Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Gründe

 
I.
Der Kläger möchte erreichen, dass der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg seine Eingaben als förmliche Klagen oder Anträge behandelt und sachlich bescheidet.
In einem Schreiben vom 17.09.2015 teilte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg dem Kläger formlos mit, eine Eingabe vom 20.08.2015 könne nicht als Rechtsmittel in Sinne der Verwaltungsgerichtsordnung behandelt werden, da sich ihr nicht entnehmen lasse, gegen welche erstinstanzliche Entscheidung eines Verwaltungsgericht sich die „Beschwerde“ richten solle. Der Verwaltungsgerichtshof sehe daher keinen Anlass zu weiteren Maßnahmen und werde weitere Schreiben in dieser Sache, die kein hinreichend bezeichnetes Rechtsmittel enthielten, nicht mehr beantworten.
In zwei weiteren Schreiben vom 18.09.2015 teilte der Verwaltungsgerichtshof Baden Württemberg dem Kläger - ebenfalls formlos - mit, dass alle von ihm in einer Eingabe vom 13.09.2015 aufgeführten Verfahren abgeschlossen seien. Kosten würden in diesen Verfahren nicht erhoben. Über die Prozesskostenhilfeanträge des Klägers sei entschieden worden; daher sei für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kein Raum. Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Abschluss der Verfahren komme nicht in Betracht.
Mit Schreiben vom 30.09.2015 wandte sich der Kläger an das Oberlandesgericht Karlsruhe (dortiger Eingang am 30.09.2015). In diesem Schreiben führte er aus, dass der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg seine Eingaben sachlich bescheiden müsse, zumal der Amtsermittlungsgrundsatz gelte. Ferner stellte er folgenden Antrag:
„Gemäß §§ 23 ff. EGGVG wird beantragt die beigefügten Schreiben aufzuheben und den VGH BW zur sachlichen Bescheidung der Eingaben zu verpflichten.“
Nach Anhörung des Klägers stellte das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 18.12.2015 - 6 VA 15/15 - fest, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten unzulässig sei. Der Rechtsstreit werde gemäß § 17a Abs. 2 GVG an das Verwaltungsgericht Freiburg verwiesen. In den Gründen hat es ausgeführt, dass in den angegriffenen Mitteilungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg kein Justizverwaltungsakt auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts zu sehen sei. Zuständiges Gericht nach § 52 Abs. 3 S. 2 VwGO sei das Verwaltungsgericht Freiburg.
Mit Verfügung vom 28.12.2015 wies der Vorsitzende die Beteiligten darauf hin, dass für das Begehren des Klägers wohl kein auch nur ansatzweise statthafter Rechtsbehelf zur Verfügung stehe und daher möglicherweise eine - nur in Ausnahmefällen zulässige - Austragung des Verfahrens im Beschlusswege denkbar sei.
Mit Schriftsatz vom 09.01.2016 führte der Kläger aus, dass er den Vorsitzenden als befangen ablehne. Es könne dahinstehen, ob man die Klage für statthaft halte oder diese an das Bundesverwaltungsgericht zu verweisen sei.
Der Beklagte teilte mit Schriftsatz vom 27.01.2016 mit, dass kein Anlass gesehen werde, gegen die angekündigte Handhabung der vorliegenden Rechtssache Bedenken zu erheben. Für den Fall, dass das Rechtsschutzbegehren als Klage auszulegen sei, werde beantragt, diese als unzulässig abzuweisen. Sie beziehe sich auf keinen Verwaltungsakt und sei auch nicht auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet. Für eine allgemeine Leistungs- oder Feststellungsklage fehle es am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis. Denn in der Sache ziele das Anliegen des Rechtsmittelführers offenkundig darauf, sich gegen unanfechtbare Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg neue Verfahrenszüge und Rechtsmittel zu erschließen, die im Verwaltungsprozessrecht nicht vorgesehen seien.
II.
10 
1. Das Gesuch des Klägers, den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist offensichtlich missbräuchlich. Einen - nachvollziehbaren - möglichen Ablehnungsgrund hat der Kläger nicht genannt. Insbesondere sind bloße richterliche Hinweise auf eine bestimmte Rechtsauffassung keine Befangenheitsgründe, sofern sie - wie hier - erkennbar nur eine vorläufige Einschätzung enthalten. Das Gericht kann das Ablehnungsgesuch daher unberücksichtigt lassen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 54 Rnrn. 11 und 11a sowie Rn. 16 m.w.N).
11 
2. Das Verfahren ist von Amts wegen einzustellen, da die Eingabe des Klägers nicht als wirksam erhobene und damit nach der Prozessordnung zu bearbeitende Klage zu werten ist.
12 
a) Fehlt es an einem sinnhaften und ernst zu nehmenden Rechtsschutzbegehren, kann in Ausnahmefällen eine bloße Nichtbearbeitung in Betracht kommen (vgl. hierzu und zum Folgenden: LSG Bad.-Württ., Beschluss vom 10.08.2015 - L 12 AS 2359/15 WA -; OVG Lüneburg, Urteil vom 22.02.1996 - 11 L 6989/95 - juris; BayVGH, Beschluss vom 14.03.1990 - 5 B 89.3542 - juris). Ein sinnhaftes und ernst zu nehmendes Rechtsschutzbegehren kann beispielsweise bei völlig wirrem oder stereotyp wiederholtem Vorbringen fehlen oder wenn das „Rechtsmittel“ unter Anlegung eines strengen Maßstabs offensichtlich haltlos ist (BSG, Urteil vom 28.05.1957 - 3 RJ 98/54 - BSGE 5, 176), was insbesondere bei absurden Klagebegehren ohne jeden Rückhalt im Gesetz oder bei offensichtlich unschlüssigem Vorbringen anzunehmen ist, etwa wenn kein konkreter Streitgegenstand erkennbar ist, der Kläger nur allgemeine Ausführungen ohne irgendeinen Bezug zum materiellen Recht macht oder wenn sein Vorbringen bereits mehrmals Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war (BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 23/11 R - SozR 4-1500 § 72 Nr. 2; BSG, Beschluss vom 25.09.2014 - B 8 SO 50/14 B - juris). Entsprechendes gilt, wenn ein Rechtsschutzersuchen erkennbar nicht mehr der Wahrnehmung prozessualer Rechte, sondern ausschließlich verfahrensfremden Zwecken dient. In einem solchen Fall ist ein Ersuchen von vornherein unbeachtlich.
13 
b) So liegt der Fall hier. Das Begehren des Klägers ist darauf gerichtet, dass das Verwaltungsgericht den Verwaltungsgerichtshof dazu verpflichtet, zwei seiner Eingaben als förmliche Rechtsmittel zu behandeln. Für dieses Begehren gibt es keinerlei Rückhalt im Gesetz. Die Rechtsordnung stellt dafür nach jeder denkbaren Betrachtungsweise keinen auch nur ansatzweise statthaften Rechtsbehelf zur Verfügung. Eine Befugnis des Verwaltungsgerichts Freiburg (oder irgendeines anderen Gerichts), außerhalb seiner sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit ein anderes Gericht zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen, besteht offenkundig nicht. Anders als der Kläger zu meinen scheint, ist auch die Revision an das Bundesverwaltungsgericht offenkundig nicht statthaft. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Gerichte keine allgemeinen Beschwerdestellen, die sich nach eigenem Gutdünken in jedes beliebige Verfahren einmischen oder gar außerhalb ihrer gesetzlich normierten Zuständigkeit anderen Gerichten Vorgaben machen können, wie diese ihre Verfahren zu behandeln haben. Ein darauf gerichtetes Begehren kann daher offensichtlich nicht als Rechtsmittel ausgelegt werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.12.2015 - 10 S 2041/15 -).
14 
c) Das Verhalten des Klägers in diesem und zahlreichen anderen Verfahren - allein zur Zahl der bei der Sozialgerichtsbarkeit anhängig gemachten Verfahren vgl. BSG, Urteil vom 12.02.2015 - B 10 ÜG 8/14 B - juris-Rn. 1 - belegt im Übrigen, dass er die Wahrnehmung gerichtlichen Rechtsschutzes in vielen Fällen nur zu dem Zweck einsetzt, die Funktionsfähigkeit des staatlichen Rechtspflegeapparats „auszutesten“ (vgl. BSG, Urteil vom 12.07.2012 - B 14 AS 35/12 R - BSGE 111, 234), weil es ihm - in den Worten des Bundessozialgerichts - „Freude [bereitet], die Gerichte zu beschäftigen oder gar lahmzulegen“ (vgl. BSG, Urteil vom 12.02.2015 - B 10 ÜG 8/14 B - juris-Rn. 10).
15 
Für diesen Zweck stehen die Rechtsschutzmöglichkeiten der VwGO jedoch nicht zur Verfügung. Der Zugang zu den Gerichten wird vom Grundgesetz nicht lediglich als formelles Recht, die Gerichte anzurufen, garantiert, sondern zielt auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes. Der Kläger nutzt jedenfalls den vorliegenden Rechtsbehelf jedoch nicht um Rechtsschutz zu erlangen, sondern in zweckwidriger, rechtsmissbräuchlicher Weise (vgl. hierzu allg. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2012 - 1 BvL 18.11 - BVerfGE 133, 1, juris-Rn. 72). Daher ist das Gericht auch unter Berücksichtigung der in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Garantie effektiven Rechtschutzes nicht gehalten, das vorgebrachte Begehren nach Maßgabe der Prozessordnung zu prüfen, zumal im vorliegenden Fall unter keinem Gesichtspunkt ein zulässiges Rechtsmittel vorliegt.
16 
3. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da kein gerichtliches Verfahren vorliegt, das eine Kostenfolge auslösen könnte.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 17a


(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden. (2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Am

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 52


Für die örtliche Zuständigkeit gilt folgendes:1.In Streitigkeiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, ist nur das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Vermögen oder

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Tenor Das Verfahren wird eingestellt. Gründe I. 1 Die Kläger begehren die Feststellung, dass die Beklagte zur Vornahme einer Zwangsräumung am 23. August 1990 nicht berechtigt war. 2 Die Kläger wohnten bis zum 23. August 1990 in

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(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

Für die örtliche Zuständigkeit gilt folgendes:

1.
In Streitigkeiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, ist nur das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt.
2.
Bei Anfechtungsklagen gegen den Verwaltungsakt einer Bundesbehörde oder einer bundesunmittelbaren Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesbehörde, die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung ihren Sitz hat, vorbehaltlich der Nummern 1 und 4. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen des Satzes 1. In Streitigkeiten nach dem Asylgesetz ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat; ist eine örtliche Zuständigkeit danach nicht gegeben, bestimmt sie sich nach Nummer 3. Soweit ein Land, in dem der Ausländer seinen Aufenthalt zu nehmen hat, von der Möglichkeit nach § 83 Absatz 3 des Asylgesetzes Gebrauch gemacht hat, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, das nach dem Landesrecht für Streitigkeiten nach dem Asylgesetz betreffend den Herkunftsstaat des Ausländers zuständig ist. Für Klagen gegen den Bund auf Gebieten, die in die Zuständigkeit der diplomatischen und konsularischen Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland fallen, auf dem Gebiet der Visumangelegenheiten auch, wenn diese in die Zuständigkeit des Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten fallen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesregierung ihren Sitz hat.
3.
Bei allen anderen Anfechtungsklagen vorbehaltlich der Nummern 1 und 4 ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Verwaltungsakt erlassen wurde. Ist er von einer Behörde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt, oder von einer gemeinsamen Behörde mehrerer oder aller Länder erlassen, so ist das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat. Fehlt ein solcher innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, so bestimmt sich die Zuständigkeit nach Nummer 5. Bei Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte einer von den Ländern mit der Vergabe von Studienplätzen beauftragten Behörde ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Behörde ihren Sitz hat. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen der Sätze 1, 2 und 4.
4.
Für alle Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis und für Streitigkeiten, die sich auf die Entstehung eines solchen Verhältnisses beziehen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Hat der Kläger oder Beklagte keinen dienstlichen Wohnsitz oder keinen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat, so ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk diese Behörde ihren Sitz hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für Klagen nach § 79 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen entsprechend.
5.
In allen anderen Fällen ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz, Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthalt hat oder seinen letzten Wohnsitz oder Aufenthalt hatte.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. März 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind mehrere Anträge des Klägers, im Revisionsverfahren vorrangig seine wirksame Vertretung im sozialgerichtlichen Verfahren.

2

Der 1955 geborene, nicht unter Betreuung stehende Kläger, der an einer paranoiden Psychose leidet, ist voll erwerbsgemindert und bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII). Im November 2008 beantragte er bei der Beklagten ua die Übernahme der Anschaffungskosten für Telefon und Internetempfangsgeräte, Computer und Multifunktionsdrucker sowie für Spracherkennungssoftware, die Übernahme laufender Telefonkosten samt Internetflatrate, die Übernahme der Studiengebühren für ein Studium an 20 Fakultäten diverser Hochschulen, die Feststellung seines Rechts auf Bildung, Weiterbildung, medizinische Rehabilitation, Wiedereingliederung in die Gesellschaft, Forschung und Entwicklung, auf künstlerische Tätigkeit, freie Meinungsäußerung, auf Ausübung der Religion und politische Tätigkeit und die Feststellung einer Schwerbehinderung. Die Beklagte lehnte die Anträge ab (Bescheid vom 19.12.2008, zugestellt am 2.1.2009).

3

Die bereits am 19.12.2008 erhobene Klage blieb erst- und zweitinstanzlich erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 9.3.2009; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25.3.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Berufung sei wegen Prozessunfähigkeit des Klägers unzulässig. Die Prozessunfähigkeit habe Dr. V in seinem Gutachten vom 21.6.2009, das er in einem weiteren anhängigen Verfahren vor dem SG erstellt habe, überzeugend bejaht. Dies bestätige sich für den Senat aus den in zahlreichen gerichtlichen Verfahren eingereichten Schriftsätzen. Es habe davon abgesehen werden können, einen besonderen Vertreter (§ 72 Sozialgerichtsgesetz) zu bestellen, weil die Klage offensichtlich haltlos im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei. Die Verpflichtungsklage auf Bewilligung eines internetfähigen Computers sei schon unzulässig, weil zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch kein ablehnender Bescheid vorgelegen habe und die unzulässige Klage auch nicht durch dessen Bekanntgabe zulässig werde. Auch die Feststellungsklagen seien offensichtlich unzulässig, weil weder ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis noch ein berechtigtes Feststellungsinteresse ersichtlich sei.

4

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 72 SGG. Das LSG habe zu Unrecht von der Bestellung eines besonderen Vertreters abgesehen, weil auch in der Sache keine offensichtlich haltlose Rechtsverfolgung vorliege.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

6

Die durch den besonderen Vertreter eingelegte Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Verstoß gegen § 72 Abs 1 SGG, weil das LSG zu Unrecht von der Bestellung eines besonderen Vertreters für den bereits im Berufungsverfahren prozessunfähigen Kläger abgesehen hat. Der Kläger war dadurch im Verfahren nicht wirksam vertreten (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 4 Zivilprozessordnung); hierin liegt ein absoluter Revisionsgrund, bei dem unterstellt wird, dass das Urteil des LSG auf ihm beruht (zu dieser Voraussetzung siehe § 162 SGG). Abgesehen davon, dass bei absoluten Revisionsgründen § 170 Abs 1 Satz 2 SGG regelmäßig keine Anwendung findet(vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 170 RdNr 5a mwN zur Rspr), kann vorliegend ohnedies noch nicht beurteilt werden, ob sich die Entscheidung des LSG aus anderen Gründen in vollem Umfang als richtig erweist, weil das Klagebegehren des prozessunfähigen Klägers (dazu später) noch einer genauen Klärung bedarf und damit die Klage zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht als unzulässig angesehen werden kann.

7

Gemäß § 72 Abs 1 SGG kann der Vorsitzende des jeweiligen Spruchkörpers für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen. Prozessunfähig ist eine Person, die sich nicht durch Verträge verpflichten kann (vgl § 71 Abs 1 SGG), also ua eine solche, die nicht geschäftsfähig iS des § 104 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist, weil sie sich gemäß § 104 Nr 2 BGB in einem nicht nur vorübergehenden, die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet und deshalb nicht in der Lage ist, ihre Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen.

8

Dies war und ist beim Kläger nach dem überzeugenden Gutachten des Dr. V vom 21.6.2009 der Fall. Der Kläger leidet unter einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit in Form von nicht nachvollziehbaren Verfolgungsgedanken und sieht sich Beeinträchtigungen, Bedrohungen und Schädigungen ausgesetzt. Insbesondere ist ihm eine geistig geordnete Reaktion auf Schreiben von Behörden oder Gerichten nicht möglich. Sein Verhalten ist dabei ständig von paranoid verfälschter Wahrnehmung und Ideenbildung bestimmt. Die Beurteilung durch Dr. V wird bestätigt durch das prozessuale Gesamtverhalten des Klägers, der sich mit in der Regel mehrere hundert Seiten umfassenden unstrukturierten Schriftstücken an die Beklagte und das Gericht wendet, die inhaltlich über weite Strecken seine Verfolgungsideen widerspiegeln.

9

Im Berufungsverfahren durfte nicht davon abgesehen werden, einen besonderen Vertreter für den prozessunfähigen Kläger zu bestellen. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein besonderer Vertreter in jedem Fall im Hinblick auf die besondere Fürsorgepflicht des Gerichts zu bestellen ist. Jedenfalls ist dies auf dem Gebiet der Sozialhilfe der Fall, wenn - wie hier - die Hilfebedürftigkeit auf demselben Mangel beruht, der auch zur Prozessunfähigkeit führt (vgl BVerwG, Beschluss vom 9.12.1986 - 2 B 127/86 - juris). Das dem Vorsitzenden in § 72 Abs 1 SGG eingeräumte Ermessen ("kann") ist zumindest in diesen Fällen nicht als Entscheidungsoption hinsichtlich des "Ob" der Bestellung eines besonderen Vertreters zu verstehen, sondern lediglich als Ausdruck seiner Wahlmöglichkeit, entweder auf die Vertretung des Prozessunfähigen durch einen gesetzlichen Vertreter hinzuwirken oder dort, wo dies nicht möglich ist, einen besonderen Vertreter zu bestellen(so bereits BSGE 5, 176, 178; Ulmer in Hennig, SGG, § 72 RdNr 2, Stand Februar 2004; Leitherer, aaO, § 72 RdNr 2b). Eine Klageabweisung bzw eine Verwerfung der Berufung wegen mangelnder Prozessfähigkeit ist daher im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich unzulässig (BSGE aaO). Die Bestellung eines besonderen Vertreters dient dabei zwar der Prozessökonomie (Leitherer, aaO, § 72 RdNr 1a; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 72 RdNr 1; Littmann in Handkommentar-SGG, 4. Aufl 2012, § 72 RdNr 2), weil die Einrichtung einer Betreuung oder die Bestellung eines Vormunds durch das Vormundschaftsgericht nicht abgewartet werden muss, um den Prozess fortführen zu können; vorliegend aber sichert die Bestellung eines besonderen Vertreters die Verwirklichung der prozessualen Rechte eines Prozessunfähigen durch die Sicherstellung seines Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Grundgesetz ), in dem der besondere Vertreter alle Rechte des Prozessunfähigen wahrnehmen kann (§ 72 Abs 1 SGG). Steht - wie vorliegend - die Prozessunfähigkeit fest, kann der Prozess grundsätzlich nur mit einem besonderen Vertreter fortgeführt werden, wenn eine sonstige gesetzliche Vertretung nicht gewährleistet ist und - wie hier - das Amtsgericht von der Bestellung eines Betreuers abgesehen hat (BSGE 91, 146 ff RdNr 5 = SozR 4-1500 § 72 Nr 1).

10

Zwar sind Ausnahmen von der Vertreterbestellung dann für zulässig erachtet worden, wenn unter Anlegung eines strengen Maßstabs das Rechtsmittel eines Prozessunfähigen "offensichtlich haltlos" ist (BSGE 5, 176, 178 f), was insbesondere bei absurden Klagebegehren ohne jeden Rückhalt im Gesetz oder bei offensichtlich unschlüssigem Vorbringen anzunehmen ist, etwa wenn kein konkreter Streitgegenstand erkennbar ist, der Kläger nur allgemeine Ausführungen ohne irgendeinen Bezug zum materiellen Recht von sich gibt oder wenn sein Vorbringen bereits mehrmals Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war (vgl BSGE 91, 146 ff RdNr 11 = SozR 4-1500 § 72 Nr 1). Diese Ausnahmen sind jedoch, wie die aufgeführten Beispiele zeigen, vorrangig auf materiellrechtliche Erwägungen gestützt worden und insoweit nur in seltenen Konstellationen zulässig, in denen bereits der Schutzbereich des Art 19 Abs 4 GG nicht berührt ist und damit keine Nachteile für den Prozessunfähigen verbunden sind. Denn der nach Art 19 Abs 4 GG garantierte Rechtsschutz dient keinem Selbstzweck, sondern soll sicherstellen, dass der Betroffene mit gerichtlicher Hilfe die ihm zustehenden materiellen Ansprüche durchsetzen bzw rechtswidrige Eingriffe abwehren kann (BSG SozR 4-1500 § 90 Nr 1 RdNr 6), wenn auch nicht zwingend in derselben Angelegenheit mehrfach (vgl auch Bundesverfassungsgericht , Beschluss vom 12.9.2005 - 2 BvR 1435/05 - juris RdNr 2).

11

Ein derartiges, in der Sache offensichtlich haltloses Begehren, das das Absehen von einer Vertreterbestellung rechtfertigen könnte, ist vorliegend nicht zu bejahen. Es ist nicht von vornherein völlig ausgeschlossen, dass zumindest nach Hinweisen des Vorsitzenden (§ 106 SGG) unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes (vgl nur BSGE 74, 77 ff = SozR 3-4100 § 104 Nr 11 S 49 ff; Leitherer, aaO, § 92 RdNr 12 mwN) ein besonderer Vertreter oder ein von diesem bestellter Prozessbevollmächtigter in der Lage ist, im wohlverstandenen Interesse des Klägers sachdienliche Klageanträge mit hinreichendem Bezug zum materiellen Recht zu formulieren.

12

Bei der prozessualen Begründung eines offensichtlich haltlosen Klagebegehrens, wie sie das LSG mit der Annahme einer aus anderen Gründen als der Prozessunfähigkeit unzulässigen Klage seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, ist deshalb besondere Zurückhaltung geboten. Die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens und damit die Auslegung von Verfahrensvorschriften hat immer in einem angemessenen Verhältnis zu dem auf Sachverhaltsaufklärung und Verwirklichung des materiellen Rechts gerichteten Verfahrensziel zu stehen. Dies gilt nicht nur für den Weg zu den Gerichten, der nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf (vgl BVerfGE 35, 263, 274; 40, 272, 274 f; 77, 275, 284), sondern in gleicher Weise innerhalb des Verfahrens, soweit es darum geht, sich dort effektiv rechtliches Gehör zu verschaffen (BVerfGE 81, 123, 129). Der Einzelne darf nicht nur Objekt der richterlichen Entscheidung sein; vielmehr muss er vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen (stRspr; vgl grundlegend BVerfGE 1, 418, 429; zuletzt BVerfGE 107, 395 ff).

13

Diesen Maßstäben wird das Vorgehen des LSG bei der Anwendung und Auslegung des § 72 Abs 1 SGG nicht gerecht. Es hat von der Bestellung eines besonderen Vertreters abgesehen, weil es die prozessualen Voraussetzungen für die vom (prozessunfähigen) Kläger formulierten Verpflichtungs- bzw Feststellungsanträge, die es ausdrücklich nur "sinngemäß" ausgelegt hat, nicht als erfüllt bewertet. Dies verkürzt zwangsläufig die Rechte eines Prozessunfähigen. Ob und unter welchen Voraussetzungen allein aus prozessualen Gesichtspunkten überhaupt Ausnahmen von der Bestellung eines besonderen Vertreters gemacht werden können, kann daneben offenbleiben. Schon die Frage, welche Klageart dem Begehren des Klägers hinreichend Rechnung trägt, kann nämlich nicht ohne Berücksichtigung dessen beantwortet werden, was der Kläger tatsächlich begehrt; Anspruch und prozessuale Durchsetzung stehen immer in einem engen Zusammenhang und dürfen nicht isoliert voneinander gesehen werden. Hierauf beruht auch § 106 SGG. Die Vorschrift statuiert ua eine Pflicht des Vorsitzenden, auf eine sachgerechte Antragstellung hinzuwirken (vgl § 106 Abs 1 3. Alt SGG). Gerade die beim Kläger vorliegende Prozessunfähigkeit ist und war der Grund dafür, wie er sein Klagebegehren formuliert hat, dessen genaues Ziel noch der Klärung bedarf. Deren Nachholung war im Revisionsverfahren nicht zwingend erforderlich, weil daraus ggf Amtsermittlungspflichten (§ 103 SGG) resultieren, denen das Revisionsgericht nicht unterliegt.

14

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Januar 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt die Übernahme von Kosten für verschiedene Medikamente.

2

Der 1958 geborene, nicht unter Betreuung stehende Kläger, der an einer paranoiden Persön-lichkeits- und einer rezidivierenden depressiven Störung leidet, ist voll erwerbsgemindert und bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII). Seine Anträge auf Übernahme von Kosten für Medikamente lehnte der Beklagte ab. Die hiergegen beim Sozialgericht (SG) Gießen erhobenen Klagen (insgesamt 7 Verfahren) blieben ohne Erfolg.

3

Das hiergegen jeweils angerufene Hessische Landessozialgericht (LSG) hat die Verfahren verbunden und die Berufungen des Klägers sodann als unzulässig verworfen (Beschluss vom 6.1.2014), weil die Berufungen rechtmissbräuchlich erhoben seien. Ein legitimes nachvollziehbares Rechtsschutzbedürfnis sei weder dargetan noch ersichtlich. Die Rechtsverfolgung sei vielmehr Ausdruck der partiellen Prozessunfähigkeit des Klägers.

4

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Beschluss rügt der Kläger einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG habe zu Unrecht von der Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 72 SGG abgesehen, weil auch in der Sache keine offensichtlich haltlose Rechtsverfolgung vorliege.

5

II. Die durch den vom Senat bestellten besonderen Vertreter des Klägers eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist zulässig. Sie genügt hinsichtlich des geltend gemachten Verfahrensfehlers den Bezeichnungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Da der gerügte Verfahrensmangel auch vorliegt, konnte der Beschluss gemäß § 160a Abs 5 SGG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.

6

Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Verstoß gegen § 72 Abs 1 SGG, weil das LSG zu Unrecht von der Bestellung eines besonderen Vertreters für den bereits im Klage- und Berufungsverfahren prozessunfähigen Kläger abgesehen hat. Der Kläger war dadurch im Verfahren nicht wirksam vertreten (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 4 Zivilprozessordnung); hierin liegt ein absoluter Revisionsgrund, bei dem unterstellt wird, dass die Entscheidung des LSG auf ihm beruht (zu dieser Voraussetzung siehe § 162 SGG).

7

Gemäß § 72 Abs 1 SGG muss der Vorsitzende des jeweiligen Spruchkörpers für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen. Prozessunfähig ist eine Person, die sich nicht durch Verträge verpflichten kann (vgl § 71 Abs 1 SGG), also ua eine solche, die nicht geschäftsfähig iS des § 104 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist, weil sie sich gemäß § 104 Nr 2 BGB in einem nicht nur vorübergehenden die freie Willensbestimmung ausschließenden Zu-stand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet und deshalb nicht in der Lage ist, ihre Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Dabei können bestimmte Krankheitsbilder auch zu einer sog partiellen Prozessunfähigkeit führen, bei der die Willensbildung nur bezüglich bestimmter Prozessbereiche eingeschränkt ist. Soweit eine solche partielle Prozessunfähigkeit anzunehmen ist, erstreckt sie sich auf den gesamten Prozess (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 32 S 65).

8

Eine solche partielle Prozessunfähigkeit im Hinblick auf die Führung von sozialgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten liegt beim Kläger vor, wie der Senat im Einzelnen in dem Beschluss vom 8.4.2014 (B 8 SO 48/13 B) unter Bezugnahme auf aktenkundige psychiatrische Gutachten ausgeführt hat; zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf Bezug genommen.

9

Im Berufungsverfahren durfte nicht davon abgesehen werden, einen besonderen Vertreter zu bestellen. Steht - wie vorliegend - die Prozessunfähigkeit für den Prozess fest, kann dieser grundsätzlich nur mit einem besonderen Vertreter fortgeführt werden, wenn eine sonstige gesetzliche Vertretung nicht gewährleistet ist und - wie hier - das Amtsgericht von der Bestellung eines Betreuers abgesehen hat (im Einzelnen zuletzt BSG SozR 4-1500 § 72 Nr 2 RdNr 9). Zwar sind Ausnahmen von der Vertreterbestellung dann für zulässig erachtet worden, wenn das Rechtsmittel unter Anlegung eines strengen Maßstabs "offensichtlich haltlos" ist (BSGE 5, 176, 178 f), was insbesondere bei absurden Klagebegehren ohne jeden Rückhalt im Gesetz oder bei offensichtlich unschlüssigem Vorbringen anzunehmen ist, etwa wenn kein konkreter Streitgegenstand erkennbar ist, der Kläger nur allgemeine Ausführungen ohne irgendeinen Bezug zum materiellen Recht macht oder wenn sein Vorbringen bereits mehrmals Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war (BSG SozR 4-1500 § 72 Nr 2 RdNr 10).

10

Ein solches haltloses Begehren liegt aber nicht vor. Es ist nicht erkennbar, dass die im Klagewege geltend gemachten Ansprüche des Klägers auf Übernahme von Kosten für Medikamente, die er in jedem Einzelfall bezeichnet und beziffert hat, von vornherein ein haltloses Klagebegehren ohne jeden Rückhalt im Gesetz darstellen. Es ist damit nicht völlig ausgeschlossen, dass zumindest nach Hinweisen des Vorsitzenden (§ 106 SGG) unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes (vgl nur: BSGE 74, 77 ff = SozR 3-4100 § 104 Nr 11 S 49 ff) ein besonderer Vertreter oder ein von diesem bestellter Prozessbevollmächtigter in der Lage ist, im wohlverstandenen Interesse des Klägers sachdienliche Klageanträge mit hinreichendem Bezug zum materiellen Recht zu formulieren.

11

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Thüringer Landessozialgerichts vom 23. Juni 2011 und des Sozialgerichts Nordhausen vom 9. März 2009 aufgehoben. Die Klage gegen die Bescheide des Beklagten vom 9. Januar 2008 und vom 17. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2008 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für September 2007 in Höhe von 20 Cent, die sich nach ihrem Vorbringen allein aus Rundungsdifferenzen ergeben.

2

Der Beklagte bewilligte der Klägerin zuletzt mit Bescheid vom 9.1.2008 ua für September 2007 Leistungen in Höhe von 624,80 Euro (Regelleistung und Mehrbedarf für werdende Mütter in Höhe von 376,50 Euro sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 248,30 Euro). Mit ihrem Widerspruch machte sie (anwaltlich vertreten) die mangelnde Begründung des Bescheides und die unzutreffende Anwendung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (im Folgenden: alte Fassung) geltend. Im Hinblick auf die zuvor der Höhe nach unzutreffend abgesetzte Warmwasserpauschale bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 17.9.2008 für September 2007 insgesamt 625,74 Euro (Regelleistung und Mehrbedarf wie bisher, daneben Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 249,24 Euro). Die Nachzahlung von 94 Cent werde auf das Konto der Klägerin überwiesen. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.9.2008 zurück. Eine Auf- und Abrundung hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung finde nicht statt. Insoweit seien gemäß § 22 Abs 1 SGB II die tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit sie angemessen seien.

3

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Nordhausen erhoben und dabei beantragt, ihr unter Änderung der genannten Bescheide "höhere Leistungen (Rundungsregelung)" zu bewilligen. Das SG hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 9.3.2009). Aus der Anwendung der Rundungsregelung ergebe sich ein weiterer Leistungsanspruch in Höhe von 20 Cent. Das Thüringer Landessozialgericht (LSG) hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten die Berufung zugelassen und diese sodann mit Urteil vom 23.6.2011 zurückgewiesen. Die Klage sei zulässig. Allein ein geringer Streitwert lasse das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen (Hinweis auf Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 24.3.2011 - 1 BvR 1737/10 - NJW 2011, 2039). Im Übrigen habe der Beklagte keine derartigen Bedenken hinsichtlich des Berufungsverfahrens, ohne dass ein Differenzierungsgrund ersichtlich sei. Die Klage sei auch begründet, denn der Klägerin stünden für den Monat September 2007 nach § 41 Abs 2 SGB II aF um 26 Cent höhere Leistungen zu. Ihr Gesamtanspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 625,74 Euro sei nach § 41 Abs 2 SGB II aF auf einen vollen Euro Betrag um 0,26 Euro auf 626 Euro aufzurunden. § 41 Abs 2 SGB II aF enthalte ein subjektiv-öffentliches Recht des Betroffenen auf Aufrundung und stelle keine Vorschrift dar, deren Beachtung im Belieben der Verwaltung stehe, was das LSG im Einzelnen ausgeführt hat. Der Beklagte habe auch die außergerichtlichen Kosten zu tragen. Eine abweichende Entscheidung aus Billigkeitsgesichtspunkten zu seinen Gunsten sei nicht geboten, da bereits seit mehreren Jahren in den Entscheidungen des Bundessozialgerichts (, Hinweis auf BSG Urteil vom 25.6.2008 - B 11b AS 45/06 R - juris RdNr 52; Urteil vom 17.3.2009 - B 14 AS 63/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 21 RdNr 35; Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 67/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 28 RdNr 15) ausdrücklich auf die Vornahme der Rundung hingewiesen worden sei.

4

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten. Er ist der Ansicht, für die Klage auf einen Bagatellbetrag bestehe kein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis. Der möglicherweise bestehende Anspruch stehe in keinem Verhältnis zu den Kosten für die Bereithaltung der Justiz. Zudem würde ein vernünftig und rational handelnder Beteiligter keinen Rechtsanwalt beauftragen und so zusätzlich ein Kostenrisiko eingehen. Die Urteile der Vorinstanzen verletzten zudem materielles Recht. § 41 Abs 2 SGB II aF vermittele kein subjektives öffentliches Recht, denn er diene nicht dem Schutz der Individualinteressen.

5

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Thüringer Landessozialgerichts vom 23. Juni 2011 und des Sozialgerichts Nordhausen vom 9. März 2009 aufzuheben und die Klage gegen die Bescheide des Beklagten vom 9. Januar 2008 und vom 17. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2008 abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtenen Urteile für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Die Verurteilung zur Zahlung weiterer 20 Cent durch die Vorinstanzen verletzt den Beklagten in seinen Rechten, denn die Klage ist schon nicht zulässig.

9

1. Streitgegenstand der Revision ist - wie im Berufungsverfahren - lediglich noch die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 20 Cent für September 2007, die der Beklagte zuvor mit Bescheiden vom 9.1.2008 und vom 17.9.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.9.2008 abgelehnt hat. Die Klägerin hat sich nicht gegen das Urteil des SG gewandt, wonach sich lediglich ein Anspruch in dieser Höhe ergab. Der Beklagte ist nicht allein dadurch beschwert, dass das LSG in den Gründen davon ausgeht, es hätte sich bei zutreffender Berechnung über die Verurteilung durch das SG hinaus ein Anspruch von (weiteren) 6 Cent ergeben. Das LSG hat die Berufung des Beklagten (lediglich) zurückgewiesen und unter dem Gesichtspunkt der reformatio in peius nicht zur Zahlung von weiteren Leistungen verurteilt.

10

2. Die Revision des Beklagten ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt. Es fehlt - wie bereits bei Führung der Berufung - nicht am notwendigen Rechtsschutzbedürfnis für die Revision unabhängig davon, ob für die Klageerhebung durch die Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis bestand. Das Rechtsschutzbedürfnis ist keine besondere Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, sondern ergibt sich im Allgemeinen ohne Weiteres aus der formellen Beschwer des Rechtsmittelklägers, der mit seinem Begehren in der vorangegangenen Instanz unterlegen ist. Mit dem Erfordernis der Beschwer ist in aller Regel gewährleistet, dass das Rechtsmittel nicht eingelegt wird, ohne dass ein sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelklägers hieran besteht (vgl Bundesgerichtshof BGHZ 57, 224, 225 = NJW 1972, 112; im Ausgangspunkt ebenso BSG Urteil vom 8.5.2007 - B 2 U 3/06 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 3 RdNr 13). Ein sachliches Bedürfnis in diesem Sinne liegt auch vor, wenn die eigentliche Beschwer vorwiegend von der den Rechtsmittelkläger belastenden Kostenentscheidung ausgeht (vgl BGH aaO; ähnlich BVerfG 17.11.2009 - 1 BvR 1964/09 - NJW 2010, 1349 RdNr 9), selbst wenn das Rechtsmittel seinerseits nicht ausdrücklich auf die Kostenentscheidung beschränkt sein darf (vgl § 144 Abs 4, § 165 SGG).

11

Zwar gilt auch für Rechtsmittel der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos oder für unlautere Zwecke in Anspruch nehmen darf (hierzu etwa BSG Urteil vom 8.5.2007 - B 2 U 3/06 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 3 RdNr 13). Ein solcher Fall ist vorliegend aber nicht erkennbar. Der Beklagte hat trotz der geänderten Rechtslage in § 41 Abs 2 SGB II ein Interesse an der abschließenden Klärung, ob die Inanspruchnahme der Gerichte allein wegen Beträgen, die sich aus der Anwendung der Rundungsregelungen ergeben, zulässig ist. Hierzu hat er bereits im Verfahren wegen der Zulassung der Revision vorgetragen, dass noch eine erhebliche Anzahl von Klagen anhängig sei, die nur wegen der Anwendbarkeit der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II aF geführt würden. Zum anderen ist auch im Hinblick auf § 41 Abs 2 SGB II in der seit dem 1.4.2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453; neue Fassung ) in der Literatur nicht unumstritten, ob die Dezimalstellenberechnung nach § 41 Abs 2 SGB II nF auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung grundsätzlich Anwendung findet(bejahend Burkiczak in jurisPK-SGB II, § 41 RdNr 33; ablehnend Kapp in BeckOK-Sozialrecht, § 41 SGB II RdNr 9, Stand 1.9.2012) und wie insbesondere bei der Aufteilung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen der Bedarfsgemeinschaft zu verfahren ist (dazu Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 41 RdNr 105). Der Wortlaut stellt schließlich nach in der Literatur vertretenen Auffassungen nicht abschließend klar, ob eine Berechnung iS des § 41 Abs 2 SGB II nF jeden Berechnungsschritt erfasst(vgl Hengelhaupt aaO, RdNr 106; Burkiczak aaO). Von daher kann nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass sich künftig Rechtsstreitigkeiten allein gestützt auf die Anwendung der Berechnungsregelungen nicht mehr ergeben werden.

12

3. Die allein unter Hinweis auf die (behauptete fehlerhafte) Anwendung der Rundungsregelungen erhobene Klage ist unzulässig. Der Klägerin steht zwar eine Klagebefugnis zu, denn sie behauptet, durch die teilweise Ablehnung einer höheren Leistung in eigenen Rechten verletzt zu sein (vgl § 54 Abs 1 Satz 2 SGG; dazu unter a). Es besteht gleichwohl kein (allgemeines) Rechtsschutzbedürfnis für einen Leistungsberechtigten, der mit seiner Klage ausschließlich die Verletzung der Rundungsregelung nach § 41 Abs 2 SGB II aF geltend macht(dazu unter b).

13

a) Weder die Klagebefugnis als Sachurteilsvoraussetzung, die die Prozessordnung an die schlüssige Behauptung der Klägerin knüpft, in eigenen Rechten verletzt zu sein, noch die Verletzung der Klägerin in ihren Rechten als Voraussetzung für den (möglichen) Erfolg der Klage in der Sache, lassen sich im Hinblick auf die nach § 41 Abs 2 SGB II aF zur Anwendung kommenden Rundungsregelungen von vornherein verneinen. Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich auch bei dem Teil des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II, der auf der Anwendung von Rundungsregelungen beruht, um ein subjektives Recht der Klägerin.

14

Eine Rechtsvorschrift verlautbart dann ein subjektiv-öffentliches Recht, wenn sie nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse eines aus der Norm abgrenzbaren Kreises Privater zu dienen bestimmt ist, und wenn sie diesen Begünstigten die Rechtsmacht verleiht, die Befolgung der öffentlich-rechtlichen Pflicht von dem Hoheitsträger rechtlich verlangen zu können. Begünstigungen, die diesen Kriterien nicht genügen, sind dagegen bloße Rechtsreflexe (vgl etwa BSG Urteil vom 5.9.2006 - B 4 R 71/06 R - BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 32 mwN).

15

Die sich aus der Anwendung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II aF ergebenden Vor- bzw Nachteile seitens des Leistungsberechtigten betreffen unmittelbar dessen durch das SGB II begründete Rechtsposition. Die Folgen der Rundung für den Einzelnen sind nicht bloßer (wirtschaftlicher) Reflex der Regelung. Der Fall der Abrundung macht deutlich, dass es sich um einen (wenn auch wirtschaftlich kaum fassbaren) Eingriff in eine Rechtsposition handelt. Mit seinem Vorbringen verkennt der Beklagte, dass die Frage, ob für eine Eingriffsnorm (hier die Abrundung) ein rechtfertigender Grund denkbar ist, nicht damit beantwortet werden kann, dieser Norm (wegen der Geringfügigkeit des Eingriffs) einen subjektiven Charakter abzusprechen und allein auf das gesetzgeberische Ziel der Verwaltungsvereinfachung abzustellen. Zu prüfen ist gerade, ob der geringfügige Eingriff auch in existenzsichernde Leistungen sich durch das ihm gegenüberstehende gesetzgeberische Ziel rechtfertigen lässt, die Auszahlung von Bagatellbeträgen zu vermeiden. Dies hat das BSG in seiner bisherigen Rechtsprechung bereits bejaht, worauf das LSG zutreffend hinweist (vgl etwa BSG Urteil vom 17.3.2009 - B 14 AS 63/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 21 RdNr 35).

16

b) Die Klage ist aber unzulässig, weil es am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Ein Klagebegehren, das aus Sicht der Klägerin denkbar allein auf die Verletzung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II aF gestützt werden kann und mit dem folglich nur die in dieser Rundungsregelung zum Ausdruck kommende Beschwer (allenfalls 50 Cent pro Monat der Bewilligung von Leistungen) geltend gemacht wird, rechtfertigt für sich genommen die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtschutzes nicht.

17

Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl BVerfG vom 2.5.1984 - 2 BvR 1413/83 - BVerfGE 67, 43 <58>). Gleichwohl kann der Zugang zu den Gerichten von bestimmten Zulässigkeitsvoraussetzungen, namentlich von einem bestehenden Rechtsschutzbedürfnis, abhängig gemacht werden (vgl nur BVerfG vom 5.12.2001 - 2 BvR 1337/00 - BVerfGE 104, 220, 232 mwN). Diese allen Prozessordnungen gemeinsame Sachentscheidungsvoraussetzung wird abgeleitet aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte sowie dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns. Sie verlangt vom Kläger, dass er ein Mindestmaß an berechtigtem Rechtsverfolgungsinteresse geltend machen kann, das dem öffentlichen Interesse an einer effizienten Rechtspflege gegenüber gestellt werden kann. Letztlich geht es um das Verbot des institutionellen Missbrauchs prozessualer Rechte zu Lasten der Funktionsfähigkeit des staatlichen Rechtspflegeapparats (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, Vor § 51 RdNr 16a, 19; Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 22. Aufl 2011, Vorb § 40, RdNr 74 ff; dazu auch Schmieder, Zeitschrift für Zivilprozess Band 120 <2007>, 199, 212; Kapsa, Die Regel "Minima non curat praetor" im Lichte des Verfassungsrechts, in: Der verfaßte Rechtsstaat, Festgabe für Karin Großhof/Heidelberg 1998).

18

Die Höhe der geltend gemachten Forderung führt allerdings nicht schlechterdings und für sich allein betrachtet zum Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses. Über die Frage, ob eine Forderung rechtlich anerkannt wird, hat grundsätzlich das materielle Recht, nicht das Prozessrecht zu entscheiden. Dessen Aufgabe ist es, die Verwirklichung aller materiellen Ansprüche in einem staatlichen Verfahren sicherzustellen, auch wenn sie geringfügig sind. Daraus, dass der Kläger auf Leistung an sich klagt und somit jedenfalls niemand anderes als der - vermeintliche - Inhaber des eingeklagten materiellen Anspruchs um Rechtsschutz nachsucht, ergibt sich auch das "objektive" Interesse der Rechtsordnung an der Inanspruchnahme des Gerichts. Das Rechtsschutzinteresse an einer vom vermeintlichen Inhaber des behaupteten Anspruchs erhobenen Leistungsklage fehlt deshalb nur dann, wenn besondere Umstände vorliegen, die das subjektive oder objektive Interesse an der Durchführung des Rechtsstreits entfallen lassen (vgl etwa Bundesverwaltungsgericht BVerwGE 81, 164, 165 f).

19

Dem entspricht auch die prozessuale Behandlung von Ansprüchen nach dem SGB II. Insbesondere die differenzierten Regelungen zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen (§§ 9, 11, 12 SGB II) gerade in Bedarfsgemeinschaften (vgl § 7 Abs 3, § 9 Abs 2 SGB II) machen es für den Leistungsberechtigten schwierig, schon bei Klageerhebung zu erkennen, welche Auswirkungen sich im Falle seines Obsiegens im Einzelnen auf seinen Leistungsanspruch ergeben. Von daher haben die für das Recht der Grundsicherung zuständigen Senate das Begehren gerichtet auf höhere Leistungen dem Grunde nach als zulässig angesehen (vgl allgemein zur Zulässigkeit eines Grundurteils BSG SozR 3-1500 § 141 Nr 8 S 11; zum Grundurteil im Streit um höhere Leistungen nach dem SGB II nur Urteil des 7b. Senats vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 16). Voraussetzung für dessen Zulässigkeit ist allein, dass sich aus dem vom Kläger formulierten Klagebegehren, ein höherer (wenngleich nicht bezifferter) Anspruch auf Leistungen ergibt, ohne dass ein bestimmter Wert im Sinne einer allgemeinen "Erheblichkeitsschwelle" zu fordern wäre.

20

Die Funktionsfähigkeit gerichtlichen Rechtsschutzes darf allerdings nicht durch Verfahren in Frage gestellt werden, in denen es bei Erhebung einer Anfechtungs- und Leistungsklage gerichtet auf höhere Leistungen dem Grunde nach dem Leistungsberechtigten nach dem SGB II isoliert um die Anwendung der Rundungsregelungen geht. Wie bereits dargelegt wird zwar (auch) insoweit die individuelle Rechtsposition des Leistungsberechtigten unmittelbar geregelt. Es verbleibt aber selbst im Bereich existenzsichernder Leistungen ein "Bagatellbereich" dort, wo der Gesetzgeber nicht aus Gründen der Existenzsicherung des Einzelnen, sondern zur Vereinfachung verwaltungsinterner Abläufe (und damit letztlich zur Beschleunigung der Auszahlung existenzsichernder Leistungen) bei der Berechnung der Leistung entsprechende Regelungen erlässt. Das mit Klageerhebung hierauf beschränkte Begehren auf Leistungen im Centbereich lässt die Inanspruchnahme von gerichtlichem Rechtschutz objektiv nicht gerechtfertigt erscheinen, denn es geht der Klägerin erkennbar nicht um einen eigenen wirtschaftlich sinnvollen Vorteil. Dass der Gesetzgeber insoweit seinen Spielraum überschritten hätte, indem er mit 49 Cent (für den Fall der Abrundung) einen zu hohen Betrag als der Rundung zugänglich ansieht, ist nicht im Ansatz ersichtlich und ist auch von der Klägerin (die sich nicht gegen eine Abrundung wehrt) nicht behauptet worden. Das Gericht braucht auf eine solche, von vornherein unzulässige Klage hin nicht zu überprüfen, ob sich andere Sachverhalte und Regelungen finden lassen, die einen höheren Anspruch des Leistungsberechtigten stützen.

21

Demgegenüber tritt der Gedanke zurück, der Beklagte könne sich systematisch zur Kostenersparnis auf eine rechtswidrige Rundungspraxis zurückziehen. Der Beklagte unterliegt als Träger der Grundsicherung dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art 20 Abs 3 GG). Im Privatrechtsverhältnis ist nicht von der Hand zu weisen, dass die fehlende Durchsetzbarkeit von Kleinstbeträgen vor Gericht den Schuldner veranlassen könnte, bewusst kleine Abzüge zu machen und damit einen "Rabatt von Amts wegen" zu erhalten. Dieser Gesichtspunkt prägt die Diskussion um die Berücksichtigung einer wirtschaftlichen Erheblichkeit als Zulässigkeitsschranke aus dem Rechtsgedanken "de minimis non curat praetor" im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren (befürwortend zuletzt Schmieder, Zeitschrift für Zivilprozess Band 120 <2007>, 199; dagegen die ganz herrschende Meinung, vgl etwa Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl 2012, Vor § 253 RdNr 18d mwN). Demgegenüber macht die Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsstreit einen entscheidenden Unterschied aus. Es ist von Verfassungs wegen auszuschließen, dass der Beklagte sich um der daraus folgenden Einsparung willen bewusst gesetzeswidrig verhält. Andernfalls wäre - auch insoweit zur Aufrechterhaltung der Effizienz der Gerichtsbarkeit - ein Eingreifen der zuständigen Rechts- und Fachaufsicht geboten.

22

Es mag zweifelhaft sein, ob in der Zeit von Inkrafttreten des SGB II zum 1.1.2005 bis zur Änderung der Berechnungsvorschriften zum 1.4.2011 die bei Anwendung der Rundungsregelung offenkundig gewordenen Umsetzungsprobleme von Gesetzgebung und Verwaltung ausreichend berücksichtigt worden sind (zur Notwendigkeit der Änderung des § 41 Abs 2 aus Sicht des Gesetzgebers vgl BT-Drucks 17/3404 S 115). Zutreffend weist das LSG darauf hin, dass offenbar in erster Linie die softwarebedingten Vorgaben zu einer Vielzahl von fehlerhaften Rundungen - auch zu Lasten der Träger - geführt haben (dazu auch Schnitzler ZFSH/SGB 2011, 335; zur Problematik solcher softwarebedingten Vorgaben, die zur Begrenzung von sachlichen Entscheidungsspielräumen führen, bereits BVerfGE 119, 331 = SozR 4-4200 § 44b Nr 1 RdNr 180). Vor diesem Hintergrund ist § 41 Abs 2 SGB II in seiner neuen Fassung mit übergangsweise geltenden, abweichenden Maßgaben in Kraft getreten, die ausreichend Zeit für die technische Anpassung gewährleisten sollen(vgl § 77 Abs 14 SGB II und dazu BT-Drucks 17/3404 S 119). Dem Gesetzgeber war also offenbar nicht nur die unklare Gesetzeslage, sondern auch die Problematik der technischen Umsetzung entsprechender Berechnungsregelungen bekannt.

23

Dem einzelnen Leistungsberechtigten kommt aber nicht allein deshalb ein Rechtsschutzinteresse zu, weil strukturelle Fehler im Vollzug des Gesetzes erkennbar werden. Das macht der Ausschluss der Popularklage im SGG ebenso wie den anderen Verfahrensordnungen deutlich. Ein Einzelner kann eine Klage nicht nur führen, um sich zum Sachwalter der Interessen der Allgemeinheit am korrekten Vollzug der Gesetze zu machen. Im Einzelfall muss ein darüber hinausgehendes allgemeines Rechtschutzinteresse hinzukommen um zu verhindern, dass gerade im hoch belasteten Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nur aus Rechthaberei Prozesse geführt werden.

24

Schließlich bedeutet das vorliegende Ergebnis nicht, dass die entsprechenden Rechtsfragen durch Gerichte schlechterdings nicht geklärt werden könnten. In Rechtsstreitigkeiten, die zulässigerweise auf eine höhere Leistung gerichtet sind, ist auch der Anspruch auf Rundung zu beachten und hierüber zu entscheiden. Dementsprechend sind im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits eine Reihe von Entscheidungen des BSG ua auch zur Anwendung der Rundungsregelung ergangen (etwa BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 37; BSG Urteil vom 17.3.2009 - B 14 AS 63/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 21 RdNr 35; BSG Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 23/06 R - SozR 4-4200 § 24 Nr 3 RdNr 25; im Einzelnen zur Rechtsprechung Padé, SozSich 2009, 111).

25

Mit diesem Ergebnis sieht sich der Senat nicht in Widerspruch zu der vom LSG zitierten Rechtsprechung des BVerfG zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe ( zur Bewilligung von PKH in Angelegenheiten des SGB II insbesondere Beschlüsse vom 24.3.2011 - 1 BvR 1737/10 - NJW 2011, 2039 und - 1 BvR 2493/10 - ZFSH/SGB 2011, 475 = NZS 2011, 775). Die dortigen Beschwerdeverfahren sind zur Klärung des Umfangs der in Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit ergangen und lassen keine Aussage dazu erkennen, ob und in welchen Fällen ein Rechtsschutzbedürfnis wegen eines Bagatellstreitwertes entfallen könnte. Im Übrigen liegt der mögliche Streitwert wegen der Anwendung von Rundungsregelungen erheblich unter den Werten, die in den dortigen Verfahren von den Landessozialgerichten als Bagatellwert angesehen worden sind (42 Euro). Dies gilt erst recht für denkbare Klagen gestützt auf die fehlerhafte Anwendung von § 41 Abs 2 SGB II nF.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.