Insolvenzrecht: Zur Frage der Anfechtung einer Auszahlung nach Verfahrenseröffnung
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Dem EuGH Union werden zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 267I lit. b, III des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Fragen vorgelegt:Ist Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren anwendbar, wenn die vom Insolvenzverwalter angegriffene Auszahlung eines vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gepfändeten Betrags erst nach der Verfahrenseröffnung erfolgt ist? Sofern die erste Frage zu bejahen ist: Bezieht sich die Einrede nach Art. 13 EuInsVO auch auf die Verjährungs-, Anfechtungs- und Ausschlussfristen des Wirkungsstatuts (lex causae) der angegriffenen Rechtshandlung? Sofern die zweite Frage zu bejahen ist: Bestimmen sich auch die für die Geltendmachung des Anspruchs i. S. von Art. 13 EuInsVO beachtlichen Formvorschriften nach der lex causae oder richten sich diese nach der lex fori concursus?
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Fragen vorgelegt:
Ist Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren anwendbar, wenn die vom Insolvenzverwalter angegriffene Auszahlung eines vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gepfändeten Betrags erst nach der Eröffnung erfolgt ist?
Sofern die erste Frage zu bejahen ist: Bezieht sich die Einrede nach Art. 13 EuInsVO auch auf die Verjährungs-, Anfechtungs- und Ausschlussfristen des Wirkungsstatuts (lex causae) der angegriffenen Rechtshandlung?
Sofern die zweite Frage zu bejahen ist: Bestimmen sich auch die für die Geltendmachung des Anspruchs im Sinne von Art. 13 EuInsVO beachtlichen Formvorschriften nach der lex causae oder richten sich diese nach der lex fori concursus?
Gründe:
Die deutsche E. GmbH mit Sitz in T.(Deutschland) betrieb einen betrügerischen Autohandel in Form eines Schneeballsystems. Für den österreichischen Markt bediente sie sich dazu einer Tochtergesellschaft, der österreichischen A. GmbH (fortan: Schuldnerin) mit Sitz in B. (Österreich). Diese gewann den österreichischen Beklagten als Kunden. Weil der PKW-Kauf wegen Nichterfüllung scheiterte, erwirkte der Beklagte am 17. März 2008 beim Bezirksgericht Bregenz einen vollstreckbaren Zahlungsbefehl gegen die Schuldnerin über 9.566 € zuzüglich Zinsen. Am 20. Mai 2008 bewilligte das Bezirksgericht Bregenz als Vollstreckungsgericht die Fahrnis- und Forderungsexekution, mit der drei Konten der Schuldnerin gepfändet wurden; die Forderungsexekution ging bei der S. F.am 23. Mai 2008 ein.
Auf Eigenantrag vom 13. April 2008 eröffnete das Amtsgericht Ravensburg mit Beschluss vom 4. August 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, in welchem nunmehr die Klägerin als Insolvenzverwalterin bestellt ist. Etwa sieben Monate später, am 17. März 2009, zahlte die S. F.als Drittschuldnerin aufgrund der Pfändung den streitgegenständlichen Betrag von 11.778,48 € an den Beklagten aus, nachdem der damalige Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 10. März 2009 mitgeteilt hatte, dass er keine Gegenrechte gegenüber der S. F.geltendmachen werde, sich jedoch eine Insolvenzanfechtung vorbehalte.
Rund zehn Monate nach Insolvenzeröffnung erklärte damalige Insolvenzverwalter durch außergerichtliches Schreiben vom 3. Juni 2009 die Insolvenzanfechtung bezüglich der Fahrnis- und Forderungsexekution vom 20. Mai 2008 und der Auszahlung vom 17. März 2009. Mit der am 23. Oktober 2009 zugestellten Klage begehrt die Klägerin die Rückgewähr des vereinnahmten Betrages zur Masse. Der Beklagte hält die Insolvenzanfechtung nach dem anwendbaren österreichischen Insolvenzanfechtungsrecht für ausgeschlossen, weil die Anfechtung nicht binnen eines Jahres nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mittels Klage geltend gemacht worden sei.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Abweisungsbegehren in vollem Umfang weiter.
Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren ab, wobei fraglich ist, ob die Vorschrift im Streitfall anwendbar ist. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel des Beklagten ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
Grundsätzlich gilt nach Art. 4 Abs. 1 EuInsVO das Recht des Staats der Verfahrenseröffnung (lex fori concursus) für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen, wobei Art. 4 Abs. 2 Buchst. m EuInsVO klarstellt, dass hierunter auch die Frage der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit von gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlungen fällt. Nach Art. 13 EuInsVO findet Art. 4 Abs. 2 Buchst. m EuInsVO jedoch keine Anwendung, wenn die Person, die durch eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlung begünstigt wurde, nachweist, dass für diese Handlung das Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Staates der Verfahrenseröffnung maßgeblich ist und dass nach dieser lex causae die Handlung in keiner Weise angreifbar ist.
Auf die Frage der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit der Auszahlung des streitgegenständlichen Betrags findet somit grundsätzlich gemäß Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. m EuInsVO das deutsche Insolvenzrecht Anwendung, weil das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin in Deutschland eröffnet worden ist. Nach dem maßgeblichen deutschen Recht ist die Rechtshandlung vorliegend nicht anfechtbar. Gemäß § 129 Abs. 1 der deutschen Insolvenzordnung (fortan: InsO) können nur Rechtshandlungen angefochten werden, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind. Die Auszahlung des gepfändeten Kontoguthabens ist jedoch erst sieben Monate nach der Verfahrenseröffnung erfolgt.
Allerdings ist das mit der Fahrnis- und Forderungsexekution am Kontoguthaben erworbene Pfändungspfandrecht erst nach dem Eigenantrag der Schuldnerin vom 13. April 2008 entstanden und damit gemäß § 88 InsO im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam geworden. Die anschließend erfolgte Auszahlung des gepfändeten Kontoguthabens ist gemäß § 91 Abs. 1 InsO unwirksam. Der Umstand, dass das Pfandrecht in einem anderen Mitgliedstaat bestand und von der Eröffnung des Verfahrens grundsätzlich nach Art. 5 Abs. 1 EuInsVO nicht berührt wird, steht der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit gemäß Art. 5 Abs. 4 EuInsVO grundsätzlich nicht entgegen. Der streitgegenständliche Betrag ist folglich dem Beklagten ohne ein materielles Befriedigungsrecht ausbezahlt worden, so dass er die Befriedigung der Masse gegenüber ohne Rechtsgrund erlangt und den ausgezahlten Betrag gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1, § 818 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (fortan: BGB) herauszugeben hat.
Dem steht entgegen der Auffassung der Revision nicht eine Zustimmung des Insolvenzverwalters zur Auszahlung entgegen. Der vormalige Insolvenz- verwalter hatte im Schreiben vom 10. März 2009 lediglich erklärt, dass gegen- über der S. F.keine Gegenrechte hinsichtlich der Forderungs- exekution geltend gemacht werden. Dies ist auch nicht erfolgt. Wollte man eine Zustimmung annehmen, womöglich auch konkludent durch Erhebung der vor- liegenden Klage, änderte sich am Ergebnis nichts, weil sich der Bereicherungs- anspruch dann aus § 816 Abs. 2 BGB ergäbe.
Der Beklagte hat sich darauf berufen, dass die Auszahlung des streitgegenständlichen Betrages nach der lex causae infolge des Ablaufs einer Ausschlussfrist im Sinne von Art. 13 EuInsVO in keiner Weise angreifbar sei.
Das nach Art. 13 EuInsVO kumulativ zu prüfende Recht des Wirkungsstatuts der angegriffenen Rechthandlung ist vorliegend das österreichische Recht. Dabei kann offen bleiben, ob die lex causae nach den allgemeinen Kollisionsregeln des Insolvenzeröffnungsstaates oder nach dem Kollisionsrecht des jeweils angerufenen Gerichts zu ermitteln ist. Nach beiden Ansichten finden im Streitfall die deutschen Kollisionsnormen, mithin Art. 27, 28 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in der bis zum 16. Dezember 2009 geltenden Fassung (nachfolgend: EGBGB) Anwendung. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Vertragsparteien die Anwendung österreichischen Rechts in den allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Kaufvertrag gemäß Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB vereinbart. Zudem weist der Vertrag im Sinne von Art. 28 Abs. 1, 2 EGBGB die engsten Verbindungen zu Österreich auf, weshalb das österreichische Recht auch ohne eine entsprechende Rechtswahl anwendbar wäre. Da die Schuldnerin als Erbringerin der vertragscharakteristischen Leistung ihren Sitz in Österreich hat, sprechen bereits die Vermutungen des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB für die engste Verbindung zu Österreich. Besondere Umstände, die gemäß Art. 28 Abs. 5 EGBGB Anhaltspunkte für eine engere Verbindung zu einem anderen Staat liefern könnten, liegen nicht vor.
Nach den von den Parteien nicht angegriffenen, auf mehreren Gutachten beruhenden Feststellungen des Berufungsgerichts ist nach dem maßgeblichen österreichischen Recht ein Pfändungspfandrecht am Kontoguthaben konkursfest erworben worden, so dass die Auszahlung des streitgegenständlichen Betrags mit Rechtsgrund erfolgt ist. Der Beklagte hat mit der Bewilligung der Fahrnis- und Forderungsexekution ein Pfändungspfandrecht an dem Kontoguthaben der Schuldnerin erlangt, als die Bewilligung am 23. Mai 2008 bei der Drittschuldnerin einging. Dabei ist nach § 11 Abs. 1 der auf den vorliegenden Zeitraum anwendbaren österreichischen Konkursordnung nach dem Stand von 2008/2009 von der Konkursfestigkeit des mit dem Pfändungspfandrecht erworbenen Absonderungsrechts auszugehen, weil es schon länger als sechzig Tage vor der Konkurseröffnung bestand (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 östKO). Dieser Anspruch des Beklagten auf abgesonderte Befriedigung gestattete nach § 48 Abs. 1 östKO eine Auszahlung des gepfändeten Kontoguthabens an ihn. Durch die Auszahlung des gepfändeten Kontoguthabens ist das Pfändungspfandrecht in entsprechender Anwendung des § 469 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch erloschen und somit nicht mehr anfechtbar.
Allerdings ist die Auszahlung des Kontoguthabens vom 17. März 2009 nach österreichischem Konkursrecht anfechtbar. Gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 östKO ist eine nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach dem Antrag auf Konkurseröffnung vorgenommene Rechtshandlung anfechtbar, durch die ein Konkursgläubiger eine Sicherstellung oder Befriedigung erlangt hat, wenn ihm die Zahlungsunfähigkeit oder der Eröffnungsantrag bekannt war oder bekannt sein musste. Die Auszahlung des streitgegenständlichen Betrags gewährte dem Beklagten zu einem Zeitpunkt eine Befriedigung, als ihm der Insolvenzeröffnungsantrag aufgrund eines Schreibens des Insolvenzverwalters vom 10. März 2009 bekannt war. Dabei stellt die im Exekutionsweg erlangte Befriedigung nach österreichischem Konkursrecht eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne der Norm dar. Zudem ist die allgemein von § 31 Abs. 1 Nr. 2 östKO vorausgesetzte Deckung auf Kosten der Masse im Streitfall erfüllt. Das erst nach der Insolvenzantragstellung mit der Bewilligung der Fahrnis- und Forderungsexekution entstandene Pfändungspfandrecht war mangels Anspruchs auf Sicherung nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 östKO bis zu seinem Erlöschen anfechtbar. Damit erfolgte mit der Auszahlung des streitgegenständlichen Betrags eine die Masse schmälernde Vermögensverschiebung. Aufgrund der früheren Anfechtbarkeit des Pfändungspfandrechts ist der Beklagte nicht als Absonderungsgläubiger, sondern als Konkursgläubiger im Sinne der Vorschrift zu behandeln.
Nach österreichischem Recht hätte eine Anfechtungsklage nach § 43 Abs. 2 Satz 1 östKO gleichwohl keinen Erfolg, weil seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits mehr als ein Jahr verstrichen war, bevor die Insolvenzanfechtungsklage im Oktober 2009 erhoben wurde. Dabei handelt es sich nach österreichischem Recht um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, die von Amts wegen zu beachten ist.
In der Literatur ist umstritten, ob es für die Angreifbarkeit der Rechtshandlung im Sinne von Art. 13 EuInsVO nach der maßgeblichen lex causae ausreicht, dass sie ursprünglich anfechtbar war, auch wenn die Anfechtung zwischenzeitlich infolge Verjährung oder Ablaufs einer Ausschluss- oder Anfechtungsfrist nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden kann. Würde sich die Fristenregelung nicht nach der lex causae, sondern nach dem Insolvenzstatut gemäß Art. 4 EuInsVO richten, wäre die Klageerhebung rechtzeitig erfolgt, weil im deutschen Insolvenzanfechtungsrecht gemäß § 146 Abs. 1 InsO die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB gilt, die gewahrt ist. Es kommt somit entscheidend auf die Anwendbarkeit und die Auslegung des Art. 13 EuInsVO an.
Als erstes stellt sich die Frage, ob der Anwendung des Art. 13 EuInsVO vorliegend entgegensteht, dass die Auszahlung des streitgegenständlichen Betrags nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte. Grundsätzlich soll Art. 13 EuInsVO nicht anwendbar sein, wenn die angegriffene Handlung erst nach der Verfahrenseröffnung vorgenommen wurde, weil das Vertrauen der Gläubiger in die Wirksamkeit ihrer Rechtsgeschäfte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr geschützt werden müsse. Dies findet freilich im Wortlaut des Art. 13 EuInsVO keinen Ausdruck, weshalb geklärt werden muss, ob die Vorschrift in diesem Sinne einschränkend auszulegen ist.
Zweifelhaft ist sodann, ob eine solche Begrenzung der Anwendung des Art. 13 EuInsVO auch gilt, wenn der Vermögenszufluss an den Gläubiger wie im Streitfall auf einer bereits zuvor im Rahmen einer Zwangsvollstreckung erworbenen Rechtsposition beruht, welche nach der lex causae ein Befriedigungsrecht gewährte. Der Beklagte hat durch die Fahrnis- und Forderungsexekution bereits mehr als 60 Tage vor der Verfahrenseröffnung ein Pfändungspfandrecht und damit ein Absonderungsrecht am Kontoguthaben erlangt, welches nach § 11 Abs. 1, § 12 Abs. 1 Satz 1 östKO konkursfest war. Dieses Pfändungspfandrecht wäre allerdings nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 östKO anfechtbar gewesen, wenn es nicht aufgrund der Auszahlung des streitgegenständlichen Betrages erloschen wäre. Ohne die Auszahlung des Kontoguthabens wäre Art. 13 EuInsVO somit im Hinblick auf die Anfechtbarkeit des Pfändungspfandrechts zweifellos anwendbar.
Im erläuternden Bericht zum Übereinkommen wird nicht auf diese Konstellationen eingegangen. Der Hinweis auf den Verlust der Verfügungsgewalt durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die dadurch bedingte Unwirksamkeit von Verfügungen des Schuldners, scheint nicht auf zwangsvollstreckungsrechtliche Vorgänge zugeschnitten zu sein. In der Literatur wird auf diese Problematik - soweit ersichtlich - bislang nicht eingegangen.
Dass die Unwirksamkeitsgründe nach der lex fori concursus von denen der lex causae abweichen, hindert die Anwendung des Art. 13 EuInsVO jedenfalls nicht. Vielmehr stellt die Regelung sicher, dass die insolvenzrechtliche Angreifbarkeit der streitgegenständlichen Rechtshandlung nicht auf denselben Rechtsgründen oder Anfechtungsvoraussetzungen beruhen muss, aufgrund derer die Rechtshandlung in ihrem Bestand durch die lex fori concursus in Frage gestellt wird. Sofern die Voraussetzungen des Art. 13 EuInsVO erfüllt sind, ist Art. 4 Abs. 2 Buchst. m EuInsVO nicht anwendbar, so dass alle dort genannten Normen der lex fori concursus verdrängt würden.
Wenn der Europäische Gerichtshof die Anwendbarkeit des Art. 13 EuInsVO im Streitfall bejaht, schließt sich die Frage an, ob der Ablauf von nach der lex causae geltenden Verjährungs-, Anfechtungs- oder Ausschlussfristen zur Unangreifbarkeit einer Handlung im Sinne der Regelung führen können.
Nach einer Meinung regelt die lex causae nicht die maßgebliche Verjährungsfrist; diese soll vielmehr der lex fori concursus zu entnehmen sein. Die Vorschrift schütze nur das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Unangreifbarkeit der Rechtshandlung dem Grunde nach, nicht dagegen in die lediglich als Einrede gestaltete Verjährung. Es handele sich bei den Verjährungsregelungen um verfahrensrechtliche Bestimmungen, für welche die lex fori concursus gelte.
Einige Vertreter dieser Ansicht nehmen hiervon ausdrücklich Anfechtungsfristen aus; für diese habe wiederum die kumulative Prüfung nach der lex fori concursus und der lex causae zu erfolgen. Zugunsten des Anfechtungsgegners soll dann die kürzere der beiden Anfechtungsfristen gelten.
Nach einer anderen Meinung sollen alle Normen der lex causae, also auch die Verjährungsregelungen, im Rahmen der Gegenprüfung nach Art. 13 EuInsVO beachtlich sein. Der Wortlaut lasse nicht darauf schließen, dass eine Handlung von Beginn an unanfechtbar gewesen sein müsse. Vielmehr werde durch die Formulierung „in keiner Weise" deutlich, dass der Verweis auf das Wirkungsstatut umfassend gemeint sei. Die Anfechtungsvorschriften des Insolvenzstatuts müssten in einem solchen Fall hinter der lex causae zurückstehen, weil sich das durch Art. 13 EuInsVO geschützte Vertrauen nicht allein auf das rechtliche Moment einer nicht bestehenden Anfechtbarkeit, sondern auch auf das faktisch-wirtschaftliche Moment des Behaltendürfens beziehe.
Für die Auslegung der Bestimmung wird es nicht darauf ankommen, ob die maßgebliche lex causae eine materiellrechtliche Ausschluss- oder Anfechtungsfrist enthält oder ob sie eine Einrede der Verjährung vorsieht, die nach dem Recht einiger Mitgliedstaaten verfahrensrechtlich qualifiziert wird. Die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten haben die Wirkungen eines Zeitablaufsauf bestimmte Vermögensrechte dogmatisch und technisch unterschiedlich geregelt. Ob der Zeitablauf einen Untergang des Anspruchs bewirkt oder eine Einrede begründet, rechtfertigt keine unterschiedliche Anknüpfung. Vielmehr wird eine einheitliche autonome Auslegung des Art. 13 EuInsVO für alle Fristenregelungen nach den nationalen Rechtsordnungen zu suchen sein.
Die Auslegung der Norm wird sich zunächst am Wortlaut orientieren müssen, der von einer "in keiner Weise" angreifbaren Handlung spricht. Unklar ist, ob er damit nur die fehlende Angreifbarkeit dem Grunde nach meint, oder ob es ausreicht, dass eine zunächst angreifbare Handlung zwischenzeitlich infolge Fristablaufs unangreifbar geworden ist. Auch aus der Erwägung Nr. 24 zur Verordnung und der darin erwähnten "Vornahme" einer Rechtshandlung kann nicht mit Sicherheit darauf geschlossen werden, dass nur das Vertrauen des Begünstigten zur Zeit der Vornahme der Rechtshandlung geschützt werden sollte. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung könnte zu berücksichtigen sein, dass auch die Annahme des Begünstigten als schützenswert angesehen werden kann, dass er nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr erfolgreich mit einem Herausgabeverlangen konfrontiert werden kann. So wird im erläuternden Bericht betont, dass der Ausdruck "in diesem Falle" bedeute, dass die Rechtshandlung im konkreten Falle, das heißt unter Berücksichtigung aller konkreten Begleitumstände, nicht angreifbar ist. Unter solche konkreten Umstände könnte auch der Rechtsverlust infolge Zeitablaufs fallen. Im Übrigen dürfte kein Anlass bestehen, die Verjährungsvorschriften verfahrensrechtlich zu qualifizieren, seitdem Art. 12 Abs. 1 Buchst. d der Rom-I-Verordnung.
Sollte der Europäische Gerichtshof Art. 13 EuInsVO dahingehend verstehen, dass danach die lex causae die Rechtsfolgen infolge Zeitablaufs ebenfalls regelt, schließt sich die weitere Frage an, ob sich auch die für die Gel-tendmachung des Anfechtungsanspruchs im Sinne von Art. 13 EuInsVO beachtlichen Formvorschriften nach der lex causae richten. Das Berufungsgericht hat dies verneint und ist vielmehr davon ausgegangen, dass die Art und Weise der Geltendmachung eines Anfechtungsanspruchs von der lex fori concursus geregelt wird.
Während § 43 Abs. 1, Abs. 2 1 östKO vorsieht, dass die Anfechtung binnen eines Jahres ab der Konkurseröffnung durch Klage geltend zu machen ist, kann das Anfechtungsrecht nach deutschem Recht durch Abgabe einer nicht formbedürftigen Willenserklärung ausgeübt werden, die zum Ausdruck bringt, dass der Insolvenzverwalter einen Rückgewähranspruch durchsetzen will. Diese Willenserklärung hat zwar als solche auf den Lauf der Verjährungsfrist nach deutschem Recht keinen Einfluss, könnte aber das Vertrauen auf die Beständigkeit der Zahlung beseitigen, wie das Berufungsgericht gemeint hat. Eine entsprechende Willenserklärung hat der vormalige Insolvenzverwalter vor Ablauf der Jahresfrist durch Schreiben vom 3. Juni 2009 abgegeben, indem er die Anfechtung der Auszahlung des streitgegenständlichen Betrages erklärt hat. Im Streitfall kommt es demnach maßgeblich darauf an, ob die Art und Weise der Geltendmachung des Anfechtungsrechts von der lex causae im Sinne von Art. 13 EuInsVO oder von der lex fori concursus gemäß Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 EuInsVO bestimmt wird.
Im Hinblick darauf, dass es sich bei entsprechenden formalen Vorschriften um verfahrensrechtliche Voraussetzungen für die Rechtsdurchsetzung handelt, spricht einiges für die Auffassung des Berufungsgerichts, die Art und Weise der Geltendmachung des Anfechtungsrechts der lex fori concursus zu überlassen. Hinzu kommt, dass das von Art. 13 EuInsVO geschützte Vertrauen in die Gültigkeit der nach dem normalerweise anwendbaren nationalen Recht vorgenommenen Rechtshandlung nur hinsichtlich des Zeitablaufs eines besonderen Schutzes bedarf. Wenn innerhalb einer nach diesem Recht vorgesehenen Frist die Anfechtung - gleich in welcher Form - ausgeübt wurde, ist das Vertrauen des Anfechtungsgegners in die Rechtsbeständigkeit seines Erwerbs nicht mehr gerechtfertigt.
Dieser Auffassung wird indes entgegen gehalten, dass die von der lex causae geforderte Klageerhebung als solche zwar eine Verfahrenshandlung sei, dass ihre verjährungshemmende oder -unterbrechende Wirkung jedoch materiellrechtlich zu qualifizieren sei. Daher gelte auch für entsprechende Formvorschriften die lex causae. Art. 13 EuInsVO setze kein konkret existierendes Vertrauen in die Unanfechtbarkeit des Erwerbs voraus, welche durch die außergerichtliche Geltendmachung eines Anfechtungsanspruchs erschüttert sein könnte, sondern gewährleiste einen abstrakten Vertrauensschutz immer dann, wenn die Rechtshandlung nach der lex causae unangreifbar ist.
Auch die Beantwortung dieser dritten Frage lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus den Erwägungen zur Verordnung entnehmen, sondern kann nur nach dem Sinn und Zweck der Regelungen gefunden werden. Allerdings ist die verjährungshemmende oder -unterbrechende Wirkung einer solchen Prozesshandlung dem materiellen Recht zuzuordnen, auf welches Art. 13 EuInsVO verweist. Eine umfassende Anwendung des kumulativ zu prüfenden Wirkungsstatuts auch bezüglich etwaiger Formvorschriften könnte den Vorteil bieten, dass bei der Beurteilung der Angreifbarkeit der Rechtshandlung keine Unsicherheiten entstehen. Eine Aufspaltung, wonach sich die Fristenregelung nach der lex causae, die Art und Weise einer die Frist unterbrechenden oder hemmenden Handlung aber nach der lex fori concursus richtet, könnte in der Praxis zu Schwierigkeiten führen.
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BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Fragen vorgelegt: 1. Ist Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160 S. 1) anwendbar , wenn die vom Insolvenzverwalter angegriffene Auszahlung eines vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gepfändeten Betrags erst nach der Eröffnung erfolgt ist? 2. Sofern die erste Frage zu bejahen ist: Bezieht sich die Einrede nach Art. 13 EuInsVO auch auf die Verjährungs-, Anfechtungs - und Ausschlussfristen des Wirkungsstatuts (lex causae ) der angegriffenen Rechtshandlung? 3. Sofern die zweite Frage zu bejahen ist: Bestimmen sich auch die für die Geltendmachung des Anspruchs im Sinne von Art. 13 EuInsVO beachtlichen Formvorschriften nach der lex causae oder richten sich diese nach der lex fori concursus?
Gründe:
I.
- 1
- Die deutsche E. GmbH mit Sitz in T. (Deutschland) betrieb einen betrügerischen Autohandel in Form eines Schneeballsystems. Für den österreichischen Markt bediente sie sich dazu einer Tochtergesellschaft, der österreichischen A. GmbH (fortan: Schuldnerin) mit Sitz in B. (Österreich). Diese gewann den österreichischen Beklagten als Kunden. Weil der PKW-Kauf wegen Nichterfüllung scheiterte, erwirkte der Beklagte am 17. März 2008 beim Bezirksgericht Bregenz einen vollstreckbaren Zahlungsbefehl gegen die Schuldnerin über 9.566 € zuzüglich Zinsen. Am 20. Mai 2008 bewilligte das Bezirksgericht Bregenz als Vollstreckungsgericht die Fahrnis- und Forderungsexekution, mit der drei Konten der Schuldnerin gepfändet wurden; die Forderungsexekution ging bei der S. F. am 23. Mai 2008 ein.
- 2
- Auf Eigenantrag vom 13. April 2008 eröffnete das Amtsgericht Ravensburg mit Beschluss vom 4. August 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, in welchem nunmehr die Klägerin als Insolvenzverwalterin bestellt ist. Etwa sieben Monate später, am 17. März 2009, zahlte die S. F. als Drittschuldnerin aufgrund der Pfändung den streitgegenständlichen Betrag von 11.778,48 € an den Beklagten aus, nachdem der damalige Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 10. März 2009 mitgeteilt hatte, dass er keine Gegenrechte gegenüber der S. F. geltend machen werde, sich jedoch eine Insolvenzanfechtung vorbehalte.
- 3
- Rund zehn Monate nach Insolvenzeröffnung erklärte damalige Insolvenzverwalter durch außergerichtliches Schreiben vom 3. Juni 2009 die Insolvenzanfechtung bezüglich der Fahrnis- und Forderungsexekution vom 20. Mai 2008 und der Auszahlung vom 17. März 2009. Mit der am 23. Oktober 2009 zugestellten Klage begehrt die Klägerin die Rückgewähr des vereinnahmten Betrages zur Masse. Der Beklagte hält die Insolvenzanfechtung nach dem anwendbaren österreichischen Insolvenzanfechtungsrecht für ausgeschlossen, weil die Anfechtung nicht binnen eines Jahres nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mittels Klage geltend gemacht worden sei.
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- Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Abweisungsbegehren in vollem Umfang weiter.
II.
- 5
- Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160 S. 1, fortan: EuInsVO) ab, wobei fraglich ist, ob die Vorschrift im Streitfall anwendbar ist. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel des Beklagten ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
- 6
- 1. Grundsätzlich gilt nach Art. 4 Abs. 1 EuInsVO das Recht des Staats der Verfahrenseröffnung (lex fori concursus) für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen, wobei Art. 4 Abs. 2 Buchst. m EuInsVO klarstellt, dass hierunter auch die Frage der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit von gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlungen fällt. Nach Art. 13 EuInsVO findet Art. 4 Abs. 2 Buchst. m EuInsVO jedoch keine Anwendung, wenn die Person, die durch eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlung begünstigt wurde, nachweist, dass für diese Handlung das Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Staates der Verfahrenseröffnung maßgeblich ist und dass nach dieser lex causae die Handlung in keiner Weise angreifbar ist.
- 7
- a) Auf die Frage der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit der Auszahlung des streitgegenständlichen Betrags findet somit grundsätzlich gemäß Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. m EuInsVO das deutsche Insolvenzrecht Anwendung, weil das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin in Deutschland eröffnet worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2011 - IX ZR 185/10, BGHZ 190, 364 Rn. 14 ff). Nach dem maßgeblichen deutschen Recht ist die Rechtshandlung vorliegend nicht anfechtbar. Gemäß § 129 Abs. 1 der deutschen Insolvenzordnung (fortan: InsO) können nur Rechtshandlungen angefochten werden, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012 - IX ZR 213/11, ZIP 2012, 1517 Rn. 6 mwN). Die Auszahlung des gepfändeten Kontoguthabens ist jedoch erst sieben Monate nach der Verfahrenseröffnung erfolgt.
- 8
- Allerdings ist das mit der Fahrnis- und Forderungsexekution am Kontoguthaben erworbene Pfändungspfandrecht erst nach dem Eigenantrag der Schuldnerin vom 13. April 2008 entstanden und damit gemäß § 88 InsO im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam geworden. Die anschließend erfolgte Auszahlung des gepfändeten Kontoguthabens ist gemäß § 91 Abs. 1 InsO unwirksam. Der Umstand, dass das Pfandrecht in einem anderen Mitgliedstaat bestand und von der Eröffnung des Verfahrens grundsätzlich nach Art. 5 Abs. 1 EuInsVO nicht berührt wird, steht der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit gemäß Art. 5 Abs. 4 EuInsVO grundsätzlich nicht entgegen. Der streitgegenständliche Betrag ist folglich dem Beklagten ohne ein materielles Befriedigungsrecht ausbezahlt worden, so dass er die Befriedigung der Masse gegenüber ohne Rechtsgrund erlangt und den ausgezahlten Betrag gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1, § 818 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (fortan: BGB) herauszugeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 1982 - IVb ZR 657/80, BGHZ 83, 278, 280; HK-InsO/Kayser, 6. Aufl., § 88 Rn. 42; Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 88 Rn. 21; Jaeger/Eckardt, InsO, § 88 Rn. 60; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2010, § 88 Rn. 19b; Smid in Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 88 Rn. 15).
- 9
- Dem steht entgegen der Auffassung der Revision nicht eine Zustimmung des Insolvenzverwalters zur Auszahlung entgegen. Der vormalige Insolvenzverwalter hatte im Schreiben vom 10. März 2009 lediglich erklärt, dass gegenüber der S. F. keine Gegenrechte hinsichtlich der Forderungsexekution geltend gemacht werden. Dies ist auch nicht erfolgt. Wollte man eine Zustimmung annehmen, womöglich auch konkludent durch Erhebung der vorliegenden Klage, änderte sich am Ergebnis nichts, weil sich der Bereicherungsanspruch dann aus § 816 Abs. 2 BGB ergäbe (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012, aaO Rn. 8 ff).
- 10
- b) Der Beklagte hat sich darauf berufen, dass die Auszahlung des streitgegenständlichen Betrages nach der lex causae infolge des Ablaufs einer Ausschlussfrist im Sinne von Art. 13 EuInsVO in keiner Weise angreifbar sei.
- 11
- aa) Das nach Art. 13 EuInsVO kumulativ zu prüfende Recht des Wirkungsstatuts der angegriffenen Rechthandlung ist vorliegend das österreichische Recht. Dabei kann offen bleiben, ob die lex causae nach den allgemeinen Kollisionsregeln des Insolvenzeröffnungsstaates (Duursma-Kepplinger in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Europäische Insolvenzverordnung, Art. 13 Rn. 16; HK-InsO/Stephan, 6. Aufl., § 339 Rn. 9) oder nach dem Kollisionsrecht des jeweils angerufenen Gerichts (MünchKomm-InsO/Reinhart, 2. Aufl., Art. 13 VO (EG) 1346/2000 Rn. 6 mwN; MünchKomm-BGB/Kindler, 5. Aufl., Art. 13 VO (EG) 1346/2000 Rn. 9) zu ermitteln ist. Nach beiden Ansichten finden im Streitfall die deutschen Kollisionsnormen, mithin Art. 27, 28 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in der bis zum 16. Dezember 2009 geltenden Fassung (nachfolgend: EGBGB) Anwendung. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Vertragsparteien die Anwendung österreichischen Rechts in den allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Kaufvertrag gemäß Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB vereinbart. Zudem weist der Vertrag im Sinne von Art. 28 Abs. 1, 2 EGBGB die engsten Verbindungen zu Österreich auf, weshalb das österreichische Recht auch ohne eine entsprechende Rechtswahl anwendbar wäre. Da die Schuldnerin als Erbringerin der vertragscharakteristischen Leistung ihren Sitz in Österreich hat, sprechen bereits die Vermutungen des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB für die engste Verbindung zu Österreich. Besondere Umstände, die gemäß Art. 28 Abs. 5 EGBGB Anhaltspunkte für eine engere Verbindung zu einem anderen Staat liefern könnten, liegen nicht vor.
- 12
- bb) Nach den von den Parteien nicht angegriffenen, auf mehreren Gutachten beruhenden Feststellungen des Berufungsgerichts ist nach dem maßgeblichen österreichischen Recht ein Pfändungspfandrecht am Kontoguthaben konkursfest erworben worden, so dass die Auszahlung des streitgegenständlichen Betrags mit Rechtsgrund erfolgt ist. Der Beklagte hat mit der Bewilligung der Fahrnis- und Forderungsexekution ein Pfändungspfandrecht an dem Kontoguthaben der Schuldnerin erlangt, als die Bewilligung am 23. Mai 2008 bei der Drittschuldnerin einging. Dabei ist nach § 11 Abs. 1 der auf den vorliegenden Zeitraum anwendbaren österreichischen Konkursordnung nach dem Stand von 2008/2009 (öBGBl. I 2007/73, nachfolgend: östKO) von der Konkursfestigkeit des mit dem Pfändungspfandrecht erworbenen Absonderungsrechts auszugehen , weil es schon länger als sechzig Tage vor der Konkurseröffnung bestand (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 östKO). Dieser Anspruch des Beklagten auf abgesonderte Befriedigung gestattete nach § 48 Abs. 1 östKO eine Auszahlung des gepfändeten Kontoguthabens an ihn. Durch die Auszahlung des gepfändeten Kontoguthabens ist das Pfändungspfandrecht in entsprechender Anwendung des § 469 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch erloschen und somit nicht mehr anfechtbar.
- 13
- Allerdings ist die Auszahlung des Kontoguthabens vom 17. März 2009 nach österreichischem Konkursrecht anfechtbar. Gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 östKO ist eine nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach dem Antrag auf Konkurseröffnung vorgenommene Rechtshandlung anfechtbar, durch die ein Konkursgläubiger eine Sicherstellung oder Befriedigung erlangt hat, wenn ihm die Zahlungsunfähigkeit oder der Eröffnungsantrag bekannt war oder bekannt sein musste. Die Auszahlung des streitgegenständlichen Betrags gewährte dem Beklagten zu einem Zeitpunkt eine Befriedigung, als ihm der Insolvenzeröffnungsantrag aufgrund eines Schreibens des Insolvenzverwalters vom 10. März 2009 bekannt war. Dabei stellt die im Exekutionsweg erlangte Befriedigung nach österreichischem Konkursrecht eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne der Norm dar. Zudem ist die allgemein von § 31 Abs. 1 Nr. 2 östKO vorausgesetzte Deckung auf Kosten der Masse (vgl. Buchegger/Koziol/Bollenberger, Österreichisches Insolvenzrecht, 4. Aufl., § 31 Rn. 6) im Streitfall erfüllt. Das erst nach der Insolvenzantragstellung mit der Bewilligung der Fahrnis- und Forderungsexekution entstandene Pfändungspfandrecht war mangels Anspruchs auf Sicherung nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 östKO bis zu seinem Erlöschen anfechtbar. Damit erfolgte mit der Auszahlung des streitgegenständlichen Betrags eine die Masse schmälernde Vermögensverschiebung. Aufgrund der früheren Anfechtbarkeit des Pfändungspfandrechts ist der Beklagte nicht als Absonderungsgläubiger , sondern als Konkursgläubiger im Sinne der Vorschrift zu behandeln.
- 14
- Nach österreichischem Recht hätte eine Anfechtungsklage nach § 43 Abs. 2 Satz 1 östKO gleichwohl keinen Erfolg, weil seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits mehr als ein Jahr verstrichen war, bevor die Insolvenzanfechtungsklage im Oktober 2009 erhoben wurde. Dabei handelt es sich nach österreichischem Recht um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, die von Amts wegen zu beachten ist (Buchegger/Koziol/Bollenberger, aaO § 43 Rn. 17; Feil, Konkursordnung, 6. Aufl., § 43 Rn. 14).
- 15
- 2. In der Literatur ist umstritten, ob es für die Angreifbarkeit der Rechtshandlung im Sinne von Art. 13 EuInsVO nach der maßgeblichen lex causae ausreicht, dass sie ursprünglich anfechtbar war, auch wenn die Anfechtung zwischenzeitlich infolge Verjährung oder Ablaufs einer Ausschluss- oder Anfechtungsfrist nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden kann. Würde sich die Fristenregelung nicht nach der lex causae, sondern nach dem Insolvenzsta- tut gemäß Art. 4 EuInsVO richten, wäre die Klageerhebung rechtzeitig erfolgt, weil im deutschen Insolvenzanfechtungsrecht gemäß § 146 Abs. 1 InsO die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB gilt, die gewahrt ist. Es kommt somit entscheidend auf die Anwendbarkeit und die Auslegung des Art. 13 EuInsVO an.
- 16
- a) Als erstes stellt sich die Frage, ob der Anwendung des Art. 13 EuInsVO vorliegend entgegensteht, dass die Auszahlung des streitgegenständlichen Betrags nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte. Grundsätzlich soll Art. 13 EuInsVO nicht anwendbar sein, wenn die angegriffene Handlung erst nach der Verfahrenseröffnung vorgenommen wurde, weil das Vertrauen der Gläubiger in die Wirksamkeit ihrer Rechtsgeschäfte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr geschützt werden müsse (Virgos/Schmit in Stoll, Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommens über Insolvenzverfahren im deutschen Recht, S. 32 ff Nr. 138; MünchKomm-BGB/Kindler, aaO Art. 13 VO (EG) 1346/2000 Rn. 8; HmbKomm-InsO/Undritz, 4. Aufl., Art. 13 EuInsVO Rn. 3; Gruber in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff, EuInsVO, Art. 13 Rn. 8; Pannen /Dammann, Europäische Insolvenzverordnung, Art. 13 Rn. 9; Huber, ZZP 114 (2001) 133, 166). Dies findet freilich im Wortlaut des Art. 13 EuInsVO keinen Ausdruck, weshalb geklärt werden muss, ob die Vorschrift in diesem Sinne einschränkend auszulegen ist.
- 17
- Zweifelhaft ist sodann, ob eine solche Begrenzung der Anwendung des Art. 13 EuInsVO auch gilt, wenn der Vermögenszufluss an den Gläubiger wie im Streitfall auf einer bereits zuvor im Rahmen einer Zwangsvollstreckung erworbenen Rechtsposition beruht, welche nach der lex causae ein Befriedigungsrecht gewährte. Der Beklagte hat durch die Fahrnis- und Forderungsexekution bereits mehr als 60 Tage vor der Verfahrenseröffnung ein Pfändungs- pfandrecht und damit ein Absonderungsrecht am Kontoguthaben erlangt, welches nach § 11 Abs. 1, § 12 Abs. 1 Satz 1 östKO konkursfest war. Dieses Pfändungspfandrecht wäre allerdings nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 östKO anfechtbar gewesen, wenn es nicht aufgrund der Auszahlung des streitgegenständlichen Betrages erloschen wäre. Ohne die Auszahlung des Kontoguthabens wäre Art. 13 EuInsVO somit im Hinblick auf die Anfechtbarkeit des Pfändungspfandrechts zweifellos anwendbar.
- 18
- Im erläuternden Bericht zum Übereinkommen wird nicht auf diese Konstellationen eingegangen. Der Hinweis auf den Verlust der Verfügungsgewalt durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die dadurch bedingte Unwirksamkeit von Verfügungen des Schuldners (Virgos/Schmit, aaO), scheint nicht auf zwangsvollstreckungsrechtliche Vorgänge zugeschnitten zu sein. In der Literatur wird auf diese Problematik - soweit ersichtlich - bislang nicht eingegangen.
- 19
- Dass die Unwirksamkeitsgründe nach der lex fori concursus von denen der lex causae abweichen, hindert die Anwendung des Art. 13 EuInsVO jedenfalls nicht. Vielmehr stellt die Regelung sicher, dass die insolvenzrechtliche Angreifbarkeit der streitgegenständlichen Rechtshandlung nicht auf denselben Rechtsgründen oder Anfechtungsvoraussetzungen beruhen muss, aufgrund derer die Rechtshandlung in ihrem Bestand durch die lex fori concursus in Frage gestellt wird (MünchKomm-InsO/Reinhart, aaO Art. 13 VO (EG) 1346/2000 Rn. 8). Sofern die Voraussetzungen des Art. 13 EuInsVO erfüllt sind, ist Art. 4 Abs. 2 Buchst. m EuInsVO nicht anwendbar, so dass alle dort genannten Normen der lex fori concursus verdrängt würden (K. Schmidt/Brinkmann, InsO, 18. Aufl., Art. 13 EuInsVO Rn. 14).
- 20
- b) Wenn der Europäische Gerichtshof die Anwendbarkeit des Art. 13 EuInsVO im Streitfall bejaht, schließt sich die Frage an, ob der Ablauf von nach der lex causae geltenden Verjährungs-, Anfechtungs- oder Ausschlussfristen zur Unangreifbarkeit einer Handlung im Sinne der Regelung führen können.
- 21
- aa) Nach einer Meinung regelt die lex causae nicht die maßgebliche Verjährungsfrist ; diese soll vielmehr der lex fori concursus zu entnehmen sein (MünchKomm-InsO/Reinhart, 2. Aufl., § 339 Rn. 12; MünchKomm-BGB/Kindler, 5. Aufl., Art. 13 VO (EG) 1346/2000 Rn. 11; HK-InsO/Stephan, 6. Aufl., § 339 Rn. 8; FK-InsO/Wenner/Schuster, 7. Aufl., § 339 Rn. 10 und Anh. I, Art. 13 EuInsVO Rn. 10; Pape/Uhländer/Schluck-Amend, InsO, § 339 Rn. 10; HmbKomm -InsO/Undritz, 4. Aufl., Art. 13 EuInsVO Rn. 6; Braun/Tashiro, InsO 5. Aufl., § 339 Rn. 14; Pannen/Dammann, aaO Art. 13 Rn. 11; Hess/ReimannRättig , Insolvenzrecht, 2. Aufl., § 339 Rn. 11; Gottwald/Kolmann, Insolvenzrechtshandbuch , 4. Aufl., § 132 Rn. 83; Mohrbutter/Ringstmeier/Wenner, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., § 20 Rn. 348; Balz, ZIP 1996, 948, 951 Fn. 25; Liersch, NZI 2003, 302, 305). Die Vorschrift schütze nur das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Unangreifbarkeit der Rechtshandlung dem Grunde nach, nicht dagegen in die lediglich als Einrede gestaltete Verjährung (MünchKomm -InsO/Reinhart, aaO). Es handele sich bei den Verjährungsregelungen um verfahrensrechtliche Bestimmungen, für welche die lex fori concursus gelte (vgl. Braun/Tashiro, aaO; HmbKomm-InsO/Undritz, aaO).
- 22
- Einige Vertreter dieser Ansicht nehmen hiervon ausdrücklich Anfechtungsfristen aus; für diese habe wiederum die kumulative Prüfung nach der lex fori concursus und der lex causae zu erfolgen (HK-InsO/Stephan, aaO § 339 Rn. 7; Pape/Uhländer/Schluck-Amend, aaO § 339 Rn. 10; Braun/Tashiro, aaO § 339 Rn. 12). Zugunsten des Anfechtungsgegners soll dann die kürzere der beiden Anfechtungsfristen gelten.
- 23
- bb) Nach einer anderen Meinung sollen alle Normen der lex causae, also auch die Verjährungsregelungen, im Rahmen der Gegenprüfung nach Art. 13 EuInsVO beachtlich sein (Uhlenbruck/Lüer, InsO, 13. Aufl., § 339 Rn. 14, Art. 13 EuInsVO Rn. 11; Paulus, EuInsVO, 4. Aufl., Art. 13 Rn. 9; Gruber in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff, EuInsVO, Art. 13 Rn. 6; Kemper in Kübler/Prütting /Bork, InsO, 2010, Art. 13 EuInsVO Rn. 9; Schmidt/Brinkmann, aaO Art. 13 EuInsVO Rn. 12; Westpfahl/Goetker/Wilkens, Grenzüberschreitende Insolvenzen , Rn. 451 f; Kranemann, Insolvenzanfechtung im deutschen Internationalen Insolvenzrecht und nach der Europäischen Insolvenzrechtsverordnung, S. 145; Cranshaw, jurisPR-InsR 23/2012 Anm. 2 unter II.; Prager/Keller, NZI 2011, 697, 700). Der Wortlaut lasse nicht darauf schließen, dass eine Handlung von Beginn an unanfechtbar gewesen sein müsse (Gruber, aaO). Vielmehr werde durch die Formulierung „in keiner Weise“ deutlich, dass der Verweis auf das Wirkungsstatut umfassend gemeint sei. Die Anfechtungsvorschriften des Insolvenzstatuts müssten in einem solchen Fall hinter der lex causae zurückstehen, weil sich das durch Art. 13 EuInsVO geschützte Vertrauen nicht allein auf das rechtliche Moment einer nicht bestehenden Anfechtbarkeit, sondern auch auf das faktisch-wirtschaftliche Moment des Behaltendürfens beziehe (Paulus, aaO).
- 24
- cc) Für die Auslegung der Bestimmung wird es nicht darauf ankommen, ob die maßgebliche lex causae eine materiellrechtliche Ausschluss- oder Anfechtungsfrist enthält oder ob sie eine Einrede der Verjährung vorsieht, die nach dem Recht einiger Mitgliedstaaten verfahrensrechtlich qualifiziert wird. Die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten haben die Wirkungen eines Zeitablaufs auf bestimmte Vermögensrechte dogmatisch und technisch unterschiedlich geregelt. Ob der Zeitablauf einen Untergang des Anspruchs bewirkt oder eine Einrede begründet, rechtfertigt keine unterschiedliche Anknüpfung (vgl. MünchKomm -BGB/Spellenberg, 5. Aufl., Art. 12 VO (EG) 593/2008, Art. 12 Rn. 106 f). Vielmehr wird eine einheitliche autonome Auslegung des Art. 13 EuInsVO für alle Fristenregelungen nach den nationalen Rechtsordnungen zu suchen sein.
- 25
- Die Auslegung der Norm wird sich zunächst am Wortlaut orientieren müssen, der von einer "in keiner Weise" angreifbaren Handlung spricht. Unklar ist, ob er damit nur die fehlende Angreifbarkeit dem Grunde nach meint, oder ob es ausreicht, dass eine zunächst angreifbare Handlung zwischenzeitlich infolge Fristablaufs unangreifbar geworden ist. Auch aus der Erwägung Nr. 24 zur Verordnung und der darin erwähnten "Vornahme" einer Rechtshandlung kann nicht mit Sicherheit darauf geschlossen werden, dass nur das Vertrauen des Begünstigten zur Zeit der Vornahme der Rechtshandlung geschützt werden sollte. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung könnte zu berücksichtigen sein, dass auch die Annahme des Begünstigten als schützenswert angesehen werden kann, dass er nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr erfolgreich mit einem Herausgabeverlangen konfrontiert werden kann. So wird im erläuternden Bericht betont, dass der Ausdruck "in diesem Falle" bedeute, dass die Rechtshandlung im konkreten Falle, das heißt unter Berücksichtigung aller konkreten Begleitumstände, nicht angreifbar ist (Virgos/Schmit in Stoll, aaO S. 32 ff Nr. 137). Unter solche konkreten Umstände könnte auch der Rechtsverlust infolge Zeitablaufs fallen. Im Übrigen dürfte kein Anlass bestehen, die Verjährungsvorschriften verfahrensrechtlich zu qualifizieren, seitdem Art. 12 Abs. 1 Buchst. d der Rom-I-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 593/2008, ABl. L 177 S. 6) die Verjährung dem materiellen Recht zuordnet (K. Schmidt/Brinkmann, aaO; Prager/Keller, aaO; vgl. auch Ferrari in Ferrari/Kienigner/Mankowski u.a., Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl., Art. 12 Verordnung (EG) 593/2008 Rn. 21; vgl. auch Art. 15 Buchst. h der Rom-II-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 864/2007, ABl. L 199 S. 40)).
- 26
- c) Sollte der Europäische Gerichtshof Art. 13 EuInsVO dahingehend verstehen , dass danach die lex causae die Rechtsfolgen infolge Zeitablaufs ebenfalls regelt, schließt sich die weitere Frage an, ob sich auch die für die Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs im Sinne von Art. 13 EuInsVO beachtlichen Formvorschriften nach der lex causae richten. Das Berufungsgericht hat dies verneint und ist vielmehr davon ausgegangen, dass die Art und Weise der Geltendmachung eines Anfechtungsanspruchs von der lex fori concursus geregelt wird.
- 27
- Während § 43 Abs. 1, Abs. 2 1 östKO vorsieht, dass die Anfechtung binnen eines Jahres ab der Konkurseröffnung durch Klage geltend zu machen ist, kann das Anfechtungsrecht nach deutschem Recht durch Abgabe einer nicht formbedürftigen Willenserklärung ausgeübt werden, die zum Ausdruck bringt, dass der Insolvenzverwalter einen Rückgewähranspruch durchsetzen will (MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rn. 194). Diese Willenserklärung hat zwar als solche auf den Lauf der Verjährungsfrist nach deutschem Recht keinen Einfluss (MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO), könnte aber das Vertrauen auf die Beständigkeit der Zahlung beseitigen, wie das Berufungsgericht gemeint hat. Eine entsprechende Willenserklärung hat der vormalige Insolvenzverwalter vor Ablauf der Jahresfrist durch Schreiben vom 3. Juni 2009 abgegeben, indem er die Anfechtung der Auszahlung des streitgegenständlichen Betrages erklärt hat. Im Streitfall kommt es demnach maßgeblich darauf an, ob die Art und Weise der Geltendmachung des Anfechtungsrechts von der lex causae im Sinne von Art. 13 EuInsVO oder von der lex fori concursus gemäß Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 EuInsVO bestimmt wird.
- 28
- aa) Im Hinblick darauf, dass es sich bei entsprechenden formalen Vorschriften um verfahrensrechtliche Voraussetzungen für die Rechtsdurchsetzung handelt, spricht einiges für die Auffassung des Berufungsgerichts, die Art und Weise der Geltendmachung des Anfechtungsrechts der lex fori concursus zu überlassen (ebenso Paulus, aaO Art. 13 Rn. 9a). Hinzu kommt, dass das von Art. 13 EuInsVO geschützte Vertrauen in die Gültigkeit der nach dem normalerweise anwendbaren nationalen Recht vorgenommenen Rechtshandlung (vgl. Virgos/Schmit, aaO Nr. 138) nur hinsichtlich des Zeitablaufs eines besonderen Schutzes bedarf. Wenn innerhalb einer nach diesem Recht vorgesehenen Frist die Anfechtung - gleich in welcher Form - ausgeübt wurde, ist das Vertrauen des Anfechtungsgegners in die Rechtsbeständigkeit seines Erwerbs nicht mehr gerechtfertigt.
- 29
- bb) Dieser Auffassung wird indes entgegen gehalten, dass die von der lex causae geforderte Klageerhebung als solche zwar eine Verfahrenshandlung sei, dass ihre verjährungshemmende oder -unterbrechende Wirkung jedoch materiellrechtlich zu qualifizieren sei. Daher gelte auch für entsprechende Formvorschriften die lex causae (K. Schmidt/Brinkmann, aaO Art. 13 Rn. 12a; Cranshaw, jurisPR-InsR 23/2012 Anm. 2). Art. 13 EuInsVO setze kein konkret existierendes Vertrauen in die Unanfechtbarkeit des Erwerbs voraus, welche durch die außergerichtliche Geltendmachung eines Anfechtungsanspruchs erschüttert sein könnte, sondern gewährleiste einen abstrakten Vertrauensschutz immer dann, wenn die Rechtshandlung nach der lex causae unangreifbar ist (K. Schmidt/Brinkmann, aaO).
- 30
- cc) Auch die Beantwortung dieser dritten Frage lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus den Erwägungen zur Verordnung entnehmen, sondern kann nur nach dem Sinn und Zweck der Regelungen gefunden werden. Allerdings ist die verjährungshemmende oder -unterbrechende Wirkung einer solchen Prozesshandlung dem materiellen Recht zuzuordnen, auf welches Art. 13 EuInsVO verweist (vgl. MünchKomm-BGB/Spellenberg, aaO Art. 12 Rn. 124). Eine umfassende Anwendung des kumulativ zu prüfenden Wirkungsstatuts auch bezüglich etwaiger Formvorschriften könnte den Vorteil bieten, dass bei der Beurteilung der Angreifbarkeit der Rechtshandlung keine Unsicherheiten entstehen. Eine Aufspaltung, wonach sich die Fristenregelung nach der lex causae, die Art und Weise einer die Frist unterbrechenden oder hemmenden Handlung aber nach der lex fori concursus richtet, könnte in der Praxis zu Schwierigkeiten führen.
Vorinstanzen:
LG Ravensburg, Entscheidung vom 28.09.2011 - 6 O 395/09 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 28.09.2012 - 5 U 17/12 -
(1) Hat ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung eine Sicherung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Schuldners erlangt, so wird diese Sicherung mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam.
(2) Die in Absatz 1 genannte Frist beträgt drei Monate, wenn ein Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 eröffnet wird.
(1) Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse können nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde liegt.
(2) Unberührt bleiben die §§ 878, 892, 893 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, § 3 Abs. 3, §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken, § 5 Abs. 3, §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen und § 20 Abs. 3 der Schiffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
(1) Trifft ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist er dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet. Erfolgt die Verfügung unentgeltlich, so trifft die gleiche Verpflichtung denjenigen, welcher auf Grund der Verfügung unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt.
(2) Wird an einen Nichtberechtigten eine Leistung bewirkt, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist der Nichtberechtigte dem Berechtigten zur Herausgabe des Geleisteten verpflichtet.
(1) Die Verjährung des Anfechtungsanspruchs richtet sich nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch.
(2) Auch wenn der Anfechtungsanspruch verjährt ist, kann der Insolvenzverwalter die Erfüllung einer Leistungspflicht verweigern, die auf einer anfechtbaren Handlung beruht.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.