Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 22. Juni 2016 - 7 A 1773/14

bei uns veröffentlicht am22.06.2016

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Wahl zur Kammerversammlung, 7. Amtsperiode, ungültig ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden jedoch nicht erstattet.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in der Höhe von elf Zehnteln des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Der Streitwert wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes auf 5.000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich als ist gesetzliches Mitglied der seit 1991 bestehenden Beklagten gegen die Gültigkeit der Wahl von deren Kammerversammlung in der 2014 begonnenen Amtsperiode.

2

Er ist in H-Stadt als niedergelassener Zahnarzt berufstätig und standespolitisch u. a. als 1. stellvertretender Bundesvorsitzender im Ä Ö     Ü          Zahnärzte e. V. – ÄÖÜZ – engagiert.

3

Die Kammerversammlung ist nach § 23 des Heilberufsgesetzes – HeilBerG M-V – und § 8 der Satzung der Beklagten vom 6. Dezember 2008 (Mitteilungsblatt dens 3/2009, S. 12 ff.) das für alle Entscheidungen von wesentlicher und grundsätzlicher Bedeutung zuständige Organ der Beklagten, das nach § 9 der Satzung mindestens einmal jährlich tagt.

4

Nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 HeilBerG M-V gehört der Kammerversammlung ein Mitglied je 50 Wahlberechtigte an; nach § 16 Abs. 2 Satz 1 HeilBerG M-V gehört ihr ferner je ein zahnärztlich approbierter Hochschullehrer der Fakultäten in Greifswald und Rostock an, der von diesen zu bestimmen ist. § 15 Abs. 1 (Satz 1) HeilBerG M-V schrieb und schreibt eine vierjährige Dauer der Amtsperiode der Kammerversammlung vor.

5

Nach § 3 HeilBerG M-V und §§ 18 ff. der Satzung bildet die Beklagte als unselbständige Bezirksstellen sog. Kreisstellen, deren Abgrenzung nach der Satzung und Entscheidungen der Kammerversammlung „politischen Grenzen“ folgt. Die Aufgaben der Kreisstellen ergeben sich aus § 20 der Satzung der Beklagten. Gemäß dem letzten Beschluss der Kammerversammlung vom 1. Dezember 2012 (dens 12/2012, S. 5/6) bestehen gegenwärtig noch 19 Kreisstellen, deren Grenzen vielfach denen der Landkreise zwischen 1994 und 2011 entsprechen. Nach den gemäß § 21 HeilBerG M-V beschlossenen Wahlordnungen der Beklagten wird die Kammerversammlung dergestalt gewählt, dass nach dem Prinzip der relativen Mehrheitswahl zum einen die Mitglieder, die in den einzelne Wahlkreise darstellenden Kreisstellenbezirken ansässig sind, jeweils die auf den jeweiligen Kreisstellenbezirk entfallende Delegiertenzahl aus dem Kreis der örtlichen Kandidaten wählen und zum anderen alle Kammermitglieder aus den Kandidaten einer landesweit geltenden „Landesliste“ die für diese vorgesehene Zahl an Delegierten. Die zwei von den Hochschulfakultäten zu bestimmenden Delegierten treten zu den Gewählten hinzu.

6

Die letzte nicht gerichtlich beanstandete Wahl zu einer Kammerversammlung der Beklagten fand für diejenige der 5. Amtsperiode statt; die Kammerversammlung konstituierte sich am 20. Januar 2007 (dens 1/2007, S. 10 f.).

7

Nach einer Wahlordnung vom 28. November 2009 (dens 5/2010, S. 18) wählten die Kammermitglieder mit Auszählung am 8. Dezember 2010 die Kammerversammlung der 6. Amtsperiode (dens 12/2010, S. 12). Diese Wahl griff der Kläger mit Klage vom 30. Dezember 2010 – 6 A 1894/10 – an. Die 6. Kammer des erkennenden Gerichts gab ihr mit Urteil vom 26. September 2012 statt, das die Wahl für ungültig erklärte. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung blieb gemäß Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2013 – 2 L 45/13 – ohne Erfolg.

8

Die am 5. Januar 2011 erstmals zusammengetretene (dens 1/2011, S. 4 ff.) 6. Kammerversammlung hatte zwischenzeitlich eine Wahlordnung vom 2. Juli 2011 (dens 9/ 2011, S. 15 ff.) verabschiedet, die sie durch die aktuelle Wahlordnung vom 1. Dezember 2012 (dens 2/2013, S. 18 ff.), geändert durch Beschluss vom 15. Juni 2013 (dens 7/2013, S. 13), – WahlO – ersetzt hatte. Beides war nach Diskussionen über den anzuwendenden Wahlmodus und zuletzt aus Anlass der Änderung von § 15 Abs. 1 und 2 HeilBerG M-V durch Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes vom 6. Juli 2011 (GVOBl. M-V S. 405, 409) geschehen.

9

Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts sah sich die Beklagte gehalten, die streitgegenständliche Neuwahl der Kammerversammlung, gezählt als solche der 7. Amtsperiode, abzuhalten. Die Kammerversammlung 2013 wurde abgesagt. Der von der 6. Kammerversammlung am 5. Januar 2011 gewählte Vorstand sah seine Hauptaufgabe in der unverzüglichen Durchführung der Wahl (dens 12/2013, S. 4), bestellte einen Wahlleiter und eine Wahlkommission (verpflichtet am 4. Dezember 2013, dens 3/2014, S. 4) und legte die Wahlzeit auf die Frist vom 3. April bis zum 20. Mai 2014 und den Auszählungstag auf den 21. Mai 2014 fest. Der Wahlleiter veröffentlichte in einer Ankündigung der Neuwahlen vom 5. November 2013 diese Festlegungen sowie Details zur Wählerliste und zur Einreichung von Wahlvorschlägen (dens 11/2013 S. 9 f.).

10

Der Kläger erhob am 23. Dezember 2013 Klage (7 A 2066/13) auf Feststellung der Unwirksamkeit der Wahlordnung der Beklagten von 2013; diese verwies die Kammer an das Oberverwaltungsgericht als Normenkontrollgericht. Den begleitenden Eilantrag (7 B 905/ 13) auf Nichtdurchführung der Wahl 2014 nach jener Wahlordnung hat der Kläger beim Oberverwaltungsgericht (2 M 5/14) zurückgenommen. Das Hauptsacheverfahren 2 K 1/14 ist beim Oberverwaltungsgericht noch anhängig.

11

In dens 2/2014, S. 16, forderte der Wahlleiter zur Einreichung von Wahlvorschlägen bis Ende Februar 2014 auf; die Mindestanzahlen der Kreiswahlvorschläge waren nach der Zahl am 31. Januar 2014 in den Wahlkreisen ansässigen wahlberechtigten Kammermitglieder im Verhältnis zur Gesamtzahl bestimmt worden, ebenso die hiervon abhängige Zahl der erforderlichen Landeswahlvorschläge:

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„Wahlkreise (entsprechen den Kreisstellen der ZÄK M-V)

Kammermitglieder (Stand: 31.1.2014)

Anzahl der zu wählenden Delegierte[n] für die 7. Periode (gerundet nach § 4 Abs. 3 der Wahlordnung)

Ludwigslust

101     

2       

Nordwestmecklenburg

60    

1       

Parchim

53    

1       

Parchim-Nord

50    

1       

Bad Doberan

132     

2       

Güstrow

106     

2       

Nordvorpommern

114     

2       

Demmin

79    

1       

Müritz

61    

1       

Mecklenburg-Strelitz

71    

1       

Uecker-Randow

74    

1       

Ostvorpommern

84    

1       

Rügen 

77    

1       

Schwerin

152     

2       

Wismar

90    

1       

Rostock

397     

6       

Stralsund

82    

1       

Greifswald

170     

3       

Neubrandenburg

102     

2       

Gesamt:

2055   

32    

13

Zusätzlich zu den 32 Delegierten aus den Wahlkreisen können 9 Bewerber über die Landesliste gewählt werden. Neben den gewählten Mitgliedern werden zwei Repräsentanten von den Universitäten Rostock und Greifswald in die Kammerversammlung delegiert.

14

In dens 4/2014, S. 7, kündigte der Wahlleiter die Versendung der Briefwahlunterlagen am 3. April 2014 an die Praxen der Kammermitglieder an und teilte Einzelheiten zur Stimmabgabe mit. In derselben Nummer des dens wurden auf S. 4 – 7 die zehn Kandidaten der „Landesliste“ vorgestellt, jeweils mit Bild und kurzen Notizen zu beruflichem Werdegang, standespolitischen Aktivitäten und standespolitischen Vorstellungen. Die in den einzelnen Wahlkreisen nominierten Bewerber der Kreislisten wurden nicht landesweit vorgestellt.

15

In dens 6/2014, S. 6 f., veröffentlichte der Wahlleiter das Ergebnis der Kammersammlungswahlen. Hieraus geht u. a. hervor, dass an 2.049 Kammermitglieder die Wahlunterlagen verschickt wurden. Für die Wahlkreise wurde festgestellt, dass jeweils alle aufgestellten Kandidaten gewählt worden waren, mit Ausnahme von Ostvorpommern (einer von zweien), Rostock (sechs von sieben) und Neubrandenburg (zwei von dreien); ferner wurde die Wahl von neun (von zehn aufgestellten) Kandidaten der Landesliste festgestellt.

16

Entsprechend der erteilten Rechtsbehelfsbelehrung erhob der Kläger mit Schreiben vom 11. Juni 2014 gegen die Feststellung der Gültigkeit der Wahl bei der Wahlkommission Widerspruch. Diesen wies die Wahlkommission mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 2014 als zulässig, aber unbegründet zurück.

17

Mit der Klage vom 5. Oktober 2014 verfolgt der Kläger seine Wahlanfechtung weiter. Er macht geltend: Die Beklagte habe durch diverse öffentliche und durch Zeugen zu bestätigende Angriffe auf ihn und den ÄÖÜZ ihre Pflicht zur Neutralität während der Wahl und ihrer Vorbereitung verletzt. Die unter Verletzung des Wahlrechts gewählte 6. Kammerversammlung habe nicht wirksam eine neue Wahlordnung beschließen können. Diese verstoße auch wegen der erheblichen Unterschiede der Wahlkreise und der auf sie entfallenden Delegiertenzahlen erneut gegen § 15 Abs. 1 HeilBerG M-V und den darin festgelegten Grundsatz der Gleichheit der Wahl. Schließlich würden entgegen § 21 Abs. 2 Nr. 10 HeilBerG M-V frei gewordene Mandate nicht durch „Nachrücker“ nachbesetzt. Der Kläger beantragt,

18

festzustellen, dass die Wahl zur Kammerversammlung, 7. Amtsperiode, ungültig ist.

19

Die Beklagte beantragt

20

Klageabweisung

21

und weist die klägerischen Angriffe zurück.

22

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf das im Verfahren 7 A 1799/14 vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. jur. M. F., Ch., vom Juni 2014 zu Fragen der Ungültigkeit der streitgegenständlichen Wahl und außerdem auf die Gerichtsakten 6 A 1894/10, schließlich auf den Internetauftritt der Beklagten einschließlich des Archivs der Mitgliederzeitschrift dens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet.

25

Der Kläger kann, auch wenn er nicht selbst zu der Wahl kandidierte, nach § 16 Abs. 1 und 7 WahlO als wahlberechtigtes Kammermitglied verwaltungsgerichtlich gegen die Feststellung der Gültigkeit der Wahl (§ 14 Abs. 4 WahlO) vorgehen, zumal er das „Vorverfahren“ bei der Wahlprüfungskommission unter Einhaltung der Formalien und Fristen durchlief. Hilfsweise, bei Nichtanwendung der Vorschriften der WahlO, ergibt sich die Zulässigkeit nach Maßgabe der Gründe des Urteils vom 26. September 2012 – 6 A 1894/10 – aus den allgemeinen Grundsätzen über Wahlanfechtungs-Organstreitverfahren (s. S. 9 – 11 d. Abdrucks).

26

Der § 16 Abs. 3 WahlO widerspiegelnde Wortlaut des statthaften Feststellungsantrags im Sinne von § 43 Abs. 1 der VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – ist sachgerecht. Die Klage ist außerdem gegen die richtige Beklagte, um deren verfassungsmäßige Ordnung es geht, gerichtet (vgl. den Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. Mai 1993 – Bs III 555/92 –, juris Rdnr. 34 f.).

27

Die Klage ist auch begründet.

28

In Übereinstimmung mit allgemeinen Grundsätzen der Wahlprüfung schreibt § 16 Abs. 1a WahlO vor, dass die Wahlanfechtung nur darauf gestützt werden kann, dass gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit und das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung unterblieben ist und die Möglichkeit besteht, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis beeinflusst wurde. Soweit sich die Wahlkommission gehindert sah, Vorschriften der WahlO selbst zu verwerfen und daher auch nur auf ihre Gültigkeit zu prüfen, besteht diese Einschränkung für das Gericht nicht. Die nachfolgende Prüfung befasst sich nur mit den die klägerseits vorgebrachten Angriffen gegen die Gültigkeit der Wahl; bereits hiernach dringt die Anfechtung durch, wenn auch nicht aufgrund aller Anfechtungsgründe.

29

Soweit der Kläger - durchweg gegen ihn und den ÄÖÜZ-Landesverband gerichtete - Verletzungen des Neutralitätsgebots durch leitende Organe der Beklagten rügt, handelt es sich in der Sache um die Rüge von Verstößen gegen einen (ungeschriebenen) wesentlichen Verfahrensgrundsatz der Wahl. Dies trägt jedoch nicht die Feststellung der Kammer.

30

So nimmt der Kläger darauf Bezug, dass auf einer Sitzung der Kreisstellenvorsitzenden am 8. Januar 2014 der Präsident der Beklagten seine Sicht der Rechtsstreitigkeiten zu den Wahlen darstellte, wobei er erneut die Auffassung betonte, alle bis zur im Oktober 2013 eingetretenen Rechtskraft des Urteils vom 26. September 2012 gefassten Beschlüsse, auch über die Besetzung der Organe der Beklagten, seien wirksam, und dass der seine Rede zusammenfassende, landesweit allen Kammermitgliedern zur Verfügung gestellte Bericht (dens 2/2014, S. 4 ff.) im Zusammenhang mit der Schilderung der klägerischen neuen Rechtsbehelfe den Passus enthielt: „Allerdings hat der Kläger angekündigt, die Selbstverwaltung ,auf Jahre lahmzulegen‘.“ Der Kläger konnte hierzu allerdings seine Gegendarstellung vom 18. Februar 2014 veröffentlichen (dens 3/2014, S. 4), jedoch mit redaktioneller Anmerkung. Ferner führt der Kläger an, dass in derselben Nr. 2/2014 des dens (S. 27) ein Leserbrief des Kammermitglieds Dr. Sz., Ch-Dorf, erschien, der sich kritisch mit dem „editorial“ des Präsidenten in dens 12/2013, S. 1 („Nach der Wahl ist vor der Wahl“), auseinandersetzte, worauf der Vorstand der Beklagten unter der Überschrift „Lösungsvorschläge vermisst“ Stellung nahm (dens 2/2014, S. 27 f.), den Gang der rechtlichen Auseinandersetzungen und die Handlungsalternativen aus seiner Sicht darstellte und den Kläger kritisierte, mit dem man sich nicht werde vernünftig und konstruktiv einigen können. Der Kläger konnte auch hierzu eine Gegendarstellung vom 3. März 2014 veröffentlichen (dens 3/2014, S. 27 f.), ebenfalls mit redaktioneller Anmerkung. Zu beiden Gegendarstellungen 33

31

 hatte das Landgericht H-Stadt die Beklagte zunächst mit einstweiliger Verfügung vom 21. Februar 2014 – 3 O 139/14 – verpflichtet; diese war aber mit Urteil vom 28. Februar 2014 mangels Passivlegitimation der Beklagten aufgehoben worden. Weiter rügt der Kläger, dass der Vorstand der Beklagten im Schreiben vom 24. März 2014 „Kammerwahl – Aufruf zur Wahlbeteiligung“ an alle Mitglieder sich in scharfen Worten mit dem Verhalten des Klägers auseinandersetzte, der sich nicht einmal selbst für eine Wahl zur Verfügung gestellt habe, und Einzelheiten aus dem Gerichtsverfahren über die einstweilige Verfügung schilderte. In einem vom Kläger monierten Rundschreiben vom 17. Februar 2014 an die Mitglieder hatte das Versorgungswerk die „unangenehmen Konsequenzen“ des auf den Erfolg der Wahlanfechtung des ÄÖÜZ zurückzuführenden Fortfalls der Kammerversammlung 2013 beklagt, die u. a. keinen Jahresabschluss habe feststellen und keine Gremien habe entlasten und keine Renten- und Anwartschaftsanpassungen habe vornehmen können. Weitere Angriffe, so der Kläger, könnten von ihm benannte Zeugen darstellen. All dem braucht die Kammer nicht weiter nachzugehen.

32

Denn die Diskussion über die Rechtsbehelfe des Klägers scheint zwar in der Tat teilweise etwas exzessive Formen angenommen zu haben, und den offiziellen Verlautbarungen der Beklagtenseite ist vielfach eine Verbitterung über die Notwendigkeit der Befassung mit dem Wahlrecht und der Wiederholung von Wahlakten sowie über den Zeitverlust und über die Kosten der Wiederholungswahl anzumerken. Indessen ist eine Ergebnisrelevanz der gerügten Verstöße weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Kläger trat nicht zur Wahl an. Dass die in den Wahlkreisen Ostvorpommern, Rostock und Neubrandenburg nicht gewählten Kreiskandidaten und der zehnte Kandidat der „Landesliste“ wegen der Angriffe gegen ihn, den Kläger, nicht gewählt worden wären, trägt der Kläger nicht vor und ist auch sonst nicht ersichtlich. Andererseits wurden nach den Angaben der Beteiligten auch ÄÖÜZ-Mitglieder von den jeweils notwendigen 20 Wahlberechtigten für die „Landesliste“ bzw. fünf Wahlberechtigten für mehrere „Kreislisten“ nominiert (vgl. § 11 WahlO) und in die Kammerversammlung gewählt.

33

Der Kläger macht damit in der Sache lediglich geltend, dass wegen des durch die WahlO vorgeschriebenen Wahlverfahrens das seiner Ansicht nach vorzugswürdige Verhältniswahlverfahren immer noch nicht zur Anwendung kam, bei dem Listenwahlvorschläge verschiedener landesweit agierender Wahlvorschlagsträger die politischen Kräfte bündeln könnten, dass sein beharrliches Eintreten hierfür intensive Konflikte bewirkte und dass ferner diese Konflikte nicht nur bei ihm, sondern auch bei weiteren Mitgliedern der Beklagten die Motivation, sich zur Kammerversammlungswahl aufstellen zu lassen, in entscheidendem Maße beeinträchtigt hätten. Einflüsse auf das aktive Wahlverhalten der Kammermitglieder dagegen, insbesondere auf die jeweils getroffene Wahlentscheidung zugunsten oder zu Lasten eines der dann ohnehin nur in knappem Maße aufgestellten Kandidaten, behauptet sein Vorbringen nicht und lässt es auch sonst nicht erkennen. Eine solche allein mittelbare Auswirkung des gerügten Verhaltens der Organe der Beklagten stellt aber keinen Verfahrensverstoß bei der durchgeführten Wahl selbst dar.

34

Soweit der Kläger die Ungültigkeit der Wahl außerdem bereits daraus abzuleiten versucht, dass die WahlO (übrigens mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde Sozialministerium gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 HeilBerG M-V) von der Kammerversammlung der 6. Wahlperiode beschlossen wurde, deren Wahl nach gerichtlicher Feststellung ungültig war, überzeugt sein Vorbringen ebenfalls nicht. Es ist ein auch vorliegend anwendbarer Grundsatz des Körperschaftsverfassungsrechts, dass die Unwirksamkeit von Handlungen eines demokratisch legitimierten Körperschaftsorgans erst ab Rechtskraft der Feststellung der Ungültigkeit der Wahl des Organs auf diese gestützt werden kann und dass zuvor eine anhängige Wahlanfechtung als solche (abgesehen von Fällen krasser Wahlverstöße) unbeachtlich ist (vgl. etwa das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 1998 – 1 C 7.98 –, amtliche Sammlung BVerwGE Bd. 108, S. 169 [176 ff.], sowie den o. g. Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts, juris Rdnr. 41 ff.). Zu Unrecht will der Kläger diesen Grundsatz auf die Wirksamkeit allein weniger bedeutsamer „Geschäfte der laufenden Verwaltung“ beschränkt wissen. Entgegen seiner Auffassung hinderte eine von ihm unterstellte „strukturelle Befangenheit“ die nach „falschem Wahlrecht“ gewählte Kammerversammlung nicht, entsprechend ihrer Aufgabe nach § 21 und § 23 Abs. 2 Nr. 2 HeilBerG M-V eine für gültig befundene Wahlordnung zu beschließen, allein schon, weil hierfür kein anderer Satzunggeber in Betracht kommt. Es wäre allenfalls an eine Ersatzvornahme durch die Aufsichtsbehörde zu denken; eine derartige Möglichkeit besteht nach gesetzgeberischem Willen angesichts des Genehmigungserfordernisses jedoch allenfalls als ultima ratio.

35

Die (vom Kläger erst im gerichtlichen Verfahren gerügte) fehlende Nachbesetzung vakant gewordener Kammerversammlungsmandate ist mit § 18 Satz 2 WahlO begründbar. Soweit es um den früheren Beigeladenen zu 23) geht, ist ein Mandatsverlustgrund im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 2 HeilBerG M-V vorgetragen. Dass sein Ausscheiden dazu führt, dass der Wahlkreis Parchim-Nord durch keinen Kreisvertreter mehr in der Kammerversammlung vertreten ist - weil er der einzige Wahlkandidat war -, ist keine direkte Folge der Wahl, sondern allenfalls des durch die WahlO faktisch verknappten Aufkommens an „Nachrückern“; es beeinträchtigt allerdings die beabsichtigte Widerspiegelung der in den einzelnen Kreisstellen-Bezirken vorhandenen Mitgliederanteils in der Kammerversammlung. Für den früheren Beigeladenen zu 34) gab es auf der Landesliste einen designierten Nachrücker. Dieser hat aber nach Beklagtenvortrag „sein Mandat nicht angetreten“, was angesichts der gesetzlichen Möglichkeit des Mandatsverzichts wohl zulässig ist. Ein „Nachwahlverfahren“ sieht § 11 Abs. 3 Satz 4 ff. WahlO nur für den Fall eines bereits zum Wahltermin nicht hinreichenden Kandidatenaufkommens vor. Beide Problematiken sind allenfalls im Zusammenhang mit den allgemeinen Wahlrechtsgrundsätzen erörternswert und stellen keinen selbständigen Wahlanfechtungsgrund dar.

36

Ebenfalls ohne Erfolg bleibt die vom Kläger bei der Wahlkommission vorgetragene Rüge, dass die Wahlunterlagen statt an die bei der Ermittlung der Zahl der Wahlkreiskandidaten zugrunde gelegten 2.055 Wahlberechtigten nur an 2.049 wahlberechtigte Kammermitglieder verschickt wurden und dass die geringere Gesamtzahl auch zu einer geringeren Gesamtzahl der durch die Wahl zu besetzenden Mandate (40 statt 41) geführt hätte. Denn die Zahl von 2.055 Wahlberechtigten am 31. Januar 2014 war die bei bestandskräftigem Abschluss der Wählerlisten (§ 10 Abs. 2 ff. WahlO) ermittelte und daher nach § 4 Abs. 3 Satz 1 WahlO maßgebliche. Ihre Verringerung bis zur Durchführung der Wahl ist hiernach als solche unschädlich. Die Bestimmung der Größe von Wahlkreisen anhand amtlicher - und damit vielfach im Zeitpunkt der Wahl bereits überholter - statistischer Feststellungen ist im Wahlrecht allgemein gang und gäbe; dies gilt sowohl bei der Vergrößerung als auch bei der Verkleinerung von Bezugsgrößen. Im Übrigen erlangen neue Mitglieder der Beklagten, wie auch im Kommunalwahlrecht üblich, erst nach drei Monaten ihr aktives Wahlrecht (§ 17 Nr. 1 HeilBerG M-V), so dass allenfalls eine geringfügige Überrepräsentanz der in den einzelnen Wahlkreisen gewählten Delegierten der Kammerversammlung gegenüber denen der „Landesliste“ oder gegenüber der Gesamtzahl der Wahlberechtigten, jedoch keine Unterrepräsentanz die Folge sein könnte.

37

Mit Erfolg wendet sich der Kläger jedoch erneut gegen das von der WahlO vorgeschriebene und bei der angegriffenen Wahl angewandte Wahlsystem.

38

Die von Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht im vorigen Gerichtsverfahren geprüfte Wahlordnung von 2009 setzte sich in direkten und unüberbrückbaren Gegensatz zu der zur Zeit der Wahl von 2010 geltenden Fassung von § 15 Abs. 1 und 2 HeilBerG M-V. Ähnlich wie jetzt wieder die WahlO schrieb sie eine - „sogleich“ - in den Kreisstellen-Bezirken und auf Landesebene durchzuführende Mehrheitswahl mit unterschiedlich vielen Stimmen der Wahlberechtigten vor; dabei verlangte das Gesetz eine Wahl „nach den Grundsätzen der Verhältniswahl aufgrund von Listen- und Einzelwahlvorschlägen“, bei der jedes wahlberechtigte Mitglied eine Stimme haben solle (Absatz 1), und erlaubte nur im Fall, dass „für einen Wahlbereich nur ein gültiger Wahlvorschlag eingegangen“ wäre, eine Mehrheitswahl unter den Bewerbern dieses Wahlvorschlags, bei der die Zahl der abzugebenden Stimmen der der zu besetzenden Mandate entspräche (Absatz 2). Diese gesetzliche Vorgabe besteht allerdings seit Mitte 2011 nicht mehr.

39

Gefordert ist jedoch in § 15 Abs. 1 HeilBerG M-V - nach wie vor - eine „unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahl“. Dem Gebot der Gleichheit der Wahl genügt die angegriffene Wahl von 2014 zur Kammerversammlung der Beklagten nicht, was zu ihrer Ungültigkeit führt.

40

Die streitgegenständliche Wahl wurde erneut, und diesmal in vom HeilBerG M-V grundsätzlich zugelassener Weise, nach dem Prinzip der Mehrheitswahl durchgeführt, bei der nur diejenigen Kandidaten Mandate erlangen, auf die die meisten Stimmen entfallen, und nur die für diese Kandidaten abgegebenen Stimmen Erfolg im Sinne einer Repräsentation des Wählenden in der gewählten Körperschaft haben. In grundsätzlich zulässiger Weise wurde die Wahl dabei in verschiedenen Wahlgebieten durchgeführt, einem das ganze Landesgebiet umfassenden und weiteren regionalen, die den Kreisstellenbezirken entsprechen. Die Umsetzung dieser Grundentscheidungen durch den in der WahlO geregelten Wahlmodus hält jedoch nicht die Grenzen zulässiger satzungsrechtlicher Gestaltung ein, wie sie das gesetzliche Gebot der Gleichheit der Wahl vorgibt.

41

Bezogen auf parlamentarische Wahlen zur unmittelbaren Ausübung der Staatsgewalt in den Gebietskörperschaften besteht Einigkeit darüber, dass der Grundsatz der Gleichheit der Wahl die vom Demokratieprinzip vorausgesetzte Gleichberechtigung der Bürger sichert und eine der wesentlichen Grundlagen der Staatsordnung ist. Er gebietet, dass alle Wahlberechtigten das aktive und passive Wahlrecht möglichst in formal gleicher Weise ausüben können, und ist im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit zu verstehen (so etwa die Urteile des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 9. November 2011 – 2 BvC 4, 6 und 8/10 –, amtliche Sammlung BVerfGE Bd. 129, S. 300 [317], und vom 3. Juli 2008 – 2 BvC 1 und 7/07 –, BVerfGE Bd. 121, S. 266 [295], jew. m. w. Nachw.). Aus dem Grundsatz der Wahlgleichheit folgt für das Wahlgesetz, dass die Stimme eines jeden Wahlberechtigten grundsätzlich den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben muss. Alle Wähler sollen mit der Stimme, die sie abgeben, den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben. Dieser Maßstab wirkt sich in den Systemen der Mehrheits- und der Verhältniswahl unterschiedlich aus. Dem Zweck der Mehrheitswahl entspricht es, dass nur die für den Mehrheitskandidaten abgegebenen Stimmen zur Mandatszuteilung führen. Die auf den Minderheitskandidaten entfallenden Stimmen bleiben hingegen bei der Vergabe der Mandate unberücksichtigt. Die Wahlgleichheit fordert hier über den gleichen Zählwert aller Stimmen hinaus nur, dass bei der Wahl alle Wähler auf der Grundlage möglichst gleich großer Wahlkreise und von daher mit annähernd gleichem Stimmgewicht am Kreationsvorgang teilnehmen können. Hingegen bedeutet Wahlgleichheit bei der Verhältniswahl, dass jeder Wähler mit seiner Stimme den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung der Vertretung haben muss. Ziel des Verhältniswahlsystems ist es, dass alle Parteien in einem möglichst den Stimmenzahlen angenäherten Verhältnis in dem zu wählenden Organ vertreten sind. Zur Zählwertgleichheit tritt im Verhältniswahlrecht die Erfolgswertgleichheit hinzu (vgl. etwa die genannten Urteile vom 9. November 2011, BVerfGE Bd. 129, S. 300 [317 f.], und vom 3. Juli 2008, BVerfGE Bd. 121, S. 266 [295 f.]). In Systemen der Mehrheitswahl - wie im Streitfall - wird die notwendige ausreichende Gleichheitsgewähr der Wählerstimmen für den Zählwert und die Erfolgschance bei jeder nicht nur unerheblichen Kontingentierung der Sitze verfehlt; die Wahlgleichheit fordert, dass etwa bei der Personenwahl in Ein-Personen-Wahlkreisen die Wähler am Kreationsvorgang auf der Grundlage möglichst gleich großer Wahlkreise, bemessen nach der Zahl der in ihnen zusammengefassten wahlberechtigten Bevölkerung, und damit mit annähernd gleichem Stimmgewicht teilnehmen können (vgl. die Urteile des BVerfG vom 30. Juni 2009 – 2 BvE 2 und 5/08, 2 BvR 1010, 1022, 1259/08 und 182/09 –, BVerfGE Bd. 123, S. 267 [372 f.], und vom 10. April 1997 – 2 BvF 1/95 –, BVerfGE Bd. 95, S. 335 [353]). Aus dem formalen Charakter des Grundsatzes der Wahlrechtsgleichheit folgt daher, dass dem Gesetzgeber bei der Ordnung des Wahlrechts nur ein eng bemessener Spielraum für Differenzierungen verbleibt und dies zu ihrer Rechtfertigung stets eines besonderen, sachlich legitimierten Grundes bedürfen; dabei muss es sich um zwingende Gründe handeln, die durch die Verfassung legitimiert und von mindestens gleichem Gewicht wie die Gleichheit der Wahl sind (s. die Beschlüsse des BVerfG vom 31. Januar 2012 – 2 BvC 3/11 –, BVerfGE Bd. 130, S. 212 [227 f.], und vom 11. Oktober 1972 – 2 BvR 912/71 –, BVerfGE Bd. 34, S. 81 [98 f.], sowie dessen Urteil vom 25. Juli 2012 – 2 BvE 9/11, 2 BvF 3/11, 2 BvR 2670/11 –, BVerfGE Bd. 131, S. 316 [338], jew. m. w. Nachw.).

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So wurde mit der besonderen, historisch gewachsenen Konstruktion der ein Landesparlament darstellenden Bremischen Bürgerschaft als teilidentisch mit der Stadtvertretung der Stadtgemeinde Bremen das Bestehen zweier sehr verschieden großer, getrennt „abzurechnender“ und nebeneinander repräsentierter Wahlbereiche in Bremen und Bremerhaven legitimiert (Urteil des dortigen Staatsgerichtshofs vom 4. Mai 1981 – 1/80 –, amtliche Entscheidungssammlung StGHE Bd. 4, S. 111 ff.).

43

Außerhalb des parlamentarischen Bereichs wurden in der Rechtsprechung dagegen bisweilen sogar lediglich vor dem allgemeinen Gleichheitsgebot zu rechtfertigende Abweichungen des Stimmgewichts und der Beteiligungsrechte einzelner Wählergruppen bei der Wahl von Vertretungskörperschaften zugelassen, auch bei Verhältniswahlen; der Grundsatz der formalen Wahlrechtsgleichheit darf von Verfassungs wegen hier Einschränkungen erfahren. Für die Wahl des mit bloßen Mitwirkungsbefugnissen im Rahmen der Justiz-Personalverwaltung befassten Präsidialrats nach früherem niedersächsischem Landesrecht tolerierte das BVerfG die manche Wahlvorschlagsträger ausschließende Notwendigkeit, bei der Einreichung von Wahlvorschlägen jeweils einen Gerichtspräsidenten des jeweiligen Gerichtszweigs mit zu benennen, wegen des erkennbaren Bestrebens nach einer regional ausgewogenen Repräsentation des gesamten Spektrums der Richterschaft (Beschluss vom 16. Dezember 1975 – 2 BvL 7/74 –, BVerfGE Bd. 41, S. 1 [11 ff.]). Die getrennte Wahl unterschiedlich großer, aber gleich repräsentierter Hochschullehrerkollegien für ein erstmals zu besetzendes gemeinsames Vertretungsorgan der aus zwei früheren Hochschulen gebildeten neuen Hochschule wurde für eine Übergangszeit wegen der Sachgerechtigkeit der Gruppenbildung und -abgrenzung hingenommen (Beschluss des BVerfG vom 9. April 1975 – 1 BvL 6/74 –, BVerfGE Bd. 39, S. 247 [254 ff.]). Dass § 5 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern die Aufteilung der die Vollversammlung wählenden Kammerzugehörigen in besondere Wahlgruppen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Besonderheiten des Kammerbezirks sowie der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der Gewerbegruppen vorschreibt, wird angesichts der unterschiedlichen Anzahl von auf die Wahlgruppen entfallenden Sitzen in der Rechtsprechung gebilligt (s. etwa die Urteile des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Juni 1992 – 8 L 43/90 – und des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. März 2003 – 8 A 2398/02 –, Gewerbearchiv 1992, S. 420 [422], bzw. 2003, S. 378 [379 f.]).

44

Ähnliche Gestaltungen wären vielleicht grundsätzlich auch bei der Beklagten vor dem allgemeinen Gleichheitssatz zu rechtfertigen; indessen verpflichtete der Gesetzgeber des HeilBerG M-V 1993 die Satzunggeber der heilberuflichen Kammern zur Einhaltung der Wahlrechtsgrundsätze in der Bedeutung, die dem (demjenigen in Art. 38 Abs. 1 des Grundgesetzes entsprechenden) Wortlaut nach für Parlamente gilt, darunter auch dessen der Gleichheit der Wahl. Der Begründung des Regierungsentwurfs sind in diesem Zusammenhang keine Hinweise zu entnehmen, dass die „allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze“ (Landtags-Drucksache 1/1978, S. 53 zu § 15 und Seite 54 zu § 21 HeilBerG M-V) in einer besonderen Weise zu verstehen seien, zumal die Begründung zu § 21 HeilBerG M-V (a. a. O.) zusätzlich die „Beachtung“ der „verfassungsrechtlichen Grundsätze“ erwartet. Die Begründung zu § 16 (a. a. O., S. 54) forderte eine hinreichende Größe der heilberuflichen Kammerversammlungen, um die ausreichende Vertretung der Regionen und beruflichen Gruppen zu gewährleisten, dies allerdings vor dem Hintergrund des durch § 15 a. F. mit ähnlicher Begründung („annähernd maßstäbliche Abbildung aller standespolitischen Strömungen“, a. a. O., S. 53) eingeführten Verhältniswahlrechts. Die hieraus abzuleitende Orientierung u. a. des Begriffs der Wahlrechtsgleichheit am streng-formalen Verständnis im Bereich der allgemeinpolitischen Wahlen wurde durch die Änderung von § 15 HeilBerG M-V im Jahre 2011 nicht in Frage gestellt. Den öffentlich zugänglichen Materialien zu dieser Frage (dies ist nur die Begründung zum Regierungsentwurf, Landtags-Drucksache 5/4245) ist lediglich zu entnehmen, dass „die Vorgaben für die Wahl der Kammerversammlung … klarer und weniger einengend formuliert“ und „den Kammern überlassen werden“ solle, „in ihren Wahlordnungen näheres zur Wahl zu regeln. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob nach Listen- oder Einzelwahlvorschlägen gewählt werden soll.“ (a. a. O., S. 2, 29). Durch die Abschaffung des Verhältniswahlrechts mit Listenvorschlägen als „Primärwahlrecht“ kam der Landtag dem nach, soweit ersichtlich, ohne die Frage zu behandeln, ob das Gebot der Gleichheit der Wahl im vorliegenden Zusammenhang einen besonderen Inhalt haben könnte und ggf. welchen.

45

Ein streng-formales Verständnis im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des BVerfG erscheint auch daher gerechtfertigt, weil die Tätigkeit der Beklagten mittelbare Staatsverwaltung auf dem Gebiet der Belange ihrer Mitglieder darstellt und weil die Kammerversammlung vielfach wesentliche, den Rechtskreis der der Beklagten zwangsweise angehörenden Mitglieder gestaltende (und daher auch aufsichtsbehördlich genehmigungsbedürftige) Entscheidungen fällt.

46

Zur zulässigen „Streubreite“ der Größen von Wahlkreisen führte das BVerfG in frühen Entscheidungen (etwa dem Beschluss vom 22. Mai 1963 – 2 BvC 3/62 –) aus, auch eine in Einzelfällen die einfachgesetzlich vorgeschriebene Höchstgrenze von 33⅓ v. H. überschreitende Größendiskrepanz sei angesichts des Ausgleichs etwa durch Mechanismen der Verhältniswahl und durch die Bildung von Überhangmandaten noch kein Verstoß gegen die Wahlrechtsgleichheit, wenn sich der Gesetzgeber beizeiten um eine Anpassung des Zuschnitts der Wahlkreise bemühe (BVerfGE Bd. 16, S. 130 [138 f., 141 ff.). Im Urteil vom 10. April 1997 – 2 BvF 1/95 – (BVerfGE Bd. 95, S. 335 [364 f.]) verwarf es diese „bisher zugelassene Abweichungsgrenze“. Nach diesen Maßstäben muss die Wahlanfechtung des Klägers Erfolg haben, jedenfalls mangels notwendiger Anpassungen des Zuschnitts der Wahlkreise, der 2014 zu weitaus größeren Abweichungen führte.

47

Denn die nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 HeilBerG M-V rechnerisch jeweils 50 wahlberechtigte Kammermitglieder repräsentierenden Mitglieder der Kammerversammlung standen nur zu einem Teil, nämlich soweit sie mit jeweils mindestens 20 Unterstützer-Unterschriften auf der „Landesliste“ nominiert waren, für alle Kammermitglieder in gleicher Weise zur Wahl. Dies betraf zehn Kandidaten, von denen nach der Zahl der auf sie entfallenen Stimmen neun die für die „Landesliste“ nach § 4 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 WahlO zur Verfügung stehenden Mandate erhielten. Im Übrigen hatten die wahlberechtigten Kammermitglieder je nach ihrer Zugehörigkeit zu einem der 19 Wahlkreise die Möglichkeit, durch die Wahl lediglich die gemäß § 4 Abs. 3 WahlO auf diesen entfallenden Mandate zu besetzen, deren Anzahl eins (Mindestzahl nach § 4 Abs. 3 Satz 2 WahlO), zwei, drei oder sechs beträgt. Jedes einzelne Mitglied hatte daher, je nach dem Ort seiner Wahlkreiszugehörigkeit, insgesamt zehn Stimmen (in elf Wahlkreisen), aber auch elf (in sechs anderen Wahlkreisen), zwölf oder gar fünfzehn (in jeweils einem Wahlkreis); dabei dürfte die Wahlkreiszugehörigkeit - mangels Regelung in der WahlO - gemäß § 18 Abs. 3 der Satzung bzw. entsprechend § 2 Abs. 1 Nr. 2 HeilBerG M-V bestimmt worden sein. Dies macht, gemessen an der verbreiteten „Mindestausstattung“ mit Wahlstimmen, einen Unterschied von bis zu 50 % aus, was den Umfang betrifft, in welchem die einzelnen Mitglieder je nach ihrer Zugehörigkeit zu unterschiedlich mitgliederstarken Wahlkreisen auf die Zusammensetzung der Kammerversammlung Einfluss nehmen konnten.

48

Ein angemessener Ausgleich erfolgt nicht, denn gleichzeitig differiert die mitgliederbezogene Repräsentanz der den einzelnen Wahlkreisen zugewiesenen Mandatszahlen immer noch ganz erheblich, besonders bezogen auf die Vertretung der Angehörigen des einzelnen Wahlkreises im Kammerversammlungs-Plenum. Wie etwa auch in dem den Beteiligten bekannten Gutachten von Prof. Dr. F. festgestellt worden ist, gibt es aufgrund der Rundungen gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 WahlO, die vergleichsweise große Auswirkungen auf die jeweils sehr kleinen Mandatszahlen für die einzelnen Wahlkreise haben, Unterschiede zwischen den Zahlen der durch das Mandat repräsentierten Wahlberechtigten, die jenseits aller bisher verfassungsgerichtlich tolerierten „Streuwerte“ bei der Beurteilung der Chancengleichheit der Wähler bei einer Mehrheitswahl liegen. Neben den im Gutachten von Prof. Dr. F. aufgezeigten Modellfällen mit, wenn auch nach der WahlO bei leicht abweichenden Mitgliederzahlen naheliegenden, so doch hypothetischen Stimmenzahlen und -gewichten ergibt sich dies bei der streitgegenständlichen durchgeführten Wahl von 2014 beispielsweise aus der Gegenüberstellung der auf die Wahlkreise Parchim-Nord und Neubrandenburg einerseits sowie Wismar, Schwerin und Rostock andererseits entfallenden Repräsentanzwerte:

49

Für Parchim-Nord war nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 sowie Abs. 3 Satz 1 und 2 oder 3 WahlO zutreffend ein Mandat von den (bei der Berechnung zunächst ohne Anwendung von § 4 Abs. 4 WahlO abgerundet zugrunde zu legenden) insgesamt 31 Wahlkreismandaten (2.055 [Wahlberechtigte insgesamt am Stichtag] ÷ 50 [gesetzliches Quorum für ein Mandat] – 10 [grundsätzlich für die Landesliste vorgehaltene Mandate] ≈ 31) zur Verfügung gestellt worden:

50

50 [Wahlberechtigte im Wahlkreis am Stichtag] ÷ 2.055 [Wahlberechtigte insgesamt am Stichtag] × 31 ≈ 0,7543 ≈ 1 [weil mehr als 0,49 bzw. Wahlkreis-Grundmandat].

51

Auf das eine per Kreiswahl zu vergebende Mandat entfielen in Parchim-Nord 50 Wahlberechtigte, auf ein Mandat in der gesamten Kammerversammlung (ohne Fakultätsdelegierte) knapp 34 (50 [Wahlberechtigte] ÷ (1 [Wahlkreismandat] + 9 [nach Anwendung von § 4 Abs. 4 WahlO verbleibende Landeslistenmandate] ÷ 19 [Zahl der Kreisstellen-Wahlkreise]) ≈ 50 ÷ 1,4737 ≈ 33,9286).

52

Für Neubrandenburg waren nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 sowie Abs. 3 Satz 1 und 3 WahlO zutreffend zwei Mandate von den (als Berechnungsgröße anzusetzenden) 31 Wahlkreismandaten zur Verfügung gestellt worden:

53

102 [Wahlberechtigte im Wahlkreis am Stichtag] ÷ 2.055 [Wahlberechtigte insgesamt am Stichtag] × 31 ≈ 1,5387 ≈ 2 [weil mehr als 1,49].

54

Auf ein per Kreiswahl zu vergebendes Mandat entfielen in Neubrandenburg 51 Wahlberechtigte, auf ein Mandat in der gesamten zu wählenden Kammerversammlung gut 41 (102 [Wahlberechtigte] ÷ (2 [Wahlkreismandate] + 9/19 [anteilige Landeslistenmandate]) ≈ 102 ÷ 2,4737 ≈ 41,234).

55

Für Wismar war nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 sowie Abs. 3 Satz 1 und 3 WahlO ebenfalls ein Mandat von den (als Berechnungsgröße anzusetzenden) 31 Wahlkreismandaten zur Verfügung gestellt worden:

56

90 [Wahlberechtigte im Wahlkreis am Stichtag] ÷ 2.055 [Wahlberechtigte insgesamt am Stichtag] × 31 ≈ 1,3577 ≈ 1 [weil nicht mehr als 1,49].

57

Auf das per Kreiswahl zu vergebende Mandat entfielen in Wismar mithin 90 Wahlberechtigte, auf ein Mandat in der gesamten zu wählenden Kammerversammlung gut 61 (90 [Wahlberechtigte] ÷ (1 [Wahlkreismandat] + 9/19 [anteilige Landeslistenmandate]) ≈ 90 ÷ 1,4737 ≈ 61,0714).

58

Für Schwerin waren nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 sowie Abs. 3 Satz 1 und 3 WahlO ebenfalls zwei Mandate von den (als Berechnungsgröße anzusetzenden) 31 Wahlkreismandaten zur Verfügung gestellt worden:

59

152 [Wahlberechtigte im Wahlkreis am Stichtag] ÷ 2.055 [Wahlberechtigte insgesamt am Stichtag] × 31 ≈ 2,2929 ≈ 2 [weil weniger als 2,49].

60

Auf ein per Kreiswahl zu vergebendes Mandat entfielen in Schwerin 76 Wahlberechtigte, auf ein Mandat in der gesamten zu wählenden Kammerversammlung ebenfalls gut 61 (152 [Wahlberechtigte] ÷ (2 [Wahlkreismandate] + 9/19 [anteilige Landeslistenmandate]) ≈ 152 ÷ 2,4737 ≈ 61,4468).

61

Für Rostock, den bei weitem mitgliederstärksten Wahlkreis, waren nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 sowie Abs. 3 Satz 1 und 3 WahlO sechs Mandate von den (als Berechnungsgröße anzusetzenden) 31 Wahlkreismandaten zur Verfügung gestellt worden:

62

397 [Wahlberechtigte im Wahlkreis am Stichtag] ÷ 2.055 [Wahlberechtigte insgesamt am Stichtag] × 31 ≈ 5,9888 ≈ 6 [weil mehr als 5,49].

63

Auf ein per Kreiswahl zu vergebendes Mandat entfielen in Rostock 661/6 Wahlberechtigte, auf ein Mandat in der gesamten zu wählenden Kammerversammlung wiederum gut 61 (397 [Wahlberechtigte] ÷ (6 [Wahlkreismandate] + 9/19 [anteilige Landeslistenmandate]) ≈ 397 ÷ 6,4737 ≈ 61,3252).

64

Danach wurde bezogen auf das Stimmgewicht bei der Wahl in den Kreisstellenbezirken, wie gezeigt, in Parchim-Nord und Neubrandenburg (und außerdem nur in Ludwigslust) die vom Gesetz angeordnete Repräsentationsdichte von einem Delegierten je fünfzig Wahlberechtigte annähernd eingehalten (bei den für die Wahl 2014 ermittelten insgesamt 41 Mandaten entspricht dieser Mittelwert 1 : 505/41 [≈ 1 : 50,12195]). In Wismar, Schwerin und Rostock wurde sie dagegen um bis zu ca. 44 %, ca. 34 % bzw. ca. 24 % unterschritten. Diese Diskrepanz setzte sich in den Gesamt-Stimmgewichten fort (das in Parchim-Nord betrug knapp 48 % mehr als im Mittel und ca. 80 % mehr als in Wismar, Schwerin und Rostock; in den drei letztgenannten Wahlkreisen betrug das Stimmgewicht jeweils nur etwas über vier Fünftel des Mittelwerts). Vor diesem Hintergrund kommt die Kammer zu der Beurteilung, dass eine nicht mehr zu rechtfertigende extreme Abweichung von der Wahlrechtsgleichheit zu bemängeln ist, welche auf Unzulänglichkeiten bei der Dimensionierung und beim Zuschnitt der Wahlkreise beruht. Die Beklagte hat auch keine dem Gleichheitsgebot, geschweige denn vergleichbar zwingenden rechtlichen Anforderungen genügenden Gründe hierfür vorgetragen. Der Umstand allein, dass die Kreisstellen aus den ursprünglichen Land- und Stadtkreisen bei der Gründung der Kammer hervorgingen und dass über die Jahre einzelne Anpassungen an Veränderungen der Kreisstruktur vorgenommen wurden, genügt nicht. Vor dem Hintergrund der Geltung des einzigen gesetzlichen Prinzips, nämlich unter Wahrung der Chancengleichheit bei der Wahl einen Kandidaten je fünfzig Wahlberechtigte in die Kammerversammlung zu entsenden, sind insbesondere Entwicklungen nicht zu rechtfertigen wie die noch Ende 2012 erfolgte Teilung des Wahlkreises Parchim in Parchim und Parchim-Nord mit der Begründung, dass sich im unmittelbaren Parchimer Bereich die Zusammenarbeit ortsansässiger Kollegen besonders vorteilhaft gestaltet habe. Dass noch 2012 zwei ursprüngliche „Stadtkreise“ endlich mit ihren „Alt-Mantelkreisen“ zusammengelegt wurden (Wismar und Greifswald), lässt auch noch kein konsequent durchgesetztes Strukturprinzip erkennen, das etwa berücksichtigte, dass vielfach in den größeren Städten berufstätige Kammermitglieder im einem anderen Kreis zugehörigen Umland ihren Wohnsitz haben und daher wie die Mitglieder des „ländlichen“ Kreisstellenbezirks von manchen regional wirksamen Entscheidungen betroffen sein können.

65

Die Kammer sieht sich auch in Abwägung des Bestandsinteresses der nun einmal gewählten und handelnden Kammerversammlung gehalten, die ihren Fortbestand bis zum turnusgemäßen Ende der Wahlperiode ausschließende Wesentlichkeit des Wahlrechtsverstoßes zu bejahen. Nach der bereits im vorherigen Gerichtsverfahren erörterten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 8. Februar 2010 – AnwZ (B) 80 und 112/09 –, juris Rdnr. 22 m. Nachw. der Rechtsprechung des BVerfG) sind keine Gesichtspunkte für ein Überwiegen des Vertrauens auf ein gesetzmäßiges Zustandekommen der Kammerversammlung ersichtlich. Noch nach gerichtlicher Bemängelung der Wahlordnung von 2009 auch unter dem Gesichtspunkt des Zuschnitts der Wahlkreise (Urteil vom 26. September 2012 – 6 A 1894/10 –, S. 14 des Abdrucks, unter 3.) wurde 2012 die Wahlkreisstruktur im Wesentlichen bestätigt und 2013 die WahlO mit im Wesentlichen dem bisherigem Wahlmodus erlassen; die ernsthafte kurzfristige Korrektur dieser Entscheidungen ist unter den Mitgliedern der Beklagten noch umstritten.

66

Die Kostenentscheidung zu Lasten der unterlegenen Beklagten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; von einer Anordnung zugunsten von Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO sieht die Kammer nach billigem Ermessen ab, weil kein Beigeladener sich durch Sachantragstellung selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

67

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11 und § 711 der Zivilprozessordnung sowie § 167 VwGO.

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Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 22. Juni 2016 - 7 A 1773/14 zitiert 13 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern - IHKG | § 5


(1) Die Mitglieder der Vollversammlung werden von den Kammerzugehörigen gewählt. (2) Wählbar sind natürliche Personen, die das Kammerwahlrecht auszuüben berechtigt sind, am Wahltag volljährig sind und entweder selbst Kammerzugehörige sind oder allei

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Bundesverfassungsgericht Beschluss, 31. Jan. 2012 - 2 BvC 3/11

bei uns veröffentlicht am 31.01.2012

Tenor Die Wahlprüfungsbeschwerde wird zurückgewiesen. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die Hälfte se
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Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 08. Mai 2018 - 11 K 5637/15

bei uns veröffentlicht am 08.05.2018

Tenor 1. Hinsichtlich der Feststellungsanträge der Kläger zu 1 bis 3 wird das Verfahren eingestellt.2. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.3. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens zu je einem Viertel.4. Die Berufung wird zugelassen. Tatbes

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(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tenor

Die Wahlprüfungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die Hälfte seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

1

Die Wahlprüfungsbeschwerde richtet sich gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009. Der Beschwerdeführer macht Verstöße gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG) bei der Einteilung des Wahlgebiets geltend und rügt insbesondere, dass hierbei nicht auf die Zahl der Wahlberechtigten, sondern auf die deutsche Wohnbevölkerung abgestellt worden ist.

I.

2

1. Die Grundsätze für die Einteilung des Wahlgebiets in Wahlkreise sind in § 3 des Bundeswahlgesetzes (BWG) geregelt.

3

Die Zahl der Wahlkreise in den einzelnen Ländern muss deren Bevölkerungsanteil soweit wie möglich entsprechen. Dazu wird in einem näher geregelten Berechnungsverfahren ermittelt, wie viele der 299 Wahlkreise (vgl. § 1 Abs. 2 BWG) auf der Grundlage des jeweiligen Bevölkerungsanteils auf ein Land entfallen, wobei Zahlenbruchteile über 0,5 grundsätzlich auf die nächste ganze Zahl auf-, solche unter 0,5 abgerundet werden.

4

Bei der Wahlkreiseinteilung sind die Grenzen der Länder zwingend, die der kommunalen Gebietskörperschaften nach Möglichkeit einzuhalten. Ein Wahlkreis soll ein zusammenhängendes Gebiet bilden. Die Bevölkerungszahl eines Wahlkreises orientiert sich an der durchschnittlichen Bevölkerungszahl aller Wahlkreise und soll von dieser nicht um mehr als 15 % nach oben oder unten abweichen; bei einer Abweichung von mehr als 25 % ist eine Neuabgrenzung vorzunehmen. Bei der Ermittlung der Bevölkerungszahlen bleiben Ausländer im Sinne des Aufenthaltsgesetzes unberücksichtigt; hingegen gehen Deutsche, die nach den Vorschriften der §§ 12, 13 BWG nicht wahlberechtigt sind, in die Bevölkerungszahl ein.

5

Zur Einteilung des Wahlgebiets in Wahlkreise ist der Gesetzgeber berufen (vgl. § 2 Abs. 2 BWG). Eine vom Bundespräsidenten eingesetzte ständige Wahlkreiskommission beobachtet zu diesem Zweck laufend die Bevölkerungsentwicklung und unterbreitet erforderlichenfalls Änderungsvorschläge. Ein erster Bericht muss dem Bundesministerium des Innern innerhalb von fünfzehn Monaten nach Beginn der Wahlperiode vorliegen. Dieses leitet ihn unverzüglich dem Deutschen Bundestag zu und veröffentlicht ihn im Bundesanzeiger.

6

Die maßgeblichen Vorschriften des Bundeswahlgesetzes lauten auszugsweise wie folgt:

7

§ 3 Wahlkreiskommission und Wahlkreiseinteilung

8

(1) 1 Bei der Wahlkreiseinteilung sind folgende Grundsätze zu beachten:

9

1. Die Ländergrenzen sind einzuhalten.

10

2. 1 Die Zahl der Wahlkreise in den einzelnen Ländern muss deren Bevölkerungsanteil soweit wie möglich entsprechen. 2 Sie wird mit demselben Berechnungsverfahren ermittelt, das nach § 6 Abs. 2 Satz 2 bis 7 für die Verteilung der Sitze auf die Landeslisten angewandt wird.

11

3. Die Bevölkerungszahl eines Wahlkreises soll von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl der Wahlkreise nicht um mehr als 15 vom Hundert nach oben oder unten abweichen; beträgt die Abweichung mehr als 25 vom Hundert, ist eine Neuabgrenzung vorzunehmen.

12

4. Der Wahlkreis soll ein zusammenhängendes Gebiet bilden.

13

5. Die Grenzen der Gemeinden, Kreise und kreisfreien Städte sollen nach Möglichkeit eingehalten werden.

14

2 Bei Ermittlung der Bevölkerungszahlen bleiben Ausländer (§ 2 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes) unberücksichtigt.

15

(2) 1 Der Bundespräsident ernennt eine ständige Wahlkreiskommission. 2 Sie besteht aus dem Präsidenten des Statistischen Bundesamtes, einem Richter des Bundesverwaltungsgerichts und fünf weiteren Mitgliedern.

16

(3) 1 Die Wahlkreiskommission hat die Aufgabe, über Änderungen der Bevölkerungszahlen im Wahlgebiet zu berichten und darzulegen, ob und welche Änderungen der Wahlkreiseinteilung sie im Hinblick darauf für erforderlich hält. 2 Sie kann in ihrem Bericht auch aus anderen Gründen Änderungsvorschläge machen. 3 Bei ihren Vorschlägen zur Wahlkreiseinteilung hat sie die in Absatz 1 genannten Grundsätze zu beachten; ergeben sich nach der Berechnung in Absatz 1 Nr. 2 mehrere mögliche Wahlkreiszuteilungen, erarbeitet sie hierzu Vorschläge.

17

(4) 1 Der Bericht der Wahlkreiskommission ist dem Bundesministerium des Innern innerhalb von fünfzehn Monaten nach Beginn der Wahlperiode des Deutschen Bundestages zu erstatten. 2 Das Bundesministerium des Innern leitet ihn unverzüglich dem Deutschen Bundestag zu und veröffentlicht ihn im Bundesanzeiger. 3 Auf Ersuchen des Bundesministeriums des Innern hat die Wahlkreiskommission einen ergänzenden Bericht zu erstatten; für diesen Fall gilt Satz 2 entsprechend.

18

(5) (…)

19

Die in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 BWG in Bezug genommene Vorschrift des § 6 Abs. 2 BWG galt für die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Juli 1993 (BGBl I S. 1288, 1594), zuletzt geändert mit Wirkung vom 21. März 2008 durch das Gesetz zur Änderung des Wahl- und Abgeordnetenrechts vom 17. März 2008 (BGBl I S. 394), und lautete:

20

§ 6 Wahl nach Landeslisten

21

(1) (…)

22

(2) 1 Die nach Absatz 1 Satz 3 verbleibenden Sitze werden auf die Landeslisten auf der Grundlage der nach Absatz 1 Sätze 1 und 2 zu berücksichtigenden Zweitstimmen wie folgt verteilt. 2 Jede Landesliste erhält so viele Sitze, wie sich nach Teilung der Summe ihrer im Wahlgebiet erhaltenen Zweitstimmen durch einen Zuteilungsdivisor ergeben. 3 Zahlenbruchteile unter 0,5 werden auf die darunter liegende ganze Zahl abgerundet, solche über 0,5 werden auf die darüber liegende ganze Zahl aufgerundet. 4 Zahlenbruchteile, die gleich 0,5 sind, werden so aufgerundet oder abgerundet, dass die Gesamtzahl der zu vergebenden Sitze eingehalten wird; ergeben sich dabei mehrere mögliche Sitzzuteilungen, so entscheidet das vom Bundeswahlleiter zu ziehende Los. 5 Der Zuteilungsdivisor ist so zu bestimmen, dass insgesamt so viele Sitze auf die Landeslisten entfallen, wie Sitze zu vergeben sind. 6 Dazu wird zunächst die Gesamtzahl der Zweitstimmen aller zu berücksichtigenden Landeslisten durch die Gesamtzahl der nach Absatz 1 Satz 3 verbleibenden Sitze geteilt. 7 Entfallen danach mehr Sitze auf die Landeslisten als Sitze zu vergeben sind, ist der Zuteilungsdivisor so heraufzusetzen, dass sich bei der Berechnung die zu vergebende Sitzzahl ergibt; entfallen zu wenig Sitze auf die Landeslisten, ist der Zuteilungsdivisor entsprechend herunterzusetzen.

23

(3) bis (6) (…)

24

2. Die Wahlkreiseinteilung für die hier angefochtene Wahl ergibt sich aus dem Achtzehnten Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 17. März 2008 (BGBl I S. 316). Das Gesetz folgt im Wesentlichen den Vorschlägen der Wahlkreiskommission für die 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, die mit Bericht vom 29. November 2006 (BTDrucks 16/4300) sowie mit ergänzendem Bericht vom 10. Juli 2007 (BTDrucks 16/6286) vorgelegt worden waren. Dem Gesetz liegen die Zahlen der deutschen Bevölkerung nach der amtlichen Statistik zum Stand 31. Dezember 2006 zugrunde (vgl. BTDrucks 16/7462, S. 58).

II.

25

Mit Schreiben vom 14. Oktober 2009 legte der Beschwerdeführer Einspruch gegen das Ergebnis der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag ein. Unter Berufung auf Art. 38 Abs. 1 GG machte er in erster Linie geltend, ein gleiches Gewicht der Erststimmen sei nicht gewährleistet gewesen, weil die Wahlkreise nicht ungefähr die gleiche Zahl an Wahlberechtigten umfasst hätten. Im Einzelnen rügte er:

26

1. Die Einteilung der Wahlkreise hätte nicht auf der Grundlage der deutschen Wohnbevölkerung erfolgen dürfen, sondern sich auf die Zahl der Wahlberechtigten stützen müssen. Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 BWG, nach welcher bei der Einteilung der Wahlkreise auf den Bevölkerungsanteil beziehungsweise die Bevölkerungszahl abzustellen sei, berücksichtige unter Verstoß gegen Art. 38 Abs. 1 GG auch nicht stimmberechtigte Deutsche. Deren Anteil sei in den einzelnen Ländern und noch mehr in den einzelnen Wahlkreisen jedoch unterschiedlich hoch. Deshalb weiche die zur Erlangung eines Direktmandats erforderliche Stimmenzahl in den einzelnen Wahlkreisen teilweise erheblich von der Stimmenzahl ab, die erforderlich wäre, wenn man lediglich auf die Wahlberechtigten abstellte. Aufgrund der unrichtigen Bemessungsgrundlage sei ein gleicher Erfolgswert der Erststimmen nicht gewährleistet gewesen.

27

2. Ausgehend von der Zahl der Wahlberechtigten - anstelle der deutschen Bevölkerung - hätten mehrere Wahlkreise gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BWG neu zugeschnitten werden müssen, weil sich dann eine Abweichung gegenüber dem Durchschnitt von über 15 %, teilweise über 20 % und in einem Fall (Wahlkreis Deggendorf) über 25 % ergebe. Die Zuschnitte wirkten sich auf die Mandatsverteilung aus. Insbesondere bei den Wahlkreisen mit einer Abweichung von über 15 %, jedoch unter 25 %, sei die Abweichung teilweise erheblich größer als der Abstand zwischen Wahlkreissieger und "Erstunterlegenem". Der Wahlkreis Deggendorf weiche auch unter Zugrundelegung der deutschen Wohnbevölkerung in einer mit § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BWG nicht im Einklang stehenden Größe von 24,42 % vom Bundesdurchschnitt ab.

28

3. Ferner habe die Verlagerung zweier Wahlkreise in andere Länder im Vorfeld der angefochtenen Wahl zu einer gleichheitswidrigen Verteilung der Erfolgschancen von Wählerstimmen geführt: Bei einer Abweichung um mehr als 0,5 von der errechneten Maßzahl - gleich ob als Berechnungsgrundlage die deutsche Wohnbevölkerung oder die Zahl der Wahlberechtigten herangezogen werde - sei die Zahl der Wahlkreise anzupassen. Unter beiden Gesichtspunkten sei die Verlagerung je eines Wahlkreises aus den Ländern Sachsen und Sachsen-Anhalt in die Länder Baden-Württemberg und Niedersachsen nicht gerechtfertigt gewesen.

29

4. Außerdem machte der Beschwerdeführer geltend, bereits vor der Wahl hätte die Einteilung der Wahlkreise einschließlich der Daten über die jeweiligen Anteile der deutschen Bevölkerung und der Wahlberechtigten allgemein zugänglich gemacht werden müssen.

III.

30

Mit Beschluss vom 10. Februar 2011 wies der Deutsche Bundestag den Wahleinspruch als unbegründet zurück.

31

1. Die Einteilung der Wahlkreise auf der Grundlage der deutschen Wohnbevölkerung entspreche § 3 BWG. Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften sei dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. Dieses habe mit Kammerbeschluss vom 18. Juli 2001 (2 BvR 1252-57/99) ausdrücklich festgestellt, dass der Gesetzgeber den ihm hinsichtlich der Einteilung des Wahlgebietes in Wahlkreise zustehenden Beurteilungsspielraum mit § 3 Abs. 1 BWG in verfassungskonformer Weise ausgefüllt habe.

32

2. Hinsichtlich des Zuschnitts einzelner Wahlkreise sei gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BWG auf die deutsche Wohnbevölkerung abzustellen. Der in der Vorschrift genannte Grenzwert von 25 % für eine zwingende Neueinteilung sei in keinem Fall erreicht gewesen. Soweit die Soll-Grenze von 15 % überschritten worden sei, habe der Gesetzgeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Wahlkreiskontinuität im Rahmen seines Beurteilungsspielraumes von einer Änderung abgesehen, soweit nicht bis zur nächsten Bundestagswahl eine Überschreitung der Grenze von 25 % gedroht habe.

33

3. Bei der Verlagerung von zwei Wahlkreisen von Sachsen und Sachsen-Anhalt nach Baden-Württemberg und Niedersachsen durch das Achtzehnte Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes habe der Deutsche Bundestag ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs den Grundsatz der Wahlgleichheit unter allen Gesichtspunkten berücksichtigt. Danach sei eine Neuverteilung der Wahlkreise gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BWG für erforderlich gehalten worden, weil die Zahl der Wahlkreise - ausgehend von dem Stand der deutschen Bevölkerung zum Stichtag 31. Dezember 2006 - in den betreffenden Ländern nicht mehr deren Bevölkerungsanteil entsprochen habe. Die Begründung stütze sich auf vorbereitende Berichte der Wahlkreiskommission. Nach deren Berechnungen habe die jeweilige Bevölkerungszahl eine Aufrundung auf 38 Wahlkreise (Baden-Württemberg, rechnerisch 37,714) und 30 Wahlkreise (Niedersachsen, rechnerisch 29,685) gerechtfertigt. Demgegenüber sei für Sachsen (rechnerisch 16,448) und Sachsen-Anhalt (rechnerisch 9,542) unter zusätzlicher Berücksichtigung eines beobachteten kontinuierlichen Bevölkerungsrückgangs zu Recht eine Abrundung vorgenommen worden.

34

4. Eine Verpflichtung des Bundeswahlleiters zur Veröffentlichung statistischer Daten zu den einzelnen Wahlkreisen (deutsche Wohnbevölkerung und Zahl der Wahlberechtigten) bestehe nicht. Jedem Wahlberechtigten sei es möglich, vor der Wahl die Einteilung der Wahlkreise nachzuvollziehen, weil die relevanten Daten in einem öffentlichen Gesetzgebungsverfahren vom Bundesgesetzgeber als Anlage zum Bundeswahlgesetz verabschiedet würden.

IV.

35

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner am 29. März 2011 eingegangenen Wahlprüfungsbeschwerde.

36

1. Er rügt, durch die Einteilung der Wahlkreise auf der Grundlage der deutschen Wohnbevölkerung werde der Grundsatz der Wahlgleichheit nach Art. 38 Abs. 1 GG verletzt. Das Stimmgewicht der Wahlberechtigten werde verzerrt, weil der Anteil der nicht wahlberechtigten Deutschen in den einzelnen Wahlkreisen unterschiedlich hoch sei. Der Beschwerdeführer legt dies anhand statistischer Daten dar, welche den Berichten der Wahlkreiskommission sowie den vom Bundeswahlleiter im Internet veröffentlichten Wahlergebnissen und Strukturdaten entnommen sind. Indem man die deutsche Wohnbevölkerung zugrunde lege, unterstelle man unzulässigerweise, dass die Wahlberechtigten ihre Stimme auch im Sinne der nicht Wahlberechtigten abgäben. Das Bundesverfassungsgericht habe bislang nicht ausdrücklich entschieden, dass § 3 Abs. 1 BWG insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Nach dem Repräsentationsgedanken des Art. 38 GG seien die Abgeordneten zwar Vertreter des ganzen Volkes, sie seien jedoch nur von einem Teil des Volkes, den Wahlberechtigten, gewählt. Die Zahl der für ein Direktmandat erforderlichen Stimmen schwanke zwischen den einzelnen Wahlkreisen erheblich.

37

2. Der Beschwerdeführer rügt außerdem, bei der Einteilung der Wahlkreise habe der Gesetzgeber den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum gleichheitswidrig verletzt, weil nahezu jeder fünfte Wahlkreis die Schwelle des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BWG von 15 % überschreite. Dabei sei im Vergleich der Bundestagswahlen seit 2002 eine immer weitergehende Überschreitung festzustellen. In den bevölkerungsreichsten Wahlkreisen betrage das Gewicht einer Stimme in Relation zum bevölkerungsärmsten Wahlkreis nur ca. 60 - 65 %. Die Orientierung an der Zahl der Wahlberechtigten sowie die Einhaltung der Grenze von 15 % hätte in bis zu fünfzehn Wahlkreisen zu anderen Wahlkreissiegern führen können. Auch hätte bei der Wahlkreiseinteilung nicht auf die im Bundeswahlgesetz nicht vorgesehenen Prinzipien der Wahlkreiskontinuität, der Wahrung regionaler Besonderheiten und der demokratischen Repräsentation zurückgegriffen werden dürfen.

38

3. Bei der Umverteilung der Wahlkreise zu Lasten von Sachsen und Sachsen-Anhalt hätte ebenfalls auf die Zahl der Wahlberechtigten abgestellt werden müssen. Das auf dieser Grundlage ermittelte Rechenergebnis (der Beschwerdeführer gibt an: 17,2408 für Sachsen und 10,0274 für Sachsen-Anhalt) hätte keine Reduzierung der Zahl der Wahlkreise auf 16 beziehungsweise neun Wahlkreise gerechtfertigt. Auch wenn man auf die Bevölkerungszahl abstelle, sei der Wahlkreisverlust zu Lasten Sachsen-Anhalts ungerechtfertigt, weil mit einem Wert von 9,5422 der Grenzwert von 0,5 nicht unterschritten sei. Auf die seinerzeit zu erwartende und später auch tatsächlich eingetretene Bevölkerungsentwicklung hätte man nicht abstellen dürfen, weil Stichtag der 31. Dezember 2006 gewesen sei. Die Entscheidung des Bundestages sei insoweit auch widersprüchlich, weil sie an anderer Stelle - bei der Überschreitung der Grenze von 15 % im Rahmen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BWG - eine verfestigte Bevölkerungsentwicklung nicht berücksichtige.

39

4. Schließlich gebiete der aus Art. 38 und Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG herzuleitende Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl, dass alle wesentlichen Schritte der Wahl öffentlich überprüfbar seien. Deshalb müssten Zuschnitt und Größe der Wahlkreise einschließlich der zur Überprüfung der Einhaltung der Toleranzgrenzen erforderlichen Informationen (deutsche Wohnbevölkerung und Zahl der Wahlberechtigten) bereits vor den Wahlen ohne Mühe öffentlich zugänglich sein. Außerdem müssten die für die Abwägungsentscheidung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BWG relevanten Erwägungen veröffentlicht werden.

V.

40

1. Dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung, dem Bundeswahlleiter, dem Statistischen Bundesamt und den Bundesverbänden der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien ist Gelegenheit gegeben worden, zu der Wahlprüfungsbeschwerde Stellung zu nehmen. Der Bundesrat hat von einer Äußerung abgesehen. Das Bundesministerium des Innern hat auf seine Stellungnahme gegenüber dem Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages Bezug genommen.

41

2. Der Deutsche Bundestag hält die Wahlprüfungsbeschwerde für unbegründet. Die Wahlkreiseinteilung nach § 3 Abs. 1 BWG auf der Grundlage der deutschen Wohnbevölkerung sei verfassungsgemäß. Das Bundesverfassungsgericht habe die Regelung in der Vergangenheit nie beanstandet. Auch das Bundesverwaltungsgericht sowie mehrere Landesverfassungsgerichte hielten eine Wahlbezirkseinteilung anhand der Einwohnerzahl für zulässig. Bei der Schaffung des Grundgesetzes sei ebenfalls davon ausgegangen worden, dass sich die Wahlkreiseinteilung künftig an der Zahl der Einwohner orientieren werde. Bei der Bemessung des Stimmgewichts der Länder im Bundesrat stelle das Grundgesetz in Art. 51 Abs. 2 GG ebenfalls auf die Einwohnerzahl ab. Das Verhältnis zwischen der Zahl der Wahlberechtigten und der deutschen Wohnbevölkerung sei im Übrigen annähernd proportional; auch die deutsche Wiedervereinigung habe insoweit zu keiner erheblichen Verschiebung geführt. Die Reformkommission zur Größe des Deutschen Bundestages habe 1997 trotz Abweichungen des Minderjährigenanteils in den Ländern vom Bundesdurchschnitt von bis zu fünf Prozentpunkten keinen Anlass gesehen, die Einteilung auf der - wenngleich möglicherweise genaueren - Grundlage der Wahlberechtigten vorzunehmen. Da sich die Abweichungen seither noch verringert hätten, bestehe auch weiterhin kein Anlass zur Änderung der Einteilungsgrundlage.

42

Die Wahlkreiseinteilung auf der Grundlage der deutschen Wohnbevölkerung entspreche auch dem Grundsatz der demokratischen Repräsentation. Die Abgeordneten seien Vertreter des gesamten Volkes, nicht nur der Wahlberechtigten. Unter diesem Gesichtspunkt sei eine Beeinträchtigung der Wahlrechtsgleichheit gerechtfertigt. Dem stehe nicht entgegen, dass der einzelne Abgeordnete nicht nur das Volk in seinem Wahlkreis, sondern jeweils die gesamte deutsche Bevölkerung repräsentiere. Ebenso wie die nicht Wahlberechtigten repräsentiere der Abgeordnete im Übrigen auch diejenigen Bürger, die von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch machten und die beim Wahlkreiszuschnitt nicht außer Betracht gelassen würden. Es sei auch keine Gleichbehandlung der nicht Wahlberechtigten mit den in Deutschland lebenden Ausländern geboten, die nach dem heute geltenden Wahlrecht bei der Wahlkreiseinteilung nicht berücksichtigt würden; denn die staatsrechtliche Repräsentation beziehe sich nach der Präambel des Grundgesetzes sowie aufgrund der in Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 2, Art. 116 GG getroffenen Grundentscheidungen nur auf das deutsche Volk. Dem Gesetzgeber sei es zwar nicht verwehrt, bei der Wahlkreiseinteilung anstelle der deutschen Wohnbevölkerung die Zahl der Wahlberechtigten zugrunde zu legen, hierzu verpflichtet sei er jedoch nicht.

43

Der Anteil der nicht wahlberechtigten Deutschen in einem Wahlkreis sei außerdem nur einer von mehreren Faktoren, die Einfluss auf das Gewicht einer Erststimme hätten. Daneben komme es auch auf die Wahlbeteiligung und die Zahl der ungültigen Stimmen an. Unterschiede ergäben sich außerdem durch die zulässigen Abweichungen von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BWG) sowie durch die geographischen Vorgaben in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 5 BWG. Die von dem Beschwerdeführer bezifferten Unterschiede im Anteil der nicht Wahlberechtigten ließen daher keine Rückschlüsse auf das Gewicht der Erststimmen zu. Den der Beschwerdeschrift zugrunde gelegten Strukturdaten lasse sich außerdem nicht die Zahl der nicht wahlberechtigten Deutschen entnehmen, weil die Statistik auch Ausländer und Staatenlose umfasse.

44

Soweit in Ländern mit einer hohen Zahl an Wahlkreisen die Entstehung von Überhangmandaten begünstigt werde, bewege sich die Zahl der Überhangmandate jedenfalls noch in dem vom Bundesverfassungsgericht für zulässig erklärten Rahmen. Angesichts der Zugrundelegung der deutschen Wohnbevölkerung seien die Wahlkreise gesetzeskonform unter Beachtung der in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 BWG eingeteilt worden. Die Heranziehung von Kriterien wie der Kontinuität der Wahlkreiseinteilung oder der territorialen Verankerung sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässig.

45

Auch der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl sei nicht verletzt. Dieser beziehe sich nicht auf vorbereitende Schritte wie die Einteilung der Wahlkreise. Davon abgesehen würden die der Wahlkreiseinteilung zugrunde gelegten Daten als Bundestagsdrucksachen veröffentlicht.

46

3. Der Präsident des Statistischen Bundesamtes hat sich zu den der Wahlprüfungsbeschwerde zugrunde liegenden statistischen Daten geäußert und diese ergänzt. Die Differenzen beim Anteil nicht wahlberechtigter Deutscher in den Ländern hätten sich nach dem Schlussbericht der Reformkommission zur Größe des Deutschen Bundestages von 1997 - bei inzwischen umgekehrten Vorzeichen bezüglich alter und neuer Länder - weiter verringert; die Abweichung vom Bundesdurchschnitt habe zum 31. Dezember 2008 keine 5 % mehr erreicht; die Spannbreite der Abweichungen habe nur noch 6,3 % betragen.

47

Im Übrigen führt er aus, die Auswirkungen des Anteils der Wahlberechtigten auf das Stimmgewicht seien nur für atypische Idealbedingungen berechenbar. Hinsichtlich der gerügten Überschreitungen der in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BWG festgelegten Grenzen habe die Wahlkreiskommission jede Überschreitung der Soll-Marke von 15 % im Einzelnen geprüft und jeweils das Absehen von einem Änderungsvorschlag begründet.

B.

48

Die Wahlprüfungsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Wahl geltend macht. Insoweit entspricht sie nicht den Begründungsanforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 48 Abs. 1 2. Halbsatz BVerfGG, wonach mit einer Wahlprüfungsbeschwerde ein Wahlfehler substantiiert darzulegen und zu erläutern ist, inwiefern dieser die Mandatsverteilung beeinflussen kann (vgl. BVerfGE 58, 175 f.; 59, 119 <123>; 79, 173; stRspr). Mit der auf den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl gestützten Rüge, Informationen über Zuschnitt und Größe der Wahlkreise einschließlich der Daten, die zur Überprüfung der Einhaltung der gesetzlichen Toleranzgrenzen erforderlich sind, hätten bereits vor den Wahlen öffentlich zugänglich gemacht werden müssen, wird die Möglichkeit eines mandatsrelevanten Wahlfehlers nicht dargetan.

49

1. Der in der Beschwerde herangezogene Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl beansprucht nur im Zusammenhang mit dem eigentlichen Wahlvorgang Geltung. Zwar gebieten die in Art. 38 Abs. 1 GG niedergelegten Wahlgrundsätze in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG, dass alle wesentlichen Schritte der Wahl öffentlich überprüfbar sind. Dies gilt allerdings nur für das Wahlvorschlagsverfahren, die Wahlhandlung und die Ermittlung des Wahlergebnisses (vgl. BVerfGE 121, 266 <291 ff.>; 123, 39 <68>). Die der Wahl vorausgehenden normativen Entscheidungen des Gesetz- und Verordnungsgebers unterliegen zwar ebenfalls einem Öffentlichkeitsgebot. Dieses ist in den jeweils zu beachtenden Verfahrensvorschriften jedoch in spezieller Weise ausgestaltet und nicht vom Schutzbereich der Öffentlichkeit der Wahl erfasst. Gründe für eine abweichende Betrachtung führt die Beschwerde nicht an.

50

2. Daneben lässt die Beschwerde auch nicht erkennen, inwiefern das Unterlassen einer Veröffentlichung von Informationen über den Zuschnitt von Wahlkreisen im Vorfeld der Wahl für sich genommen Einfluss auf die Mandatsverteilung haben könnte.

51

3. Ungeachtet dessen legt der Beschwerdeführer auch nicht dar, dass Informationen über die Wahlkreiseinteilung für die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag nicht in ausreichendem Maße allgemein zugänglich gewesen seien. Das Verfahren der Einteilung der Wahlkreise ist in seinen wesentlichen Schritten öffentlich: Das Bundesministerium des Innern veröffentlicht die Berichte der Wahlkreiskommission im Bundesanzeiger (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 2 BWG). Die Erwägungen der Wahlkreiskommission zur Einteilung der Wahlkreise, welche auch Angaben zur Bevölkerung im Wahlgebiet enthalten, werden außerdem im Rahmen des wiederum öffentlichen Gesetzgebungsverfahrens als Bundestagsdrucksachen publiziert (vgl. für die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag, BTDrucks 16/4300, 16/6286 - Berichte der Wahlkreiskommission -; BTDrucks 16/7462 - Gesetzentwurf -). Den Ausführungen des Beschwerdeführers ist nicht zu entnehmen, inwiefern von Verfassungs wegen eine weitergehende Veröffentlichung von Informationen geboten sein könnte.

C.

52

Im Übrigen ist die Wahlprüfungsbeschwerde zulässig, aber unbegründet.

53

Eine Wahlprüfungsbeschwerde ist begründet, wenn bei der Wahl in mandatsrelevanter Weise gegen Wahlrechtsgrundsätze des Grundgesetzes oder Wahlrechtsvorschriften verstoßen worden ist. Anders als dem Deutschen Bundestag obliegt es dem Bundesverfassungsgericht dabei, neben der zutreffenden Anwendung auch die Verfassungsmäßigkeit der maßgeblichen Vorschriften des Wahlrechts zu überprüfen (vgl. BVerfGE 16, 130 <135 f.>; 121, 266 <295>). Einen Wahlfehler in diesem Sinne zeigt die Wahlprüfungsbeschwerde nicht auf.

I.

54

Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit (Art. 38 Abs. 1 GG) ist bei der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag nicht deshalb verletzt worden, weil für die Einteilung des Wahlgebiets nach § 3 Abs. 1 BWG auf die deutsche Wohnbevölkerung einschließlich der nicht Wahlberechtigten abgestellt worden ist.

55

1. a) Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG bestimmt, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt werden. Aus dem Grundsatz der Wahlgleichheit folgt für das Wahlgesetz, dass die Stimme jedes Wahlberechtigten den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben muss. Dieses Gleichheitserfordernis, das sich historisch besonders gegen eine unterschiedliche Gewichtung der Stimmen nach der Person des Wählers, seiner Zugehörigkeit zu einer Klasse oder seinen Vermögensverhältnissen wandte, ist wegen seines Zusammenhangs mit dem Demokratieprinzip als Forderung nach einer Gleichheit im strengen und formalen Sinne zu verstehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. November 2011 - 2 BvC 4/10, 6/10, 8/10 -, juris, Rn. 78; BVerfGE 11, 351 <360 f.>; 82, 322 <337>; 95, 335 <353>; 95, 408 <417>; 124, 1 <18>; stRspr).

56

b) Die Vorgaben der Wahlgleichheit wirken sich in den Systemen der Mehrheits- und der Verhältniswahl unterschiedlich aus. Dem Zweck der - hier in erster Linie in den Blick zu nehmenden, da die Wahl der Abgeordneten in den Wahlkreisen (§ 5 BWG) betreffenden - Mehrheitswahl entspricht es, dass nur die für den Mehrheitskandidaten abgegebenen Stimmen zur Mandatszuteilung führen. Die auf die Minderheitskandidaten entfallenden Stimmen bleiben hingegen bei der Vergabe der Mandate unberücksichtigt. Die Wahlgleichheit fordert dabei über den gleichen Zählwert aller Stimmen hinaus nur, dass bei der Wahl alle Wähler auf der Grundlage möglichst gleich großer Wahlkreise und daher mit voraussichtlich annähernd gleichem Stimmgewicht am Kreationsvorgang teilnehmen können (vgl. BVerfGE 95, 335 <353>; 121, 266 <295 f.>; 124, 1 <18>).

57

c) Hinsichtlich der Verteilung der Wahlkreise auf die Länder folgt das Erfordernis möglichst gleich großer Wahlkreise auch aus dem Bestreben, die Zahl von Überhangmandaten - ungeachtet der mit diesen grundsätzlich verbundenen Fragen - möglichst gering zu halten (vgl. BVerfGE 16, 130 <139 f.>). Neben anderen Faktoren begünstigt bei einem auf die deutsche Wohnbevölkerung abstellenden Wahlkreiszuschnitt ein überdurchschnittlicher Anteil von Kindern und Jugendlichen in den Wahlkreisen eines Landes das Entstehen von Überhangmandaten, weil eine geringere Zahl Wahlberechtigter im Wahlkreis zur Folge hat, dass ein Wahlkreismandat mit einer vergleichsweise geringeren absoluten Stimmenzahl zu erringen ist. Häufen sich in einem Land derartige Abweichungen, so gewinnen Direktmandate gegenüber dem Zweitstimmenergebnis insgesamt an Gewicht, und die Zahl von Überhangmandaten kann zunehmen (vgl. Bundeswahlleiter, in: BVerfGE 95, 335 <346>; s. auch Henkel, BayVBl 1974, S. 483 <485>).

58

d) Die gleiche Größe der Wahlkreise ist im geltenden Wahlsystem sowohl für den einzelnen Wahlkreis als auch berechnet auf die Bevölkerungsdichte jedes Landes Bedingung der Wahlgleichheit (vgl. BVerfGE 95, 335 <363>). Diese muss nicht nur zwischen den Ländern, sondern auch im Vergleich aller Wahlkreise untereinander gewährleistet sein (vgl. BVerfGE 16, 130 <141>; BVerfG, Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Juli 2001 - 2 BvR 1252-57/99 -, NVwZ 2002, S. 71 <72>).

59

e) Für die Beurteilung, ob jeder Erststimme gleiche Erfolgschancen zukommen, kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse bei der Entscheidung des Gesetzgebers über die Wahlkreiseinteilung an (vgl. BVerfGE 95, 335 <353, 363>; Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen, Urteil vom 5. November 2004 - St 2/04 -, juris, Rn. 41). Freilich ist der Gesetzgeber lediglich gehalten, die rechtlichen Bedingungen gleicher Erfolgschancen sicherzustellen. Er hat hingegen nicht das tatsächliche Stimmgewicht in seine Überlegungen mit einzubeziehen, weil dieses von weiteren Faktoren - insbesondere der Wahlbeteiligung und der Zahl der ungültigen Stimmen - beeinflusst wird, die sich vor der Wahl nicht mit der erforderlichen Sicherheit prognostizieren lassen.

60

f) Der Grundsatz der Wahlgleichheit verpflichtet den Gesetzgeber auch, die Einteilung der Wahlkreise regelmäßig zu überprüfen und erforderlichenfalls zu korrigieren (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. November 2011 - 2 BvC 4/10, 6/10, 8/10 -, juris, Rn. 90; s. auch Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen, Urteil vom 5. November 2004 - St 2/04 -, juris, Rn. 72). Diese Verpflichtung bezieht sich zunächst auf den konkreten Zuschnitt der Wahlkreise und beinhaltet, dass der Gesetzgeber Abweichungen in der Wahlkreisgröße vom Bundesdurchschnitt auf das verfassungsrechtlich zulässige Maß zurückzuführen hat (vgl. BVerfGE 16, 130 <142>). Die erforderlichen Vorarbeiten sind einfachgesetzlich in den Bestimmungen des § 3 Abs. 2 bis Abs. 4 BWG über die ständige Wahlkreiskommission normiert. Dabei erstreckt sich die Verpflichtung des Gesetzgebers zur Überprüfung und Korrektur der Wahlkreiseinteilung auf die ihr zugrunde liegenden Kriterien. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Wahlgleichheit bezieht sich auf den gesamten Kreationsvorgang (vgl. BVerfGE 95, 335 <353>; 121, 266 <295>). Die aus der Wahlgleichheit herzuleitende Anforderung möglichst gleich großer Wahlkreise beansprucht für alle Stufen der Wahlkreiseinteilung gleichermaßen Geltung. Auch die Grundlagen der Wahlkreiseinteilung sind daher im Hinblick auf die Wahlgleichheit regelmäßig zu überprüfen und erforderlichenfalls zu korrigieren.

61

2. a) Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit unterliegt keinem absoluten Differenzierungsverbot. Allerdings folgt aus dem formalen Charakter des Grundsatzes der Wahlrechtsgleichheit, dass dem Gesetzgeber bei der Ordnung des Wahlrechts nur ein eng bemessener Spielraum für Differenzierungen bleibt (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. November 2011 - 2 BvC 4/10, 6/10, 8/10 -, juris, Rn. 91; BVerfGE 124, 1 <19>; stRspr). Differenzierungen bedürfen daher zu ihrer Rechtfertigung stets eines besonderen, sachlich legitimierten Grundes. Differenzierungen im Wahlrecht können durch Gründe gerechtfertigt werden, die durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sind, das der Wahlgleichheit die Waage halten kann (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. November 2011 - 2 BvC 4/10, 6/10, 8/10 -, juris, Rn. 87; BVerfGE 95, 408 <418>; 121, 266 <297>; 124, 1 <19>).

62

b) Insbesondere bei der Einteilung des Wahlgebietes in gleich große Wahlkreise steht dem Gesetzgeber ein gewisser Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 95, 335 <364>).

63

Bei der Einschätzung der die Grundlage der Gestaltungsentscheidungen bildenden tatsächlichen Gegebenheiten steht dem Gesetzgeber ein Spielraum bereits deshalb zu, weil sich der Grundsatz der Wahlgleichheit bei der Wahlkreiseinteilung nur näherungsweise verwirklichen lässt. So sind bei der Verteilung der Wahlkreise auf die Länder entsprechend ihren Bevölkerungsanteilen Abbil-dungsunschärfen hinzunehmen. Auch ist die Bevölkerungsverteilung einem steten Wandel unterworfen (vgl. BVerfGE 16, 130 <141>). Daher nimmt etwa eine - aus Gründen der Wahlorganisation erforderliche - Stichtagsregelung den unvermeidlichen Umstand in Kauf, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse bis zum Wahltag wieder verändern werden. Darüber hinaus ist der Gesetzgeber auch nicht gehalten, bei seiner Gestaltungsentscheidung tatsächliche Gegebenheiten bereits dann zu berücksichtigen, wenn diese ihrer Natur oder ihrem Umfang nach nur unerheblich oder von vorübergehender Dauer sind; vielmehr darf er darauf abstellen, ob sich eine beobachtete Entwicklung in der Tendenz verfestigt (vgl. BVerfGE 16, 130 <141 f.>).

64

aa) Dementsprechend wird die Strenge der Gleichheitsanforderung dadurch gemildert, dass die Wahlkreise im Verhältnis der Bevölkerungsanteile auf die einzelnen Länder zu verteilen sind (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BWG). Es kommt hinzu, dass jeder Wahlkreis nach dem Gedanken einer territorialen Verankerung des im Wahlkreis gewählten Abgeordneten zugleich ein zusammengehörendes und abgerundetes Ganzes bilden soll (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 5 BWG) und dass sich die historisch verwurzelten Verwaltungsgrenzen nach Möglichkeit mit den Wahlkreisgrenzen decken sollen. Die durch die Erststimme geknüpfte engere persönliche Beziehung der Wahlkreisabgeordneten zu dem Wahlkreis, in dem sie gewählt worden sind, bedarf zudem einer gewissen Kontinuität der räumlichen Gestalt des Wahlkreises (vgl. BVerfGE 95, 335 <364>). In Anbetracht des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums unterliegt es daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BWG bei der Wahlkreiseinteilung gewisse Abweichungen in der Bevölkerungszahl zulässt (vgl. BVerfGE 95, 335 <364 f.>; BVerfG, Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Juli 2001 - 2 BvR 1252-57/99 -, NVwZ 2002, S. 71 <72>; entsprechend zum Wahlrecht in den Ländern, Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Juni 2007 - 1/06 -, juris, Rn. 61, 64; Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 10. Oktober 2001 - Vf. 2-VII-01 u. a. -, NVwZ-RR 2002, S. 473 <474>).

65

bb) Auch bei der Ausfüllung seines Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit, zu beachten. Dazu gehört, dass er verpflichtet ist, das ausgewählte Wahlsystem in seinen Grundelementen folgerichtig zu gestalten, und dass er keine strukturwidrigen Elemente einführen darf (vgl. BVerfGE 120, 82 <103 f.>).

66

3. Die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Grenzen des Gestaltungs- und Beurteilungsspielraums unterliegt jedenfalls einer strengen verfassungsgerichtlichen Überprüfung, soweit mit Regelungen, die die Bedingungen der politischen Konkurrenz berühren, die parlamentarische Mehrheit gewissermaßen in eigener Sache tätig wird und die Gefahr besteht, dass die jeweilige Parlamentsmehrheit sich statt von gemeinwohlbezogenen Erwägungen vom Ziel des eigenen Machterhalts leiten lässt (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. November 2011 - 2 BvC 4/10, 6/10, 8/10 -, juris, Rn. 91; BVerfGE 120, 82 <113>). Zu diesen Regelungen gehören grundsätzlich auch die Entscheidungen des Gesetzgebers über die Einteilung des Wahlgebiets in Wahlkreise.

67

4. Die in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Wahlrechtsgleichheit gebietet im Grundsatz eine Einteilung der Wahlkreise auf der Grundlage der Zahl nur der Wahlberechtigten.

68

a) Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit der Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen bei der Wahlkreiseinteilung auch die Zahl der minderjährigen Deutschen berücksichtigt werden darf, bislang nicht näher befasst. Zwar ist es von einer Bemessung der Wahlkreise nach der Zahl der in ihnen zusammengefassten deutschen Bevölkerung ausgegangen (vgl. BVerfGE 16, 130 <140>; 95, 335 <353>; BVerfG, Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Juli 2001 - 2 BvR 1252-57/99 -, NVwZ 2002, S. 71 <72>), hat dies allerdings keiner verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen.

69

b) Anknüpfungspunkt des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 38 Abs. 1 GG sind die Wahlberechtigten (vgl. BVerfGE 1, 208 <244>; 95, 335 <353>; 124, 1 <18>; stRspr), nicht die Wohnbevölkerung. Die Wahlgleichheit ist an die Trägerschaft von Rechten, konkret des Wahlrechts, gekoppelt. Das Gleichheitserfordernis beansprucht Geltung im Verhältnis der Wahlberechtigten untereinander (vgl. Masing, Wahlkreiseinteilung und kommunale Gebietsgrenzen, 2001, S. 28). Bei der Mehrheitswahl verlangt die Wahlrechtsgleichheit, dass alle Wähler über den gleichen Zählwert ihrer Stimmen hinaus mit annähernd gleicher Erfolgschance am Kreationsvorgang teilnehmen können (vgl. BVerfGE 95, 335 <353>; 121, 266 <295>). Der Gesetzgeber hat daher eine Bemessungsgrundlage für die Wahlkreiseinteilung zu wählen, die die Chancengleichheit aller an der Wahl Beteiligten wahrt. Dementsprechend hat er dafür Sorge zu tragen, dass jeder Wahlkreis möglichst die gleiche Zahl an Wahlberechtigten umfasst (vgl. bereits Henkel, BayVBl 1974, S. 483 <485>).

70

c) Die Wahlrechtsgleichheit wird allerdings auch bei Heranziehung der deutschen Wohnbevölkerung als Bemessungsgrundlage nicht beeinträchtigt, solange sich der Anteil der Minderjährigen an der deutschen Bevölkerung regional nur unerheblich unterscheidet. Bei einer annähernd gleichen Verteilung der Minderjährigen auf die Wahlkreise ist in allen Wahlkreisen weitgehend dieselbe Stimmenzahl erforderlich, um ein Mandat zu erringen. Die Berücksichtigung auch der nicht Wahlberechtigten ist daher jedenfalls solange unbedenklich, wie sich die deutsche Wohnbevölkerung annähernd proportional zur Zahl der Wahlberechtigten verhält. Erst wenn sich nicht nur unerhebliche Abweichungen zwischen der Bevölkerung und der Zahl der Wahlberechtigten ergeben, kann eine Änderung der Wahlkreiseinteilung geboten sein. Die Überprüfungspflicht des Gesetzgebers (oben C. I. 1. f) erstreckt sich auch hierauf.

71

d) In diesem Verfahren bedarf es keiner Entscheidung, ob, worauf namentlich der Deutsche Bundestag in seiner Stellungnahme hinweist, eine erhebliche Beeinträchtigung der Wahlrechtsgleichheit, die dadurch verursacht wird, dass die Wahlkreiseinteilung auf der Grundlage der deutschen Wohnbevölkerung erfolgt, über den Grundsatz demokratischer Repräsentation gerechtfertigt werden könnte. Der Gesetzgeber hat sich von derartigen Erwägungen, die eine Aufspaltung des in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Prinzips der umfassenden Repräsentation voraussetzen würde, nicht leiten lassen, sondern stellte allein auf die hinreichend gleiche Verteilung der Minderjährigen ab (vgl. Reformkommission zur Größe des Deutschen Bundestages, Zwischenbericht vom 8. Mai 1996, BTDrucks 13/4560, S. 13 f.; Schlussbericht vom 17. Juni 1996, BTDrucks 13/7950, S. 14 f.). Dieser Aspekt genügt auch für die Beurteilung der Wahlkreiseinteilung zur Wahl zum 17. Deutschen Bundestag.

72

5. Der tatsächliche Anteil Minderjähriger an der Bevölkerung in den Ländern und in den Wahlkreisen ist zwar geeignet, die Annahme des Gesetzgebers einer annähernd gleichmäßigen Verteilung über das Wahlgebiet in Frage zu stellen (a). Die Wahlkreiseinteilung für die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag genügt jedoch den Anforderungen des Grundsatzes der Wahlgleichheit (b). Allerdings wird der Gesetzgeber bei der Wahlkreiseinteilung künftig den Anteil Minderjähriger an der Bevölkerung sowohl bezogen auf die Länder als auch auf die einzelnen Wahlkreise in den Blick zu nehmen haben (c).

73

a) aa) Der Wahlgesetzgeber hat eine Wahlkreiseinteilung auf der Grundlage der deutschen Wohnbevölkerung bislang im Hinblick darauf für zulässig erachtet, dass sich der Anteil der Minderjährigen an der deutschen Bevölkerung regional nicht in zu berücksichtigender Weise unterscheidet.

74

Die Reformkommission zur Größe des Deutschen Bundestages hat die Bemessungsgrundlage nach § 3 Abs. 1 BWG in den Jahren 1995 bis 1997 überprüft, letztlich jedoch bestätigt (vgl. BTDrucks 13/4560, S. 13 f.; 13/7950, S. 14 f.). Die Empfehlung der Reformkommission, bei der Bestimmung der Bevölkerungszahlen für die Wahlkreiseinteilung auch künftig von der gesamten deutschen Wohnbevölkerung auszugehen, stützt sich darauf, dass nach dem vorhandenen Datenmaterial keine erheblichen und dauerhaften Unterschiede bei der Verteilung der minderjährigen Deutschen über das Wahlgebiet festzustellen seien. In dem untersuchten Zeitraum, der die Jahre 1990 bis 1995 umfasste, war der Anteil der Minderjährigen in den neuen Ländern rückläufig, während er in den alten Ländern zunahm. Auf dieser Grundlage ging die Reformkommission von einer fortschreitenden Angleichung des Minderjährigenanteils in den Ländern aus.

75

Inwieweit der Anteil Minderjähriger in den einzelnen Wahlkreisen vom Bundesdurchschnitt abweicht, hat die Reformkommission ausweislich der veröffentlichten Berichte nicht untersucht. Insoweit scheint sie ebenfalls von einer annähernden Gleichverteilung ausgegangen zu sein.

76

Seither hat der Deutsche Bundestag die Bemessungsgrundlage ersichtlich nicht erneut in Frage gestellt. Bei der Einteilung der Wahlkreise für die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag ist der Stand der deutschen Bevölkerung ohne besondere Begründung zugrunde gelegt worden (vgl. den Entwurf eines Achtzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes, BTDrucks 16/7462, S. 58 ff.).

77

bb) Der Anteil Minderjähriger an der deutschen Bevölkerung hat sich jedoch nicht als so gleichmäßig erwiesen, dass Unterschiede in der regionalen Verteilung ohne Weiteres zu vernachlässigen sind. Dies ergibt sich aus dem vorliegenden statistischen Material sowohl zum 31. Dezember 2006, auf welchen Zeitpunkt sich der Entwurf des Achtzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (BTDrucks 16/7462) bezogen hat, als auch zum 31. Dezember 2008, dem Zeitpunkt, der der Wahlkreiseinteilung im Achtzehnten Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 17. März 2008 (BGBl I S. 316) zeitlich am nächsten liegt, und aus den Zahlen der Wahlberechtigten am Wahltag. Diese Daten entsprechen im Wesentlichen den vom Beschwerdeführer ermittelten.

78

(1) Zwar erreichte im Ländervergleich die Abweichung des Minderjährigenanteils vom Bundesdurchschnitt (16,9 %) maximal - 4,6 Prozentpunkte (Sachsen-Anhalt), und die Spannbreite der Abweichungen lag bei lediglich 6,3 Prozentpunkten. Dies liegt in dem Rahmen dessen, was der Gesetzgeber als hinnehmbar erachtet hat. Ein anderes Bild ergibt sich jedoch, wenn man die einzelnen Wahlkreise gegenüberstellt. Der Minderjährigenanteil reichte dort von 22,9 % im Wahlkreis 33 (Cloppenburg-Vechta; die Beschwerde geht hier von 22,6 % aus) bis zu 11,5 % im Wahlkreis 71 (Dessau-Wittenberg). Damit ergibt sich eine Spannbreite von 11,4 (nach der Beschwerde 11,1) Prozentpunkten. Diese liegt erheblich über der im Ländervergleich bestehenden Spannbreite.

79

(2) Der unterschiedliche Minderjährigenanteil ist im Hinblick auf den voraussichtlichen Erfolgswert der Wählerstimmen allerdings nicht isoliert, sondern in Verbindung mit den im Rahmen der Toleranzgrenzen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BWG in Kauf genommenen Abweichungen der Bevölkerungszahlen zu bewerten. So wird etwa der dem Erfolgswert einer Stimme abträgliche Effekt einer überdurchschnittlichen Bevölkerungszahl eines Wahlkreises gemindert, wenn dort auch überdurchschnittlich viele Minderjährige wohnhaft sind, weil dann die Zahl der Wahlberechtigten den Durchschnitt weniger weit übersteigt. Der Einfluss des unterschiedlichen Minderjährigenanteils auf die Erfolgschance einer Stimme wird daher erst sichtbar, wenn man die Zahl der Wahlberechtigten in den Wahlkreisen vergleicht und diese mit den vom Gesetzgeber herangezogenen Bevölkerungszahlen in Beziehung setzt. Stellt man auf die Zahl der Wahlberechtigten am Wahltag ab, ergibt sich - unter Inkaufnahme einer kleinen Unschärfe im Hinblick darauf, dass die Wahlkreiseinteilung zu einem anderen Zeitpunkt erfolgt ist - folgendes Bild:

80

Der Wert des Wahlkreises 227 (Deggendorf) unterschritt bei Zugrundelegung der Zahl der Wahlberechtigten den Durchschnittswert um 25,6 %, so dass die Grenze des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 2. Halbsatz BWG nicht mehr eingehalten gewesen wäre. In zwei Wahlkreisen lag die Abweichung bei Zugrundelegung der Zahl der Wahlberechtigten zwar noch unterhalb, jedoch deutlich näher an der Grenze von 25 % als auf der Grundlage der deutschen Wohnbevölkerung (Wahlkreis 55 , + 23,2 % statt + 20,4 %, und Wahlkreis 70 , + 22,3 % statt + 16,0 %). In weiteren zwölf Wahlkreisen, bei denen auf der Grundlage der deutschen Wohnbevölkerung die Soll-Grenze von 15 % nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 1. Halbsatz BWG eingehalten war, war diese bei Zugrundelegung der Zahl der Wahlberechtigten über- beziehungsweise unterschritten.

81

b) Dieser Befund erschüttert zwar die Annahme einer flächendeckend gleichmäßigen Verteilung der nicht wahlberechtigten Deutschen, begründet jedoch auch unabhängig von der Frage einer Rechtfertigung durch den Repräsentationsgrundsatz nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG noch keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit bei der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag.

82

Der Gesetzgeber hat sich bei der Wahlkreiseinteilung zur Wahl des 17. Deutschen Bundestages an die in § 3 Abs. 1 BWG selbst gesetzten Vorgaben gehalten und damit die mit diesen Vorgaben zur Wahrung der Wahlrechtsgleichheit verfolgten Ziele einer transparenten und folgerichtigen Gesetzgebung beachtet. Die Ausgestaltung der Regeln des § 3 Abs. 1 BWG beruht auf der Annahme einer im Wesentlichen gleichmäßigen Verteilung der minderjährigen Deutschen im Wahlgebiet. Diese Annahme ist für die Verteilung der Wahlkreise auf die Länder nach wie vor berechtigt (aa), gilt allerdings für den Zuschnitt der Wahlkreise nicht mehr ohne Weiteres, was indes für die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag nicht berücksichtigt werden musste (bb).

83

aa) Die Reformkommission zur Größe des Deutschen Bundestages war bei dem von ihr vorgenommenen Ländervergleich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Abweichungen des Minderjährigenanteils vom Bundesdurchschnitt bei abnehmender Tendenz zuletzt nur noch von - 4,3 bis + 3,6 Prozentpunkte betrugen (vgl. BTDrucks 13/7950, S. 15), und hatte diese Abweichungen für hinnehmbar erachtet. Der Gesetzgeber ist dieser Einschätzung gefolgt, und der Senat sieht keinen Anlass, diese Einschätzung verfassungsrechtlich anzuzweifeln.

84

Die von der Reformkommission beobachtete Tendenz hat sich fortgesetzt und zwischenzeitlich dazu geführt, dass sich die Minderjährigenquote, wenn man die neuen und die alten Länder gegenüberstellt, mit umgekehrten Vorzeichen vom Bundesdurchschnitt entfernt. Während der Minderjährigenanteil nach den von der Reformkommission verwendeten Daten 1995 trotz abnehmender Tendenz in allen neuen Ländern noch über dem Bundesdurchschnitt von 18,9 % lag (die Unterschiede reichten von + 0,6 Prozentpunkten in Sachsen bis + 3,6 Prozentpunkten in Mecklenburg-Vorpommern; vgl. BTDrucks 13/7950, S. 15), war er dort zum 31. Dezember 2008 nach den vom Statistischen Bundesamt mitgeteilten Daten auf teilweise deutlich unterdurchschnittliche Werte gesunken und betrug zwischen 12,3 % in Sachsen-Anhalt und 13,2 % in Brandenburg; dies entspricht Abweichungen vom Bundesdurchschnitt (16,9 %) von - 4,6 bis - 3,7 Prozentpunkten. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sowohl die maximale Abweichung (- 4,6 Prozentpunkte in Sachsen-Anhalt) als auch die Spannbreite der Abweichungen (6,3 Prozentpunkte) nicht den Rahmen dessen verlassen haben, was den Gesetzgeber im Anschluss an den Bericht der Reformkommission bewogen hat, unverändert an der Bezugsgröße der deutschen Wohnbevölkerung festzuhalten.

85

bb) Die für die Ermittlung der Zahl der Wahlkreise in den Ländern gültige Annahme einer bundesweit gleichmäßigen Verteilung der minderjährigen Deutschen kann indes nicht unbesehen auf den Zuschnitt der einzelnen Wahlkreise übertragen werden. Zwar war die Zahl der betroffenen Wahlkreise gering; auch hätten die unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen nicht durchweg gravierende Änderungen zur Folge haben müssen. Gleichwohl können diese potentiellen Beeinträchtigungen der Wahlrechtsgleichheit nicht grundsätzlich unberücksichtigt bleiben. Hätte der Gesetzgeber bei der Einteilung der einzelnen Wahlkreise auf die Zahl der Wahlberechtigen abgestellt, hätte er in einer Reihe von Fällen zumindest zusätzliche Erwägungen anstellen müssen, um dem Gebot annähernd gleicher Erfolgschancen der Erststimmen ohne Veränderung der Wahlkreise Rechnung zu tragen. Das Unterbleiben derartiger Erwägungen begründet indes keinen Wahlfehler.

86

Bei der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag waren insoweit vergleichsweise wenige Fälle betroffen, die zudem ganz überwiegend keine erheblichen Abweichungen von den gesetzlichen Vorgaben aufwiesen. Lediglich in einem Fall (Wahlkreis 227 ) stand die Einhaltung der Grenze des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 2. Halbsatz BWG von 25 % - und dies nur knapp - in Rede, in weiteren vierzehn Fällen wären hinzukommende oder verstärkte Abweichungen vom Durchschnitt zwischen 15 und 25 % zu bewältigen gewesen. Bei den übrigen der insgesamt 299 Wahlkreise hätte sich die Größenabweichung hingegen auch bei Zugrundelegung der Zahl der Wahlberechtigten in derselben gesetzlichen Kategorie bewegt, wie sie sich auf der Grundlage der deutschen Wohnbevölkerung ergab.

87

Da die Annahme einer annähernd gleichen auch regionalen Verteilung der minderjährigen Deutschen bis dahin nicht in Frage gestellt worden war und da - bei einer hypothetischen Betrachtung - eine Beeinträchtigung der Wahlrechtsgleichheit durch die Anknüpfung an die Wohnbevölkerung allenfalls marginal ausfällt, ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Wahlkreiseinteilung zur Wahl des 17. Deutschen Bundestages insoweit ohne Kontrollüberlegungen mit Rücksicht auf die Verteilung der Wahlberechtigten vorgenommen hat. Das Bundesverfassungsgericht hat keinen Anlass, die konkrete Wahlkreiseinteilung einer weitergehenden Überprüfung zu unterwerfen, weil vor dem genannten Hintergrund Interessenkonflikte im Bereich der Gesetzgebung hier ausgeschlossen werden können.

88

c) Der Gesetzgeber ist jedoch gehalten, bei der Wahlkreiseinteilung künftig den Anteil der Minderjährigen an der Bevölkerung zu berücksichtigen. Er hat dabei sowohl die Werte in den Ländern als auch im Vergleich zwischen den einzelnen Wahlkreisen einschließlich der Tendenzen bei der Bevölkerungsentwicklung in den Blick zu nehmen. Sollte die Entwicklung zu einer erheblichen Ungleichverteilung zwischen den Ländern führen, wird der Gesetzgeber zu prüfen haben, ob er die Maßstabsnorm des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BWG ändert. Soweit es lediglich um einzelne Wahlkreise betreffende Abweichungen von der durchschnittlichen Verteilung der minderjährigen Deutschen geht, kann neben den bei der Wahlkreiseinteilung bereits bislang zu berücksichtigenden Aspekten wie etwa der territorialen Verankerung des im Wahlkreis gewählten Abgeordneten, den historisch gewachsenen Verwaltungsgrenzen und einer gewissen Kontinuität der räumlichen Gestalt des Wahlkreises (vgl. BVerfGE 95, 335 <364>) künftig auch der Anteil der minderjährigen Deutschen in die Entscheidung über den Zuschnitt der Wahlkreise einbezogen werden.

II.

89

Soweit der Beschwerdeführer - unabhängig von der Bemessungsgrundlage -Verstöße gegen die 15 %-Sollgrenze des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BWG rügt, ist ein Wahlfehler ebenfalls nicht festzustellen.

90

1. Dahingestellt bleiben kann, inwieweit angesichts der grundsätzlichen Gleichrangigkeit einfachgesetzlicher Regelungen der Gesetzgeber bei der Einteilung des Wahlgebietes in Wahlkreise (§ 2 Abs. 1 BWG) in verfassungsgerichtlich überprüfbarer Weise an die Vorgaben des § 3 Abs. 1 BWG gebunden ist und ob etwa eine Missachtung des § 3 Abs. 1 BWG darin zu sehen wäre, wenn der Gesetzgeber auf eine Überschreitung des dort angegebenen Sollwerts selbst dann nicht reagierte, wenn sie die Mehrzahl der Wahlkreise beträfe. Ein Wahlfehler liegt jedenfalls noch nicht darin, dass ein gewisser Teil - nach der Beschwerde etwa ein Fünftel - der Wahlkreise die Soll-Grenze überschritten hat. Der Gesetzgeber darf nach der Konzeption des § 3 Abs. 1 BWG von dem Soll-Grenzwert, den der Beschwerdeführer als solchen nicht angreift, im Rahmen seines Ermessens abweichen, wenn sachgerechte Erwägungen dies rechtfertigen. Die Tatsache, dass die Grenze mehrfach überschritten worden ist, begründet daher für sich genommen keinen Wahlfehler. Es ist nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bezogen auf bestimmte Wahlkreise die Grenze seines Ermessens überschritten hat. Daher liegt auch in der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Zunahme der Überschreitungsfälle seit dem Jahr 2002 kein Wahlfehler.

91

2. Dass die bei der beanstandeten Wahlkreiseinteilung herangezogenen Abwägungskriterien insbesondere der Wahlkreiskontinuität und der Wahrung regionaler Besonderheiten im Bundeswahlgesetz nicht ausdrücklich genannt sind, macht ihre Berücksichtigung entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht unzulässig. Diese Kriterien liegen der gesetzlichen Regelung über die Wahlkreiseinteilung zugrunde und sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geeignet, Abweichungen bei der Wahlkreisgröße zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 95, 335 <364>).

III.

92

Auch die Zuordnung der Wahlkreise zu den Ländern lässt keinen Wahlfehler erkennen.

93

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 BWG muss die Zahl der Wahlkreise in den einzelnen Ländern deren Bevölkerungsanteil "soweit wie möglich" entsprechen. Diese Einschränkung trägt dem Umstand Rechnung, dass eine rechnerisch exakte Verteilung in aller Regel nicht erreichbar ist, weil nur eine natürliche Zahl von Wahlkreisen verteilt werden kann, während der berechnete Bevölkerungsanteil in den meisten Fällen zu Bruchteilen einer natürlichen Zahl führen wird. In diesen Fällen muss eine Rundung erfolgen. Dabei kann ebenso wie die Frage verfassungsgerichtlich überprüfbarer Bindung des Gesetzgebers an diese Vorgabe (vgl. C.II.1.) dahingestellt bleiben, ob die Einschränkung "soweit wie möglich" wie ein "verstärktes Soll" zu verstehen ist, welches dem Gesetzgeber ein eng begrenztes Ermessen einräumt, oder ob streng nach mathematischen Regeln vorzugehen ist (vgl. hierzu Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 8. Aufl. 2009, § 3 Rn. 15 bis 17). Während sich dies bei den übrigen betroffenen Ländern bereits aus der Über- beziehungsweise Unterschreitung der Rundungsgrenze von 0,5 ergibt, ist die Verlagerung eines Wahlkreises zu Lasten des Landes Sachsen-Anhalt nach beiden Lesarten nachvollziehbar.

94

Auf das Land Sachsen-Anhalt entfielen bei Zugrundelegung der fortgeschriebenen deutschen Wohnbevölkerung nach Anwendung des Hare/Niemeyer-Verfahrens zum Stichtag 31. Dezember 2006 rechnerisch 9,542 Wahlkreise, so dass die Rundungsgrenze von 0,5 noch nicht unterschritten war. Dies haben der Deutsche Bundestag und die Wahlkreiskommission nicht verkannt (vgl. BTDrucks 16/7462, S. 58). Der Deutsche Bundestag hat darauf abgestellt, dass der Rundungsgrenzwert zum Stichtag nur knapp überschritten und aufgrund der Bevölkerungsentwicklung bis zum 30. Juni 2007 beinahe erreicht war (9,501; vgl. BTDrucks 16/7462, S. 59).

95

Die von dem Beschwerdeführer hiergegen vorgebrachten Einwände begründen jedenfalls deshalb keinen Wahlfehler, weil ein Wahlkreis auch bei Anwendung strikter Proportionalität verlagert werden durfte: Die Werte beider Länder, denen ein zusätzlicher Wahlkreis zugeschrieben wurde (Baden-Württemberg: 37,714, Niedersachsen: 29,685) waren von der Rundungsgrenze von 0,5 weiter entfernt als der Wert Sachsen-Anhalts von 9,542. Die Entscheidung des Gesetzgebers, Niedersachen zu Lasten Sachsen-Anhalts einen Wahlkreis zuzuweisen, bildet die tatsächliche Bevölkerungsverteilung daher besser ab, als es bei einem Verzicht auf die Übertragung der Fall gewesen wäre.

D.

96

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG. Die Beschwerde hat zur Klärung einer allgemein bedeutsamen Frage des Wahlrechts beigetragen, so dass es angemessen erscheint, die hälftige Erstattung der Auslagen des Beschwerdeführers anzuordnen.

(1) Die Mitglieder der Vollversammlung werden von den Kammerzugehörigen gewählt.

(2) Wählbar sind natürliche Personen, die das Kammerwahlrecht auszuüben berechtigt sind, am Wahltag volljährig sind und entweder selbst Kammerzugehörige sind oder allein oder zusammen mit anderen zur gesetzlichen Vertretung einer kammerzugehörigen juristischen Person, Handelsgesellschaft oder Personenmehrheit befugt sind. Wählbar sind auch besonders bestellte Bevollmächtigte und in das Handelsregister eingetragene Prokuristen von Kammerzugehörigen.

(3) Soweit personenbezogene Daten in den Wählerlisten für die Wahl zur Vollversammlung verarbeitet werden, bestehen das Recht auf Auskunft der betroffenen Person nach Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung und die Mitteilungspflicht der verantwortlichen Stelle nach Artikel 19 Satz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 in der jeweils geltenden Fassung nicht. Das Recht auf Erhalt einer Kopie nach Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2016/679 in der jeweils geltenden Fassung wird dadurch erfüllt, dass die betroffene Person Einsicht in die Wählerlisten nehmen kann.

(4) Das Nähere über die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts, über die Durchführung der Wahl sowie über Dauer und vorzeitige Beendigung der Mitgliedschaft zur Vollversammlung regelt die Wahlordnung. Sie muß Bestimmungen über die Aufteilung der Kammerzugehörigen in besondere Wahlgruppen sowie die Zahl der diesen zugeordneten Sitze in der Vollversammlung enthalten und dabei die wirtschaftlichen Besonderheiten des Kammerbezirks sowie die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Gewerbegruppen berücksichtigen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.