Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 11. Juli 2016 - 1 S 294/16

bei uns veröffentlicht am11.07.2016

Tenor

Die Rechtsbehelfe des Klägers gegen die Beschlüsse des Senats vom 9. März 2016 - 1 S 294/16 - werden abgelehnt.

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten für die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 2. Februar 2016 - 1 K 2993/15 -, soweit dieser das Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 18.09.2015 - 1 S 1258/15 u.a. - betrifft, wird abgelehnt.

Gründe

 
Der Senat entscheidet unter Mitwirkung der geschäftsplanmäßigen Richter des Senats E. und H. sowie des Richters Dr. Sch. als Vertreter des geschäftsplanmäßigen Richters des Senats P.. Richter P. ist, da von ihm das zum Gegenstand des Verfahrens gemachte Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs vom 18.09.2015 stammt, nach § 54 Abs. 2 VwGO von der Mitwirkung ausgeschlossen. Die Ablehnung der Richter E. und H. als befangen ist hingegen rechtsmissbräuchlich, weil das Schreiben von ihnen weder verfasst noch unterzeichnet wurde und der Kläger sonstige Ablehnungsgründe nicht geltend gemacht hat (vgl. Senat, Beschl. v. 09.03.2016 - 1 S 294/16 -).
Die Rechtsbehelfe gegen die Beschlüsse des Senats vom 09.03.2016, mit denen das Verfahren, soweit die Beschwerde des Klägers die Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs vom 17.09.2015 - AR 26/15 - und vom 18.09.2015 - AR 29/15 - betrifft, abgetrennt und unter den neuen Aktenzeichen 1 S 494/16 und 1 S 510/16 fortgeführt wurde, bleiben ohne Erfolg. Der Kläger zeigt nicht auf, dass der Senat sein Recht auf rechtliches Gehör durch eine Nichtberücksichtigung erheblichen Vortrags oder eine unzulässige Überraschungsentscheidung verletzt hat. Die Gegenvorstellung ist mangels schwerwiegenden Rechtsverstoßes jedenfalls unbegründet. Die weiteren Rechtsbehelfe der Rechtsbeschwerde, der Nichtzulassungsbeschwerde und der Revision gegen die Beschlüsse des Senats vom 09.03.2016 sind nicht statthaft. Aus welchen Gründen ein Ergänzungsantrag gegen diese Beschlüsse begründet sein soll, ist in keiner Weise ersichtlich.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren im zweiten Rechtszug und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass das Verfahren von Amts wegen einzustellen sei, weil die Eingabe des Klägers nicht als wirksam erhobene und damit nach der Prozessordnung zu bearbeitende Klage zu werten sei, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Das Verwaltungsgericht hat unter Auswertung der einschlägigen höhergerichtlichen Rechtsprechung der Verwaltungs- und Sozialgerichte zutreffend ausgeführt, dass, wenn es an einem sinnhaften und ernst zu nehmenden Rechtsschutzbegehren fehlt, in Ausnahmefällen eine bloße Nichtbearbeitung und schlichtes Austragen in Betracht kommen kann (vgl. LSG Bad.-Württ., Beschl. v. 10.08.2015 - L 12 AS 2359/15 -, Justiz 2016, 40; BayVGH, Beschl. v. 14.03.1990 - 5 B 89.3542 -, NJW 1990, 2403; vgl. auch BFH, Beschl. v. 27.11.1991 - III B 566/90 -, BFH/NV 1992, 686). Ein sinnhaftes und ernst zu nehmendes Rechtsschutzbegehren kann beispielsweise bei völlig wirrem oder stereotyp wiederholtem Vorbringen fehlen oder wenn das „Rechtsmittel“ unter Anlegung eines strengen Maßstabs offensichtlich haltlos ist (vgl. BSG, Urt. v. 28.05.1957 - 3 RJ 98.54 - BSGE 5, 176), was insbesondere bei absurden Klagebegehren ohne jeden Rückhalt im Gesetz oder bei offensichtlich unschlüssigem Vorbringen anzunehmen ist, etwa wenn kein konkreter Streitgegenstand erkennbar ist, der Kläger nur allgemeine Ausführungen ohne irgendeinen Bezug zum materiellen Recht macht oder wenn sein Vorbringen bereits mehrmals Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war (vgl. BSG, Urt. v. 15.11.2012 - B 8 SO 23/11 R -, SozR 4-1500 § 72 Nr. 2, und Beschl. v. 25.09.2014 - B 8 SO 50/14 B -, juris). Entsprechendes gilt, wenn ein Rechtsschutzersuchen erkennbar nicht mehr der Wahrnehmung prozessualer Rechte, sondern ausschließlich verfahrensfremden Zwecken dient. In einem solchen Fall bedarf es keiner förmlichen Abweisung oder Verwerfung durch Prozessurteil. Das Ersuchen ist dann von vornherein unbeachtlich; wurde es anfangs unzutreffenderweise als förmlicher Rechtsbehelf behandelt, so ist das Verfahren einzustellen (vgl. BayVGH, Beschl. v. 14.03.1990, a.a.O.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Eingabe des Klägers nicht als wirksam erhobene und damit nach der Prozessordnung zu bearbeitende Klage zu werten ist. Mit der Eingabe möchte der Kläger erreichen, dass das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof aufgibt, seine Schreiben vom 13.09.2015 förmlich zu bescheiden; mit diesen Schreiben hatte er in den rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren 1 S 1258/15, 1436/15 und 1437/15 erneut um Prozesskostenhilfe nachgesucht. Dieses Rechtsschutzersuchen dient erkennbar nicht mehr der Wahrnehmung prozessualer Rechte, sondern ausschließlich verfahrensfremden Zwecken. Dies zeigt sich bereits daran, dass die Eingabe des Klägers keinerlei Bezug zu den Streitgegenständen der abgeschlossenen Verfahren aufweist, in denen er die erneuten Prozesskostenhilfeanträge gestellt hat. Auch sonst lässt sich den Schriftsätzen des Klägers vom 26.09.2015, 24.10.2015, 09.01.2016 und 10.02.2016 für eine Sinnhaftigkeit der begehrten förmlichen Bescheidung seiner Schreiben vom 13.09.2015 nichts entnehmen. Im Gegenteil verfolgt er ein Rechtsschutzziel, das mit den Mitteln der Verwaltungsgerichtsordnung nach keiner vernünftigen Betrachtungsweise erreichbar sein kann. Denn die Funktion der Prozesskostenhilfe schließt es ausnahmslos aus, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, die - wie hier - erst nach Abschluss der Instanz beantragt worden ist (vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 166 Rn. 42 m.w.N.). Der diesbezüglichen Belehrung im Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs vom 18.09.2015 ist der Kläger unzugänglich geblieben, was den vom Verwaltungsgericht gezogenen Schluss rechtfertigt, dass es ihm allein darauf ankommt, ein verwaltungsgerichtliches Verfahren gewissermaßen „aus dem Nichts“ zu kreieren, um die Gerichte zu beschäftigen oder gar lahm zu legen (vgl. auch BSG, Beschl. v. 12.02.2015 - B 10 ÜG 8/14 B -, SozR 4-1720 § 198 Nr. 8).
Entgegen der Auffassung des Klägers kann das Fehlen eines ernsthaft verfolgten Anspruchs hier nicht dazu führen, dass die „Klage“ noch förmlich durch Prozessurteil abzuweisen wäre. Es ist hier nicht etwa der Rechtsbehelf der Klage nur wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses ein ungeeignetes Mittel zur Erreichung eines sachlichen Begehrens. Vielmehr kann das vom Kläger angegebene Begehren bei verständiger Betrachtung nicht mehr seiner vermeintlichen Rechtsverfolgung oder dem Schutz eines vermeintlich beeinträchtigenden Rechtes dienen; es kann nur noch scheinbar von einem Rechtsschutzbegehren im prozessrechtlichen Sinn ausgegangen werden. Ersuchen aber, die mit dem Rechtsschutzauftrag der Gerichte überhaupt nicht mehr im Zusammenhang stehen, sondern nur noch - wie hier - primär eine zusätzliche Arbeitsbelastung der Gerichte bezwecken, sind von vornherein nicht als förmliche Rechtsbehelfe zu behandeln. Insofern ist die Sachlage vergleichbar mit der bei der Einreichung von Rechtsmitteln mit vorwiegend beleidigendem Inhalt, die ebenfalls als unbeachtlich angesehen werden. Eine solche Reaktion des Prozessrechts auf seine verfahrensfremde Inanspruchnahme ist, entsprechend der Reichweite des Verbots des Rechtsmissbrauchs, in allen Gerichtszweigen denkbar (vgl. zum Ganzen BayVGH, Beschl. v. 14.03.1990, a.a.O. m.w.N.).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 11. Juli 2016 - 1 S 294/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 11. Juli 2016 - 1 S 294/16

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 11. Juli 2016 - 1 S 294/16 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 54


(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten §§ 41 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend. (2) Von der Ausübung des Amtes als Richter oder ehrenamtlicher Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwal

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 11. Juli 2016 - 1 S 294/16 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 11. Juli 2016 - 1 S 294/16 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 11. Juli 2016 - 1 S 294/16

bei uns veröffentlicht am 11.07.2016

Tenor Die Rechtsbehelfe des Klägers gegen die Beschlüsse des Senats vom 9. März 2016 - 1 S 294/16 - werden abgelehnt.Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten für die Beschwerde gegen

Verwaltungsgericht Freiburg Beschluss, 02. Feb. 2016 - 1 K 2993/15

bei uns veröffentlicht am 02.02.2016

Tenor Das Verfahren wird eingestellt. Gründe  I.1 Der Kläger möchte erreichen, dass der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg seine Eingaben als förmliche Klagen oder Anträge behandelt und sachlich bescheidet.2 In einem Schreiben vom 17.09.2015

Bundessozialgericht Beschluss, 25. Sept. 2014 - B 8 SO 50/14 B

bei uns veröffentlicht am 25.09.2014

Tenor Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Januar 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht z

Bundessozialgericht Urteil, 15. Nov. 2012 - B 8 SO 23/11 R

bei uns veröffentlicht am 15.11.2012

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. März 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gerich
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 11. Juli 2016 - 1 S 294/16.

Verwaltungsgericht München Urteil, 20. Dez. 2017 - M 9 K 15.3118

bei uns veröffentlicht am 20.12.2017

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegu

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 17. Nov. 2017 - 5 K 777/17.NW

bei uns veröffentlicht am 17.11.2017

Tenor Das Verfahren wird eingestellt. Gründe I. 1 Die Kläger begehren die Feststellung, dass die Beklagte zur Vornahme einer Zwangsräumung am 23. August 1990 nicht berechtigt war. 2 Die Kläger wohnten bis zum 23. August 1990 in

Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 30. Nov. 2016 - L 7 SO 4387/16 ER-B

bei uns veröffentlicht am 30.11.2016

Tenor Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 4. November 2016 (Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung) wird als unzulässig verworfen.Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 11. Juli 2016 - 1 S 294/16

bei uns veröffentlicht am 11.07.2016

Tenor Die Rechtsbehelfe des Klägers gegen die Beschlüsse des Senats vom 9. März 2016 - 1 S 294/16 - werden abgelehnt.Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten für die Beschwerde gegen

Referenzen

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Gründe

 
I.
Der Kläger möchte erreichen, dass der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg seine Eingaben als förmliche Klagen oder Anträge behandelt und sachlich bescheidet.
In einem Schreiben vom 17.09.2015 teilte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg dem Kläger formlos mit, eine Eingabe vom 20.08.2015 könne nicht als Rechtsmittel in Sinne der Verwaltungsgerichtsordnung behandelt werden, da sich ihr nicht entnehmen lasse, gegen welche erstinstanzliche Entscheidung eines Verwaltungsgericht sich die „Beschwerde“ richten solle. Der Verwaltungsgerichtshof sehe daher keinen Anlass zu weiteren Maßnahmen und werde weitere Schreiben in dieser Sache, die kein hinreichend bezeichnetes Rechtsmittel enthielten, nicht mehr beantworten.
In zwei weiteren Schreiben vom 18.09.2015 teilte der Verwaltungsgerichtshof Baden Württemberg dem Kläger - ebenfalls formlos - mit, dass alle von ihm in einer Eingabe vom 13.09.2015 aufgeführten Verfahren abgeschlossen seien. Kosten würden in diesen Verfahren nicht erhoben. Über die Prozesskostenhilfeanträge des Klägers sei entschieden worden; daher sei für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kein Raum. Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Abschluss der Verfahren komme nicht in Betracht.
Mit Schreiben vom 30.09.2015 wandte sich der Kläger an das Oberlandesgericht Karlsruhe (dortiger Eingang am 30.09.2015). In diesem Schreiben führte er aus, dass der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg seine Eingaben sachlich bescheiden müsse, zumal der Amtsermittlungsgrundsatz gelte. Ferner stellte er folgenden Antrag:
„Gemäß §§ 23 ff. EGGVG wird beantragt die beigefügten Schreiben aufzuheben und den VGH BW zur sachlichen Bescheidung der Eingaben zu verpflichten.“
Nach Anhörung des Klägers stellte das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 18.12.2015 - 6 VA 15/15 - fest, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten unzulässig sei. Der Rechtsstreit werde gemäß § 17a Abs. 2 GVG an das Verwaltungsgericht Freiburg verwiesen. In den Gründen hat es ausgeführt, dass in den angegriffenen Mitteilungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg kein Justizverwaltungsakt auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts zu sehen sei. Zuständiges Gericht nach § 52 Abs. 3 S. 2 VwGO sei das Verwaltungsgericht Freiburg.
Mit Verfügung vom 28.12.2015 wies der Vorsitzende die Beteiligten darauf hin, dass für das Begehren des Klägers wohl kein auch nur ansatzweise statthafter Rechtsbehelf zur Verfügung stehe und daher möglicherweise eine - nur in Ausnahmefällen zulässige - Austragung des Verfahrens im Beschlusswege denkbar sei.
Mit Schriftsatz vom 09.01.2016 führte der Kläger aus, dass er den Vorsitzenden als befangen ablehne. Es könne dahinstehen, ob man die Klage für statthaft halte oder diese an das Bundesverwaltungsgericht zu verweisen sei.
Der Beklagte teilte mit Schriftsatz vom 27.01.2016 mit, dass kein Anlass gesehen werde, gegen die angekündigte Handhabung der vorliegenden Rechtssache Bedenken zu erheben. Für den Fall, dass das Rechtsschutzbegehren als Klage auszulegen sei, werde beantragt, diese als unzulässig abzuweisen. Sie beziehe sich auf keinen Verwaltungsakt und sei auch nicht auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet. Für eine allgemeine Leistungs- oder Feststellungsklage fehle es am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis. Denn in der Sache ziele das Anliegen des Rechtsmittelführers offenkundig darauf, sich gegen unanfechtbare Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg neue Verfahrenszüge und Rechtsmittel zu erschließen, die im Verwaltungsprozessrecht nicht vorgesehen seien.
II.
10 
1. Das Gesuch des Klägers, den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist offensichtlich missbräuchlich. Einen - nachvollziehbaren - möglichen Ablehnungsgrund hat der Kläger nicht genannt. Insbesondere sind bloße richterliche Hinweise auf eine bestimmte Rechtsauffassung keine Befangenheitsgründe, sofern sie - wie hier - erkennbar nur eine vorläufige Einschätzung enthalten. Das Gericht kann das Ablehnungsgesuch daher unberücksichtigt lassen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 54 Rnrn. 11 und 11a sowie Rn. 16 m.w.N).
11 
2. Das Verfahren ist von Amts wegen einzustellen, da die Eingabe des Klägers nicht als wirksam erhobene und damit nach der Prozessordnung zu bearbeitende Klage zu werten ist.
12 
a) Fehlt es an einem sinnhaften und ernst zu nehmenden Rechtsschutzbegehren, kann in Ausnahmefällen eine bloße Nichtbearbeitung in Betracht kommen (vgl. hierzu und zum Folgenden: LSG Bad.-Württ., Beschluss vom 10.08.2015 - L 12 AS 2359/15 WA -; OVG Lüneburg, Urteil vom 22.02.1996 - 11 L 6989/95 - juris; BayVGH, Beschluss vom 14.03.1990 - 5 B 89.3542 - juris). Ein sinnhaftes und ernst zu nehmendes Rechtsschutzbegehren kann beispielsweise bei völlig wirrem oder stereotyp wiederholtem Vorbringen fehlen oder wenn das „Rechtsmittel“ unter Anlegung eines strengen Maßstabs offensichtlich haltlos ist (BSG, Urteil vom 28.05.1957 - 3 RJ 98/54 - BSGE 5, 176), was insbesondere bei absurden Klagebegehren ohne jeden Rückhalt im Gesetz oder bei offensichtlich unschlüssigem Vorbringen anzunehmen ist, etwa wenn kein konkreter Streitgegenstand erkennbar ist, der Kläger nur allgemeine Ausführungen ohne irgendeinen Bezug zum materiellen Recht macht oder wenn sein Vorbringen bereits mehrmals Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war (BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 23/11 R - SozR 4-1500 § 72 Nr. 2; BSG, Beschluss vom 25.09.2014 - B 8 SO 50/14 B - juris). Entsprechendes gilt, wenn ein Rechtsschutzersuchen erkennbar nicht mehr der Wahrnehmung prozessualer Rechte, sondern ausschließlich verfahrensfremden Zwecken dient. In einem solchen Fall ist ein Ersuchen von vornherein unbeachtlich.
13 
b) So liegt der Fall hier. Das Begehren des Klägers ist darauf gerichtet, dass das Verwaltungsgericht den Verwaltungsgerichtshof dazu verpflichtet, zwei seiner Eingaben als förmliche Rechtsmittel zu behandeln. Für dieses Begehren gibt es keinerlei Rückhalt im Gesetz. Die Rechtsordnung stellt dafür nach jeder denkbaren Betrachtungsweise keinen auch nur ansatzweise statthaften Rechtsbehelf zur Verfügung. Eine Befugnis des Verwaltungsgerichts Freiburg (oder irgendeines anderen Gerichts), außerhalb seiner sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit ein anderes Gericht zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen, besteht offenkundig nicht. Anders als der Kläger zu meinen scheint, ist auch die Revision an das Bundesverwaltungsgericht offenkundig nicht statthaft. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Gerichte keine allgemeinen Beschwerdestellen, die sich nach eigenem Gutdünken in jedes beliebige Verfahren einmischen oder gar außerhalb ihrer gesetzlich normierten Zuständigkeit anderen Gerichten Vorgaben machen können, wie diese ihre Verfahren zu behandeln haben. Ein darauf gerichtetes Begehren kann daher offensichtlich nicht als Rechtsmittel ausgelegt werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.12.2015 - 10 S 2041/15 -).
14 
c) Das Verhalten des Klägers in diesem und zahlreichen anderen Verfahren - allein zur Zahl der bei der Sozialgerichtsbarkeit anhängig gemachten Verfahren vgl. BSG, Urteil vom 12.02.2015 - B 10 ÜG 8/14 B - juris-Rn. 1 - belegt im Übrigen, dass er die Wahrnehmung gerichtlichen Rechtsschutzes in vielen Fällen nur zu dem Zweck einsetzt, die Funktionsfähigkeit des staatlichen Rechtspflegeapparats „auszutesten“ (vgl. BSG, Urteil vom 12.07.2012 - B 14 AS 35/12 R - BSGE 111, 234), weil es ihm - in den Worten des Bundessozialgerichts - „Freude [bereitet], die Gerichte zu beschäftigen oder gar lahmzulegen“ (vgl. BSG, Urteil vom 12.02.2015 - B 10 ÜG 8/14 B - juris-Rn. 10).
15 
Für diesen Zweck stehen die Rechtsschutzmöglichkeiten der VwGO jedoch nicht zur Verfügung. Der Zugang zu den Gerichten wird vom Grundgesetz nicht lediglich als formelles Recht, die Gerichte anzurufen, garantiert, sondern zielt auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes. Der Kläger nutzt jedenfalls den vorliegenden Rechtsbehelf jedoch nicht um Rechtsschutz zu erlangen, sondern in zweckwidriger, rechtsmissbräuchlicher Weise (vgl. hierzu allg. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2012 - 1 BvL 18.11 - BVerfGE 133, 1, juris-Rn. 72). Daher ist das Gericht auch unter Berücksichtigung der in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Garantie effektiven Rechtschutzes nicht gehalten, das vorgebrachte Begehren nach Maßgabe der Prozessordnung zu prüfen, zumal im vorliegenden Fall unter keinem Gesichtspunkt ein zulässiges Rechtsmittel vorliegt.
16 
3. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da kein gerichtliches Verfahren vorliegt, das eine Kostenfolge auslösen könnte.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten §§ 41 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter oder ehrenamtlicher Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.

(3) Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozeßordnung ist stets dann begründet, wenn der Richter oder ehrenamtliche Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. März 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind mehrere Anträge des Klägers, im Revisionsverfahren vorrangig seine wirksame Vertretung im sozialgerichtlichen Verfahren.

2

Der 1955 geborene, nicht unter Betreuung stehende Kläger, der an einer paranoiden Psychose leidet, ist voll erwerbsgemindert und bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII). Im November 2008 beantragte er bei der Beklagten ua die Übernahme der Anschaffungskosten für Telefon und Internetempfangsgeräte, Computer und Multifunktionsdrucker sowie für Spracherkennungssoftware, die Übernahme laufender Telefonkosten samt Internetflatrate, die Übernahme der Studiengebühren für ein Studium an 20 Fakultäten diverser Hochschulen, die Feststellung seines Rechts auf Bildung, Weiterbildung, medizinische Rehabilitation, Wiedereingliederung in die Gesellschaft, Forschung und Entwicklung, auf künstlerische Tätigkeit, freie Meinungsäußerung, auf Ausübung der Religion und politische Tätigkeit und die Feststellung einer Schwerbehinderung. Die Beklagte lehnte die Anträge ab (Bescheid vom 19.12.2008, zugestellt am 2.1.2009).

3

Die bereits am 19.12.2008 erhobene Klage blieb erst- und zweitinstanzlich erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 9.3.2009; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25.3.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Berufung sei wegen Prozessunfähigkeit des Klägers unzulässig. Die Prozessunfähigkeit habe Dr. V in seinem Gutachten vom 21.6.2009, das er in einem weiteren anhängigen Verfahren vor dem SG erstellt habe, überzeugend bejaht. Dies bestätige sich für den Senat aus den in zahlreichen gerichtlichen Verfahren eingereichten Schriftsätzen. Es habe davon abgesehen werden können, einen besonderen Vertreter (§ 72 Sozialgerichtsgesetz) zu bestellen, weil die Klage offensichtlich haltlos im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei. Die Verpflichtungsklage auf Bewilligung eines internetfähigen Computers sei schon unzulässig, weil zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch kein ablehnender Bescheid vorgelegen habe und die unzulässige Klage auch nicht durch dessen Bekanntgabe zulässig werde. Auch die Feststellungsklagen seien offensichtlich unzulässig, weil weder ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis noch ein berechtigtes Feststellungsinteresse ersichtlich sei.

4

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 72 SGG. Das LSG habe zu Unrecht von der Bestellung eines besonderen Vertreters abgesehen, weil auch in der Sache keine offensichtlich haltlose Rechtsverfolgung vorliege.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

6

Die durch den besonderen Vertreter eingelegte Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Verstoß gegen § 72 Abs 1 SGG, weil das LSG zu Unrecht von der Bestellung eines besonderen Vertreters für den bereits im Berufungsverfahren prozessunfähigen Kläger abgesehen hat. Der Kläger war dadurch im Verfahren nicht wirksam vertreten (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 4 Zivilprozessordnung); hierin liegt ein absoluter Revisionsgrund, bei dem unterstellt wird, dass das Urteil des LSG auf ihm beruht (zu dieser Voraussetzung siehe § 162 SGG). Abgesehen davon, dass bei absoluten Revisionsgründen § 170 Abs 1 Satz 2 SGG regelmäßig keine Anwendung findet(vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 170 RdNr 5a mwN zur Rspr), kann vorliegend ohnedies noch nicht beurteilt werden, ob sich die Entscheidung des LSG aus anderen Gründen in vollem Umfang als richtig erweist, weil das Klagebegehren des prozessunfähigen Klägers (dazu später) noch einer genauen Klärung bedarf und damit die Klage zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht als unzulässig angesehen werden kann.

7

Gemäß § 72 Abs 1 SGG kann der Vorsitzende des jeweiligen Spruchkörpers für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen. Prozessunfähig ist eine Person, die sich nicht durch Verträge verpflichten kann (vgl § 71 Abs 1 SGG), also ua eine solche, die nicht geschäftsfähig iS des § 104 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist, weil sie sich gemäß § 104 Nr 2 BGB in einem nicht nur vorübergehenden, die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet und deshalb nicht in der Lage ist, ihre Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen.

8

Dies war und ist beim Kläger nach dem überzeugenden Gutachten des Dr. V vom 21.6.2009 der Fall. Der Kläger leidet unter einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit in Form von nicht nachvollziehbaren Verfolgungsgedanken und sieht sich Beeinträchtigungen, Bedrohungen und Schädigungen ausgesetzt. Insbesondere ist ihm eine geistig geordnete Reaktion auf Schreiben von Behörden oder Gerichten nicht möglich. Sein Verhalten ist dabei ständig von paranoid verfälschter Wahrnehmung und Ideenbildung bestimmt. Die Beurteilung durch Dr. V wird bestätigt durch das prozessuale Gesamtverhalten des Klägers, der sich mit in der Regel mehrere hundert Seiten umfassenden unstrukturierten Schriftstücken an die Beklagte und das Gericht wendet, die inhaltlich über weite Strecken seine Verfolgungsideen widerspiegeln.

9

Im Berufungsverfahren durfte nicht davon abgesehen werden, einen besonderen Vertreter für den prozessunfähigen Kläger zu bestellen. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein besonderer Vertreter in jedem Fall im Hinblick auf die besondere Fürsorgepflicht des Gerichts zu bestellen ist. Jedenfalls ist dies auf dem Gebiet der Sozialhilfe der Fall, wenn - wie hier - die Hilfebedürftigkeit auf demselben Mangel beruht, der auch zur Prozessunfähigkeit führt (vgl BVerwG, Beschluss vom 9.12.1986 - 2 B 127/86 - juris). Das dem Vorsitzenden in § 72 Abs 1 SGG eingeräumte Ermessen ("kann") ist zumindest in diesen Fällen nicht als Entscheidungsoption hinsichtlich des "Ob" der Bestellung eines besonderen Vertreters zu verstehen, sondern lediglich als Ausdruck seiner Wahlmöglichkeit, entweder auf die Vertretung des Prozessunfähigen durch einen gesetzlichen Vertreter hinzuwirken oder dort, wo dies nicht möglich ist, einen besonderen Vertreter zu bestellen(so bereits BSGE 5, 176, 178; Ulmer in Hennig, SGG, § 72 RdNr 2, Stand Februar 2004; Leitherer, aaO, § 72 RdNr 2b). Eine Klageabweisung bzw eine Verwerfung der Berufung wegen mangelnder Prozessfähigkeit ist daher im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich unzulässig (BSGE aaO). Die Bestellung eines besonderen Vertreters dient dabei zwar der Prozessökonomie (Leitherer, aaO, § 72 RdNr 1a; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 72 RdNr 1; Littmann in Handkommentar-SGG, 4. Aufl 2012, § 72 RdNr 2), weil die Einrichtung einer Betreuung oder die Bestellung eines Vormunds durch das Vormundschaftsgericht nicht abgewartet werden muss, um den Prozess fortführen zu können; vorliegend aber sichert die Bestellung eines besonderen Vertreters die Verwirklichung der prozessualen Rechte eines Prozessunfähigen durch die Sicherstellung seines Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Grundgesetz ), in dem der besondere Vertreter alle Rechte des Prozessunfähigen wahrnehmen kann (§ 72 Abs 1 SGG). Steht - wie vorliegend - die Prozessunfähigkeit fest, kann der Prozess grundsätzlich nur mit einem besonderen Vertreter fortgeführt werden, wenn eine sonstige gesetzliche Vertretung nicht gewährleistet ist und - wie hier - das Amtsgericht von der Bestellung eines Betreuers abgesehen hat (BSGE 91, 146 ff RdNr 5 = SozR 4-1500 § 72 Nr 1).

10

Zwar sind Ausnahmen von der Vertreterbestellung dann für zulässig erachtet worden, wenn unter Anlegung eines strengen Maßstabs das Rechtsmittel eines Prozessunfähigen "offensichtlich haltlos" ist (BSGE 5, 176, 178 f), was insbesondere bei absurden Klagebegehren ohne jeden Rückhalt im Gesetz oder bei offensichtlich unschlüssigem Vorbringen anzunehmen ist, etwa wenn kein konkreter Streitgegenstand erkennbar ist, der Kläger nur allgemeine Ausführungen ohne irgendeinen Bezug zum materiellen Recht von sich gibt oder wenn sein Vorbringen bereits mehrmals Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war (vgl BSGE 91, 146 ff RdNr 11 = SozR 4-1500 § 72 Nr 1). Diese Ausnahmen sind jedoch, wie die aufgeführten Beispiele zeigen, vorrangig auf materiellrechtliche Erwägungen gestützt worden und insoweit nur in seltenen Konstellationen zulässig, in denen bereits der Schutzbereich des Art 19 Abs 4 GG nicht berührt ist und damit keine Nachteile für den Prozessunfähigen verbunden sind. Denn der nach Art 19 Abs 4 GG garantierte Rechtsschutz dient keinem Selbstzweck, sondern soll sicherstellen, dass der Betroffene mit gerichtlicher Hilfe die ihm zustehenden materiellen Ansprüche durchsetzen bzw rechtswidrige Eingriffe abwehren kann (BSG SozR 4-1500 § 90 Nr 1 RdNr 6), wenn auch nicht zwingend in derselben Angelegenheit mehrfach (vgl auch Bundesverfassungsgericht , Beschluss vom 12.9.2005 - 2 BvR 1435/05 - juris RdNr 2).

11

Ein derartiges, in der Sache offensichtlich haltloses Begehren, das das Absehen von einer Vertreterbestellung rechtfertigen könnte, ist vorliegend nicht zu bejahen. Es ist nicht von vornherein völlig ausgeschlossen, dass zumindest nach Hinweisen des Vorsitzenden (§ 106 SGG) unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes (vgl nur BSGE 74, 77 ff = SozR 3-4100 § 104 Nr 11 S 49 ff; Leitherer, aaO, § 92 RdNr 12 mwN) ein besonderer Vertreter oder ein von diesem bestellter Prozessbevollmächtigter in der Lage ist, im wohlverstandenen Interesse des Klägers sachdienliche Klageanträge mit hinreichendem Bezug zum materiellen Recht zu formulieren.

12

Bei der prozessualen Begründung eines offensichtlich haltlosen Klagebegehrens, wie sie das LSG mit der Annahme einer aus anderen Gründen als der Prozessunfähigkeit unzulässigen Klage seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, ist deshalb besondere Zurückhaltung geboten. Die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens und damit die Auslegung von Verfahrensvorschriften hat immer in einem angemessenen Verhältnis zu dem auf Sachverhaltsaufklärung und Verwirklichung des materiellen Rechts gerichteten Verfahrensziel zu stehen. Dies gilt nicht nur für den Weg zu den Gerichten, der nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf (vgl BVerfGE 35, 263, 274; 40, 272, 274 f; 77, 275, 284), sondern in gleicher Weise innerhalb des Verfahrens, soweit es darum geht, sich dort effektiv rechtliches Gehör zu verschaffen (BVerfGE 81, 123, 129). Der Einzelne darf nicht nur Objekt der richterlichen Entscheidung sein; vielmehr muss er vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen (stRspr; vgl grundlegend BVerfGE 1, 418, 429; zuletzt BVerfGE 107, 395 ff).

13

Diesen Maßstäben wird das Vorgehen des LSG bei der Anwendung und Auslegung des § 72 Abs 1 SGG nicht gerecht. Es hat von der Bestellung eines besonderen Vertreters abgesehen, weil es die prozessualen Voraussetzungen für die vom (prozessunfähigen) Kläger formulierten Verpflichtungs- bzw Feststellungsanträge, die es ausdrücklich nur "sinngemäß" ausgelegt hat, nicht als erfüllt bewertet. Dies verkürzt zwangsläufig die Rechte eines Prozessunfähigen. Ob und unter welchen Voraussetzungen allein aus prozessualen Gesichtspunkten überhaupt Ausnahmen von der Bestellung eines besonderen Vertreters gemacht werden können, kann daneben offenbleiben. Schon die Frage, welche Klageart dem Begehren des Klägers hinreichend Rechnung trägt, kann nämlich nicht ohne Berücksichtigung dessen beantwortet werden, was der Kläger tatsächlich begehrt; Anspruch und prozessuale Durchsetzung stehen immer in einem engen Zusammenhang und dürfen nicht isoliert voneinander gesehen werden. Hierauf beruht auch § 106 SGG. Die Vorschrift statuiert ua eine Pflicht des Vorsitzenden, auf eine sachgerechte Antragstellung hinzuwirken (vgl § 106 Abs 1 3. Alt SGG). Gerade die beim Kläger vorliegende Prozessunfähigkeit ist und war der Grund dafür, wie er sein Klagebegehren formuliert hat, dessen genaues Ziel noch der Klärung bedarf. Deren Nachholung war im Revisionsverfahren nicht zwingend erforderlich, weil daraus ggf Amtsermittlungspflichten (§ 103 SGG) resultieren, denen das Revisionsgericht nicht unterliegt.

14

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Januar 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt die Übernahme von Kosten für verschiedene Medikamente.

2

Der 1958 geborene, nicht unter Betreuung stehende Kläger, der an einer paranoiden Persön-lichkeits- und einer rezidivierenden depressiven Störung leidet, ist voll erwerbsgemindert und bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII). Seine Anträge auf Übernahme von Kosten für Medikamente lehnte der Beklagte ab. Die hiergegen beim Sozialgericht (SG) Gießen erhobenen Klagen (insgesamt 7 Verfahren) blieben ohne Erfolg.

3

Das hiergegen jeweils angerufene Hessische Landessozialgericht (LSG) hat die Verfahren verbunden und die Berufungen des Klägers sodann als unzulässig verworfen (Beschluss vom 6.1.2014), weil die Berufungen rechtmissbräuchlich erhoben seien. Ein legitimes nachvollziehbares Rechtsschutzbedürfnis sei weder dargetan noch ersichtlich. Die Rechtsverfolgung sei vielmehr Ausdruck der partiellen Prozessunfähigkeit des Klägers.

4

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Beschluss rügt der Kläger einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG habe zu Unrecht von der Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 72 SGG abgesehen, weil auch in der Sache keine offensichtlich haltlose Rechtsverfolgung vorliege.

5

II. Die durch den vom Senat bestellten besonderen Vertreter des Klägers eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist zulässig. Sie genügt hinsichtlich des geltend gemachten Verfahrensfehlers den Bezeichnungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Da der gerügte Verfahrensmangel auch vorliegt, konnte der Beschluss gemäß § 160a Abs 5 SGG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.

6

Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Verstoß gegen § 72 Abs 1 SGG, weil das LSG zu Unrecht von der Bestellung eines besonderen Vertreters für den bereits im Klage- und Berufungsverfahren prozessunfähigen Kläger abgesehen hat. Der Kläger war dadurch im Verfahren nicht wirksam vertreten (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 4 Zivilprozessordnung); hierin liegt ein absoluter Revisionsgrund, bei dem unterstellt wird, dass die Entscheidung des LSG auf ihm beruht (zu dieser Voraussetzung siehe § 162 SGG).

7

Gemäß § 72 Abs 1 SGG muss der Vorsitzende des jeweiligen Spruchkörpers für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen. Prozessunfähig ist eine Person, die sich nicht durch Verträge verpflichten kann (vgl § 71 Abs 1 SGG), also ua eine solche, die nicht geschäftsfähig iS des § 104 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist, weil sie sich gemäß § 104 Nr 2 BGB in einem nicht nur vorübergehenden die freie Willensbestimmung ausschließenden Zu-stand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet und deshalb nicht in der Lage ist, ihre Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Dabei können bestimmte Krankheitsbilder auch zu einer sog partiellen Prozessunfähigkeit führen, bei der die Willensbildung nur bezüglich bestimmter Prozessbereiche eingeschränkt ist. Soweit eine solche partielle Prozessunfähigkeit anzunehmen ist, erstreckt sie sich auf den gesamten Prozess (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 32 S 65).

8

Eine solche partielle Prozessunfähigkeit im Hinblick auf die Führung von sozialgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten liegt beim Kläger vor, wie der Senat im Einzelnen in dem Beschluss vom 8.4.2014 (B 8 SO 48/13 B) unter Bezugnahme auf aktenkundige psychiatrische Gutachten ausgeführt hat; zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf Bezug genommen.

9

Im Berufungsverfahren durfte nicht davon abgesehen werden, einen besonderen Vertreter zu bestellen. Steht - wie vorliegend - die Prozessunfähigkeit für den Prozess fest, kann dieser grundsätzlich nur mit einem besonderen Vertreter fortgeführt werden, wenn eine sonstige gesetzliche Vertretung nicht gewährleistet ist und - wie hier - das Amtsgericht von der Bestellung eines Betreuers abgesehen hat (im Einzelnen zuletzt BSG SozR 4-1500 § 72 Nr 2 RdNr 9). Zwar sind Ausnahmen von der Vertreterbestellung dann für zulässig erachtet worden, wenn das Rechtsmittel unter Anlegung eines strengen Maßstabs "offensichtlich haltlos" ist (BSGE 5, 176, 178 f), was insbesondere bei absurden Klagebegehren ohne jeden Rückhalt im Gesetz oder bei offensichtlich unschlüssigem Vorbringen anzunehmen ist, etwa wenn kein konkreter Streitgegenstand erkennbar ist, der Kläger nur allgemeine Ausführungen ohne irgendeinen Bezug zum materiellen Recht macht oder wenn sein Vorbringen bereits mehrmals Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war (BSG SozR 4-1500 § 72 Nr 2 RdNr 10).

10

Ein solches haltloses Begehren liegt aber nicht vor. Es ist nicht erkennbar, dass die im Klagewege geltend gemachten Ansprüche des Klägers auf Übernahme von Kosten für Medikamente, die er in jedem Einzelfall bezeichnet und beziffert hat, von vornherein ein haltloses Klagebegehren ohne jeden Rückhalt im Gesetz darstellen. Es ist damit nicht völlig ausgeschlossen, dass zumindest nach Hinweisen des Vorsitzenden (§ 106 SGG) unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes (vgl nur: BSGE 74, 77 ff = SozR 3-4100 § 104 Nr 11 S 49 ff) ein besonderer Vertreter oder ein von diesem bestellter Prozessbevollmächtigter in der Lage ist, im wohlverstandenen Interesse des Klägers sachdienliche Klageanträge mit hinreichendem Bezug zum materiellen Recht zu formulieren.

11

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.