Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 11. Apr. 2018 - 4 S 2733/17

bei uns veröffentlicht am11.04.2018

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. November 2017 - 2 K 590/16 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 4.791,74 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus den von ihm genannten und nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO allein maßgeblichen Gründen ist die Berufung weder wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats dann gegeben, wenn neben den für die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechenden Umständen gewichtige dagegen sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatsachenfragen bewirken, beziehungsweise wenn der Erfolg des Rechtsmittels, dessen Eröffnung angestrebt wird, zumindest ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg (vgl. Senatsbeschluss vom 25.02.1997 - 4 S 496/97 -, VBlBW 1997, 263). Dies ist bereits dann ausreichend dargelegt, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, VBlBW 2000, 392, und Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77, 83), wobei jedoch alle tragenden Begründungsteile angegriffen werden müssen, wenn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf mehrere jeweils selbständig tragende Erwägungen gestützt ist (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.08.1997 - 7 B 261.97 -, Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26, und Beschluss vom 11.09.2002 - 9 B 61.02 -, Juris). Das Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert dabei eine substantiierte Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung, durch die der Streitstoff entsprechend durchdrungen oder aufbereitet wird. Dies kann regelmäßig nur dadurch erfolgen, dass konkret auf die angegriffene Entscheidung bezogen aufgezeigt wird, was im Einzelnen und warum dies als fehlerhaft erachtet wird. Eine Bezugnahme auf früheren Vortrag genügt dabei regelmäßig nicht (vgl. nur Senatsbeschluss vom 19.05.1998 - 4 S 660/98 -, Juris).
Ausgehend hiervon werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13.11.2017 mit dem Zulassungsvorbringen nicht hervorgerufen. Der Senat ist vielmehr der Überzeugung, dass das Verwaltungsgericht die Klage auf Abgeltung von in den Jahren 2013 und 2014 geleisteten Überstunden im Umfang von 49 Stunden sowie auf Abgeltung von Urlaub für das Jahr 2014 im Umfang von 10 Schichten à 24 Stunden unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für das Personalmanagement bei der Bundeswehr vom 11.12.2014 zu Recht in vollem Umfang abgewiesen hat (§ 113 Abs. 5 VwGO).
a) Der Kläger macht geltend, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils, weil dieses die Besonderheiten des vorliegenden Falls unberücksichtigt gelassen habe. Das Verwaltungsgericht sei einerseits zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Dienstverhältnis des Klägers durch seinen Wechsel zu einem anderen Dienstherrn nicht beendet worden sei. Zum anderen habe es verkannt, dass der Kläger seinen Erholungsurlaub nicht krankheitsbedingt, sondern aufgrund seines Wechsels zu einem anderen Dienstherrn nicht mehr habe in Anspruch nehmen können. Insofern unterscheide sich sein Fall von dem Fall, auf den das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.07.1997 - 2 B 138.96 - abgestellt habe, in dem eine Inanspruchnahme des Urlaubs aus Krankheitsgründen ausgeschieden sei. Auch was die Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG anbelange, habe das Verwaltungsgericht lediglich die vom Europäischen Gerichtshof in der Rs. Schultz-Hoff u. a. (Urteil vom 20.01.2009, Rs. C-350/06 u.a.) vorgenommene Auslegung wiedergegeben, ohne dabei auf den davon abweichenden Fall des Klägers einzugehen. Zwar sei der Kläger, wie es die Vorgaben der Richtlinie 2003/88/EG vorsähen, nicht erkrankt und auch nicht aus dem Grund einer Erkrankung verhindert gewesen, seinen Urlaub zu nehmen. Jedoch sei die Lage, in der er sich bei dem Wechsel zu einem anderen Dienstherrn befunden habe, mit dem in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG geregelten Fall vergleichbar. „Nach entsprechender Anwendung und einer analogen Heranziehung“ des Anspruchs aus Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG bzw. in - vom Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnter - analoger Anwendung des § 10 Abs. 1 der Verordnung über den Erholungsurlaub der Beamtinnen, Beamten und Richterinnen und Richter des Bundes (ErholungsurlaubsverordnungEUrlV) stehe dem Kläger ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung seines Urlaubsanspruchs zu.
b) Dieses Vorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Im Ansatzpunkt zutreffend geht das Verwaltungsgericht zunächst davon aus, dass der Kläger als (vormaliger) Beamter der Beklagten dem sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 2003/88/EG) unterfällt.
Zwar hat das Verwaltungsgericht die Beendigung des Dienstverhältnisses des Klägers i.S.d. Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG unzutreffend verneint. Denn eine Beendigung des Dienstverhältnisses in diesem Sinne kann auch durch einen Dienstherrenwechsel eintreten. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 03.05.2012, Rs. C-337/10 ) ist insoweit allein maßgeblich, dass mit der (dort: krankheitsbedingten) Beendigung des (dort: aktiven) Beamtenverhältnisses keine Dienstleistungspflicht und deshalb auch keine Urlaubsmöglichkeit mehr besteht, wobei er der nationalstaatlichen Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses keine Bedeutung beimisst (so BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 2 C 10/12 -, Juris). Der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses spielt demnach keine Rolle (vgl. EuGH, Urteil vom 20.07.2016, Rs. C-341/15 , NZA 2016, 1067). Im vorliegenden Fall wurde das Dienstverhältnis zwar nicht durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand beendet, sondern durch einen freiwilligen Dienstherrenwechsel des Klägers. Jedoch bestand nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst des Beklagten ebenfalls keine Dienstleistungspflicht des Klägers für den Beklagten mehr und dementsprechend auch keine Möglichkeit, tatsächlich bezahlten Jahresurlaub zu nehmen.
Jedoch liegen - wovon das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung und auch der Kläger im Rahmen seines Zulassungsvorbringens zurecht ausgehen - die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG und des § 10 Abs. 1 EUrlV mangels Krankheit bzw. vorübergehender Dienstunfähigkeit des Klägers unstreitig nicht vor. Diese (im Falle des Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG ungeschriebene) Tatbestandsvoraussetzung ist jedoch zwingend für einen Anspruch auf finanzielle Abgeltung für bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in Anspruch genommenen bezahlten Mindestjahresurlaubs, denn nach Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck sowie Regelungskontext dienen die in der RL 2003/88/EG getroffenen Normen primär dazu, die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen (vgl. zur Vorgängerregelung: EuGH, Urteil vom 12.11.1996, Rs. C-84/94 ). Dies ergibt sich bereits aus dem ersten Erwägungsgrund der RL 2003/88/EG, die - wie schon die Vorgängerregelungen in der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23.11.1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 93/104/EG) - „Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung“ u. a. im Hinblick auf den Jahresurlaub enthält. Ausweislich ihres sechsten Erwägungsgrundes trägt die RL 2003/88/EG - wie auch schon die RL 93/104/EG - hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation Rechnung. Nach Art. 5 Nr. 4 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24.06.1970 über den bezahlten Jahresurlaub (Neufassung 1970) sind „Arbeitsverhältnisse aus Gründen, die unabhängig vom Willen des beteiligten Arbeitsnehmers bestehen, wie z. B. Krankheit, Unfall oder Mutterschaft, als Dienstzeit anzurechnen“ (vgl. hierzu auch EuGH, Urteil vom 20.01.2009, Rs. C-350/06 u.a. ). Dementsprechend legt Art. 1 der RL 2003/88/EG zum Anwendungsbereich und Gegenstand fest, dass die Richtlinie (nur) „Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung“ enthält (Abs. 1), und zwar u. a. hinsichtlich des Mindestjahresurlaubs (Abs. 2 lit. a). Hinzu kommt, dass die RL 2003/88/EG auf Art. 137 EGV gestützt war (vgl. Art. 153 AEUV seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon), nach dessen Abs. 1 die EU die Tätigkeiten der Mitgliedstaaten zur Verwirklichung der Ziele auf dem Gebiet der Verbesserung insbesondere der Arbeitsumwelt zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer (Spiegelstrich 1) unterstützt und ergänzt. Gleiches gilt für die Vorgängerregelung in der RL 93/104/EG, die auf den damaligen Art. 118a EWG-Vertrag gestützt war, nach dessen Abs. 1 sich „die Mitgliedstaaten bemühen, die Verbesserung der Arbeitsumwelt zu fördern, um die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitsnehmer zu schützen“. Hiernach ist mit dem EuGH in der Rechtssache Vereinigtes Königreich/Rat (Urteil vom 12.11.1996, Rs. C-84/94) davon auszugehen, dass die Regelungen der RL 93/104/EG - mit Ausnahme von dessen Art. 5 Abs. 2, der eine Bestimmung über Sonntagsarbeit enthielt und vom EuGH für nichtig erklärt wurde, weil er sich mangels „engeren Zusammenhangs mit der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer“ nicht auf die Rechtsgrundlage des Art. 118a EWG-Vertrag stützen ließ - auf Grundlage der Rechtssetzungskompetenz der EU auf dem Gebiet des Sozialrechts erlassen werden konnten (vgl. dazu auch Seifert, in: Schultze/Zulegg/Kadelbach, Europarecht, 3. Aufl. 2015, § 39 Rn. 125).
Entgegen der Auffassung des Klägers kommt eine analoge Anwendung des Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG jedoch nicht in Betracht. Zwar stünde der versorgungsrechtliche Gesetzesvorbehalt nach § 3 Abs. 1 BeamtVG der unmittelbaren Anwendung des Unionsrechts nicht entgegen, denn dieser Gesetzesvorbehalt nimmt nicht an den Verfassungsgrundsätzen teil, die den Anwendungsvorrang des Unionsrechts in Frage stellen können (vgl. Senatsurteil vom 17.12.2015 - 4 S 1211/14 -, Juris, m.w.N.). Jedoch fehlt es bereits an der für eine Analogie erforderlichen Voraussetzung des Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke. Eine solche setzt voraus, dass der Anwendungsbereich der Norm wegen eines versehentlichen, mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig ist. Die Lücke darf von den Gerichten im Wege der Analogie geschlossen werden, wenn sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er diesen bedacht hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.03.2014 - 2 C 2.13 -, Juris, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind, wie aufgezeigt, hier nicht gegeben. Zum einen hätte der EU insoweit die Rechtssetzungskompetenz gefehlt, denn sowohl Art. 118a EWG-Vertrag als auch Art. 137 EGV beschränkten sich auf Maßnahmen der Sozialpolitik zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer; darüberhinausgehende sozialpolitische Maßnahmen blieben den Mitgliedsstaaten vorbehalten (so auch BVerwG, Beschluss vom 01.07.2014 - 2 B 39.13 -, Juris). Zum anderen ergibt sich aus den bereits genannten Erwägungsgründen der Richtlinien 93/104/EG und 2003/88/EG, dass bewusst nur Mindestregelungen für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung geschaffen werden sollten, und zwar soweit sie unabhängig vom Willen des beteiligten Arbeitsnehmers bestehen (vgl. insoweit den sechsten Erwägungsgrund i.V.m. Art. 5 Nr. 4 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24.06.1970 über den bezahlten Jahresurlaub). Davon, dass der Anspruch auf finanzielle Vergütung nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG nur denjenigen Arbeitsnehmern zusteht, die krankheitsbedingt und mithin aus von ihrem Willen unabhängigen Gründen nicht in der Lage waren, ihren Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses auszuüben, geht im Übrigen auch der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache Schultz-Hoff u. a. (Urteil vom 20.01.2009, Rs. C-350/06 u.a.) und ihm folgend das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 31.01.2013 - 2 C 10.12 -, Juris) aus. Dem schließt sich der Senat an (vgl. schon Senatsbeschluss vom 08.09.2016 - 4 S 724/16 -).
Dem Wechsel des Dienstherrn ging ein Willensentschluss des Klägers voraus; das bevorstehende Dienstende bei dem Beklagten war daher für den Kläger vorhersehbar. Es handelt sich mithin um keinen Fall, in dem der Mindestjahresurlaub aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht genommen werden konnte, so dass ein Anspruch des Klägers aus Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG sowohl in unmittelbarer als auch in analoger Anwendung ausscheidet, zumal weder dargelegt noch sonst ersichtlich ist, dass der Kläger rechtzeitig vor seinem Dienstende beim Beklagten einen Urlaubsantrag für die Zeit vor seinem Ausscheiden gestellt hat. Sein unter dem 07.10.2014 gestellter Urlaubsantrag vom 09.10.2014 bezog sich auf einen Zeitraum (04.11.2014 bis 05.12.2014), in dem er bereits bei seinem neuen Dienstherrn beschäftigt war (ab 01.11.2014).
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Dem Kläger steht auch nach nationalem Recht kein Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2014 zu, denn es gab für Beamte keine normativen Regelungen des deutschen Rechts, die einen solchen Anspruch vor dem 14.03.2015 begründeten. Die Vorschrift des § 10 EUrlV in der Fassung vom 06.03.2015, die nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen eine Abgeltung des durch das Recht der Europäischen Union gewährten Mindestjahresurlaubs vorsieht, ist erst am 14.03.2015 in Kraft getreten und daher auf den vorliegenden Fall weder unmittelbar noch analog anwendbar (vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 25.11.2015 - 6 ZB 15.2167 -, Juris).
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c) Soweit der Kläger darüber hinaus ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung hinsichtlich der Verneinung eines Anspruchs auf Abgeltung geleisteter Mehrarbeit geltend macht, dringt er damit ebenfalls nicht durch. Denn unabhängig davon, ob der Kläger - was zwischen den Beteiligten streitig ist - tatsächlich vom Dienstherrn angeordnete Mehrarbeit geleistet hat, setzt sich das Zulassungsvorbringen bereits nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügend mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung auseinander, wonach ein entsprechender Anspruch bereits deshalb ausscheide, weil es an der erforderlichen (deutschen) Rechtsgrundlage fehle und eine analoge Anwendung des Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG jedenfalls deshalb ausscheide, weil sich die Richtlinie nur auf Urlaub und nicht auch auf Mehrarbeit beziehe. Die schlichte, nicht näher begründete und belegte Behauptung, der Anspruch des Klägers auf Abgeltung der geleisteten Mehrarbeit ergebe sich „aus § 88 Satz 4 BBG, § 48 BbesG i.V.m. der Bundesmehrarbeitsvergütung und darüber hinaus aus einer analogen Anwendung des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG“ stellt weder eine substantiierte Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung, durch die der Streitstoff entsprechend durchdrungen oder aufbereitet wird, dar noch stellt sie den vom Verwaltungsgericht aufgestellten und begründeten tragenden Rechtssatz mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Unabhängig davon ist aber bereits höchstrichterlich geklärt, dass nicht durch Freizeitausgleich ausgeglichene Überstunden oder Mehrarbeit keinen Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG auslösen können, weil es sich dabei um keinen Urlaub handelt und der deutsche Gesetzgeber insoweit keine über die europarechtlichen Mindestvorschriften hinausgehenden Regelungen geschaffen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.07.2014 - 2 B 39.13 -, Juris). Vorliegend kommt hinzu, dass - worauf bereits hinsichtlich des Urlaubs hingewiesen wurde - der Kläger nicht krankheitsbedingt oder aus anderen von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht in der Lage war, in etwa geleistete Mehrarbeit durch Freizeit auszugleichen, sondern weil er seinen Dienstherrn gewechselt hat. Der Kläger hat weder dargetan noch ist sonst wie ersichtlich ist, dass er bei der Beklagten rechtzeitig einen Antrag auf Freizeitausgleich gestellt hat.
12 
2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, denn diese ist vorliegend nicht gegeben. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur zu, wenn das erstrebte weitere Gerichtsverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechtsfragen oder im Bereich der Tatsachenfragen nicht geklärten Fragen mit über den Einzelfall hinausreichender Tragweite beitragen könnte, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts höhergerichtlicher Klärung bedürfen. Die Darlegung dieser Voraussetzungen verlangt vom Zulassungsantragsteller, dass er unter Durchdringung des Streitstoffs eine konkrete Rechtsfrage aufwirft, die für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund gibt, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll (vgl. Senatsbeschluss vom 05.06.1997 - 4 S 1050/97 -, VBlBW 1997, 420, m. w. N.).
13 
Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Denn die Beantwortung der vom Kläger sinngemäß aufgeworfenen Rechtsfragen,
14 
ob einem Beamten bei einem Wechsel zu einem anderen Dienstherrn ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung
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- hinsichtlich nicht genommenen Erholungsurlaubs sowie
- hinsichtlich geleisteter Mehrarbeit
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zusteht,
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lässt sich nach dem oben unter 1. Gesagten ohne Weiteres aus dem Gesetz bzw. der Richtlinie 2003/88/EG und der dazu ergangenen Rechtsprechung von EuGH und BVerwG beantworten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
19 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.
20 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

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(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

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(1) Soweit der Erholungsurlaub in Höhe des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruchs (Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2003/88/EG) vor Beendigung des Beamtenverhältnisses wegen vorübergehender Dienstunfähigkeit nicht genommen worden is

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Tatbestand 1 Der Kläger erstrebt eine finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Urlaub.

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(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Soweit der Erholungsurlaub in Höhe des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruchs (Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2003/88/EG) vor Beendigung des Beamtenverhältnisses wegen vorübergehender Dienstunfähigkeit nicht genommen worden ist, wird er abgegolten.

(2) Im Urlaubsjahr bereits genommener Erholungsurlaub oder Zusatzurlaub ist auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruch (Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2003/88/EG) anzurechnen, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch entstanden ist.

(3) Die Höhe des Abgeltungsbetrages bemisst sich nach dem Durchschnitt der Bruttobesoldung für die letzten drei Monate vor Beendigung des Beamtenverhältnisses. Bruttobesoldung sind die Dienstbezüge (§ 1 Absatz 2 des Bundesbesoldungsgesetzes), die während eines Erholungsurlaubs weitergezahlt worden wären.

(4) Der Abgeltungsanspruch verjährt innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren, beginnend mit dem Ende des Urlaubsjahres, in dem das Beamtenverhältnis beendet wird.

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt eine finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Urlaub.

2

Der 1953 geborene Kläger stand zuletzt als Polizeihauptkommissar im Dienst des beklagten Landes. Er war ab Anfang Juli 2007 ununterbrochen erkrankt. Mit Wirkung vom 1. August 2008 hat ihn der Beklagte wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

3

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab, ihm eine Vergütung für insgesamt 62 Urlaubstage zu zahlen, die er in den Jahren 2007 und 2008 wegen seiner Erkrankung nicht hatte antreten können. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

4

In dem Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts heißt es: Der Kläger habe keinen Urlaubsabgeltungsanspruch nach Bundes- oder Landesrecht. Auch Unionsrecht begründe für Beamte in Deutschland einen solchen Anspruch nicht, denn Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sei bei der nach Art. 15 RL 2003/88/EG gebotenen Vergleichsbetrachtung des Unionsrechts und des Beamtenrechts unanwendbar: Beamte seien im Krankheitsfall erheblich besser abgesichert als andere Beschäftigte, weil sie die vollen Dienstbezüge zeitlich unbegrenzt erhielten und das Beamtenverhältnis nicht wegen Krankheit beendet werden könne.

5

Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. März 2010 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Juli 2009 sowie den Bescheid des Polizeipräsidiums ... vom 13. Juni 2008 und dessen Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm für insgesamt 62 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage der Jahre 2007 und 2008 eine finanzielle Abgeltung in Höhe der durchschnittlichen Besoldung der letzten drei Monate vor seinem Eintritt in den Ruhestand zu gewähren.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Abweisung der Klage stellt sich aus anderen Gründen zum Teil als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

8

1. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass dem Kläger aus nationalem Recht kein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht. Es gibt für Beamte keine normativen Regelungen, die einen solchen Anspruch begründen. Das gilt auch für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Zu Unrecht beruft sich der Kläger insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar angenommen, dass der Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ebenso wie der gesetzliche Mindesturlaub aus den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist, wenn der Zusatzurlaub nicht gewährt werden kann, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war (Urteil vom 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - BAGE 134, 1 ff.; vgl. auch Urteil vom 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - NZA 2012, 514 ff.). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Beamte übertragen werden. Das vom Bundesarbeitsgericht herangezogene Bundesurlaubsgesetz, das in § 7 Abs. 4 eine Urlaubsabgeltung vorsieht, ist auf Beamte nicht anwendbar; deren Ansprüche auf Urlaub und Besoldung richten sich nach den jeweiligen beamtenrechtlichen Gesetzen und Verordnungen, die bislang einen Urlaubsabgeltungsanspruch gerade nicht vorsehen.

9

2. Dem Kläger steht aber nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 2003/88/EG) ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung seines unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs von vier Wochen Erholungsurlaub zu. Einen darüber hinausgehenden Anspruch aus Unionsrecht auf Abgeltung von sich aus nationalem Recht ergebenden weiteren Erholungsurlaubstagen, von sog. Arbeitszeitverkürzungstagen und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat er hingegen nicht.

10

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Abgeltung von bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub hergeleitet und auch Voraussetzungen, Umfang und Grenzen dieses Anspruchs bestimmt. Diese Auslegung des Unionsrechts ist für die nationalen Gerichte und damit auch für das Bundesverwaltungsgericht bindend (Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV).

11

a) Es ist in der Rechtsprechung des EuGH seit langem geklärt, dass auch Beamte Arbeitnehmer im Sinne der RL 2003/88/EG sind. Das gilt grundsätzlich auch für Polizisten, die insoweit mit Feuerwehrleuten vergleichbar sind, für die der EuGH mehrfach ausgesprochen hat, dass sie der Arbeitszeitrichtlinie unterfallen (EuGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 - Rs. C-52/04 - Slg. 2005, I-7111 Rn. 57 ff.; Urteil vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10, Neidel - ABl EU 2012, Nr. C 174 S. 4 = NVwZ 2012, 688 Rn. 22). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (vgl. etwa Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 20 ff. ) und hat auch für Polizisten bereits darauf hingewiesen, dass Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG, auf den Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG zur Bestimmung ihres Anwendungsbereichs Bezug nimmt, nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen ist und nicht etwa Streitkräfte, Feuerwehr oder Polizei generell, sondern nur für bestimmte in diesen Sektoren wahrgenommene besondere Aufgaben wie etwa bei Natur- oder Technologiekatastrophen und schweren Unglücksfällen von der Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie ausnimmt (Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buchholz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 20).

12

b) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand (vgl. § 21 Nr. 4 Beamtenstatusgesetz, § 30 Nr. 4 BBG) eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG. Dem Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.) ist zu entnehmen, dass der EuGH der konkreten nationalstaatlichen Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses keine Bedeutung beimisst, sondern für allein maßgeblich hält, dass mit der krankheitsbedingten Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses keine Dienstleistungspflicht und deshalb auch keine Urlaubsmöglichkeit mehr besteht. Deshalb ist es unionsrechtlich ohne Bedeutung, dass sich nach deutschem Beamtenrecht an das (aktive) Beamtenverhältnis ein Ruhestandsbeamtenverhältnis anschließt.

13

c) Entgegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts hindert Art. 15 RL 2003/88/EG die Anwendung von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bei deutschen Beamten nicht.

14

Nach Art. 15 RL 2003/88/EG bleibt u.a. das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Der EuGH hat bereits zu der insoweit wortgleichen Vorgängerrichtlinie RL 93/104/EG entschieden, dass unabhängig von günstigeren nationalstaatlichen Regelungen die praktische Wirksamkeit der durch die Arbeitszeitrichtlinie verliehenen Rechte in vollem Umfang gewährleistet werden müsse, was notwendig die Verpflichtung impliziere, die Einhaltung jeder der in dieser Richtlinie aufgestellten Mindestvorschriften zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 - Rs. C-14/04, Dellas - Slg. 2005, I-10253 Rn. 53).

15

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 15 RL 2003/88/EG somit eine Meistbegünstigungsklausel, die nur den Einzelvergleich, nicht aber die vom Berufungsgericht angestellte strukturelle Gesamtbetrachtung zulässt. Er schließt damit eine Anwendung des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG nur dann aus, wenn die mitgliedstaatlichen Regelungen über die Abgeltung krankheitsbedingt nicht genommenen Erholungsurlaubs bei Beendigung der Berufstätigkeit über den von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gewährleisteten Mindeststandard hinausgehen. Das ist aber bei deutschen Beamten nicht der Fall, weil sie gerade - wovon auch das Oberverwaltungsgericht ausgeht - nach nationalem Recht mangels entsprechender gesetzlicher Regelung keinen Urlaubsabgeltungsanspruch haben, also auch dann nicht, wenn sie Erholungsurlaub krankheitsbedingt nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand nehmen können. Auf die vom Berufungsgericht herangezogenen, für die Beamten günstigeren Regelungen im Falle der zur dauernden Dienstunfähigkeit führenden Krankheit im Vergleich zu den Regelungen für andere Beschäftigte in Deutschland kommt es deshalb nicht an.

16

Bestätigt wird dies durch das Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.). Der EuGH hat den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ausdrücklich auf Beamte erstreckt, obwohl das Vorlagegericht die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts ausführlich dargestellt hatte.

17

d) Der Urlaubsabgeltungsanspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Beschäftigte im Urlaubsjahr teilweise arbeits- bzw. dienstfähig war, in dieser Zeit den Urlaub aber nicht oder nicht vollständig genommen hat. Das gilt sowohl für das Jahr, in dem die längerfristige Dienstunfähigkeit beginnt, als auch für das Jahr oder für die Jahre, in dem oder in denen der Betreffende vorübergehend wieder dienstfähig war. In beiden Fällen kann der Beschäftigte krankheitsbedingt und damit unabhängig von seinem Willensentschluss den ihm zustehenden (Mindest)Urlaub nach Eintritt in den Ruhestand nicht mehr nehmen. Aus der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88 EG gibt es keine Anhaltspunkte für eine andere Auslegung dieser Bestimmung.

18

e) Der Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ist allerdings auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ergebenden vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr beschränkt. Der EuGH hat im Urteil vom 3. Mai 2012 (a.a.O. Rn. 35 ff.) hervorgehoben, dass die Arbeitszeitrichtlinie sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz beschränkt; es sei Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den Beamten weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren sowie ob und unter welchen Voraussetzungen sie eine finanzielle Vergütung für den Fall vorsehen, dass einem in den Ruhestand tretenden Beamten diese zusätzlichen Ansprüche krankheitsbedingt nicht haben zugute kommen können. Deshalb sind Urlaubstage, die über den nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG unionsrechtlich gewährleisten Mindesturlaub hinausgehen, nicht vom Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erfasst.

19

Das gilt auch für sog. Arbeitszeitverkürzungstage, die der Sache nach zusätzliche Erholungsurlaubstage sind, und für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Auch eine Privilegierung für Urlaub nach nationalem Recht, wonach einem Beschäftigten bei einem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst etwa im Laufe der zweiten Jahreshälfte der Jahresurlaub ungeschmälert zusteht, schlägt nicht auf die unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche nach Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG durch. Dies folgt aus dem Charakter dieser Ansprüche als Mindeststandard und findet außerdem einen normativen Anhaltspunkt in Art. 4 Abs. 1 und Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub. Danach ist der Urlaubsanspruch "im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit während dieses Jahres" gegeben; nach dem sechsten Erwägungsgrund der RL 2003/88/EG hat diese Richtlinie den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeit Rechnung getragen.

20

f) Der Urlaubsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG verfällt, wenn er über einen zu langen Zeitraum nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres nicht genommen wird. Wenn der Übertragungszeitraum eine gewisse zeitliche Grenze überschreitet, kann der Urlaub seinen Zweck als Erholungszeit typischerweise nicht mehr erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - Rs. C-214/10, KHS - NJW 2012, 290 Rn. 33). Mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs ist die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs ausgeschlossen.

21

Ein Verfall des Urlaubsanspruchs mit Auswirkungen auf den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch tritt zum einen dann ein, wenn nationalstaatlich ein hinreichend langer Übertragungszeitraum geregelt ist und dieser abgelaufen ist. Hinreichend lang ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein Übertragungszeitraum, wenn er deutlich länger als das Urlaubsjahr, also deutlich länger als ein Jahr ist; ein Übertragungszeitraum muss den Beschäftigten, die während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeits- bzw. dienstunfähig sind, ermöglichen, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant sowie verfügbar sein können, und er muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten (EuGH, Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41). Einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten hat der EuGH gebilligt (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 40 ff.).

22

Gibt es keine ausreichend langen nationalstaatlichen Verfallsregelungen, dann tritt auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH ein Verfall des Urlaubsanspruches 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein. Der EuGH leitet aus dem Umstand, dass die RL 2003/88/EG nach ihrem sechsten Erwägungsgrund den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen hat, her, dass bei der Berechnung des Übertragungszeitraums der Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub, wie er sich aus Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub ergibt, berücksichtigt werden muss. Nach Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens ist der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen. Diese Vorschrift beruht nach der Rechtsprechung des EuGH auf der Erwägung, dass der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der dort vorgesehenen Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41 f.). Das rechtfertigt die Annahme, dass der Urlaubsanspruch 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt.

23

g) Bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat.

24

h) Bei der Berechnung des Betrags, der dem Beamten für jeden nicht genommenen Urlaubstag als Urlaubsabgeltung zusteht, ist auf die Besoldung abzustellen, die der Beamte in den letzten drei Monaten vor Eintritt in den Ruhestand erhalten hat.

25

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Anknüpfungspunkt für die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG das gewöhnliche Arbeitsentgelt. Dies ist bei Beamten die Besoldung (vgl. § 1 Abs. 2 BBesG; EuGH, Urteil vom 20. Januar 2009 - Rs. C-350/06 und 520/06, Schultz-Hoff - Slg. 2009, I-179 Rn. 61). Der Beschäftigte soll also dasjenige bekommen, was er bekommen hätte, wenn er den Urlaub während seiner aktiven Dienstzeit genommen hätte. Das ist im Falle eines Beamten die Besoldung, die während des Urlaubs weitergezahlt worden wäre. Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 RL 2003/88/EG ist angesichts der Rechtsprechung des EuGH unerheblich, dass die Besoldung Alimentationscharakter hat und daher während der Krankheit zeitlich unbegrenzt weitergezahlt wird.

26

Im Hinblick darauf, dass die finanzielle Abgeltung nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erst nach der "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" gezahlt werden darf und der während der Krankheit aufgelaufene, nicht verjährte Mindestjahresurlaub im Fall der Gesundung noch hätte genommen werden dürfen, die finanzielle Abgeltung des Urlaubs mithin erst am Ende der aktiven Dienstzeit eintritt, ist auf die Besoldung vor dem Eintritt in den Ruhestand abzustellen. Dabei erscheint es sachgerecht, auf die letzten drei Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand als hinreichend langen Referenzzeitraum (vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - Rs. C-155/10, Williams - ABl EU 2011 Nr. C 319, 7 Rn. 21 ff.), abzustellen, um die Auswirkungen zufälliger Schwankungen der Besoldung zu verringern.

27

i) Ein Antragserfordernis für den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG besteht nicht. Ein Antragserfordernis wäre mit dem Effektivitätsgrundsatz des Unionsrechts nicht vereinbar. Das hat der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167) für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit entschieden (Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 25 ). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

28

j) Der unionsrechtliche Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren, § 195 BGB, die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, § 199 Abs. 1 BGB.

29

Der EuGH hat mehrfach ausgesprochen, dass die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, soweit gemeinschaftsrechtliche Regelungen nicht vorhanden sind. Allerdings dürfen die Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein als bei nur innerstaatliches Recht betreffenden Verfahren (Äquivalenzgrundsatz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Zum Effektivitätsgrundsatz hat der EuGH entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. EuGH, Urteile vom 17. November 1998 - Rs. C-228/96, Aprile - Slg. 1998, I-7164 Rn. 19 und vom 11. Juli 2002 - Rs. C-62/00, Marks & Spencer - Slg. 2002, I-6348 Rn. 35, jeweils m.w.N.). Auch der Senat bejaht die Möglichkeit der Verjährung bei sich aus Unionsrecht ergebenden Ansprüchen und hat beispielsweise für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren angenommen (Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 41 f.). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

30

k) Nach der Rechtsprechung des EuGH kann der Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmten Maßgaben unmittelbar aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend machen.

31

Richtlinien bedürfen zwar grundsätzlich der Umsetzung durch den dafür zuständigen nationalen Gesetzgeber, um innerstaatliche Verbindlichkeit für den Bürger zu erlangen. Für den Fall der nicht fristgerechten oder unvollständigen Umsetzung einer Richtlinie durch den Mitgliedstaat hat nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH der Einzelne das Recht, sich vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat trotz entgegenstehendem nationalen Recht auf durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtungen zu berufen, wenn diese klar und unbedingt sind und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsakts mehr bedürfen (stRspr; EuGH, Urteile vom 5. Oktober 2004 - Rs. C-397/01, Pfeiffer - Slg. 2004, I-08835 Rn. 103 m.w.N. und vom 24. Januar 2012 - Rs. C-282/10, Dominguez - ABl EU 2012, Nr. C 73, 2 Rn. 33; BVerfG, Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 687/85 - BVerfGE 75, 223 <239 ff.>). Bei einer nicht fristgerechten Umsetzung einer Richtlinie sind Behörden und Gerichte aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes nationales Recht unangewendet zu lassen (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 19).

32

Diese Voraussetzungen hat der EuGH für Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bejaht. Nach der bindenden Rechtsprechung des EuGH räumt diese Norm allen Beschäftigten, d.h. auch Beamten unter den dargelegten Voraussetzungen Urlaubsabgeltungsansprüche ein, die die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht verankern müssen. Solange sie diese Umsetzungspflicht nicht erfüllen, stellt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG die unmittelbare Anspruchsgrundlage dar.

33

3. In Anwendung dieser Grundsätze gilt für den Kläger Folgendes:

34

Für das Jahr 2007 standen dem Kläger bei einem Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG und einer 5-Tage-Woche 20 Urlaubstage zu. In diesem Jahr hat der Kläger sieben Urlaubstage und den sog. Arbeitszeitverkürzungstag nach der Arbeitszeitverordnung RP genommen. Eine Freistellung nach der Arbeitszeitverordnung steht funktional einem Urlaubstag nach der Urlaubsverordnung (UrlVO RP) gleich. Deshalb ist sie im Rahmen des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG wie ein Urlaubstag zu behandeln. Damit hat der Kläger acht Urlaubstage genommen und standen ihm für 2007 noch 12 Tage Mindesturlaub zu.

35

Für das Jahr 2008 standen dem Kläger 20 Mindesturlaubstage zu. In diesem Jahr ist er aber zum Ende des Monats Juli in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Deshalb stand ihm der unionsrechtliche Mindesturlaub nur anteilig, d.h. für 11 2/3 Urlaubstage zu; die Privilegierung des § 9 Satz 3 UrlVO RP, wonach der Jahresurlaub voll gewährt wird, wenn der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in der zweiten Jahreshälfte in den Ruhestand versetzt wird, erstreckt sich nicht auf den unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 RL 2003/88/EG. Der Bruchteil eines Urlaubstages ist in die Urlaubsentgeltberechnung einzubeziehen. Die Heranziehung einer nationalstaatlichen Regelung, wonach ein bei der Urlaubsberechnung verbleibender Teil eines Tages als Guthaben auf die Arbeitszeit angerechnet wird (vgl. § 8 Abs. 6 UrlVO RP), kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil Urlaubsabgeltung voraussetzt, dass der Beamte nicht mehr im Dienst ist, so dass mangels Arbeitspflicht auch eine Anrechnung auf ein Arbeitszeitguthaben nicht möglich ist.

36

Insgesamt steht dem Kläger deshalb ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 23 2/3 Tage zu, der auf der Basis der Besoldung der letzten drei Monate vor Eintritt in den Ruhestand zu berechnen ist.

37

Im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Anrechnung der Urlaubsabgeltung bei den Versorgungsbezügen nach den Regelungen des Vorteilsausgleichs, § 53 BeamtVG, nicht in Betracht kommt.

(1) Soweit der Erholungsurlaub in Höhe des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruchs (Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2003/88/EG) vor Beendigung des Beamtenverhältnisses wegen vorübergehender Dienstunfähigkeit nicht genommen worden ist, wird er abgegolten.

(2) Im Urlaubsjahr bereits genommener Erholungsurlaub oder Zusatzurlaub ist auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruch (Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2003/88/EG) anzurechnen, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch entstanden ist.

(3) Die Höhe des Abgeltungsbetrages bemisst sich nach dem Durchschnitt der Bruttobesoldung für die letzten drei Monate vor Beendigung des Beamtenverhältnisses. Bruttobesoldung sind die Dienstbezüge (§ 1 Absatz 2 des Bundesbesoldungsgesetzes), die während eines Erholungsurlaubs weitergezahlt worden wären.

(4) Der Abgeltungsanspruch verjährt innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren, beginnend mit dem Ende des Urlaubsjahres, in dem das Beamtenverhältnis beendet wird.

(1) Die Versorgung der Beamten und ihrer Hinterbliebenen wird durch Gesetz geregelt.

(2) Zusicherungen, Vereinbarungen und Vergleiche, die dem Beamten eine höhere als die ihm gesetzlich zustehende Versorgung verschaffen sollen, sind unwirksam. Das Gleiche gilt für Versicherungsverträge, die zu diesem Zweck abgeschlossen werden.

(3) Auf die gesetzlich zustehende Versorgung kann weder ganz noch teilweise verzichtet werden.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 20. Mai 2014 - 1 K 123/12 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt gefasst wird:

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung eines weiteren Jahres ruhegehaltfähiger Dienstzeit in der Zeit bis zum 31.12.1991 für die vor Vollendung des 17. Lebensjahres verbrachte Ausbildungszeit in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Der Bescheid der Deutschen Telekom AG vom 15. Dezember 2010 und ihr Widerspruchsbescheid vom 18.01.2012 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Berücksichtigung von vor dem 17. Lebensjahr verbrachter Ausbildungszeit als ruhegehaltfähige Dienstzeit nach dem Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG).
Der am … 1955 geborene Kläger trat nach dem Besuch der Volksschule im Alter von 14 Jahren am 01.09.1970 als Fernmeldelehrling in einem Ausbildungsverhältnis bei der damaligen Deutschen Bundespost in den Dienst der Beklagten ein. Nach am 12.07.1973 bestandener Prüfung zum Fernmeldehandwerker und am 07.09.1977 abgelegter Prüfung zum mittleren fernmeldetechnischem Dienst wurde er zum 01.10.1977 in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen und am 26.10.1982 zum Beamten auf Lebenszeit ernannt. Er absolvierte im Jahr 2002 den Aufstieg in den gehobenen Dienst und bekleidete zuletzt das Amt eines Technischen Fernmeldeamtmanns (Bes.-Gr. A 11). Mit Ablauf des 31.10.2010 wurde er antragsgemäß in den Ruhestand versetzt.
Mit Bescheid vom 15.12.2010 setzte die Deutsche Telekom AG - Personal Service Telekom - die Versorgungsbezüge des Klägers ab dem 01.11.2010 auf 2.751,41 EUR (brutto) fest. Zur Begründung führte sie u.a. aus, der Festsetzung liege ein gemäß § 85 Abs. 1 BeamtVG errechneter Ruhegehaltsatz in Höhe von 71,83 v.H. zugrunde. Dieser setze sich aus einem Ruhegehaltsatz in Höhe von 53,00 v.H. für die ruhegehaltfähigen Dienstzeiten vom 26.10.1972 - dem Tag der Vollendung des 17. Lebensjahres des Klägers - bis zum 31.12.1991 und einem Ruhegehaltsatz in Höhe von 18,83 v.H. für die ruhegehaltfähigen Dienstzeiten ab dem 01.01.1992 zusammen. Die Dienstzeit vom 26.10.1972 bis zum 31.12.1991 umfasse 19 Jahre und 67 Tage; davon seien gemäß § 14 Abs. 1 BeamtVG (in der am 31.12.1991 geltenden Fassung vom 30.06.1989, BGBl. I S. 1282) abgerundet 19 Jahre ruhegehaltfähig. Die Ausbildungszeiten, die der Kläger vor der Vollendung seines 17. Lebensjahres absolviert hatte, wurden bei der Festsetzung seiner Versorgungsbezüge nicht berücksichtigt.
Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Die Zusammenstellung der ruhegehaltfähigen Zeiten ab dem 01.01.1992 sei zwar nicht zu beanstanden. Bei der Berechnung der Zeiten bis zum 31.12.1991 liege aber eine unzulässige Ungleichbehandlung vor, weil eine willkürliche Grenze ab dem 17. Lebensjahr gezogen werde. Das könne er am Beispiel eines Kollegen zeigen, der zeitgleich mit ihm die Ausbildung angefangen habe und wie er in den Vorruhestand getreten sei, aber das Glück habe, (bereits) im März 1955 geboren zu sein. Die Zeit vor der Vollendung seines 17. Geburtstages bis zum 31.12.2010 umfasse bei ihm insgesamt 19 Jahre und 281 Tage, was aufgrund der gesetzlichen Rundungsregelung (aus § 14 Abs. 1 BeamtVG a.F.) auf 20 volle Dienstjahre aufgerundet werde. Infolgedessen habe dieser Kollege bei gleicher Beschäftigungszeit ein um 2 Prozent höheres Grundgehalt (gemeint: Ruhegehalt) als er. Es bestünden verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dem zugrunde liegenden Vorschriften, ferner „auch bezüglich weiterer Regelungen im Beamtenversorgungsgesetz (z.B. [§] 6, [§] 12, [§] 85).“
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2012 wies die Deutschen Telekom AG - Personal Service Telekom - den Widerspruch zurück. Die Berechnung des Ruhegehalts stehe in Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen. Sofern der Kläger eine Anerkennung von Zeiten vor dem 17. Lebensjahr begehre, werde auf den eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 1 BeamtVG verwiesen, dessen Verfassungsmäßigkeit nicht in Frage stehe. Der Verweis des Klägers auf den „Vergleichsbeamten“ gehe zudem fehl. Da dieser das 17. Lebensjahr einige Monate früher vollendet habe als der Kläger, seien die Sachverhalte verschieden. Die erfolgte Abrundung (auf 19 Jahre ruhegehaltfähiger Dienstzeiten) entspreche ebenfalls den gesetzlichen Regelungen.
Auf die am 20.01.2012 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen mit Urteil vom 20.05.2014 antragsgemäß den Bescheid der Deutschen Telekom AG vom 15.12.2010 und ihren Widerspruchsbescheid vom 18.01.2012 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung eines weiteren Dienstjahres in der Zeit bis zum 31.12.1991 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Nach § 85 Abs. 1 BeamtVG richte sich die Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit und des Ruhegehaltsatzes nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG in der bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung. Danach könne (nur) die nach Vollendung des 17. Lebensjahres verbrachte Mindestzeit der außer der allgemeinen Schulbildung vorgeschriebenen Ausbildung als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden. Der Ausschluss von vor dem 17. Lebensjahr liegenden Ausbildungszeiten verstoße jedoch gegen die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABI. L 303/16). § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG sei deshalb nicht anwendbar. Der Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG sei eröffnet, weil es sich bei den Versorgungsbezügen des Klägers um einen Bestandteil des Arbeitsentgeltes im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. c) der Richtlinie 2000/78/EG handele und nicht etwa um eine Leistung aus einem staatlichen System der sozialen Sicherheit bzw. des sozialen Schutzes (im Sinne des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG). § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG stelle auch eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a) der Richtlinie 2000/78/EG dar. Diese Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt. Zwar könnten die Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellten, sofern sie objektiv und angemessen und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt und sofern die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich seien. Diese Voraussetzungen seien aber nicht erfüllt. Der Zweck der Anrechnungsregelung des § 12 Abs. 1 BeamtVG bestehe darin, Beamten, die eine für die Übernahme in das Beamtenverhältnis vorgeschriebene Ausbildung außerhalb des Beamtenverhältnisses durchlaufen hätten, annähernd die Versorgung zu ermöglichen, die sie erhalten würden, wenn sie die Ausbildung im Beamtenverhältnis auf Widerruf absolviert hätten. Sinn und Zweck der Altersbegrenzung innerhalb von § 12 Abs. 1 BeamtVG sei es zu verhindern, dass bereits solche Zeiten ruhegehaltfähig seien, die bei Beamten des gehobenen oder höheren Dienstes noch in die Schul- oder Lehrzeit fielen. Der Gesetzgeber habe eine versorgungsrechtliche Gleichbehandlung von Beamten der verschiedenen Laufbahngruppen erreichen wollen. Es müsse nicht entschieden werden, ob - was fraglich sei - die Altersbegrenzung in § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG ein legitimes Ziel verfolge. Jedenfalls sei das gewählte Mittel der Anknüpfung an das Lebensalter zur Erreichung des versorgungsrechtlichen Ziels nicht notwendig. Der Gesetzgeber hätte sein Ziel ebenso durch eine nicht unmittelbar diskriminierende Regelung erreichen können, etwa dadurch, dass - ohne Anknüpfung an das Lebensalter, in welchem die Ausbildung durchlaufen werde - ein bestimmter Zeitraum zu Beginn der Ausbildung unberücksichtigt bleibe. Eine solche Regelung würde zu einer Gleichbehandlung der Beamten führen. Das Kriterium des Alters sei zum Ausgleich der Benachteiligung derjenigen Beamten, bei denen über die allgemeine Schulbildung hinaus etwa eine zusätzliche Vorbildung als weitere Laufbahnvoraussetzung gefordert sei, hingegen ungeeignet. Damit fehle es § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG auch an der notwendigen inneren Kohärenz. Der Umstand, dass § 12 Abs. 1 BeamtVG hinsichtlich der Anrechnung von Ausbildungszeiten Ermessen einräume, stehe der ausgesprochenen Verpflichtung nicht entgegen, da nach der ersichtlichen Verwaltungspraxis der Beklagten versorgungsrechtlich anrechnungsfähige Zeiten auch voll berücksichtigt würden. Dies führe zu einer Ermessensreduzierung auf Null.
Am 18.06.2014 hat die Beklagte die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, der Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG sei bereits nicht eröffnet. Bei der begehrten Versorgung handele es sich nicht um „Arbeitsentgelt“ im Sinne dieser Richtlinie. Dagegen spreche, dass sie nach ihrem Art. 1 die Bekämpfung von Diskriminierungen „in Beschäftigung und Beruf“ bezwecke, das berufliche Fortkommen und die Beschäftigung hier aber nicht mehr betroffen seien. Arbeitsentgelt werde nur für tatsächlich geleistete Arbeit erbracht; Versorgungsbezüge würden demgegenüber nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gewährt, ohne dass hierfür noch eine Gegenleistung des Beamten erbracht werde. Die Gewährung der Versorgung sei deshalb allein als „soziale Alterssicherung“ (im Sinne des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG) zu verstehen. Das Bundesverwaltungsgericht habe die Richtlinie zwar „für den Bereich der Lebenspartner“ angewendet (gemeint wohl: auf eine Hinterbliebenenversorgung nach §§ 18 ff. BeamtVG für den Lebenspartner eines Beamten, vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.2010 - 2 C 47.09 -, NVwZ 2011, 499). Der Kläger in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall sei aber - anders als hier - ein aktiver Beamter mit Besoldungsbezügen gewesen. Letztlich werde auch die Gewaltenteilung in Frage gestellt, wenn eindeutig formulierte nationale Gesetze einfach für unanwendbar erklärt würden. Es gebe auch keinen Automatismus, dass EG-Richtlinien nationales Recht außer Kraft setzten; vielmehr bedürfe es einer gesetzlichen Umsetzung in nationales Recht. Im Übrigen entspreche die Nicht-Anerkennung von Zeiten vor dem 17. Lebensjahr, die im Beamtenversorgungsgesetz durchgängig geregelt sei (§§ 8, 9, 13 BeamtVG), hergebrachten Grundsätzen der Beamtenversorgung. Es werde zudem auf Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG verwiesen, wonach die Mitgliedstaaten Altersgrenzen beim Bezug von Altersrenten ausdrücklich vorsehen dürften.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 20. Mai 2014 - 1 K 123/12 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Er verteidigt die angegriffene Entscheidung und verweist ergänzend auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19.06.2014 - C-501/12 u.a. -, Specht u.a., NVwZ 2014, 1294.
13 
Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts und der Beklagten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf und auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
15 
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, dem Kläger Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung eines weiteren Jahres ruhege-haltfähiger Dienstzeit in der Zeit bis zum 31.12.1991 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Der Kläger hat einen entsprechenden Anspruch (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid der Deutschen Telekom AG vom 15.12.2010 und ihren Widerspruchsbescheid vom 18.01.2012 allerdings in vollem Umfang aufgehoben, obwohl die Bescheide dem Verpflichtungsausspruch nur teilweise entgegenstehen. Daher ist die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Tenor entsprechend neu gefasst wird.
16 
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 85 Abs. 1 und 4 BeamtVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.02.2010 (BGBl. I S. 150), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.03.2012 (BGBl. I 2011, S. 2842), i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG in der bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung vom 12.02.1987 (BGBl. I S. 570 ) und der Richtlinie 2000/78/EG.
17 
Nach § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG bleibt, wenn ein Beamtenverhältnis, aus dem der Beamte in den Ruhestand tritt, bereits am 31.12.1991 bestanden hat, der zu diesem Zeitpunkt erreichte Ruhegehaltssatz gewahrt. Dabei richtet sich die Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit und des Ruhegehaltssatzes nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht (§ 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG). Der sich nach § 85 Abs. 1 BeamtVG ergebende Ruhegehaltssatz wird der Berechnung des Ruhegehalts zugrunde gelegt, wenn er höher ist als der Ruhegehaltssatz, der sich nach dem Beamtenversorgungsgesetz für die gesamte ruhegehaltfähige Dienstzeit ergibt (§ 85 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG). Der sich nach § 85 Abs. 1 BeamtVG ergebende Ruhegehaltssatz darf den Ruhegehaltssatz, der sich nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht ergäbe, nicht übersteigen (§ 85 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG).
18 
Danach ist das Ruhegehalt des Klägers, der am Stichtag 31.12.1991 Beamter war und seitdem bis zum Eintritt in den Ruhestand ununterbrochen in einem Beamtenverhältnis stand, nach der sog. Mischrechnung (BVerwG, Urteil vom 01.09.2005 - 2 C 28.04 -, Buchholz 239.1 § 12 BeamtVG Nr. 15) des § 85 Abs. 1 BeamtVG zu bestimmen. Denn der sich bei der unionsrechtlich gebotenen Berücksichtigung der vor Vollendung des 17. Lebensjahres absolvierten Ausbildungszeiten im Umfang des vom Klageantrag (allein) umfassten weiteren Jahres ergebende Ruhegehaltssatz (73,83 v.H., dazu I.) ist höher als bei Zugrundelegung des - die genannten Ausbildungszeiten ebenfalls berücksichtigenden - Beamtenversorgungsgesetzes geltender Fassung (73,16 v.H., dazu II.1) und er übersteigt auch nicht den Ruhegehaltssatz, zu dem die alleinige Anwendung des bis zum 31.12.1991 geltenden Rechts führt (75 v.H., dazu II.2.).
I.
19 
Der sich nach § 85 Abs. 1 BeamtVG ergebende Ruhegehaltssatz des Klägers beträgt - bei Berücksichtigung des vom Klageantrag (allein) umfassten einen weiteren Jahres - 73,83 v.H.
20 
Zuzüglich zu dem Ruhegehaltssatz von 18,83 v.H. für Zeit vom 01.01.1992 bis 31.10.2010 (18 Jahre und 304 Tage = 18,83 Jahre, vgl. § 85 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG) ist ein Ruhegehaltssatz für die davor liegende Zeit zu berücksichtigen, der nicht, wie im angefochtenen Bescheid geschehen, ausgehend von einer ruhegehaltfähigen Dienstzeit von abgerundet 19 Jahren mit 53 v.H. (vgl. Anlage C des Bescheids vom 15.12.2010), sondern ausgehend von einer Dienstzeit von 20 Jahren mit 55 v.H. anzusetzen ist (35 v.H. für die ersten zehn Jahre zuzüglich 20 v.H. für die folgenden zehn Jahre, vgl. § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F.). Denn der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass bei der von § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG angeordneten Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. nicht nur die von der Beklagten bereits als ruhegehaltfähig anerkannten Zeiten zugrunde gelegt werden, die er bis zum 31.12.1991 im Beamtenverhältnis (01.10.1977 bis 31.12.1991, vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F.) und im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im Dienst der Beklagten (13.07.1973 bis 30.09.1977, vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG) sowie nach Vollendung seines 17. Lebensjahres in einem Ausbildungsverhältnis verbracht hat (26.10.1972 bis 12.07.1973, vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F.). Ruhegehaltfähig ist nach § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. und der Richtlinie 2000/78/EG vielmehr auch die vor dieser Altersgrenze im Ausbildungsverhältnis geleistete Zeit (01.09.1970 bis 25.10.1973) und damit auch das vom Klageantrag (allein) umfasste eine weitere Jahr vor dem 26.10.1972.
21 
Nach § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. kann die nach Vollendung des 17. Lebensjahres verbrachte Mindestzeit der außer der allgemeinen Schulbildung vorgeschriebenen Ausbildung (Fachschul-, Hochschul- und praktische Ausbildung, Vorbereitungsdienst, übliche Prüfungszeit), als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden. Die vom Kläger vom 01.09.1970 bis zum 12.07.1973 bei der damaligen Deutschen Bundespost absolvierte Ausbildung zum Fernmeldehandwerker ist eine „vorgeschriebene Ausbildung“ im Sinne dieser Vorschrift und deshalb dem Grunde nach ruhegehaltfähig (1.). Dem zeitlichen Umfang nach ist die Ausbildung nicht nur ruhegehaltfähig, soweit der Kläger sie nach, sondern auch soweit er sie vor Vollendung seines 17. Lebensjahres durchlaufen hat. Die im nationalen Recht enthaltene Beschränkung auf Zeiten ab der Vollendung des 17. Lebensjahres ist unionsrechtswidrig und deshalb nicht anzuwenden (2.). Das der Beklagten bei der Anerkennung von Ausbildungszeiten grundsätzlich eingeräumte Ermessen ist auf Null reduziert (3.).
22 
1. Bei der Ausbildung des Klägers handelt es sich um eine im Sinne des § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. für die Übernahme in den damaligen mittleren fernmeldetechnischen Dienst „vorgeschriebene“ Ausbildung.
23 
„Vorgeschrieben“ ist eine Ausbildung, wenn sie zur der Zeit ihrer Ableistung aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zur Übertragung des ersten statusrechtlichen Amtes erforderlich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.05.2014 - 2 B 91.13 -, Juris, und Urteil vom 26.01.2012 - 2 C 49.10 -, Buchholz 239.1 § 67 BeamtVG Nr. 5, m.w.N.; OVG des Saarlandes, Urteil vom 05.07.2013 - 1 A 292/13 -, NVwZ-RR 2014, 153; jeweils m.w.N.). Das war bei der Ausbildung des Klägers zum Fernmeldehandwerker der Fall. Nach der Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbeamten (BLV) vom 27.04.1970 (BGBl. I S. 422), geändert durch die Verordnung vom 14.09.1972 (BGBl. I S. 1765), konnte in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des allgemeinen mittleren Dienstes eingestellt werden, wer mindestens eine Hauptschule mit Erfolg besucht hatte oder eine entsprechende Schulbildung besaß (§ 17 Abs. 1 BLV). Bewerber für Laufbahnen des technischen Dienstes mussten außerdem die vorgeschriebenen fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nachweisen, was u.a. durch Zeugnisse über mindestens die Gesellenprüfung in einem der betreffenden Fachrichtung entsprechenden Handwerk (§ 31 HwO) oder eine entsprechende Abschlussprüfung im Sinne des § 34 Abs. 1 BBiG geschehen konnte (§ 17 Abs. 2 BLV). Damit war (auch) die vom Kläger absolvierte technische Ausbildung eine für seine Laufbahn „vorgeschriebene“ Ausbildung im Sinne des § 12 BeamtVG (vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 05.07.2013, a.a.O.; VG Hannover, Urteil vom 31.05.2013 - 2 A 2922/12 -, Juris; jeweils zur Anerkennungsfähigkeit einer Ausbildung zum Fernmeldehandwerker im Rahmen des § 12 BeamtVG).
24 
2. Die Ausbildung des Klägers ist nicht nur nach der Vollendung seines 17. Lebensjahres (26.10.1972 bis 12.07.1973), sondern auch in dem davor liegenden Zeitraum (01.09.1970 bis 25.10.1972) - und damit auch im Umfang des vom Klagebegehren umfassten weiteren Jahres - berücksichtigungsfähig.
25 
Der Anerkennung eines über den von der Beklagten bereits berücksichtigten Zeitraum (26.10.1972 bis 12.07.1973, d.h. 260 Tage) hinausgehenden weiteren Jahres Ausbildungszeit steht nicht entgegen, dass nach § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. nur die „Mindestzeit“ einer Ausbildung berücksichtigungsfähig ist. Der Kläger hat die Ausbildungsdauer des Ausbildungsberufs „Fernmeldehandwerker“, die grundsätzlich dreieinhalb Jahre betrug (vgl. die Ausbildungsordnung für Fernmeldelehrlinge der Deutschen Bundespost, ABl. des Bundesministers für Post- und Fernmeldewesen Nr. 106 vom 04.01.1964, i.V.m. §§ 3, 10 Abs. 1 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Fernmeldehandwerker vom 09.10.1972, BGBl. I S. 1893), nicht überschritten.
26 
Der Anerkennung eines weiteren Jahres Ausbildungszeit steht auch nicht entgegen, dass § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. Zeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres von einer Berücksichtigung ausschließt. Diese Regelung ist unionsrechtswidrig, weil sie eine in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG fallende (a) Ungleichbehandlung wegen Alters darstellt (b), die nicht gerechtfertigt ist (c). Dieser Verstoß gegen die Richtlinie, auf die sich der Kläger unmittelbar berufen kann (d), hat zur Folge, dass die Altersgrenze nicht angewendet werden darf (e).
27 
a) Die Regelung aus § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. fällt in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG.
28 
Geltung beansprucht die Richtlinie im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, (u.a.) in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich des Arbeitsentgelts (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78/EG).
29 
aa) Der persönliche Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG ist eröffnet. Ein Ruhestandsbeamter ist bei einem Streit mit seinem Dienstherrn um Leistungen, die in seinem aktiven Beamtenverhältnis wurzeln, eine „Person im öffentlichen Bereich“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2014, a.a.O., RdNr. 36, zu Beamten und Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst).
30 
bb) Auch der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie ist eröffnet.
31 
(1) Bei den zwischen den Beteiligten umstrittenen Versorgungsbezügen handelt es sich um „Arbeitsentgelt“. Unter den Begriff des „Arbeitsentgelts“ im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG fällt jede Form des „Entgelts“ im Sinne des Art. 157 Abs. 2 AEUV (vgl. den 13. Erwägungsgrund der Richtlinie und EuGH, Urteil vom 26.09.2013 - C-546/11 -, Dansk Jurist, NVwZ 2013, 1401, RdNr. 25 f.). Unter Entgelt im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen „Vergütungen“ zu verstehen, die der Arbeitgeber „aufgrund des Dienstverhältnisses“ dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt. Zu diesen „Vergütungen“ können auch Leistungen zählen, die erst nach dem Ende der aktiven Arbeits- bzw. Dienstzeit gewährt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 06.10.1993 - C-109/91 -, Ten Över, Slg. 1993, I-4879, RdNrn. 7 ff.; Urteil vom 17.05.1990 - C-262/88 -, Barber, NJW 1991, 2204, RdNrn. 21 ff.; BVerwG, Urteil vom 28.10.2010, a.a.O.). Für die Beurteilung der Frage, ob eine Rente oder ein Ruhegehalt von Art. 157 Abs. 2 AEUV erfasst ist, ist entscheidend, ob die Leistung dem Betreffenden „aufgrund seines Dienstverhältnisses“ mit seinem früheren Arbeitgeber gezahlt wird (sog. „Kriterium der Beschäftigung“, vgl. EuGH, Urteil vom 01.04.2008 - C-267/08 -, Maruko, Slg. 2008, I-1757, RdNr. 46; Urteil vom 23.10.2003 - C-4/02 u.a. -, Schönheit und Becker, Slg. I 2003, 12575, RdNr. 56). Dieses Kriterium ist zwar nicht erfüllt bei Ansprüchen aus gesetzlichen Systemen, an deren Finanzierung Arbeitnehmer, Arbeitgeber und gegebenenfalls die öffentliche Hand in einem Maße beteiligt sind, das weniger vom Dienstverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als von sozialpolitischen Erwägungen abhängt (vgl. EuGH, Urteil vom 15.04.2008 - C-268/06 -, Impact, Slg. 2008. I-2483, RdNr. 131; EuGH, Urteil vom 29.11.2001 - C-366/99 -, Griesmar, Slg. 2001, I-9383, RdNr. 27). Die von einem öffentlichen Dienstherrn oder Arbeitgeber im Rahmen eines gesetzlich geregelten Systems geleistete Versorgung steht aber dann völlig einer Rente gleich, die ein privater Arbeitgeber seinen ehemaligen Arbeitnehmern zahlen würde, wenn sie nur für eine besondere Gruppe von Bediensteten gilt, wenn sie unmittelbar von der abgeleisteten Dienstzeit abhängt und wenn ihre Höhe nach den letzten Bezügen des Bediensteten berechnet wird (vgl. EuGH, Urteil vom 01.04.2008, a.a.O., RdNr. 48; Urteil vom 23.10.2003, a.a.O., RdNr. 57 ff.; Urteil vom 29.11.2001, a.a.O., RdNr. 30 f.).
32 
Diese drei Voraussetzungen sind bei einem Ruhegehalt, das ein Dienstherr nach dem Beamtenversorgungsgesetz zahlt, erfüllt. Denn bei den Beamten handelt es sich um eine „besondere Gruppe von Bediensteten“ (vgl. EuGH, Urteil vom 23.10.2003, a.a.O., RdNr. 60; Urteil vom 29.11.2001, a.a.O., RdNr. 31), das Ruhegehalt hängt von der geleisteten Dienstzeit ab (vgl. § 4 Abs. 1, § 14 Abs. 1 BeamtVG) und seine Höhe wird nach den letzten Besoldungsbezügen berechnet (vgl. § 5 Abs. 1, § 14 Abs. 1 BeamtVG). Eine Ruhegehalt nach dem Beamtenversorgungsgesetz fällt damit in den Anwendungsbereich des Art. 157 Abs. 2 AEUV (vgl. EuGH, Urteil vom 23.10.2003, a.a.O., RdNr. 63; s. ferner zum französischen Beamtenpensionssystem Urteil vom 29.11.2001, a.a.O., RdNr. 30 ff., 35) sowie folglich in denjenigen der Richtlinie 2000/78/EG (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.2010, a.a.O., zur Hinterbliebenenversorgung nach §§ 18 ff. BeamtVG; Senatsurteil vom 03.04.2012 - 4 S 1773/09 -, VBlBW 2012, 477, sowie OVG Bremen, Urteil vom 16.05.2013 - 2 A 409/05 -, Juris, jeweils zum Witwengeld nach § 28 BeamtVG).
33 
(2) Kein anderes Ergebnis folgt aus dem von der Beklagten in Bezug genommenen Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG. Nach dieser Vorschrift gilt die Richtlinie nicht für Leistungen jeder Art „seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes.“ Diese Bereichsausnahme ist in Verbindung mit dem 13. Erwägungsgrund der Richtlinie so auszulegen, dass sich der Geltungsbereich der Richtlinie „weder auf die Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme erstreckt, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung von Art. 157 AEUV gegeben wurde, noch auf Vergütungen jeder Art seitens des Staates, die den Zugang zu einer Beschäftigung oder die Aufrechterhaltung eines Beschäftigungsverhältnisses zum Ziel haben“ (vgl. EuGH, Urteil vom 26.09.2013 - C-476/11 -, HK Danmark, EuZW 2013, 951, RdNr. 25; Urteil vom 10.05.2011 - C-147/08 -, Römer, Slg. 2011, I-3591, RdNr. 32 ff. m.w.N.; Urteil vom 01.04.2008, a.a.O., RdNr. 41). Nach diesen Grundsätzen fällt das Ruhegehalt des Klägers nicht unter die Bereichsausnahme des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG in Verbindung mit dem 13. Erwägungsgrund. Denn es handelt es sich dabei, wie gezeigt, um Entgelt im Sinne des Art. 157 Abs. 2 AEUV und es betrifft weder den Zugang zu einer Beschäftigung noch die Aufrechterhaltung eines Beschäftigungsverhältnisses.
34 
(3) Die Anwendung der Richtlinie 2000/78/EG ist im vorliegenden Fall auch nicht durch das Protokoll zu Art. 157 AEUV ausgeschlossen.
35 
Nach diesem Protokoll (Protokoll Nr. 33 zum AEUV), das im Rang von Primärrecht steht (vgl. Art. 51 EUV), gelten im Sinne des Art. 157 AEUV „Leistungen aufgrund eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit“ nicht als Entgelt, „sofern und soweit sie auf Beschäftigungszeiten vor dem 17.05.1990 zurückgeführt werden können, außer im Fall von Arbeitnehmern oder deren anspruchsberechtigten Angehörigen, die vor diesem Zeitpunkt eine Klage bei Gericht oder ein gleichwertiges Verfahren nach geltendem einzelstaatlichen Recht anhängig gemacht haben.“ Bei dem Versorgungssystem des Beamtenversorgungsgesetzes handelt es sich zwar - da es, wie gezeigt, kein „gesetzliches System der sozialen Sicherheit“ darstellt - um ein „betriebliches System der sozialen Sicherheit“ (vgl. EuGH, Urteil vom 23.10.2003, a.a.O., RdNr. 65). Auch stützt der Kläger sein Klagebegehren ausschließlich auf Beschäftigungszeiten vor dem 17.05.1990. Daraus folgt jedoch nicht, dass die begehrten Versorgungsleistungen aus dem Begriff des „Arbeitsentgeltes“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG fallen.
36 
Das Protokoll zu Art. 157 AEUV ist eine Reaktion des damaligen Gemeinschaftsgesetzgebers auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17.05.1990 in der Rechtssache „Barber“ (C-262/88, a.a.O.). Der Gerichtshof hatte damals erstmals entschieden, dass auch Renten aus einem betrieblichen System unter den Begriff des „Entgelts“ im Sinne des damaligen Art. 119 EG-Vertrages (später Art. 141 EG, heute Art. 157 AEUV) fallen und deshalb an dem dort normierten Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen zu messen seien. In der mündlichen Verhandlung zu diesem Verfahren hatte das Vereinigte Königreich darauf hingewiesen, dass eine solche Auslegung zu schwerwiegenden finanziellen Folgen führen würde, weil es in Großbritannien zahlreiche solcher Systeme gebe, die von diesem Grundsatz abwichen. Der Europäische Gerichtshof hat dem Rechnung getragen, indem er die zeitlichen Wirkungen seiner Entscheidung beschränkt und für Recht erkannt hat, dass sich grundsätzlich „niemand auf die unmittelbare Wirkung von Art. 119 EG-Vertrag berufen kann, um mit Wirkung von einem vor Erlass des vorliegenden Urteils einen Rentenanspruch geltend zu machen“ (EuGH, Urteil vom 17.05.1990, a.a.O., RdNr. 45; s. auch Urteil vom 06.10.1993, a.a.O., RdNrn. 15 ff.). Um Unklarheiten zu den zeitlichen Wirkungen der Entscheidung „Barber“ zu beseitigen, wurde dem EG-Vertrag in der Schlussakte des Maastrichter Vertrags zur Gründung der Europäischen Union das zitierte Protokoll beigefügt (vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 157 AEUV RdNr. 158), das die Auslegung des Gerichtshofs auf sämtliche Leistungen aufgrund eines „betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit“ erstreckt (vgl. EuGH, Urteil vom 23.10.2003, a.a.O., RdNr. 101).
37 
Das Protokoll befasst sich allerdings - ebenso wie die Entscheidung „Barber“ - nur mit der Auslegung des Art. 157 AEUV und dem dort allein normierten Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Bezug von Entgelt. Diskriminierungen wegen des Geschlechts sind demgegenüber nicht Gegenstand der Richtlinie 2000/78/EG (vgl. deren Art. 1). Deshalb kann allein aus dem Umstand, dass eine (Versorgungs-)Leistung unter das Protokoll zu Art. 157 AEUV fällt, nicht geschlossen werden, dass sie aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG herausfällt (vgl. EuGH, Urteil vom 01.04.2008, a.a.O., RdNrn. 77 ff., in der Rechtssache „Maruko“). Diese Rechtsauffassung teilt auch der Unionsgesetzgeber. Denn er hat bei der auf Art. 141 EGV (Art. 157 AEUV) gestützten Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.07.2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. L 204/23) die „Barber“-Rechtsprechung in das Sekundärrecht übernommen (vgl. Art. 12 der Richtlinie 2006/54/EG; Grabitz/Hilf/Nettesheim, a.a.O., RdNr. 76). In der vorliegend allein maßgeblichen Richtlinie 2000/78/EG, die sich mit anderen Unterscheidungskriterien als dem Geschlecht befasst (vgl. Erwägungsgründe 2 bis 4 und Art. 1 der Richtlinie), ist eine solche Einschränkung hingegen nicht vorgesehen.
38 
Sie wäre daher allenfalls dann in Betracht zu ziehen - und zum Anlass für ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zu nehmen (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 01.04.2008, a.a.O., RdNrn. 77) -, wenn den Akten etwas dafür zu entnehmen wäre, „dass die Gefahr besteht, dass das finanzielle Gleichgewicht des Systems“ der Versorgung nach dem Beamtenversorgungsgesetz durch das Fehlen einer zeitlichen Beschränkung „rückwirkend erschüttert würde“ (vgl. EuGH, Urteil vom 01.04.2008, a.a.O., RdNrn. 78). Hierfür sind Anhaltspunkte jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die haushalterischen und finanziellen Auswirkungen einer Streichung der Altersgrenze begrenzt wären. Der von einem Wegfall der Altersgrenze betroffene Personenkreis dürfte „- gerade aufgrund seines frühen Diensteintritts - bei Erreichen der maßgeblichen Regelaltersgrenze ohnehin regelmäßig den Höchstruhegehaltssatz erreicht haben, so dass die Berücksichtigung von vor Vollendung des 17. Lebensjahres liegenden Zeiten regelmäßig keinerlei Erhöhung des Ruhegehaltssatzes zur Folge haben würde. (…) Im Übrigen würden davon nur Einzelfälle des früheren einfachen und mittleren Dienstes erfasst sein, weil nur dort aufgrund der dafür geforderten Vorbildung berücksichtigungsfähige Zeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres überhaupt entstehen können. (…) Angesichts der nunmehr geforderten schulischen Mindestausbildung als vorgeschriebene Vorbildung für die entsprechende Laufbahn dürfte es sich auch nur noch um vereinzelte Fälle aus der Vergangenheit und auch dort nur um Monatszeiträume handeln“ (Weinbrenner/Schmalhofer, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht, Bd. I, § 10 BeamtVG RdNr. 12). Dass diese Erwägungen zutreffen, bestätigt der Sachverhalt des vorliegenden Falls.
39 
b) § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. bewirkt eine „unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters“ im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG.
40 
Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Art. 1 der Richtlinie genannten Gründe - darunter ihr Alter - in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
41 
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Denn die fragliche Altersgrenze führt dazu, wie das vom Kläger benannte Beispiel zeigt, dass Personen, die ihre Ausbildung, wenn auch nur teilweise, vor Vollendung des 17. Lebensjahrs absolviert haben, bei der Berechnung ihrer Versorgung weniger günstig behandelt werden, als Personen, die - bei im Übrigen gleicher beruflicher Vita - ihre Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres erworben haben (vgl. EuGH, Urteil vom 18.06.2009 - C-88/08 -, Hütter, Slg. 2009, I-5325, RdNr. 38, zu einer ähnlich gelagerten Altersgrenzenbestimmung des österreichischen Rechts, die der dortige Gesetzgeber als Reaktion auf diese Entscheidung abgeschafft hat - s. zu Letzterem EuGH, Urteil vom 28.01.2015 - C-417/13 -, Starjakob, NZA 2015, 217, RdNr. 11 ff., 25; Urteil vom 11.11.2014 - C-530/13 -, Schmitzer, NVwZ-RR 2015, 180, RdNr. 29 -; s. ferner EuGH, Urteil vom 19.01.2010 - C-555/07 -, Kücükdeveci, Slg. 2010, I-365, RdNrn. 29-31, zu der in § 622 Abs. 2 BGB a.F. enthaltenen, unionsrechtswidrigen Altersgrenze; zum Beamtenversorgungsrecht ebenso VG Bremen, Urteil vom 17.02.2014 - 2 K 1907/10 -, Juris; wohl auch Weinbrenner/Schmalhofer, a.a.O., RdNr. 12; s. weiter §§ 6 ff. BremBeamtVG in der Fassung vom 04.11.2014, Brem. GBl. S. 458, und Brem. Bürgerschaft, Drs. 18/1519, Begr. zu § 6 Abs. 1 des Entwurfs, dazu, dass der bremische Landesgesetzgeber den Ausschluss von Zeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres mit Blick auf die Rechtssache „Kücükdeveci“ als „kritisch“ eingeordnet und die Regelung bei der Neuordnung seines Beamtenversorgungsrechts abgeschafft hat; §§ 21 ff. LBeamtVGBW und LT-Drs. 14/6694, S. 510, dazu, dass der baden-württembergische Landesgesetzgeber die genannte Altersgrenze wegen ähnlicher rechtlicher Bedenken bei der Dienstrechtsreform vom 01.01.2011 nicht in das Landesrecht übernommen hat).
42 
c) Bei der durch § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG a.F. bewirkten unmittelbaren Ungleichbehandlung wegen des Alters handelt es sich auch um eine nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG untersagte Diskriminierung.
43 
Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG stellt eine Ungleichbehandlung wegen des Alters keine Diskriminierung dar, sofern sie objektiv und angemessen ist und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Der Bundesgesetzgeber verfolgt mit § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. zwar „rechtmäßige Ziele“ (aa). Er hat dafür aber kein „angemessenes und erforderliches Mittel“ gewählt (bb). Aus dem von der Beklagten zur Rechtfertigung angeführten Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG folgt nichts anderes (cc).
44 
aa) „Rechtmäßig“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG sind, wie die in der Richtlinie genannten Beispiele zeigen, sozialpolitische Ziele, die sich insoweit, als sie im Allgemeininteresse stehen, von rein individuellen Beweggründen, die der Situation des Arbeitgebers eigen sind, wie Kostenreduzierung oder Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, unterscheiden (vgl. EuGH, Urteil vom 05.03.2009 - C-388/07 -, Age Concern England, Slg. 2009 I-1569, RdNr. 46).
45 
Der Gesetzgeber verfolgt sowohl mit § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG selbst (1) als auch mit dem von ihm zur Anwendung gebrachten § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. (2) in diesem Sinne legitime Ziele.
46 
(1) § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG wurde durch Art. 1 Nr. 34 des Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften (BeamtVGÄndG) vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2218) mit Wirkung vom 01.01.1992 eingeführt. Durch dieses Gesetz wurde mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung eine der Rentenstrukturreform 1992 entsprechende Kostensenkung der Versorgungshaushalte bezweckt (vgl. BT-Drs. 11/5372, S. 1, 22 f.). Dazu wurde u.a. die bis dahin geltende degressive Ruhegehaltsskala (vgl. § 14 Abs. 1 BeamtVG a.F.) durch eine linearisierte Ruhegehaltsskala mit einem einheitlichen Steigerungssatz von (damals) 1,875 v.H. abgelöst, bei der der Höchstruhegehaltssatz von (damals) 75 v.H. nach einer ruhegehaltfähigen Dienstzeit von 40 Jahren erreicht wurde (75 : 40 = 1,875, vgl. BT-Drs. 11/5372, S. 24). Ergänzend hierzu sollten mit § 85 BeamtVG für beim Inkrafttreten des BeamtVGÄndG im Dienst stehende Beamte Übergangsregelungen „aus der Sicht des notwendigen Vertrauensschutzes“ geschaffen werden (BT-Drs. 11/5372, S. 27 f.). § 85 BeamtVG dient mithin dem (versorgungsrechtlichen) Bestandsschutz (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.2009 - 2 C 63.08 -, BVerwGE 135, 14; ähnlich Stadler, in: Fürst, GKÖD, Bd. I, § 85 BeamtVG RdNr. 5).
47 
Bei diesem Gesetzeszweck handelt es sich um ein rechtmäßiges Ziel im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG. Die Wahrung des Besitzstandes einer Personengruppe ist ebenso wie der Vertrauensschutz als zwingender Grund des „Allgemeininteresses“ anerkannt (vgl. EuGH, Urteil vom 09.09.2015 - C-20/13 -, Unland, ZBR 2015, 414, RdNr. 42; Urteil vom 19.06.2014, a.a.O., RdNr. 63 f., m.w.N.).
48 
(2) Welchem Zweck die innerhalb dieser Bestandsschutzregelungen aufrechterhaltene Altersgrenze aus § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. dient, hat der Bundesgesetzgeber im Gesetz selbst nicht ausdrücklich klargestellt. Daraus allein folgt allerdings nicht, dass es deshalb an einem „rechtmäßigen Ziel“ fehlt. Eine nationale Regelung, die das angestrebte Ziel nicht genau angibt, ist nicht automatisch von einer Rechtfertigung nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG ausgeschlossen. Fehlt es an einer solchen genauen Angabe, „ist allerdings wichtig, dass andere - aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete - Anhaltspunkte die Feststellung des hinter dieser Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, damit dessen Rechtmäßigkeit sowie die Angemessenheit und Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüft werden können“ (EuGH, Urteil vom 21.07.2011 - C-159/10 u.a -, Fuchs und Köhler, Slg. 2011 I-6919, RdNr. 39, m.w.N.; Urteil vom 16.10.2007 - C-411/05 -, Palacios de la Villa, Slg. 2007, I-8531, RdNrn. 56 f.).
49 
Der „allgemeine Kontext“ des § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F., in den diese spezielle Regelung zur Ermittlung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit gestellt ist, ergibt sich aus der allgemeinen Regelung in § 6 BeamtVG. Danach ist ruhegehaltfähig regelmäßig die Dienstzeit, die ein Beamter vom Tag seiner ersten Berufung in das Beamtenverhältnis an im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn „im Beamtenverhältnis“ zurückgelegt hat (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG). Der Zweck der Regelung aus § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F., Ausbildungszeiten, die - abweichend von diesem Grundsatz - nicht im Beamtenverhältnis verbracht wurden, bei der Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit zu berücksichtigen, besteht darin, Beamten, die eine für die Übernahme in das Beamtenverhältnis vorgeschriebene Ausbildung außerhalb des Beamtenverhältnisses durchlaufen haben, annähernd die Versorgung zu ermöglichen, die sie erhalten würden, wenn sie die Ausbildung im Beamtenverhältnis auf Widerruf absolviert hätten (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.05.2013 - 2 B 25.12 -, Buchholz 239.1 § 12 BeamtVG Nr. 21; Urteil vom 26.01.2012, a.a.O.; Urteil vom 24.09.2009, a.a.O., m.w.N.; Weinbrenner/Schmalhofer, a.a.O., § 10 BeamtVG RdNr. 12). Auch eine Ausbildung in einem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist allerdings nicht ruhegehaltfähig, wenn sie vor Vollendung des 17. Lebensjahres geleistet wurde (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG). Da die Anrechnungsvorschrift aus § 12 BeamtVG das Ziel verfolgt, Personen mit Ausbildungen außerhalb des Beamtenverhältnisses mit Personen gleichzustellen, die ihre Ausbildung im Beamtenverhältnis verbracht haben, ist dem „allgemeinen Kontext“ des § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der Altersgrenze aus § 12 BeamtVG denselben Zweck verfolgen wollte, wie denjenigen, den er mit der gleichlautenden Altersgrenze aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG verfolgt (vgl. neben § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG und § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG auch § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 10 Satz 1, § 11, § 12 Abs. 2 Satz 1, § 13 Abs. 2 Satz 1 und 3, § 14a Abs. 2 Satz 1, § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG mit jeweils der gleichen Altersgrenze).
50 
Die Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften belegt, dass der Gesetzgeber mit der für die Berechnung aller ruhegehaltfähigen Zeiten eingeführten Altersgrenze zwei Ziele verfolgt: Zum einen soll die Höhe der Versorgung an der „typischen“ Dienstzeit eines Beamten ausgerichtet werden; zum anderen sollen dabei Beamte des einfachen und mittleren Dienstes annähernd mit solchen des gehobenen und höheren Dienstes gleich - insbesondere nicht wesentlich besser als diese - behandelt werden.
51 
Die heutigen Bestimmungen aus dem Beamtenversorgungsgesetz des Bundes haben ihre Wurzeln in dem „Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten“ (RBG) vom 31.03.1873 (RGBl. S. 61). Dieses Gesetz bestimmte, dass grundsätzlich jeder Beamte, „welcher sein Diensteinkommen aus der Reichskasse bezieht, (…) aus der letzteren eine lebenslängliche Pension“ erhält, wenn er „nach einer Dienstzeit von wenigstens zehn Jahren“ in den Ruhestand versetzt wurde (vgl. § 34 RBG). Die Dienstzeit wurde grundsätzlich „vom Tage der ersten eidlichen Verpflichtung für den Reichsdienst an gerechnet“ (vgl. § 45 Abs. 1 RBG). Darüber hinaus mussten (vgl. § 46 RBG) bzw. konnten (vgl. § 52 RBG) bestimmte „außeramtliche“ Zeiten angerechnet werden. In allen Fällen - auch bei den „außeramtlichen“ Beschäftigungen (vgl. Brand, Die Reichsbeamtengesetze, 3. Aufl. 1929, § 48 Anm. 1) - blieb jedoch die Dienstzeit, „welche vor den Beginn des achtzehnten Lebensjahres fällt,“ grundsätzlich „außer Berechnung“ (vgl. § 48 Abs. 1 RBG; Perels/Spilling, Das Reichsbeamtengesetz, 2. Aufl. 1906, § 48 Anm. I; Brand, a.a.O.; Anders, DÖV 1967, S. 837 <838>). Mit dem Deutschen Beamtengesetz (DBG) vom 26.01.1937 (RGBl. I S. 39 <186>) wurde vorgeschrieben, dass ein Bewerber frühestens ab Vollendung des 27. Lebensjahres zum Beamten auf Lebenszeit ernannt werden durfte (vgl. §§ 18 f. DBG). Zugleich wurde bestimmt, dass die ruhegehaltfähige Dienstzeit frühestens von der Vollendung des 27. Lebensjahres an laufen solle (vgl. § 81 Abs. 1 DBG; Brand, Das Deutsche Beamtengesetz, 4. Aufl. 1942, § 81 Anm. 1). Die versorgungsrechtliche Wartezeit von zehn Jahren wurde mit der Begründung abgeschafft, es könne unterstellt werden, dass ein Beamter bis zur Vollendung seines 27. Lebensjahrs zehn Dienstjahre abgeleistet habe (vgl. Anders, a.a.O.). Das Bundesbeamtengesetz vom 14.07.1953 (BGBl. I S. 551) kehrte im Wesentlichen zur alten Rechtslage zurück. Der Gesetzgeber wollte die Wartezeit von zehn Jahren - entgegen daran geäußerter Kritik - bewusst als „Anwartschaftszeit“ beibehalten. Anknüpfend an die Vermutung, diese Anwartschaftszeit sei üblicherweise mit Vollendung des 27. Lebensjahres erfüllt, wurde als „Folgerung für den Beginn der ruhegehaltfähigen Dienstzeit in bezug auf das Lebensalter“ die auf die Vollendung des 17. Lebensjahres bezogenen Altersgrenze eingeführt (Deutscher Bundestag, Nachtrag zu BT-Drs. 1/4246, S. 14, zu § 103 des Entwurfs). „Die Festlegung des Beginns der ruhegehaltfähigen Dienstzeit auf die Vollendung des [17.] Lebensjahres (…) ist die Folge der Rückkehr zur Wartezeit von zehn Jahren für die Anwartschaft auf das Ruhegehalt. (…) Infolge der Anforderungen an die Voraussetzungen für den gehobenen und höheren Dienst ist sie in Wirklichkeit nur für die Beamten des einfachen und mittleren Dienstes von Vorteil“ (Deutscher Bundestag, Nachtrag zu BT-Drs. 1/4246, S. 15, zu § 108 Abs. 1 Nr. 1 des Entwurfs).
52 
Diese Gesetzesbegründung lässt den Schluss zu, dass der Bundesgesetzgeber mit der Kombination aus Wartezeit und Altersgrenze ein „ausgewogenes Verhältnis zwischen Dienstzeit und Versorgung“ (Anders, a.a.O., S. 839) schaffen und dafür mit einer typisierenden Betrachtung an den „üblichen“ Diensteintritt anknüpfen wollte: „Ruhegehaltfähig ist grundsätzlich nur die Dienstzeit, die der Beamte im Beamtenverhältnis verbracht hat; denn es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, dass die Versorgung 'erdient' werden soll. Versorgungsgerechtigkeit wird erreicht, indem die Höhe der Versorgungsbezüge soweit wie möglich an der tatsächlich zurückgelegten ruhe-gehaltfähigen Dienstzeit ausgerichtet wird. Darin liegt die innere Rechtfertigung für einen frühzeitigen Beginn der ruhegehaltfähigen Dienstzeit (…), zugleich aber auch die sachliche Begründung dafür, dass Zeiten ausgeschlossen werden, die typischerweise nicht im öffentlichen Dienst verbracht werden, namentlich die Zeiten der regelmäßig vor Vollendung des 17. Lebensjahres absolvierten Schul- und Berufsausbildung“ (Hessischer VGH, Urteil vom 27.01.1994 - 1 UE 816/89 -, ZBR 1994, 189).
53 
Bei dem mit der Altersgrenze verfolgten Ziel, „Versorgungsgerechtigkeit“ dadurch herzustellen, dass er die Höhe der Versorgung an die „typische“ Dienstzeit knüpfte, handelt es sich um ein im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs legitimes Ziel. Der Gerichtshof hat anerkannt, dass die Honorierung der von einem Arbeitnehmer erworbenen Berufserfahrung, die es diesem ermöglicht, seine Arbeit besser zu verrichten, in der Regel ein rechtmäßiges Ziel der Entgeltpolitik darstellt (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2014, a.a.O., RdNr. 48; Urteil vom 08.09.2011 - C-297/10 -, Hennings und Mai, Slg. 2011, I-7965 RdNr. 72; Urteil vom 18.06.2009, a.a.O., RdNrn. 47, dort auch zu dem gebilligten Ziel der Belohnung einer „Betriebstreue“). Nach diesen Grundsätzen ist auch das Ziel, die Versorgung an der Dienstzeit auszurichten, ein rechtmäßiges im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2014, a.a.O., RdNr. 50 zum ebenfalls gebilligten „Kriterium des Dienstalters“).
54 
Die Annahme, dass Zeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres typischerweise noch nicht im öffentlichen Dienst, sondern noch in der Schul- oder Berufsausbildung verbracht werden, trifft allerdings in erster Linie auf Beamte des gehobenen und höheren Dienstes zu, nicht aber ohne weiteres auf Beamte des einfachen und mittleren Dienstes (vgl. Strötz, in: Fürst, GKÖD, a.a.O., § 6 BeamtVG RdNr. 53). Die Altersgrenze bezweckt daher (jedenfalls auch), die Beamten der verschiedenen Laufbahngruppen versorgungsrechtlich (zumindest annähernd) gleich zu behandeln (vgl. VG Bremen, Urteil vom 17.02.2014, a.a.O.; in diesem Sinne wohl auch Strötz, a.a.O.). Personen, welche die Bildungsvoraussetzungen für den gehobenen oder höheren Dienst erfüllen (vgl. § 17 Abs. 4 und 5 BBG), sollen nicht gegenüber jenen benachteiligt werden, die „nur“ die Bildungsvoraussetzungen für den einfachen oder mittleren Dienst aufweisen (vgl. § 17 Abs. 2 und 3 BBG). Auch dabei handelt es sich noch um ein im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG „rechtmäßiges“ sozialpolitisches Ziel (vgl. EuGH, Urteil vom 18.06.2009, a.a.O., RdNrn. 40, 42, zu einer dem entsprechenden Zielsetzung der österreichischen Regelung in der Rechtssache „Hütter“).
55 
Ob der Gesetzgeber mit der Altersgrenze aus § 12 BeamtVG a.F. neben den beiden bereits genannten Zielen auch den Zweck verfolgt hat, die öffentlichen Ausgaben - hier die Versorgungslasten - zu begrenzen, bedarf keiner Entscheidung. Denn dieser Zweck könnte zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung aufgrund des Alters ohnehin nicht angeführt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2014, a.a.O., RdNr. 77; Urteil vom 21.07.2011, a.a.O., RdNr. 69 ff.; s. auch Urteil vom 23.10.2003, a.a.O., RdNr. 84).
56 
bb) Das Mittel, das der Gesetzgeber zur Erreichung der als rechtmäßig in Betracht kommenden Ziele gewählt hat, ist allerdings nicht „angemessen und erforderlich“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG.
57 
Bei der Wahl der Maßnahmen zur Erreichung ihrer Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik verfügen die Mitgliedstaaten zwar über einen weiten Ermessensspielraum (vgl. EuGH, Urteil vom 19.01.2010, a.a.O., RdNr. 38; Urteil vom 22.11.2005 - C-144/04, Mangold, Slg. 2005, I-9981, RdNr. 63). Die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfordert aber, dass die Erfordernisse des Gleichbehandlungsgrundsatzes so weit wie möglich mit denen des angestrebten Zieles in Einklang gebracht werden müssen. Deshalb können solche nationalen Vorschriften nicht nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt werden, die das Alter des Betroffenen als einziges Kriterium festlegen, ohne dass nachgewiesen wäre, dass die Festlegung einer Altersgrenze als solche unabhängig von anderen Erwägungen zur Erreichung des Zieles objektiv erforderlich ist, und die deshalb über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Zieles angemessen und erforderlich ist (vgl. EuGH, Urteil vom 22.11.2005, a.a.O., RdNr. 65).
58 
Nach diesen Maßstäben geht die Schaffung einer strikten Altersgrenze über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels einer durch Koppelung von Ruhegehalt und Dienstzeit erreichten „Versorgungsgerechtigkeit“ (vgl. in diesem Sinne erneut Hessischer VGH, Urteil vom 27.01.1994, a.a.O.; Anders, a.a.O., S. 839) erforderlich ist. Denn wenn es der Gesetzgeber anstrebt, bei der Höhe der Versorgung die im Dienst oder in gleichgestellten Zeiten erworbene Berufserfahrung oder die „Betriebstreue“ zu honorieren, kann dazu auf die vom Beamten tatsächlich absolvierten Dienst- und Erfahrungszeiten abgestellt werden. Einer auf das Lebensalter bezogenen Grenze bedarf es dazu nicht, zumal das Lebensalter gerade nichts darüber aussagt, in welchem zeitlichen Umfang der Betroffene Berufserfahrung gesammelt oder „Betriebstreue“ gezeigt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2014, a.a.O., RdNr. 50 f.). Gemessen an diesem Ziel fehlt es einer Altersgrenze auch an der erforderlichen „inneren Kohärenz“ (vgl. EuGH, Urteil vom 18.06.2009, a.a.O., RdNr. 47), da die Altersgrenze die Erreichung des Ziel jedenfalls teilweise sogar konterkarieren kann, indem sie tatsächlich erbrachte Dienstzeiten von einer Berücksichtigung ausschließt (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 19.01.2010, a.a.O., zu Altersgrenzen für die Bemessung der Länge einer arbeitsrechtlichen Kündigungsfrist; Urteil vom 19.06.2014, a.a.O., RdNr. 50, zur Bemessung der Besoldung nach den früheren altersabhängigen Dienstaltersstufen).
59 
Auch für das weitere Ziel des Gesetzgebers, eine Benachteiligung von Beamten des gehobenen und höheren Dienstes gegenüber Beamten des einfachen und mittleren Dienstes zu vermeiden (vgl. in diesem Sinne erneut VG Bremen, Urteil vom 17.02.2014, a.a.O., und Strötz, a.a.O.), ist die Schaffung einer Altersgrenze nicht „angemessen und erforderlich“ im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG. Die Altersgrenze kann - wie der vorliegende Fall zeigt - zu einer Ungleichbehandlung von zwei Personen aus ein und derselben Laufbahngruppe führen, und zwar ausschließlich aufgrund des Kriteriums des Alters, in dem die Berufserfahrung erworben wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 18.06.2009, a.a.O., zu dem in der Rechtssache „Hütter“ verfolgten Ziel des Gesetzgebers Personen mit allgemeiner Sekundarschulbildung nicht gegenüber Personen mit beruflicher Bildung zu benachteiligen). Unter solchen Umständen erscheint „ein Kriterium, das unmittelbar auf die Art der absolvierten Ausbildung und nicht auf das Alter der Personen abstellt, aus der Sicht der Richtlinie (…) der Verwirklichung des Ziels (…) besser zu entsprechen“ (vgl. EuGH, Urteil vom 18.06.2009, a.a.O., RdNr. 48). So kann zur Erreichung des Ziels einer versorgungsrechtlichen Gleichbehandlung der Laufbahngruppen etwa eine Regelung in Betracht kommen, nach der bei der Ermittlung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit nach Beendigung der allgemeinen Schulpflicht (vgl. § 73 ff. SchG) oder einer bestimmten Zahl von Schuljahren eine bestimmte Zahl von Ausbildungsmonaten berücksichtigt werden kann, dies unabhängig davon, ob diese Ausbildungsmonate vor oder nach Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegt wurden (vgl. EuGH, Urteile vom 28.01.2015, a.a.O., RdNr. 11 ff., 25, und vom 11.11.2014, a.a.O., RdNr. 29, dazu, dass der österreichische Gesetzgeber in ähnlicher Weise auf das Urteil „Hütter“ reagiert hat). Das Verwaltungsgericht hat weitere diskriminierungsfreie Regelungsmöglichkeiten aufgezeigt. Eine starre Altersgrenze ist vor diesem Hintergrund zur Erreichung des Ziels einer versorgungsrechtlichen Gleichbehandlung der Laufbahngruppen nicht „objektiv erforderlich“.
60 
Die Anwendung dieser Altersgrenze im Rahmen von § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 BeamtVG a.F. ist auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass jene Vorschrift dem Besitzstand und dem Vertrauensschutz der am 31.12.1991 vorhandenen Beamten dient. Solche Ziele können es rechtfertigen, eine Regelung, die zu einer Diskriminierung wegen des Alters führt, für einen Übergangszeitraum beizubehalten, um zu bewirken, dass die von einem altersdiskriminierenden System bisher begünstigten Personen bei der Schaffung eines diskriminierungsfreien Systems - etwa mit Blick auf eine andernfalls drohende Angleichung ihrer Bezüge „nach unten“ - in ihren berechtigten Erwartungen in Bezug auf den Bestand und die künftige Entwicklung ihrer Bezüge geschützt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 09.09.2015, a.a.O., RdNrn. 42 ff.; Urteil vom 19.06.2014, a.a.O., RdNrn. 63 ff.). Bestandsschutzziele rechtfertigen aber keine gesetzgeberischen Maßnahmen, mit denen eine Ungleichbehandlung wegen des Alters endgültig festgeschrieben wird (vgl. EuGH, Urteile vom 28.01.2015, a.a.O., RdNr. 39, und vom 11.11.2014, a.a.O., RdNr. 44, in den Rechtssachen „Starjakob“ bzw. „Schmitzer“ jeweils zu Maßnahmen bei Reformen zur Beseitigung eines diskriminierenden Systems). Danach ist auch die in § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG angeordnete Beibehaltung der Altersgrenze zur Erreichung des mit dieser Vorschrift verfolgten Bestandsschutzzieles nicht „geeignet und angemessen“. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung der Übergangsregelungen aus § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG nicht etwa beabsichtigt, die Ungleichbehandlung wegen Alters zu beseitigen und dabei einen bisher begünstigten Personenkreis übergangsweise in seinem Vertrauen zu schützen. Er hat vielmehr das Ziel verfolgt, den tatbestandlich erfassten Beamten aus anderen Gründen einen Bestand (Ruhegehaltssatz) zu erhalten, dabei aber die im bis zum 31.12.1991 geltenden Recht angelegte Ungleichbehandlung wegen Alters innerhalb der Gruppe der bestandsgeschützten Beamten auf Dauer festgeschrieben.
61 
cc) Aus dem von der Beklagten hervorgehobenen Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG ergibt sich ebenfalls keine Rechtfertigung der vorliegenden Ungleichbehandlung wegen des Alters.
62 
Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen „als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente“ oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt.
63 
Die in § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 BeamtVG a.F. vorgesehene Altersgrenze ist keine „Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente“ im Sinne des Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG. Eine in einem System der betrieblichen Altersvorsorge vorgesehene Altersgrenze stellt jedenfalls dann keine solche „Voraussetzung“ dar, wenn ein Beschäftigter - unabhängig von dieser Grenze - Mitglied des Systems werden kann und - altersunabhängig - nach einer gewissen Dauer der Betriebszugehörigkeit einen Rentenanspruch erwirbt (vgl. EuGH, Urteil vom 26.09.2013 - C-476/11 -, a.a.O., RdNr. 50). So liegt der Fall hier. § 12 BeamtVG enthält keine Höchstaltersgrenze, die verhindert, dass Personen ab einem bestimmten Alter keinen Zugang mehr zu dem System der Beamtenversorgung erlangen können. Vielmehr können Beamte ungeachtet der in jener Vorschrift genannten Altersgrenze nach einer gewissen „Betriebszugehörigkeit“ (vgl. § 4 Abs. 1 BeamtVG) einen Anspruch auf Versorgungsleistungen nach dem Beamtenversorgungsgesetz gegen ihren Dienstherrn erwerben.
64 
Eine „Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente“ stellt die Altersgrenze auch nicht in Zusammenschau mit der Grundnorm des § 6 Abs. 1 BeamtVG dar, die wie die übrigen für die Berechnung der ruhegehaltfähigen Zeiten maßgeblichen Vorschriften ebenfalls auf die Vollendung des 17. Lebensjahres abstellt (vgl. neben § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG und § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG erneut § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 10 Satz 1, § 11, § 12 Abs. 2 Satz 1, § 13 Abs. 2 Satz 1 und 3, § 14a Abs. 2 Satz 1, § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG). Denn ein Beamter kann auch im Anwendungsbereich dieser Vorschriften nach einer gewissen „Betriebszugehörigkeit“ einen Anspruch auf Versorgungsleistungen nach dem Beamtenversorgungsgesetz gegen seinen Dienstherrn erwerben.
65 
Zur Rechtfertigung der durch § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 BeamtVG a.F. bewirkten Ungleichbehandlung wegen des Alters kann Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG auch nicht im Wege einer Analogie oder eines Erst-Recht-Schlusses - etwa mit dem Argument, die Vorschrift müsse erst recht „weniger schwerwiegende“ Ungleichbehandlungen in betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit zulassen - angewandt werden. Da Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG den Mitgliedstaaten gestattet, eine Ausnahme vom Verbot der Diskriminierung aus Gründen des Alters vorzusehen, ist die Vorschrift eng auszulegen und keiner erweiternden Auslegung zugänglich (vgl. EuGH, Urteile vom 26.09.2013 - C-476/11 -, a.a.O., RdNr. 46, und - C-546/11 -, a.a.O., RdNr. 41).
66 
d) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Richtlinie 2000/78/EG sei nicht unmittelbar anwendbar und bedürfe erst einer Umsetzung in nationales Recht. Die Richtlinie ist unmittelbar anwendbar mit der Folge, dass sich der Kläger, der mit Ablauf des 31.10.2010 in den Ruhestand trat und dessen Versorgungsbezüge mit Bescheid vom 15.12.2010 festgesetzt wurden, vor dem nationalen Gericht darauf berufen kann.
67 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann sich der Einzelne in allen Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat. Eine Unionsvorschrift ist unbedingt, wenn sie eine Verpflichtung normiert, die an keine Bedingung geknüpft ist und zu ihrer Durchführung oder Wirksamkeit auch keiner weiteren Maßnahmen der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf. Sie ist hinreichend genau, um von einem Einzelnen geltend gemacht und vom Gericht angewandt werden zu können, wenn sie in unzweideutigen Worten eine Verpflichtung festlegt (EuGH, Urteil vom 01.07.2010 - C-194/08 -, Gassmayr, Slg. 2010, I-6281, RdNr. 44 f. m.w.N.). Eine Richtlinie ist auch dann unmittelbar anwendbar, wenn Umsetzungsmaßnahmen zwar in Kraft getreten sind, diese aber eine vollständige Anwendung der Richtlinie nicht tatsächlich gewährleisten (EuGH, Urteil vom 11.07.2002 - C-62/00 -, Marks & Spencer, Slg. 2002, I-6325, RdNrn. 23 ff.; BVerwG, Urteil vom 28.10.2010, a.a.O.; Senatsurteile vom 06.11.2012 - 4 S 797/12 -, DÖV 2013, 319, und vom 03.04.2012, a.a.O.).
68 
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Denn die Richtlinie 2000/78/EG ist im Hinblick auf die Versorgung im System des Beamtenversorgungsgesetzes nach dem oben Gesagten nicht vollständig in deutsches Recht umgesetzt. Auch sind die maßgeblichen Richtlinienvorschriften inhaltlich unbedingt und hinreichend genau (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.2010, a.a.O.; Senatsurteile vom 06.11.2012, a.a.O., und vom 03.04.2012, a.a.O.). Auch die Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG ist - seit dem 03.12.2003 - abgelaufen (vgl. Art. 18 der Richtlinie und BVerwG, Urteil vom 28.10.2010 - 2 C 52.09 -, NVwZ-RR 2011, 205; BAG, Urteil vom 11.12.2012 - 3 AZR 684/10 -, NZA-RR 2013, 308).
69 
Der Umstand, dass der Kläger eine versorgungsrechtliche Anrechnung von Zeiten begehrt, die vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist liegen, steht der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie auf den vorliegenden Fall - auch insoweit (s. dazu bereits oben unter 2.a)bb) - nicht entgegen. Maßgeblich ist, wann es zu dem „diskriminierenden Verhalten“ gekommen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 19.01.2010, a.a.O., RdNr. 24). Das war hier mit der nach dem Eintritt in den Ruhestand mit Bescheid vom 15.12.2010 - mithin nach Ablauf der Umsetzungsfrist - erfolgten Festsetzung der Versorgungsbezüge durch die Beklagte der Fall (vgl. in diesem Sinne auch die Entscheidungen in den Rechtssachen „Hütter“ und „Kücükdeveci“, EuGH, Urteil vom 18.06.2009, a.a.O., RdNrn. 12 ff., und Urteil vom 19.01.2010, a.a.O., RdNrn. 12).
70 
e) Die unmittelbare Anwendung der Richtlinie 2000/78/EG hat zur Folge, dass die altersdiskriminierende Regelung von den nationalen Gerichten nicht angewendet werden darf. Dies bedeutet, dass die Altersgrenze aus § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. nicht anzuwenden ist mit der Folge, dass Personen, die - wie der Kläger - ihre Ausbildungszeit vor Vollendung der 17. Lebensjahres absolviert haben, mit solchen gleich behandelt werden, die diese Zeit nach Vollendung des 17. Lebensjahres durchlaufen haben (aa). Für diese Gleichstellung fehlt es auch nicht an einem „rechtmäßigen Bezugssystem“ (bb).
71 
aa) Steht eine Vorschrift des nationalen Rechts mit Unionsrecht nicht in Einklang, verlangt zunächst die Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der Richtlinie 2000/78/EG zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem mit ihr verfolgten Ziel im Einklang steht (vgl. EuGH, Urteil vom 18.06.2014, a.a.O., RdNr. 88 m.w.N.).
72 
Ist eine mit den Anforderungen dieser Richtlinie übereinstimmende Auslegung und Anwendung der nationalen Regelung - wie hier - nicht möglich, muss eine unionsrechtswidrige nationale Regelung, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts, der auch dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters zukommt, unangewendet gelassen werden (vgl. EuGH, Urteil vom 18.06.2014, a.a.O., RdNr. 89; Urteil vom 19.01.2010, a.a.O., RdNr. 54; Urteil vom 22.11.2005, a.a.O., RdNr. 77 m.w.N.; ferner BVerwG, Urteil vom 28.10.2010, a.a.O.; Senatsurteile vom 06.11.2012, a.a.O., und vom 03.04.2012, a.a.O.).
73 
Von diesen Grundsätzen ausgehend ist § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 BeamtVG a.F. als Folge der unmittelbaren Anwendung der Richtlinie 2000/78/EG insoweit unanwendbar, als diese Vorschriften mit Unionsrecht nicht vereinbar sind. Der sich aus dem Wortlaut der Vorschriften ergebende Ausschluss von ruhegehaltfähiger Zeiten kann dem Anspruch des Klägers deshalb nicht entgegengesetzt werden. Vielmehr muss die Vorschrift als Rechtsgrundlage für den Ausspruch der begehrten Verpflichtung so angewandt werden, dass sie nicht zu einer Diskriminierung von Beamten wegen des Alters führt. Das kann nur dadurch geschehen, dass die Altersgrenze unangewendet bleibt und damit Ausbildungszeiten vor dem 17. Lebensjahr (im beantragten Umfang) berücksichtigt werden (ebenso - wie bereits die Vorinstanzen - der österreichische Oberste Gerichtshof, Entscheidung vom 04.08.2009 - OGH 9 Ob A 83/09k -, www.ris.bka.gv.at, zur in der Rechtssache „Hütter“ vom EuGH beanstandeten Altersgrenze; zust. Resch, ZESAR 2012, 257 <258> m.w.N.; ebenso für die in der Rechtssache „Kücükdeveci“ für unionsrechtswidrig befundene Altersgrenze aus § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. LAG Düsseldorf, Urteil vom 30.04.2010 - 9 Sa 354/09 -, Juris, und Beschluss vom 17.02.2010 - 12 Sa 1311/07 -, NZA-RR 2010, 240; Hessisches LAG, Urteil vom 23.04.2010 - 19 Sa 1309/09 -, Juris; s. dazu EuGH, Urteil vom 19.01.2010, a.a.O., RdNr. 51).
74 
Dass dies über die bloße Nichtanwendung eines Teils des Normtextes hinausgeht und bedeutet, einen vom Normgeber geregelten Anspruch einer von ihm bewusst nicht erfassten Gruppe von Begünstigten zu gewähren, ist nicht zu beanstanden. Denn anders lässt sich im vorliegenden Fall die volle Wirksamkeit der Richtlinie 2000/78/EG nicht herstellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.2010, a.a.O., Senatsurteil vom 03.04.2012, a.a.O., und OVG Bremen, Urteil vom 16.05.2013, a.a.O., zur Gleichstellung von Lebenspartnern mit Eheleuten bei der Hinterbliebenenversorgung; Senatsurteil vom 06.11.2012, a.a.O., zur Gleichstellung im Besoldungsrecht).
75 
Ohne Erfolg bleibt der hiergegen erhobene Einwand der Beklagten, es werde die Gewaltenteilung in Frage gestellt, wenn eindeutig formulierte nationale Gesetze „einfach für unanwendbar erklärt“ würden. Der mit diesem Einwand sinngemäß in Bezug genommene versorgungsrechtliche Gesetzesvorbehalt nach § 3 Abs. 1 BeamtVG steht der unmittelbaren Anwendung des Unionsrechts durch die Gerichte nicht entgegen. Denn der Gesetzesvorbehalt aus § 3 Abs. 1 BeamtVG nimmt nicht an den Verfassungsgrundsätzen teil, die den Anwendungsvorrang des Unionsrechts in Frage stellen könnten (vgl. Senatsurteil vom 06.11.2012, a.a.O., m.w.N., zu § 2 Abs. 1 BBesG).
76 
bb) Die Nichtanwendung der Altersgrenze aus § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. hat zur Folge, dass Personen, die ihre Ausbildungszeit - wie zum Teil der Kläger - vor Vollendung der 17. Lebensjahres absolviert haben, mit solchen, die sie jenseits dieser Altersgrenze durchlaufen haben, gleich behandelt werden. Für diese Gleichbehandlung fehlt es auch nicht an einem rechtmäßigen normativen Bezugssystem.
77 
Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 16 der Richtlinie 2000/78/EG verpflichtet, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufen, aufzuheben. Diese Vorschrift schreibt den Mitgliedstaaten zwar keine bestimmte Maßnahme im Fall einer Verletzung des Diskriminierungsverbots vor, sondern belässt ihnen nach Maßgabe der unterschiedlichen denkbaren Sachverhalte die Freiheit der Wahl unter den verschiedenen Lösungen, die zur Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels geeignet sind. Allerdings kann die Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung, wenn eine unionsrechtswidrige Diskriminierung festgestellt worden ist und solange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erlassen worden sind, nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur dadurch gewährleistet werden, dass den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden wie die, die den Angehörigen der privilegierten Gruppe zugutekommen, wobei diese Regelung, solange das Unionsrecht nicht richtig durchgeführt ist, das einzig gültige Bezugssystem bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2011 - C-399/09 -, Landtová, Slg. 2011, I-5573, RdNr. 51; Urteil vom 26.01.1999 - C-18/95 -, Terhoeve, Slg. 1999, I-345, RdNr. 57, m.w.N.).
78 
Der Gerichtshof hat zwar klargestellt, dass diese Lösung nur dann zur Anwendung kommt, wenn es ein „gültiges Bezugssystem“ gibt. An einem solchen rechtmäßigen Bezugssystem fehlt es, wenn es im Rahmen der altersdiskriminierenden nationalen Rechtsvorschriften nicht möglich ist, eine Kategorie bevorzugter Beamter zu benennen, weil diese Vorschriften für jeden Beamten gelten und die sich daraus ergebenden diskriminierenden Aspekte potenziell alle Beamten betreffen (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2014, a.a.O., RdNr. 96, in der Rechtssache „Specht u.a.“, sowie BVerwG, Urteil vom 30.10.2014, a.a.O., RdNrn. 18 ff., jeweils zu §§ 27 und 28 BBesG a.F. ). Das ist im vorliegenden Verfahren und dem hier interessierenden § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. jedoch nicht der Fall. Denn bei Beamten, die ihre Ausbildung nach dem 17. Lebensjahr begonnen haben, wirkt sich ihr Lebensalter nicht auf die Höhe der Versorgung aus. Hier ist es deshalb - anders als in der Rechtssache „Specht u.a.“ - möglich, eine Kategorie der von der Vorschrift bevorzugten und nicht altersdiskriminierten Beamten zu benennen (vgl. EuGH, Urteil vom 28.01.2015, a.a.O., RdNrn. 43 ff., zu den in der Rechtssache „Starjakob“ ähnlich gelagerten Regelungen des österreichischen Rechts, die bereits Gegenstand der Rechtssache „Hütter“ waren; zust. - auch zum Vorliegen eines „rechtmäßigen Bezugssystems“ - Wachter, ZESAR 2015, 388 <398>).
79 
Das rechtmäßige normative Bezugssystem besteht daher in § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. in der Anwendung auf Beamte, die ihre Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahr absolviert haben. Zur Herstellung der Gleichbehandlung sind den vom bisherigen Regelungssystem benachteiligten Beamten deshalb hinsichtlich der Berücksichtigung der vor der Vollendung des 17. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten dieselben Vorteile zu gewähren, wie sie den von diesem System begünstigten Beamten zuteil geworden sind (vgl. EuGH, Urteil vom 28.01.2015, a.a.O., RdNrn. 43 ff.; s. ferner den österreichischen Obersten Gerichtshof, Beschluss vom 20.03.2015 - 9 ObA 1715v -, der einen Anspruch auf Anrechnung der [dort] vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Dienstzeiten anerkannt hat; dazu Wachter, a.a.O.). Das bedeutet, dass der Kläger durch Anrechnung der vor Vollendung seines 17. Lebensjahres zurückgelegten Ausbildungszeiten (im beantragten Umfang) gleichzustellen ist.
80 
3. Das der Beklagten nach § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. bei der Anerkennung von Ausbildungszeiten grundsätzlich zustehende Ermessen („kann“), ist auf Null reduziert.
81 
Handelt es sich - wie hier (s.o. unter 1.) - um vorgeschriebene Ausbildungszeiten, die der Beamte nicht im Beamtenverhältnis absolvieren konnte, reduziert sich das Ermessen der Versorgungsbehörde aufgrund des Zwecks dieser Vorschrift, durch die Anrechnung von Ausbildungszeiten Versorgungslücken zu schließen (vgl. erneut BVerwG, Urteil vom 26.01.2012, a.a.O., und oben unter 2.c)aa). Sie darf die Berücksichtigung der vorgeschriebenen Ausbildungszeiten in einem solchen Fall nur dann ablehnen, wenn der Beamte aufgrund dieser Zeiten andere Versorgungsansprüche erworben hat. Ist das nicht der Fall, ist das Ermessen auf Null reduziert (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2008 - 2 C 9/08 -, Buchholz 239.1 § 12 BeamtVG Nr. 17, m.w.N.). So liegt der Fall auch hier.
82 
Eine andere Beurteilung der Rechtsfolgenseite des § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. ergibt sich auch nicht daraus, dass der Tatbestand dieser Vorschrift bei der Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben eine Modifizierung erfährt. Die auf die Vollendung des 17. Lebensjahres abstellende Altersgrenze ist aus den oben (unter 2.) genannten Gründen auch im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, der die Berücksichtigung von im Beamtenverhältnis zurückgelegten Dienstzeiten zwingend - ohne Ermessen - vorschreibt, unionsrechtswidrig. Deshalb kann die von § 12 BeamtVG bezweckte versorgungsrechtliche Gleichstellung von Zeiten in einem Ausbildungsverhältnis mit Zeiten in einem Beamtenverhältnis (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 24.09.2009, a.a.O.) nur erreicht werden, wenn die zur Ermessensreduzierung entwickelten Grundsätze auch bei der unionsrechtlich modifizierten Anwendung des § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. beibehalten werden.
II.
83 
Der sich nach § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG mithin ergebende Ruhegehaltssatz von 73,83 v.H. ist nach § 85 Abs. 4 BeamtVG für Berechnung des Ruhegehalts maßgeblich.
84 
1. Nach § 85 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG ist der sich nach § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ergebende Ruhegehaltssatz zugrunde zu legen, wenn er höher ist als der Ruhegehaltssatz, der sich nach dem Beamtenversorgungsgesetz geltender Fassung für die gesamte ruhegehaltfähige Dienstzeit ergibt. Das ist hier der Fall. Denn der Ruhegehaltssatz beträgt nach Maßgabe der geltenden Bestimmungen - und bei Berücksichtigung des vom Klageantrag (allein) umfassten weiteren einen Dienstjahres - 73,16 v.H.
85 
Der Ruhegehaltssatz berechnet sich im Fall des mit Ablauf des 31.10.2010 in den Ruhestand versetzten Klägers für die Vergleichsrechnung des § 85 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG gemäß § 69e Abs. 2 Satz 1 BeamtVG nach § 14 Abs. 1 BeamtVG in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung, da die achte auf den 31.12.2002 folgenden Anpassung nach § 70 BeamtVG erst am 01.01.2011 in Kraft getreten ist (vgl. § 69e Abs. 2 Satz 4 BeamtVG und dazu Zahn/Bauer, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, a.a.O., § 14 BeamtVG RdNr. 19).
86 
Nach § 14 Abs. 1 BeamtVG in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung beträgt das Ruhegehalt für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit 1,875 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge, insgesamt jedoch höchstens 75 v.H., wobei der Ruhegehaltssatz auf zwei Dezimalstellen auszurechnen und die zweite Dezimalstelle um eins zu erhöhen ist, wenn in der dritten Stelle eine der Ziffern fünf bis neun verbleiben würde, und wobei zur Ermittlung der gesamten ruhegehaltfähigen Dienstjahre etwa anfallende Tage unter Benutzung des Nenners dreihundertfünfundsechzig umzurechnen sind.
87 
Ruhegehaltfähig ist unter Zugrundelegung von § 12 BeamtVG n.F. die Zeit vom 01.09.1970 bis 31.10.2010, da die in dieser Vorschrift enthaltene Altersgrenze aus den oben (unter I.) genannten Gründen ebenfalls unionsrechtswidrig und deshalb nicht anzuwenden ist. Da der Kläger mit seinem Klageantrag allerdings über die von der Beklagten hinaus anerkannte Dienstzeit von 38 Jahren und 6 Tagen (vgl. Anlage B zum Bescheid vom 15.12.2010) nur die Anerkennung eines weiteren Jahres geltend gemacht hat, ergibt sich bei einer Dienstzeit von 39 Jahren und 6 Tagen, d.h. 39,02 Jahren (6 : 365 = 0,016… ≈ 0,02 Jahre), ein Ruhegehaltssatz von 73,16 v.H. (39,02 x 1,875 = 73,1625).
88 
2. Nach § 85 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG darf der sich nach § 85 Abs. 1 BeamtVG ergebende Ruhegehaltssatz - hier 73,83 v.H. - den Ruhegehaltssatz, der sich nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht ergäbe, nicht übersteigen. Auch das ist der Fall. Denn bei Zugrundelegung einer - dem Klageantrag entsprechenden - ruhegehaltfähigen Dienstzeit von 39 Jahren und 6 Tagen, die auf 39 Jahre abzurunden ist (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 a.E. BeamtVG a.F.), ergibt sich ein Ruhegehaltssatz von 75 v.H. (35 v.H. für die ersten zehn Jahre zzgl. 30 v.H. für das elfte bis zum 25. Dienstjahr zzgl. 14 v.H. für das 26. bis 39. Dienstjahr = 79 v.H., berücksichtigungsfähig bis zum Höchstsatz vom damals 75 v.H., vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F.).
III.
89 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
90 
Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Frage, ob die Nichtberücksichtigung von vor dem 17. Lebensjahr vollendeten Ausbildungszeiten bei der beamtenversorgungsrechtlichen Festsetzung von ruhegehaltfähigen Dienstzeiten mit Unionsrecht in Einklang steht, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt.
91 
Beschluss vom 17. Dezember 2015
92 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.722,48 EUR festgesetzt.
93 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG in Orientierung an Nummer 10.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.05./01.06.2012 und am 16.07.2013 beschlossenen Änderungen. Dabei legt der Senat die Angaben der Beklagten im Schriftsatz vom 10.06.2014 zugrunde, wonach die Differenz zwischen innegehabtem und erstrebtem Teilstatus 71,77 EUR beträgt. Anzusetzen sind somit als zweifacher Jahresbetrag 1.722,48 EUR.
94 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
14 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
15 
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, dem Kläger Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung eines weiteren Jahres ruhege-haltfähiger Dienstzeit in der Zeit bis zum 31.12.1991 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Der Kläger hat einen entsprechenden Anspruch (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid der Deutschen Telekom AG vom 15.12.2010 und ihren Widerspruchsbescheid vom 18.01.2012 allerdings in vollem Umfang aufgehoben, obwohl die Bescheide dem Verpflichtungsausspruch nur teilweise entgegenstehen. Daher ist die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Tenor entsprechend neu gefasst wird.
16 
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 85 Abs. 1 und 4 BeamtVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.02.2010 (BGBl. I S. 150), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.03.2012 (BGBl. I 2011, S. 2842), i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG in der bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung vom 12.02.1987 (BGBl. I S. 570 ) und der Richtlinie 2000/78/EG.
17 
Nach § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG bleibt, wenn ein Beamtenverhältnis, aus dem der Beamte in den Ruhestand tritt, bereits am 31.12.1991 bestanden hat, der zu diesem Zeitpunkt erreichte Ruhegehaltssatz gewahrt. Dabei richtet sich die Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit und des Ruhegehaltssatzes nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht (§ 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG). Der sich nach § 85 Abs. 1 BeamtVG ergebende Ruhegehaltssatz wird der Berechnung des Ruhegehalts zugrunde gelegt, wenn er höher ist als der Ruhegehaltssatz, der sich nach dem Beamtenversorgungsgesetz für die gesamte ruhegehaltfähige Dienstzeit ergibt (§ 85 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG). Der sich nach § 85 Abs. 1 BeamtVG ergebende Ruhegehaltssatz darf den Ruhegehaltssatz, der sich nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht ergäbe, nicht übersteigen (§ 85 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG).
18 
Danach ist das Ruhegehalt des Klägers, der am Stichtag 31.12.1991 Beamter war und seitdem bis zum Eintritt in den Ruhestand ununterbrochen in einem Beamtenverhältnis stand, nach der sog. Mischrechnung (BVerwG, Urteil vom 01.09.2005 - 2 C 28.04 -, Buchholz 239.1 § 12 BeamtVG Nr. 15) des § 85 Abs. 1 BeamtVG zu bestimmen. Denn der sich bei der unionsrechtlich gebotenen Berücksichtigung der vor Vollendung des 17. Lebensjahres absolvierten Ausbildungszeiten im Umfang des vom Klageantrag (allein) umfassten weiteren Jahres ergebende Ruhegehaltssatz (73,83 v.H., dazu I.) ist höher als bei Zugrundelegung des - die genannten Ausbildungszeiten ebenfalls berücksichtigenden - Beamtenversorgungsgesetzes geltender Fassung (73,16 v.H., dazu II.1) und er übersteigt auch nicht den Ruhegehaltssatz, zu dem die alleinige Anwendung des bis zum 31.12.1991 geltenden Rechts führt (75 v.H., dazu II.2.).
I.
19 
Der sich nach § 85 Abs. 1 BeamtVG ergebende Ruhegehaltssatz des Klägers beträgt - bei Berücksichtigung des vom Klageantrag (allein) umfassten einen weiteren Jahres - 73,83 v.H.
20 
Zuzüglich zu dem Ruhegehaltssatz von 18,83 v.H. für Zeit vom 01.01.1992 bis 31.10.2010 (18 Jahre und 304 Tage = 18,83 Jahre, vgl. § 85 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG) ist ein Ruhegehaltssatz für die davor liegende Zeit zu berücksichtigen, der nicht, wie im angefochtenen Bescheid geschehen, ausgehend von einer ruhegehaltfähigen Dienstzeit von abgerundet 19 Jahren mit 53 v.H. (vgl. Anlage C des Bescheids vom 15.12.2010), sondern ausgehend von einer Dienstzeit von 20 Jahren mit 55 v.H. anzusetzen ist (35 v.H. für die ersten zehn Jahre zuzüglich 20 v.H. für die folgenden zehn Jahre, vgl. § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F.). Denn der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass bei der von § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG angeordneten Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. nicht nur die von der Beklagten bereits als ruhegehaltfähig anerkannten Zeiten zugrunde gelegt werden, die er bis zum 31.12.1991 im Beamtenverhältnis (01.10.1977 bis 31.12.1991, vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F.) und im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im Dienst der Beklagten (13.07.1973 bis 30.09.1977, vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG) sowie nach Vollendung seines 17. Lebensjahres in einem Ausbildungsverhältnis verbracht hat (26.10.1972 bis 12.07.1973, vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F.). Ruhegehaltfähig ist nach § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. und der Richtlinie 2000/78/EG vielmehr auch die vor dieser Altersgrenze im Ausbildungsverhältnis geleistete Zeit (01.09.1970 bis 25.10.1973) und damit auch das vom Klageantrag (allein) umfasste eine weitere Jahr vor dem 26.10.1972.
21 
Nach § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. kann die nach Vollendung des 17. Lebensjahres verbrachte Mindestzeit der außer der allgemeinen Schulbildung vorgeschriebenen Ausbildung (Fachschul-, Hochschul- und praktische Ausbildung, Vorbereitungsdienst, übliche Prüfungszeit), als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden. Die vom Kläger vom 01.09.1970 bis zum 12.07.1973 bei der damaligen Deutschen Bundespost absolvierte Ausbildung zum Fernmeldehandwerker ist eine „vorgeschriebene Ausbildung“ im Sinne dieser Vorschrift und deshalb dem Grunde nach ruhegehaltfähig (1.). Dem zeitlichen Umfang nach ist die Ausbildung nicht nur ruhegehaltfähig, soweit der Kläger sie nach, sondern auch soweit er sie vor Vollendung seines 17. Lebensjahres durchlaufen hat. Die im nationalen Recht enthaltene Beschränkung auf Zeiten ab der Vollendung des 17. Lebensjahres ist unionsrechtswidrig und deshalb nicht anzuwenden (2.). Das der Beklagten bei der Anerkennung von Ausbildungszeiten grundsätzlich eingeräumte Ermessen ist auf Null reduziert (3.).
22 
1. Bei der Ausbildung des Klägers handelt es sich um eine im Sinne des § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. für die Übernahme in den damaligen mittleren fernmeldetechnischen Dienst „vorgeschriebene“ Ausbildung.
23 
„Vorgeschrieben“ ist eine Ausbildung, wenn sie zur der Zeit ihrer Ableistung aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zur Übertragung des ersten statusrechtlichen Amtes erforderlich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.05.2014 - 2 B 91.13 -, Juris, und Urteil vom 26.01.2012 - 2 C 49.10 -, Buchholz 239.1 § 67 BeamtVG Nr. 5, m.w.N.; OVG des Saarlandes, Urteil vom 05.07.2013 - 1 A 292/13 -, NVwZ-RR 2014, 153; jeweils m.w.N.). Das war bei der Ausbildung des Klägers zum Fernmeldehandwerker der Fall. Nach der Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbeamten (BLV) vom 27.04.1970 (BGBl. I S. 422), geändert durch die Verordnung vom 14.09.1972 (BGBl. I S. 1765), konnte in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des allgemeinen mittleren Dienstes eingestellt werden, wer mindestens eine Hauptschule mit Erfolg besucht hatte oder eine entsprechende Schulbildung besaß (§ 17 Abs. 1 BLV). Bewerber für Laufbahnen des technischen Dienstes mussten außerdem die vorgeschriebenen fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nachweisen, was u.a. durch Zeugnisse über mindestens die Gesellenprüfung in einem der betreffenden Fachrichtung entsprechenden Handwerk (§ 31 HwO) oder eine entsprechende Abschlussprüfung im Sinne des § 34 Abs. 1 BBiG geschehen konnte (§ 17 Abs. 2 BLV). Damit war (auch) die vom Kläger absolvierte technische Ausbildung eine für seine Laufbahn „vorgeschriebene“ Ausbildung im Sinne des § 12 BeamtVG (vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 05.07.2013, a.a.O.; VG Hannover, Urteil vom 31.05.2013 - 2 A 2922/12 -, Juris; jeweils zur Anerkennungsfähigkeit einer Ausbildung zum Fernmeldehandwerker im Rahmen des § 12 BeamtVG).
24 
2. Die Ausbildung des Klägers ist nicht nur nach der Vollendung seines 17. Lebensjahres (26.10.1972 bis 12.07.1973), sondern auch in dem davor liegenden Zeitraum (01.09.1970 bis 25.10.1972) - und damit auch im Umfang des vom Klagebegehren umfassten weiteren Jahres - berücksichtigungsfähig.
25 
Der Anerkennung eines über den von der Beklagten bereits berücksichtigten Zeitraum (26.10.1972 bis 12.07.1973, d.h. 260 Tage) hinausgehenden weiteren Jahres Ausbildungszeit steht nicht entgegen, dass nach § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. nur die „Mindestzeit“ einer Ausbildung berücksichtigungsfähig ist. Der Kläger hat die Ausbildungsdauer des Ausbildungsberufs „Fernmeldehandwerker“, die grundsätzlich dreieinhalb Jahre betrug (vgl. die Ausbildungsordnung für Fernmeldelehrlinge der Deutschen Bundespost, ABl. des Bundesministers für Post- und Fernmeldewesen Nr. 106 vom 04.01.1964, i.V.m. §§ 3, 10 Abs. 1 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Fernmeldehandwerker vom 09.10.1972, BGBl. I S. 1893), nicht überschritten.
26 
Der Anerkennung eines weiteren Jahres Ausbildungszeit steht auch nicht entgegen, dass § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. Zeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres von einer Berücksichtigung ausschließt. Diese Regelung ist unionsrechtswidrig, weil sie eine in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG fallende (a) Ungleichbehandlung wegen Alters darstellt (b), die nicht gerechtfertigt ist (c). Dieser Verstoß gegen die Richtlinie, auf die sich der Kläger unmittelbar berufen kann (d), hat zur Folge, dass die Altersgrenze nicht angewendet werden darf (e).
27 
a) Die Regelung aus § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. fällt in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG.
28 
Geltung beansprucht die Richtlinie im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, (u.a.) in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich des Arbeitsentgelts (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78/EG).
29 
aa) Der persönliche Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG ist eröffnet. Ein Ruhestandsbeamter ist bei einem Streit mit seinem Dienstherrn um Leistungen, die in seinem aktiven Beamtenverhältnis wurzeln, eine „Person im öffentlichen Bereich“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2014, a.a.O., RdNr. 36, zu Beamten und Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst).
30 
bb) Auch der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie ist eröffnet.
31 
(1) Bei den zwischen den Beteiligten umstrittenen Versorgungsbezügen handelt es sich um „Arbeitsentgelt“. Unter den Begriff des „Arbeitsentgelts“ im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG fällt jede Form des „Entgelts“ im Sinne des Art. 157 Abs. 2 AEUV (vgl. den 13. Erwägungsgrund der Richtlinie und EuGH, Urteil vom 26.09.2013 - C-546/11 -, Dansk Jurist, NVwZ 2013, 1401, RdNr. 25 f.). Unter Entgelt im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen „Vergütungen“ zu verstehen, die der Arbeitgeber „aufgrund des Dienstverhältnisses“ dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt. Zu diesen „Vergütungen“ können auch Leistungen zählen, die erst nach dem Ende der aktiven Arbeits- bzw. Dienstzeit gewährt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 06.10.1993 - C-109/91 -, Ten Över, Slg. 1993, I-4879, RdNrn. 7 ff.; Urteil vom 17.05.1990 - C-262/88 -, Barber, NJW 1991, 2204, RdNrn. 21 ff.; BVerwG, Urteil vom 28.10.2010, a.a.O.). Für die Beurteilung der Frage, ob eine Rente oder ein Ruhegehalt von Art. 157 Abs. 2 AEUV erfasst ist, ist entscheidend, ob die Leistung dem Betreffenden „aufgrund seines Dienstverhältnisses“ mit seinem früheren Arbeitgeber gezahlt wird (sog. „Kriterium der Beschäftigung“, vgl. EuGH, Urteil vom 01.04.2008 - C-267/08 -, Maruko, Slg. 2008, I-1757, RdNr. 46; Urteil vom 23.10.2003 - C-4/02 u.a. -, Schönheit und Becker, Slg. I 2003, 12575, RdNr. 56). Dieses Kriterium ist zwar nicht erfüllt bei Ansprüchen aus gesetzlichen Systemen, an deren Finanzierung Arbeitnehmer, Arbeitgeber und gegebenenfalls die öffentliche Hand in einem Maße beteiligt sind, das weniger vom Dienstverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als von sozialpolitischen Erwägungen abhängt (vgl. EuGH, Urteil vom 15.04.2008 - C-268/06 -, Impact, Slg. 2008. I-2483, RdNr. 131; EuGH, Urteil vom 29.11.2001 - C-366/99 -, Griesmar, Slg. 2001, I-9383, RdNr. 27). Die von einem öffentlichen Dienstherrn oder Arbeitgeber im Rahmen eines gesetzlich geregelten Systems geleistete Versorgung steht aber dann völlig einer Rente gleich, die ein privater Arbeitgeber seinen ehemaligen Arbeitnehmern zahlen würde, wenn sie nur für eine besondere Gruppe von Bediensteten gilt, wenn sie unmittelbar von der abgeleisteten Dienstzeit abhängt und wenn ihre Höhe nach den letzten Bezügen des Bediensteten berechnet wird (vgl. EuGH, Urteil vom 01.04.2008, a.a.O., RdNr. 48; Urteil vom 23.10.2003, a.a.O., RdNr. 57 ff.; Urteil vom 29.11.2001, a.a.O., RdNr. 30 f.).
32 
Diese drei Voraussetzungen sind bei einem Ruhegehalt, das ein Dienstherr nach dem Beamtenversorgungsgesetz zahlt, erfüllt. Denn bei den Beamten handelt es sich um eine „besondere Gruppe von Bediensteten“ (vgl. EuGH, Urteil vom 23.10.2003, a.a.O., RdNr. 60; Urteil vom 29.11.2001, a.a.O., RdNr. 31), das Ruhegehalt hängt von der geleisteten Dienstzeit ab (vgl. § 4 Abs. 1, § 14 Abs. 1 BeamtVG) und seine Höhe wird nach den letzten Besoldungsbezügen berechnet (vgl. § 5 Abs. 1, § 14 Abs. 1 BeamtVG). Eine Ruhegehalt nach dem Beamtenversorgungsgesetz fällt damit in den Anwendungsbereich des Art. 157 Abs. 2 AEUV (vgl. EuGH, Urteil vom 23.10.2003, a.a.O., RdNr. 63; s. ferner zum französischen Beamtenpensionssystem Urteil vom 29.11.2001, a.a.O., RdNr. 30 ff., 35) sowie folglich in denjenigen der Richtlinie 2000/78/EG (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.2010, a.a.O., zur Hinterbliebenenversorgung nach §§ 18 ff. BeamtVG; Senatsurteil vom 03.04.2012 - 4 S 1773/09 -, VBlBW 2012, 477, sowie OVG Bremen, Urteil vom 16.05.2013 - 2 A 409/05 -, Juris, jeweils zum Witwengeld nach § 28 BeamtVG).
33 
(2) Kein anderes Ergebnis folgt aus dem von der Beklagten in Bezug genommenen Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG. Nach dieser Vorschrift gilt die Richtlinie nicht für Leistungen jeder Art „seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes.“ Diese Bereichsausnahme ist in Verbindung mit dem 13. Erwägungsgrund der Richtlinie so auszulegen, dass sich der Geltungsbereich der Richtlinie „weder auf die Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme erstreckt, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung von Art. 157 AEUV gegeben wurde, noch auf Vergütungen jeder Art seitens des Staates, die den Zugang zu einer Beschäftigung oder die Aufrechterhaltung eines Beschäftigungsverhältnisses zum Ziel haben“ (vgl. EuGH, Urteil vom 26.09.2013 - C-476/11 -, HK Danmark, EuZW 2013, 951, RdNr. 25; Urteil vom 10.05.2011 - C-147/08 -, Römer, Slg. 2011, I-3591, RdNr. 32 ff. m.w.N.; Urteil vom 01.04.2008, a.a.O., RdNr. 41). Nach diesen Grundsätzen fällt das Ruhegehalt des Klägers nicht unter die Bereichsausnahme des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG in Verbindung mit dem 13. Erwägungsgrund. Denn es handelt es sich dabei, wie gezeigt, um Entgelt im Sinne des Art. 157 Abs. 2 AEUV und es betrifft weder den Zugang zu einer Beschäftigung noch die Aufrechterhaltung eines Beschäftigungsverhältnisses.
34 
(3) Die Anwendung der Richtlinie 2000/78/EG ist im vorliegenden Fall auch nicht durch das Protokoll zu Art. 157 AEUV ausgeschlossen.
35 
Nach diesem Protokoll (Protokoll Nr. 33 zum AEUV), das im Rang von Primärrecht steht (vgl. Art. 51 EUV), gelten im Sinne des Art. 157 AEUV „Leistungen aufgrund eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit“ nicht als Entgelt, „sofern und soweit sie auf Beschäftigungszeiten vor dem 17.05.1990 zurückgeführt werden können, außer im Fall von Arbeitnehmern oder deren anspruchsberechtigten Angehörigen, die vor diesem Zeitpunkt eine Klage bei Gericht oder ein gleichwertiges Verfahren nach geltendem einzelstaatlichen Recht anhängig gemacht haben.“ Bei dem Versorgungssystem des Beamtenversorgungsgesetzes handelt es sich zwar - da es, wie gezeigt, kein „gesetzliches System der sozialen Sicherheit“ darstellt - um ein „betriebliches System der sozialen Sicherheit“ (vgl. EuGH, Urteil vom 23.10.2003, a.a.O., RdNr. 65). Auch stützt der Kläger sein Klagebegehren ausschließlich auf Beschäftigungszeiten vor dem 17.05.1990. Daraus folgt jedoch nicht, dass die begehrten Versorgungsleistungen aus dem Begriff des „Arbeitsentgeltes“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG fallen.
36 
Das Protokoll zu Art. 157 AEUV ist eine Reaktion des damaligen Gemeinschaftsgesetzgebers auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17.05.1990 in der Rechtssache „Barber“ (C-262/88, a.a.O.). Der Gerichtshof hatte damals erstmals entschieden, dass auch Renten aus einem betrieblichen System unter den Begriff des „Entgelts“ im Sinne des damaligen Art. 119 EG-Vertrages (später Art. 141 EG, heute Art. 157 AEUV) fallen und deshalb an dem dort normierten Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen zu messen seien. In der mündlichen Verhandlung zu diesem Verfahren hatte das Vereinigte Königreich darauf hingewiesen, dass eine solche Auslegung zu schwerwiegenden finanziellen Folgen führen würde, weil es in Großbritannien zahlreiche solcher Systeme gebe, die von diesem Grundsatz abwichen. Der Europäische Gerichtshof hat dem Rechnung getragen, indem er die zeitlichen Wirkungen seiner Entscheidung beschränkt und für Recht erkannt hat, dass sich grundsätzlich „niemand auf die unmittelbare Wirkung von Art. 119 EG-Vertrag berufen kann, um mit Wirkung von einem vor Erlass des vorliegenden Urteils einen Rentenanspruch geltend zu machen“ (EuGH, Urteil vom 17.05.1990, a.a.O., RdNr. 45; s. auch Urteil vom 06.10.1993, a.a.O., RdNrn. 15 ff.). Um Unklarheiten zu den zeitlichen Wirkungen der Entscheidung „Barber“ zu beseitigen, wurde dem EG-Vertrag in der Schlussakte des Maastrichter Vertrags zur Gründung der Europäischen Union das zitierte Protokoll beigefügt (vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 157 AEUV RdNr. 158), das die Auslegung des Gerichtshofs auf sämtliche Leistungen aufgrund eines „betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit“ erstreckt (vgl. EuGH, Urteil vom 23.10.2003, a.a.O., RdNr. 101).
37 
Das Protokoll befasst sich allerdings - ebenso wie die Entscheidung „Barber“ - nur mit der Auslegung des Art. 157 AEUV und dem dort allein normierten Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Bezug von Entgelt. Diskriminierungen wegen des Geschlechts sind demgegenüber nicht Gegenstand der Richtlinie 2000/78/EG (vgl. deren Art. 1). Deshalb kann allein aus dem Umstand, dass eine (Versorgungs-)Leistung unter das Protokoll zu Art. 157 AEUV fällt, nicht geschlossen werden, dass sie aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG herausfällt (vgl. EuGH, Urteil vom 01.04.2008, a.a.O., RdNrn. 77 ff., in der Rechtssache „Maruko“). Diese Rechtsauffassung teilt auch der Unionsgesetzgeber. Denn er hat bei der auf Art. 141 EGV (Art. 157 AEUV) gestützten Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.07.2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. L 204/23) die „Barber“-Rechtsprechung in das Sekundärrecht übernommen (vgl. Art. 12 der Richtlinie 2006/54/EG; Grabitz/Hilf/Nettesheim, a.a.O., RdNr. 76). In der vorliegend allein maßgeblichen Richtlinie 2000/78/EG, die sich mit anderen Unterscheidungskriterien als dem Geschlecht befasst (vgl. Erwägungsgründe 2 bis 4 und Art. 1 der Richtlinie), ist eine solche Einschränkung hingegen nicht vorgesehen.
38 
Sie wäre daher allenfalls dann in Betracht zu ziehen - und zum Anlass für ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zu nehmen (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 01.04.2008, a.a.O., RdNrn. 77) -, wenn den Akten etwas dafür zu entnehmen wäre, „dass die Gefahr besteht, dass das finanzielle Gleichgewicht des Systems“ der Versorgung nach dem Beamtenversorgungsgesetz durch das Fehlen einer zeitlichen Beschränkung „rückwirkend erschüttert würde“ (vgl. EuGH, Urteil vom 01.04.2008, a.a.O., RdNrn. 78). Hierfür sind Anhaltspunkte jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die haushalterischen und finanziellen Auswirkungen einer Streichung der Altersgrenze begrenzt wären. Der von einem Wegfall der Altersgrenze betroffene Personenkreis dürfte „- gerade aufgrund seines frühen Diensteintritts - bei Erreichen der maßgeblichen Regelaltersgrenze ohnehin regelmäßig den Höchstruhegehaltssatz erreicht haben, so dass die Berücksichtigung von vor Vollendung des 17. Lebensjahres liegenden Zeiten regelmäßig keinerlei Erhöhung des Ruhegehaltssatzes zur Folge haben würde. (…) Im Übrigen würden davon nur Einzelfälle des früheren einfachen und mittleren Dienstes erfasst sein, weil nur dort aufgrund der dafür geforderten Vorbildung berücksichtigungsfähige Zeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres überhaupt entstehen können. (…) Angesichts der nunmehr geforderten schulischen Mindestausbildung als vorgeschriebene Vorbildung für die entsprechende Laufbahn dürfte es sich auch nur noch um vereinzelte Fälle aus der Vergangenheit und auch dort nur um Monatszeiträume handeln“ (Weinbrenner/Schmalhofer, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht, Bd. I, § 10 BeamtVG RdNr. 12). Dass diese Erwägungen zutreffen, bestätigt der Sachverhalt des vorliegenden Falls.
39 
b) § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. bewirkt eine „unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters“ im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG.
40 
Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Art. 1 der Richtlinie genannten Gründe - darunter ihr Alter - in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
41 
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Denn die fragliche Altersgrenze führt dazu, wie das vom Kläger benannte Beispiel zeigt, dass Personen, die ihre Ausbildung, wenn auch nur teilweise, vor Vollendung des 17. Lebensjahrs absolviert haben, bei der Berechnung ihrer Versorgung weniger günstig behandelt werden, als Personen, die - bei im Übrigen gleicher beruflicher Vita - ihre Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres erworben haben (vgl. EuGH, Urteil vom 18.06.2009 - C-88/08 -, Hütter, Slg. 2009, I-5325, RdNr. 38, zu einer ähnlich gelagerten Altersgrenzenbestimmung des österreichischen Rechts, die der dortige Gesetzgeber als Reaktion auf diese Entscheidung abgeschafft hat - s. zu Letzterem EuGH, Urteil vom 28.01.2015 - C-417/13 -, Starjakob, NZA 2015, 217, RdNr. 11 ff., 25; Urteil vom 11.11.2014 - C-530/13 -, Schmitzer, NVwZ-RR 2015, 180, RdNr. 29 -; s. ferner EuGH, Urteil vom 19.01.2010 - C-555/07 -, Kücükdeveci, Slg. 2010, I-365, RdNrn. 29-31, zu der in § 622 Abs. 2 BGB a.F. enthaltenen, unionsrechtswidrigen Altersgrenze; zum Beamtenversorgungsrecht ebenso VG Bremen, Urteil vom 17.02.2014 - 2 K 1907/10 -, Juris; wohl auch Weinbrenner/Schmalhofer, a.a.O., RdNr. 12; s. weiter §§ 6 ff. BremBeamtVG in der Fassung vom 04.11.2014, Brem. GBl. S. 458, und Brem. Bürgerschaft, Drs. 18/1519, Begr. zu § 6 Abs. 1 des Entwurfs, dazu, dass der bremische Landesgesetzgeber den Ausschluss von Zeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres mit Blick auf die Rechtssache „Kücükdeveci“ als „kritisch“ eingeordnet und die Regelung bei der Neuordnung seines Beamtenversorgungsrechts abgeschafft hat; §§ 21 ff. LBeamtVGBW und LT-Drs. 14/6694, S. 510, dazu, dass der baden-württembergische Landesgesetzgeber die genannte Altersgrenze wegen ähnlicher rechtlicher Bedenken bei der Dienstrechtsreform vom 01.01.2011 nicht in das Landesrecht übernommen hat).
42 
c) Bei der durch § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG a.F. bewirkten unmittelbaren Ungleichbehandlung wegen des Alters handelt es sich auch um eine nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG untersagte Diskriminierung.
43 
Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG stellt eine Ungleichbehandlung wegen des Alters keine Diskriminierung dar, sofern sie objektiv und angemessen ist und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Der Bundesgesetzgeber verfolgt mit § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. zwar „rechtmäßige Ziele“ (aa). Er hat dafür aber kein „angemessenes und erforderliches Mittel“ gewählt (bb). Aus dem von der Beklagten zur Rechtfertigung angeführten Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG folgt nichts anderes (cc).
44 
aa) „Rechtmäßig“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG sind, wie die in der Richtlinie genannten Beispiele zeigen, sozialpolitische Ziele, die sich insoweit, als sie im Allgemeininteresse stehen, von rein individuellen Beweggründen, die der Situation des Arbeitgebers eigen sind, wie Kostenreduzierung oder Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, unterscheiden (vgl. EuGH, Urteil vom 05.03.2009 - C-388/07 -, Age Concern England, Slg. 2009 I-1569, RdNr. 46).
45 
Der Gesetzgeber verfolgt sowohl mit § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG selbst (1) als auch mit dem von ihm zur Anwendung gebrachten § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. (2) in diesem Sinne legitime Ziele.
46 
(1) § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG wurde durch Art. 1 Nr. 34 des Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften (BeamtVGÄndG) vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2218) mit Wirkung vom 01.01.1992 eingeführt. Durch dieses Gesetz wurde mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung eine der Rentenstrukturreform 1992 entsprechende Kostensenkung der Versorgungshaushalte bezweckt (vgl. BT-Drs. 11/5372, S. 1, 22 f.). Dazu wurde u.a. die bis dahin geltende degressive Ruhegehaltsskala (vgl. § 14 Abs. 1 BeamtVG a.F.) durch eine linearisierte Ruhegehaltsskala mit einem einheitlichen Steigerungssatz von (damals) 1,875 v.H. abgelöst, bei der der Höchstruhegehaltssatz von (damals) 75 v.H. nach einer ruhegehaltfähigen Dienstzeit von 40 Jahren erreicht wurde (75 : 40 = 1,875, vgl. BT-Drs. 11/5372, S. 24). Ergänzend hierzu sollten mit § 85 BeamtVG für beim Inkrafttreten des BeamtVGÄndG im Dienst stehende Beamte Übergangsregelungen „aus der Sicht des notwendigen Vertrauensschutzes“ geschaffen werden (BT-Drs. 11/5372, S. 27 f.). § 85 BeamtVG dient mithin dem (versorgungsrechtlichen) Bestandsschutz (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.2009 - 2 C 63.08 -, BVerwGE 135, 14; ähnlich Stadler, in: Fürst, GKÖD, Bd. I, § 85 BeamtVG RdNr. 5).
47 
Bei diesem Gesetzeszweck handelt es sich um ein rechtmäßiges Ziel im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG. Die Wahrung des Besitzstandes einer Personengruppe ist ebenso wie der Vertrauensschutz als zwingender Grund des „Allgemeininteresses“ anerkannt (vgl. EuGH, Urteil vom 09.09.2015 - C-20/13 -, Unland, ZBR 2015, 414, RdNr. 42; Urteil vom 19.06.2014, a.a.O., RdNr. 63 f., m.w.N.).
48 
(2) Welchem Zweck die innerhalb dieser Bestandsschutzregelungen aufrechterhaltene Altersgrenze aus § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. dient, hat der Bundesgesetzgeber im Gesetz selbst nicht ausdrücklich klargestellt. Daraus allein folgt allerdings nicht, dass es deshalb an einem „rechtmäßigen Ziel“ fehlt. Eine nationale Regelung, die das angestrebte Ziel nicht genau angibt, ist nicht automatisch von einer Rechtfertigung nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG ausgeschlossen. Fehlt es an einer solchen genauen Angabe, „ist allerdings wichtig, dass andere - aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete - Anhaltspunkte die Feststellung des hinter dieser Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, damit dessen Rechtmäßigkeit sowie die Angemessenheit und Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüft werden können“ (EuGH, Urteil vom 21.07.2011 - C-159/10 u.a -, Fuchs und Köhler, Slg. 2011 I-6919, RdNr. 39, m.w.N.; Urteil vom 16.10.2007 - C-411/05 -, Palacios de la Villa, Slg. 2007, I-8531, RdNrn. 56 f.).
49 
Der „allgemeine Kontext“ des § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F., in den diese spezielle Regelung zur Ermittlung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit gestellt ist, ergibt sich aus der allgemeinen Regelung in § 6 BeamtVG. Danach ist ruhegehaltfähig regelmäßig die Dienstzeit, die ein Beamter vom Tag seiner ersten Berufung in das Beamtenverhältnis an im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn „im Beamtenverhältnis“ zurückgelegt hat (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG). Der Zweck der Regelung aus § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F., Ausbildungszeiten, die - abweichend von diesem Grundsatz - nicht im Beamtenverhältnis verbracht wurden, bei der Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit zu berücksichtigen, besteht darin, Beamten, die eine für die Übernahme in das Beamtenverhältnis vorgeschriebene Ausbildung außerhalb des Beamtenverhältnisses durchlaufen haben, annähernd die Versorgung zu ermöglichen, die sie erhalten würden, wenn sie die Ausbildung im Beamtenverhältnis auf Widerruf absolviert hätten (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.05.2013 - 2 B 25.12 -, Buchholz 239.1 § 12 BeamtVG Nr. 21; Urteil vom 26.01.2012, a.a.O.; Urteil vom 24.09.2009, a.a.O., m.w.N.; Weinbrenner/Schmalhofer, a.a.O., § 10 BeamtVG RdNr. 12). Auch eine Ausbildung in einem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist allerdings nicht ruhegehaltfähig, wenn sie vor Vollendung des 17. Lebensjahres geleistet wurde (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG). Da die Anrechnungsvorschrift aus § 12 BeamtVG das Ziel verfolgt, Personen mit Ausbildungen außerhalb des Beamtenverhältnisses mit Personen gleichzustellen, die ihre Ausbildung im Beamtenverhältnis verbracht haben, ist dem „allgemeinen Kontext“ des § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der Altersgrenze aus § 12 BeamtVG denselben Zweck verfolgen wollte, wie denjenigen, den er mit der gleichlautenden Altersgrenze aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG verfolgt (vgl. neben § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG und § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG auch § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 10 Satz 1, § 11, § 12 Abs. 2 Satz 1, § 13 Abs. 2 Satz 1 und 3, § 14a Abs. 2 Satz 1, § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG mit jeweils der gleichen Altersgrenze).
50 
Die Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften belegt, dass der Gesetzgeber mit der für die Berechnung aller ruhegehaltfähigen Zeiten eingeführten Altersgrenze zwei Ziele verfolgt: Zum einen soll die Höhe der Versorgung an der „typischen“ Dienstzeit eines Beamten ausgerichtet werden; zum anderen sollen dabei Beamte des einfachen und mittleren Dienstes annähernd mit solchen des gehobenen und höheren Dienstes gleich - insbesondere nicht wesentlich besser als diese - behandelt werden.
51 
Die heutigen Bestimmungen aus dem Beamtenversorgungsgesetz des Bundes haben ihre Wurzeln in dem „Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten“ (RBG) vom 31.03.1873 (RGBl. S. 61). Dieses Gesetz bestimmte, dass grundsätzlich jeder Beamte, „welcher sein Diensteinkommen aus der Reichskasse bezieht, (…) aus der letzteren eine lebenslängliche Pension“ erhält, wenn er „nach einer Dienstzeit von wenigstens zehn Jahren“ in den Ruhestand versetzt wurde (vgl. § 34 RBG). Die Dienstzeit wurde grundsätzlich „vom Tage der ersten eidlichen Verpflichtung für den Reichsdienst an gerechnet“ (vgl. § 45 Abs. 1 RBG). Darüber hinaus mussten (vgl. § 46 RBG) bzw. konnten (vgl. § 52 RBG) bestimmte „außeramtliche“ Zeiten angerechnet werden. In allen Fällen - auch bei den „außeramtlichen“ Beschäftigungen (vgl. Brand, Die Reichsbeamtengesetze, 3. Aufl. 1929, § 48 Anm. 1) - blieb jedoch die Dienstzeit, „welche vor den Beginn des achtzehnten Lebensjahres fällt,“ grundsätzlich „außer Berechnung“ (vgl. § 48 Abs. 1 RBG; Perels/Spilling, Das Reichsbeamtengesetz, 2. Aufl. 1906, § 48 Anm. I; Brand, a.a.O.; Anders, DÖV 1967, S. 837 <838>). Mit dem Deutschen Beamtengesetz (DBG) vom 26.01.1937 (RGBl. I S. 39 <186>) wurde vorgeschrieben, dass ein Bewerber frühestens ab Vollendung des 27. Lebensjahres zum Beamten auf Lebenszeit ernannt werden durfte (vgl. §§ 18 f. DBG). Zugleich wurde bestimmt, dass die ruhegehaltfähige Dienstzeit frühestens von der Vollendung des 27. Lebensjahres an laufen solle (vgl. § 81 Abs. 1 DBG; Brand, Das Deutsche Beamtengesetz, 4. Aufl. 1942, § 81 Anm. 1). Die versorgungsrechtliche Wartezeit von zehn Jahren wurde mit der Begründung abgeschafft, es könne unterstellt werden, dass ein Beamter bis zur Vollendung seines 27. Lebensjahrs zehn Dienstjahre abgeleistet habe (vgl. Anders, a.a.O.). Das Bundesbeamtengesetz vom 14.07.1953 (BGBl. I S. 551) kehrte im Wesentlichen zur alten Rechtslage zurück. Der Gesetzgeber wollte die Wartezeit von zehn Jahren - entgegen daran geäußerter Kritik - bewusst als „Anwartschaftszeit“ beibehalten. Anknüpfend an die Vermutung, diese Anwartschaftszeit sei üblicherweise mit Vollendung des 27. Lebensjahres erfüllt, wurde als „Folgerung für den Beginn der ruhegehaltfähigen Dienstzeit in bezug auf das Lebensalter“ die auf die Vollendung des 17. Lebensjahres bezogenen Altersgrenze eingeführt (Deutscher Bundestag, Nachtrag zu BT-Drs. 1/4246, S. 14, zu § 103 des Entwurfs). „Die Festlegung des Beginns der ruhegehaltfähigen Dienstzeit auf die Vollendung des [17.] Lebensjahres (…) ist die Folge der Rückkehr zur Wartezeit von zehn Jahren für die Anwartschaft auf das Ruhegehalt. (…) Infolge der Anforderungen an die Voraussetzungen für den gehobenen und höheren Dienst ist sie in Wirklichkeit nur für die Beamten des einfachen und mittleren Dienstes von Vorteil“ (Deutscher Bundestag, Nachtrag zu BT-Drs. 1/4246, S. 15, zu § 108 Abs. 1 Nr. 1 des Entwurfs).
52 
Diese Gesetzesbegründung lässt den Schluss zu, dass der Bundesgesetzgeber mit der Kombination aus Wartezeit und Altersgrenze ein „ausgewogenes Verhältnis zwischen Dienstzeit und Versorgung“ (Anders, a.a.O., S. 839) schaffen und dafür mit einer typisierenden Betrachtung an den „üblichen“ Diensteintritt anknüpfen wollte: „Ruhegehaltfähig ist grundsätzlich nur die Dienstzeit, die der Beamte im Beamtenverhältnis verbracht hat; denn es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, dass die Versorgung 'erdient' werden soll. Versorgungsgerechtigkeit wird erreicht, indem die Höhe der Versorgungsbezüge soweit wie möglich an der tatsächlich zurückgelegten ruhe-gehaltfähigen Dienstzeit ausgerichtet wird. Darin liegt die innere Rechtfertigung für einen frühzeitigen Beginn der ruhegehaltfähigen Dienstzeit (…), zugleich aber auch die sachliche Begründung dafür, dass Zeiten ausgeschlossen werden, die typischerweise nicht im öffentlichen Dienst verbracht werden, namentlich die Zeiten der regelmäßig vor Vollendung des 17. Lebensjahres absolvierten Schul- und Berufsausbildung“ (Hessischer VGH, Urteil vom 27.01.1994 - 1 UE 816/89 -, ZBR 1994, 189).
53 
Bei dem mit der Altersgrenze verfolgten Ziel, „Versorgungsgerechtigkeit“ dadurch herzustellen, dass er die Höhe der Versorgung an die „typische“ Dienstzeit knüpfte, handelt es sich um ein im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs legitimes Ziel. Der Gerichtshof hat anerkannt, dass die Honorierung der von einem Arbeitnehmer erworbenen Berufserfahrung, die es diesem ermöglicht, seine Arbeit besser zu verrichten, in der Regel ein rechtmäßiges Ziel der Entgeltpolitik darstellt (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2014, a.a.O., RdNr. 48; Urteil vom 08.09.2011 - C-297/10 -, Hennings und Mai, Slg. 2011, I-7965 RdNr. 72; Urteil vom 18.06.2009, a.a.O., RdNrn. 47, dort auch zu dem gebilligten Ziel der Belohnung einer „Betriebstreue“). Nach diesen Grundsätzen ist auch das Ziel, die Versorgung an der Dienstzeit auszurichten, ein rechtmäßiges im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2014, a.a.O., RdNr. 50 zum ebenfalls gebilligten „Kriterium des Dienstalters“).
54 
Die Annahme, dass Zeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres typischerweise noch nicht im öffentlichen Dienst, sondern noch in der Schul- oder Berufsausbildung verbracht werden, trifft allerdings in erster Linie auf Beamte des gehobenen und höheren Dienstes zu, nicht aber ohne weiteres auf Beamte des einfachen und mittleren Dienstes (vgl. Strötz, in: Fürst, GKÖD, a.a.O., § 6 BeamtVG RdNr. 53). Die Altersgrenze bezweckt daher (jedenfalls auch), die Beamten der verschiedenen Laufbahngruppen versorgungsrechtlich (zumindest annähernd) gleich zu behandeln (vgl. VG Bremen, Urteil vom 17.02.2014, a.a.O.; in diesem Sinne wohl auch Strötz, a.a.O.). Personen, welche die Bildungsvoraussetzungen für den gehobenen oder höheren Dienst erfüllen (vgl. § 17 Abs. 4 und 5 BBG), sollen nicht gegenüber jenen benachteiligt werden, die „nur“ die Bildungsvoraussetzungen für den einfachen oder mittleren Dienst aufweisen (vgl. § 17 Abs. 2 und 3 BBG). Auch dabei handelt es sich noch um ein im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG „rechtmäßiges“ sozialpolitisches Ziel (vgl. EuGH, Urteil vom 18.06.2009, a.a.O., RdNrn. 40, 42, zu einer dem entsprechenden Zielsetzung der österreichischen Regelung in der Rechtssache „Hütter“).
55 
Ob der Gesetzgeber mit der Altersgrenze aus § 12 BeamtVG a.F. neben den beiden bereits genannten Zielen auch den Zweck verfolgt hat, die öffentlichen Ausgaben - hier die Versorgungslasten - zu begrenzen, bedarf keiner Entscheidung. Denn dieser Zweck könnte zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung aufgrund des Alters ohnehin nicht angeführt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2014, a.a.O., RdNr. 77; Urteil vom 21.07.2011, a.a.O., RdNr. 69 ff.; s. auch Urteil vom 23.10.2003, a.a.O., RdNr. 84).
56 
bb) Das Mittel, das der Gesetzgeber zur Erreichung der als rechtmäßig in Betracht kommenden Ziele gewählt hat, ist allerdings nicht „angemessen und erforderlich“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG.
57 
Bei der Wahl der Maßnahmen zur Erreichung ihrer Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik verfügen die Mitgliedstaaten zwar über einen weiten Ermessensspielraum (vgl. EuGH, Urteil vom 19.01.2010, a.a.O., RdNr. 38; Urteil vom 22.11.2005 - C-144/04, Mangold, Slg. 2005, I-9981, RdNr. 63). Die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfordert aber, dass die Erfordernisse des Gleichbehandlungsgrundsatzes so weit wie möglich mit denen des angestrebten Zieles in Einklang gebracht werden müssen. Deshalb können solche nationalen Vorschriften nicht nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt werden, die das Alter des Betroffenen als einziges Kriterium festlegen, ohne dass nachgewiesen wäre, dass die Festlegung einer Altersgrenze als solche unabhängig von anderen Erwägungen zur Erreichung des Zieles objektiv erforderlich ist, und die deshalb über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Zieles angemessen und erforderlich ist (vgl. EuGH, Urteil vom 22.11.2005, a.a.O., RdNr. 65).
58 
Nach diesen Maßstäben geht die Schaffung einer strikten Altersgrenze über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels einer durch Koppelung von Ruhegehalt und Dienstzeit erreichten „Versorgungsgerechtigkeit“ (vgl. in diesem Sinne erneut Hessischer VGH, Urteil vom 27.01.1994, a.a.O.; Anders, a.a.O., S. 839) erforderlich ist. Denn wenn es der Gesetzgeber anstrebt, bei der Höhe der Versorgung die im Dienst oder in gleichgestellten Zeiten erworbene Berufserfahrung oder die „Betriebstreue“ zu honorieren, kann dazu auf die vom Beamten tatsächlich absolvierten Dienst- und Erfahrungszeiten abgestellt werden. Einer auf das Lebensalter bezogenen Grenze bedarf es dazu nicht, zumal das Lebensalter gerade nichts darüber aussagt, in welchem zeitlichen Umfang der Betroffene Berufserfahrung gesammelt oder „Betriebstreue“ gezeigt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2014, a.a.O., RdNr. 50 f.). Gemessen an diesem Ziel fehlt es einer Altersgrenze auch an der erforderlichen „inneren Kohärenz“ (vgl. EuGH, Urteil vom 18.06.2009, a.a.O., RdNr. 47), da die Altersgrenze die Erreichung des Ziel jedenfalls teilweise sogar konterkarieren kann, indem sie tatsächlich erbrachte Dienstzeiten von einer Berücksichtigung ausschließt (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 19.01.2010, a.a.O., zu Altersgrenzen für die Bemessung der Länge einer arbeitsrechtlichen Kündigungsfrist; Urteil vom 19.06.2014, a.a.O., RdNr. 50, zur Bemessung der Besoldung nach den früheren altersabhängigen Dienstaltersstufen).
59 
Auch für das weitere Ziel des Gesetzgebers, eine Benachteiligung von Beamten des gehobenen und höheren Dienstes gegenüber Beamten des einfachen und mittleren Dienstes zu vermeiden (vgl. in diesem Sinne erneut VG Bremen, Urteil vom 17.02.2014, a.a.O., und Strötz, a.a.O.), ist die Schaffung einer Altersgrenze nicht „angemessen und erforderlich“ im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG. Die Altersgrenze kann - wie der vorliegende Fall zeigt - zu einer Ungleichbehandlung von zwei Personen aus ein und derselben Laufbahngruppe führen, und zwar ausschließlich aufgrund des Kriteriums des Alters, in dem die Berufserfahrung erworben wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 18.06.2009, a.a.O., zu dem in der Rechtssache „Hütter“ verfolgten Ziel des Gesetzgebers Personen mit allgemeiner Sekundarschulbildung nicht gegenüber Personen mit beruflicher Bildung zu benachteiligen). Unter solchen Umständen erscheint „ein Kriterium, das unmittelbar auf die Art der absolvierten Ausbildung und nicht auf das Alter der Personen abstellt, aus der Sicht der Richtlinie (…) der Verwirklichung des Ziels (…) besser zu entsprechen“ (vgl. EuGH, Urteil vom 18.06.2009, a.a.O., RdNr. 48). So kann zur Erreichung des Ziels einer versorgungsrechtlichen Gleichbehandlung der Laufbahngruppen etwa eine Regelung in Betracht kommen, nach der bei der Ermittlung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit nach Beendigung der allgemeinen Schulpflicht (vgl. § 73 ff. SchG) oder einer bestimmten Zahl von Schuljahren eine bestimmte Zahl von Ausbildungsmonaten berücksichtigt werden kann, dies unabhängig davon, ob diese Ausbildungsmonate vor oder nach Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegt wurden (vgl. EuGH, Urteile vom 28.01.2015, a.a.O., RdNr. 11 ff., 25, und vom 11.11.2014, a.a.O., RdNr. 29, dazu, dass der österreichische Gesetzgeber in ähnlicher Weise auf das Urteil „Hütter“ reagiert hat). Das Verwaltungsgericht hat weitere diskriminierungsfreie Regelungsmöglichkeiten aufgezeigt. Eine starre Altersgrenze ist vor diesem Hintergrund zur Erreichung des Ziels einer versorgungsrechtlichen Gleichbehandlung der Laufbahngruppen nicht „objektiv erforderlich“.
60 
Die Anwendung dieser Altersgrenze im Rahmen von § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 BeamtVG a.F. ist auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass jene Vorschrift dem Besitzstand und dem Vertrauensschutz der am 31.12.1991 vorhandenen Beamten dient. Solche Ziele können es rechtfertigen, eine Regelung, die zu einer Diskriminierung wegen des Alters führt, für einen Übergangszeitraum beizubehalten, um zu bewirken, dass die von einem altersdiskriminierenden System bisher begünstigten Personen bei der Schaffung eines diskriminierungsfreien Systems - etwa mit Blick auf eine andernfalls drohende Angleichung ihrer Bezüge „nach unten“ - in ihren berechtigten Erwartungen in Bezug auf den Bestand und die künftige Entwicklung ihrer Bezüge geschützt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 09.09.2015, a.a.O., RdNrn. 42 ff.; Urteil vom 19.06.2014, a.a.O., RdNrn. 63 ff.). Bestandsschutzziele rechtfertigen aber keine gesetzgeberischen Maßnahmen, mit denen eine Ungleichbehandlung wegen des Alters endgültig festgeschrieben wird (vgl. EuGH, Urteile vom 28.01.2015, a.a.O., RdNr. 39, und vom 11.11.2014, a.a.O., RdNr. 44, in den Rechtssachen „Starjakob“ bzw. „Schmitzer“ jeweils zu Maßnahmen bei Reformen zur Beseitigung eines diskriminierenden Systems). Danach ist auch die in § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG angeordnete Beibehaltung der Altersgrenze zur Erreichung des mit dieser Vorschrift verfolgten Bestandsschutzzieles nicht „geeignet und angemessen“. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung der Übergangsregelungen aus § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG nicht etwa beabsichtigt, die Ungleichbehandlung wegen Alters zu beseitigen und dabei einen bisher begünstigten Personenkreis übergangsweise in seinem Vertrauen zu schützen. Er hat vielmehr das Ziel verfolgt, den tatbestandlich erfassten Beamten aus anderen Gründen einen Bestand (Ruhegehaltssatz) zu erhalten, dabei aber die im bis zum 31.12.1991 geltenden Recht angelegte Ungleichbehandlung wegen Alters innerhalb der Gruppe der bestandsgeschützten Beamten auf Dauer festgeschrieben.
61 
cc) Aus dem von der Beklagten hervorgehobenen Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG ergibt sich ebenfalls keine Rechtfertigung der vorliegenden Ungleichbehandlung wegen des Alters.
62 
Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen „als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente“ oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt.
63 
Die in § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 BeamtVG a.F. vorgesehene Altersgrenze ist keine „Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente“ im Sinne des Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG. Eine in einem System der betrieblichen Altersvorsorge vorgesehene Altersgrenze stellt jedenfalls dann keine solche „Voraussetzung“ dar, wenn ein Beschäftigter - unabhängig von dieser Grenze - Mitglied des Systems werden kann und - altersunabhängig - nach einer gewissen Dauer der Betriebszugehörigkeit einen Rentenanspruch erwirbt (vgl. EuGH, Urteil vom 26.09.2013 - C-476/11 -, a.a.O., RdNr. 50). So liegt der Fall hier. § 12 BeamtVG enthält keine Höchstaltersgrenze, die verhindert, dass Personen ab einem bestimmten Alter keinen Zugang mehr zu dem System der Beamtenversorgung erlangen können. Vielmehr können Beamte ungeachtet der in jener Vorschrift genannten Altersgrenze nach einer gewissen „Betriebszugehörigkeit“ (vgl. § 4 Abs. 1 BeamtVG) einen Anspruch auf Versorgungsleistungen nach dem Beamtenversorgungsgesetz gegen ihren Dienstherrn erwerben.
64 
Eine „Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente“ stellt die Altersgrenze auch nicht in Zusammenschau mit der Grundnorm des § 6 Abs. 1 BeamtVG dar, die wie die übrigen für die Berechnung der ruhegehaltfähigen Zeiten maßgeblichen Vorschriften ebenfalls auf die Vollendung des 17. Lebensjahres abstellt (vgl. neben § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG und § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG erneut § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 10 Satz 1, § 11, § 12 Abs. 2 Satz 1, § 13 Abs. 2 Satz 1 und 3, § 14a Abs. 2 Satz 1, § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG). Denn ein Beamter kann auch im Anwendungsbereich dieser Vorschriften nach einer gewissen „Betriebszugehörigkeit“ einen Anspruch auf Versorgungsleistungen nach dem Beamtenversorgungsgesetz gegen seinen Dienstherrn erwerben.
65 
Zur Rechtfertigung der durch § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 BeamtVG a.F. bewirkten Ungleichbehandlung wegen des Alters kann Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG auch nicht im Wege einer Analogie oder eines Erst-Recht-Schlusses - etwa mit dem Argument, die Vorschrift müsse erst recht „weniger schwerwiegende“ Ungleichbehandlungen in betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit zulassen - angewandt werden. Da Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG den Mitgliedstaaten gestattet, eine Ausnahme vom Verbot der Diskriminierung aus Gründen des Alters vorzusehen, ist die Vorschrift eng auszulegen und keiner erweiternden Auslegung zugänglich (vgl. EuGH, Urteile vom 26.09.2013 - C-476/11 -, a.a.O., RdNr. 46, und - C-546/11 -, a.a.O., RdNr. 41).
66 
d) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Richtlinie 2000/78/EG sei nicht unmittelbar anwendbar und bedürfe erst einer Umsetzung in nationales Recht. Die Richtlinie ist unmittelbar anwendbar mit der Folge, dass sich der Kläger, der mit Ablauf des 31.10.2010 in den Ruhestand trat und dessen Versorgungsbezüge mit Bescheid vom 15.12.2010 festgesetzt wurden, vor dem nationalen Gericht darauf berufen kann.
67 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann sich der Einzelne in allen Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat. Eine Unionsvorschrift ist unbedingt, wenn sie eine Verpflichtung normiert, die an keine Bedingung geknüpft ist und zu ihrer Durchführung oder Wirksamkeit auch keiner weiteren Maßnahmen der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf. Sie ist hinreichend genau, um von einem Einzelnen geltend gemacht und vom Gericht angewandt werden zu können, wenn sie in unzweideutigen Worten eine Verpflichtung festlegt (EuGH, Urteil vom 01.07.2010 - C-194/08 -, Gassmayr, Slg. 2010, I-6281, RdNr. 44 f. m.w.N.). Eine Richtlinie ist auch dann unmittelbar anwendbar, wenn Umsetzungsmaßnahmen zwar in Kraft getreten sind, diese aber eine vollständige Anwendung der Richtlinie nicht tatsächlich gewährleisten (EuGH, Urteil vom 11.07.2002 - C-62/00 -, Marks & Spencer, Slg. 2002, I-6325, RdNrn. 23 ff.; BVerwG, Urteil vom 28.10.2010, a.a.O.; Senatsurteile vom 06.11.2012 - 4 S 797/12 -, DÖV 2013, 319, und vom 03.04.2012, a.a.O.).
68 
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Denn die Richtlinie 2000/78/EG ist im Hinblick auf die Versorgung im System des Beamtenversorgungsgesetzes nach dem oben Gesagten nicht vollständig in deutsches Recht umgesetzt. Auch sind die maßgeblichen Richtlinienvorschriften inhaltlich unbedingt und hinreichend genau (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.2010, a.a.O.; Senatsurteile vom 06.11.2012, a.a.O., und vom 03.04.2012, a.a.O.). Auch die Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG ist - seit dem 03.12.2003 - abgelaufen (vgl. Art. 18 der Richtlinie und BVerwG, Urteil vom 28.10.2010 - 2 C 52.09 -, NVwZ-RR 2011, 205; BAG, Urteil vom 11.12.2012 - 3 AZR 684/10 -, NZA-RR 2013, 308).
69 
Der Umstand, dass der Kläger eine versorgungsrechtliche Anrechnung von Zeiten begehrt, die vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist liegen, steht der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie auf den vorliegenden Fall - auch insoweit (s. dazu bereits oben unter 2.a)bb) - nicht entgegen. Maßgeblich ist, wann es zu dem „diskriminierenden Verhalten“ gekommen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 19.01.2010, a.a.O., RdNr. 24). Das war hier mit der nach dem Eintritt in den Ruhestand mit Bescheid vom 15.12.2010 - mithin nach Ablauf der Umsetzungsfrist - erfolgten Festsetzung der Versorgungsbezüge durch die Beklagte der Fall (vgl. in diesem Sinne auch die Entscheidungen in den Rechtssachen „Hütter“ und „Kücükdeveci“, EuGH, Urteil vom 18.06.2009, a.a.O., RdNrn. 12 ff., und Urteil vom 19.01.2010, a.a.O., RdNrn. 12).
70 
e) Die unmittelbare Anwendung der Richtlinie 2000/78/EG hat zur Folge, dass die altersdiskriminierende Regelung von den nationalen Gerichten nicht angewendet werden darf. Dies bedeutet, dass die Altersgrenze aus § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. nicht anzuwenden ist mit der Folge, dass Personen, die - wie der Kläger - ihre Ausbildungszeit vor Vollendung der 17. Lebensjahres absolviert haben, mit solchen gleich behandelt werden, die diese Zeit nach Vollendung des 17. Lebensjahres durchlaufen haben (aa). Für diese Gleichstellung fehlt es auch nicht an einem „rechtmäßigen Bezugssystem“ (bb).
71 
aa) Steht eine Vorschrift des nationalen Rechts mit Unionsrecht nicht in Einklang, verlangt zunächst die Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der Richtlinie 2000/78/EG zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem mit ihr verfolgten Ziel im Einklang steht (vgl. EuGH, Urteil vom 18.06.2014, a.a.O., RdNr. 88 m.w.N.).
72 
Ist eine mit den Anforderungen dieser Richtlinie übereinstimmende Auslegung und Anwendung der nationalen Regelung - wie hier - nicht möglich, muss eine unionsrechtswidrige nationale Regelung, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts, der auch dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters zukommt, unangewendet gelassen werden (vgl. EuGH, Urteil vom 18.06.2014, a.a.O., RdNr. 89; Urteil vom 19.01.2010, a.a.O., RdNr. 54; Urteil vom 22.11.2005, a.a.O., RdNr. 77 m.w.N.; ferner BVerwG, Urteil vom 28.10.2010, a.a.O.; Senatsurteile vom 06.11.2012, a.a.O., und vom 03.04.2012, a.a.O.).
73 
Von diesen Grundsätzen ausgehend ist § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 BeamtVG a.F. als Folge der unmittelbaren Anwendung der Richtlinie 2000/78/EG insoweit unanwendbar, als diese Vorschriften mit Unionsrecht nicht vereinbar sind. Der sich aus dem Wortlaut der Vorschriften ergebende Ausschluss von ruhegehaltfähiger Zeiten kann dem Anspruch des Klägers deshalb nicht entgegengesetzt werden. Vielmehr muss die Vorschrift als Rechtsgrundlage für den Ausspruch der begehrten Verpflichtung so angewandt werden, dass sie nicht zu einer Diskriminierung von Beamten wegen des Alters führt. Das kann nur dadurch geschehen, dass die Altersgrenze unangewendet bleibt und damit Ausbildungszeiten vor dem 17. Lebensjahr (im beantragten Umfang) berücksichtigt werden (ebenso - wie bereits die Vorinstanzen - der österreichische Oberste Gerichtshof, Entscheidung vom 04.08.2009 - OGH 9 Ob A 83/09k -, www.ris.bka.gv.at, zur in der Rechtssache „Hütter“ vom EuGH beanstandeten Altersgrenze; zust. Resch, ZESAR 2012, 257 <258> m.w.N.; ebenso für die in der Rechtssache „Kücükdeveci“ für unionsrechtswidrig befundene Altersgrenze aus § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. LAG Düsseldorf, Urteil vom 30.04.2010 - 9 Sa 354/09 -, Juris, und Beschluss vom 17.02.2010 - 12 Sa 1311/07 -, NZA-RR 2010, 240; Hessisches LAG, Urteil vom 23.04.2010 - 19 Sa 1309/09 -, Juris; s. dazu EuGH, Urteil vom 19.01.2010, a.a.O., RdNr. 51).
74 
Dass dies über die bloße Nichtanwendung eines Teils des Normtextes hinausgeht und bedeutet, einen vom Normgeber geregelten Anspruch einer von ihm bewusst nicht erfassten Gruppe von Begünstigten zu gewähren, ist nicht zu beanstanden. Denn anders lässt sich im vorliegenden Fall die volle Wirksamkeit der Richtlinie 2000/78/EG nicht herstellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.2010, a.a.O., Senatsurteil vom 03.04.2012, a.a.O., und OVG Bremen, Urteil vom 16.05.2013, a.a.O., zur Gleichstellung von Lebenspartnern mit Eheleuten bei der Hinterbliebenenversorgung; Senatsurteil vom 06.11.2012, a.a.O., zur Gleichstellung im Besoldungsrecht).
75 
Ohne Erfolg bleibt der hiergegen erhobene Einwand der Beklagten, es werde die Gewaltenteilung in Frage gestellt, wenn eindeutig formulierte nationale Gesetze „einfach für unanwendbar erklärt“ würden. Der mit diesem Einwand sinngemäß in Bezug genommene versorgungsrechtliche Gesetzesvorbehalt nach § 3 Abs. 1 BeamtVG steht der unmittelbaren Anwendung des Unionsrechts durch die Gerichte nicht entgegen. Denn der Gesetzesvorbehalt aus § 3 Abs. 1 BeamtVG nimmt nicht an den Verfassungsgrundsätzen teil, die den Anwendungsvorrang des Unionsrechts in Frage stellen könnten (vgl. Senatsurteil vom 06.11.2012, a.a.O., m.w.N., zu § 2 Abs. 1 BBesG).
76 
bb) Die Nichtanwendung der Altersgrenze aus § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. hat zur Folge, dass Personen, die ihre Ausbildungszeit - wie zum Teil der Kläger - vor Vollendung der 17. Lebensjahres absolviert haben, mit solchen, die sie jenseits dieser Altersgrenze durchlaufen haben, gleich behandelt werden. Für diese Gleichbehandlung fehlt es auch nicht an einem rechtmäßigen normativen Bezugssystem.
77 
Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 16 der Richtlinie 2000/78/EG verpflichtet, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufen, aufzuheben. Diese Vorschrift schreibt den Mitgliedstaaten zwar keine bestimmte Maßnahme im Fall einer Verletzung des Diskriminierungsverbots vor, sondern belässt ihnen nach Maßgabe der unterschiedlichen denkbaren Sachverhalte die Freiheit der Wahl unter den verschiedenen Lösungen, die zur Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels geeignet sind. Allerdings kann die Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung, wenn eine unionsrechtswidrige Diskriminierung festgestellt worden ist und solange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erlassen worden sind, nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur dadurch gewährleistet werden, dass den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden wie die, die den Angehörigen der privilegierten Gruppe zugutekommen, wobei diese Regelung, solange das Unionsrecht nicht richtig durchgeführt ist, das einzig gültige Bezugssystem bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2011 - C-399/09 -, Landtová, Slg. 2011, I-5573, RdNr. 51; Urteil vom 26.01.1999 - C-18/95 -, Terhoeve, Slg. 1999, I-345, RdNr. 57, m.w.N.).
78 
Der Gerichtshof hat zwar klargestellt, dass diese Lösung nur dann zur Anwendung kommt, wenn es ein „gültiges Bezugssystem“ gibt. An einem solchen rechtmäßigen Bezugssystem fehlt es, wenn es im Rahmen der altersdiskriminierenden nationalen Rechtsvorschriften nicht möglich ist, eine Kategorie bevorzugter Beamter zu benennen, weil diese Vorschriften für jeden Beamten gelten und die sich daraus ergebenden diskriminierenden Aspekte potenziell alle Beamten betreffen (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2014, a.a.O., RdNr. 96, in der Rechtssache „Specht u.a.“, sowie BVerwG, Urteil vom 30.10.2014, a.a.O., RdNrn. 18 ff., jeweils zu §§ 27 und 28 BBesG a.F. ). Das ist im vorliegenden Verfahren und dem hier interessierenden § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. jedoch nicht der Fall. Denn bei Beamten, die ihre Ausbildung nach dem 17. Lebensjahr begonnen haben, wirkt sich ihr Lebensalter nicht auf die Höhe der Versorgung aus. Hier ist es deshalb - anders als in der Rechtssache „Specht u.a.“ - möglich, eine Kategorie der von der Vorschrift bevorzugten und nicht altersdiskriminierten Beamten zu benennen (vgl. EuGH, Urteil vom 28.01.2015, a.a.O., RdNrn. 43 ff., zu den in der Rechtssache „Starjakob“ ähnlich gelagerten Regelungen des österreichischen Rechts, die bereits Gegenstand der Rechtssache „Hütter“ waren; zust. - auch zum Vorliegen eines „rechtmäßigen Bezugssystems“ - Wachter, ZESAR 2015, 388 <398>).
79 
Das rechtmäßige normative Bezugssystem besteht daher in § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. in der Anwendung auf Beamte, die ihre Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahr absolviert haben. Zur Herstellung der Gleichbehandlung sind den vom bisherigen Regelungssystem benachteiligten Beamten deshalb hinsichtlich der Berücksichtigung der vor der Vollendung des 17. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten dieselben Vorteile zu gewähren, wie sie den von diesem System begünstigten Beamten zuteil geworden sind (vgl. EuGH, Urteil vom 28.01.2015, a.a.O., RdNrn. 43 ff.; s. ferner den österreichischen Obersten Gerichtshof, Beschluss vom 20.03.2015 - 9 ObA 1715v -, der einen Anspruch auf Anrechnung der [dort] vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Dienstzeiten anerkannt hat; dazu Wachter, a.a.O.). Das bedeutet, dass der Kläger durch Anrechnung der vor Vollendung seines 17. Lebensjahres zurückgelegten Ausbildungszeiten (im beantragten Umfang) gleichzustellen ist.
80 
3. Das der Beklagten nach § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. bei der Anerkennung von Ausbildungszeiten grundsätzlich zustehende Ermessen („kann“), ist auf Null reduziert.
81 
Handelt es sich - wie hier (s.o. unter 1.) - um vorgeschriebene Ausbildungszeiten, die der Beamte nicht im Beamtenverhältnis absolvieren konnte, reduziert sich das Ermessen der Versorgungsbehörde aufgrund des Zwecks dieser Vorschrift, durch die Anrechnung von Ausbildungszeiten Versorgungslücken zu schließen (vgl. erneut BVerwG, Urteil vom 26.01.2012, a.a.O., und oben unter 2.c)aa). Sie darf die Berücksichtigung der vorgeschriebenen Ausbildungszeiten in einem solchen Fall nur dann ablehnen, wenn der Beamte aufgrund dieser Zeiten andere Versorgungsansprüche erworben hat. Ist das nicht der Fall, ist das Ermessen auf Null reduziert (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2008 - 2 C 9/08 -, Buchholz 239.1 § 12 BeamtVG Nr. 17, m.w.N.). So liegt der Fall auch hier.
82 
Eine andere Beurteilung der Rechtsfolgenseite des § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. ergibt sich auch nicht daraus, dass der Tatbestand dieser Vorschrift bei der Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben eine Modifizierung erfährt. Die auf die Vollendung des 17. Lebensjahres abstellende Altersgrenze ist aus den oben (unter 2.) genannten Gründen auch im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, der die Berücksichtigung von im Beamtenverhältnis zurückgelegten Dienstzeiten zwingend - ohne Ermessen - vorschreibt, unionsrechtswidrig. Deshalb kann die von § 12 BeamtVG bezweckte versorgungsrechtliche Gleichstellung von Zeiten in einem Ausbildungsverhältnis mit Zeiten in einem Beamtenverhältnis (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 24.09.2009, a.a.O.) nur erreicht werden, wenn die zur Ermessensreduzierung entwickelten Grundsätze auch bei der unionsrechtlich modifizierten Anwendung des § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. beibehalten werden.
II.
83 
Der sich nach § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG mithin ergebende Ruhegehaltssatz von 73,83 v.H. ist nach § 85 Abs. 4 BeamtVG für Berechnung des Ruhegehalts maßgeblich.
84 
1. Nach § 85 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG ist der sich nach § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ergebende Ruhegehaltssatz zugrunde zu legen, wenn er höher ist als der Ruhegehaltssatz, der sich nach dem Beamtenversorgungsgesetz geltender Fassung für die gesamte ruhegehaltfähige Dienstzeit ergibt. Das ist hier der Fall. Denn der Ruhegehaltssatz beträgt nach Maßgabe der geltenden Bestimmungen - und bei Berücksichtigung des vom Klageantrag (allein) umfassten weiteren einen Dienstjahres - 73,16 v.H.
85 
Der Ruhegehaltssatz berechnet sich im Fall des mit Ablauf des 31.10.2010 in den Ruhestand versetzten Klägers für die Vergleichsrechnung des § 85 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG gemäß § 69e Abs. 2 Satz 1 BeamtVG nach § 14 Abs. 1 BeamtVG in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung, da die achte auf den 31.12.2002 folgenden Anpassung nach § 70 BeamtVG erst am 01.01.2011 in Kraft getreten ist (vgl. § 69e Abs. 2 Satz 4 BeamtVG und dazu Zahn/Bauer, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, a.a.O., § 14 BeamtVG RdNr. 19).
86 
Nach § 14 Abs. 1 BeamtVG in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung beträgt das Ruhegehalt für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit 1,875 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge, insgesamt jedoch höchstens 75 v.H., wobei der Ruhegehaltssatz auf zwei Dezimalstellen auszurechnen und die zweite Dezimalstelle um eins zu erhöhen ist, wenn in der dritten Stelle eine der Ziffern fünf bis neun verbleiben würde, und wobei zur Ermittlung der gesamten ruhegehaltfähigen Dienstjahre etwa anfallende Tage unter Benutzung des Nenners dreihundertfünfundsechzig umzurechnen sind.
87 
Ruhegehaltfähig ist unter Zugrundelegung von § 12 BeamtVG n.F. die Zeit vom 01.09.1970 bis 31.10.2010, da die in dieser Vorschrift enthaltene Altersgrenze aus den oben (unter I.) genannten Gründen ebenfalls unionsrechtswidrig und deshalb nicht anzuwenden ist. Da der Kläger mit seinem Klageantrag allerdings über die von der Beklagten hinaus anerkannte Dienstzeit von 38 Jahren und 6 Tagen (vgl. Anlage B zum Bescheid vom 15.12.2010) nur die Anerkennung eines weiteren Jahres geltend gemacht hat, ergibt sich bei einer Dienstzeit von 39 Jahren und 6 Tagen, d.h. 39,02 Jahren (6 : 365 = 0,016… ≈ 0,02 Jahre), ein Ruhegehaltssatz von 73,16 v.H. (39,02 x 1,875 = 73,1625).
88 
2. Nach § 85 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG darf der sich nach § 85 Abs. 1 BeamtVG ergebende Ruhegehaltssatz - hier 73,83 v.H. - den Ruhegehaltssatz, der sich nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht ergäbe, nicht übersteigen. Auch das ist der Fall. Denn bei Zugrundelegung einer - dem Klageantrag entsprechenden - ruhegehaltfähigen Dienstzeit von 39 Jahren und 6 Tagen, die auf 39 Jahre abzurunden ist (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 a.E. BeamtVG a.F.), ergibt sich ein Ruhegehaltssatz von 75 v.H. (35 v.H. für die ersten zehn Jahre zzgl. 30 v.H. für das elfte bis zum 25. Dienstjahr zzgl. 14 v.H. für das 26. bis 39. Dienstjahr = 79 v.H., berücksichtigungsfähig bis zum Höchstsatz vom damals 75 v.H., vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F.).
III.
89 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
90 
Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Frage, ob die Nichtberücksichtigung von vor dem 17. Lebensjahr vollendeten Ausbildungszeiten bei der beamtenversorgungsrechtlichen Festsetzung von ruhegehaltfähigen Dienstzeiten mit Unionsrecht in Einklang steht, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt.
91 
Beschluss vom 17. Dezember 2015
92 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.722,48 EUR festgesetzt.
93 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG in Orientierung an Nummer 10.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.05./01.06.2012 und am 16.07.2013 beschlossenen Änderungen. Dabei legt der Senat die Angaben der Beklagten im Schriftsatz vom 10.06.2014 zugrunde, wonach die Differenz zwischen innegehabtem und erstrebtem Teilstatus 71,77 EUR beträgt. Anzusetzen sind somit als zweifacher Jahresbetrag 1.722,48 EUR.
94 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Erholungsurlaub in Höhe des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruchs (Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2003/88/EG) vor Beendigung des Beamtenverhältnisses wegen vorübergehender Dienstunfähigkeit nicht genommen worden ist, wird er abgegolten.

(2) Im Urlaubsjahr bereits genommener Erholungsurlaub oder Zusatzurlaub ist auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruch (Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2003/88/EG) anzurechnen, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch entstanden ist.

(3) Die Höhe des Abgeltungsbetrages bemisst sich nach dem Durchschnitt der Bruttobesoldung für die letzten drei Monate vor Beendigung des Beamtenverhältnisses. Bruttobesoldung sind die Dienstbezüge (§ 1 Absatz 2 des Bundesbesoldungsgesetzes), die während eines Erholungsurlaubs weitergezahlt worden wären.

(4) Der Abgeltungsanspruch verjährt innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren, beginnend mit dem Ende des Urlaubsjahres, in dem das Beamtenverhältnis beendet wird.

Tenor

I.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 18. August 2015 - B 5 K 14.346 - wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.187,29 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Dieser Zulassungsgrund wäre begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 - NVwZ 2000, 1163/1164; B. v. 23.3.2007 - 1 BvR 2228/02 - BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.

Der Kläger stand als Polizeiobermeister im Dienst der Beklagten. Seit dem 8. Juni 2010 bis zu seinem Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand mit Ablauf des 30. April 2012 war er durchgehend dienstunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 9. Juli 2012 beantragte der Kläger die finanzielle Abgeltung seiner Urlaubsansprüche aus den Jahren 2009 bis 2012. Mit Bescheid vom 27. September 2013 stellte die Beklagte fest, dass dem Kläger ein Anspruch auf Abgeltung von 26,67 Tagen Erholungsurlaub zustehe, woraus sich ein Bruttobetrag in Höhe von insgesamt 3.889,13 € ergebe. Der Erholungsurlaub aus dem Jahr 2009 sei mit Ablauf des 30. Juni 2011 und der aus dem Jahr 2010 mit Ablauf des 30. Juni 2012 verfallen. Für 2011 würden 20 Tage berücksichtigt. Da der Kläger mit Ablauf des 30. April 2012 in den Ruhestand versetzt worden sei, könnten für 2012 nur 4/12 des Mindesturlaubsanspruchs von 20 Tagen berücksichtigt werden, was 6,67 Tagen entspreche. Auf den vom Kläger erhobenen Widerspruch hin erkannte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2014 dem Kläger einen Anspruch auf Abgeltung von weiteren 5,31 Tagen Erholungsurlaub zu (insgesamt 31,98 Tage), was einem Bruttobetrag in Höhe von zusätzlich 790,64 € entspreche. Zum Zeitpunkt der Versetzung des Klägers in den Ruhestand sei zwar der Urlaubsanspruch für das Jahr 2009 verfallen gewesen. Für das Jahr 2010 hingegen habe ihm ein Mindesturlaub von 20 Tagen zugestanden. Von diesem seien jedoch 14,69 Tage im Jahr 2010 genommener Urlaub abzuziehen, so dass nur noch ein Anspruch auf Abgeltung von 5,31 Tagen Erholungsurlaub bestehe und nicht - wie vom Kläger beantragt - von 20 Tagen.

Mit seiner zum Verwaltungsgericht erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 27. September 2013 und des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2014 zu verpflichten, dem Kläger für weitere 14,69 krankheitsbedingt nicht genommene Urlaubstage aus dem Jahr 2010 eine finanzielle Abgeltung zu gewähren. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil als unbegründet erachtet und abgewiesen.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hält den zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts nichts Stichhaltiges entgegen, das Zweifel an der Richtigkeit des Urteils begründet und weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf.

Dem Kläger steht aus nationalem Recht kein weiterer Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2010 zu. Es gab für Beamte keine normativen Regelungen des deutschen Rechts, die einen solchen Anspruch vor dem 14. März 2015 begründeten. Die Vorschrift des § 10 EUrlV in der Fassung vom 6. März 2015, die nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen eine Abgeltung des durch das Recht der Europäischen Union gewährten Mindestjahresurlaubs vorsieht, ist erst am 14. März 2015 in Kraft getreten und gilt daher nicht für den vorliegenden Fall.

Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch auch nicht aus Unionsrecht herleiten. Nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 2003/88/EG) treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. Gemäß Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG darf der bezahlte Mindestjahresurlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Abgeltung von bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub hergeleitet und Voraussetzungen, Umfang und Grenzen dieses Anspruchs bestimmt (u. a. EuGH, U. v. 3.5.2012 - C-337/10 - BayVBl 2013, 205 ff.). Diese Auslegung des Unionsrechts ist für die nationalen Gerichte bindend (Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV). Der entscheidungserhebliche Inhalt des Art. 7 RL 2003/88/EG ist damit geklärt. Der Senat folgt insoweit in ständiger Rechtsprechung (u. a. BayVGH, B. v. 4.12.2014 - 6 ZB 14.1994 - juris Rn. 6) der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2013 (- 2 C 10.12 - BayVBl 2013, 478 ff.), die die Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH für das Beamtenrecht übernommen hat.

In der Rechtsprechung des EuGH ist seit langem geklärt, dass auch Beamte Arbeitnehmer im Sinne der RL 2003/88/EG sind. Die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand (§ 30 Nr. 4 BBG) ist eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinn des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG. Wie sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ergibt, hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen. Ein Beamter hat bei Eintritt in den Ruhestand einen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bezahlten Jahresurlaub, den er nicht genommen hat, weil er aus Krankheitsgründen keinen Dienst geleistet hat. Hierdurch soll verhindert werden, dass ihm wegen der Unmöglichkeit, tatsächlich bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, jeder Genuss des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub, selbst in finanzieller Form, vorenthalten wird (EuGH, U. v. 12.6.2014 - C-118/13 - ZBR 2014, 314/315). Urlaubstage, die über den durch Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen hinausgehen, sind nicht von dem Abgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erfasst (EuGH, U. v. 3.5.2012 - C-337/10 - BayVBl 2013, 205/206; BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 2 C 10.12 - BayVBl 2013, 478 ff. Rn. 18; B. v. 25.6.2013 - 1 WRB 2.11 - juris Rn. 38, 39; BayVGH, B. v. 4.12.2014 - 6 ZB 14.1994 - juris Rn. 7). Bei der Berechnung der den Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG kommt es nach dem Zweck dieser Norm, jedem Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen zu ermöglichen, nur darauf an, ob und wie viele Urlaubstage der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um alten (aus dem Vorjahr übertragenen) oder um neuen Urlaub (des aktuellen Urlaubsjahres) handelt. Dies ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH geklärt. Ein weitergehender unionsrechtlicher Klärungsbedarf ist nicht ersichtlich, so dass eine Vorlage an den EuGH (Art. 267 Abs. 2 und 3 AEUV) nicht erforderlich ist (BVerfG, B. v. 15.5.2014 - 2 BvR 324/14 - NVwZ 2014, 1160 ff. Rn. 13; BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 2 C 10.12 - BayVBl 2013, 478 ff. Rn. 23; B. v. 25.6.2013 - 1 WRB 2.11 - juris Rn. 40; B. v. 25.7.2014 - 2 B 57.13 - juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 4.12.2014 - 6 ZB 14.1994 - juris Rn. 7). Die Entscheidungen des EuGH vom 20. Januar 2009 (C-350/06) und vom 3. Mai 2012 (C-337/10) stehen dem nicht entgegen; sie enthalten nicht die Aussage, dass es nicht darauf ankomme, wieviel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat; vielmehr stellen sie für einen Urlaubsabgeltungsanspruch darauf ab, dass der Arbeitnehmer nicht den gesamten europarechtlich garantierten Jahresurlaub von vier Wochen pro Urlaubsjahr genommen hat (BayVGH, B. v. 4.12.2014 - 6 ZB 14.1994 - juris Rn. 7).

In Anwendung der oben genannten Grundsätze gilt für den Kläger Folgendes:

Für das Jahr 2010 hat der Kläger keinen Abgeltungsanspruch für weitere 14,69 Urlaubstage. In diesem Jahr standen ihm bei einem Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG und einer 5-Tage-Woche unionsrechtlich 20 Urlaubstage zu. Davon hat der Kläger ausweislich der in der Behördenakte befindlichen Urlaubsübersicht insgesamt 120,5 Stunden Urlaub tatsächlich genommen; dies entspricht - unbestritten - 14,69 Urlaubstagen. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, hat der Kläger für das Jahr 2010 infolge der Anrechnung der tatsächlich genommenen 14,69 Urlaubstage auf die unionsrechtlich gewährleisteten 20 Urlaubstage (pro Jahr) keinen über die Abgeltung von 5,31 Tagen hinausgehenden Anspruch. Wie oben ausgeführt, ist es - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht maßgeblich, ob die 2010 genommenen Urlaubstage „sämtlich mit den noch offenen Urlaubsansprüchen aus dem Vorjahr 2009 verrechnet worden“ sind. Es kommt nur darauf an, ob und wie viele Urlaubstage der Kläger im konkreten Jahr genommen hat. Daran ändern weder die vom Kläger angeführte „Selbstbindung des Dienstherrn“ etwas noch „der Grundsatz des Treueverhältnisses zwischen Dienstherrn und Beamten“. Der Sache nach begehrt der Kläger nämlich eine Ansammlung von Mindesturlaub für den gesamten Zeitraum von 2010 bis 2012. Die Möglichkeit einer Ansammlung von Mindesturlaub über 15 oder im Höchstfall 18 Monate hinaus ist unionsrechtlich aber nach der Entscheidung des EuGH vom 22. November 2011 (C-214/10 - juris Rn. 41, 44) gerade nicht geboten; ein weiterer Klärungsbedarf wird nicht aufgezeigt (BVerfG, B. v. 15.5.2014 - 2 BvR 324/14 - NVwZ 2014, 1160 ff. Rn. 16). Demnach kann der Kläger für das Jahr 2010 auch unionsrechtlich keine weitere finanzielle Abgeltung beanspruchen.

2. Die Rechtssache hat aus den unter 1. genannten Gründen keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Beamtinnen und Beamte sind verpflichtet, ohne Vergütung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Werden sie durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht, ist ihnen innerhalb eines Jahres für die Mehrarbeit, die sie über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus leisten, entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren. Bei Teilzeitbeschäftigung sind die fünf Stunden anteilig zu kürzen. Ist die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, können Beamtinnen und Beamte in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern eine Vergütung erhalten.

(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung (§ 88 des Bundesbeamtengesetzes) für Beamte zu regeln, soweit die Mehrarbeit nicht durch Dienstbefreiung ausgeglichen wird. Die Vergütung darf nur für Beamte in Bereichen vorgesehen werden, in denen nach Art der Dienstverrichtung eine Mehrarbeit messbar ist. Die Höhe der Vergütung ist nach dem Umfang der tatsächlich geleisteten Mehrarbeit festzusetzen. Sie ist unter Zusammenfassung von Besoldungsgruppen zu staffeln; für Teilzeitbeschäftigte können abweichende Regelungen getroffen werden.

(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Gewährung einer Ausgleichszahlung in Höhe der zum Zeitpunkt des Ausgleichsanspruchs geltenden Sätze der Mehrarbeitsvergütung für Beamte zu regeln, bei denen ein Arbeitszeitausgleich aus einer langfristigen ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit, während der eine von der für sie jeweils geltenden regelmäßigen Arbeitszeit abweichende Arbeitszeit festgelegt wurde, nicht oder nur teilweise möglich ist.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.