffähige Gewerkschaft iSv. § 2 Abs. 1 TVG ist. In zeitlicher Hinsicht umfasst dieser Teil der Beschlussformel die Feststellung der fehlenden Tariffähigkeit von medsonet auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Antrags bis zum Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung geltenden Satzungen. Dies folgt aus dem Normzweck des § 97 Abs. 1 ArbGG. Die Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG dienen der Sicherung der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Tarifautonomie. Entsprechend diesem Ordnungszweck soll eine nach § 97 Abs. 1 ArbGG antragsberechtigte Gewerkschaft oder Stelle klären können, ob die Vereinigung, deren Tariffähigkeit umstritten ist, in der Lage ist, für ihre Mitglieder eine normative Regelung von Arbeitsbedingungen herbeizuführen(BAG 17. April 2012 - 1 ABR 5/11 - Rn.  45). Durch einen Feststellungsantrag nach § 97 Abs. 1 ArbGG wird daher die Tariffähigkeit ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Antragsschrift bis zu dem der letzten Anhörung zur gerichtlichen Entscheidung gestellt. Dies kann anders zu beurteilen sein, wenn der Antragsteller sein Begehren in zeitlicher Hinsicht beschränkt (vgl. BAG 14. Dezember 2010 - 1 ABR 19/10 - Rn. 33, BAGE 136, 302) oder eine ausschließlich vergangenheitsbezogene Feststellung erreichen will.

18

b) Eine derartige zeitliche Beschränkung der Antragstellung ist weder den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch den Beschlussgründen zu entnehmen. Bei Antragstellung galt bei medsonet die in der Gründungsversammlung vom 5. März 2008 beschlossene Satzung. Die nachfolgende Satzungsänderung ist nicht von ver.di, sondern von medsonet in das Verfahren eingeführt worden, ohne dass ver.di ihre Antragstellung geändert hat. Eine zeitliche Beschränkung des Antrags auf die im Februar 2012 beschlossene und erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens durch Eintragung in das Vereinsregister am 4. Januar 2013 gem. § 71 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam gewordene geänderte Satzung hat ver.di nicht vorgenommen. Insoweit unterscheidet sich dieses Verfahren von der Antragstellung im „CGZP-Verfahren“, in dem die Antragsteller ihren Feststellungsantrag auf den Zeitraum ab der letzten Satzungsänderung beschränkt haben (dazu BAG 14. Dezember 2010 - 1 ABR 19/10 - Rn. 93, BAGE 136, 302). Der Beschlussbegründung des Landesarbeitsgerichts ist auch nicht zu entnehmen, dass dieses, abweichend vom Vortrag von ver.di und von dem allgemeinen Antragsverständnis, seine Entscheidung in zeitlicher Hinsicht auf den Zeitraum ab der beschlossenen, jedoch noch nicht eingetragenen Satzungsänderung vom Februar 2012 beschränken wollte. Damit steht rechtskräftig fest, dass medsonet ab dem Zeitpunkt seiner Gründung nicht tariffähig war.

19

2. Ein rechtlich geschütztes Interesse an der punktuellen Feststellung der Tarifunfähigkeit von medsonet zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bundesmanteltarifvertrags Nr. 1 für die Beschäftigten in Privatkliniken am 20. Oktober 2008 besteht daher nicht. Die Entscheidung über die mangelnde Tariffähigkeit von medsonet ab dem Zeitpunkt ihrer Gründung ist hinreichend klar und verständlich, ohne dass es einer besonderen Feststellung für einzelne Tage bedarf.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Manfred Gentz    

        

    D. Wege    

                 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 4. und 5. wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12. Januar 2012 - 3 TaBV 7/11 - aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 4. und 5. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 11. Mai 2011 - 22 BV 411/10 - abgeändert:

Der Antrag der Beteiligten zu 1. bis 3. wird abgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten in der Rechtsbeschwerde über die Wirksamkeit der Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung.

2

Antragsteller zu 1. bis 3. sind in der Zentrale der Arbeitgeberin in S beschäftigte, als schwerbehinderte Menschen anerkannte Arbeitnehmer. Der Beteiligte zu 3. befindet sich seit dem 1. Oktober 2011 in der Freistellungsphase seiner Altersteilzeit.

3

Am 11. Oktober 2010 erließ der Wahlvorstand ein Wahlausschreiben für die Wahl der Vertrauensperson und der stellvertretenden Mitglieder, das auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

„...

4. Zu wählen ist die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen sowie drei stellvertretende Mitglieder. Die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und die drei stellvertretenden Mitglieder werden in getrennten Wahlgängen gewählt.

5. Die wahlberechtigten Schwerbehinderten und die gleichgestellten behinderten Menschen werden aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen nach Erlass dieses Wahlausschreibens, spätestens bis zum 25. Oktober 2010, 18:30 Uhr, getrennte Wahlvorschläge für die Schwerbehindertenvertretung und die stellvertretenden Mitglieder schriftlich beim Wahlvorstand einzureichen. Nach diesem Termin eingehende Wahlvorschläge können nicht berücksichtigt werden.

Zur Wahl stehen nur die Bewerberinnen und Bewerber, die in einem gültigen Wahlvorschlag vorgeschlagen worden sind.

Aus den Wahlvorschlägen muss sich eindeutig ergeben, wer als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und wer als stellvertretendes Mitglied vorgeschlagen wird; für beide Ämter kann dieselbe Person vorgeschlagen werden. Jede Bewerberin/jeder Bewerber kann nur in einem Wahlvorschlag benannt werden, es sei denn, dass sie/er in einem als Vertrauensperson für schwerbehinderte Menschen und im anderen als stellvertretendes Mitglied vorgeschlagen wird. Jede/jeder Wahlberechtigte kann nur einen Wahlvorschlag für die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und einen Wahlvorschlag für die stellvertretenden Mitglieder unterzeichnen. ... Dem Wahlvorschlag ist die schriftliche Zustimmung der Bewerberin/des Bewerbers beizufügen.

6. ...“

4

Am 13. Oktober 2010 reichte der Beteiligte zu 3. einen Wahlvorschlag für die Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung ein, in dem neben ihm selbst die Arbeitnehmer J und K zur Wahl vorgeschlagen wurden. Dem Wahlvorschlag waren unter anderem schriftliche Zustimmungserklärungen der Wahlbewerber beigefügt. Herr K hatte seine Zustimmung zur Kandidatur jedoch bereits vor Einreichung des Wahlvorschlags am 12. Oktober 2010 gegenüber dem Wahlvorstand per E-Mail zurückgezogen und dem Beteiligten zu 3. eine Kopie zugeleitet. Mit Schreiben vom 2. November 2010 teilte der Wahlvorstand dem Beteiligten zu 3. mit, dass er den Rücktritt von Herrn K akzeptiere; dessen Kandidatur werde nicht bekannt gemacht und erscheine nicht auf den Stimmzetteln. Die weiteren Kandidaturen blieben gültig.

5

Die Wahl fand am 22. November 2010 statt. Der Wahlvorstand gab das Wahlergebnis am 30. November 2010 bekannt. Danach wurde Frau K als Vertrauensperson, Frau B als erste Stellvertreterin, Frau L als zweite Stellvertreterin und der Beteiligte zu 3. als dritter Stellvertreter der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen gewählt.

6

Am 13. Dezember 2010 haben die Beteiligten zu 1. bis 3. beim Arbeitsgericht beantragt, die Wahl „der Schwerbehindertenvertretung“ vom 25. November 2010 für unwirksam zu erklären. Sie haben in der Antragsschrift die Schwerbehindertenvertretung als Beteiligte zu 4. und die Arbeitgeberin als Beteiligte zu 5. bezeichnet. In der Begründung heißt es, der Antrag richte sich gegen die Schwerbehindertenvertretung 2010 sowie gegen das Unternehmen.

7

Die Beteiligten zu 1. bis 3. haben die Wahl der Schwerbehindertenvertretung ursprünglich aus mehreren Gründen angefochten. Sie haben einen angeblichen Verstoß des Wahlvorstandes gegen § 3 Abs. 2 SchwbVWO gerügt, der die Reichweite des Einsichtsrechts der Arbeitnehmer in die Wählerliste verkannt habe. Daneben wurde der Anfechtungsantrag auf eine Verletzung des § 6 Abs. 2 SchwbVWO gestützt, weil ein Wahlvorschlag wegen Nichterreichens der Mindestanzahl an Stützunterschriften zurückgewiesen wurde, ohne dass den Einreichern mitgeteilt worden sei, um welche Stützunterschriften es sich dabei gehandelt habe. Im Beschwerdeverfahren haben die Beteiligten zu 1. bis 3. den Antrag, soweit sich dieser auf die Wirksamkeit der Wahl der Vertrauensperson bezogen hat, mit Zustimmung der Beteiligten zu 4. und 5. „zurückgenommen“. Sie haben stattdessen „nur noch“ die Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung mit der Begründung angefochten, die Streichung des Kandidaten K vom Wahlvorschlag der Stellvertreter verstoße gegen wesentliche Wahlvorschriften. Da Herr K seine Zustimmung zur Kandidatur wirksam erteilt habe und der Wahlvorschlag mit der erforderlichen Anzahl von Stützunterschriften eingereicht worden sei, habe er vom Wahlvorstand auf die Liste der Wahlvorschläge gesetzt werden müssen. Ein Rücktritt von der Kandidatur nach schriftlich erteilter Zustimmung sei rechtlich nicht möglich. Außerdem sei der Wahlvorstand nach der Wahlordnung nicht berechtigt gewesen, nur einen Kandidaten von der Liste zu streichen und die übrigen Kandidaten zuzulassen. Entweder habe der Wahlvorschlag insgesamt zugelassen oder insgesamt gestrichen werden müssen. Eine Beeinflussung des Wahlergebnisses habe in beiden Fällen nicht ausgeschlossen werden können.

8

Die Beteiligten zu 1. bis 3. haben beantragt,

die Wahl der Schwerbehindertenvertretung bei der D AG, Zentrale S, vom 22. November 2010 für unwirksam zu erklären.

9

Schwerbehindertenvertretung und Arbeitgeberin haben die Auffassung vertreten, das Rechtsschutzbedürfnis für den Anfechtungsantrag sei nachträglich entfallen, nachdem der Beteiligte zu 3. am 1. Oktober 2011 in die Freistellungsphase der Altersteilzeit eingetreten und damit nicht mehr im Betrieb beschäftigt sei. Damit werde der Anfechtungsantrag nicht mehr von den erforderlichen drei Wahlberechtigten getragen. Die Anfechtung sei jedenfalls unbegründet. Herr K sei analog § 6 Abs. 3 Satz 3 SchwbVWO von der Liste der Wahlvorschläge zu streichen gewesen, da dieser seine Kandidatur bereits zurückgezogen habe, bevor der Wahlvorschlag beim Wahlvorstand eingereicht worden sei. Aber selbst wenn der Widerruf der Zustimmung durch den Arbeitnehmer K unwirksam und der Wahlvorstand nicht befugt gewesen wäre, den Vorschlag K zu streichen, habe das Wahlergebnis für die gewählten Stellvertreter jedenfalls nicht schlechter ausfallen können. Eine Wahl aller Personen einschließlich des Arbeitnehmers K hätte sich andererseits nicht ausgewirkt, weil Herr K auf das Amt verzichtet hätte.

10

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerden der Schwerbehindertenvertretung und der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit den vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerden verfolgen die Schwerbehindertenvertretung und die Arbeitgeberin ihre Abweisungsanträge weiter. Neben Sachrügen zur Anwendung des Wahlrechts machen sie als absoluten Revisionsgrund eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Landesarbeitsgerichts (§ 547 Nr. 1 ZPO) geltend. Der Vorsitz der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg war nach dem im Internet veröffentlichten Geschäftsverteilungsplan 2012 der Richterin am Arbeitsgericht W übertragen. Auf die im Rechtsbeschwerdeverfahren erfolgte Anfrage des Verfahrensbevollmächtigten der Schwerbehindertenvertretung teilte der Präsident des Landesarbeitsgerichts mit E-Mail vom 5. Juni 2012 mit, die Richterin am Arbeitsgericht W sei zum Zwecke der Erprobung für die Dauer von neun Monaten abgeordnet worden. Ebenfalls im Rechtsbeschwerdeverfahren wurden durch Beschluss vom 23. Januar 2014 die weiteren gewählten Stellvertreter B und L als Beteiligte zu 6. und 7. gehört. Die Beteiligte zu 6. hat in der Anhörung vor dem Senat erklärt, sie sei ebenfalls Rechtsbeschwerdeführerin und hat sich dem Rechtsbeschwerdeantrag der Beteiligten zu 4. und 5. angeschlossen. Die Antragsteller beantragen die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde. Die Beteiligte zu 7. hat während des Rechtsbeschwerdeverfahrens mit Schreiben vom 17. März 2014 mitgeteilt, sie lege ihr Amt mit Wirkung vom 1. April 2014 nieder, und ist zum Anhörungstermin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Die übrigen Beteiligten haben das Verfahren daraufhin übereinstimmend hinsichtlich der Wahl der Beteiligten zu 7. für erledigt erklärt. Der Vorsitzende hat das Verfahren insoweit gemäß § 95 Satz 4, § 83a Abs. 2 ArbGG eingestellt.

11

B. Die im Rechtsbeschwerdeverfahren erstmals in ihrer Funktion als stellvertretendes Mitglied der Schwerbehindertenvertretung Beteiligte zu 6. hat entgegen ihrer eigenen, in der Anhörung vor dem Senat geäußerten Auffassung keine Rechtsbeschwerde eingelegt. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 4. und 5. ist begründet. Zwar liegt der absolute Rechtsbeschwerdegrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Landesarbeitsgerichts nicht vor. Die Rechtsbeschwerden haben jedoch Erfolg, weil die Antragsteller entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts fristgemäß nur die Wahl der Vertrauensperson und nicht auch die Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung angefochten haben. Bei der Wahl der Stellvertreter handelt es sich um eine gegenüber der Wahl der Vertrauensperson eigenständige Wahl. Nach Ablauf der Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 BetrVG konnten die Beteiligten zu 1. bis 3. ihren Antrag deshalb nicht mehr zulässig auf die Anfechtung der Stellvertreterwahl umstellen.

12

I. Am Verfahren sind neben den Antragstellern, der Vertrauensperson und der Arbeitgeberin alle gewählten Stellvertreter beteiligt, die ihr Amt im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch innehaben.

13

1. § 83 Abs. 3 ArbGG regelt nicht selbst, wer Beteiligter des jeweiligen Verfahrens ist. Die Vorschrift ordnet lediglich an, dass die genannten Personen und Stellen zu hören sind. Maßgeblich ist, welche Personen oder Stellen durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen, personalvertretungsrechtlichen oder mitbestimmungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen werden (vgl. BAG 13. Juni 2007 - 7 ABR 62/06 - Rn. 9 ; 9. Juli 2013 -  1 ABR 17/12  - Rn. 11 ). Die Beteiligtenbefugnis ist vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens - auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz - von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen. Die zu Unrecht unterbliebene Beteiligung eines Verfahrensbeteiligten kann auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz dadurch behoben werden, dass die betreffende Person künftig am Verfahren beteiligt wird. Die rechtsfehlerhafte Nichtbeteiligung von Beteiligten ist als Verfahrensfehler ohne eine darauf gerichtete Rüge für die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses nicht von Bedeutung (BAG 20. April 2005 - 7 ABR 44/04 - zu B I 1 der Gründe mwN, BAGE 114, 228).

14

2. Danach sind neben den Antragstellern, der Vertrauensperson und der Arbeitgeberin die am 22. November 2010 gewählten stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung an dem Verfahren beteiligt.

15

a) Die Beteiligung aller Stellvertreter ergibt sich daraus, dass nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in Betrieben, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, eine Vertrauensperson und wenigstens ein stellvertretendes Mitglied gewählt werden und die Wahl des stellvertretenden Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung unabhängig von der Wahl der Vertrauensperson angefochten werden kann. Nach § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX finden die Vorschriften über die Wahlanfechtung des Betriebsrats nach § 19 BetrVG sinngemäß Anwendung.

16

aa) Das Wahlanfechtungsrecht sieht zwar eine teilweise Anfechtung der Wahl in der Regel nicht vor. Insbesondere lässt sich die Wahl einzelner Mitglieder oder von Ersatzmitgliedern nicht anfechten. § 19 BetrVG dient der Korrektur eines unter Verletzung von Wahlvorschriften zustande gekommenen Wahlergebnisses. Es zielt darauf ab, die Unwirksamkeit einer Wahl festzustellen, um auf diese Weise eine erneute, den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Wahl zu ermöglichen. Wirkt sich der Wahlverstoß auf die Wahl sämtlicher Betriebsratsmitglieder aus, kann ein gesetzmäßiger Zustand nur durch eine Neuwahl aller Betriebsratsmitglieder erreicht werden. Ansonsten blieben die von der Wahlanfechtung ausgenommenen, aber gleichwohl verfahrensfehlerhaft gewählten Betriebsratsmitglieder im Amt oder würden an die Stelle der mit Feststellung der Unwirksamkeit ihrer Wahl aus dem Betriebsrat ausscheidenden Betriebsratsmitglieder treten (ausführlich dazu BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 91/07 - Rn. 14).

17

bb) Die Wahl des stellvertretenden Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung kann jedoch unabhängig von der Wahl der Vertrauensperson angefochten werden. Die in Bezug genommenen betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmungen sind nicht in strikter und ausschließlicher Befolgung ihres Wortlauts anzuwenden, sondern nach § 94 Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 SGB IX unter Berücksichtigung des mit ihnen verfolgten Zwecks. Unsachgemäße Gleichsetzungen sind zu vermeiden. Von der Sache her gebotene Differenzierungen dürfen nicht ausgeschlossen werden (ausführlich dazu BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 91/07 - Rn. 16). Aus der gesetzlichen Aufgabenverteilung zwischen der Vertrauensperson und ihrem stellvertretenden Mitglied sowie der von der Betriebsratswahl abweichenden Ausgestaltung des Wahlverfahrens der Schwerbehindertenvertretung nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX folgt, dass es sich nicht um eine einheitliche, sondern um zwei getrennt durchgeführte Wahlen handelt(vgl. BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 91/07 - Rn. 17 ff.). Das Wahlrecht wird getrennt für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung und des stellvertretenden Mitglieds ausgeübt. Sie werden nicht in einem, sondern in zwei getrennten Wahlgängen gewählt ( § 9 Abs. 2 Satz 2, § 5 Abs. 1 Nr. 7 SchwbVWO ). Es sind unterschiedliche Vorschlagslisten für die beiden Wahlen einzureichen ( § 6 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 8 SchwbVWO ), wobei die Wahlbewerber sowohl für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung als auch für die Wahl des Stellvertreters vorgeschlagen werden können ( § 6 Abs. 1 Satz 4, Abs. 3 Satz 1 SchwbVWO ). Schließlich kann eine gesonderte Nachwahl des stellvertretenden Mitglieds unter den in §§ 17, 21 SchwbVWO bestimmten Voraussetzungen erfolgen. Dies hat zur Folge, dass grundsätzlich alle gewählten Stellvertreter an dem Anfechtungsverfahren zu beteiligen sind (ausführlich dazu BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 91/07 - Rn. 20).

18

b) Neben dem Beteiligten zu 3., einem der Antragsteller des Verfahrens, waren danach im Verfahren auch die erste Stellvertreterin Frau B als Beteiligte zu 6. sowie - bis zur teilweisen Einstellung des Verfahrens - die weitere Stellvertreterin Frau L als Beteiligte zu 7. zu hören.

19

3. Werden die stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren am Verfahren beteiligt, liegt darin ein Rechtsfehler, der auf entsprechende Rüge grundsätzlich zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgerichts führt, weil alle Stellvertreter vor einer Sachentscheidung über den Wahlanfechtungsantrag anzuhören sind und sie Gelegenheit zu tatsächlichem Vorbringen erhalten müssen (vgl. BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 91/07 - Rn. 22). Dieser Verfahrensfehler wurde vorliegend im Rechtsbeschwerdeverfahren von der Beteiligten zu 6. auch gerügt. Dennoch war vorliegend eine Zurückverweisung entsprechend § 563 Abs. 3 ZPO ausnahmsweise entbehrlich. Die Rechte der Beteiligten zu 6. werden dadurch nicht verkürzt. Die Beteiligte zu 6. hat, wie bereits zuvor schriftsätzlich angekündigt, die Abweisung des Antrags der Antragsteller begehrt und dies in der mündlichen Anhörung näher begründet. Die Antragsteller hatten Gelegenheit, hierauf zu erwidern. Der Senat hat dem Begehr der Beteiligten zu 6. in der Sache entsprochen. Durch eine Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht konnte sich die Rechtsposition der Beteiligten zu 6. nicht verbessern. Weiterer Tatsachenvortrag, der zur Zurückverweisung hätte Anlass geben können, wurde von den Beteiligten nicht gehalten. Die Sache war daher zur Endentscheidung reif.

20

II. Die statthafte Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 4. und 5. ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Abweisung des Anfechtungsantrags.

21

1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht bereits aufgrund der Rüge begründet, das Landesarbeitsgericht sei durch die Richterin am Arbeitsgericht W nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen. Ein absoluter Rechtsbeschwerdegrund nach § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG iVm. § 547 Nr. 1 ZPO liegt nicht vor.

22

a) Das Bundesarbeitsgericht hat ausschließlich auf eine zulässige, insbesondere hinreichend begründete Rüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO hin zu prüfen, ob ein absoluter Revisionsgrund iSv. § 547 Nr. 1 bis Nr. 6 ZPO vorliegt(GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 40 mwN). Wird ein absoluter Revisionsgrund nach § 547 Nr. 1 bis Nr. 5 ZPO geltend gemacht, hat die Revision die Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensfehler des Berufungsgerichts ergeben soll, substantiiert vorzutragen. Die bloße Benennung des Zulassungsgrundes genügt nicht (BAG 5. Dezember 2011 - 5 AZN 1036/11 - Rn. 7; 25. Januar 2012 - 4 AZR 185/10 - Rn. 10).

23

Der absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Berufungsgerichts gemäß § 547 Nr. 1 ZPO liegt vor, wenn über die Rechtsstreitigkeit andere Richter entscheiden als die gesetzlich dazu berufenen. Die darauf gestützte Rechtsbeschwerde muss daher aufzeigen, aus welchen konkreten Gründen der herangezogene Richter nicht zur Entscheidung berufen war. Nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Auch Maßnahmen und Entscheidungen eines Gerichts können gegen dieses Gebot verstoßen. Ziel der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist es, der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorzubeugen, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte. Damit sollen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (vgl. nur BVerfG 24. Februar 2009 - 1 BvR 182/09  - Rn. 7, BVerfGK 15, 111).

24

b) Hier hat die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg gerügt, die Richterin am Arbeitsgericht W, unter deren Vorsitz die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts am 12. Januar 2012 den angefochtenen Beschluss gefasst hat, habe an der Entscheidung nicht mitwirken dürfen, weil sie nicht iSd. § 35 Abs. 1 Satz 1, § 36 ArbGG auf Lebenszeit zur Vorsitzenden Richterin am Landesarbeitsgericht ernannt gewesen sei.

25

aa) Für die Landesarbeitsgerichte schreibt § 35 Abs. 1 ArbGG vor, dass es aus dem Präsidenten und ua. „der erforderlichen Zahl von weiteren Vorsitzenden” besteht. Darunter ist die Schaffung von Planstellen durch die jeweiligen Landesjustizbehörden zu verstehen. § 35 Abs. 1 ArbGG geht davon aus, dass Richter, die die Funktion eines Kammervorsitzenden am Landesarbeitsgericht ausüben, an diesem Gericht planmäßig angestellt und als „Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht” ernannt sind. Nur solchen garantiert Art. 97 Abs. 2 GG die persönliche Unabhängigkeit durch Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit( BGH 13. Juli 1995 - V ZB 6/94  - BGHZ 130, 304, 308 ).

26

Die Heranziehung von nicht planmäßig angestellten Richtern (Richtern auf Probe, abgeordneten Richtern) darf nur in den Grenzen erfolgen, die sich nach verständigem Ermessen aus der Notwendigkeit, Nachwuchs heranzubilden, oder aus anderen zwingenden Gründen ergeben (so schon BVerfG 9. November 1955 - 1 BvL 13/52 ua. - BVerfGE 4, 331, 345 ). Eine Abordnung muss dabei die Ausnahme sein und darf nicht zur Regel werden. Eine vorübergehende Abordnung eines Richters am Arbeitsgericht an ein Landesarbeitsgericht kann zulässigerweise mit einer nicht vorhersehbaren Überlastung des Landesarbeitsgerichts oder mit dem Zweck seiner Erprobung begründet werden, um bei der Bewerbung um ein Richteramt mit höherem Endgrundgehalt berücksichtigt werden zu können. Auch für den zur Erprobung abgeordneten Richter besteht die zu den sachlichen Voraussetzungen der Unabhängigkeit gehörende Weisungsfreiheit uneingeschränkt (ausführlich BGH Dienstgericht des Bundes 16. März 2005 - RiZ (R) 2/04 - BGHZ 162, 333).

27

Eine Abordnung darf von der Justizverwaltung nicht dazu genutzt werden, Einsparungen vorzunehmen. Deshalb führen auch Erprobung, Krankheitsvertretung und Entlastungsabordnung zu einer verfassungswidrigen Gerichtsbesetzung, wenn die Arbeitslast des Gerichts deshalb nicht bewältigt werden kann, weil es unzureichend mit Planstellen ausgestattet ist oder weil die Justizverwaltung es verabsäumt hat, offene Planstellen binnen angemessener Frist zu besetzen. Dementsprechend muss sich die Abordnung in zeitlichen und sachlichen Grenzen halten. Die sich aus § 27 BBG und § 17 BRRG aF ergebende Wertung einer Abordnung von zwei Jahren und mehr als noch „vorübergehend” ist auf eine Richterabordnung nicht ohne weiteres übertragbar. Hier sind verfassungsrechtlich strengere Maßstäbe anzulegen. Eine feste Grenze gibt es jedoch nicht. Sie ist vielmehr im Einzelfall anhand der jeweils konkreten Gegebenheiten unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertungen zu bestimmen (vgl. BAG 6. Juni 2007 - 4 AZR 411/06 - Rn. 34 mwN, BAGE 123, 46 ua. unter Hinweis auf BVerfG 3. Juli 1962 - 2 BvR 628/60 ua. - BVerfGE 14, 156, 164 f.).

28

bb) Danach war die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts im Zeitpunkt der Entscheidung am 12. Januar 2012 ordnungsgemäß besetzt. Aus der E-Mail des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts vom 5. Juni 2012, deren Inhalt und Autor von der Rechtsbeschwerde nicht bestritten sind, ergibt sich, dass die Richterin am Arbeitsgericht W für einen Zeitraum von neun Monaten zum Zwecke der Erprobung abgeordnet wurde. Angesichts des Abordnungszeitraums von nicht einmal einem Jahr, der sich für eine Erprobung als angemessen erweist, sind sachfremde Erwägungen bei der Abordnungsentscheidung der Landesjustizverwaltung nicht erkennbar. Der Vortrag der Rechtsbeschwerde, dass die Nichtbesetzung der Stellen auf anderen - möglicherweise fiskalischen - Erwägungen beruhte, erschöpft sich in der Vermutung, die Richterin am Arbeitsgerichts W sei möglicherweise bereits vormals beim Landesarbeitsgericht erprobt worden. Hierzu hat die Rechtsbeschwerde aber nicht einmal dargetan, den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts um entsprechende Auskunft ersucht zu haben.

29

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil die Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung nicht fristgerecht angefochten wurde.

30

a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die angefochtene Entscheidung nicht schon deshalb aufzuheben, weil das Rechtsschutzbedürfnis für den Wahlanfechtungsantrag im Laufe des Verfahrens entfallen wäre.

31

aa) Die Wahlberechtigung des die Wahl anfechtenden Arbeitnehmers muss grundsätzlich nur zum Zeitpunkt der Wahl gegeben sein (ständige Rechtsprechung seit BAG 4. Dezember 1986 - 6 ABR 48/85 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 53, 385). Ein Wegfall der Wahlberechtigung durch Ausscheiden aus dem Betrieb nimmt dem Arbeitnehmer die Anfechtungsbefugnis nicht. Nur wenn sämtliche die Wahl anfechtenden Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausscheiden, führt dies zur Unzulässigkeit des Antrags, da für die Fortführung des Wahlanfechtungsverfahrens in diesem Fall kein Rechtsschutzbedürfnis mehr besteht (BAG 16. November 2005 - 7 ABR 9/05 - Rn. 16 mwN, BAGE 116, 205; DKKW-Homburg 14. Aufl. § 19 Rn. 25; Fitting 27. Aufl. § 19 Rn. 29; HWGNRH-Nicolai 9. Aufl. § 19 Rn. 22; Thüsing in Richardi BetrVG 14. Aufl. § 19 Rn. 38).

32

(1) Die Rechtsbeschwerde vertritt den Standpunkt, für den Anfechtungsantrag bestehe schon dann kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, wenn die vom Gesetz in § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX iVm. § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vorausgesetzte Mindestzahl der Anfechtenden unterschritten werde. Sinn und Zweck dieses Quorums bestehe darin zu verhindern, dass nicht ein einzelner Arbeitnehmer - ein unterlegener Bewerber oder „Querulant“ - ein aufwendiges und schwieriges Verfahren in Gang setzen und betreiben könne. Die Anfechtung müsse bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz von mindestens drei Anfechtenden getragen sein. Es widerspreche Sinn und Zweck des aus individueller Rechtsposition betriebenen Anfechtungsverfahrens, wenn derjenige, dessen Betriebszugehörigkeit entfalle, jenes weiterführen könne, obwohl er durch die Entscheidung nicht mehr betroffen sei (vgl. Kreutz GK-BetrVG 10. Aufl. § 19 Rn. 66, 69 und Rn. 58 mwN, der die Anfechtungsberechtigung nicht als Voraussetzung der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit ansieht).

33

(2) Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest. Dem Gesetzeszweck wird durch das bei Stellung eines Anfechtungsantrags erforderliche Quorum von drei Wahlberechtigten ausreichend Rechnung getragen. Dementsprechend hat auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG 27. April 1983 - 6 P 17.81 -BVerwGE 67, 145) den objektiven Charakter von Wahlanfechtungsverfahren hervorgehoben. Entgegen der Rechtsbeschwerde ist es gerade nicht die individuelle Rechtsposition, die das Anfechtungsrecht entscheidend kennzeichnet. Das gilt insbesondere für das Wahlanfechtungsverfahren, das nicht dem Einzelinteresse, sondern dem Allgemeininteresse dient. Das Anfechtungsrecht der Gewerkschaften zeigt, dass das Rechtsschutzinteresse nicht eine persönliche Beschwer voraussetzt. Im Vordergrund steht vielmehr das Allgemeininteresse an der Ordnungsmäßigkeit der Wahl (vgl. für den Personalrat BVerwG 27. April 1983 - 6 P 17.81 - aaO). Diese Erwägungen gelten auch für die Wahlen der Schwerbehindertenvertretung und deren Stellvertreter.

34

bb) Der Ausnahmefall, dass alle Anfechtenden im Verlaufe des Verfahrens aus dem Betrieb ausgeschieden sind und der Anfechtungsantrag deshalb mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden ist, liegt hier nicht vor. Nach der Anfechtung der Wahl ist lediglich die Wahlberechtigung des Antragstellers zu 3. mit dessen Eintritt in die Freistellungsphase am 1. Oktober 2011 entfallen, während die Antragsteller zu 1. und 2. nach wie vor dem Betrieb angehören. Das Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Unwirksamkeit der Wahl besteht damit für alle Antragsteller fort.

35

b) Die Rechtsbeschwerde hat jedoch Erfolg, weil die am 22. November 2010 durchgeführte Wahl der Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung nicht innerhalb der entsprechend anzuwendenden zweiwöchigen Anfechtungsfrist des § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX iVm. § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG angefochten wurde und die Wahl auch nicht nichtig ist.

36

aa) Die Stellvertreterwahl ist nicht wirksam angefochten worden.

37

(1) § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX erklärt die Vorschriften über die Wahlanfechtung bei der Wahl des Betriebsrats für die Wahl der Vertrauensperson und des stellvertretenden Mitglieds für sinngemäß anwendbar. Für die Betriebsratswahl bestimmt § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, dass die Anfechtung nur binnen einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses zulässig ist. Mit dem Ablauf der Anfechtungsfrist erlischt das Anfechtungsrecht des einzelnen Anfechtungsberechtigten. Die in § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG bestimmte Frist für die Anfechtung der Wahl dient der Rechtssicherheit. Dadurch soll gewährleistet werden, dass möglichst rasch nach Abschluss der Wahl Klarheit darüber geschaffen wird, ob die Wahl angefochten wird oder nicht (BAG 20. April 2005 - 7 ABR 44/04 - zu B III 2 a der Gründe, BAGE 114, 228). Bei den getrennt anzufechtenden Wahlen der Vertrauensperson und der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung muss den Beteiligten durch den fristgemäßen Anfechtungsantrag unzweifelhaft die Feststellung möglich sein, ob ihre Wahl angefochten werden soll.

38

(2) Die Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung wurde hier nicht rechtzeitig innerhalb der nach § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG einzuhaltenden Frist von zwei Wochen nach der Bekanntgabe des am 30. November 2010 durch Aushang bekannt gemachten Wahlergebnisses angefochten. Die Antragsschrift zur Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens ging zwar am 13. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht ein. Der Antrag, die Wahl der Schwerbehindertenvertretung vom 25. November 2010 für unwirksam zu erklären, richtete sich aber ausschließlich gegen die Wahl der Vertrauensperson und nicht auch gegen die Wahl der Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung. Dies wird daran deutlich, dass im Rubrum der Antragsschrift ausdrücklich nur die „Schwerbehindertenvertretung“ bezeichnet ist. Dass hiermit die gewählte Vertrauensperson gemeint war und nicht - zumindest auch - die selbständig gewählten Stellvertreter, ergibt sich daraus, dass die als Beteiligte bezeichnete Schwerbehindertenvertretung durch die „Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen Frau K“ vertreten wird. Auf die Wahl der Stellvertreter bezieht sich demgegenüber weder der Anfechtungsantrag noch sind die Stellvertreter als Beteiligte im Rubrum der Antragsschrift bezeichnet. Deshalb lässt sich der auf „die Schwerbehindertenvertretung“ bezogene Antrag nicht dahin auslegen, dass neben der Wahl der Vertrauensperson auch die Stellvertreterwahl angefochten werden sollte.

39

Auch konnte es für die Antragsteller keinem Zweifel unterliegen, dass zwei getrennte Wahlen durchgeführt wurden, die ggf. getrennt anzufechten sind. Nach Punkt 4 Satz 2 des mit der Antragsschrift vorgelegten Wahlausschreibens werden „die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und die drei stellvertretenden Mitglieder in getrennten Wahlgängen gewählt“. Mit Punkt 5 des Wahlausschreibens wurden die wahlberechtigten Schwerbehinderten und die gleichgestellten behinderten Menschen nicht nur aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen nach Erlass dieses Wahlausschreibens getrennte Wahlvorschläge für die Schwerbehindertenvertretung und die stellvertretenden Mitglieder schriftlich beim Wahlvorstand einzureichen. Das Wahlausschreiben enthielt dort zusätzlich den Hinweis, dass sich aus den Wahlvorschlägen eindeutig ergeben müsse, wer als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und wer als stellvertretendes Mitglied vorgeschlagen werde. Aus Gründen der Rechtssicherheit, die besonders im Wahlanfechtungsrecht hervorgehobene Bedeutung beansprucht, ist die Anfechtung der Wahl der Stellvertreter unter diesen Umständen nicht allein dadurch hinreichend deutlich erfolgt, dass die Antragsteller ihre Anfechtung inhaltlich auch auf einen Grund gestützt haben, der nur die Wirksamkeit der Stellvertreterwahl betrifft.

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bb) Die Wahl vom 22. November 2010 ist nicht nichtig.

41

(1) Im Unterschied zur Wahlanfechtung kann die Nichtigkeit der Wahl auch außerhalb der in § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG bestimmten Anfechtungsfrist jederzeit von jedermann geltend gemacht werden, der daran ein berechtigtes Interesse hat. Ebenso wie die Betriebsratswahl ist die Wahl der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung nur in ganz besonderen Ausnahmefällen nichtig, in denen gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt. Voraussetzung ist, dass der Mangel offenkundig und deshalb ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist. Die Betriebsratswahl muss „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“ (st. Rspr., vgl. BAG 20. April 2005 - 7 ABR 44/04 - zu B III 3 der Gründe, BAGE 114, 228; 21. September 2011 - 7 ABR 54/10 - Rn. 26 mwN, BAGE 139, 197).

42

(2) Unter derart gravierenden Mängeln leidet die Stellvertreterwahl vom 22. November 2010 nicht deshalb, weil der Wahlvorstand den Kandidaten K vom Wahlvorschlag der Stellvertreter gestrichen hat, nachdem dieser seine Zustimmung zur Kandidatur vor der Veröffentlichung des Wahlvorschlags widerrufen hat. Selbst wenn ein Rücktritt von der Kandidatur nach schriftlich erteilter Zustimmung rechtlich nicht möglich oder es dem Wahlvorstand nicht gestattet sein sollte, in einer solchen Situation analog § 6 Abs. 3 Satz 3 SchwbVWO nur einen Kandidaten von der Liste zu streichen und die übrigen Kandidaten zuzulassen, wäre die Wahl aufgrund eines solchen Fehlers nur anfechtbar. Sie wäre aber nicht nichtig.

        

    Linsenmaier    

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

        

        

    Busch    

        

    Kley    

                 

(1) Wählbar sind alle Wahlberechtigten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und sechs Monate dem Betrieb angehören oder als in Heimarbeit Beschäftigte in der Hauptsache für den Betrieb gearbeitet haben. Auf diese sechsmonatige Betriebszugehörigkeit werden Zeiten angerechnet, in denen der Arbeitnehmer unmittelbar vorher einem anderen Betrieb desselben Unternehmens oder Konzerns (§ 18 Abs. 1 des Aktiengesetzes) angehört hat. Nicht wählbar ist, wer infolge strafgerichtlicher Verurteilung die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, nicht besitzt.

(2) Besteht der Betrieb weniger als sechs Monate, so sind abweichend von der Vorschrift in Absatz 1 über die sechsmonatige Betriebszugehörigkeit diejenigen Arbeitnehmer wählbar, die bei der Einleitung der Betriebsratswahl im Betrieb beschäftigt sind und die übrigen Voraussetzungen für die Wählbarkeit erfüllen.

(1) Der Wahlvorstand hat die Wahl unverzüglich einzuleiten, sie durchzuführen und das Wahlergebnis festzustellen. Kommt der Wahlvorstand dieser Verpflichtung nicht nach, so ersetzt ihn das Arbeitsgericht auf Antrag des Betriebsrats, von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft. § 16 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) Ist zweifelhaft, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt, so können der Arbeitgeber, jeder beteiligte Betriebsrat, jeder beteiligte Wahlvorstand oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft eine Entscheidung des Arbeitsgerichts beantragen.

(3) Unverzüglich nach Abschluss der Wahl nimmt der Wahlvorstand öffentlich die Auszählung der Stimmen vor, stellt deren Ergebnis in einer Niederschrift fest und gibt es den Arbeitnehmern des Betriebs bekannt. Dem Arbeitgeber und den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ist eine Abschrift der Wahlniederschrift zu übersenden.