Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 30. Jan. 2015 - W 1 S 14.30731

bei uns veröffentlicht am30.01.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist serbische Staatsangehörige und Volkszugehörige der Roma aus B. Sie verließ nach erfolglosem Asylverfahren in Schweden und anschließender Rückkehr nach Serbien am 31. August 2013 ihr Herkunftsland und reiste zunächst mit der Bahn, dann per Pkw am 2. September 2013 in das Bundesgebiet ein. Die Antragstellerin reiste gemeinsam mit ihrer Mutter sowie den drei Geschwistern, die eigene Asylverfahren mit dazugehörigen Gerichtsverfahren betreiben.

Am 26. September 2013 beantragte die Antragstellerin Asyl.

In der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 2. Oktober 2013 gab die Antragstellerin im Wesentlichen an, sie seien damals nach Schweden gereist, weil ihr jüngster Bruder krank gewesen sei und ärztliche Versorgung gebraucht habe. Wegen des Vaters hätten sie zunächst noch nicht nach Schweden ausreisen können, weil dieser zu der Zeit noch nicht so aggressiv gewesen sei. Sie wisse nicht, was ihr Vater mit den anderen Familienangehörigen noch anstellen werde. Nach der Rückkehr der Familie aus Schweden sei er sehr aggressiv geworden. Immer wenn er Alkohol getrunken habe, habe er sie grundlos geschlagen. Sie hätten jedoch keine Anzeige erstattet, weil sonst alles noch schlimmer geworden wäre. Irgendwelche Auseinandersetzungen mit Nachbarn habe sie nicht gehabt, auch keine Probleme mit staatlichen Organen in Serbien. Bis zur Ausreise sei sie zur Schule gegangen. In der Asylbewerberunterkunft in M. habe sie wegen eines anderen randalierenden Bewohners Angstzustände bekommen. Ansonsten sei sie gesund.

Mit Bescheid vom 25. November 2014, der Antragstellerin am 8. Dezember 2014 zugestellt, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1 des Bescheides) sowie auf Asylanerkennung (Ziffer 2) als offensichtlich unbegründet ab, lehnte die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab (Ziffer 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4) und forderte die Antragstellerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen; für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Serbien angedroht (Ziffer 5). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin stamme aus einem sicheren Herkunftsstaat. Sie habe nichts glaubhaft vorgetragen oder vorgelegt, was zu der Überzeugung gelangen ließe, dass entgegen der Einschätzung der allgemeinen Lage in ihrem Herkunftsstaat in ihrem Falle die Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung erfüllt seien. Der Vortrag der Antragstellerin sei auch nicht geeignet, zu einem für sie abweichenden Ergebnis einer dennoch bestehenden individuellen Gefährdung im Sinne des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG zu gelangen. Gegen rechtswidrige Übergriffe nichtstaatlicher Akteure stehe hinreichender staatlicher Schutz zur Verfügung. Es lägen keine Erkenntnisse vor, dass der Staat Übergriffen Vorschub leiste. Die Polizei gehe auch aktiv gegen Angriffe vor. Alle Bürger könnten Anzeige erstatten oder auch beim nationalen Ombudsmann Beschwerde einlegen. Die Polizei sei verpflichtet, Anzeigen nachzugehen. Der Geschädigte werde darüber in Kenntnis gesetzt und könne Rechtsmittel einlegen. Im Falle der Untätigkeit von Polizeibehörden stünden der Beschwerdeweg sowie die Möglichkeit der Untätigkeitsklage offen. Die Forderung nach einem lückenlosen Schutz gehe in Bezug auf Übergriffe allgemeiner, z. B. krimineller Art an einer wirklichkeitsnahen Einschätzung der Effizienz staatlicher Schutzmöglichkeiten vorbei. Es bestünden zudem Ausweichmöglichkeiten in andere Teile Serbiens. Die vorgetragene Bedrohung durch häusliche Gewalt könne nicht zu einer Schutzgewährung führen, denn die Antragstellerin müsse sich auf die vorhandenen staatlichen Schutzmöglichkeiten in Serbien verweisen lassen, zu denen sie auch Zugang habe. Seit dem Jahr 2002 sei häusliche Gewalt ein Straftatbestand. Im Februar 2005 seien auch im Familienrecht entsprechende Gesetzesänderungen vorgenommen worden, die u. a. eine Neudefinition der Kinderrechte sowie ein sog. Wegweisungsrecht beinhalteten. Die Antragstellerin habe sich nicht ausreichend um staatlichen Schutz bemüht. Ihr drohe in Serbien auch keine Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Serbien führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Antragstellerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Eine zu berücksichtigende Gefährdung ergebe sich auch nicht aus der allgemeinen wirtschaftlichen Situation. In Serbien bestehe die Institution der Sozialhilfe. Wenngleich insbesondere die Lage der Roma in Serbien schwierig sei und internationalen Standards nicht entspreche, sei die Situation in Serbien nicht derart bedrohend, dass alle Zugehörigen der Volksgruppe der Roma keine Lebensgrundlage hätten. Eine allgemein schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründe kein Abschiebungsverbot.

Mit am 12. Dezember 2014 eingegangenem Schriftsatz erhob die Antragstellerin Klage (Az.: W 1 K 14.30730), über die noch nicht entschieden ist.

Gleichzeitig beantragt sie,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung nahm sie auf ihre bisherigen Angaben Bezug. Ihr Asylantrag sei jedenfalls nicht offensichtlich unbegründet, weil sie der Roma-Minderheit angehöre und in Serbien keinerlei Schutz oder Rechte habe. Des Weiteren drohe ihr in ihrem Heimatstaat eine menschenrechtswidrige Behandlung.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Die Akten der Behörden- und Gerichtsverfahren der im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen der Antragstellerin wurden, soweit diesbezüglich Verfahren beim Verwaltungsgericht Würzburg anhängig sind oder waren, zum vorliegenden Verfahren beigezogen (Az.: W 1 K 14.30157, W 1 S 14.30263, W 1 S 14.30631, W 1 S 14.30705, W 1 K 14.30158, W 1 S 14.30632, W 1 S 14.30264, W 1 E 14.30732).

II.

Der zulässige, insbesondere innerhalb der Wochenfrist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG gestellte Antrag, die kraft Gesetzes gem. § 75 AsylVfG ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist in der Sache nicht begründet. Denn es bestehen nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheides vom 25. November 2014.

Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach § 36 Abs. 3 AsylVfG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO ist die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die sofortige Vollziehbarkeit. Prüfungsmaßstab zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs ist die Frage, ob die für die Aussetzung der Abschiebung erforderlichen ernstlichen Zweifel bezogen auf das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes vorliegen. Nach Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme darf nur dann ausgesetzt werden, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris = DVBl 1996, 729).

Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn der Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht (§ 29a Abs. 1 AsylVfG). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag des Weiteren dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylVfG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylVfG). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeine Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält (§ 30 Abs. 2 AsylVfG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt eine Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 20.9.2001 - 2 BvR 1392/00 - juris = InfAuslR 2002, 146; B.v. 5.2.1993 - 2 BvR 1294/92 - juris = InfAuslR 1993, 196). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt es darauf an, ob die Offensichtlichkeitsentscheidung in Bezug auf die geltend gemachten Asylgründe bei der hier gebotenen summarischen Prüfung mit der erforderlichen Richtigkeitsgewähr bestätigt werden kann.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Offensichtlichkeitsentscheidung des Bundesamtes nicht zu beanstanden.

1. Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte steht der Antragstellerin offensichtlich nicht zu, da sie aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt. Der Anerkennung als Asylberechtigte steht somit Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG i. V. m. § 29a Abs. 1 AsylVfG i. V. m. Anlage II zum AsylVfG entgegen. Durch Art. 1 des Gesetzes vom 31. Oktober 2014 (BGBl I S. 1649) wurden die ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten in Anlage II zu § 29a AsylVfG aufgenommen. Dieses Gesetz trat nach seinem Art. 3 am Tag nach der Verkündung, d. h. am 6. November 2014 in Kraft. Es findet damit gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG auf das Asylverfahren der Antragstellerin Anwendung. Das Gericht hat auch keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bzw. Unionsrechtskonformität der Einstufung der genannten Staaten als sichere Herkunftsstaaten (vgl. VG Berlin, B.v. 4.12.2014 - 7 L 596.14 A - juris Rn. 6; B.v. 26.11.2014 - 7 L 579.14 A - juris Rn. 6; anderer Ansicht VG Münster, B.v. 27.11.2014 - 4 L 867/14.A - UA S. 3 ff.). Bisher hat, soweit ersichtlich, noch kein deutsches Verwaltungsgericht das o.g. Gesetz gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vorgelegt. Die Antragstellerin hat des Weiteren keine Tatsachen glaubhaft gemacht, die geeignet wären, die gesetzliche Vermutung der Verfolgungssicherheit nach § 29a Abs. 1 AsylVfG zu widerlegen.

2. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG scheidet ebenfalls offensichtlich aus, weil die Antragstellerin im Falle ihrer Rückkehr nach Serbien offensichtlich keine landesweite asylrelevante Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 i. V. m. §§ 3a ff. AsylVfG zu erwarten hat.

Wie dem Gericht aus den Verfahren der Familienangehörigen der Antragstellerin mit den unter Ziffer I. genannten Aktenzeichen bekannt ist (vgl. insbesondere den Aktenvermerk vom 13. Januar 2015 im Verfahren W 1 E 14.30732), stellt der sich mittlerweile ebenfalls im Bundesgebiet aufhaltende Vater der Antragstellerin für sie derzeit keine Gefährdung dar. Der Antragstellerin droht daher die behauptete Gefährdung im Herkunftsland nicht mehr.

Das Gericht geht darüber hinaus im Einklang mit der weit überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. nur Sächs. OVG, U.v. 17.5.2011 - A 4 A 510/10 - juris; OVG NRW, B.v. 14.12.2009 - 5 A 2716/09.A - juris; VG Saarlouis, B.v. 21.11.2011 - 10 L 1777/01 - juris; VG Oldenburg, U.v. 28.7.2010 - 11 A 2779/09 - juris; VG München, U.v. 2.6.2010 - M 17 K 09.50481 - juris; VG Freiburg, U.v. 13.5.2013 - A 3 K 734/11 - juris) davon aus, dass Angehörige der Volksgruppe der Roma in Serbien keiner Gruppenverfolgung i. S. d. Art. 16a GG und § 3 Abs. 1 AsylVfG durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind. Auch nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Serbien vom 15.12.2014) gibt es keine Anzeichen für systematische staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Roma, auch wenn in der serbischen Öffentlichkeit Vorbehalte und Vorurteile gegen Minderheitenangehörige nach wie vor verbreitet sind. Der serbische Staat hat vielmehr im Zuge der Roma-Dekade 2014/2015 verschiedene Strategien und Programme zur Verbesserung der Situation und Inklusion der Roma aufgelegt (Lagebericht a. a. O. S. 9).

3. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gem. § 4 Abs. 1 AsylVfG liegen ebenfalls nicht vor. Insbesondere droht der Antragstellerin im Falle einer Rückkehr nach Serbien keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG durch häusliche Gewalt seitens ihres Vaters. Auf die entsprechenden Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (siehe oben 2.).

4. Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht das Vorliegen von Abschiebungsverboten verneint hat (vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl., 2014, § 36 Rn. 56). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen zugunsten der Antragstellerin jedoch nicht vor.

Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK liegt nicht vor. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

Schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat können nur in begründeten Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 23). Allerdings können Ausländer kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (BVerwG a. a. O. unter Verweis auf EGMR, U.v. 27.5.2008 - Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich - juris [Leitsatz] = NVwZ 2008, 1334 Rn. 42). Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte lässt sich keine generelle Erstreckung des Schutzes nach Art. 3 EMRK auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen ableiten (BVerwG a. a. O. Rn. 25). Daher können nur in ganz außergewöhnlichen Fällen auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Maßgeblich ist dabei die Perspektive des abschiebenden Staates, aus dessen Sicht zu prüfen ist, ob der Betroffene durch die Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Bei dieser Prüfung stellt der EGMR grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat ab und prüft zunächst, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (BVerwG a. a. O. unter Verweis auf EGMR, U.v. 28.6.2011 - Nr. 8319/07, Sufi und Elmi - NVwZ 2012, 681, juris [Leitsatz]).

Gemessen an diesen Maßstäben droht der Antragstellerin für den Fall der Rückkehr nach Serbien keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK. Von einer Gefahr schwerster Gesundheitsbeeinträchtigungen oder gar von einer Todesgefahr bei Rückkehr der Antragstellerin nach Serbien kann nicht ausgegangen werden. Roma haben in Serbien grundsätzlich Zugang zu allen staatlichen Einrichtungen und Dienstleistungen einschließlich der Sozialhilfe und der medizinischen Grundversorgung (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Serbien vom 15.12.2014, S. 14 ff.; VG Würzburg, U.v. 17.6. 2014 - Az.: W 1 K 13.30393 - Urteilsabdruck S. 11 ff., juris Rn. 25). Auch Rückkehrer erhalten nach Abschluss der Registrierung bei den Wohnortbehörden und Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bzw. Anmeldung als Arbeitssuchende, die bei der Antragstellerin nach ihren Angaben vorliegt, kostenfreien Zugang zur Gesundheits- und Sozialversorgung. Sollte ihre Registrierung aufgrund ihrer Ausreise erloschen sein, haben sie die Möglichkeit, die erneute Registrierung zu beantragen (Lagebericht a. a. O.; VG Würzburg, a. a. O.).

Das Gericht geht im Übrigen, auch aufgrund der Feststellungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Mutter sowie der minderjährigen Familienangehörigen der Antragstellerin (VG Würzburg, B.v. 4.11.2014 - Az.: W 1 S 14.30263 - Urteilsabdruck S. 3, 12), davon aus, dass ihr Existenzminimum in Serbien gesichert wäre. Da nämlich ihre Mutter nach eigenen Angaben in Serbien in ärztlicher Behandlung war, hatte sie demnach Zugang zur medizinischen Versorgung. Dies setzt jedoch voraus, dass sie in Serbien registriert ist. Ist aber die Mutter der Antragstellerin in Serbien registriert, so müsste es auch der Antragstellerin gegebenenfalls möglich sein, sich dort registrieren zu lassen. Die Registrierung kann bereits vor der Rückführung im Bundesgebiet vorbereitet werden. Im Einzelfall hat die Ausländerbehörde - und nicht das Bundesamt bzw. das Verwaltungsgericht im Asylstreitverfahren - vor einer Abschiebung der Antragstellerin nach Serbien zu prüfen, ob sie dort registriert ist bzw. ob ihre Registrierung dort noch besteht und/oder möglich ist (vgl. z. B. VG Würzburg, GB v. 12.6.2014 - W 1 K 12.30334 - Urteilsabdruck S. 10; VG Augsburg, U.v. 31.5.2012 - Au 6 K 11.30350 - juris).

Des Weiteren fehlt es auch an den Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufentG.

Des Weiteren fehlt es auch an den Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren i. S. des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein betreffen, so ist die Gewährung von Abschiebungsschutz einer politischen Leitentscheidung der obersten Landesbehörde nach § 60a AufenthG vorbehalten. Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Die vorgetragenen Sicherheitsprobleme und schlechten Lebensbedingungen treffen unstreitig für eine Vielzahl weiterer Personen im Abschiebestaat zu, insbesondere für Volkszugehörige der Roma (Lagebericht a. a. O.).

Beim Fehlen einer politischen Regelung i. S. des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zutreffend anerkannt, dass im Falle einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die den einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, unabhängig vom Vorliegen von Abschiebungsverboten Schutz vor Abschiebung gewährt werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 - 9 C 9/95 - BVerwGE 99, 324 ff., juris; U.v. 4.6.1996 - NVwZ-Beilage 11/1996, 89 f., juris). Insoweit lässt sich aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG der Grundsatz ableiten, dass ein Staat nicht durch seine Abschiebung dazu beitragen darf, den elementaren Anspruch jedes Menschen auf Menschenwürde und Leben zu beeinträchtigen. Jenseits des Extremfalles der Auslieferung eines Menschen in den sicheren Tod und in die Gefahr schwerster Verletzungen besteht aber keine verfassungsrechtlich begründbare Garantenpflicht für die im Ausland als Folge der dort bestehenden sozialen, politischen oder ökonomischen Verhältnisse drohenden Gefahren für Leib und Leben (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Rn. 187).

Eine solche extreme allgemeine Gefahrenlage besteht für die Antragstellerin im Falle der Rückkehr nach Serbien nicht. Insoweit kann zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zu § 60 Abs. 5 AufenthG Bezug genommen werden. Sind schon die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG aufgrund der humanitären, insbesondere sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung nicht erfüllt, so liegt auch keine Extremgefahr i. S. der bei § 60 Abs. 7 AufenthG i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG höheren Gefahrenschwelle vor.

Das Gericht geht im Übrigen davon aus, dass die für die Durchführung der Abschiebung zuständige Ausländerbehörde bei der Vorbereitung und Durchführung derselben bzw. im Rahmen der Entscheidung über eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG den Familienverband der (volljährigen) Antragstellerin mit ihren Eltern und (minderjährigen) Geschwistern beachtet und die insoweit erforderlichen Vorkehrungen trifft (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - juris Rn. 7 ff.).

5. Schließlich bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 59 AufenthG keine Bedenken.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylVfG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 30. Jan. 2015 - W 1 S 14.30731

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 30. Jan. 2015 - W 1 S 14.30731

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 30. Jan. 2015 - W 1 S 14.30731 zitiert 10 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 16a


(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 100


(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassu

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 30. Jan. 2015 - W 1 S 14.30731 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 30. Jan. 2015 - W 1 S 14.30731 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 08. Dez. 2014 - W 1 S 14.30705

bei uns veröffentlicht am 08.12.2014

Tenor I. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass die Antragsteller vorläufig nicht auf der Grundlage der Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesa

Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 04. Nov. 2014 - W 1 S 14.30263

bei uns veröffentlicht am 04.11.2014

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I. Die Antragsteller sind serbische Staatsangeh

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 17. Sept. 2014 - 2 BvR 732/14

bei uns veröffentlicht am 17.09.2014

Tenor Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. H. wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 13. Mai 2013 - A 3 K 734/11

bei uns veröffentlicht am 13.05.2013

Tenor Die Klagen werden abgewiesen.Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu je einem Fünftel. Tatbestand  1 Die Kläger Ziff. 1 und 2 sind Eheleute mit serbischer Staatsangehörigkeit und gehören dem Volk der Roma an. Gemei

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 31. Jan. 2013 - 10 C 15/12

bei uns veröffentlicht am 31.01.2013

Tatbestand 1 Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren. 2

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind serbische Staatsangehörige und Volkszugehörige der Roma aus Bor. Die Antragstellerin zu 1) wurde am ... geboren, die Antragsteller zu 2) und 3) sind ihre am ... und ... geborenen Kinder. Der älteste Sohn der Antragstellerin zu 1) betreibt ein eigenes Asylverfahren und dazugehörige Gerichtsverfahren (Az.: W 1 K 14.30158, W 1 S 14.30264). Die Antragsteller verließen ihr Heimatland am 30. oder 31. August 2013 und reisten zunächst mit der Bahn, dann per Pkw am 2. September 2013 in das Bundesgebiet ein. Am 26. September 2013 beantragten sie Asyl.

In ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 2. Oktober 2013 gab die Antragstellerin zu 1) im Wesentlichen an, sie hätten sich von Dezember 2010 bis Frühherbst 2012 in Schweden aufgehalten, wo sie erfolglos ein Asylverfahren betrieben hätten. Nach der Rückkehr aus Schweden habe sie keine andere Wahl gehabt, als wieder zu ihrem Ehemann nach Bor zurückzukehren, von dem sie sich eigentlich habe trennen wollen. Sie und ihre Kinder würden von ihrem Mann häufig geschlagen. Sie hätten die Übergriffe nirgendwo angezeigt, weil es dann nur noch schlimmer geworden wäre. Besonders heftig sei es nach ihrer Rückkehr aus Schweden geworden. Ihr Ehemann sei häufig betrunken gewesen. Der Antragsteller zu 3) sei krank, während des Aufenthaltes in Schweden sei er am Ohr operiert worden und außerdem leide er an Asthma. Die Antragstellerin zu 1) leide aufgrund ihrer psychischen Belastungen unter Herzrhythmusstörungen, nehme deshalb aber keine Medikamente. In Serbien sei sie im Genitalbereich operiert worden. Am 21. September 2013 sei sie kurzfristig im Klinikum Fürth gewesen, weil sie starke Kopfschmerzen gehabt habe. Ihr Erinnerungsvermögen sei schwach ausgeprägt. Wegen der Kopfschmerzen sei sie auch in Serbien schon immer wieder einmal beim Arzt gewesen, der ihr dann Beruhigungs- bzw. Schlaftabletten verschrieben habe. Im Krankenhaus sei sie aber nicht gewesen. Die verbliebenen Kinder seien gesund, die Tochter Diana leide unter Angstzuständen, erhalte aber keine Medikamente dagegen. Weitere Ausreisegründe lägen nicht vor.

Es wurde ein undatiertes Attest des Herrn Dr. med. K., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, 97070 Würzburg, vorgelegt, wonach die Antragstellerin zu 1) unter einer schweren depressiven Episode (2. Phase bzw. rezidivierende Form) leide. Eine internistische Abklärung zum Ausschluss einer Angina pectoris und einer Schilddrüsendysfunktion erfolge.

Mit Bescheid vom 3. Februar 2014 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (Ziffern 1 und 2 des Bescheides), lehnte die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab (Ziffer 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4) und forderte die Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen; für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihnen die Abschiebung nach Serbien angedroht (Ziffer 5). Die Anträge auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft seien offensichtlich unbegründet, weil die Antragsteller bei einer Rückkehr nach Serbien weder Verfolgungsmaßnahmen durch den Staat noch zu berücksichtigende schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen seitens nichtstaatlicher Dritter zu befürchten hätten. Soweit sie vorgetragen hätten, häusliche Gewalt zu befürchten, könne dies nicht zu Asyl- oder Flüchtlingsschutz führen. Der allein in Frage kommende Verfolgungsgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe liege nicht vor. Häusliche Gewalt knüpfe als ein rein innerfamiliäres Problem in Serbien nicht an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe an. Es sei auch nicht erkennbar, dass den Antragstellern wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe staatlicher Schutz verweigert worden sei. Gegen rechtswidrige Übergriffe nichtstaatlicher Akteure stehe hinreichender staatlicher Schutz zur Verfügung. Es bestünden zudem Ausweichmöglichkeiten in andere Teile Serbiens. Die Antragsteller hätten die Übergriffe des Familienvaters auch nirgendwo angezeigt, da es ihrer Meinung nach sonst nur schlimmer geworden wäre. Die Polizei sei ermächtigt, häusliche Gewalttäter zum Schutze der Angehörigen vorübergehend aus der Wohnung zu weisen. Es gebe in Serbien auch Schutzhäuser für Frauen und deren Kinder. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen ebenfalls nicht vor, die Todesstrafe sei abgeschafft, die Sicherheitslage sei stabil und die Antragsteller müssten weder von der serbischen Regierung noch durch nichtstaatliche Dritte mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung befürchten. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Eine zu berücksichtigende extreme Gefahrenlage ergebe sich nicht aus der allgemeinen wirtschaftlichen Situation. In Serbien bestehe die Institution der Sozialhilfe, die Bürgern gewährt werde, die arbeitsunfähig seien und außerdem keine eigenen Mittel zum Lebensunterhalt hätten. Die medizinische Versorgung sei in Serbien sichergestellt. Auch die Grundversorgung mit häufig verwendeten, zunehmend auch mit selteneren Medikamenten sei gewährleistet. Alle registrierten Bewohner Serbiens hätten freien Zugang zur medizinischen Versorgung. In den Krankenhäusern würden bei der Behandlung der Patienten keine ethnischen Unterschiede gemacht. Angehörige der Volksgruppe der Roma genössen im Rahmen des staatlichen Gesundheitssystems die gleichen Rechte wie die serbische Mehrheitsbevölkerung. Rückkehrer könnten medizinische Notfallhilfe nach der Ankunft in Serbien unter Vorlage eines Reisedokuments in Anspruch nehmen. Psychische Erkrankungen seien in Serbien grundsätzlich behandelbar. Patienten mit ernsthaften psychischen Störungen (Psychosen) würden unabhängig vom Status grundsätzlich kostenfrei behandelt, d. h. sie seien auch von den Zuzahlungen befreit. Die vorgetragenen Krankheiten der Antragsteller zu 2) und 3) seien trotz Hinweis des Bundesamtes nicht durch Atteste belegt worden. Unabhängig davon seien in Serbien psychische Erkrankungen sowie Atemwegserkrankungen wie Asthma behandelbar. Auf die Gründe des Bescheides im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Gegen diesen Bescheid, der den Antragstellern im Wege der Ersatzzustellung an die Leitung der Gemeinschaftsunterkunft am 7. Februar 2014 zugestellt wurde (Bl. 94/95 der Bundesamtsakte), ließen die Antragsteller am 13. Februar 2014 bei Gericht Klage erheben, über die noch nicht entschieden ist (Az.: W 1 K 14.30157).

Am 7. März 2014 beantragten die Antragsteller bei Gericht:

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage W 1 K 14.30157 wird angeordnet.

Hilfsweise:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO verpflichtet, der Ausländerbehörde des Landratsamts Würzburg mitzuteilen, dass die Antragsteller vorläufig bis zur Entscheidung im Klageverfahren nicht aufgrund der Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG nach Serbien abgeschoben werden dürfen.

2. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird beantragt.

Zur Begründung wurde auf die Anhörung beim Bundesamt verwiesen und des Weiteren ausgeführt, dass die Gegend um Bor mittlerweile sehr gefährlich für Roma sei. Rechtsextreme serbische Menschen hätten Roma attackiert, es habe mit Ausschreitungen Jugendlicher begonnen, dann hätten sich auch zahlreiche Erwachsene den Rechtsextremen angeschlossen, hätten Scheiben eingeworfen und Autos angezündet. Dabei seien mehrere Roma verletzt worden. Über diese Übergriffe sei auch in den Medien berichtet worden. Die Antragsteller fühlten sich in Serbien bedroht und nicht mehr sicher, es habe sich gegen die Roma viel Hass entwickelt. Auch die Polizei werde der Situation nicht Herr. Bezüglich der Fristversäumnis werde darauf hingewiesen, dass die Antragsteller keine deutschen Sprachkenntnisse hätten und sich darauf verlassen hätten, dass der bevollmächtigte Rechtsanwalt innerhalb der gesetzlichen Frist einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stelle. Erst nach Rücksprache mit dem Cousin der Antragstellerin zu 1) in Wuppertal sei diese darauf aufmerksam gemacht worden, dass sie auch die aufschiebende Wirkung der Klage beantragen müsse. Ihre Nachfrage bei Gericht habe nun erwiesen, dass der Bevollmächtigte es versäumt habe, diesen Antrag fristgerecht zu stellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Anträge sind bereits unzulässig.

1.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage Az.: W 1 K 14.30157 gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 3. Februar 2014 ist unzulässig, weil die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG versäumt wurde und den Antragstellern auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

Gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG sind Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen; dem Antrag soll der Bescheid des Bundesamtes beigefügt werden. Hierauf ist der Ausländer gemäß § 36 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG hinzuweisen.

Der Antrag wurde erst am 7. März 2014 und somit verfristet gestellt.

Den Antragstellern ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO zu gewähren, weil sie nicht ohne Verschulden verhindert waren, eine gesetzliche Frist einzuhalten (§ 60 Abs. 1 VwGO). In der Rechtsbehelfsbelehrung des Bundesamtsbescheides, der eine Übersetzung in die Sprache der Antragsteller beigefügt war, wurde auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage sowie auf die Möglichkeit hingewiesen, deren Anordnung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO bei Gericht zu beantragen. Die Antragsteller hatten somit unabhängig von ihren Kenntnissen der deutschen Sprache und des deutschen Rechtssystems die Möglichkeit, von diesem Rechtsbehelf Kenntnis zu nehmen. Die Antragsteller können sich auch nicht auf ein Verschulden ihres Bevollmächtigten, das sie sich ohnehin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müssten, berufen. Denn der Bevollmächtigte hat in seinem Klageschriftsatz ausgeführt, dass die Antragsteller ihm bisher nicht den vollständigen Bundesamtsbescheid vorgelegt hätten. Hätten die Antragsteller ihrem Bevollmächtigten den vollständigen Bescheid vorgelegt, so hätte dieser jedenfalls anhand der Rechtsbehelfsbelehrung erkennen können, dass er zur Vermeidung einer zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht auch einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO stellen musste.

2.

Der Antrag, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 VwGO aufzugeben, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass die Antragsteller vorläufig bis zur Entscheidung im Klageverfahren nicht aufgrund der Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG nach Serbien abgeschoben werden dürfen, ist unzulässig.

Dieser Antrag ist nicht statthaft, da es sich bei dem Asylverfahren der Antragsteller um ein Erstverfahren handelt. Die Mitteilung an die Ausländerbehörde nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG ergeht jedoch nur in Folgeverfahren.

Eine Umdeutung des Antrags in einen solchen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Abschiebung auszusetzen, ist nicht möglich, weil ein solcher Antrag - unabhängig von der Frage der Passivlegitimation der Antragsgegnerin - ebenfalls unzulässig wäre. Würde in einem Fall wie dem vorliegenden, in welchem die Antragsteller die Wochenfrist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG versäumt haben, ein Antrag nach § 123 VwGO für zulässig erachtet, so würde dies zu einer Umgehung der gesetzlich geregelten Antragsfrist führen (ebenso VG Ansbach, B. v. 3.11.2003 - AN 11 E 03.31651 - juris; VG Würzburg, B. v. 6.11.2000 - W 2 E 00.31176 - juris; Marx, AsylVfG, 6. Aufl. 2005, § 36 Rn. 28). Die Antragsfrist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG trägt nämlich dem Anliegen des Gesetzgebers Rechnung, das Asylverfahren einschließlich des gerichtlichen Verfahrens in den Fällen der unbeachtlichen und offensichtlich unbegründeten Asylanträge zu beschleunigen (Marx a. a. O. Rn. 1). Diesem Beschleunigungszweck würde es zuwiderlaufen, im Falle eines verfristeten Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO einen Antrag gemäß § 123 VwGO bei dem für den Rechtsschutz gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Asylverfahren zuständigen Gericht als zulässig zu behandeln. Davon unberührt bleibt allerdings die Möglichkeit, ggf. auf der Grundlage - im Asyl- und asylgerichtlichen Verfahren nicht zu prüfender - inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse gegen den Rechtsträger der zuständigen Ausländerbehörde die Aussetzung der Abschiebung im Wege der einstweiligen Anordnung zu beantragen.

3.

Unabhängig von diesen Erwägungen hätte der Antrag jedoch auch in der Sache keinen Erfolg, weil an der Rechtmäßigkeit des Bescheides des Bundesamtes vom 3. Februar 2014 keine ernstlichen Zweifel bestehen.

Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach § 36 Abs. 3 und 4 AsylVfG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO ist die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die sofortige Vollziehbarkeit. Prüfungsmaßstab zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs ist die Frage, ob die für die Aussetzung der Abschiebung erforderlichen ernstlichen Zweifel bezogen auf das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes vorliegen. Nach Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG, § 34 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme darf nur dann ausgesetzt werden, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris = DVBl. 1996, 729).

Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylVfG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylVfG). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält (§ 30 Abs. 2 AsylVfG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt eine Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 20.9.2001 - 2 BvR 1392/00 - juris = InfAuslR 2002, 146; B. v. 5.2.1993 - 2 BvR 1294/92 - juris = InfAuslR 1993, 196). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt es darauf an, ob die Offensichtlichkeitsentscheidung in Bezug auf die geltend gemachten Asylgründe bei der hier gebotenen summarischen Prüfung mit der erforderlichen Richtigkeitsgewähr bestätigt werden kann.

Gemessen daran bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundesamtes zu Art. 16a GG und § 3 Abs. 1 AsylVfG. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Bescheides verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).

Im Übrigen haben die Antragsteller im Falle ihrer Rückkehr nach Serbien auch keine Gruppenverfolgung als Volkszugehörige der Roma zu befürchten. Das Gericht geht im Einklang mit der weit überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. nur Sächs. OVG, U. v. 17.5.2011 - A 4 A 510/10 - juris; OVG NRW, B. v. 14.12.2009 - 5 A 2716/09.A - juris; VG Saarlouis, B. v. 21.11.2011 - 10 L 1777/01 - juris; VG Oldenburg, U. v. 28.7.2010 - 11 A 2779/09 - juris; VG München, U. v. 2.6.2010 - M 17 K 09.50481 - juris; VG Freiburg, U. v. 13.5.2013 - A 3 K 734/11 - juris) davon aus, dass Angehörige der Volksgruppe der Roma in Serbien keiner Gruppenverfolgung i. S. d. Art. 16a GG und § 3 Abs. 1 AsylVfG durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind. Auch nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Serbien vom 18.10.2013) gibt es keine Anzeichen für systematische staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Roma, auch wenn in der serbischen Öffentlichkeit Vorbehalte und Vorurteile gegen Minderheitenangehörige nach wie vor verbreitet sind.

Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes i. S. von § 4 Abs. 1 AsylVfG i. d. F. des Gesetzes vom 28. August 2013 zur Umsetzung der Richtlinie 2011/85/EU (BGBl. I S. 3474). Auch insoweit wird auf die zutreffenden Gründe im angefochtenen Bescheid verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).

Des Weiteren liegen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG zugunsten der Antragsteller nicht vor.

Hinsichtlich § 60 Abs. 5 AufenthG folgt das Gericht den zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid. Des Weiteren fehlt es auch an den Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren i. S. des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein betreffen, so ist die Gewährung von Abschiebungsschutz einer politischen Leitentscheidung der obersten Landesbehörde nach § 60a AufenthG vorbehalten. Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Die von den Antragstellern geschilderten Sicherheitsprobleme und schlechten Lebensbedingungen treffen unstreitig für eine Vielzahl weiterer Personen im Abschiebestaat zu, insbesondere für Volkszugehörige der Roma (Lagebericht a. a. O.).

Beim Fehlen einer politischen Regelung i. S. des § 60a Abs. 1 Satz 1

AufenthG kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zutreffend anerkannt, dass im Falle einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die den einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, unabhängig vom Vorliegen von Abschiebungsverboten Schutz vor Abschiebung gewährt werden muss (vgl. BVerwG, v. 17.10.1995, BVerwGE 99, 324 ff.; v. 04.06.1996, NVwZ-Beilage 11/1996, 89 f.). Insoweit lässt sich aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG der Grundsatz ableiten, dass ein Staat nicht durch seine Abschiebung dazu beitragen darf, den elementaren Anspruch jedes Menschen auf Menschenwürde und Leben zu beeinträchtigen. Jenseits des Extremfalles der Auslieferung eines Menschen in den sicheren Tod und in die Gefahr schwerster Verletzungen besteht aber keine verfassungsrechtlich begründbare Garantenpflicht für die im Ausland als Folge der dort bestehenden sozialen, politischen oder ökonomischen Verhältnisse bestehenden Gefahren für Leib und Leben (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Rd.Nr. 187 zu § 60 AufenthG).

Auch insoweit geltend die im angefochtenen Bundesamtsbescheid ausführlich niedergelegten Gründe. Der Sachvortrag im Antragsverfahren und insbesondere die vorgelegte psychotherapeutische Stellungnahme sind nicht geeignet, zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung zu führen. Auch wenn man das dort geschilderte Krankheitsbild der Antragstellerin zu 1) unterstellt, ist nicht erkennbar, dass eine medizinische Behandlung in Serbien nicht gewährleistet wäre oder aus finanziellen Gründen scheitern könnte. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin zu 1) zu ihren Lebensumständen in Serbien ist damit nicht davon auszugehen, dass ihr dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen ihrer Erkrankung eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben droht. Hierfür spricht unter anderem auch der Umstand, dass sie sich ausweislich ihrer Ausführungen mehrfach in ärztliche Behandlung begeben hat und eine medizinische bzw. medikamentöse Versorgung erfolgt ist. Die übrigen von den Antragstellern geltend gemachten Erkrankungen sind in Serbien ebenfalls behandelbar.

4.

Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

Tenor

I.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass die Antragsteller vorläufig nicht auf der Grundlage der Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 3. Februar 2014 abgeschoben werden dürfen.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag vom 3. Dezember 2014 ist zulässig und begründet.

Gemäß § 88 VwGO ist das Begehren der nicht anwaltlich vertretenen Antragsteller dahin auszulegen, dass diese begehren, die Abschiebung im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verhindern.

Dieses Ziel können die Antragsteller mit dem gestellten Antrag auf Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 4. November 2014 (Az.: W 1 S 14.30263) und Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 3. Februar 2014 (Az.: W 1 K 14.30157) nicht erreichen, weil dieser Antrag unzulässig ist. Denn der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, wurde als unzulässig abgelehnt, weil die Antragsteller die Wochenfrist nach § 36 Abs. 3 AsylVfG versäumt haben und Wiedereinsetzungsgründe weder vorgetragen noch sonst ersichtlich waren. Dieser Beschluss kann nicht nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO wegen einer Veränderung der Sach- oder Rechtslage abgeändert werden (vgl. Funke/Kaiser in GK-AsylVfG, § 36 Rn. 19 ff., insbesondere Rn. 22; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 36 Rn. 13). Denn eine Abänderung der gerichtlichen Entscheidung nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO wegen einer Änderung der Sach- oder Rechtslage setzt voraus, dass die Veränderung tatsächliche Umstände oder Rechtsnormen betrifft, die für die ursprüngliche Entscheidung des Gerichts erheblich waren. Damit ist vorausgesetzt, dass das Gericht überhaupt über die Begründetheit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO entschieden und diesen nicht bereits als unzulässig abgelehnt hat. Dem steht nicht entgegen, dass die Monatsfrist des § 36 Abs. 3 AsylVfG für den Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO nicht gilt (vgl. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Rn. 578). Denn die hier in Frage stehende Fristversäumnis bezieht sich auf den ursprünglichen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO und nicht auf den Abänderungsantrag.

Im Falle nachträglicher Änderungen der Sach- oder Rechtslage bzw. ohne Verschulden in einem unzulässigen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht eingebrachter Umstände können diese daher nur im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltend gemacht werden. Dies ist jedenfalls so lange möglich, wie noch keine Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eintreten ist (Funke/Kaiser in GK-AsylVfG, § 36 Rn. 22; Marx, AsylVfG, § 36 Rn. 13). Richtiger Antragsgegner in einem solchen Verfahren ist, soweit es um die Geltendmachung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG geht, die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträgerin des in der Sache entscheidungskompetenten Bundesamtes (Funke/Kaiser, a. a. O., Rn. 23).

Im vorliegenden Falle hat die Antragstellerin zu 1) mit dem vorliegenden Antrag vom 3. Dezember 2014 ein Attest eines Arztes für Neurologie und Psychiatrie vom gleichen Tag vorgelegt, das folgende Diagnosen stellt: Schwere depressive Episode (2. Phase bzw. rezidivierende Form), Angststörung mit Panikattacken, Hashimoto-Thyreoiditis. Das Attest beschreibt detailliert die geltend gemachten Beschwerden sowie die Biografie, die körperliche Anamnese, den psychiatrischen Befund und die psychiatrische Anamnese der Antragstellerin sowie die Grundlagen der gestellten Diagnosen. Es wird ausgeführt, dass eine Exploration durch den behandelnden Arzt aufgrund der Darlegung und Schilderung der Symptome und der Exploration eines Kindes der Antragstellerin durchgeführt worden sei. Die Ursachen der Depression und der Angststörung werden im Attest genannt. Dort wird auch ausgeführt, dass bei Veränderungen der Lebenssituation davon auszugehen sei, dass Ängste sich verstärkten, erneut Panikattacken aufträten und die depressive Symptomatik eine derartige Verschlechterung erfahre, dass mit einer Suizidalität zu rechnen sei und eine stationäre psychiatrische Behandlung notwendig würde. Derzeit erhalte die Antragstellerin eine maximale antidepressive und schlafanstoßende Medikation. Eine Behandlung im Herkunftsland ohne den Rückhalt der Familie sei aus fachärztlicher Sicht nicht erfolgversprechend.

Es kann offen bleiben, ob aus dem vorgelegten Attest auch eine Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 1) im weiteren Sinne folgt, d. h. dass die Abschiebung als solche außerhalb des Transportvorgangs für sie eine erhebliche und konkrete Gesundheitsgefahr bewirkte (BayVGH, B. v. 29.7.2014 - 10 CE 14.1523 - juris Rn. 21; BayVGH, B. v. 18.10.2013 - 10 CE 13.1890 - juris Rn. 20; VG Bayreuth, B. v. 4.11.2014 - B 3 E 14.734 - juris Rn. 32), und damit ein von der Ausländerbehörde bei der Vorbereitung und Durchführung der Abschiebung im Rahmen des § 60a Abs. 2 AufenthG zu beachtendes inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis. Denn das Attest stellt in erster Linie auf die mit einer Veränderung der Lebenssituation der Antragstellerin im Zielstaat der Abschiebung, d. h. in Serbien verbundene Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin zu 1) ab. Damit wird ausdrücklich auf die Verhältnisse im Zielstaat und somit auf ein - im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG allein relevantes - zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis Bezug genommen.

Das Attest erscheint bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung geeignet, die Anforderungen an die Substantiierung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes aufgrund einer psychischen Erkrankung zu erfüllen. Ob dieses krankheitsbedingte zielstaatsbezogene Abschiebungsverbot tatsächlich vorliegt, ist im Hauptsacheverfahren zu klären. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist ausreichend, dass die Erfolgsaussichten der Klage insoweit offen sind und somit im Rahmen einer Interessenabwägung das Interesse der Antragsteller am vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung der Abschiebung der Antragsteller, die aufgrund der Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet und der Ablehnung des Antrags gem. § 80 Abs. 5 VwGO, § 36 Abs. 3 AsylVfG auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vollziehbar ausreisepflichtig sind, überwiegt. Ein Anordnungsanspruch i. S. d. § 123 VwGO ist somit gegeben.

Da die Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig sind und die Abschiebung im Falle der Unterrichtung der Ausländerbehörde durch die Antragsgegnerin nach § 40 AsylVfG eingeleitet werden kann, liegt auch ein Anordnungsgrund vor.

Dem Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu je einem Fünftel.

Tatbestand

 
Die Kläger Ziff. 1 und 2 sind Eheleute mit serbischer Staatsangehörigkeit und gehören dem Volk der Roma an. Gemeinsam mit ihren Kindern, den Klägern Ziff. 3 bis 5 sowie einem weiteren Sohn, Kläger im parallel anhängigen Verfahren A 3 K 735/11, reisten sie eigenen Angaben zufolge im September/Oktober 2010 nach Deutschland ein, wo sie am 20.10.2010 Asylanträge stellten.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - am 02.11.2010 gab der Kläger Ziff. 1 im Wesentlichen an: Seinen Personalausweis habe er zu Hause zurückgelassen. Seinen im Februar oder März dieses Jahres ausgestellten Reisepass habe der Schlepper einbehalten, weil sie nicht voll hätten bezahlen können. Bis zum 29.09.2010 habe er mit seiner Familie in Zemun gelebt. Er habe eine Lehre als Friseur absolviert, aber nicht in diesen Beruf gearbeitet. Vom Jahr 2000 bis kurz vor der Ausreise sei er selbständig als Obst- und Gemüsehändler tätig gewesen. Den Betrieb habe er mit seiner Frau zusammengeführt. Auf Frage, ob er früher schon einmal in Deutschland gewesen sei: Möglicherweise sei er bei seiner Ausreise nach Schweden Anfang dieses Jahres über Deutschland gefahren. Er sei im März und Februar dieses Jahres Asylsuchender in Schweden gewesen, habe aber seinen Asylantrag zurückgenommen. Seine Schwester und seine Mutter lebten dort. Am 29.10.2010 seien sie mit Hilfe eines Schleusers nach Deutschland gefahren und am 30.09.2010 in Dortmund angekommen. Sie hätten nur 250,-- EUR zahlen können und deshalb von der Visumsfreiheit keinen Gebrauch machen können. 110,-- EUR pro Person für eine legale Ausreise hätten sie nicht gehabt. Auf Frage nach den Gründen für den Asylantrag: Er sei gezwungenermaßen Mitglied der serbischen radikalen Partei gewesen. Als Angehörige der Roma fühle er sich von den Serben diskriminiert. Nach Beendigung seines Wehrdienstes 1992 sei er in die Stadt, wo er zuvor gewohnt habe, zurückgekehrt. Dort habe er seine Frau kennengelernt und geheiratet. Sie hätten das gemeinsame Geschäft betrieben. Dabei seien sie laufend von Beamten schikaniert worden. Ihnen sei praktisch verboten worden, in ihrem Beruf zu arbeiten. Im September sei er ausgereist, weil in diesem Monat das neue Schuljahr begonnen habe. Die älteren Kinder seien von serbischen Mitschülern schikaniert worden. Es sei sehr schwierig, einen Job zu finden. Er und seine Ehefrau seien jedoch mit ihrer Tätigkeit auf dem Markt zu Recht gekommen. Serbische Händler hätten, im Gegensatz zu ihnen, keine Probleme mit der Polizei gehabt. Es seien oft Polizisten gekommen und hätten sich selbst bedient, ohne die Ware zu bezahlen. Er könne sich das nur mit seiner Volkszugehörigkeit erklären. Für den Handel sei keine besondere Lizenz erforderlich gewesen. Anfang des Jahres sei er nach Schweden gereist, weil er seinen Kindern ein sicheres Leben habe bieten wollen. Sie seien laufend als Roma beschimpft worden. In der Stadt Zemun seien die Radikalen in der Mehrheit gewesen. Sie hätten ihn angeheuert, die anderen Roma zu überzeugen, für diese Partei zu stimmen. Auf Frage, ob ihm bekannt sei, dass es in Serbien Beauftragte für nationale Minderheiten gebe, bei denen man sich bei Benachteiligungen und Schikanen beschweren könne: Mit dieser Institution werde in Serbien nur Werbung gemacht. Die tatsächlichen Verhältnisse sähen aber anders aus. Auch außerhalb seiner Heimatstadt habe er sich von einer Beschwerde nichts versprochen, da Roma niemand helfe, wenn sie sich beschwerten. Seine Familienangehörigen hätten im Wesentlichen die gleichen Asylgründe wie er. Er habe keine Straftaten begangen. Die serbische Polizei habe ihn grundlos schikaniert. Von der Polizei seien des Öfteren unberechtigte Rechnungen an ihn gestellt worden. Da er kein Geld habe, könne er sie nicht bezahlen. Er müsse damit rechnen, dass er ins Gefängnis komme, wenn er diese dubiosen Forderungen nicht erfüllen könne. Im restlichen Serbien seien die Verhältnisse gleich. Überall herrschten Polizei und Inspektoren. Die Schikanen seien überall die gleichen.
Die Klägerin Ziff. 2 gab in ihrer Anhörung am selben Tag ergänzend im Wesentlichen an: Vor etwa vier oder fünf Monaten hätten sie in Schweden eine Ablehnung ihres Asylantrages erhalten. Sie seien dort etwa zweieinhalb Monate gewesen. Sie könnten in Serbien nicht in Ruhe leben. Sie würden dauernd von den serbischen Behörden schikaniert. Die Serben würden diese Schikanen nicht erleiden, das geschehe nur den Roma. Sie könnten nicht ordnungsgemäß arbeiten. Ihre Ware sei auf dem Markt beschlagnahmt worden. Die Kinder könnten nicht ordnungsgemäß die Schule besuchen. Ihr ältester Sohn sei in der 7. Klasse und müsse eine Klasse wiederholen. Die Tochter hätten sie gar nicht auf die Schule schicken dürfen. Die Tochter sei, auch wenn sie schon 13 Jahre alt sei, noch Analphabetin. Auf Frage, was sie zur Ausreise nach Schweden veranlasst habe: Die geschilderten Probleme seien für die Ausreise ursächlich gewesen. Sie seien hauptsächlich wegen der Kinder ausgereist. Weitere Asylgründe habe sie nicht. Im Falle einer Rückkehr nach Serbien würde sie ihre Kinder verlieren. Sie befürchte, dass ihren Kindern etwas Schlimmes geschehe, da sie in der Schule belästigt würden. Der älteste Sohn weine immer, wenn er nach Hause komme, und sei verängstigt. In Serbien herrschten überall die gleichen Bedingungen. Bei der Polizei hätten sie sich erfolglos über die Beschlagnahme der Ware beschwert.
Nachdem das Bundesamt Schweden um Übernahme der Kläger nach der Dublin II-Verordnung gebeten hatte, teilten die schwedischen Behörden mit Schreiben vom 09.03.2011 mit, der Asylantrag der Kläger vom 10.03.2010 sei am 17.03.2010 abgelehnt worden. Die Familie sei am 18.05.2010 nach Serbien abgeschoben worden, daher sei die Zuständigkeit Schwedens erloschen.
Mit Bescheid vom 07.04.2011 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorlägen. Gleichzeitig stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorlägen, forderte die Kläger zur Ausreise innerhalb eines Monats nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheides auf und drohte ihnen die Abschiebung nach Serbien oder in einen anderen Staat an, in denen sie einreisen dürften oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei. Der Bescheid wurde den Klägern am 11.04.2011 zugestellt.
Die Kläger haben am 26.04.2011, dem Dienstag nach Ostermontag, Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, sie hätten bis zur Ausreise in Zemun, einem Stadtteil von Belgrad, gelebt. Ihren Lebensunterhalt hätten sie aus einem gemeinsam von den Klägern Ziff. 1 und 2 auf dem Markt betriebenen Geschäft bestritten. Dabei sei es zu ständigen Diskriminierungen und Schikanen gekommen. Oft seien Polizisten gekommen und hätten sich selbst bedient, ohne für die Ware zu bezahlen. Von Zeit zu Zeit seien ihnen ohne Rechtsgrundlage Gebühren abverlangt worden, die sie wegen der geringen Einnahmen nicht hätten bezahlen können. Dann seien auch einfach Waren beschlagnahmt worden. Sie seien durch diese Maßnahmen nicht nur als Menschen diskriminiert, sondern in ihrer Existenz gefährdet worden. Sie hätten so wenig verdient, dass sie auf Dauer den kostenlosen „Einkauf“ der Polizei bzw. das Bezahlen wirtschaftlich nicht hätten hinnehmen können. Die andauernden Schikanierungen der Kinder auf dem Schulweg und in der Schule seien hinzugekommen. Sie seien von ihren serbischen Mitschülern drangsaliert und auch von den Lehrern als Angehörige der Roma-Minderheit systematisch zurückgesetzt worden. Schließlich habe zu der Unerträglichkeit des Drucks, dem die Kläger ausgesetzt gewesen seien, auch die Tatsache beigetragen, dass der Kläger Ziff. 1 als Angehöriger einer ethnischen Minderheit ausgerechnet zur Mitgliedschaft in einer radikal-nationalistischen Partei gezwungen worden sei. Sie hätten deshalb keine Existenzmöglichkeit für sich in Serbien gesehen. Die Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit ihres Vorbringens im angefochtenen Bescheid seien nicht gerechtfertigt. Zwar möge es nach deutschen Maßstäben unverständlich sein, dass gerade die Angehörigen der am meisten benachteiligten Minderheit von einer nationalistisch-chauvinistischen Partei aufgefordert würden, Mitglied dieser Partei zu werden. In der partiell mafiösen Struktur eines Teils der serbischen politischen Landschaft sei dies jedoch nicht überraschend. Wenn es Gelegenheit gebe, Stimmen zu gewinnen, sei der Gründer der serbisch-radikalen Partei Seselj nie besonders zimperlich. Für seine Statthalter in Serbien gelte nichts Anderes. Soweit das Bundesamt darauf verweise, die Klägerin Ziff. 2 und ihr Sohn ... hätten unterschiedliche Angaben zum Schulbesuch der Tochter gemacht, sei darauf zu verweisen, dass ... selbst bemerkt habe, er könne dazu keine Angaben machen, da sie nicht dieselbe Schule besucht hätten. Das von den Klägern Geschilderte passe auch in das Bild, welches objektive Erkenntnisquellen zeichneten. Aus vielen Berichten ergebe sich, dass Roma grundsätzlich in Serbien von massivem ethnischem Hass betroffen seien, der sich in alltäglichen vielfältigen Diskriminierungen, Schikanen und physischen Übergriffen zeige. Auch wenn der serbischen Staat sich an sich an einer solchen Diskriminierung nicht beteilige, so seien es doch vielfach staatliche Untergliederungen, vor allem Kräfte der Polizei, die sich an den Übergriffen selbst beteiligten und, wie der Bericht der Kläger zeige, auch noch daran bereicherten. Die Kläger hätten jedenfalls Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG wegen der konkreten Gefahr, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Außerdem könnten sie sich auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 14 EMRK und Art. 2 des Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 17.05.2002 berufen.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Bundesamtes vom 07.04.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid.
13 
Dem Gericht liegen die einschlägige Akte des Bundesamtes, die den Klägern mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung mitgeteilten Erkenntnismittel und die Akte des parallel anhängigen Verfahrens des Sohns ... (A 3 K 735/11) sowie die dazu beigezogene Akte des Bundesamtes vor. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
14 
Der Einzelrichter konnte verhandeln und entscheiden, obwohl nicht sämtliche Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen sind. Denn auf diese Möglichkeit ist in den ordnungsgemäß bewirkten Ladungen hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
15 
Die zulässigen Klagen sind nicht begründet. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 07.04.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger können weder ihre Anerkennung als Asylberechtigte noch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG beanspruchen; auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG liegen nicht vor; Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
16 
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte oder auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG setzt voraus, dass der Asylbewerber die auf Tatsachen gegründete Furcht hegt, in dem Land, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielten Rechtsverletzungen ausgesetzt zu sein, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden staatlichen Einheit ausgrenzen. Eine Verfolgung kann gem. § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgehen vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen (staatsähnliche Akteure), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern staatliche oder staatsähnliche Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der landesweit drohenden Verfolgung zu bieten. Dies gilt unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
17 
Auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu der Gruppe der Roma oder aus sonstigen individuellen Gründen haben die Kläger Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von Art. 16 a GG oder § 60 Abs. 1 AufenthG bei einer Rückkehr nach Serbien nicht zu befürchten. Im Einklang mit der einhelligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. nur Sächs. OVG, Urteil vom 17.05.2011 - A 4 A 510/10 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 14.12.2009 - 5 A 2716/09.A -, juris; VG Saarlouis, Beschluss vom 21.11.2011 - 10 L 1777/01 -, juris; VG Oldenburg, Urteil vom 28.07.2010 - 11 A 2779/09 -, juris; VG München, Urteil vom 02.06.2010 - M 17 K 09.50481 -, juris; jew. m.w.N.; VG Freiburg, Urt. v. 04.07.2012 - A 4 K 251/12 -) geht die Kammer davon aus, dass Angehörige der Volksgruppe der Roma in Serbien keiner Gruppenverfolgung im Sinne des Art. 16 a GG und § 60 Abs. 1 AufenthG durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind.
18 
Gruppenverfolgung setzt - unabhängig davon, ob sie durch staatliche oder nicht staatliche Akteure erfolgt - voraus, dass jedes im Verfolgungsgebiet lebende Gruppenmitglied wegen der Gruppenzugehörigkeit von Verfolgung betroffen ist. Es müssen Verfolgungshandlungen gegen die Gruppe vorliegen, die so intensiv und zahlreich sind, dass jedes Mitglied der Gruppe die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit ableiten kann (vgl. dazu BVerwG, Urteil v. 01.02.2007 - 1 C 24.06 -, NVwZ 2007, 590). Eine solche Verfolgungsdichte lässt sich für Angehörige der Roma in Serbien nicht feststellen. Nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Republik Serbien, Bericht vom 29.01.2013) gibt es keine Anzeichen für systematische staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Roma, auch wenn in der serbischen Öffentlichkeit Vorbehalte und Vorurteile gegen Minderheitenangehörige nach wie vor weit verbreitet sind. Die serbische Regierung bemüht sich vielmehr, die Lage der Roma durch eine aktive Minderheitenpolitik wie auch entsprechende Strukturen (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Ombudsmann etc.) zu verbessern. Zwar geht die Polizei nicht in allen Fällen mit der gebotenen Konsequenz gegen Übergriffe auf Minderheiten (vor allem Roma) vor. Seit dem 05.10.2000 führen aber Anzeigen von Roma wegen Körperverletzungen in der Praxis zu Gerichtsprozessen. Im Übrigen haben Angehörige von diskriminierten Minderheiten Ausweichmöglichkeiten innerhalb Serbiens, wobei Belgrad als „Auffangbecken“ gilt. 12 % der Einwohner Belgrads gehören Minderheiten an.
19 
Es fehlt ferner an Anhaltspunkten dafür, die - unbestritten immer wieder vorkommenden - verbalen und physischen Übergriffe auf Angehörige der Roma durch Private hätten ein Ausmaß erreicht, dass für jeden Gruppenangehörigen ohne weiteres eine aktuelle Gefährdung eigener Betroffenheit besteht; dies gilt umso mehr, als sich in Serbien nach Schätzungen von Roma-Verbänden 700.000 bis 800.000 Roma aufhalten. Die tatsächliche Zahl dürfte laut OSZE zwischen 300.000 und 500.000 liegen (vgl. Lagebericht des AA vom 29.01.2013). Pro Asyl/Dr. Karin Waringo (Bericht vom April 2013: Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?, S. 18) berichtet etwa bezogen auf das Jahr 2012 von romafeindlichen Übergriffen im Belgrader Vorort Resnik, bei denen Polizisten - also nicht Roma - von Bewohnern des Vororts mit Flaschen und Steinen beworfen wurden (April 2012). Der Leiter des Belgrader Romamuseums berichtete von rassistischen Schmierereien. Am 27.06.2012 berichtete eine Zeitung, dass Roma aus dem Belgrader Stadtteil Krnjaca sich über anhaltende Angriffe von Hooligans beschwerten. Am 30.07.2012 nahm die Polizei in Nis eine Gruppe von Jugendlichen und jungen Männern fest, die drei Tage zuvor eine Gruppe von Roma im Stadtzentrum angegriffen und verletzt hatten. Weitere Vorfälle im Jahr 2012 wurden nicht benannt. Auch wenn nicht alle Übergriffe zur Anzeige gebracht bzw. bekannt werden dürften, so sind jedoch angesichts der großen Zahl von Roma in Serbien keinesfalls die quantitativen und qualitativen Anforderungen an die Annahme einer Gruppenverfolgung erfüllt. Zwar werden die staatlichen Bemühungen zur Prävention bzw. Ermittlung und Strafverfolgung bei (drohenden) Angriffen Dritter gegenüber Roma bisweilen als unzureichend bewertet. Es liegen aber keine Erkenntnisse vor, dass der Staat derartigen Übergriffen Vorschub leistet; allein die Lückenhaftigkeit des Systems staatlicher Schutzgewährung oder eine im Einzelfall von den Betroffenen erfahrene Schutzversagung als solche aber lässt die staatliche Schutzbereitschaft oder -fähigkeit nicht entfallen (VG Frankfurt, Urteil vom 15.12.2011 - 8 K 1947/11.F.A. -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 18.11.2009 - A 7 K 1605/09 -, juris).
20 
Eine andere Beurteilung ist auch im Fall der Kläger nicht geboten. Die Gefahr von Übergriffen seitens der serbisch-radikalen Partei hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht mehr geltend gemacht. Aus dieser Partei war er im Jahr 2000 - ohne Folgen - ausgetreten. Soweit die Kläger Ziff. 1 und 2 vorgetragen haben, sie seien in Serbien schikaniert, insbesondere sei ihnen Ware weggenommen worden, mit der der Kläger Ziff. 1 als Obst- und Gemüsehändler gehandelt habe, machen sie keine hinreichend erheblichen Verfolgungshandlungen geltend. Die abstrakten Voraussetzungen für das Vorliegen einer Verfolgungshandlung ergeben sich aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29.04.2004 (ABl. L 304/12) - Qualifikationsrichtlinie - in der Fassung der Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337/9). Nach Art. 9 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gilt eine Handlung als Verfolgung i.S.d. Art. 1A der Genfer Flüchtlingskonvention, die (a) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend ist, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, oder (b) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, besteht, die so gravierend ist, dass eine Person in ähnlicher wie der unter Buchstabe a beschriebenen Weise betroffen ist. Als Verfolgung können unter anderem gelten die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, sowie gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewendet werden (Art. 9 Abs. 2 a und b der Qualifikationsrichtlinie). Gemessen hieran fehlt den von den Klägern Ziff. 1 und 2 geschilderten polizeilichen Maßnahmen die erforderliche Schwere. Der Kläger Ziff. 1 hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, die Polizeibeamten hätten sich bei ihm einfach bedient und Ware für den eigenen Bedarf genommen. Das Handeltreiben wurde ihm daher nicht grundsätzlich untersagt. Selbst wenn es ihm unmöglich geworden sein sollte, durch das Handeltreiben mit Obst und Gemüse ausreichende Einnahmen zur Bestreitung des Lebensunterhalts der gesamten Familie zu erzielen, so hätte die Möglichkeit bestanden, auf andere Arbeiten auszuweichen. Roma arbeiten in Serbien vorwiegend als ungelernte Arbeiter in Fabriken, als Wertstoffsammler (Glas, Altpapier), Straßenreiniger oder üben ähnliche gering qualifizierte Arbeiten aus (vgl. Lagebericht des AA v. 29.01.2013). Es ist weder ersichtlich noch wurde von den Klägern vorgetragen, dass diese Möglichkeit bei ihnen nicht bestanden haben soll. Der Kläger Ziff. 1 gab in der mündlichen Verhandlung an, er habe an sich bis zum letzten Tag vor der Ausreise Handel getrieben. Zuletzt hätten sie aber kein Geld mehr gehabt. Auf Frage, ob es noch andere Möglichkeiten zur Finanzierung des Lebensunterhalts gegeben habe, gab er an, er habe es auch auf Baustellen versucht. Daraus ergeben sich aber keine Anhaltspunkte dafür, dass es den Klägern trotz nachhaltiger Bemühungen, die zumindest über mehreren Wochen hinweg angedauert haben, nicht gelungen wäre, ein für das Auskommen der Familie ausreichendes Einkommen zu finanzieren.
21 
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für diesen Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Soweit die Kläger auf die Gefahr von Übergriffen abheben, besteht - aus den oben bereits dargelegten Gründen - keine hinreichend konkrete bzw. individuelle Gefährdungssituation.
22 
Der Auffassung der Kläger, es stelle auch eine unmenschliche Behandlung i.S.d. § 60 Abs. 2 AufenthG dar, wie mit der Minderheit der Roma in Serbien, auch im Hinblick auf die Wohnsituation, umgegangen werde, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Mit § 60 Abs. 2 AufenthG wird Art. 15 b der Qualifikationsrichtlinie umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 EMRK orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - Bezug genommen. Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG auch über Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta zu berücksichtigen. Der neueren Rechtsprechung des EGMR ist nicht zu entnehmen, dass sich der Maßstab für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK bei Abschiebung in Staaten mit schwierigen Lebensbedingungen nach denen „für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung“ bestimmt. Der EGMR geht davon aus, dass die Staaten - unbeschadet ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich derer aus der Konvention selbst - das Recht haben, die Einreise fremder Staatsbürger in ihr Hoheitsgebiet zu regeln. Die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann aber dessen Verantwortlichkeit nach der Konvention begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. In einem solchen Fall ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben. Allerdings können Ausländer kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen. So hat der EGMR ein Abschiebungsverbot aus Art. 3 EMRK zu Gunsten eines im fortgeschrittenen, tödlichen und unheilbaren Stadium an Aids Erkrankten angenommen, weil die Abschiebung seinen Tod beschleunigen würde, er keine angemessene Behandlung erreichen könne und kein Beweis für irgendeine mögliche moralische oder soziale Unterstützung im Zielstaat zu erbringen sei. Zusammenfassend führt der Gerichtshof zur Herleitung eines Abschiebungsverbots aus Art. 3 EMRK aufgrund von Krankheiten aus, dass angesichts der grundlegenden Bedeutung von Art. 3 EMRK im System der Konvention zwar eine gewisse Flexibilität notwendig sei, um eine Ausweisung in besonderen Ausnahmefällen zu verhindern. Doch verpflichte Art. 3 EMRK die Staaten nicht, Fortschritte in Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen. Der EGMR stellt klar, dass in Abschiebungsfällen nur zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände ernstliche Gründe für die Annahme nachgewiesen worden sind, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen ist, verletzt die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergibt, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden. Zugleich weist der EGMR daraufhin, dass die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnissen im Bestimmungsland hingegen nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend sind, ob der Betroffene in diesem Gebiet wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK macht nach Auffassung des EGMR aber eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, juris, mit Nachweisen auf die Rechtsprechung des EGMR).
23 
Entsprechende außergewöhnliche Umstände liegen im Hinblick auf die Situation der Roma in Serbien nicht vor. Trotz der nach wie vor schlechten wirtschaftlichen Lage Serbiens ist die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert. Die Rolle internationaler Organisationen bei der Versorgung sozial schwacher Bevölkerungsgruppen, vor allem von alten Leuten, Kindern, Flüchtlingen sowie im Lande Vertriebener hat zwar insgesamt abgenommen, ist aber vor allem im ländlichen Bereich weiterhin wichtig. Nach Angaben der serbischen Regierung lebten 2010 9,2% der Bevölkerung Serbiens (rund 700.000 Personen) unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Nach EU-Standards gebe es 1 Mio. Arme in Serbien, d.h. jeder siebte Bürger. Flüchtlinge, bestimmte Minderheiten (namentlich Roma) und Rückkehrer sind stärker von Armut betroffen als die serbische Durchschnittsbevölkerung. Vielen Bürgern Serbiens gelingt es nur durch Schwarzarbeit, ihre Existenz zu sichern. Insbesondere Roma haben wegen häufig niedrigen beruflichen Qualifikationsniveaus und sozialer Vorurteile nur schwer Zugang zum Arbeitsmarkt und gehen daher zu einem großen Teil Schwarzarbeit nach. Rückkehrer erhalten nach Abschluss der Registrierung bei den Wohnortbehörden und Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bzw. Anmeldung als Arbeitssuchende kostenfreien Zugang zur Gesundheits- und Sozialversorgung. Die Registrierung erfolgt nicht automatisch von Amts wegen, sondern muss von den Betreffenden selbst unter Vorlage der erforderlichen Dokumente beantragt werden. Diese Dokumente werden - soweit nicht ohnehin vorhanden - im Regelfall bereits im Rahmen der Rückführung serbischer Staatsangehöriger von Deutschland nach Serbien beschafft. Anspruch auf Sozialhilfe haben in Serbien Bürger, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben. Das staatliche Gesundheitssystem steht auch Minderheitenangehörigen offen (vgl. Lagebericht d. AA v. 29.01.2013). Nach alledem stellt sich die wirtschaftliche Lage der Roma in Serbien zwar als schwierig dar, ungewöhnlich schlechte humanitäre Bedingungen, die der Abschiebung „zwingend“ entgegenstehen, sind aber nicht feststellbar.
24 
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Danach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 04.11.1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK liegt - wie bereits dargelegt - nicht vor. Soweit sich die Kläger auf Art. 2 des Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. II, S. 1072) berufen, begründet dies ebenfalls kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Nach Art. 2 Satz 1 des Zusatzprotokolls darf niemandem das Recht auf Bildung verwehrt werden. Der Einzelrichter vermag nicht festzustellen, dass den Klägern Ziff. 3 bis 5 Entsprechendes in ihrem Heimatland widerfahren ist. Die Kläger Ziff. 1 und 2 haben in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, ihre Kinder seien zur Schule angemeldet gewesen und hätten diese (zunächst) auch besucht. Allerdings hätten sie den Schulbesuch abgebrochen, weil sie von serbischen Schülern „malträtiert“ bzw. als Zigeuner beschimpft worden seien. Der Einzelrichter ist aber auch nach Anhörung der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass ein Schulbesuch der Kinder durch Übergriffe seitens serbischer Mitschüler unmöglich gemacht wurde oder aber zumindest mit unzumutbaren Belastungen verbunden war. Die Angaben der Kläger zu den angeblichen Malträtierungen sind weitgehend unsubstantiiert und lassen kaum erkennen, was den Kindern im Einzelnen zugefügt worden sein soll. Zudem sind die Angaben widersprüchlich bzw. gesteigert. Die Klägerin Ziff. 2 gab in der mündlichen Verhandlung an, der Sohn ... sei öfters weinend nach Hause gekommen, weil er geschlagen und gemobbt worden sei. Der Kläger Ziff. 1 gab an, er habe bei den Lehrern geklagt, dass seine Kinder von anderen Kindern geschlagen worden seien. Entsprechende Angaben haben die Kläger in der Anhörung beim Bundesamt aber nicht gemacht. Auch der Sohn ... sprach unter anderem beim Bundesamt lediglich davon, er sei laufend von den serbischen Schülern beschimpft worden. Widersprüchlich sind auch die Angaben hinsichtlich der Klägerin Ziff. 3. In der Anhörung beim Bundesamt hatte ihre Mutter, die Klägerin Ziff. 2, noch behauptet, sie hätten die Tochter hätten gar nicht auf die Schule schicken dürfen. Diese sei, auch wenn sie schon 13 Jahre alt sei, noch Analphabetin. Im Widerspruch dazu gaben die Kläger Ziff. 1 und 2 in der mündlichen Verhandlung an, auch die Klägerin Ziff. 3 habe (zunächst) die Schule besucht, diese aber - so der Kläger Ziff. 1 - in der dritten oder vierten Klasse abgebrochen.
25 
Was die allgemeine Situation der Roma angeht, vermag der Einzelrichter jedenfalls nicht festzustellen, dass Roma-Kinder in Serbien (faktisch) vom Schulbesuch ausgeschlossen sind (vgl. auch VG Oldenburg, Urt. v. 10.09.2012 - 5 A 1482/11 -, juris). Das Auswärtige Amt (vgl. Lagebericht v. 29.01.2013) berichtet von Fortschritten hinsichtlich der Behandlung von Minderheiten, z. B. von einer höheren Einschulungsquote von Roma-Kindern, dem Einsatz pädagogischer Assistenten und Roma-Mediatorinnen oder der Anerkennung von Schulbüchern in Minderheitensprachen. Die Bundesregierung (BT-Drs. 17/8984, S. 11) berichtet, im Bereich Bildung seien in Serbien deutliche Fortschritte im Grundschulbereich (Klasse 1 bis 8) erzielt worden: 2005 hätten lediglich 66 % der Roma-Kinder eine Grundschule besucht, 2010 hingegen 89 % (Gesamtserbien 99 %). Die serbische Regierung beschloss - unter aktiver Mitwirkung der Roma-Gemeinschaft - am 09.04.2009 eine nationale Strategie zur Verbesserung des Status der Roma sowie einen zugehörigen Aktionsplan für die Jahre 2009 bis 2011 mit spezifischen Zielen und Maßnahmen auch im Bildungsbereich. 2010 trat ein Gesetz in Kraft, welches unter anderem das Verfahren zur Überweisung an Sonderschulen neu regelt, um so mehr Roma-Kindern den Zugang zu Nicht-Sonderschulen zu ermöglichen. Weiter wurden „Pädagogische Assistenten“ zur Förderung von Roma-Kindern eingesetzt; zu Beginn des Schuljahres 2010/2011 gab es landesweit 177 Assistenten in Grundschulen. Das Bildungsgesetz sieht außerdem vor, dass Kinder aus marginalisierten Familien bei der Vergabe von Kindergartenplätzen bevorzugt werden (vgl. Bell, „Serbien: Verfolgung mangels Grundschulzugangs?“, Einzelentscheiderbrief 3/2012, S. 5 m.w.N.). Selbst wenn der Prozentsatz hinsichtlich der die Grundschule besuchenden Roma-Kinder niedriger sein sollte - Pro Asyl (Bericht v. April 2013, a.a.O.) spricht unter Verweis auf einen Bericht des Menschenrechtskommissars des Europarats von 66 % - so vermag der Einzelrichter ausgehend von der nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Sachlage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht festzustellen, dass der Abschiebung der Kläger Ziff. 3 bis 5 Art. 2 des Zusatzprotokolls zur EMRK entgegen steht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 24.05.2000 - 9 C 34.99 -, BVerwGE 111, 223) ist auch bei Eingriffen in den Kernbereich anderer, spezieller Konventionsgarantien eine Abschiebung nur in krassen Fällen unzulässig, wenn nämlich die drohenden Beeinträchtigungen von ihrer Schwere her dem vergleichbar sind, was nach der bisherigen Rechtsprechung wegen menschenunwürdiger Behandlung zu einem Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK geführt hat. Entsprechendes ist hinsichtlich des geltend gemachten Verstoßes gegen das Recht auf Bildung nicht festzustellen, da die Bildungssituation der Roma-Kinder zwar zweifellos schwierig ist, aber von einem faktischen Bildungsausschluss nicht gesprochen werden kann. Im Übrigen muss berücksichtigt werden, dass es auch kulturelle Normen sind, die viele Roma-Kinder (u. a. Mädchen) trotz Schulpflicht und Kostenfreiheit für die Grundschule vom Schulbesuch abhalten (vgl. Bell a. a. O.).
26 
Der Abschiebung steht auch nicht Art. 14 EMRK entgegen. Danach ist der Genuss der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, sozialen Herkunft, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten. Auch insoweit vermag der Einzelrichter keine Beeinträchtigung von einer Schwere festzustellen, die mit dem vergleichbar sind, was nach der bisherigen Rechtsprechung wegen menschenunwürdiger Behandlung zu einem Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK führen würde.
27 
Auch die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG ist nicht gerechtfertigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, BVerwGE 140, 319) kann die gesetzlich angeordnete Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei allgemeinen Gefahren nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die die Kläger in Serbien erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage und Wohnsituation, können sie Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn sie bei einer Rückkehr auf Grund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wären. Dies ist indessen - aus den bereits dargelegten Gründen - nicht der Fall.
28 
Auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden. Sie entsprechen den Maßgaben der §§ 34, 38 AsylVfG.
29 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO. Das Verfahren ist nach § 83b Abs. 1 AsylVfG gerichtskostenfrei.

Gründe

 
14 
Der Einzelrichter konnte verhandeln und entscheiden, obwohl nicht sämtliche Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen sind. Denn auf diese Möglichkeit ist in den ordnungsgemäß bewirkten Ladungen hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
15 
Die zulässigen Klagen sind nicht begründet. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 07.04.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger können weder ihre Anerkennung als Asylberechtigte noch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG beanspruchen; auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG liegen nicht vor; Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
16 
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte oder auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG setzt voraus, dass der Asylbewerber die auf Tatsachen gegründete Furcht hegt, in dem Land, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielten Rechtsverletzungen ausgesetzt zu sein, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden staatlichen Einheit ausgrenzen. Eine Verfolgung kann gem. § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgehen vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen (staatsähnliche Akteure), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern staatliche oder staatsähnliche Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der landesweit drohenden Verfolgung zu bieten. Dies gilt unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
17 
Auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu der Gruppe der Roma oder aus sonstigen individuellen Gründen haben die Kläger Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von Art. 16 a GG oder § 60 Abs. 1 AufenthG bei einer Rückkehr nach Serbien nicht zu befürchten. Im Einklang mit der einhelligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. nur Sächs. OVG, Urteil vom 17.05.2011 - A 4 A 510/10 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 14.12.2009 - 5 A 2716/09.A -, juris; VG Saarlouis, Beschluss vom 21.11.2011 - 10 L 1777/01 -, juris; VG Oldenburg, Urteil vom 28.07.2010 - 11 A 2779/09 -, juris; VG München, Urteil vom 02.06.2010 - M 17 K 09.50481 -, juris; jew. m.w.N.; VG Freiburg, Urt. v. 04.07.2012 - A 4 K 251/12 -) geht die Kammer davon aus, dass Angehörige der Volksgruppe der Roma in Serbien keiner Gruppenverfolgung im Sinne des Art. 16 a GG und § 60 Abs. 1 AufenthG durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind.
18 
Gruppenverfolgung setzt - unabhängig davon, ob sie durch staatliche oder nicht staatliche Akteure erfolgt - voraus, dass jedes im Verfolgungsgebiet lebende Gruppenmitglied wegen der Gruppenzugehörigkeit von Verfolgung betroffen ist. Es müssen Verfolgungshandlungen gegen die Gruppe vorliegen, die so intensiv und zahlreich sind, dass jedes Mitglied der Gruppe die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit ableiten kann (vgl. dazu BVerwG, Urteil v. 01.02.2007 - 1 C 24.06 -, NVwZ 2007, 590). Eine solche Verfolgungsdichte lässt sich für Angehörige der Roma in Serbien nicht feststellen. Nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Republik Serbien, Bericht vom 29.01.2013) gibt es keine Anzeichen für systematische staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Roma, auch wenn in der serbischen Öffentlichkeit Vorbehalte und Vorurteile gegen Minderheitenangehörige nach wie vor weit verbreitet sind. Die serbische Regierung bemüht sich vielmehr, die Lage der Roma durch eine aktive Minderheitenpolitik wie auch entsprechende Strukturen (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Ombudsmann etc.) zu verbessern. Zwar geht die Polizei nicht in allen Fällen mit der gebotenen Konsequenz gegen Übergriffe auf Minderheiten (vor allem Roma) vor. Seit dem 05.10.2000 führen aber Anzeigen von Roma wegen Körperverletzungen in der Praxis zu Gerichtsprozessen. Im Übrigen haben Angehörige von diskriminierten Minderheiten Ausweichmöglichkeiten innerhalb Serbiens, wobei Belgrad als „Auffangbecken“ gilt. 12 % der Einwohner Belgrads gehören Minderheiten an.
19 
Es fehlt ferner an Anhaltspunkten dafür, die - unbestritten immer wieder vorkommenden - verbalen und physischen Übergriffe auf Angehörige der Roma durch Private hätten ein Ausmaß erreicht, dass für jeden Gruppenangehörigen ohne weiteres eine aktuelle Gefährdung eigener Betroffenheit besteht; dies gilt umso mehr, als sich in Serbien nach Schätzungen von Roma-Verbänden 700.000 bis 800.000 Roma aufhalten. Die tatsächliche Zahl dürfte laut OSZE zwischen 300.000 und 500.000 liegen (vgl. Lagebericht des AA vom 29.01.2013). Pro Asyl/Dr. Karin Waringo (Bericht vom April 2013: Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?, S. 18) berichtet etwa bezogen auf das Jahr 2012 von romafeindlichen Übergriffen im Belgrader Vorort Resnik, bei denen Polizisten - also nicht Roma - von Bewohnern des Vororts mit Flaschen und Steinen beworfen wurden (April 2012). Der Leiter des Belgrader Romamuseums berichtete von rassistischen Schmierereien. Am 27.06.2012 berichtete eine Zeitung, dass Roma aus dem Belgrader Stadtteil Krnjaca sich über anhaltende Angriffe von Hooligans beschwerten. Am 30.07.2012 nahm die Polizei in Nis eine Gruppe von Jugendlichen und jungen Männern fest, die drei Tage zuvor eine Gruppe von Roma im Stadtzentrum angegriffen und verletzt hatten. Weitere Vorfälle im Jahr 2012 wurden nicht benannt. Auch wenn nicht alle Übergriffe zur Anzeige gebracht bzw. bekannt werden dürften, so sind jedoch angesichts der großen Zahl von Roma in Serbien keinesfalls die quantitativen und qualitativen Anforderungen an die Annahme einer Gruppenverfolgung erfüllt. Zwar werden die staatlichen Bemühungen zur Prävention bzw. Ermittlung und Strafverfolgung bei (drohenden) Angriffen Dritter gegenüber Roma bisweilen als unzureichend bewertet. Es liegen aber keine Erkenntnisse vor, dass der Staat derartigen Übergriffen Vorschub leistet; allein die Lückenhaftigkeit des Systems staatlicher Schutzgewährung oder eine im Einzelfall von den Betroffenen erfahrene Schutzversagung als solche aber lässt die staatliche Schutzbereitschaft oder -fähigkeit nicht entfallen (VG Frankfurt, Urteil vom 15.12.2011 - 8 K 1947/11.F.A. -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 18.11.2009 - A 7 K 1605/09 -, juris).
20 
Eine andere Beurteilung ist auch im Fall der Kläger nicht geboten. Die Gefahr von Übergriffen seitens der serbisch-radikalen Partei hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht mehr geltend gemacht. Aus dieser Partei war er im Jahr 2000 - ohne Folgen - ausgetreten. Soweit die Kläger Ziff. 1 und 2 vorgetragen haben, sie seien in Serbien schikaniert, insbesondere sei ihnen Ware weggenommen worden, mit der der Kläger Ziff. 1 als Obst- und Gemüsehändler gehandelt habe, machen sie keine hinreichend erheblichen Verfolgungshandlungen geltend. Die abstrakten Voraussetzungen für das Vorliegen einer Verfolgungshandlung ergeben sich aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29.04.2004 (ABl. L 304/12) - Qualifikationsrichtlinie - in der Fassung der Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337/9). Nach Art. 9 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gilt eine Handlung als Verfolgung i.S.d. Art. 1A der Genfer Flüchtlingskonvention, die (a) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend ist, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, oder (b) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, besteht, die so gravierend ist, dass eine Person in ähnlicher wie der unter Buchstabe a beschriebenen Weise betroffen ist. Als Verfolgung können unter anderem gelten die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, sowie gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewendet werden (Art. 9 Abs. 2 a und b der Qualifikationsrichtlinie). Gemessen hieran fehlt den von den Klägern Ziff. 1 und 2 geschilderten polizeilichen Maßnahmen die erforderliche Schwere. Der Kläger Ziff. 1 hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, die Polizeibeamten hätten sich bei ihm einfach bedient und Ware für den eigenen Bedarf genommen. Das Handeltreiben wurde ihm daher nicht grundsätzlich untersagt. Selbst wenn es ihm unmöglich geworden sein sollte, durch das Handeltreiben mit Obst und Gemüse ausreichende Einnahmen zur Bestreitung des Lebensunterhalts der gesamten Familie zu erzielen, so hätte die Möglichkeit bestanden, auf andere Arbeiten auszuweichen. Roma arbeiten in Serbien vorwiegend als ungelernte Arbeiter in Fabriken, als Wertstoffsammler (Glas, Altpapier), Straßenreiniger oder üben ähnliche gering qualifizierte Arbeiten aus (vgl. Lagebericht des AA v. 29.01.2013). Es ist weder ersichtlich noch wurde von den Klägern vorgetragen, dass diese Möglichkeit bei ihnen nicht bestanden haben soll. Der Kläger Ziff. 1 gab in der mündlichen Verhandlung an, er habe an sich bis zum letzten Tag vor der Ausreise Handel getrieben. Zuletzt hätten sie aber kein Geld mehr gehabt. Auf Frage, ob es noch andere Möglichkeiten zur Finanzierung des Lebensunterhalts gegeben habe, gab er an, er habe es auch auf Baustellen versucht. Daraus ergeben sich aber keine Anhaltspunkte dafür, dass es den Klägern trotz nachhaltiger Bemühungen, die zumindest über mehreren Wochen hinweg angedauert haben, nicht gelungen wäre, ein für das Auskommen der Familie ausreichendes Einkommen zu finanzieren.
21 
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für diesen Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Soweit die Kläger auf die Gefahr von Übergriffen abheben, besteht - aus den oben bereits dargelegten Gründen - keine hinreichend konkrete bzw. individuelle Gefährdungssituation.
22 
Der Auffassung der Kläger, es stelle auch eine unmenschliche Behandlung i.S.d. § 60 Abs. 2 AufenthG dar, wie mit der Minderheit der Roma in Serbien, auch im Hinblick auf die Wohnsituation, umgegangen werde, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Mit § 60 Abs. 2 AufenthG wird Art. 15 b der Qualifikationsrichtlinie umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 EMRK orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - Bezug genommen. Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG auch über Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta zu berücksichtigen. Der neueren Rechtsprechung des EGMR ist nicht zu entnehmen, dass sich der Maßstab für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK bei Abschiebung in Staaten mit schwierigen Lebensbedingungen nach denen „für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung“ bestimmt. Der EGMR geht davon aus, dass die Staaten - unbeschadet ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich derer aus der Konvention selbst - das Recht haben, die Einreise fremder Staatsbürger in ihr Hoheitsgebiet zu regeln. Die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann aber dessen Verantwortlichkeit nach der Konvention begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. In einem solchen Fall ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben. Allerdings können Ausländer kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen. So hat der EGMR ein Abschiebungsverbot aus Art. 3 EMRK zu Gunsten eines im fortgeschrittenen, tödlichen und unheilbaren Stadium an Aids Erkrankten angenommen, weil die Abschiebung seinen Tod beschleunigen würde, er keine angemessene Behandlung erreichen könne und kein Beweis für irgendeine mögliche moralische oder soziale Unterstützung im Zielstaat zu erbringen sei. Zusammenfassend führt der Gerichtshof zur Herleitung eines Abschiebungsverbots aus Art. 3 EMRK aufgrund von Krankheiten aus, dass angesichts der grundlegenden Bedeutung von Art. 3 EMRK im System der Konvention zwar eine gewisse Flexibilität notwendig sei, um eine Ausweisung in besonderen Ausnahmefällen zu verhindern. Doch verpflichte Art. 3 EMRK die Staaten nicht, Fortschritte in Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen. Der EGMR stellt klar, dass in Abschiebungsfällen nur zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände ernstliche Gründe für die Annahme nachgewiesen worden sind, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen ist, verletzt die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergibt, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden. Zugleich weist der EGMR daraufhin, dass die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnissen im Bestimmungsland hingegen nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend sind, ob der Betroffene in diesem Gebiet wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK macht nach Auffassung des EGMR aber eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, juris, mit Nachweisen auf die Rechtsprechung des EGMR).
23 
Entsprechende außergewöhnliche Umstände liegen im Hinblick auf die Situation der Roma in Serbien nicht vor. Trotz der nach wie vor schlechten wirtschaftlichen Lage Serbiens ist die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert. Die Rolle internationaler Organisationen bei der Versorgung sozial schwacher Bevölkerungsgruppen, vor allem von alten Leuten, Kindern, Flüchtlingen sowie im Lande Vertriebener hat zwar insgesamt abgenommen, ist aber vor allem im ländlichen Bereich weiterhin wichtig. Nach Angaben der serbischen Regierung lebten 2010 9,2% der Bevölkerung Serbiens (rund 700.000 Personen) unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Nach EU-Standards gebe es 1 Mio. Arme in Serbien, d.h. jeder siebte Bürger. Flüchtlinge, bestimmte Minderheiten (namentlich Roma) und Rückkehrer sind stärker von Armut betroffen als die serbische Durchschnittsbevölkerung. Vielen Bürgern Serbiens gelingt es nur durch Schwarzarbeit, ihre Existenz zu sichern. Insbesondere Roma haben wegen häufig niedrigen beruflichen Qualifikationsniveaus und sozialer Vorurteile nur schwer Zugang zum Arbeitsmarkt und gehen daher zu einem großen Teil Schwarzarbeit nach. Rückkehrer erhalten nach Abschluss der Registrierung bei den Wohnortbehörden und Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bzw. Anmeldung als Arbeitssuchende kostenfreien Zugang zur Gesundheits- und Sozialversorgung. Die Registrierung erfolgt nicht automatisch von Amts wegen, sondern muss von den Betreffenden selbst unter Vorlage der erforderlichen Dokumente beantragt werden. Diese Dokumente werden - soweit nicht ohnehin vorhanden - im Regelfall bereits im Rahmen der Rückführung serbischer Staatsangehöriger von Deutschland nach Serbien beschafft. Anspruch auf Sozialhilfe haben in Serbien Bürger, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben. Das staatliche Gesundheitssystem steht auch Minderheitenangehörigen offen (vgl. Lagebericht d. AA v. 29.01.2013). Nach alledem stellt sich die wirtschaftliche Lage der Roma in Serbien zwar als schwierig dar, ungewöhnlich schlechte humanitäre Bedingungen, die der Abschiebung „zwingend“ entgegenstehen, sind aber nicht feststellbar.
24 
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Danach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 04.11.1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK liegt - wie bereits dargelegt - nicht vor. Soweit sich die Kläger auf Art. 2 des Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. II, S. 1072) berufen, begründet dies ebenfalls kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Nach Art. 2 Satz 1 des Zusatzprotokolls darf niemandem das Recht auf Bildung verwehrt werden. Der Einzelrichter vermag nicht festzustellen, dass den Klägern Ziff. 3 bis 5 Entsprechendes in ihrem Heimatland widerfahren ist. Die Kläger Ziff. 1 und 2 haben in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, ihre Kinder seien zur Schule angemeldet gewesen und hätten diese (zunächst) auch besucht. Allerdings hätten sie den Schulbesuch abgebrochen, weil sie von serbischen Schülern „malträtiert“ bzw. als Zigeuner beschimpft worden seien. Der Einzelrichter ist aber auch nach Anhörung der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass ein Schulbesuch der Kinder durch Übergriffe seitens serbischer Mitschüler unmöglich gemacht wurde oder aber zumindest mit unzumutbaren Belastungen verbunden war. Die Angaben der Kläger zu den angeblichen Malträtierungen sind weitgehend unsubstantiiert und lassen kaum erkennen, was den Kindern im Einzelnen zugefügt worden sein soll. Zudem sind die Angaben widersprüchlich bzw. gesteigert. Die Klägerin Ziff. 2 gab in der mündlichen Verhandlung an, der Sohn ... sei öfters weinend nach Hause gekommen, weil er geschlagen und gemobbt worden sei. Der Kläger Ziff. 1 gab an, er habe bei den Lehrern geklagt, dass seine Kinder von anderen Kindern geschlagen worden seien. Entsprechende Angaben haben die Kläger in der Anhörung beim Bundesamt aber nicht gemacht. Auch der Sohn ... sprach unter anderem beim Bundesamt lediglich davon, er sei laufend von den serbischen Schülern beschimpft worden. Widersprüchlich sind auch die Angaben hinsichtlich der Klägerin Ziff. 3. In der Anhörung beim Bundesamt hatte ihre Mutter, die Klägerin Ziff. 2, noch behauptet, sie hätten die Tochter hätten gar nicht auf die Schule schicken dürfen. Diese sei, auch wenn sie schon 13 Jahre alt sei, noch Analphabetin. Im Widerspruch dazu gaben die Kläger Ziff. 1 und 2 in der mündlichen Verhandlung an, auch die Klägerin Ziff. 3 habe (zunächst) die Schule besucht, diese aber - so der Kläger Ziff. 1 - in der dritten oder vierten Klasse abgebrochen.
25 
Was die allgemeine Situation der Roma angeht, vermag der Einzelrichter jedenfalls nicht festzustellen, dass Roma-Kinder in Serbien (faktisch) vom Schulbesuch ausgeschlossen sind (vgl. auch VG Oldenburg, Urt. v. 10.09.2012 - 5 A 1482/11 -, juris). Das Auswärtige Amt (vgl. Lagebericht v. 29.01.2013) berichtet von Fortschritten hinsichtlich der Behandlung von Minderheiten, z. B. von einer höheren Einschulungsquote von Roma-Kindern, dem Einsatz pädagogischer Assistenten und Roma-Mediatorinnen oder der Anerkennung von Schulbüchern in Minderheitensprachen. Die Bundesregierung (BT-Drs. 17/8984, S. 11) berichtet, im Bereich Bildung seien in Serbien deutliche Fortschritte im Grundschulbereich (Klasse 1 bis 8) erzielt worden: 2005 hätten lediglich 66 % der Roma-Kinder eine Grundschule besucht, 2010 hingegen 89 % (Gesamtserbien 99 %). Die serbische Regierung beschloss - unter aktiver Mitwirkung der Roma-Gemeinschaft - am 09.04.2009 eine nationale Strategie zur Verbesserung des Status der Roma sowie einen zugehörigen Aktionsplan für die Jahre 2009 bis 2011 mit spezifischen Zielen und Maßnahmen auch im Bildungsbereich. 2010 trat ein Gesetz in Kraft, welches unter anderem das Verfahren zur Überweisung an Sonderschulen neu regelt, um so mehr Roma-Kindern den Zugang zu Nicht-Sonderschulen zu ermöglichen. Weiter wurden „Pädagogische Assistenten“ zur Förderung von Roma-Kindern eingesetzt; zu Beginn des Schuljahres 2010/2011 gab es landesweit 177 Assistenten in Grundschulen. Das Bildungsgesetz sieht außerdem vor, dass Kinder aus marginalisierten Familien bei der Vergabe von Kindergartenplätzen bevorzugt werden (vgl. Bell, „Serbien: Verfolgung mangels Grundschulzugangs?“, Einzelentscheiderbrief 3/2012, S. 5 m.w.N.). Selbst wenn der Prozentsatz hinsichtlich der die Grundschule besuchenden Roma-Kinder niedriger sein sollte - Pro Asyl (Bericht v. April 2013, a.a.O.) spricht unter Verweis auf einen Bericht des Menschenrechtskommissars des Europarats von 66 % - so vermag der Einzelrichter ausgehend von der nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Sachlage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht festzustellen, dass der Abschiebung der Kläger Ziff. 3 bis 5 Art. 2 des Zusatzprotokolls zur EMRK entgegen steht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 24.05.2000 - 9 C 34.99 -, BVerwGE 111, 223) ist auch bei Eingriffen in den Kernbereich anderer, spezieller Konventionsgarantien eine Abschiebung nur in krassen Fällen unzulässig, wenn nämlich die drohenden Beeinträchtigungen von ihrer Schwere her dem vergleichbar sind, was nach der bisherigen Rechtsprechung wegen menschenunwürdiger Behandlung zu einem Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK geführt hat. Entsprechendes ist hinsichtlich des geltend gemachten Verstoßes gegen das Recht auf Bildung nicht festzustellen, da die Bildungssituation der Roma-Kinder zwar zweifellos schwierig ist, aber von einem faktischen Bildungsausschluss nicht gesprochen werden kann. Im Übrigen muss berücksichtigt werden, dass es auch kulturelle Normen sind, die viele Roma-Kinder (u. a. Mädchen) trotz Schulpflicht und Kostenfreiheit für die Grundschule vom Schulbesuch abhalten (vgl. Bell a. a. O.).
26 
Der Abschiebung steht auch nicht Art. 14 EMRK entgegen. Danach ist der Genuss der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, sozialen Herkunft, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten. Auch insoweit vermag der Einzelrichter keine Beeinträchtigung von einer Schwere festzustellen, die mit dem vergleichbar sind, was nach der bisherigen Rechtsprechung wegen menschenunwürdiger Behandlung zu einem Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK führen würde.
27 
Auch die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG ist nicht gerechtfertigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, BVerwGE 140, 319) kann die gesetzlich angeordnete Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei allgemeinen Gefahren nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die die Kläger in Serbien erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage und Wohnsituation, können sie Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn sie bei einer Rückkehr auf Grund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wären. Dies ist indessen - aus den bereits dargelegten Gründen - nicht der Fall.
28 
Auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden. Sie entsprechen den Maßgaben der §§ 34, 38 AsylVfG.
29 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO. Das Verfahren ist nach § 83b Abs. 1 AsylVfG gerichtskostenfrei.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren.

2

Der 1986 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er stammt aus der Provinz Helmand (Afghanistan), ist schiitischen Glaubens und gehört dem Volk der Hazara an. Im Februar 2009 reiste er nach Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte seinen Asylantrag mit Bescheid vom 17. März 2010 ab. Zugleich stellte es fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan an.

3

Nach Rücknahme der Klage auf Asylanerkennung hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich Afghanistans verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 27. April 2012 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dem Kläger stehe weder unionsrechtlicher noch nationaler Abschiebungsschutz zu. Hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung drohe. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG sei nicht erkennbar. Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Da in Afghanistan kein landesweiter bewaffneter Konflikt herrsche, komme eine individuelle Bedrohung nur in Betracht, wenn sich der Konflikt auf den tatsächlichen Zielort bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat erstrecke. Dies sei die Herkunftsregion des Ausländers, in der er zuletzt gelebt habe bzw. in die er typischerweise zurückkehren könne und voraussichtlich auch werde. Der Kläger habe glaubhaft vorgetragen, dass er in seiner Heimatregion Helmand keine aufnahmebereiten Bekannten oder Verwandten und keine Existenzgrundlage mehr habe. Zudem habe er Angst vor einer dort lebenden Privatperson, außerdem befürchte er Diskriminierungen, denen seine Volksgruppe in Helmand in besonderem Maße ausgesetzt sei. Wolle bzw. werde der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren, sei auf das derzeit einzig mögliche Abschiebungsziel Kabul abzustellen. Dort herrsche kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt mehr. Die Sicherheitslage werde in Kabul, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, relativ einheitlich als stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch etwa vor zwei Jahren bewertet.

4

Dem Kläger stehe hinsichtlich Afghanistans auch nicht der hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz zur Seite. Es sei nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte. Einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der allgemein schlechten Lebensverhältnisse in Afghanistan stehe § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG entgegen. Eine extreme Gefahrenlage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ausnahmsweise nicht greife, liege für Kabul nicht (mehr) vor. Vielmehr sei eine gewisse Verbesserung der allgemeinen Versorgungslage in Kabul zu erkennen, die nach den strengen Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen einer wertenden Gesamtschau der Annahme einer alsbald nach der Abschiebung eintretenden Extremgefahr für gesunde ledige afghanische Männer auch ohne Vermögen oder Anbindung an lokale Familien- bzw. Stammesstrukturen entgegenstehe. Der Senat sehe keine hinreichenden Anhaltspunkte mehr dafür, dass bei dieser Personengruppe im Falle der Abschiebung alsbald der Tod oder schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten wären. Es sei vielmehr zu erwarten, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Zwar dürfte aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen in der Tat eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten kaum zumutbar sein. Diese Zumutbarkeit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Im Falle des Klägers seien auch keine hinreichenden individuellen Faktoren gegeben, die ausnahmsweise eine extreme Gefahrenlage begründen könnten.

5

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 60 Abs. 2, 5 sowie 7 Satz 1 und 2 AufenthG. Außerdem macht er Verfahrensfehler geltend und regt zur weiteren Klärung des Gehalts der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 und 7 Satz 2 AufenthG eine Vorlage an den EuGH an.

6

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil verletzt hinsichtlich des vom Kläger mit seinem Hauptantrag verfolgten Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes Bundesrecht. Das Berufungsgericht hat bei der im Rahmen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gebotenen Prüfung, ob am tatsächlichen Zielort des Klägers bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein bewaffneter Konflikt besteht, nicht auf die Herkunftsregion des Klägers, sondern auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil nicht selbst abschließend über die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

9

1. Gegenstand des Verfahrens ist neben dem unionsrechtlichen Abschiebungsschutz weiterhin auch der vom Kläger hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht die Zulassung der Revision allein mit der grundsätzlichen Bedeutung einer auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz zugeschnittenen Frage begründet hat. Die Urteilsformel enthält keine Beschränkung der Zulassung auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz. Der Umfang der Zulassung ist daher unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsmittelklarheit durch Auslegung zu ermitteln. Danach ist hier von einer uneingeschränkten Zulassung auszugehen. Die vom Kläger im Berufungsverfahren gestellten (Haupt- und Hilfs-)Anträge betreffen zwar unterschiedliche Streitgegenstände. Diese sind aber eng miteinander verflochten, insbesondere stellt sich die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage des maßgeblichen Anknüpfungsortes nicht nur beim unionsrechtlichen, sondern auch beim nationalen Abschiebungsschutz. Für eine uneingeschränkte Zulassung der Revision spricht im Übrigen auch die dem Berufungsurteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung, die sich lediglich auf das Rechtsmittel der Revision bezieht.

10

2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens auf Gewährung von Abschiebungsschutz ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 10). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte. Maßgeblich ist daher für das Revisionsverfahren das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 86). Unionsrechtlich finden sowohl die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikations-Richtlinie - vom 29. April 2004 (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) Anwendung als auch die - während des Berufungsverfahrens in Kraft getretene - Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 337 vom 20. Dezember 2011 S. 9). Für die in der Neufassung inhaltlich geänderten Bestimmungen wurde den Mitgliedstaaten eine Umsetzungsfrist bis zum 21. Dezember 2013 eingeräumt (Art. 39 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU) und es bleibt bis zum Ablauf dieser Frist bei der Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG (vgl. Art. 41 Abs. 2 i.V.m. Art. 40 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU). Hinsichtlich der unverändert übernommenen Bestimmungen gilt die Neufassung hingegen schon jetzt (vgl. Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU).

11

3. Das Berufungsurteil verletzt in Bezug auf den vom Kläger primär begehrten unionsrechtlichen Abschiebungsschutz Bundesrecht. Die diesbezüglichen Vorgaben des Art. 15 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG) sind in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG - in überschießender Umsetzung - als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet und bilden einen eigenständigen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 11 und vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13 und 16).

12

3.1 Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung abgelehnt, die revisionsrechtlicher Prüfung nicht standhält. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.

13

Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses - die Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU) umsetzenden - Abschiebungsverbots können auch dann erfüllt sein, wenn sich der bewaffnete Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 25). In diesem Fall ist Bezugspunkt für die Gefahrenprognose der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr. Das ist in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - NVwZ 2009, 705 Rn. 40).

14

Das Berufungsgericht hat dies zutreffend zu Grunde gelegt. Es hat aber nicht geprüft, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht, sondern stattdessen auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt, weil der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 14. November 2012 (BVerwG 10 B 22.12 - juris Rn. 7) als geklärt gesehen hat, kommt es für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, aber weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Ein Abweichen von der Regel kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen ihm § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewähren soll. Dies ergibt sich schon aus dem systematischen Zusammenhang der unionsrechtlichen Abschiebungsverbote mit den Bestimmungen über den internen Schutz (Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG; künftig: Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU). Kommt die Herkunftsregion als Zielort wegen der dem Ausländer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf eine andere Region des Landes verwiesen werden. Der Begriff des "tatsächlichen Zielortes der Rückkehr" ist daher kein rein empirischer Begriff, bei dem auf die tatsächlich wahrscheinlichste oder subjektiv gewollte Rückkehrregion abzustellen ist. Da es bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG um den Schutz vor den Gefahren eines - nicht notwendig landesweiten - bewaffneten Konflikts im Heimatstaat geht, kommt bei der Bestimmung des Ortes der (voraussichtlichen) tatsächlichen Rückkehr der Herkunft als Ordnungs- und Zuschreibungsmerkmal eine besondere Bedeutung zu. Ein Abweichen von der Herkunftsregion kann daher auch nicht damit begründet werden, dass der Ausländer infolge eines bewaffneten Konflikts den personalen Bezug zu seiner Herkunftsregion verloren hat, etwa weil Familienangehörige getötet worden sind oder diese Gebiete ebenfalls verlassen haben. Auch soweit die nachlassende subjektive Bindung zur Herkunftsregion durch Umstände begründet worden ist, die mittelbare Folgen des bewaffneten Konflikts sind (z.B. Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, nachhaltige Verschlechterung der Versorgungslage), und es mangels Existenzgrundlage und Zukunftsperspektive eine nachvollziehbare Haltung ist, nicht in die Herkunftsregion zurückkehren zu wollen, behält diese für die schutzrechtliche Betrachtung grundsätzlich ihre Relevanz. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG aus.

15

Diese Ausdeutung des vom Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH - (Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 40) verwandten Begriffs des tatsächlichen Zielorts der Rückkehr kann vorgenommen werden, ohne diesem die Rechtssache zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der EuGH hat den Begriff in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 zwar nicht abschließend definiert. Die hier entfaltete Auslegung trägt aber dem Zweck der Vorschriften über den internen Schutz Rechnung und folgt damit der Vorgabe des EuGH, die Auslegung nationalen Rechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Art. 249 Abs. 3 EG (inzwischen: Art. 288 AEUV) nachzukommen (EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 42).

16

Das Berufungsurteil verstößt nach den vorstehenden Grundsätzen gegen Bundesrecht, weil es für das Bestehen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht die Verhältnisse in der Herkunftsregion des Klägers in den Blick genommen, sondern auf die Lage in Kabul als dem voraussichtlichen Zielort einer Abschiebung abgestellt hat. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist aber nicht zu entnehmen, dass der Kläger sich vor seiner Ausreise dauerhaft in einer anderen Region als Helmand niedergelassen hat. Er ist zwar zunächst mit seiner Lebensgefährtin nach Kabul (und später in den Iran zu seiner Schwester) gegangen. Dies geschah nach seinen Angaben aber allein aus Angst vor dem Vater seiner Lebensgefährtin; zur Dauer und den näheren Umständen des Aufenthalts in Kabul enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen. Die vom Berufungsgericht angeführten Erwägungen, warum der Kläger nicht nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde, lassen die Relevanz der Heimatregion für die Gefahrenprognose bei einem bewaffneten Konflikt nicht entfallen.

17

3.2 Das Berufungsurteil beruht auf diesem Fehler. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen zur Lage in der Provinz Helmand getroffen. Ob in dieser Region ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht und dem Kläger dort die in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG definierte Gefahr droht, kann daher revisionsgerichtlich weder festgestellt noch ausgeschlossen werden.

18

3.3 Die Entscheidung erweist sich hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) oder unrichtig, so dass der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden kann.

19

a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG scheidet nicht schon deshalb aus, weil der Kläger - einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in seiner Herkunftsregion unterstellt - in Kabul internen Schutz finden könnte. Dies würde nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG voraussetzen, dass für den Kläger in Kabul nicht nur keine Gefahr besteht, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, sondern von ihm auch vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält.

20

Auch hierzu fehlen hinreichende tatrichterliche Feststellungen. Das Berufungsgericht hat in Bezug auf Kabul zwar festgestellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG nicht vorliegen, weil dort keine extreme Gefahrenlage herrsche und zu erwarten sei, dass Rückkehrer durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Nach Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG muss beim internen Schutz die Existenzgrundlage aber so weit gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus; weiterhin offenbleiben kann, welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards erfüllt sein müssen (vgl. Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 Rn. 35).

21

b) Umgekehrt kann auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsurteil hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus anderen Gründen unrichtig ist. Das Berufungsgericht hat vor allem im Ergebnis zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG verneint. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich - entgegen der Auffassung der Revision - insbesondere nicht aus den allgemeinen humanitären Verhältnissen in Afghanistan.

22

Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem Abschiebungsverbot wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU) umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685) - EMRK - orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM <2001> 510 endgültig S. 6, 30). Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG auch über Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83, 389) - GR-Charta - zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn das ernsthafte Risiko der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Dies gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta auch für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch die Regelung in Art. 19 Abs. 2 GR-Charta die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 15 und 17).

23

Entgegen der Auffassung der Revision ist der neueren Rechtsprechung des EGMR nicht zu entnehmen, dass sich der Maßstab für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bei Abschiebungen in Staaten mit schwierigen Lebensbedingungen nach den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung" bestimmt. Entsprechendes ergibt sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/06 - NVwZ 2011, 413). Bereits in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (BVerwG 10 B 16.12 - juris Rn. 8 f.) hat der Senat dargelegt, dass der EGMR davon ausgeht, dass die Staaten - unbeschadet ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich derer aus der Konvention selbst - das Recht haben, die Einreise fremder Staatsbürger in ihr Hoheitsgebiet zu regeln (EGMR, Urteile vom 28. Mai 1985 - Nr. 15/1983/71/107-109, Abdulaziz u. a./Vereinigtes Königreich - NJW 1986, 3007 Rn. 67; vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner/Niederlande - NVwZ 2007, 1279 Rn. 54 und vom 28. Juni 2012 - Nr. 14499/09, A.A. u.a. - Rn. 71). Die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann aber dessen Verantwortlichkeit nach der Konvention begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. In einem solchen Fall ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben (stRspr, EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering/Vereinigtes Königreich - NJW 1990, 2183 Rn. 90 f. und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125). Allerdings können Ausländer kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 - Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42). So hat der EGMR ein Abschiebungsverbot aus Art. 3 EMRK zugunsten eines im fortgeschrittenen, tödlichen und unheilbaren Stadiums an Aids Erkrankten angenommen, weil die Abschiebung seinen Tod beschleunigen würde, er keine angemessene Behandlung erreichen könne und kein Beweis für irgendeine mögliche moralische oder soziale Unterstützung im Zielstaat zu erbringen sei (EGMR, Urteil vom 2. Mai 1997 - Nr. 146/1996/767/964, D./Vereinigtes Königreich - NVwZ 1998, 161 Rn. 52 f.). Zusammenfassend führt der Gerichtshof zur Herleitung eines Abschiebungsverbots aus Art. 3 EMRK aufgrund von Krankheiten aus, dass angesichts der grundlegenden Bedeutung von Art. 3 EMRK im System der Konvention zwar eine gewisse Flexibilität notwendig sei, um eine Ausweisung (expulsion) in besonderen Ausnahmefällen zu verhindern. Doch verpflichte Art. 3 EMRK die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 a.a.O. Rn. 44).

24

Wie der Senat in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (a.a.O. Rn. 9) ausgeführt hat, ist diese gefestigte Rechtsprechung durch das Urteil der Großen Kammer vom 21. Januar 2011 (a.a.O.) im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland nicht grundsätzlich revidiert worden. Dieses Urteil verhält sich - entgegen der Auffassung der Revision - erkennbar nicht zu den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung". Zwar hat der EGMR eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch das Königreich Belgien als abschiebenden Staat angenommen, weil der betroffene Asylantragsteller mit seiner Überstellung an Griechenland als Signaturstaat der EMRK einer Situation äußerster materieller Armut ausgeliefert worden sei, was den belgischen Behörden bewusst gewesen sei (Rn. 263 f., 366 f.). Jedoch erstreckt diese Entscheidung den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ausdrücklich nicht allgemein auf soziale Leistungsrechte; der EGMR betont vielmehr die Fortgeltung seiner insoweit sehr zurückhaltenden Rechtsprechung (Rn. 249 m.w.N.) und begründet seine Entscheidung mit dem Schutz der Menschenwürde von Personen, die - in einem ihnen völlig fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und behördlicher Gleichgültigkeit gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden (Rn. 253). Als eine hiernach in Betracht zu ziehende Personengruppe führt der EGMR die Gruppe der Asylsuchenden an, die er als besonders verletzlich und schutzbedürftig qualifiziert (Rn. 251, 259).

25

Dass damit keine generelle Erstreckung des Schutzes nach Art. 3 EMRK auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen einhergeht, ergibt sich auch aus nachfolgenden Urteilen des EGMR (vgl. Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 9 m.w.N.). In seinem Urteil vom 28. Juni 2011 im Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich (Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681) stellt der EGMR nochmals klar, dass in Abschiebungsfällen nur zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände ernstliche Gründe für die Annahme nachgewiesen worden sind, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen ist, verletzt die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergibt, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (Rn. 218). Zugleich weist der EGMR darauf hin, dass die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Bestimmungsland hingegen nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend sind, ob der Betroffene in diesem Gebiet wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK macht nach Auffassung des EGMR aber eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind (Rn. 278). Nur soweit die schlechten humanitären Bedingungen - wie in Somalia - nicht nur oder überwiegend auf Armut oder fehlende staatliche Mittel beim Umgang mit Naturereignissen zurückzuführen sind, sondern überwiegend auf direkte und indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurückgehen, hält der EGMR das im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (a.a.O.) entwickelte Kriterium für besser geeignet, nach dem die Fähigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt werden muss, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, weiter seine Verletzlichkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung der Lage in angemessener Zeit (Rn. 282 f.).

26

Welche Anforderungen sich aus dieser Rechtsprechung des EGMR im Einzelnen für Abschiebungen in den Herkunftsstaat bei schlechten humanitären Bedingungen ergeben, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst der EGMR geht in Bezug auf Afghanistan davon aus, dass die allgemeine Lage dort nicht so ernst ist, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK wäre (EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09, Husseini/Schweden - NJOZ 2012, 952 Rn. 84). Auch auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen für eine allein auf die allgemeinen Lebensbedingungen im Herkunftsland gestützte Verletzung des Art. 3 EMRK ersichtlich nicht vor. Maßgeblich ist dabei die Perspektive des abschiebenden Staates, aus dessen Sicht zu prüfen ist, ob der Betroffene durch die Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Bei dieser Prüfung stellt der EGMR grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat ab und prüft zunächst, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 a.a.O. Rn. 265, 301, 309). Das gilt auch bei der Beurteilung von Umständen, die nicht in die unmittelbare Verantwortung des Abschiebungszielstaates fallen, dem abschiebenden Staat nach Art. 3 EMRK aber dennoch eine Abschiebung des Ausländers verbieten.

27

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass derzeit nur eine Abschiebung nach Kabul möglich ist (UA S. 14). Zugleich hat es sich bezüglich der allgemeinen Lebensbedingungen in Kabul - im Rahmen seiner Ausführungen zu § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG - in tatsächlicher Hinsicht der Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs angeschlossen, dass zu erwarten sei, dass Rückkehrer dort durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten (UA S. 23). Die daran anschließende Bemerkung des Berufungsgerichts, aufgrund der schlechten Gesamtsituation dürfte ohne schützende Familien- und Stammesstrukturen eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten "kaum zumutbar" sein, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Sie umfasst nicht die tatsächliche Feststellung, die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Abschiebezielstaat seien so schlecht, dass nach Art. 3 EMRK von einer Abschiebung zwingend abgesehen werden müsse. Mit dieser Formulierung bringt das Berufungsgericht lediglich seine Haltung zum Ausdruck, dass die rechtlichen "Hürden" des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme eines Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG seiner Auffassung nach zu hoch sind, und lässt in der Sache sein Bedauern erkennen, dass die oberste Landesbehörde für Afghanistan keinen generellen Abschiebestopp aus humanitären Gründen gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG angeordnet hat und das Gericht diese politische Entscheidung - unterhalb der hier nicht erreichten Grenze verfassungsrechtlich gebotenen Abschiebungsschutzes - nicht zu ersetzen vermag (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 5).

28

Damit liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG - ungeachtet des Umstandes, dass bei § 60 Abs. 2 AufenthG und bei § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in rechtlicher Hinsicht unterschiedliche Maßstäbe gelten - ersichtlich nicht vor. Selbst bei Zugrundelegung der - vom EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland für einen gänzlich anderen Anwendungsfall entwickelten und in den Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich auf eine ebenfalls andere Ausgangssituation im Herkunftsstaat übertragenen - abgesenkten und auf die Situation besonderer Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit bezogenen Maßstäbe ergäbe sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Verhältnissen in Kabul für den Kläger kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 10).

29

Auch insoweit bedarf es keiner Vorlage an den EuGH. Die Voraussetzungen, unter denen einen abschiebenden Staat aus Art. 3 EMRK ausnahmsweise eine Verantwortung für nicht dem Abschiebezielstaat oder anderen Akteuren zuzurechnende Umstände trifft, ergeben sich aus der Rechtsprechung des EGMR und werfen im vorliegenden Verfahren keine entscheidungserheblichen unionsrechtlichen Zweifelsfragen auf. Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU zu beachten. Dass die Richtlinie in Bezug auf Art. 3 EMRK bei Umständen, die weder in die Verantwortung des Abschiebezielstaats noch eines sonstigen Akteurs fallen, keinen über die Rechtsprechung des EGMR hinausgehenden Schutz gewährt, ergibt sich schon aus Art. 6 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 6 der Richtlinie 2004/83/EG). Denn dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass es nach den Vorstellungen des Richtliniengebers auch beim subsidiären Schutz grundsätzlich eines Akteurs bedarf, von dem ein ernsthafter Schaden ausgehen kann.

30

4. Kann der Senat mangels hinreichender tatrichterlicher Feststellungen weder positiv noch negativ abschließend über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden, so ist das Berufungsurteil schon aus diesem Grund aufzuheben und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, ohne dass es auf die von der Revision fristgerecht erhobenen Verfahrensrügen ankommt. Zur Klarstellung weist der Senat allerdings darauf hin, dass die gerügten Verfahrensfehler nicht vorliegen. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen in den Beschlüssen des Senats vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 16.12 und 10 B 20.12 - zu vergleichbaren Verfahrensrügen des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Das Berufungsgericht hat auch nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, weil es den Rechtsstreit nicht dem EuGH vorgelegt hat. Ein solcher Verstoß scheidet schon deswegen aus, weil es nach Art. 267 Abs. 2 AEUV zwar zur Vorlage berechtigt, nicht aber verpflichtet ist. Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen für eine Vorlage an den EuGH aber auch nicht vor. Die entscheidungserheblichen Fragen des Unionsrechts sind in der Rechtsprechung des EuGH geklärt bzw. unterliegen keinen Zweifeln, die eine Vorlage rechtfertigen oder gar gebieten. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.

31

5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

32

5.1 Das Berufungsgericht wird hinsichtlich des Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes vor allem mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auf aktueller Tatsachengrundlage zu klären haben, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht und ihm dort die Gefahren drohen, vor denen § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewährt. Ist dies der Fall, hat es weiter zu prüfen, ob der Kläger nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf die Möglichkeit internen Schutzes in einem anderen Landesteil - insbesondere Kabul - verwiesen werden kann.

33

5.2 Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes hat, wird es auf aktueller Erkenntnislage auch erneut über den Hilfsantrag des Klägers auf Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 und 3 AufenthG zu entscheiden haben.

34

a) Dabei kann dahinstehen, wie die Aussage des Berufungsgerichts bei § 60 Abs. 5 AufenthG zu verstehen ist, dass bezüglich Art. 3 EMRK die weitergehende und unionsrechtlich aufgeladene Schutznorm des § 60 Abs. 2 AufenthG "vorrangig, d.h. im vorliegenden Falle nicht zu prüfen" sei. Sollte das Berufungsgericht damit zum Ausdruck bringen wollen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK durch § 60 Abs. 2 AufenthG verdrängt wird, wäre dies allerdings nicht mit Bundesrecht zu vereinbaren.

35

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (Urteil vom 11. November 1997 - BVerwG 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen ("zielstaatsbezogene" Abschiebungshindernisse).

36

Der Verweis auf Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der EMRK ergeben, umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht. Bei § 60 Abs. 5 AufenthG sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wiederholt, bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung zu berücksichtigen (Art. 3 EMRK), ist der sachliche Regelungsbereich zwar weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG und geht über diesen, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht hinaus. Denn § 60 Abs. 2 AufenthG knüpft - wie dargelegt - an Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EG an, der seinerseits die Verantwortung des Abschiebestaats nach Art. 3 EMRK übernimmt. Auch wenn bei Anträgen auf internationalen Schutz der unionsrechtliche Abschiebungsschutz - und damit auch das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG - vor dem nationalen Abschiebungsschutz zu prüfen ist, folgt hieraus in Bezug auf eine Verletzung des Art. 3 EMRK keine (verdrängende) Spezialität des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG, die eine Prüfung des § 60 Abs. 5 AufenthG bereits dem Grunde nach ausschließt. Die Gewährleistung nach nationalem Recht tritt vielmehr selbstständig neben die aus Unionsrecht. Eine tatbestandsausschließende Spezialität des § 60 Abs. 2 AufenthG wäre mit dem hohen Rang, den die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsgüter haben, unvereinbar. Damit ist hinsichtlich des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in jedem Fall materiell zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllt sind. In Fällen, in denen - wie hier - gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet allerdings bei Verneinung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, so dass in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind.

37

b) Schließlich soll nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat auch dann abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich nur nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Sperrwirkung).

38

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen kann, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (stRspr, vgl. Urteil vom 8. September 2012 - BVerwG 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 - Rn. 22 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.

39

Das Berufungsgericht hat in Anwendung dieser Maßstäbe ein Abschiebungsverbot verneint, weil in tatsächlicher Hinsicht zu erwarten sei, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Dabei hat es weder die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit, dass es infolge der problematischen Versorgungslage, die neben der Versorgung mit Lebensmitteln auch die medizinische Versorgung und die Versorgung mit Wohnraum umfasst, zur Beeinträchtigung fundamentaler Schutzgüter kommen werde, überspannt noch hat es seine tatrichterliche Überzeugung auf einer zu schmalen Tatsachenbasis gebildet. Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe im Rahmen der Beurteilung einer extremen Gefahrenlage die medizinische Versorgungslage nicht hinreichend berücksichtigt, verkennt sie, dass diese nur bei akut behandlungsbedürftigen Vorerkrankungen oder in Fällen von Bedeutung ist, in denen aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse mit einer entsprechend hohen Wahrscheinlichkeit eine lebensbedrohliche Erkrankung zu erwarten ist, für die dann faktisch kein Zugang zu medizinischer (Grund-)Versorgung besteht (s.a. Beschluss vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 20.12 - Rn. 14).

40

Soweit das Berufungsgericht im Übrigen der Auffassung ist, das Bundesverwaltungsgericht stelle an das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung überzogene rechtliche Anforderungen, geben die Ausführungen dem Senat keine Veranlassung zu einer Änderung seiner Rechtsprechung. Das Berufungsgericht begründet seine Kritik damit, dass die Zumutbarkeit einer Rückkehr unter humanitären Gesichtspunkten, die es aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen selbst für gesunde alleinstehende Männer "kaum" für gegeben hält, nach der Rechtsprechung "kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG" sei. Mit diesen Erwägungen stellt es dem aus dem Verfassungsrecht abgeleiteten Rechtsbegriff der Zumutbarkeit eine eigene - mit außerrechtlichen Erwägungen begründete und enger gefasste - Zumutbarkeit gegenüber und vermischt damit die Grenze zwischen einer dem Betroffenen rechtlich (noch) zumutbaren und einer nicht (mehr) zumutbaren Rückkehr. Dabei vernachlässigt es zudem, dass es bei der verfassungskonformen Auslegung nicht um die Bestimmung eines aus Sicht des jeweiligen Gerichts "sinnvollen" und/oder "menschenrechtsfreundlichen" Abschiebungsschutzregimes geht, sondern um die Festlegung der Voraussetzungen, unter denen im gewaltenteilenden Rechtsstaat die Rechtsprechung befugt ist, über eine verfassungskonforme Auslegung ausnahmsweise die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, allgemeine Gefahren nur im Rahmen einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen, unbeachtet zu lassen. Hierbei macht es in der Sache einen erheblichen Unterschied, ob ein Mensch ohne jeden Ausweg in eine Situation gebracht wird, in der er so gut wie keine Überlebensmöglichkeit hat, oder ob er bei allen - auch existenzbedrohenden - Schwierigkeiten nicht chancenlos ist, sondern die Möglichkeit hat, Einfluss auf sein Schicksal zu nehmen.

41

Die weiteren Zweifel des Berufungsgerichts, ob ein Obergericht revisionsrechtlich dazu verpflichtet werden könne, sich mit der abweichenden Einschätzung anderer Obergerichte auseinanderzusetzen, betreffen nicht den materiell-rechtlichen Maßstab für die Beurteilung einer extremen Gefahrenlage selbst. Die damit ausgedrückte Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. Urteil vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226 Rn. 22) vernachlässigt, dass diese Auseinandersetzung nicht als Selbstzweck gefordert wird. Sie zielt auf eine Verbesserung der Entscheidungsqualität durch Verbreiterung der erkennbar in die tatrichterliche Bewertung eingestellten Tatsachen- und Argumentationsbasis. Dies gilt namentlich in Fällen, in denen es - wie hier - im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG um eine "Korrektur" des demokratisch legitimierten Gesetzgebers geht, für die im Rahmen der Tatsachen- und Lagebeurteilung eine umfassende Gesamtwürdigung der voraussichtlichen Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat und der damit verbundenen Gefahren erforderlich ist.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind serbische Staatsangehörige und Volkszugehörige der Roma aus Bor. Die Antragstellerin zu 1) wurde am ... geboren, die Antragsteller zu 2) und 3) sind ihre am ... und ... geborenen Kinder. Der älteste Sohn der Antragstellerin zu 1) betreibt ein eigenes Asylverfahren und dazugehörige Gerichtsverfahren (Az.: W 1 K 14.30158, W 1 S 14.30264). Die Antragsteller verließen ihr Heimatland am 30. oder 31. August 2013 und reisten zunächst mit der Bahn, dann per Pkw am 2. September 2013 in das Bundesgebiet ein. Am 26. September 2013 beantragten sie Asyl.

In ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 2. Oktober 2013 gab die Antragstellerin zu 1) im Wesentlichen an, sie hätten sich von Dezember 2010 bis Frühherbst 2012 in Schweden aufgehalten, wo sie erfolglos ein Asylverfahren betrieben hätten. Nach der Rückkehr aus Schweden habe sie keine andere Wahl gehabt, als wieder zu ihrem Ehemann nach Bor zurückzukehren, von dem sie sich eigentlich habe trennen wollen. Sie und ihre Kinder würden von ihrem Mann häufig geschlagen. Sie hätten die Übergriffe nirgendwo angezeigt, weil es dann nur noch schlimmer geworden wäre. Besonders heftig sei es nach ihrer Rückkehr aus Schweden geworden. Ihr Ehemann sei häufig betrunken gewesen. Der Antragsteller zu 3) sei krank, während des Aufenthaltes in Schweden sei er am Ohr operiert worden und außerdem leide er an Asthma. Die Antragstellerin zu 1) leide aufgrund ihrer psychischen Belastungen unter Herzrhythmusstörungen, nehme deshalb aber keine Medikamente. In Serbien sei sie im Genitalbereich operiert worden. Am 21. September 2013 sei sie kurzfristig im Klinikum Fürth gewesen, weil sie starke Kopfschmerzen gehabt habe. Ihr Erinnerungsvermögen sei schwach ausgeprägt. Wegen der Kopfschmerzen sei sie auch in Serbien schon immer wieder einmal beim Arzt gewesen, der ihr dann Beruhigungs- bzw. Schlaftabletten verschrieben habe. Im Krankenhaus sei sie aber nicht gewesen. Die verbliebenen Kinder seien gesund, die Tochter Diana leide unter Angstzuständen, erhalte aber keine Medikamente dagegen. Weitere Ausreisegründe lägen nicht vor.

Es wurde ein undatiertes Attest des Herrn Dr. med. K., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, 97070 Würzburg, vorgelegt, wonach die Antragstellerin zu 1) unter einer schweren depressiven Episode (2. Phase bzw. rezidivierende Form) leide. Eine internistische Abklärung zum Ausschluss einer Angina pectoris und einer Schilddrüsendysfunktion erfolge.

Mit Bescheid vom 3. Februar 2014 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (Ziffern 1 und 2 des Bescheides), lehnte die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab (Ziffer 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4) und forderte die Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen; für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihnen die Abschiebung nach Serbien angedroht (Ziffer 5). Die Anträge auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft seien offensichtlich unbegründet, weil die Antragsteller bei einer Rückkehr nach Serbien weder Verfolgungsmaßnahmen durch den Staat noch zu berücksichtigende schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen seitens nichtstaatlicher Dritter zu befürchten hätten. Soweit sie vorgetragen hätten, häusliche Gewalt zu befürchten, könne dies nicht zu Asyl- oder Flüchtlingsschutz führen. Der allein in Frage kommende Verfolgungsgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe liege nicht vor. Häusliche Gewalt knüpfe als ein rein innerfamiliäres Problem in Serbien nicht an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe an. Es sei auch nicht erkennbar, dass den Antragstellern wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe staatlicher Schutz verweigert worden sei. Gegen rechtswidrige Übergriffe nichtstaatlicher Akteure stehe hinreichender staatlicher Schutz zur Verfügung. Es bestünden zudem Ausweichmöglichkeiten in andere Teile Serbiens. Die Antragsteller hätten die Übergriffe des Familienvaters auch nirgendwo angezeigt, da es ihrer Meinung nach sonst nur schlimmer geworden wäre. Die Polizei sei ermächtigt, häusliche Gewalttäter zum Schutze der Angehörigen vorübergehend aus der Wohnung zu weisen. Es gebe in Serbien auch Schutzhäuser für Frauen und deren Kinder. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen ebenfalls nicht vor, die Todesstrafe sei abgeschafft, die Sicherheitslage sei stabil und die Antragsteller müssten weder von der serbischen Regierung noch durch nichtstaatliche Dritte mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung befürchten. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Eine zu berücksichtigende extreme Gefahrenlage ergebe sich nicht aus der allgemeinen wirtschaftlichen Situation. In Serbien bestehe die Institution der Sozialhilfe, die Bürgern gewährt werde, die arbeitsunfähig seien und außerdem keine eigenen Mittel zum Lebensunterhalt hätten. Die medizinische Versorgung sei in Serbien sichergestellt. Auch die Grundversorgung mit häufig verwendeten, zunehmend auch mit selteneren Medikamenten sei gewährleistet. Alle registrierten Bewohner Serbiens hätten freien Zugang zur medizinischen Versorgung. In den Krankenhäusern würden bei der Behandlung der Patienten keine ethnischen Unterschiede gemacht. Angehörige der Volksgruppe der Roma genössen im Rahmen des staatlichen Gesundheitssystems die gleichen Rechte wie die serbische Mehrheitsbevölkerung. Rückkehrer könnten medizinische Notfallhilfe nach der Ankunft in Serbien unter Vorlage eines Reisedokuments in Anspruch nehmen. Psychische Erkrankungen seien in Serbien grundsätzlich behandelbar. Patienten mit ernsthaften psychischen Störungen (Psychosen) würden unabhängig vom Status grundsätzlich kostenfrei behandelt, d. h. sie seien auch von den Zuzahlungen befreit. Die vorgetragenen Krankheiten der Antragsteller zu 2) und 3) seien trotz Hinweis des Bundesamtes nicht durch Atteste belegt worden. Unabhängig davon seien in Serbien psychische Erkrankungen sowie Atemwegserkrankungen wie Asthma behandelbar. Auf die Gründe des Bescheides im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Gegen diesen Bescheid, der den Antragstellern im Wege der Ersatzzustellung an die Leitung der Gemeinschaftsunterkunft am 7. Februar 2014 zugestellt wurde (Bl. 94/95 der Bundesamtsakte), ließen die Antragsteller am 13. Februar 2014 bei Gericht Klage erheben, über die noch nicht entschieden ist (Az.: W 1 K 14.30157).

Am 7. März 2014 beantragten die Antragsteller bei Gericht:

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage W 1 K 14.30157 wird angeordnet.

Hilfsweise:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO verpflichtet, der Ausländerbehörde des Landratsamts Würzburg mitzuteilen, dass die Antragsteller vorläufig bis zur Entscheidung im Klageverfahren nicht aufgrund der Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG nach Serbien abgeschoben werden dürfen.

2. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird beantragt.

Zur Begründung wurde auf die Anhörung beim Bundesamt verwiesen und des Weiteren ausgeführt, dass die Gegend um Bor mittlerweile sehr gefährlich für Roma sei. Rechtsextreme serbische Menschen hätten Roma attackiert, es habe mit Ausschreitungen Jugendlicher begonnen, dann hätten sich auch zahlreiche Erwachsene den Rechtsextremen angeschlossen, hätten Scheiben eingeworfen und Autos angezündet. Dabei seien mehrere Roma verletzt worden. Über diese Übergriffe sei auch in den Medien berichtet worden. Die Antragsteller fühlten sich in Serbien bedroht und nicht mehr sicher, es habe sich gegen die Roma viel Hass entwickelt. Auch die Polizei werde der Situation nicht Herr. Bezüglich der Fristversäumnis werde darauf hingewiesen, dass die Antragsteller keine deutschen Sprachkenntnisse hätten und sich darauf verlassen hätten, dass der bevollmächtigte Rechtsanwalt innerhalb der gesetzlichen Frist einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stelle. Erst nach Rücksprache mit dem Cousin der Antragstellerin zu 1) in Wuppertal sei diese darauf aufmerksam gemacht worden, dass sie auch die aufschiebende Wirkung der Klage beantragen müsse. Ihre Nachfrage bei Gericht habe nun erwiesen, dass der Bevollmächtigte es versäumt habe, diesen Antrag fristgerecht zu stellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Anträge sind bereits unzulässig.

1.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage Az.: W 1 K 14.30157 gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 3. Februar 2014 ist unzulässig, weil die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG versäumt wurde und den Antragstellern auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

Gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG sind Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen; dem Antrag soll der Bescheid des Bundesamtes beigefügt werden. Hierauf ist der Ausländer gemäß § 36 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG hinzuweisen.

Der Antrag wurde erst am 7. März 2014 und somit verfristet gestellt.

Den Antragstellern ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO zu gewähren, weil sie nicht ohne Verschulden verhindert waren, eine gesetzliche Frist einzuhalten (§ 60 Abs. 1 VwGO). In der Rechtsbehelfsbelehrung des Bundesamtsbescheides, der eine Übersetzung in die Sprache der Antragsteller beigefügt war, wurde auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage sowie auf die Möglichkeit hingewiesen, deren Anordnung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO bei Gericht zu beantragen. Die Antragsteller hatten somit unabhängig von ihren Kenntnissen der deutschen Sprache und des deutschen Rechtssystems die Möglichkeit, von diesem Rechtsbehelf Kenntnis zu nehmen. Die Antragsteller können sich auch nicht auf ein Verschulden ihres Bevollmächtigten, das sie sich ohnehin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müssten, berufen. Denn der Bevollmächtigte hat in seinem Klageschriftsatz ausgeführt, dass die Antragsteller ihm bisher nicht den vollständigen Bundesamtsbescheid vorgelegt hätten. Hätten die Antragsteller ihrem Bevollmächtigten den vollständigen Bescheid vorgelegt, so hätte dieser jedenfalls anhand der Rechtsbehelfsbelehrung erkennen können, dass er zur Vermeidung einer zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht auch einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO stellen musste.

2.

Der Antrag, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 VwGO aufzugeben, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass die Antragsteller vorläufig bis zur Entscheidung im Klageverfahren nicht aufgrund der Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG nach Serbien abgeschoben werden dürfen, ist unzulässig.

Dieser Antrag ist nicht statthaft, da es sich bei dem Asylverfahren der Antragsteller um ein Erstverfahren handelt. Die Mitteilung an die Ausländerbehörde nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG ergeht jedoch nur in Folgeverfahren.

Eine Umdeutung des Antrags in einen solchen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Abschiebung auszusetzen, ist nicht möglich, weil ein solcher Antrag - unabhängig von der Frage der Passivlegitimation der Antragsgegnerin - ebenfalls unzulässig wäre. Würde in einem Fall wie dem vorliegenden, in welchem die Antragsteller die Wochenfrist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG versäumt haben, ein Antrag nach § 123 VwGO für zulässig erachtet, so würde dies zu einer Umgehung der gesetzlich geregelten Antragsfrist führen (ebenso VG Ansbach, B. v. 3.11.2003 - AN 11 E 03.31651 - juris; VG Würzburg, B. v. 6.11.2000 - W 2 E 00.31176 - juris; Marx, AsylVfG, 6. Aufl. 2005, § 36 Rn. 28). Die Antragsfrist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG trägt nämlich dem Anliegen des Gesetzgebers Rechnung, das Asylverfahren einschließlich des gerichtlichen Verfahrens in den Fällen der unbeachtlichen und offensichtlich unbegründeten Asylanträge zu beschleunigen (Marx a. a. O. Rn. 1). Diesem Beschleunigungszweck würde es zuwiderlaufen, im Falle eines verfristeten Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO einen Antrag gemäß § 123 VwGO bei dem für den Rechtsschutz gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Asylverfahren zuständigen Gericht als zulässig zu behandeln. Davon unberührt bleibt allerdings die Möglichkeit, ggf. auf der Grundlage - im Asyl- und asylgerichtlichen Verfahren nicht zu prüfender - inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse gegen den Rechtsträger der zuständigen Ausländerbehörde die Aussetzung der Abschiebung im Wege der einstweiligen Anordnung zu beantragen.

3.

Unabhängig von diesen Erwägungen hätte der Antrag jedoch auch in der Sache keinen Erfolg, weil an der Rechtmäßigkeit des Bescheides des Bundesamtes vom 3. Februar 2014 keine ernstlichen Zweifel bestehen.

Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach § 36 Abs. 3 und 4 AsylVfG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO ist die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die sofortige Vollziehbarkeit. Prüfungsmaßstab zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs ist die Frage, ob die für die Aussetzung der Abschiebung erforderlichen ernstlichen Zweifel bezogen auf das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes vorliegen. Nach Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG, § 34 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme darf nur dann ausgesetzt werden, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris = DVBl. 1996, 729).

Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylVfG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylVfG). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält (§ 30 Abs. 2 AsylVfG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt eine Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 20.9.2001 - 2 BvR 1392/00 - juris = InfAuslR 2002, 146; B. v. 5.2.1993 - 2 BvR 1294/92 - juris = InfAuslR 1993, 196). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt es darauf an, ob die Offensichtlichkeitsentscheidung in Bezug auf die geltend gemachten Asylgründe bei der hier gebotenen summarischen Prüfung mit der erforderlichen Richtigkeitsgewähr bestätigt werden kann.

Gemessen daran bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundesamtes zu Art. 16a GG und § 3 Abs. 1 AsylVfG. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Bescheides verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).

Im Übrigen haben die Antragsteller im Falle ihrer Rückkehr nach Serbien auch keine Gruppenverfolgung als Volkszugehörige der Roma zu befürchten. Das Gericht geht im Einklang mit der weit überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. nur Sächs. OVG, U. v. 17.5.2011 - A 4 A 510/10 - juris; OVG NRW, B. v. 14.12.2009 - 5 A 2716/09.A - juris; VG Saarlouis, B. v. 21.11.2011 - 10 L 1777/01 - juris; VG Oldenburg, U. v. 28.7.2010 - 11 A 2779/09 - juris; VG München, U. v. 2.6.2010 - M 17 K 09.50481 - juris; VG Freiburg, U. v. 13.5.2013 - A 3 K 734/11 - juris) davon aus, dass Angehörige der Volksgruppe der Roma in Serbien keiner Gruppenverfolgung i. S. d. Art. 16a GG und § 3 Abs. 1 AsylVfG durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind. Auch nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Serbien vom 18.10.2013) gibt es keine Anzeichen für systematische staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Roma, auch wenn in der serbischen Öffentlichkeit Vorbehalte und Vorurteile gegen Minderheitenangehörige nach wie vor verbreitet sind.

Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes i. S. von § 4 Abs. 1 AsylVfG i. d. F. des Gesetzes vom 28. August 2013 zur Umsetzung der Richtlinie 2011/85/EU (BGBl. I S. 3474). Auch insoweit wird auf die zutreffenden Gründe im angefochtenen Bescheid verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).

Des Weiteren liegen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG zugunsten der Antragsteller nicht vor.

Hinsichtlich § 60 Abs. 5 AufenthG folgt das Gericht den zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid. Des Weiteren fehlt es auch an den Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren i. S. des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein betreffen, so ist die Gewährung von Abschiebungsschutz einer politischen Leitentscheidung der obersten Landesbehörde nach § 60a AufenthG vorbehalten. Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Die von den Antragstellern geschilderten Sicherheitsprobleme und schlechten Lebensbedingungen treffen unstreitig für eine Vielzahl weiterer Personen im Abschiebestaat zu, insbesondere für Volkszugehörige der Roma (Lagebericht a. a. O.).

Beim Fehlen einer politischen Regelung i. S. des § 60a Abs. 1 Satz 1

AufenthG kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zutreffend anerkannt, dass im Falle einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die den einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, unabhängig vom Vorliegen von Abschiebungsverboten Schutz vor Abschiebung gewährt werden muss (vgl. BVerwG, v. 17.10.1995, BVerwGE 99, 324 ff.; v. 04.06.1996, NVwZ-Beilage 11/1996, 89 f.). Insoweit lässt sich aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG der Grundsatz ableiten, dass ein Staat nicht durch seine Abschiebung dazu beitragen darf, den elementaren Anspruch jedes Menschen auf Menschenwürde und Leben zu beeinträchtigen. Jenseits des Extremfalles der Auslieferung eines Menschen in den sicheren Tod und in die Gefahr schwerster Verletzungen besteht aber keine verfassungsrechtlich begründbare Garantenpflicht für die im Ausland als Folge der dort bestehenden sozialen, politischen oder ökonomischen Verhältnisse bestehenden Gefahren für Leib und Leben (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Rd.Nr. 187 zu § 60 AufenthG).

Auch insoweit geltend die im angefochtenen Bundesamtsbescheid ausführlich niedergelegten Gründe. Der Sachvortrag im Antragsverfahren und insbesondere die vorgelegte psychotherapeutische Stellungnahme sind nicht geeignet, zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung zu führen. Auch wenn man das dort geschilderte Krankheitsbild der Antragstellerin zu 1) unterstellt, ist nicht erkennbar, dass eine medizinische Behandlung in Serbien nicht gewährleistet wäre oder aus finanziellen Gründen scheitern könnte. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin zu 1) zu ihren Lebensumständen in Serbien ist damit nicht davon auszugehen, dass ihr dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen ihrer Erkrankung eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben droht. Hierfür spricht unter anderem auch der Umstand, dass sie sich ausweislich ihrer Ausführungen mehrfach in ärztliche Behandlung begeben hat und eine medizinische bzw. medikamentöse Versorgung erfolgt ist. Die übrigen von den Antragstellern geltend gemachten Erkrankungen sind in Serbien ebenfalls behandelbar.

4.

Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. H. wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführer sind äthiopische Staatsangehörige und Eltern eines am 12. Februar 2014 geborenen Sohnes. Sie reisten im März 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten einen Asylantrag; zuvor hatten sie bereits in Italien einen Asylantrag gestellt. Sie wenden sich gegen einen am 3. März 2014 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. Februar 2014, mit dem ihnen Eilrechtsschutz gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1, § 27a AsylVfG gestützte Anordnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 3. Februar 2014 versagt wurde, sie auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II) nach Italien abzuschieben.

2

1. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag der Beschwerdeführer mit der Maßgabe ab, dass die angeordnete Abschiebung unter Berücksichtigung einer zweimonatigen "Mutterschutzfrist" (in Anlehnung an § 6 MuSchG) nicht vor dem 1. Mai 2014 vollzogen werden dürfe. Eine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zum Selbsteintritt gemäß Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung bestehe nicht. Weder sei ein Ausnahmefall nach dem Konzept der normativen Vergewisserung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 ff.) gegeben, noch lägen systemische Mängel des italienischen Asyl- und Aufnahmesystems im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH , Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) vor, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass der Asylbewerber oder Flüchtling tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden. Systemische Mängel, die eine Aussetzung der Abschiebung in Anwendung von Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gebieten könnten, seien auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Falle von Italien aufgrund der Auskunftslage derzeit nicht erkennbar (vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336).

3

2. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer am 3. April 2014 erhobenen Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG.

4

a) Die Beschwerdeführer befürchten unter Bezugnahme insbesondere auf einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu den Aufnahmebedingungen in Italien vom Oktober 2013, bei einer Rückkehr nach Italien wie die große Mehrheit der Schutzbedürftigen obdachlos zu werden und keinen Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Nahrungsmitteln zu erhalten. Schutzbedürftige Dublin-Rückkehrer seien einem sehr hohen Risiko der Verelendung ausgesetzt; ihre Situation sei wesentlich prekärer als die eines Asylsuchenden, der sich noch im Verfahren befinde. Etwas anderes gelte allenfalls für besonders schutzbedürftige Personen. Allerdings gälten Familien mit beiden Elternteilen in Italien nicht als verletzlich. Auch wenn es zu einer staatlichen Unterbringung kommen sollte, bestehe die Gefahr, dass sie nicht als Familie untergebracht würden, sondern dass es zu einer Unterbringung von Mutter und Kind in der einen, des Vaters aber in einer anderen Einrichtung komme. Eine Trennung der Familie, um die Wahrscheinlichkeit der Unterbringung zu erhöhen, könne ihnen jedoch nach Art. 8 EMRK nicht zugemutet werden. Gerade im Hinblick auf ihr neugeborenes Kind erscheine die Vorenthaltung von Gesundheitsversorgung und Nahrung dramatisch.

5

b) Das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sei verletzt, weil das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgehe, die Berufung auf das Asyl-Grundrecht werde in Dublin-Fällen durch Art. 16a Abs. 2 GG ausgeschlossen. Die Dublin-Fälle richteten sich vielmehr allein nach der - spezielleren - Vorschrift des Art. 16a Abs. 5 GG und den Vorgaben des - zwischenzeitlich vergemeinschafteten - europäischen Asylsystems. Während Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG den materiell-rechtlichen Gewährleistungsinhalt des Grundrechts auf Asyl grundsätzlich einschränke und den Prüfungsmaßstab nach dem Konzept der normativen Vergewisserung festlege, liege der Kompetenzübertragung nach Art. 16a Abs. 5 in Verbindung mit Art. 23 GG die Idee zugrunde, dass die Bundesrepublik den Gewährleistungsinhalt von Art. 16a Abs. 1 GG einer europäischen Zuständigkeitsregelung unterwerfe und zugleich an ihr normsetzend mitwirke. Die Pflichten, die die Bundesrepublik sich mit Art. 16a Abs. 1 GG auferlegt habe, könne sie danach nur soweit delegieren, wie die Verheißung eines im Gebiet der Dublin-Verordnung geltenden Flüchtlingsschutzes im anderen Mitgliedstaat auch wirklich eingelöst werde. Sei dies nicht der Fall, treffe die Bundesrepublik kraft des wechselseitigen und auf Solidarität sowie Mindeststandards beruhenden Lastenausgleichssystems die Rolle eines "Ausfallbürgen". Europäische Asylstandards würden in Italien jedoch nicht gewahrt; nach allem, was über die dortige Situation von Asylbewerbern bekannt sei, würden dort entscheidende Bestimmungen aus der Verfahrens-, Aufnahme- und Qualifikationsrichtlinie ebenso verletzt wie Gewährleistungen der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK.

6

Aus der Pflicht der Bundesrepublik zu gewährleisten, dass die Beschwerdeführer bei Überstellung an einen Dublin-Zielstaat keine Rechtsverletzungen an anderen Rechtsgütern erlitten, folge, dass die Bundesrepublik sich derartige Rechtsverletzungen zurechnen lassen müsse. Ihnen drohe in Italien Obdachlosigkeit und eine defiziente Gesundheits- und Lebensmittelversorgung, die in die reale Gefahr der Verelendung führe; hierin liege eine Verletzung sowohl der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG als auch eine Gefahr für ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Das Verwaltungsgericht habe im Übrigen auch gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, indem es die einfachgesetzlich geltenden Normen der EMRK verfehlt interpretiert habe. In ihrem Falle sei Art. 3 EMRK zu berücksichtigen gewesen, der mit dem Verbot "unmenschlicher" oder "erniedrigender" Behandlung nach allgemeiner Auffassung gerade die Situation der Verelendung umschreibe, die durch den Zielstaat der Überstellung zu unterbleiben habe. Die drohende Trennung der Familie verletze Art. 6 GG.

II.

7

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, und die Annahme ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>); sie ist unzulässig (dazu 1. und 2.). Hiervon unabhängig besteht allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass die mit der Rückführung befassten deutschen Behörden in dem vorliegenden Einzelfall geeignete Vorkehrungen zum Schutz des von der Rückführung betroffenen Kleinkindes der Beschwerdeführer zu treffen haben (dazu 3.).

8

1. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG und Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK rügen, zeigen sie schon die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht auf (vgl. zu diesem Erfordernis nur BVerfGE 108, 370 <386 f.>). Die Beschwerdeführer setzen sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 <95 ff.>), des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH , Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR , Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. v. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09, NVwZ 2011, S. 413; Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336) nicht auseinander, die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegt.

9

2. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung in ihren Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG aufgrund einer drohenden Obdachlosigkeit und einer Trennung der Eltern von ihrem neugeborenen Kind bei einer Abschiebung geltend machen, legen sie nicht hinreichend substantiiert dar, dass sie in Italien mit Obdachlosigkeit und Trennung der Familie zu rechnen haben und ihrem Sohn als Folge der Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Gesundheitsgefahren drohen. Es bedarf daher keiner Klärung, ob dahingehende systemische Mängel des italienischen Aufnahmesystems bestehen und ob solche strukturelle Defizite in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union einen im Konzept der normativen Vergewisserung nicht aufgefangenen Sonderfall darstellen können (vgl. dazu nur Moll/Pohl, ZAR 2012, S. 102 <104 ff.>; zu den Darlegungslasten für die Begründung eines solchen Sonderfalles vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Hierbei wäre ohnehin zu berücksichtigen, dass etwaige mit der Überforderung des Asylsystems eines Mitgliedstaats der Europäischen Union verbundene transnationale Probleme vornehmlich auf der Ebene der Europäischen Union zu bewältigen sind (vgl. BVerfGE 128, 224 <226>).

10

3. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann es allerdings - unbeschadet der Prüfung, ob einer Zurückweisung oder Rückverbringung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen - in Einzelfällen geboten sein, dass die deutschen Behörden vor einer solchen mit den im Zielstaat zuständigen Behörden Kontakt aufnehmen, den Sachverhalt klären und gegebenenfalls zum Schutz des Ausländers Vorkehrungen treffen (vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Insbesondere besteht eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat gegebenenfalls durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung (Duldung) oder durch entsprechende tatsächliche Gestaltung derselben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241 <242>).

11

a) Nach der - von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden - jüngeren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift Aufgabe allein des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu prüfen, ob "feststeht", dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004 - 2 M 299/04, juris; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, InfAuslR 2011, S. 310, dort <311> auch m.w.N. zur a.A.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 4. Juli 2012 - 2 LB 163/10 -, InfAuslR 2012, S. 383; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris; zuletzt VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris).

12

Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris, Rn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris, Rn. 7; VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris, Rn. 4).

13

b) Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum Abschiebeort sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. In dem genannten Zeitraum haben die zuständigen deutschen Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Februar 2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, S. 213 <214> unter Verweis auf BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241).

14

Die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, sicherzustellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Juni 2011 - 2 M 38/11 -, InfAuslR 2011, S. 390 <392>).

15

c) So liegt es auch im vorliegenden Fall. Bei Rückführungen in sichere Drittstaaten können hiervon betroffene Ausländer - anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland - regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen. Bestehen - wie gegenwärtig im Falle Italiens - aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat, hat die auf deutscher Seite für die Abschiebung zuständige Behörde dem angemessen Rechnung zu tragen.

16

Bei Vorliegen einer solchen Auskunftslage hat das zuständige Bundesamt angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen nach dem Dublin-System vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls (vgl. nunmehr Erwägungsgrund 16 der neugefassten Verordnung Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin III-Verordnung) jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit neugeborenen (vgl. Art. 15 Abs. 1 und 2 der Dublin II-Verordnung und Art. 16 Abs. 1 der Dublin III-Verordnung) und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.

17

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

18

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.