Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 29. Nov. 2018 - 1 B 130/18

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2018:1129.1B130.18.00
29.11.2018

Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

1

Der Antrag ist nach den §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Antragsteller die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die mit Bescheid vom 13. November 2018 verfügte Wohnsitzauflage und Vorspracheanordnung begehren.

2

Der so verstandene Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

3

Der Antrag ist hinsichtlich der Verpflichtung zur Wohnsitznahme in der Landesunterkunft nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO statthaft als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Denn gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG haben Widerspruch und Klage gegen die Auflage nach § 61 Abs. 1e AufenthG, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen, keine aufschiebende Wirkung; es bedarf insoweit nicht der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Antragsgegner. Hinsichtlich der Verpflichtung zur Vorsprache bei der Landesunterkunft ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO statthaft als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, denn der Antragsgegner hat diesbezüglich nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet.

4

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

5

Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO ergeht regelmäßig auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Aufschubinteresse des Antragstellers einerseits und das öffentliche Interesse an der Voll-ziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs (wieder-)herzustellen, weil an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, so führt dies in Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges regelmäßig dazu, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 06.08.1991 - 4 M 109/91 -, juris Rn. 5).

6

Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich der Antrag als unbegründet. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts das private Interesse der Antragsteller an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung. Der Erlass der Wohnsitzauflage und der Vorspracheanordnung erweisen sich nämlich als offensichtlich rechtmäßig.

7

Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit hinsichtlich der Vorspracheanordnung in einer den Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet. Nach der Begründung des Antragsgegners dienen die angeordneten Maßnahmen dazu, dass weitere Maßnahmen der Beendigung des Aufenthaltes nicht ins Leere liefen, da dies die zwangsweise Beendigung des Aufenthaltes nur unnötig verzögere. Der Antragsgegner stellt insoweit auf die bessere Erreichbarkeit der vollziehbar ausreisepflichtigen Antragsteller ab und legt insoweit die besondere Dringlichkeit ausreichend dar. Hinzu kommt, dass angesichts der ohnehin bereits von Gesetzes wegen sofort vollziehbaren Wohnsitzauflage, mit der Verpflichtung, den Wohnsitz in der Ausreiseeinrichtung zu nehmen, die Belastung der Antragsteller durch die zusätzliche Vorspracheanordnung gering ist.

8

Rechtsgrundlage für die Anordnung, in der Ausreiseeinrichtung für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer Wohnung zu nehmen, ist § 61 Abs. 1e AufenthG. Nach dieser Vorschrift können über die gesetzlich angeordnete räumliche Beschränkung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG weitere Bedingungen und Auflagen angeordnet werden (vgl. auch zur gleichlautenden Vorgängerregelung § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG a.F., BT-Drucks. 15/420, S. 92). Insbesondere ergibt sich die Möglichkeit einer solchen Anordnung auch aus § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG.

9

Hat das Land – wie hier, durch die Errichtung der Ausreiseeinrichtung in Boostedt – von der entsprechenden Ermächtigung gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 AufenthG Gebrauch gemacht, steht der Erlass einer Auflage gegenüber einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer, dort Wohnung zu nehmen, im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Im Rahmen der Ermessensausübung sind die in § 61 Abs. 2 Satz 2 AufenthG normierten Zwecke zu berücksichtigen. Danach soll in den Ausreiseeinrichtungen durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden. Nach der Gesetzesbegründung zu § 61 Abs. 1 Satz 2 a.F. ermöglicht die Unterbringung in einer solchen Einrichtung eine intensivere, auf eine Lebensperspektive außerhalb des Bundesgebiets gerichtete psycho-soziale Betreuung. Sie stellt gegenüber der Abschiebehaft ein milderes Mittel dar. Die intensive Betreuung soll zur Förderung der Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise oder zur notwendigen Mitwirkung bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten beitragen. Darüber hinaus ist die gezielte Beratung über die bestehenden Programme zur Förderung der freiwilligen Rückkehr möglich (BT-Drucks. 15/420, S. 92).

10

Ausweislich des Erlasses des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume und Integration vom 29. Dezember 2016 „Unterbringung von vollziehbar Ausreisepflichtigen in der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige“ müssen die aufzunehmenden Personen vollziehbar ausreisepflichtig sein (§ 58 Abs. 1 und 2 AufenthG) und dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben. Des Weiteren muss die Durchsetzbarkeit der Ausreisepflicht der aufzunehmenden Personen in absehbarer Zeit realisierbar sein. Dies ist der Fall, wenn das Landesamt für Ausländerangelegenheiten prognostiziert, dass Maßnahmen zur Ausreisevorbereitung umgehend eingeleitet werden können. Nicht aufgenommen werden Personen aus Staaten, in die nicht oder nicht in absehbarer Zeit zurückgeführt werden kann sowie Personen, bei denen aus gesundheitlichen Gründen eine Unterbringung in der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige nicht möglich ist.

11

Es muss demnach ein sinnvoller Bezug zu den Verfahrenszwecken vorliegen, eine Auflage, die vorrangig Sanktionscharakter hat, ist unzulässig (OVG Magdeburg, Beschl. Vom 11. März 2013 – 2 M 168/12 –, juris, Rn. 6; ebenso OVG Schleswig, Beschluss vom 21. Dezember 2017 – 4 MB 93/17 –, juris, Rn. 7). Dementsprechend müssen die Maßnahmen in Anbetracht des konkreten Einzelfalls erfolgversprechend sein.

12

Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die Anordnung, in der Ausreiseeinrichtung für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer Wohnung zu nehmen, als rechtmäßig, insbesondere als ermessensfehlerfrei im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO.

13

Die Antragsteller sind vollziehbar ausreisepflichtig (§ 58 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG). Die Klage in dem Verfahren 1 A 229/17 hat keine aufschiebende Wirkung mehr, nachdem der Eilantrag gegen das Bundesamt mit Beschluss vom 23. August 2017 – 1 B 103/17 – abgelehnt worden ist. Die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht ist durch die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG nicht entfallen, da die Antragsteller zuvor nicht im Besitz eines anderen Aufenthaltstitels waren, vor dessen Ablauf sie dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt haben, § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Vielmehr waren sie zunächst lediglich im Besitz einer Aufenthaltsgestattung gem. § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylG während der Dauer des Asylverfahrens. Somit kommt es auch nicht darauf an, dass über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bisher noch nicht entschieden wurde (VG Augsburg, Beschluss vom 14. Dezember 2017 – Au 6 S 17.1709 –, Rn. 28, juris). Auch die erteilten Duldungen berühren nicht die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht, sondern hindern nur vorübergehend deren zwangsweise Durchsetzung im Wege der Abschiebung.

14

Die Wohnsitzauflage ist zur Realisierung der Ausreise der Antragsteller geeignet. Der Antragsgegner hat im Rahmen der Ermessensausübung zutreffend die in § 61 Abs. 2 Satz 2 AufenthG normierten Zwecke berücksichtigt, indem er davon ausgegangen ist, dass in der Landesunterkunft durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Zugriff auf die Antragsteller tatsächlich „rund um die Uhr“ gewährleistet wird. Ausreichend um einen sinnvollen Bezug zu den Verfahrenszwecken zu gewährleisten (OVG Magdeburg, Beschl. Vom 11. März 2013 – 2 M 168/12 –, juris, Rn. 6; ebenso OVG Schleswig, Beschluss vom 21. Dezember 2017 – 4 MB 93/17 –, juris, Rn. 7), ist es bereits, dass sie sich typischerweise häufiger an diesem Ort als an anderen aufhalten, sodass die Erreichbar deutlich verbessert wird. Hiervon geht auch der Antragsgegner aus, der insoweit von einer „Optimierung“ der Erreichbarkeit spricht.

15

Die Wohnsitzauflage ist auch erforderlich und angemessen, um die Realisierung der Ausreise zu erreichen. Die Antragsteller haben bislang keine erkennbaren Bemühungen zur Förderung ihrer freiwilligen Ausreise getroffen

16

Die Maßnahme ist auch nicht deshalb ungeeignet, weil bereits jetzt ohne Zweifel feststeht, dass die Antragsteller in absehbarer Zeit nicht abgeschoben werden könnten, etwa weil die Abschiebung der Antragstellerin nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist. Nach § 60a Abs. 2c AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Ein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a AufenthG kann gegeben sein, wenn und solange der Ausländer wegen einer Erkrankung transportunfähig ist, d. h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des "Reisens" wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht und die Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn). Eine Abschiebung muss aber auch dann unterbleiben, wenn sie – außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs – eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bedeutet. Dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne).

17

Davon zu unterscheiden sind die sog. zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote, etwa nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, über die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu entscheiden hat (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – 10 B 39/12 –, Rn. 4, juris). Die in der Antragschrift geltend gemachten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse sind in dem vorliegenden Verfahren gegen die Ausländerbehörde nicht zu prüfen. Nach § 42 AsylG ist die Ausländerbehörde an die Entscheidung des Bundesamtes über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes gebunden. Insoweit ist durch das Bundesamt festgestellt, dass keine zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse vorliegen.

18

Nach den eingereichten fachärztlichen Stellungnahmen der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie … vom 6. November 2017 und 17. November 2017 befinde sich die Antragstellerin zu 2. seit dem 24. Juni 2016 in einer engmaschigen psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung. Die Diagnose beschreibt eine depressive Entwicklungsstörung mit hoher suizidaler Bereitschaft, eine Agoraphobie mit Panikstörung, eine generalisierte Angststörung sowie eine posttraumatische Belastungsstörung. Nach den Stellungnahmen bedarf die Antragstellerin zu 2. einer medikamentösen Therapie und einer Psychotherapie. Aus fachärztliche Sicht sei die Antragstellerin zu 2. gegenwärtig und bis auf weiteres auf die laufende engmaschige psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung dringend angewiesen. Bei einem Ausbleiben der Behandlung werde sich der psychische Zustand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit rasch verschlimmern. Hinzu komme, dass ohne Behandlung die latent vorhandene Suizidalität sich steigern würde und dass das Selbstmordrisiko dann sehr hoch werden würde. Eine zwangsweise Rückführung der Antragstellerin zu 2. in ihre Heimat sowie der Abbruch der durchaus erfolgversprechenden Behandlung bei ihr würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Verstärkung der Symptomatik mit der höchst wahrscheinlichen Annahme eines Suizids zur Folge haben.

19

Nach der eingereichten fachärztlichen Stellungnahmen der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie … vom 7. November 2017 befinde sich der Antragsteller zu 1. seit dem 19. Juni 2016 in engmaschiger psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung. Vorausgegangen sei ein stationärer-psychiatrischer Aufenthalt vom 22. Juni bis 19. Juli 2016. Die schweren psychisch-neurologischen Krankheiten seien nach der fachärztlichen Stellungnahme auf dem Boden von schweren Traumatisierungen sowie eines Schädel-Hirn-Traumas und Schultertraumas bei der Verhaftung in Tschetschenien entstanden. Als Diagnosen werden unter anderem eine depressive schizophrenieforme Psychose, eine posttraumatische Belastungsstörung sowie chronische posttraumatische Kopfschmerzen bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma sowie einem chronischen Schmerzsyndrom der Wirbelsäule und eine Atrophie des rechten Unterarmes sowie einzelner Handmuskeln bei Zustand nach Schultertrauma festgestellt. Die psychisch-neurologischen Krankheiten des Antragstellers zu 1. seien von einem hohen Schweregrad. Seine Toleranz gegenüber realen Schwierigkeiten sei so niedrig, dass er in nahezu allen alltäglichen Situationen scheitere und mit Vertiefung der Depression reagiere. Ausbrüche intensiver Angst bei geringsten Problemen und zwischenmenschlichen Kontakten führten ebenfalls zur Vertiefung der Depression bis hin zu suizidalen Krisen und wahnähnlicher Verarbeitungen der realen Geschehnisse.

20

Er bedürfe weiterhin einer ständigen qualifizierten ärztlichen Behandlung am sicheren Ort. Bei einem Ausbleiben bzw. Abbruch der jetzigen Behandlung würde sich der jetzige Zustand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verschlimmern und rasch in einen unheilbaren chronischen Zustand, der eine schwere Behinderung darstellen würde, übergehen. Aus fachärztliche Sicht sei der Antragsteller zu 1. bis auf weiteres dringend auf eine psychosoziale Unterstützung sowie auf die Möglichkeit eines schnellen Zugangs zu den ihn behandelnden und ihm vertrauten Ärzten angewiesen.

21

Den Antragstellern ist während ihres Aufenthaltes in Schleswig-Holstein der Zugang zu einer fachgerechten medizinischen Behandlung sowie auch insbesondere zu der behandelnden Fachpsychiaterin möglich. Die Antragsteller mussten bislang von A-Stadt nach B-Stadt zu der ihr vertrauten Fachärztin fahren. Die Fahrt dauert sowohl mit öffentlichen Verkehrsmitteln als auch mit dem Auto von Boostedt aus nicht länger als bisher, schon gar nicht ist sie unzumutbar lang. Die fachpsychiatrische Behandlung kann demnach weiterhin fortgesetzt werden.

22

Es ist im Übrigen gerichtsbekannt, dass es in der Landesunterkunft für alle Bewohner einen hausärztlichen Dienst der Notarztbörse gibt, der einer allgemeinmedizinischen Praxis entspricht. Dieser ärztliche Dienst ist zurzeit mit vier Ärzten und weiterem medizinischen Fachpersonal besetzt. Die Ärzte können zur Behandlung in der Landesunterkunft anwesenden Dolmetscher hinzuziehen. Für die am häufigsten vorkommenden Sprachen stehen diese dauerhaft zur Verfügung, im Übrigen je nach Anforderung. Die Sprechzeiten sind montags bis freitags von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr. Fachärztliche Leistungen werden im psychiatrischen Bereich inzwischen durch einen einmal wöchentlich in die Landesunterkunft kommenden Facharzt für Psychiatrie von dem in der Nähe befindlichen psychiatrischen Krankenhaus Rickling erbracht. Im Übrigen werden fachärztliche oder sonstige weitergehende medizinische Leistungen von Fachärzten oder in Krankenhäusern nach Überweisung durch den ärztlichen Dienst der Landesunterkunft erbracht. Ob die Voraussetzungen für eine Überweisung vorliegen, beurteilt der behandelnde Arzt des ärztlichen Dienstes. Der Transport zu den Fachärzten bzw. in Krankenhäuser wird durch die Landesunterkunft organisiert. Der Patient erhält je nach Gesundheitszustand einen Transport mit einem Taxi oder Fahrscheine für den öffentlichen Personennahverkehr. Außerhalb der Praxisöffnungszeiten wird der Rettungsdienst als staatliche Aufgabe durch die Rettungsdienstträger sichergestellt, § 1 Abs. 4 Schleswig-Holsteinisches Rettungsdienstgesetz (SHRDG) vom 28. März 2017.

23

Die medizinische Versorgung der Erkrankungen der Antragsteller ist danach gewährleistet. Einer regelmäßigen Medikamenteneinnahme und erforderlichen Arztbesuchen steht nichts entgegen. Es ist deshalb nicht erkennbar, dass die Verlegung des Wohnsitzes in die Gemeinschaftsunterkunft für die Antragsteller unzumutbar sein könnte. Die Frage, ob inlandsbezogene Abschiebungsverbote vorliegen, ist nicht bereits jetzt abschließend zu klären; es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass bei den Antragstellern zweifelsfrei inlandsbezogene Abschiebungsverbote wegen ihrer Erkrankungen vorliegen, so dass eine Aufnahme der Antragsteller in die Ausreiseeinrichtung von vornherein sinnlos wäre.

24

Soweit die Antragsteller in der Antragsbegründung unter Bezugnahme auf die fachärztlichen Stellungnahmen darauf abstellen, dass bei einem Abbruch der Behandlung – die zumindest im Bundesgebiet nicht droht – sich der Gesundheitszustand verschlechtern würde, sind damit zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote, etwa nach § 60 Abs. 1 AufenthG, beschrieben. Diese sind bislang im asylrechtlichen Verfahren nicht festgestellt worden und ausschließlich im asylrechtlichen Verfahren zu klären.

25

Die Anordnung zur Vorsprache mit der Androhung unmittelbaren Zwanges (Ziffer 1 und 4 der Verfügung vom 13. November 2018) ist ebenfalls rechtmäßig, insoweit kann zur Begründung auf den zutreffenden Inhalt des angefochtenen Bescheides Bezug genommen werden. Die Anordnung zur Vorsprache steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der ausgesprochenen Wohnsitzauflage und soll dazu dienen, durch die Aufnahme der Antragsteller bei der Vorsprache die Wohnsitzname in der Landesunterkunft konkret zu ermöglichen. Die Anordnung bezieht sich zwar auf einen bestimmten Zeitpunkt, nämlich Donnerstag, den 22. November 2018 bis um 12:00 Uhr. Sie hat sich jedoch nicht durch Zeitablauf und Nichterscheinen der Antragsteller erledigt, da die Vorspracheanordnung auch für diesen Fall nach ihrem erkennbaren Zweck Geltung beansprucht.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG.

27

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist mangels Erfolgsaussichten (§ 114 S. 1 ZPO iVm § 166 VwGO) aus den oben dargelegten Gründen abzulehnen.


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(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Widerspruch und Klage gegen

1.
die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels,
1a.
Maßnahmen nach § 49,
2.
die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen,
2a.
Auflagen zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 61 Absatz 1e,
3.
die Änderung oder Aufhebung einer Nebenbestimmung, die die Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft,
4.
den Widerruf des Aufenthaltstitels des Ausländers nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in den Fällen des § 75 Absatz 2 Satz 1 des Asylgesetzes,
5.
den Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung von Forschungseinrichtungen für den Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d,
6.
die Ausreiseuntersagung nach § 46 Absatz 2 Satz 1,
7.
die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11,
8.
die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 6 sowie
9.
die Feststellung nach § 85a Absatz 1 Satz 2
haben keine aufschiebende Wirkung.

Die Klage gegen die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7 hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Klage lassen unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt. Für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit gilt der Aufenthaltstitel als fortbestehend, solange die Frist zur Erhebung des Widerspruchs oder der Klage noch nicht abgelaufen ist, während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts tritt nicht ein, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird.

(1) Der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers ist räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Von der räumlichen Beschränkung nach Satz 1 kann abgewichen werden, wenn der Ausländer zur Ausübung einer Beschäftigung ohne Prüfung nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 berechtigt ist oder wenn dies zum Zwecke des Schulbesuchs, der betrieblichen Aus- und Weiterbildung oder des Studiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung erforderlich ist. Das Gleiche gilt, wenn dies der Aufrechterhaltung der Familieneinheit dient.

(1a) In den Fällen des § 60a Abs. 2a wird der Aufenthalt auf den Bezirk der zuletzt zuständigen Ausländerbehörde im Inland beschränkt. Der Ausländer muss sich nach der Einreise unverzüglich dorthin begeben. Ist eine solche Behörde nicht feststellbar, gilt § 15a entsprechend.

(1b) Die räumliche Beschränkung nach den Absätzen 1 und 1a erlischt, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält.

(1c) Eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers kann unabhängig von den Absätzen 1 bis 1b angeordnet werden, wenn

1.
der Ausländer wegen einer Straftat, mit Ausnahme solcher Straftaten, deren Tatbestand nur von Ausländern verwirklicht werden kann, rechtskräftig verurteilt worden ist,
2.
Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat, oder
3.
konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung gegen den Ausländer bevorstehen.
Eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde soll angeordnet werden, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(1d) Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, ist verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Soweit die Ausländerbehörde nichts anderes angeordnet hat, ist das der Wohnort, an dem der Ausländer zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat. Die Ausländerbehörde kann die Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag des Ausländers ändern; hierbei sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen. Der Ausländer kann den durch die Wohnsitzauflage festgelegten Ort ohne Erlaubnis vorübergehend verlassen.

(1e) Auflagen können zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht angeordnet werden, wenn konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung unmittelbar bevorstehen. Insbesondere kann ein Ausländer verpflichtet werden, sich einmal wöchentlich oder in einem längeren Intervall bei der für den Aufenthaltsort des Ausländers zuständigen Ausländerbehörde zu melden.

(1f) Weitere Bedingungen und Auflagen können angeordnet werden.

(2) Die Länder können Ausreiseeinrichtungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer schaffen. In den Ausreiseeinrichtungen soll durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers ist räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Von der räumlichen Beschränkung nach Satz 1 kann abgewichen werden, wenn der Ausländer zur Ausübung einer Beschäftigung ohne Prüfung nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 berechtigt ist oder wenn dies zum Zwecke des Schulbesuchs, der betrieblichen Aus- und Weiterbildung oder des Studiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung erforderlich ist. Das Gleiche gilt, wenn dies der Aufrechterhaltung der Familieneinheit dient.

(1a) In den Fällen des § 60a Abs. 2a wird der Aufenthalt auf den Bezirk der zuletzt zuständigen Ausländerbehörde im Inland beschränkt. Der Ausländer muss sich nach der Einreise unverzüglich dorthin begeben. Ist eine solche Behörde nicht feststellbar, gilt § 15a entsprechend.

(1b) Die räumliche Beschränkung nach den Absätzen 1 und 1a erlischt, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält.

(1c) Eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers kann unabhängig von den Absätzen 1 bis 1b angeordnet werden, wenn

1.
der Ausländer wegen einer Straftat, mit Ausnahme solcher Straftaten, deren Tatbestand nur von Ausländern verwirklicht werden kann, rechtskräftig verurteilt worden ist,
2.
Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat, oder
3.
konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung gegen den Ausländer bevorstehen.
Eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde soll angeordnet werden, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(1d) Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, ist verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Soweit die Ausländerbehörde nichts anderes angeordnet hat, ist das der Wohnort, an dem der Ausländer zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat. Die Ausländerbehörde kann die Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag des Ausländers ändern; hierbei sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen. Der Ausländer kann den durch die Wohnsitzauflage festgelegten Ort ohne Erlaubnis vorübergehend verlassen.

(1e) Auflagen können zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht angeordnet werden, wenn konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung unmittelbar bevorstehen. Insbesondere kann ein Ausländer verpflichtet werden, sich einmal wöchentlich oder in einem längeren Intervall bei der für den Aufenthaltsort des Ausländers zuständigen Ausländerbehörde zu melden.

(1f) Weitere Bedingungen und Auflagen können angeordnet werden.

(2) Die Länder können Ausreiseeinrichtungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer schaffen. In den Ausreiseeinrichtungen soll durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden.

(1) Widerspruch und Klage gegen

1.
die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels,
1a.
Maßnahmen nach § 49,
2.
die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen,
2a.
Auflagen zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 61 Absatz 1e,
3.
die Änderung oder Aufhebung einer Nebenbestimmung, die die Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft,
4.
den Widerruf des Aufenthaltstitels des Ausländers nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in den Fällen des § 75 Absatz 2 Satz 1 des Asylgesetzes,
5.
den Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung von Forschungseinrichtungen für den Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d,
6.
die Ausreiseuntersagung nach § 46 Absatz 2 Satz 1,
7.
die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11,
8.
die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 6 sowie
9.
die Feststellung nach § 85a Absatz 1 Satz 2
haben keine aufschiebende Wirkung.

Die Klage gegen die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7 hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Klage lassen unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt. Für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit gilt der Aufenthaltstitel als fortbestehend, solange die Frist zur Erhebung des Widerspruchs oder der Klage noch nicht abgelaufen ist, während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts tritt nicht ein, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird.

(1) Der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers ist räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Von der räumlichen Beschränkung nach Satz 1 kann abgewichen werden, wenn der Ausländer zur Ausübung einer Beschäftigung ohne Prüfung nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 berechtigt ist oder wenn dies zum Zwecke des Schulbesuchs, der betrieblichen Aus- und Weiterbildung oder des Studiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung erforderlich ist. Das Gleiche gilt, wenn dies der Aufrechterhaltung der Familieneinheit dient.

(1a) In den Fällen des § 60a Abs. 2a wird der Aufenthalt auf den Bezirk der zuletzt zuständigen Ausländerbehörde im Inland beschränkt. Der Ausländer muss sich nach der Einreise unverzüglich dorthin begeben. Ist eine solche Behörde nicht feststellbar, gilt § 15a entsprechend.

(1b) Die räumliche Beschränkung nach den Absätzen 1 und 1a erlischt, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält.

(1c) Eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers kann unabhängig von den Absätzen 1 bis 1b angeordnet werden, wenn

1.
der Ausländer wegen einer Straftat, mit Ausnahme solcher Straftaten, deren Tatbestand nur von Ausländern verwirklicht werden kann, rechtskräftig verurteilt worden ist,
2.
Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat, oder
3.
konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung gegen den Ausländer bevorstehen.
Eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde soll angeordnet werden, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(1d) Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, ist verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Soweit die Ausländerbehörde nichts anderes angeordnet hat, ist das der Wohnort, an dem der Ausländer zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat. Die Ausländerbehörde kann die Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag des Ausländers ändern; hierbei sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen. Der Ausländer kann den durch die Wohnsitzauflage festgelegten Ort ohne Erlaubnis vorübergehend verlassen.

(1e) Auflagen können zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht angeordnet werden, wenn konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung unmittelbar bevorstehen. Insbesondere kann ein Ausländer verpflichtet werden, sich einmal wöchentlich oder in einem längeren Intervall bei der für den Aufenthaltsort des Ausländers zuständigen Ausländerbehörde zu melden.

(1f) Weitere Bedingungen und Auflagen können angeordnet werden.

(2) Die Länder können Ausreiseeinrichtungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer schaffen. In den Ausreiseeinrichtungen soll durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden.

(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Bei Eintritt einer der in § 59 Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen innerhalb der Ausreisefrist soll der Ausländer vor deren Ablauf abgeschoben werden.

(1a) Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.

(1b) Ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt oder eine entsprechende Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehat und in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union international Schutzberechtigter ist, darf außer in den Fällen des § 60 Absatz 8 Satz 1 nur in den schutzgewährenden Mitgliedstaat abgeschoben werden. § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 bleibt unberührt.

(2) Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, wenn der Ausländer

1.
unerlaubt eingereist ist,
2.
noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 nicht als fortbestehend gilt oder
3.
auf Grund einer Rückführungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. EG Nr. L 149 S. 34) ausreisepflichtig wird, sofern diese von der zuständigen Behörde anerkannt wird.
Im Übrigen ist die Ausreisepflicht erst vollziehbar, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels oder der sonstige Verwaltungsakt, durch den der Ausländer nach § 50 Abs. 1 ausreisepflichtig wird, vollziehbar ist.

(3) Die Überwachung der Ausreise ist insbesondere erforderlich, wenn der Ausländer

1.
sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet,
2.
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist,
3.
auf Grund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 in Verbindung mit § 53 ausgewiesen worden ist,
4.
mittellos ist,
5.
keinen Pass oder Passersatz besitzt,
6.
gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat oder
7.
zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.

(4) Die die Abschiebung durchführende Behörde ist befugt, zum Zweck der Abschiebung den Ausländer zum Flughafen oder Grenzübergang zu verbringen und ihn zu diesem Zweck kurzzeitig festzuhalten. Das Festhalten ist auf das zur Durchführung der Abschiebung unvermeidliche Maß zu beschränken.

(5) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde die Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung betreten, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich der Ausländer dort befindet. Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.

(6) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen. Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Ausländer sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Zur Nachtzeit darf die Wohnung nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Die Organisation der Abschiebung ist keine Tatsache im Sinne von Satz 1.

(8) Durchsuchungen nach Absatz 6 dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde angeordnet werden. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nach Betreten der Wohnung nach Absatz 5 nicht darauf gestützt werden, dass der Ausländer nicht angetroffen wurde.

(9) Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen. Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit hinzugezogenen Person ist in den Fällen des Absatzes 6 Satz 2 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu machen. Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung und, falls keine gerichtliche Anordnung ergangen ist, auch Tatsachen, welche die Annahme einer Gefahr im Verzug begründet haben, enthalten. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Wohnungsinhaber oder der hinzugezogenen Person lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.

(10) Weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, bleiben unberührt.

Gründe

I.

1

Mit Bescheiden vom 07.08.2012 änderte die Antragsgegnerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung bereits bestehende wohnsitzbeschränkende Auflagen und gab den Antragstellern auf, ab dem 01.09.2012 ihren Wohnsitz in der Gemeinschaftsunterkunft G-Straße 7d/B-Straße in A-Stadt zu nehmen. Zur Begründung gab sie an, aufgrund der früheren Anerkennung als Flüchtlinge sei es den Antragstellern möglich gewesen, in einer privaten Wohnung und somit außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen. Da die Antragsteller nach den heute vorliegenden Erkenntnissen seit ihrer Einreise über ihre wahre Identität getäuscht hätten und diese weiterhin nicht preisgäben, bestehe nunmehr ein öffentliches Interesse an einer Wohnsitznahme in einer Gemeinschaftsunterkunft. Dort könne sie intensivere Maßnahmen zur Identitätsklärung bzw. die damit verbundene Beschaffung von Heimreisedokumenten zur Beendigung des Aufenthalts durchführen. Ein weiterer Grund, der die Wohnsitznahme in der Gemeinschaftsunterkunft erforderlich mache, liege in dem Bezug öffentlicher Leistungen. Aufgrund der wiederholten Falschangaben zur Identität seien die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) eingeschränkt worden. Die Privatwohnung könne mit den gekürzten Leistungen nicht mehr getragen werden. Nunmehr seien nachweislich Mietschulden entstanden, deren Übernahme das Sozialamt abgelehnt habe. Angesichts der nunmehr drohenden Kündigung seien die Antragsteller von Obdachlosigkeit bedroht. Es bestehe ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug; denn zur Vermeidung der Anhäufung weiterer Mietschulden, des damit verbundenen Schadens für Dritte (Vermieter) und der drohenden Obdachlosigkeit der Antragsteller sei die unverzügliche Unterbringung in der Gemeinschaftsunterkunft zwingend notwendig.

2

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der von den Antragstellern erhobenen Widersprüche wiederhergestellt und zur Begründung ausgeführt: Die Bescheide seien offensichtlich rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin das ihr nach § 46 Abs. 1 AufenthG zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Sie habe nicht berücksichtigt, dass die Antragstellerin zu 4 nach einem Urteil der Kammer vom 07.09.2012 (4 A 212/11 MD) einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG habe und die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis die vollziehbare Ausreisepflicht entfallen lassen würde. Da der Antragstellerin zu 4 nach diesem Urteil die mangelnde Identitätsklärung nicht zugerechnet werden könne und deshalb die Nichtvorlage eines Personaldokuments der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegenstehe, entspreche es nicht dem Zweck der Regelung des § 46 Abs. 1 AufenthG, von ihr das Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft zu verlangen, um sie zur Beschaffung von Dokumenten zur Identitätsklärung und Erleichterung der Ausreise zu motivieren. Der Ermessensfehler wirke sich auch auf die Entscheidung hinsichtlich der übrigen Antragsteller aus, da im Hinblick auf die familiäre Lebensgemeinschaft nur ein gemeinsames Wohnen der Eltern mit den beiden minderjährigen Kindern in Betracht komme und der Familienverbund auch hinsichtlich des Antragstellers zu 5 jedenfalls zu prüfen gewesen wäre.

3

Hiergegen wendet die Antragsgegnerin ein, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts in seinem – noch nicht rechtskräftigen – Urteil vom 07.09.2012 habe die Antragstellerin zu 4 keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1a und Nr. 4 AufenthG seien nicht erfüllt. Weder sei die Identität der Antragstellerin zu 4 geklärt noch besitze sie den erforderlichen Pass. Es sei keine Ausnahmesituation zu erkennen, die es rechtfertige, von der Passpflicht oder zumindest vom Identitätsnachweis abzusehen. Die von den Antragstellern angegebenen Personendaten seien falsch; nach einer Information der zentralen Abschiebestelle in Halberstadt gehe der armenische Botschaftsrat nach einer Vorführung der Antragsteller davon aus, dass sie armenischer Herkunft seien. Die Antragsteller behaupteten indes weiterhin wahrheitswidrig, aus dem Irak zu stammen. Spätestens seit der Leistungskürzung seien die Antragsteller nicht mehr in der Lage, die bisherige ca. 104 m² große Wohnung zu finanzieren.

II.

4

A. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

5

Das Verwaltungsgericht hat – jedenfalls im Ergebnis – zu Recht die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Bescheide vom 07.08.2012 wiederhergestellt. Denn es ist zumindest offen, ob die in den Bescheiden jeweils ausgesprochene Verpflichtung zur Wohnsitznahme in der Gemeinschaftsunterkunft im Widerspruchs- oder in einem ggf. nachfolgenden Hautsacheverfahren Bestand haben wird (1.). Die hiernach vorzunehmende Abwägungsentscheidung fällt zugunsten der Antragsteller aus (2.)

6

 1. Gemäß § 46 Abs. 1 AufenthG kann die Ausländerbehörde gegenüber einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer Maßnahmen zur Förderung der Ausreise treffen, insbesondere kann sie den Ausländer verpflichten, den Wohnsitz an einem von ihr bestimmten Ort zu nehmen. Mit der Verpflichtung, an einem bestimmten Ort Wohnsitz zu nehmen, soll die Erreichbarkeit des Ausländers und die Einwirkungsmöglichkeit der Ausländerbehörde sichergestellt werden (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 15/420 S. 88). Eine entsprechende Anordnung muss einen sinnvollen Bezug zu diesem zulässigen Verfahrenszweck aufweisen, insbesondere dem der Identitätsfeststellung und Passbeschaffung, und darf nicht in Schikane mit strafähnlichem Charakter ausarten, auf eine unzulässige Beugung des Willens hinauslaufen oder den Betreffenden im Einzelfall unverhältnismäßig treffen (vgl. Urt. d. Senats v. 29.11.2007 – 2 L 223/06 –, Juris, RdNr. 31, m.w.N.).

7

Der Senat hat Zweifel, ob mit den streitigen Anordnungen ein solcher zulässiger Verfahrenszweck verfolgt wird.

8

 1.1. Die von der Antragsgegnerin angeführte drohende Obdachlosigkeit der Antragsteller im Fall der Kündigung der von ihnen angemieteten Privatwohnung dürfte nach dem oben dargestellten Zweck des § 46 Abs. 1 AufenthG kein Grund für eine Anordnung zur Wohnsitznahme in einer Gemeinschaftsunterkunft sein.

9

 1.2. Es ist auch fraglich, inwieweit mit dieser Maßnahme die Erreichbarkeit der Antragsteller und die Einwirkungsmöglichkeiten der Antragsgegnerin hinsichtlich der Beschaffung von Heimreisedokumenten verbessert werden. Die Antragsgegnerin hat nicht näher dargelegt, welche (konkreten) „intensivere Maßnahmen zur Identitätsklärung und Beschaffung von Heimreisedokumenten zur Beendigung des Aufenthalts“ sie dort durchführen will.

10

 1.3. Im Übrigen ist dem Verwaltungsgericht darin beizupflichten, dass eine auf § 46 Abs. 1 AufenthG gestützte Anordnung, den Wohnsitz in einer Gemeinschaftsunterkunft zu nehmen, jedenfalls dann nicht mehr dem Zweck der Ermächtigung entspricht und damit ermessensfehlerhaft ist, wenn absehbar ist, dass die vollziehbare Ausreisepflicht des Ausländers entfallen wird, weil er einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat. Gleiches dürfte gelten, wenn der Ausländer nach Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung durch die Ausländerbehörde hat.

11

Nach derzeitigem Sach- und Streitstand ist offen, ob die Antragstellerin zu 4 einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG oder zumindest einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung durch die Antragsgegnerin hat.

12

Gemäß § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann einem geduldeten Ausländer, der in Deutschland geboren wurde oder vor Vollendung des 14. Lebensjahres eingereist ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn (1.) er sich seit sechs Jahren ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhält, (2.) er sechs Jahre erfolgreich im Bundesgebiet eine Schule besucht oder in Deutschland einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben hat und (3.) der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach Vollendung des 15. und vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird, sofern gewährleistet erscheint, dass er sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Nach den von der Antragsgegnerin nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts erfüllt die Antragstellerin zu 4 diese Voraussetzungen. Solange sich der Jugendliche oder der Heranwachsende in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung oder einem Hochschulstudium befindet, schließt gemäß § 25a Abs. 1 Satz 2 AufenthG die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht aus. Die Antragsgegnerin hält der Antragstellerin zu 4 auch keine eigenen Täuschungshandlungen vor, die gemäß § 25a Abs. 1 Satz 3 AufenthG zwingend zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis führen.

13

Der Antragsgegnerin ist zwar darin beizupflichten, dass auch im Rahmen des § 25a Abs. 1 AufenthG grundsätzlich die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG erfüllt sein müssen (vgl. BT-Drs. 17/5093, S. 15 f.). Von diesen Voraussetzungen kann aber gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des AufenthG, die nicht bereits in § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG genannt sind, und damit auch in den Fällen des § 25a Abs. 1 AufenthG im Ermessenswege abgesehen werden (vgl. Beschl. d. Senats v. 30.03.2012 – 2 O 198/12 –). Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, es liege keine Ausnahmesituation vor, die ein Absehen von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen rechtfertige, verkennt sie, dass § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG einen atypischen Fall nicht voraussetzt, sondern in den darin bezeichneten Fällen allgemein die Behörde ermächtigt, im Ermessenswege von den Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG abzusehen. Auch erscheint zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin bei ihren Ermessenserwägungen entscheidend darauf abstellen darf, dass die Antragstellerin zu 4 den langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet nur durch die Täuschungshandlungen ihrer Eltern erreichen konnte. Sollen nach § 25a Abs. 1 Satz 3 AufenthG nur eigene Täuschungshandlungen, nicht aber Täuschungshandlungen Dritter zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis führen, wird die Ausländerbehörde auch bei der Ermessensausübung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG Täuschungshandlungen der Eltern nicht berücksichtigen dürfen. Unabhängig davon ist – wie die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerde selbst vorträgt – die Frage, welche Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG insbesondere in Bezug auf die Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG vorliegen müssen, Gegenstand eines Revisionsverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht (1 C 17.12) und damit als offen zu bewerten.

14

 2. Da nach alldem zumindest offen ist, ob die Antragstellerin zu 4 ausreisepflichtig ist und sie und die übrigen mit ihr in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Antragsteller auf der Grundlage des § 46 Abs. 1 VwGO zur Wohnsitznahme in der Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet werden können, ist im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnungen mit dem Interesse der Antragsteller, von der Vollziehung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, abzuwägen. Die dabei vorzunehmende Folgenabwägung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – Juris, RdNr. 18; BVerwG, Beschl. v. 30.08.1996 – 7 VR 2/96 –, NVwZ 1997, 497 [501]) fällt zugunsten der Antragsteller aus.

15

Wird der begehrte vorläufige Rechtsschutz versagt, so dass die Antragsteller ihren Wohnsitz in der Gemeinschaftsunterkunft nehmen müssen, lassen sich die dadurch insbesondere für die in Deutschland geborenen minderjährigen Antragsteller zu 3 und 4 eintretenden Folgen bei einem Obsiegen in der Hauptsache möglicherweise nur schwer wieder rückgängig machen. Sie sind – wie auch die Antragsgegnerin anerkennt – in das bisherige Umfeld integriert.

16

Wird dagegen die aufschiebende Wirkung der Widersprüche angeordnet, wird lediglich der bereits seit Jahren bestehende Zustand beibehalten. Anhaltspunkte dafür, dass – anders als bisher – eine besondere Dringlichkeit dafür besteht, entsprechend dem Zweck einer Anordnung nach § 46 Abs. 1 AufenthG die Ausreise der Antragsteller zu fördern, sind nicht ersichtlich. Zwar mögen – wie die Antragsgegnerin geltend macht – bei einem Verbleib in der bisherigen Wohnung bereits bestehende Mietschulden weiter anwachsen, weil ihr Sozial- und Wohnungsamt die Unterkunftskosten wegen der Größe der bisherigen Wohnung voraussichtlich auch weiterhin nicht in voller Höhe übernehmen würde. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass bei der Gewichtung der Interessen im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO dem Zweck des Gesetzes, dessen Vollzug der in Frage stehende Verwaltungsakt dient, maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 80 RdNr. 91; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 80 RdNr. 161, m.w.N; OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.04.1985 – 10 B 4/85 –, NJW 1986, 800). Eine Wohnsitzauflage auf der Grundlage des § 46 Abs. 1 AufenthG soll – wie bereits dargelegt – nach dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung dazu dienen, die Ausreise des vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers zu fördern. Sie hat hingegen nicht die Zielrichtung, das Anwachsen von Mietschulden zu verhindern und einer möglicherweise drohenden Obdachlosigkeit des Ausländers für den Fall der Kündigung der von ihm angemieteten Privatwohnung vorzubeugen. Darüber hinaus ist in Erwägung zu ziehen, dass die Antragsteller insbesondere im Fall einer Kündigung durch den jetzigen Vermieter die Möglichkeit haben, eine kleinere Wohnung anzumieten, die nach den Maßstäben der Sozialbehörde die Angemessenheitskriterien erfüllt.

17

 B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.

18

 C. Den Antragstellern ist auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens zu bewilligen.

19

Aus der vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen ergibt sich, dass die Kläger nicht in der Lage sind, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO). Die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung bleiben gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 119 Satz 2 ZPO im zweiten Rechtszug ungeprüft, da die Antragsgegnerin das Rechtsmittel eingelegt hat.

20

Die Entscheidung über die Beiordnung folgt aus § 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 1 und 3 ZPO.

21

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer - vom 7. November 2017 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung und der PKH-Ablehnung geändert:

Die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren 11 A 229/17 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 31. Mai 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2017 wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren 11 A 229/17 ist zulässig und begründet.

2

Mit dem angefochtenen Bescheid versah der Antragsgegner die dem Antragsteller erteilte Duldung mit der Auflage, dass er ab dem 14. Juni 2017 zur ausschließlichen Wohnsitznahme in der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige des Landes Schleswig-Holstein in B... verpflichtet ist und forderte ihn auf, sich dort zum genannten Datum zur Unterbringung einzufinden. Während der Unterbringung in der Landesunterkunft wurde ihm die Aufnahme einer Erwerbsstätigkeit untersagt. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 29. August 2017 als unbegründet zurück und führte ergänzend aus, dass nur solche Personen in die Landesunterkunft aufgenommen würden, denen das Landesamt für Ausländerangelegenheiten prognostiziere, dass Maßnahmen zur Ausreisevorbereitung umgehend eingeleitet werden könnten. Die Durchsetzung der Ausreisepflicht sei deshalb in absehbarer Zeit realisierbar. Eine Gestattung der Erwerbstätigkeit laufe der Förderung der Ausreise zuwider, weil ein Hinwirken auf die Ausreise die Anwesenheit des Antragstellers in der Landesunterkunft erfordere.

3

Das Verwaltungsgericht hält diese Maßnahme für offensichtlich rechtmäßig. Es orientiert sich insoweit an dem Erlass des damaligen Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten vom 29. Dezember 2016, wonach die Durchsetzung der Ausreisepflicht „in absehbarer Zeit realisierbar“ sein müsse. Dies sei der Fall, wenn das Landesamt prognostiziere, „dass Maßnahmen zur Ausreisevorbereitung umgehend eingeleitet werden können“. Eine solche Prognose liege vor. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller während des Aufenthalts in der Landesunterkunft Angaben mache, die die Ausstellung eines Passersatzpapieres ermöglichten. Insofern sei die Wohnsitzauflage verhältnismäßig. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich.

4

Nach Auffassung des Beschwerde führenden Antragstellers sei hingegen nichts dafür ersichtlich, dass „Maßnahmen zur Ausreisevorbereitung umgehend eingeleitet“ werden könnten. Er sei seit 16 Jahren vollziehbar ausreisepflichtig. Ihm werde nicht vorgehalten, die ihm in dieser Zeit abverlangten Mitwirkungshandlungen nicht erbracht zu haben. An dem Umstand, dass er keine Papiere habe und deshalb nicht ausreisen könne, dürfe sich kurzfristig und durch den Aufenthalt in der Aufnahmeeinrichtung nichts ändern. Eine entsprechende „Prognose“ des Landesamtes liege entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht vor. Sie wäre im Übrigen mittlerweile widerlegt. Nach fast einem halben Jahr in der Aufnahmeeinrichtung habe sich in Sachen „Ausreisevorbereitung“ nichts getan. Falsch sei auch die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass Ermessensfehler nicht ersichtlich seien. Tatsächlich fänden sich in dem angefochtenen Bescheid keine Anhaltspunkte dafür, dass überhaupt Ermessen ausgeübt worden sei. Die Begründung erschöpfe sich in der Feststellung der Tatbestandsvoraussetzungen, wobei der Vortrag des Antragstellers zu seinen Lebensumständen nicht berücksichtigt werde.

5

Auf der Grundlage der vom Antragsteller dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) und der vom Verwaltungsgericht angestellten Interessenabwägung im Rahmen des Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO, dessen Maßstäbe der Senat teilt, ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. November 2017 zu ändern, weil sich der angefochtene Bescheid des Antragsgegners als offensichtlich rechtswidrig darstellt und an seiner sofortigen Vollziehung deshalb kein öffentliches Interesse besteht.

6

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides in Bezug auf die Wohnsitzauflage ist laut Verwaltungsgericht § 61 Abs. 1e AufenthG, ergänzt durch die Maßstäbe des § 46 Abs. 1 AufenthG. Hiergegen erhebt die Beschwerde keine Bedenken. Wie sich die Rechtsgrundlagen des § 46 Abs. 1 AufenthG und des § 61 Abs. 1e AufenthG zueinander verhalten und welche von beiden den weitergehenden Anwendungsbereich hat, kann dahinstehen. Jedenfalls schadet eine Benennung nur der einen oder anderen Rechtsgrundlage nicht, solange die getroffene Maßnahme keinen anderen rechtlichen Mangel aufweist und nicht unter einem Ermessensfehler leidet. Beide Vorschriften ermöglichen den Erlass selbständig anfechtbarer Verwaltungsakte gegenüber vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern nach pflichtgemäßem Ermessen (Funke-Kaiser in: GK AufenthG, Stand März 2015, § 61 Rn. 13-15; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Mai 2015, § 61 Rn. 38). Wird der Aufenthalt – wie hier – im Zusammenhang mit einer Duldung auf der Grundlage des § 61 Abs. 1e AufenthG beschränkt, handelt es sich um eine selbständig anfechtbare Auflage (vgl. VGH München, Beschl. v. 03.06.2014 - 10 C 13.696 -, juris Rn. 5). Die Vorschrift ist aus Sicht des Senats ausreichend bestimmt, wenn man sie im systematischen Zusammenhang mit der Duldung ausreisepflichtiger Ausländer und den Zwecken des § 61 AufenthG sieht (vgl. Kluth in: Kluth/Heusch, AuslR, BeckOK, Stand 01.08.2017, § 61 AufenthG Rn. 30). Über die sich bereits aus § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ergebende räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers auf das Gebiet des Landes hinaus können demgemäß weitere Bedingungen und Auflagen angeordnet werden; dies umfasst auch die Befugnis zur Anordnung der Verpflichtung des Ausländers, in einer bestimmten Unterkunft zu wohnen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 07.12.2010 - 8 PA 257/10 -, juris Rn. 8).

7

Voraussetzung für eine rechtmäßige Ermessensentscheidung ist, dass die Wohnsitzauflage sachgerecht ist, also nicht im Widerspruch zum Zweck der Duldung steht. Sie muss ferner einen sinnvollen Bezug zu dem aufenthaltsrechtlich verfolgten Verfahrenszweck aufweisen. Bei der Unterbringung in einer Ausreiseeinrichtung sind insoweit die Zwecke des § 61 Abs. 2 AufenthG zu berücksichtigen, mithin die Förderung der „Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise“, die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Sicherung der Durchführung der Ausreise. In diesen Zwecken und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie muss die Ermessensentscheidung im Einzelfall ihre Rechtfertigung finden. Die bei einer Unterbringung in der Einrichtung möglichen weiteren Maßnahmen müssen deshalb auch Erfolg versprechend sein. Schließlich muss die Maßnahme verfassungsrechtliche Vorgaben wahren, was insbesondere dann nicht der Fall ist, wenn sie in erster Linie Sanktionscharakter hat und sich vornehmlich als schikanös darstellt (vgl. die Rechtsprechung zu § 46 Abs. 1 AufenthG und zur Vorgängerregelung des § 61 Abs. 1e AufenthG [§ 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG]: VG Magdeburg, Urt. v. 06.12.2005 - 5 A 120/05 -, juris Rn. 12; OVG Lüneburg, Beschl. v. 07.12.2010 - 8 PA 257/10 -, juris Rn. 9; OVG Magdeburg, Beschl. v. 11.03.2013 - 2 M 168/12 - juris Rn. 6; VGH München, Beschl. v. 03.06.2014 - 10 C 13.696 -, juris Rn. 9). Die gegebenenfalls widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen sind unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten im Rahmen der Ermessensentscheidung angemessen abzuwägen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.12.1990 - 1 B 14/90 -, juris Rn. 7-10; VGH München, a.a.O.). Insoweit mahnt die Beschwerde zu Recht an, dass die vom Antragsteller konkret geltend gemachten Lebensumstände zu berücksichtigen sind.

8

Hiervon ausgehend teilt der Senat die von der Beschwerde dargelegte Kritik. Soweit gemäß dem zitierten Erlass die Realisierbarkeit der Ausreisepflicht bereits dann angenommen werden soll, wenn das Landesamt „die Möglichkeit der Einleitung von Maßnahmen zur Ausreisevorbereitung“ prognostiziert, so muss es sich auf jeden Fall um erfolgversprechende Maßnahmen handeln. Dies ergibt sich aus dem maßgeblichen und oben genannten Zweck der Maßnahme und im Übrigen auch aus dem Erlass selbst, der es an anderer Stelle für die Aufnahme des Ausländers als entscheidungserheblich bezeichnet, ob die Aufenthaltsbeendigung tatsächlich und rechtlich möglich ist. Eine solche Prognose ist den Verwaltungsvorgängen aber nicht zu entnehmen. Tatsächliche Grundlagen, die eine derartige Prognose rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar.

9

Entsprechend bestehen erhebliche Zweifel, ob im Fall des Antragstellers ein hinreichender Bezug zu den von § 61 Abs. 2 AufenthG vorgegebenen Verfahrenszwecken besteht und ob die bei Unterbringung in der Landesunterkunft möglichen weiteren Maßnahmen noch als Erfolg versprechend angesehen werden können. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs hatte das Landesamt das Amtshilfeverfahren zur Identifizierung des Antragstellers und zur Beschaffung von Reisedokumenten im September 2016 bereits eingestellt, weil trotz umfangreicher Bemühungen Passersatzpapiere bzw. eine Identitätsklärung nicht zu erlangen und weitergehende, Erfolg versprechende Maßnahmen nicht ersichtlich seien (BA C Bl. 327). Erst aufgrund des Aufnahmeersuchens durch den Antragsgegner und der später in der Landesunterkunft abgegebenen Erklärung des Antragstellers, freiwillig ausreisen zu wollen, wurde das Passersatzverfahren „neu gestartet“ (BA B Bl. 341, 379 ff), ohne dass erkennbar wird, woraus sich nunmehr die Annahme Erfolg versprechender Maßnahmen ergeben könnte. Die daraufhin dem Antragsteller aufgegebene Vorsprache beim Generalkonsulat verlief wiederum ergebnislos (BA B Bl. 408 f.).

10

Zu Recht rügt der Antragsteller schließlich das Fehlen einer ausreichenden Ermessensbetätigung und -begründung. Weder der Ausgangsbescheid noch der Widerspruchsbescheid lassen erkennen, dass der Antragsgegner die angefochtene Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 73 LVwG), mithin unter Berücksichtigung der Zwecke des § 61 Abs. 2 AufenthG und unter Abwägung der öffentlichen Belange gegenüber den Interessen des Antragstellers – insbesondere seiner Aufenthaltsdauer und Lebensumstände – sowie unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes getroffen hätte. Eine entsprechende Begründung, wie sie § 109 Abs. 1 Satz 3 LVwG vorschreibt, enthalten die Bescheide nicht. Der Ausgangsbescheid vom 31. Mai 2017 beschränkt sich insoweit auf den Hinweis, dass der Antragsteller zur unverzüglichen Ausreise verpflichtet sei und dieser Verpflichtung bisher nicht nachgekommen sei, weshalb es angemessen erscheine, ihn zur Wohnsitznahme in der Ausreiseeinrichtung zu verpflichten. Mit dieser Begründung wird jedoch lediglich das wiedergegeben, was § 46 Abs. 1 bzw. § 61 Abs. 1e AufenthG tatbestandlich ohnehin voraussetzen, nämlich die vollziehbare Ausreisepflicht. Der Widerspruchsbescheid vom 29. August 2017 enthält keine weiteren Ausführungen zum Ermessen.

11

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sich die zugleich verfügte Untersagung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit mit der Suspendierung der Wohnsitznahme vorerst erledigt haben dürfte, da sie auf die Zeit während der Unterbringung beschränkt ist.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

13

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Bei Eintritt einer der in § 59 Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen innerhalb der Ausreisefrist soll der Ausländer vor deren Ablauf abgeschoben werden.

(1a) Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.

(1b) Ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt oder eine entsprechende Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehat und in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union international Schutzberechtigter ist, darf außer in den Fällen des § 60 Absatz 8 Satz 1 nur in den schutzgewährenden Mitgliedstaat abgeschoben werden. § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 bleibt unberührt.

(2) Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, wenn der Ausländer

1.
unerlaubt eingereist ist,
2.
noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 nicht als fortbestehend gilt oder
3.
auf Grund einer Rückführungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. EG Nr. L 149 S. 34) ausreisepflichtig wird, sofern diese von der zuständigen Behörde anerkannt wird.
Im Übrigen ist die Ausreisepflicht erst vollziehbar, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels oder der sonstige Verwaltungsakt, durch den der Ausländer nach § 50 Abs. 1 ausreisepflichtig wird, vollziehbar ist.

(3) Die Überwachung der Ausreise ist insbesondere erforderlich, wenn der Ausländer

1.
sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet,
2.
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist,
3.
auf Grund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 in Verbindung mit § 53 ausgewiesen worden ist,
4.
mittellos ist,
5.
keinen Pass oder Passersatz besitzt,
6.
gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat oder
7.
zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.

(4) Die die Abschiebung durchführende Behörde ist befugt, zum Zweck der Abschiebung den Ausländer zum Flughafen oder Grenzübergang zu verbringen und ihn zu diesem Zweck kurzzeitig festzuhalten. Das Festhalten ist auf das zur Durchführung der Abschiebung unvermeidliche Maß zu beschränken.

(5) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde die Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung betreten, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich der Ausländer dort befindet. Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.

(6) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen. Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Ausländer sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Zur Nachtzeit darf die Wohnung nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Die Organisation der Abschiebung ist keine Tatsache im Sinne von Satz 1.

(8) Durchsuchungen nach Absatz 6 dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde angeordnet werden. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nach Betreten der Wohnung nach Absatz 5 nicht darauf gestützt werden, dass der Ausländer nicht angetroffen wurde.

(9) Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen. Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit hinzugezogenen Person ist in den Fällen des Absatzes 6 Satz 2 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu machen. Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung und, falls keine gerichtliche Anordnung ergangen ist, auch Tatsachen, welche die Annahme einer Gefahr im Verzug begründet haben, enthalten. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Wohnungsinhaber oder der hinzugezogenen Person lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.

(10) Weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, bleiben unberührt.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.

(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.

(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.

(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.

(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.

(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.

(1) Einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, ist zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet ab Ausstellung des Ankunftsnachweises gemäß § 63a Absatz 1 gestattet (Aufenthaltsgestattung). Er hat keinen Anspruch darauf, sich in einem bestimmten Land oder an einem bestimmten Ort aufzuhalten. In den Fällen, in denen kein Ankunftsnachweis ausgestellt wird, entsteht die Aufenthaltsgestattung mit der Stellung des Asylantrags.

(2) Mit der Stellung eines Asylantrags erlöschen eine Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels und ein Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer bis zu sechs Monaten sowie die in § 81 Abs. 3 und 4 des Aufenthaltsgesetzes bezeichneten Wirkungen eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. § 81 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes bleibt unberührt, wenn der Ausländer einen Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten besessen und dessen Verlängerung beantragt hat.

(3) Soweit der Erwerb oder die Ausübung eines Rechts oder einer Vergünstigung von der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet abhängig ist, wird die Zeit eines Aufenthalts nach Absatz 1 nur angerechnet, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt ist oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wurde.

Tenor

I. Die Anträge der Antragstellerin zu 1 und des Antragstellers zu 2 werden abgelehnt.

II. Die Antragstellerin zu 1 und der Antragsteller zu 2 haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind kasachische Staatsangehörige und begehren vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich der Abschiebungsandrohungen des Antragsgegners.

Die am ... 1983 in Kasachstan geborene Antragstellerin zu 1 ist die nach eigenen Angaben allein sorgeberechtigte Mutter des am ... 2011 in Kasachstan geborenen Antragstellers zu 2. Zum Vater des Antragstellers zu 2 besteht nach Angaben der Antragstellerin zu 1 kein Kontakt.

Die Antragstellerin zu 1 beantragte am 14. September 2017 bei der deutschen Auslandsvertretung in Almaty (Kasachstan) für sich und den Antragsteller zu 2 Schengen-Visa für den Hauptreisezweck „Besuch von Familie oder Freunden“, die noch am selben Tag ausgestellt wurden und vom 3. Oktober 2017 bis zum 27. Oktober 2017 gültig waren. Am 3. Oktober 2017 reiste sie zusammen mit dem Antragsteller zu 2 in die Bundesrepublik ein und heiratete am 12. Oktober 2017 einen deutschen Staatsangehörigen in Dänemark. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2017 beantragte die Antragstellerin zu 1 bei der zuständigen Ausländerbehörde für sich eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs. Die Antragstellerin zu 1 befindet sich in der sechsten Schwangerschaftswoche.

Mit Bescheid vom 7. November 2017 setzte der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1 eine Ausreisefrist bis zum 17. November 2017 und drohte die Abschiebung nach Kasachstan an. Die Wiedereinreise und der Aufenthalt im Bundesgebiet wurden für den Fall der Abschiebung für die Dauer von drei Monaten nach der Ausreise untersagt. Die Abschiebungsandrohung sei rechtmäßig, insbesondere komme die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht in Betracht, so dass der Antragsgegner deren Ablehnung beabsichtige. Die Antragstellerin zu 1 verfüge nicht über einfache Kenntnisse der deutschen Sprache (Niveau A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens) i.S.d. §§ 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG, § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Zudem sei die Antragstellerin zu 1 nicht mit dem nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erforderlichen Visum eingereist und habe nicht die für die Erteilung erforderlichen Angaben bereits im Visumverfahren gemacht. Mangels Sprachkenntnissen bestehe auch kein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG; besondere Umstände i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG seien ebenfalls nicht ersichtlich. Eine Fiktionsbescheinigung könne schon wegen § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht erteilt werden. Eine Duldung käme ebenfalls nicht in Betracht, da die Abschiebung weder tatsächlich noch – auch im Lichte des Art. 6 GG – rechtlich unmöglich gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG sei. Durch die Nachholung des Visumsverfahrens würden die Ehegatten nicht unverhältnismäßig lange getrennt. Es sei den Ehegatten zuzumuten, das nur wenige Wochen dauernde Visumverfahren abzuwarten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von drei Monaten sei angesichts der bestehenden Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen und der Schutzwirkung des Art. 6 GG ermessensgerecht.

Mit Schreiben vom 8. November 2017 gab der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1 Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 1. Dezember 2017 in Hinblick auf ihre Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, auf Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung, einer Duldung und auf Vorabzustimmung zur Erteilung eines Visums zum Zwecke des Familiennachzugs.

Mit Bescheid vom 29. November 2017 setzte der Antragsgegner dem Antragsteller zu 2 eine Ausreisefrist bis zum 15. Dezember 2017 und drohte ihm die Abschiebung nach Kasachstan an. Die Wiedereinreise und der Aufenthalt im Bundesgebiet wurden für den Fall der Abschiebung für die Dauer von drei Monaten nach der Ausreise untersagt. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von drei Monaten sei angemessen, da sich seine Mutter auf den Schutz des Art. 6 GG berufen könne.

Gegen den Bescheid vom 7. November 2017 ließ die Antragstellerin zu 1 mit Schriftsatz vom 13. November 2017 Klage (Au 6 K 17.1706) erheben mit dem Antrag, den Beklagten und Antragsgegner unter Aufhebung der Abschiebungsandrohung vom 7. November 2017 zu verpflichten, der Klägerin und Antragstellerin zu 1 eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu erteilen, hilfsweise, den Beklagten und Antragsgegner unter Aufhebung der vorgenannten Abschiebungsandrohung zu verpflichten, den Antrag der Klägerin und Antragstellerin zu 1 auf die Familienzusammenführung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Gleichzeitig ließ die Antragstellerin zu 1 beantragen,

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung des Beklagten und Antraggegners vom 7. November 2017 wird angeordnet,

hilfsweise,

gemäß § 123 VwGO von der Abschiebung der Klägerin und Antragstellerin zu 1 bis zur Entscheidung über ihre Klage abzusehen.

Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2017 erweiterte der Bevollmächtigte der Antragstellerin zu 1 Klage und Antrag auch auf den Antragsteller zu 2 und beantragte im Klageverfahren, die Abschiebungsandrohung und Befristungsentscheidung des Beklagten vom 29. November 2017 aufzuheben.

Zugleich ließ der Antragsteller zu 2 durch seinen Bevollmächtigten beantragen,

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung des Beklagten und Antraggegners vom 29. November 2017 wird angeordnet,

hilfsweise,

gemäß § 123 VwGO von der Abschiebung des Klägers und Antragstellers zu 2 bis zur Entscheidung über seine Klage abzusehen.

Die Abschiebungsandrohungen seien bereits deshalb rechtswidrig, weil die Antragsteller zuvor nicht angehört worden seien, obwohl der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1 Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 1. Dezember 2017 gegeben habe. Zudem sei über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis der Antragstellerin zu 1 noch nicht entschieden worden. Des Weiteren liege bei der Antragstellerin zu 1 ein Härtefall vor, der ihr das Nachholen des Visumverfahrens unzumutbar mache. Die Antragstellerin zu 1 habe in Kasachstan weder eine Wohnung noch eine Arbeitsstelle. Sie könne allenfalls für einen kurzen Aufenthalt zur Beantragung eines nationalen Visums bei Freunden übernachten. Zudem sei die Antragstellerin zu 1 inzwischen schwanger, die Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 1 werde derzeit medizinisch untersucht. Das Kind werde durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben. Der Antragsteller zu 2 habe einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 1 AufenthG oder § 25 AufenthG. Die Nachholung des Visumverfahrens sei für ihn unzumutbar, da er nach der Ausreise seiner Mutter keine persönlichen Beziehungen zu Kasachstan mehr habe. Verwandte, die für ihn sorgen könnten, gebe es dort nicht; der Aufenthaltsort seines Vaters sei den Antragstellern unbekannt.

Der Antragsgegner beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Er verweist auf die Ausführungen in den streitgegenständlichen Bescheiden vom 7. November 2017 und vom 29. November 2017 und führt ergänzend aus: Da sich die Antragstellerin zu 1 gemeinsam mit ihrem minderjährigen Sohn (dem Antragsteller zu 2) in der Bundesrepublik aufhalte, sei die Ausreisefrist für die Antragstellerin zu 1 mit Schreiben des Antragsgegners vom 24. November 2017 auf den 1. Dezember 2017 verlängert worden. Einer vorherigen Anhörung der Antragsteller habe es in Bezug auf die Abschiebungsandrohung als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG nicht bedurft. Die Eltern der Antragstellerin zu 1 lebten in Kasachstan, so dass die Antragstellerin zu 1 – alternativ zu einer Unterbringung bei Freunden – auch bei ihren Eltern unterkommen könne. Besondere Umstände, die eine Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar erscheinen ließen, lägen nicht vor. Um die Effektivität des Visumsverfahrens und seine Steuerungs- und präventive Kontrollfunktion nicht zu gefährden, sei § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG eng auszulegen. Über die Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Duldung, einer Fiktionsbescheinigung und einer Vorabzustimmung zur Erteilung eines Visums habe man noch nicht entschieden. Der Antragsteller zu 2 habe keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 AufenthG, da seine Mutter, die Antragstellerin zu 1, keinen entsprechenden Aufenthaltstitel innehabe. Die Antragstellerin zu 1 sei vielmehr ebenfalls ausreisepflichtig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte.

II.

Der Hauptanträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sind ebenso unbegründet und daher abzulehnen wie auch die Hilfsanträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO.

1. Der zulässige Antrag der Antragstellerin zu 1 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung ist unbegründet.

a) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die kraft Gesetz sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung ist zulässig, da es sich bei der Abschiebungsandrohung um eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung handelt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, Art. 21a VwZVG).

b) Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei die Interessen der Antragstellerin zu 1 und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung gegeneinander abzuwägen. Bei der Abwägung kommt den Erfolgsaussichten in der Hauptsache maßgebliche Bedeutung zu, soweit diese bereits beurteilt werden können. Dabei ist in den von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO erfassten Konstellationen zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollzugsinteresses angeordnet hat und es deshalb des Vorliegens besonderer Umstände bedarf, um hiervon abweichend eine Aussetzung zu rechtfertigen.

Gemessen an vorstehenden Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin zu 1 aus, da insofern das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung das Interesse der Antragstellerin zu 1 an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage überwiegt. Vorliegend wird ihre Klage aller Wahrscheinlichkeit nach keinen Erfolg haben. Die Abschiebungsandrohung ist voraussichtlich rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin zu 1 nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

c) Eine Anhörung vor Erlass der Abschiebungsandrohung war nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG nicht erforderlich, da es sich dabei um eine Maßnahme zur Durchsetzung der Ausreisepflicht und damit um eine Vollstreckungsmaßnahme handelt (Masuch/Gordzielik in: Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 59 Rn. 7). Die gesetzte Frist zur Stellungnahme bezog sich dementsprechend auch nicht auf die Abschiebungsandrohung, sondern auf die derzeit noch nicht beschiedenen Anträge auf eine Aufenthaltserlaubnis, eine Duldung etc. Im Übrigen wurde eine Anhörung auch durch die Stellungnahme des Antragsgegners zum Vorbringen der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren nachgeholt, so dass ein etwaiger Verstoß gegen eine Anhörungspflicht nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG geheilt wurde (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2012 – 10 C 12.1789 – juris Rn. 21).

d) Die Antragstellerin zu 1 ist vollziehbar ausreisepflichtig, da ihr durch ein Schengen-Visum vermitteltes Aufenthaltsrecht am 27. Oktober 2017 erloschen ist und sie damit ausreisepflichtig wurde (§ 50 Abs. 1 AufenthG). Die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht ist durch die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht entfallen, da die Antragstellerin zu 1 mit einem Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 AufenthG eingereist ist. Somit kommt es auch nicht darauf an, dass über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bisher noch nicht entschieden wurde. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 AufenthG sind erfüllt. Die Ausreisefrist ist am 1. Dezember 2017 abgelaufen und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert, weil die Antragstellerin zu 1 offensichtlich nicht zur freiwilligen Ausreise bereit ist.

e) Ein eventuelles Abschiebungsverbot steht der Rechtmäßigkeit der Androhung nicht entgegen (§ 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Warum gleichwohl die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet werden sollte, ist nicht erkennbar.

2. Der zulässige Hilfsantrag der Antragstellerin zu 1 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist ebenfalls unbegründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Es liegt derzeit kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor, noch sind sonstige Gründe ersichtlich, aus denen die Abschiebung der Antragstellerin zu 1 nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist. Folglich wurde ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

a) Ein Anspruch der Antragstellerin zu 1 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27, 28 Abs. 1 AufenthG besteht nicht.

aa) Einem Anspruch steht bereits entgegen, dass die Antragstellerin zu 1 bisher nicht nachgewiesen hat, dass sie sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG, § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, § 2 Abs. 9 AufenthG.

Einfache deutsche Sprachkenntnisse entsprechen nach § 2 Abs. 9 AufenthG dem Niveau A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (im Folgenden: GER). Es obliegt der Antragstellerin zu 1, den entsprechenden Nachweis zu erbringen, § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Der Nachweis über diese Kenntnisse ist zumindest durch ein geeignetes und zuverlässiges Zeugnis erbracht (BayVGH, B.v. 10.2.2016 – 10 ZB 14.2577 – juris Rn. 13). Das Sprachstandszeugnis muss auf einer standardisierten Sprachprüfung beruhen (vgl. beispielsweise Nr. 30.1.2.3.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009). Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin zu 1 bisher keine Nachweise über das geforderte Sprachniveau erbracht; ihre Kenntnisse der deutschen Sprache sind auch nicht offenkundig. Dass von dem Spracherfordernis nach § 30 Abs. 1 Satz 3 AufenthG abgesehen werden konnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

bb) Des Weiteren steht einem strikten Anspruch entgegen, dass die Antragstellerin zu 1 nicht mit dem erforderlichen nationalen Visum nach § 6 Abs. 3 AufenthG, sondern lediglich mit einem Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte in das Bundesgebiet eingereist ist und deshalb die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht erfüllt ist. Weder ist bei ihr ein Ausnahmefall gegeben, in dem ein Aufenthaltstitel im Bundesgebiet ohne Durchführung des Visumverfahrens eingeholt werden kann, noch kann vom Visumverfahren nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden.

(1) Die Antragstellerin zu 1 ist nicht nach den auf § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG beruhenden Regelungen der §§ 39 ff. AufenthV ausnahmsweise berechtigt, den Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einzuholen, und damit von dem Visumerfordernis befreit.

Nach § 39 Nr. 3 AufenthV kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn er Staatsangehöriger eines in Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 aufgeführten Staates ist und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) besitzt, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind. Einreise meint dabei die letzte Einreise in das Bundesgebiet (BVerwG U.v. 11.1.2011 – 1 C 23.09 – juris).

Die Antragstellerin zu 1, für die allein die zweite Alternative der Vorschrift in Betracht kommt, war zwar bei der Stellung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug im Besitz eines gültigen Schengen-Visums für kurzfristige Aufenthalte. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sind hier jedoch nicht nach, sondern vor ihrer letzten Einreise in das Bundesgebiet entstanden. Bei dem beabsichtigten Daueraufenthalt kommt es für die Frage, ob die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erst nach der Einreise entstanden sind, entscheidend auf die letzte Einreise in das Bundesgebiet, nicht auf die letzte Einreise in den Schengen-Raum an (BVerwG vom 11.1.2011 a.a.O. Rn. 25; BayVGH vom 18.5.2009 – Az. 10 CS 09.853 – juris Rn. 19). Diese Auslegung des § 39 Nr. 3 AufenthV ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus der Stellung der Vorschrift im Vierten Abschnitt der Aufenthaltsverordnung, die nur Ausnahmen vom Visumerfordernis für nationale Titel gemäß § 6 Abs. 4 AufenthG betreffe. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen für diese Auslegung, weil nur diejenigen Ausländer begünstigt werden sollen, die im Schengen-Visum zutreffende Angaben gemacht haben und bei denen sich der Aufenthaltszweck aufgrund nach der Einreise eingetretener neuer Umstände geändert hat (so auch stRspr. des BayVGH, vgl. etwa Beschluss vom 12.1.2010 – Az. 10 CS 09.2705 – juris Rn. 9). Zentrales Merkmal der inmitten stehenden Anspruchsnorm § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist die Eheschließung. Hierzu begab sich die Antragstellerin zu 1 während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet zusammen mit ihrem jetzigen Ehemann nach Dänemark, wo am 12. Oktober 2017 die Eheschließung erfolgte. Anschließend kehrte die Antragstellerin zu 1 wieder in das Bundesgebiet zurück, sodass die Eheschließung vor der hier relevanten letzten Einreise ins Bundesgebiet erfolgte.

Des Weiteren hat die Antragstellerin zu 1 den Sprachnachweis als weitere Anspruchsvoraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27, 28 AufenthG (s.o.) nicht erworben, als sie noch einen Aufenthaltstitel (hier: ihr bis zum 27. Oktober 2017 gültiges Schengen-Visum) innehatte. Erforderlich ist, dass die Antragstellerin zu 1 im Zeitpunkt des Eintritts der letzten Anspruchsvoraussetzung (hier: des Sprachnachweises) für die Erteilung der von ihr begehrten Aufenthaltserlaubnis noch über die Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet aufgrund des ausgestellten Schengenvisums verfügt (unter Verweis auf den Wortlaut der Norm: BayVGH, B.v. 28.5.2015 – 10 CE 14.2123 – juris Rn. 10). Dies war hier nicht der Fall. Bis zum Ablauf des 27. Oktober 2017 verfügte die Antragstellerin zu 1 nicht über Sprachkenntnisse auf dem Niveau A 1 des GER.

(2) Auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG liegen nicht vor. Weder besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, noch ist eine Nachholung des Visumverfahrens wegen besonderer Umstände unzumutbar.

Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug nach §§ 27, 28 AufenthG besteht mangels Sprachnachweis nicht (s.o.).

Es wurde auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar ist. Diese Voraussetzung ist dem Zweck des Gesetzes entsprechend, die Zuwanderung zu steuern und zu begrenzen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), als Ausnahmeregelung eng auszulegen. Zum einen müssen besondere Umstände des Einzelfalles vorliegen. Zum anderen müssen diese Umstände es als nicht zumutbar erscheinen lassen, das Visumverfahren nachzuholen. Ein besonderer Umstand als Ausnahme der vom Gesetzgeber angenommenen regelmäßigen Zumutbarkeit kann dann vorliegen, wenn sich der Ausländer in einer Sondersituation befindet, die sich deutlich von der Lage vergleichbarer Ausländer unterscheidet. Für die Zumutbarkeitsprüfung ist eine Güterabwägung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit anzustellen.

Art. 6 GG gewährt keinen grundrechtlichen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner ständigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit sind nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind (BVerfG, B.v. 17.5.2011 – 2 BvR 2625/10 – juris Rn. 13 m.w.N.). Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen. Das Visumverfahren bietet Gelegenheit, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu überprüfen. Das Aufenthaltsgesetz trägt dabei dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) abzusehen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen (BVerfG, B.v. 17.5.2011 a.a.O. Rn. 14 m.w.N.). Erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft, weil ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist, und kann dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen Deutschlands nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück (BVerfG, B.v. 17.5.2011 a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Andernfalls sind dem im Bundesgebiet lebenden Familienmitglied grundsätzlich Anstrengungen zumutbar, die familiäre Lebensgemeinschaft durch Besuche oder nötigenfalls zur Gänze im Ausland herzustellen (BayVGH, B.v. 21.2.2013 – 10 CS 12.2679 – juris Rn. 33). Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die vorherige Durchführung eines Visumverfahrens wichtigen öffentlichen Interessen dient. In Fällen wie dem vorliegenden soll die vorherige Durchführung des Visumverfahrens gewährleisten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug vor der Einreise geprüft werden können, um die Zuwanderung von Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von vornherein zu verhindern (BayVGH, B.v. 21.2.2013 a.a.O. Rn. 35).

Die Nachholung des Visumverfahrens aus dem Heimatland ist der Antragstellerin zu 1 auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK grundsätzlich zumutbar (vgl. BVerfG, B.v. 4.12.2007 – 2 BvR 2341/06 – InfAuslR 2008, 239 Rn. 6; BayVGH, B.v. 2.2.2010 – 10 ZB 09.2155 – juris Rn. 9). Besondere Umstände, die vorliegend ein Absehen von dem Erfordernis der Durchführung eines Visumsverfahrens gebieten würden, sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen. Allein die Tatsache, dass die Antragstellerin zu 1 von ihrem Ehemann während des Zeitraumes der Durchführung des Visumsverfahrens örtlich getrennt ist, begründet keine Unzumutbarkeit. Die Antragstellerin zu 1 hat sich lange Jahre ohne ihren Ehemann in Kasachstan aufgehalten. Auch besteht die eheliche Lebensgemeinschaft erst seit ca. zwei Monaten und damit erst seit kurzem. Zudem wurde die Ehe geschlossen, als der Antragstellerin zu 1 lediglich ein Besuchs- und kein Daueraufenthalt erlaubt war, sie also nicht darauf vertrauen konnte, im Bundesgebiet bleiben zu dürfen. Ferner besteht keine Beistandsgemeinschaft, für welche die ununterbrochene Anwesenheit der Antragstellerin zu 1 in der Bundesrepublik erforderlich wäre. Dass die Antragstellerin zu 1 ihre Wohnung in Kasachstan aufgegeben und dort keine Arbeitsstelle hat, macht ihre kurzzeitige Rückkehr nach Kasachstan ebenfalls nicht unzumutbar. Denn in dieser Hinsicht unterscheidet sie sich schon nicht von anderen in der Bundesrepublik lebenden Ausländern, die sich ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik erhoffen und deshalb regelmäßig keinen Zweitwohnsitz im Heimatstaat aufrechterhalten und wegen der Einreise in die Bundesrepublik ihre Arbeitsstelle im Heimatstaat aufgeben. Ein Sonderfall liegt damit nicht vor. Des Weiteren hat es die Antragstellerin zu 1 selbst zu vertreten, wenn sie ihren Wohnsitz und ihre Arbeitstätigkeit in Kasachstan aufgibt, obwohl sie nur ein 25-tägiges Aufenthaltsrecht in Deutschland hatte. Zudem ist ihr erwerbstätiger Ehemann der Antragstellerin zu 1 unterhaltspflichtig und die Antragstellerin zu 1 soweit ersichtlich erwerbsfähig. Sollte die Antragstellerin zu 1 daher weder bei ihren Eltern noch bei ihren Freunden unterkommen können, könnte sie sich ihren kurzfristigen Aufenthalt durch die (Wieder-)Aufnahme einer Kurzzeitbeschäftigung oder durch Unterhaltsleistungen ihres grundsätzlich hierzu verpflichteten Ehemanns finanzieren. Dass dies nicht möglich sein sollte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch die Tatsache, dass die Antragstellerin zu 1 zusammen mit ihrem sechsjährigen Sohn eingereist ist, führt nicht zur Unzumutbarkeit der Ausreise. Ihr Sohn ist ebenfalls kasachischer Staatsangehöriger ohne Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik (s.u.) und kann die Antragstellerin zu 1 daher nach Kasachstan begleiten.

Dass die Antragstellerin zu 1 aufgrund gesundheitlicher Probleme in der Schwangerschaft auf den Beistand ihres deutschen Ehemanns in besonderer Weise angewiesen wäre, wurde ebenso wenig glaubhaft gemacht wie eine Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 1. Es ist Sache der Antragstellerin zu 1, die in ihrer Sphäre liegenden, für sie günstigen Umstände darzulegen. Im Schriftsatz vom 14. Dezember 2017 führt ihr Bevollmächtigter lediglich aus, dass die Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 1 medizinisch geprüft würde. Woraus sich die Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 1 ergeben soll, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Ein diesbezügliches fachärztliches Attest wurde nicht vorgelegt. Aus der vorgelegten Bescheinigung der Fachärzte für Allgemeinmedizin ergibt sich lediglich, dass die Antragstellerin zu 1 in der sechsten Woche schwanger ist. Eine Risikoschwangerschaft, aus der sich eine Reiseunfähigkeit ergeben könnte, wurde nicht glaubhaft gemacht. Eine normal verlaufende Schwangerschaft hat indes grundsätzlich keinen Krankheitswert und führt für sich allein nicht zur Reiseunfähigkeit. Bei einem unkomplizierten Schwangerschaftsverlauf können Schwangere bis zu vier Wochen vor dem voraussichtlichen Geburtstermin ohne gynäkologisches Attest fliegen. Darüber hinaus ist eine Ausreise per Flugzeug nicht zwingend. Kasachstan kann auch über den Landweg erreicht werden.

b) Die Antragstellerin zu 1 hat keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung bis zur Entscheidung in der Hauptsache gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Eine Abschiebung ist hinsichtlich der Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen bzw. ihrer Schwangerschaft nicht gemäß Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK rechtlich unmöglich. Hierzu wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

3. Der nachträgliche Verfahrensbeitritt des Antragstellers zu 2 ist als nachträgliche subjektive Antragshäufung zulässig.

Die Antragstellerin zu 1 und der Antragsteller zu 2 sind einfache Streitgenossen i.S.d. § 64 VwGO i.V.m. § 60 ZPO, da ihre streitgegenständlichen Verpflichtungen auf einem im Wesentlichen gleichartiger tatsächlicher Grund beruhen. Gleichartigkeit (Gleichheit oder Identität nicht erforderlich) liegt vor bei einer Übereinstimmung nach dem abstrakten Inhalt des Anspruchs oder wenn die Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt und der Tatsachenstoff im Wesentlichen gleichartig ist (Weth in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 60 Rn. 10). Dies ist hier der Fall. Mutter und Sohn sind jeweils mit einem am selben Tag beantragten und gleichlang gültigen Schengen-Visum eingereist; ein Aufenthaltsrecht des Sohnes kommt allenfalls als Folge eines Aufenthaltsrechts der Mutter in Betracht. Damit besteht ein sachlicher Zusammenhang. Auch die Voraussetzungen der objektiven Antragshäufung nach § 44 VwGO, die bei einer subjektiven Antragshäufung stets ebenfalls vorliegt (Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 64 Rn. 6), sind gegeben. Ein tatsächlicher Zusammenhang, bei dem die unterschiedlichen Ansprüche sei es dem Entstehungsgrund, sei es der erstrebten Wirkung nach einem einheitlichen Lebensvorgang zuzurechnen sind (Rennert in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 44 Rn. 9), liegt bei der gebotenen weiten Auslegung (W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl., § 64 VwGO Rn. 4) vor (s.o.); ebenso ist das hiesige Gericht auch für den Antrag des Antragstellers zu 2 zuständig. Auch die Voraussetzungen der Antragsänderung nach § 91 VwGO durch den Beitritt des Antragstellers zu 2 (vgl. Rennert in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 91 Rn. 20) sind erfüllt. Zum einen hat der Antragsgegner auf die Antragserweiterung erwidert, ohne zu widersprechen und damit seine Einwilligung gem. § 91 Abs. 2 VwGO erklärt. Zum anderen ist eine Antragserweiterung wegen des einheitlichen tatsächlichen Lebenssachverhalts sachdienlich (s.o.).

4. Der zulässige Antrag des Antragstellers zu 2 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung ist unbegründet. Insoweit sind die hierfür maßgeblichen rechtlichen Erwägungen dieselben wie jene in Bezug auf die Antragstellerin zu 1, so dass auf die Ausführungen unter 1. verwiesen werden kann. Insbesondere ist eine Ausreisefrist von knapp zwei Wochen bis zum 15. Dezember 2017 in Hinblick auf die schon seit dem 27. Oktober 2017 bestehende Ausreisepflicht des Antragstellers zu 2 angemessen i.S.d. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

5. Der zulässige Hilfsantrag des Antragstellers zu 2 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist ebenfalls unbegründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Es liegt derzeit kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor, noch sind sonstige Gründe ersichtlich, aus denen die Abschiebung des Antragstellers zu 2 nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist. Folglich wurde ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

a) Der Antragsteller zu 2 hat keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 1 AufenthG.

Die Antragstellerin zu 1 als soweit ersichtlich allein sorgeberechtigte Mutter hat keinen Aufenthaltstitel i.S.d. § 32 Abs. 1 AufenthG inne, insbesondere keine Aufenthaltserlaubnis. Dies ist jedoch Voraussetzung eines Anspruchs nach § 32 Abs. 1 AufenthG (OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.7.2017 – 11 S. 48.17 – juris Rn. 3). Sie hat hierauf auch keinen Anspruch (s.o.).

b) Der Antragsteller zu 2 hat keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 4 AufenthG.

Eine besondere Härte liegt nur vor, wenn nach den Gegebenheiten des Einzelfalls das Interesse des minderjährigen Kindes und des im Bundesgebiet lebenden Elternteils an dem Zusammenleben im Bundesgebiet deswegen vorrangig ist, weil sich die Lebensumstände wesentlich geändert haben, die das Verbleiben des Kindes im Heimatland ermöglicht haben, und weil dem Elternteil eine Rückkehr in das Heimatland gegenwärtig nicht zumutbar ist (OVG Berlin-Bbg, B.v. 9.2.2015 – OVG 11 N 3.14 – juris Rn. 7 m.w.N.; Bergmann/Dienelt, AufenthG, 11. Aufl., § 32 Rn. 64). Die Änderung der Lebensumstände muss danach nicht durch die Ausreise der Eltern (oder des Elternteils), sondern nach ihrer Ausreise eingetreten sein, ohne dass dies zuvor absehbar war (OVG Berlin-Bbg, B.v. 16.7.2009 – OVG 2 B 4.09 – juris Rn. 19). Daran fehlt es hier. Zum einen hat der Antragsteller zu 2 nicht vorgetragen, dass sich Umstände in Kasachstan über die – insoweit unbeachtliche – Ausreise seiner Mutter hinaus geändert haben. Zum anderen ist seine Mutter die Rückkehr in ihr Heimatland zumutbar; sie ist hierzu sogar verpflichtet (s.o.).

c) Ein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Antragsteller zu 2 ist weder als Asylberechtigter oder international Schutzberechtigter anerkannt, noch sind Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG ersichtlich (§ 25 Abs. 1 bis Abs. 3 AufenthG). Der Antragsteller zu 2 ist auch vollziehbar ausreisepflichtig (s.o.) und strebt einen dauerhaften und damit nicht nur vorübergehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik an, so dass auch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthG nicht in Betracht kommt. Die Ausreise ist dem Antragsteller zu 2 auch nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich (dazu sogleich), so dass auch kein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG besteht.

d) Darüber hinaus erfüllt der Antragsteller zu 2 auch nicht die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, da er nicht mit dem erforderlichen Visum für einen dauerhaften Aufenthalt eingereist ist. Insoweit kann auf die Ausführungen unter 2. a) bb) verwiesen werden. Ein Absehen vom Erfordernis des Visumverfahrens ist auch nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG möglich. Zum einen hat der Antragsteller zu 2 keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis (s.o.), zum anderen liegen auch keine besonderen Umstände, die eine Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar erscheinen lassen, vor. Dass sich der Antragsteller zu 2 im Vergleich zu anderen – auch minderjährigen – Ausreisepflichtigen in einer besonderen Situation befindet, wurde nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere ergibt sich eine besondere Härte nicht schon dadurch, dass sich die Mutter des Antragstellers zu 2 derzeit in der Bundesrepublik befindet und der Antragsteller zu 2 nach Vortrag seines Bevollmächtigten keine Verwandten in Kasachstan hat, die für ihn sorgen könnten. Seine ihn begleitende Mutter ist ebenfalls zur Ausreise verpflichtet (s.o.). Der Antragsteller zu 2 kann daher zusammen mit seiner Mutter nach Kasachstan zurückkehren und diese dort für ihn sorgen. Die Gefahr, dass der Antragsteller zu 2 in Kasachstan auf sich allein gestellt ist, besteht folglich nicht. Der Antragsteller zu 2 hält sich zudem erst seit zwei Monaten in der Bundesrepublik auf, weshalb auch in Hinblick auf die nur sehr kurze Aufenthaltsdauer eine Unzumutbarkeit nicht ersichtlich ist. Da der minderjährige Antragsteller zu 2 nach Vortrag der Antragstellerin zu 1 das Kind aus einer vorherigen Beziehung der Antragstellerin zu 1 ist, besteht sogar ein gesteigertes Interesse daran, dass der Antragsteller zu 2 zunächst nach Kasachstan zurückkehrt und ein Visumverfahren durchgeführt wird. Erst im Visumverfahren kann umfassend geprüft werden, ob durch einen dauerhaften Aufenthalt des Antragstellers zu 2 im Bundesgebiet etwaige Sorge- und Umgangsrechte des Kindsvaters berührt werden oder ob – wie die Antragstellerin zu 1 vorträgt – die Kindsmutter das alleinige Sorgerecht ausübt und kein Kontakt zum Kindsvater besteht. Es besteht mithin ein gesteigertes öffentliches Interesse daran, dass die Kindsmutter nicht durch das eigenmächtige, dauerhafte Verbringen des Kindes ins Ausland für den Kindsvater vollendete Tatsachen schafft, ohne dass die zuständigen Behörden zuvor Gelegenheit hatten, einen dauerhaften Aufenthaltswechsel des Minderjährigen zu prüfen.

6. Der Antragsteller zu 2 hat auch keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Eine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung ergibt sich auch nicht aus seinem Recht auf Privatleben nach Art .8 EMRK. In Hinblick auf den nur kurzen Aufenthalt des Antragstellers zu 2 in der Bundesrepublik und der hohen Bedeutung des Visumverfahrens im Ausländerrecht (s.o.) ist eine Abschiebung des Antragstellers zu 2 verhältnismäßig.

7. Die Antragstellerin zu 1 und der Antragsteller zu 2 haben die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1, § 159 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO zu tragen.

8. Die Höhe des Streitwerts folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.1.3, Nr. 1.5 und Nr. 8.3 des Streitwertkatalogs.

(1) Der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers ist räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Von der räumlichen Beschränkung nach Satz 1 kann abgewichen werden, wenn der Ausländer zur Ausübung einer Beschäftigung ohne Prüfung nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 berechtigt ist oder wenn dies zum Zwecke des Schulbesuchs, der betrieblichen Aus- und Weiterbildung oder des Studiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung erforderlich ist. Das Gleiche gilt, wenn dies der Aufrechterhaltung der Familieneinheit dient.

(1a) In den Fällen des § 60a Abs. 2a wird der Aufenthalt auf den Bezirk der zuletzt zuständigen Ausländerbehörde im Inland beschränkt. Der Ausländer muss sich nach der Einreise unverzüglich dorthin begeben. Ist eine solche Behörde nicht feststellbar, gilt § 15a entsprechend.

(1b) Die räumliche Beschränkung nach den Absätzen 1 und 1a erlischt, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält.

(1c) Eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers kann unabhängig von den Absätzen 1 bis 1b angeordnet werden, wenn

1.
der Ausländer wegen einer Straftat, mit Ausnahme solcher Straftaten, deren Tatbestand nur von Ausländern verwirklicht werden kann, rechtskräftig verurteilt worden ist,
2.
Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat, oder
3.
konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung gegen den Ausländer bevorstehen.
Eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde soll angeordnet werden, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(1d) Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, ist verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Soweit die Ausländerbehörde nichts anderes angeordnet hat, ist das der Wohnort, an dem der Ausländer zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat. Die Ausländerbehörde kann die Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag des Ausländers ändern; hierbei sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen. Der Ausländer kann den durch die Wohnsitzauflage festgelegten Ort ohne Erlaubnis vorübergehend verlassen.

(1e) Auflagen können zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht angeordnet werden, wenn konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung unmittelbar bevorstehen. Insbesondere kann ein Ausländer verpflichtet werden, sich einmal wöchentlich oder in einem längeren Intervall bei der für den Aufenthaltsort des Ausländers zuständigen Ausländerbehörde zu melden.

(1f) Weitere Bedingungen und Auflagen können angeordnet werden.

(2) Die Länder können Ausreiseeinrichtungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer schaffen. In den Ausreiseeinrichtungen soll durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden.

Gründe

I.

1

Mit Bescheiden vom 07.08.2012 änderte die Antragsgegnerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung bereits bestehende wohnsitzbeschränkende Auflagen und gab den Antragstellern auf, ab dem 01.09.2012 ihren Wohnsitz in der Gemeinschaftsunterkunft G-Straße 7d/B-Straße in A-Stadt zu nehmen. Zur Begründung gab sie an, aufgrund der früheren Anerkennung als Flüchtlinge sei es den Antragstellern möglich gewesen, in einer privaten Wohnung und somit außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen. Da die Antragsteller nach den heute vorliegenden Erkenntnissen seit ihrer Einreise über ihre wahre Identität getäuscht hätten und diese weiterhin nicht preisgäben, bestehe nunmehr ein öffentliches Interesse an einer Wohnsitznahme in einer Gemeinschaftsunterkunft. Dort könne sie intensivere Maßnahmen zur Identitätsklärung bzw. die damit verbundene Beschaffung von Heimreisedokumenten zur Beendigung des Aufenthalts durchführen. Ein weiterer Grund, der die Wohnsitznahme in der Gemeinschaftsunterkunft erforderlich mache, liege in dem Bezug öffentlicher Leistungen. Aufgrund der wiederholten Falschangaben zur Identität seien die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) eingeschränkt worden. Die Privatwohnung könne mit den gekürzten Leistungen nicht mehr getragen werden. Nunmehr seien nachweislich Mietschulden entstanden, deren Übernahme das Sozialamt abgelehnt habe. Angesichts der nunmehr drohenden Kündigung seien die Antragsteller von Obdachlosigkeit bedroht. Es bestehe ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug; denn zur Vermeidung der Anhäufung weiterer Mietschulden, des damit verbundenen Schadens für Dritte (Vermieter) und der drohenden Obdachlosigkeit der Antragsteller sei die unverzügliche Unterbringung in der Gemeinschaftsunterkunft zwingend notwendig.

2

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der von den Antragstellern erhobenen Widersprüche wiederhergestellt und zur Begründung ausgeführt: Die Bescheide seien offensichtlich rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin das ihr nach § 46 Abs. 1 AufenthG zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Sie habe nicht berücksichtigt, dass die Antragstellerin zu 4 nach einem Urteil der Kammer vom 07.09.2012 (4 A 212/11 MD) einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG habe und die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis die vollziehbare Ausreisepflicht entfallen lassen würde. Da der Antragstellerin zu 4 nach diesem Urteil die mangelnde Identitätsklärung nicht zugerechnet werden könne und deshalb die Nichtvorlage eines Personaldokuments der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegenstehe, entspreche es nicht dem Zweck der Regelung des § 46 Abs. 1 AufenthG, von ihr das Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft zu verlangen, um sie zur Beschaffung von Dokumenten zur Identitätsklärung und Erleichterung der Ausreise zu motivieren. Der Ermessensfehler wirke sich auch auf die Entscheidung hinsichtlich der übrigen Antragsteller aus, da im Hinblick auf die familiäre Lebensgemeinschaft nur ein gemeinsames Wohnen der Eltern mit den beiden minderjährigen Kindern in Betracht komme und der Familienverbund auch hinsichtlich des Antragstellers zu 5 jedenfalls zu prüfen gewesen wäre.

3

Hiergegen wendet die Antragsgegnerin ein, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts in seinem – noch nicht rechtskräftigen – Urteil vom 07.09.2012 habe die Antragstellerin zu 4 keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1a und Nr. 4 AufenthG seien nicht erfüllt. Weder sei die Identität der Antragstellerin zu 4 geklärt noch besitze sie den erforderlichen Pass. Es sei keine Ausnahmesituation zu erkennen, die es rechtfertige, von der Passpflicht oder zumindest vom Identitätsnachweis abzusehen. Die von den Antragstellern angegebenen Personendaten seien falsch; nach einer Information der zentralen Abschiebestelle in Halberstadt gehe der armenische Botschaftsrat nach einer Vorführung der Antragsteller davon aus, dass sie armenischer Herkunft seien. Die Antragsteller behaupteten indes weiterhin wahrheitswidrig, aus dem Irak zu stammen. Spätestens seit der Leistungskürzung seien die Antragsteller nicht mehr in der Lage, die bisherige ca. 104 m² große Wohnung zu finanzieren.

II.

4

A. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

5

Das Verwaltungsgericht hat – jedenfalls im Ergebnis – zu Recht die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Bescheide vom 07.08.2012 wiederhergestellt. Denn es ist zumindest offen, ob die in den Bescheiden jeweils ausgesprochene Verpflichtung zur Wohnsitznahme in der Gemeinschaftsunterkunft im Widerspruchs- oder in einem ggf. nachfolgenden Hautsacheverfahren Bestand haben wird (1.). Die hiernach vorzunehmende Abwägungsentscheidung fällt zugunsten der Antragsteller aus (2.)

6

 1. Gemäß § 46 Abs. 1 AufenthG kann die Ausländerbehörde gegenüber einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer Maßnahmen zur Förderung der Ausreise treffen, insbesondere kann sie den Ausländer verpflichten, den Wohnsitz an einem von ihr bestimmten Ort zu nehmen. Mit der Verpflichtung, an einem bestimmten Ort Wohnsitz zu nehmen, soll die Erreichbarkeit des Ausländers und die Einwirkungsmöglichkeit der Ausländerbehörde sichergestellt werden (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 15/420 S. 88). Eine entsprechende Anordnung muss einen sinnvollen Bezug zu diesem zulässigen Verfahrenszweck aufweisen, insbesondere dem der Identitätsfeststellung und Passbeschaffung, und darf nicht in Schikane mit strafähnlichem Charakter ausarten, auf eine unzulässige Beugung des Willens hinauslaufen oder den Betreffenden im Einzelfall unverhältnismäßig treffen (vgl. Urt. d. Senats v. 29.11.2007 – 2 L 223/06 –, Juris, RdNr. 31, m.w.N.).

7

Der Senat hat Zweifel, ob mit den streitigen Anordnungen ein solcher zulässiger Verfahrenszweck verfolgt wird.

8

 1.1. Die von der Antragsgegnerin angeführte drohende Obdachlosigkeit der Antragsteller im Fall der Kündigung der von ihnen angemieteten Privatwohnung dürfte nach dem oben dargestellten Zweck des § 46 Abs. 1 AufenthG kein Grund für eine Anordnung zur Wohnsitznahme in einer Gemeinschaftsunterkunft sein.

9

 1.2. Es ist auch fraglich, inwieweit mit dieser Maßnahme die Erreichbarkeit der Antragsteller und die Einwirkungsmöglichkeiten der Antragsgegnerin hinsichtlich der Beschaffung von Heimreisedokumenten verbessert werden. Die Antragsgegnerin hat nicht näher dargelegt, welche (konkreten) „intensivere Maßnahmen zur Identitätsklärung und Beschaffung von Heimreisedokumenten zur Beendigung des Aufenthalts“ sie dort durchführen will.

10

 1.3. Im Übrigen ist dem Verwaltungsgericht darin beizupflichten, dass eine auf § 46 Abs. 1 AufenthG gestützte Anordnung, den Wohnsitz in einer Gemeinschaftsunterkunft zu nehmen, jedenfalls dann nicht mehr dem Zweck der Ermächtigung entspricht und damit ermessensfehlerhaft ist, wenn absehbar ist, dass die vollziehbare Ausreisepflicht des Ausländers entfallen wird, weil er einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat. Gleiches dürfte gelten, wenn der Ausländer nach Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung durch die Ausländerbehörde hat.

11

Nach derzeitigem Sach- und Streitstand ist offen, ob die Antragstellerin zu 4 einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG oder zumindest einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung durch die Antragsgegnerin hat.

12

Gemäß § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann einem geduldeten Ausländer, der in Deutschland geboren wurde oder vor Vollendung des 14. Lebensjahres eingereist ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn (1.) er sich seit sechs Jahren ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhält, (2.) er sechs Jahre erfolgreich im Bundesgebiet eine Schule besucht oder in Deutschland einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben hat und (3.) der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach Vollendung des 15. und vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird, sofern gewährleistet erscheint, dass er sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Nach den von der Antragsgegnerin nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts erfüllt die Antragstellerin zu 4 diese Voraussetzungen. Solange sich der Jugendliche oder der Heranwachsende in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung oder einem Hochschulstudium befindet, schließt gemäß § 25a Abs. 1 Satz 2 AufenthG die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht aus. Die Antragsgegnerin hält der Antragstellerin zu 4 auch keine eigenen Täuschungshandlungen vor, die gemäß § 25a Abs. 1 Satz 3 AufenthG zwingend zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis führen.

13

Der Antragsgegnerin ist zwar darin beizupflichten, dass auch im Rahmen des § 25a Abs. 1 AufenthG grundsätzlich die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG erfüllt sein müssen (vgl. BT-Drs. 17/5093, S. 15 f.). Von diesen Voraussetzungen kann aber gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des AufenthG, die nicht bereits in § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG genannt sind, und damit auch in den Fällen des § 25a Abs. 1 AufenthG im Ermessenswege abgesehen werden (vgl. Beschl. d. Senats v. 30.03.2012 – 2 O 198/12 –). Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, es liege keine Ausnahmesituation vor, die ein Absehen von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen rechtfertige, verkennt sie, dass § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG einen atypischen Fall nicht voraussetzt, sondern in den darin bezeichneten Fällen allgemein die Behörde ermächtigt, im Ermessenswege von den Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG abzusehen. Auch erscheint zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin bei ihren Ermessenserwägungen entscheidend darauf abstellen darf, dass die Antragstellerin zu 4 den langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet nur durch die Täuschungshandlungen ihrer Eltern erreichen konnte. Sollen nach § 25a Abs. 1 Satz 3 AufenthG nur eigene Täuschungshandlungen, nicht aber Täuschungshandlungen Dritter zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis führen, wird die Ausländerbehörde auch bei der Ermessensausübung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG Täuschungshandlungen der Eltern nicht berücksichtigen dürfen. Unabhängig davon ist – wie die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerde selbst vorträgt – die Frage, welche Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG insbesondere in Bezug auf die Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG vorliegen müssen, Gegenstand eines Revisionsverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht (1 C 17.12) und damit als offen zu bewerten.

14

 2. Da nach alldem zumindest offen ist, ob die Antragstellerin zu 4 ausreisepflichtig ist und sie und die übrigen mit ihr in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Antragsteller auf der Grundlage des § 46 Abs. 1 VwGO zur Wohnsitznahme in der Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet werden können, ist im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnungen mit dem Interesse der Antragsteller, von der Vollziehung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, abzuwägen. Die dabei vorzunehmende Folgenabwägung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – Juris, RdNr. 18; BVerwG, Beschl. v. 30.08.1996 – 7 VR 2/96 –, NVwZ 1997, 497 [501]) fällt zugunsten der Antragsteller aus.

15

Wird der begehrte vorläufige Rechtsschutz versagt, so dass die Antragsteller ihren Wohnsitz in der Gemeinschaftsunterkunft nehmen müssen, lassen sich die dadurch insbesondere für die in Deutschland geborenen minderjährigen Antragsteller zu 3 und 4 eintretenden Folgen bei einem Obsiegen in der Hauptsache möglicherweise nur schwer wieder rückgängig machen. Sie sind – wie auch die Antragsgegnerin anerkennt – in das bisherige Umfeld integriert.

16

Wird dagegen die aufschiebende Wirkung der Widersprüche angeordnet, wird lediglich der bereits seit Jahren bestehende Zustand beibehalten. Anhaltspunkte dafür, dass – anders als bisher – eine besondere Dringlichkeit dafür besteht, entsprechend dem Zweck einer Anordnung nach § 46 Abs. 1 AufenthG die Ausreise der Antragsteller zu fördern, sind nicht ersichtlich. Zwar mögen – wie die Antragsgegnerin geltend macht – bei einem Verbleib in der bisherigen Wohnung bereits bestehende Mietschulden weiter anwachsen, weil ihr Sozial- und Wohnungsamt die Unterkunftskosten wegen der Größe der bisherigen Wohnung voraussichtlich auch weiterhin nicht in voller Höhe übernehmen würde. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass bei der Gewichtung der Interessen im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO dem Zweck des Gesetzes, dessen Vollzug der in Frage stehende Verwaltungsakt dient, maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 80 RdNr. 91; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 80 RdNr. 161, m.w.N; OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.04.1985 – 10 B 4/85 –, NJW 1986, 800). Eine Wohnsitzauflage auf der Grundlage des § 46 Abs. 1 AufenthG soll – wie bereits dargelegt – nach dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung dazu dienen, die Ausreise des vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers zu fördern. Sie hat hingegen nicht die Zielrichtung, das Anwachsen von Mietschulden zu verhindern und einer möglicherweise drohenden Obdachlosigkeit des Ausländers für den Fall der Kündigung der von ihm angemieteten Privatwohnung vorzubeugen. Darüber hinaus ist in Erwägung zu ziehen, dass die Antragsteller insbesondere im Fall einer Kündigung durch den jetzigen Vermieter die Möglichkeit haben, eine kleinere Wohnung anzumieten, die nach den Maßstäben der Sozialbehörde die Angemessenheitskriterien erfüllt.

17

 B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.

18

 C. Den Antragstellern ist auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens zu bewilligen.

19

Aus der vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen ergibt sich, dass die Kläger nicht in der Lage sind, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO). Die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung bleiben gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 119 Satz 2 ZPO im zweiten Rechtszug ungeprüft, da die Antragsgegnerin das Rechtsmittel eingelegt hat.

20

Die Entscheidung über die Beiordnung folgt aus § 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 1 und 3 ZPO.

21

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer - vom 7. November 2017 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung und der PKH-Ablehnung geändert:

Die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren 11 A 229/17 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 31. Mai 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2017 wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren 11 A 229/17 ist zulässig und begründet.

2

Mit dem angefochtenen Bescheid versah der Antragsgegner die dem Antragsteller erteilte Duldung mit der Auflage, dass er ab dem 14. Juni 2017 zur ausschließlichen Wohnsitznahme in der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige des Landes Schleswig-Holstein in B... verpflichtet ist und forderte ihn auf, sich dort zum genannten Datum zur Unterbringung einzufinden. Während der Unterbringung in der Landesunterkunft wurde ihm die Aufnahme einer Erwerbsstätigkeit untersagt. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 29. August 2017 als unbegründet zurück und führte ergänzend aus, dass nur solche Personen in die Landesunterkunft aufgenommen würden, denen das Landesamt für Ausländerangelegenheiten prognostiziere, dass Maßnahmen zur Ausreisevorbereitung umgehend eingeleitet werden könnten. Die Durchsetzung der Ausreisepflicht sei deshalb in absehbarer Zeit realisierbar. Eine Gestattung der Erwerbstätigkeit laufe der Förderung der Ausreise zuwider, weil ein Hinwirken auf die Ausreise die Anwesenheit des Antragstellers in der Landesunterkunft erfordere.

3

Das Verwaltungsgericht hält diese Maßnahme für offensichtlich rechtmäßig. Es orientiert sich insoweit an dem Erlass des damaligen Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten vom 29. Dezember 2016, wonach die Durchsetzung der Ausreisepflicht „in absehbarer Zeit realisierbar“ sein müsse. Dies sei der Fall, wenn das Landesamt prognostiziere, „dass Maßnahmen zur Ausreisevorbereitung umgehend eingeleitet werden können“. Eine solche Prognose liege vor. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller während des Aufenthalts in der Landesunterkunft Angaben mache, die die Ausstellung eines Passersatzpapieres ermöglichten. Insofern sei die Wohnsitzauflage verhältnismäßig. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich.

4

Nach Auffassung des Beschwerde führenden Antragstellers sei hingegen nichts dafür ersichtlich, dass „Maßnahmen zur Ausreisevorbereitung umgehend eingeleitet“ werden könnten. Er sei seit 16 Jahren vollziehbar ausreisepflichtig. Ihm werde nicht vorgehalten, die ihm in dieser Zeit abverlangten Mitwirkungshandlungen nicht erbracht zu haben. An dem Umstand, dass er keine Papiere habe und deshalb nicht ausreisen könne, dürfe sich kurzfristig und durch den Aufenthalt in der Aufnahmeeinrichtung nichts ändern. Eine entsprechende „Prognose“ des Landesamtes liege entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht vor. Sie wäre im Übrigen mittlerweile widerlegt. Nach fast einem halben Jahr in der Aufnahmeeinrichtung habe sich in Sachen „Ausreisevorbereitung“ nichts getan. Falsch sei auch die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass Ermessensfehler nicht ersichtlich seien. Tatsächlich fänden sich in dem angefochtenen Bescheid keine Anhaltspunkte dafür, dass überhaupt Ermessen ausgeübt worden sei. Die Begründung erschöpfe sich in der Feststellung der Tatbestandsvoraussetzungen, wobei der Vortrag des Antragstellers zu seinen Lebensumständen nicht berücksichtigt werde.

5

Auf der Grundlage der vom Antragsteller dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) und der vom Verwaltungsgericht angestellten Interessenabwägung im Rahmen des Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO, dessen Maßstäbe der Senat teilt, ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. November 2017 zu ändern, weil sich der angefochtene Bescheid des Antragsgegners als offensichtlich rechtswidrig darstellt und an seiner sofortigen Vollziehung deshalb kein öffentliches Interesse besteht.

6

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides in Bezug auf die Wohnsitzauflage ist laut Verwaltungsgericht § 61 Abs. 1e AufenthG, ergänzt durch die Maßstäbe des § 46 Abs. 1 AufenthG. Hiergegen erhebt die Beschwerde keine Bedenken. Wie sich die Rechtsgrundlagen des § 46 Abs. 1 AufenthG und des § 61 Abs. 1e AufenthG zueinander verhalten und welche von beiden den weitergehenden Anwendungsbereich hat, kann dahinstehen. Jedenfalls schadet eine Benennung nur der einen oder anderen Rechtsgrundlage nicht, solange die getroffene Maßnahme keinen anderen rechtlichen Mangel aufweist und nicht unter einem Ermessensfehler leidet. Beide Vorschriften ermöglichen den Erlass selbständig anfechtbarer Verwaltungsakte gegenüber vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern nach pflichtgemäßem Ermessen (Funke-Kaiser in: GK AufenthG, Stand März 2015, § 61 Rn. 13-15; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Mai 2015, § 61 Rn. 38). Wird der Aufenthalt – wie hier – im Zusammenhang mit einer Duldung auf der Grundlage des § 61 Abs. 1e AufenthG beschränkt, handelt es sich um eine selbständig anfechtbare Auflage (vgl. VGH München, Beschl. v. 03.06.2014 - 10 C 13.696 -, juris Rn. 5). Die Vorschrift ist aus Sicht des Senats ausreichend bestimmt, wenn man sie im systematischen Zusammenhang mit der Duldung ausreisepflichtiger Ausländer und den Zwecken des § 61 AufenthG sieht (vgl. Kluth in: Kluth/Heusch, AuslR, BeckOK, Stand 01.08.2017, § 61 AufenthG Rn. 30). Über die sich bereits aus § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ergebende räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers auf das Gebiet des Landes hinaus können demgemäß weitere Bedingungen und Auflagen angeordnet werden; dies umfasst auch die Befugnis zur Anordnung der Verpflichtung des Ausländers, in einer bestimmten Unterkunft zu wohnen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 07.12.2010 - 8 PA 257/10 -, juris Rn. 8).

7

Voraussetzung für eine rechtmäßige Ermessensentscheidung ist, dass die Wohnsitzauflage sachgerecht ist, also nicht im Widerspruch zum Zweck der Duldung steht. Sie muss ferner einen sinnvollen Bezug zu dem aufenthaltsrechtlich verfolgten Verfahrenszweck aufweisen. Bei der Unterbringung in einer Ausreiseeinrichtung sind insoweit die Zwecke des § 61 Abs. 2 AufenthG zu berücksichtigen, mithin die Förderung der „Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise“, die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Sicherung der Durchführung der Ausreise. In diesen Zwecken und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie muss die Ermessensentscheidung im Einzelfall ihre Rechtfertigung finden. Die bei einer Unterbringung in der Einrichtung möglichen weiteren Maßnahmen müssen deshalb auch Erfolg versprechend sein. Schließlich muss die Maßnahme verfassungsrechtliche Vorgaben wahren, was insbesondere dann nicht der Fall ist, wenn sie in erster Linie Sanktionscharakter hat und sich vornehmlich als schikanös darstellt (vgl. die Rechtsprechung zu § 46 Abs. 1 AufenthG und zur Vorgängerregelung des § 61 Abs. 1e AufenthG [§ 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG]: VG Magdeburg, Urt. v. 06.12.2005 - 5 A 120/05 -, juris Rn. 12; OVG Lüneburg, Beschl. v. 07.12.2010 - 8 PA 257/10 -, juris Rn. 9; OVG Magdeburg, Beschl. v. 11.03.2013 - 2 M 168/12 - juris Rn. 6; VGH München, Beschl. v. 03.06.2014 - 10 C 13.696 -, juris Rn. 9). Die gegebenenfalls widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen sind unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten im Rahmen der Ermessensentscheidung angemessen abzuwägen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.12.1990 - 1 B 14/90 -, juris Rn. 7-10; VGH München, a.a.O.). Insoweit mahnt die Beschwerde zu Recht an, dass die vom Antragsteller konkret geltend gemachten Lebensumstände zu berücksichtigen sind.

8

Hiervon ausgehend teilt der Senat die von der Beschwerde dargelegte Kritik. Soweit gemäß dem zitierten Erlass die Realisierbarkeit der Ausreisepflicht bereits dann angenommen werden soll, wenn das Landesamt „die Möglichkeit der Einleitung von Maßnahmen zur Ausreisevorbereitung“ prognostiziert, so muss es sich auf jeden Fall um erfolgversprechende Maßnahmen handeln. Dies ergibt sich aus dem maßgeblichen und oben genannten Zweck der Maßnahme und im Übrigen auch aus dem Erlass selbst, der es an anderer Stelle für die Aufnahme des Ausländers als entscheidungserheblich bezeichnet, ob die Aufenthaltsbeendigung tatsächlich und rechtlich möglich ist. Eine solche Prognose ist den Verwaltungsvorgängen aber nicht zu entnehmen. Tatsächliche Grundlagen, die eine derartige Prognose rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar.

9

Entsprechend bestehen erhebliche Zweifel, ob im Fall des Antragstellers ein hinreichender Bezug zu den von § 61 Abs. 2 AufenthG vorgegebenen Verfahrenszwecken besteht und ob die bei Unterbringung in der Landesunterkunft möglichen weiteren Maßnahmen noch als Erfolg versprechend angesehen werden können. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs hatte das Landesamt das Amtshilfeverfahren zur Identifizierung des Antragstellers und zur Beschaffung von Reisedokumenten im September 2016 bereits eingestellt, weil trotz umfangreicher Bemühungen Passersatzpapiere bzw. eine Identitätsklärung nicht zu erlangen und weitergehende, Erfolg versprechende Maßnahmen nicht ersichtlich seien (BA C Bl. 327). Erst aufgrund des Aufnahmeersuchens durch den Antragsgegner und der später in der Landesunterkunft abgegebenen Erklärung des Antragstellers, freiwillig ausreisen zu wollen, wurde das Passersatzverfahren „neu gestartet“ (BA B Bl. 341, 379 ff), ohne dass erkennbar wird, woraus sich nunmehr die Annahme Erfolg versprechender Maßnahmen ergeben könnte. Die daraufhin dem Antragsteller aufgegebene Vorsprache beim Generalkonsulat verlief wiederum ergebnislos (BA B Bl. 408 f.).

10

Zu Recht rügt der Antragsteller schließlich das Fehlen einer ausreichenden Ermessensbetätigung und -begründung. Weder der Ausgangsbescheid noch der Widerspruchsbescheid lassen erkennen, dass der Antragsgegner die angefochtene Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 73 LVwG), mithin unter Berücksichtigung der Zwecke des § 61 Abs. 2 AufenthG und unter Abwägung der öffentlichen Belange gegenüber den Interessen des Antragstellers – insbesondere seiner Aufenthaltsdauer und Lebensumstände – sowie unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes getroffen hätte. Eine entsprechende Begründung, wie sie § 109 Abs. 1 Satz 3 LVwG vorschreibt, enthalten die Bescheide nicht. Der Ausgangsbescheid vom 31. Mai 2017 beschränkt sich insoweit auf den Hinweis, dass der Antragsteller zur unverzüglichen Ausreise verpflichtet sei und dieser Verpflichtung bisher nicht nachgekommen sei, weshalb es angemessen erscheine, ihn zur Wohnsitznahme in der Ausreiseeinrichtung zu verpflichten. Mit dieser Begründung wird jedoch lediglich das wiedergegeben, was § 46 Abs. 1 bzw. § 61 Abs. 1e AufenthG tatbestandlich ohnehin voraussetzen, nämlich die vollziehbare Ausreisepflicht. Der Widerspruchsbescheid vom 29. August 2017 enthält keine weiteren Ausführungen zum Ermessen.

11

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sich die zugleich verfügte Untersagung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit mit der Suspendierung der Wohnsitznahme vorerst erledigt haben dürfte, da sie auf die Zeit während der Unterbringung beschränkt ist.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

13

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Gründe

1

Der Kläger, ein rechtskräftig abgelehnter Asylbewerber armenischer Volkszugehörigkeit, wendet sich gegen die Benennung der Republik Aserbaidschan als Zielstaat in der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gegen ihn verfügten Abschiebungsandrohung. Seine auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

2

Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und sowohl für das Berufungsurteil als auch die angefochtene Revisionsentscheidung entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus und verlangt außerdem die Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr; vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328 m.w.N.). Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher höchstrichterlich noch nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann.

3

Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, "ob auch eine unzweckmäßige Abschiebezielstaatsbestimmung, deren Durchsetzung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen in absehbarer Zeit nicht möglich ist, den Maßgaben des § 59 Abs. 2 AufenthG genügt" (Beschwerdebegründung S. 2). Die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage leitet die Beschwerde aus der Tatsache ab, dass der Kläger mit seiner Lebenspartnerin und den gemeinsamen drei Kindern in familiärer Lebensgemeinschaft zusammen lebe, diesen rechtskräftig die Abschiebung nach Armenien angedroht sei, eine Abschiebung der Familienangehörigen in unterschiedliche Staaten aber wegen des grundrechtlichen Schutzes der Familie auf unabsehbare Zeit ausscheide. Daher sei es rechtswidrig, ihm die Abschiebung nach Aserbaidschan anzudrohen, zumal die Republik Aserbaidschan armenische Volkszugehörige wie den Kläger und armenische Staatsangehörige wie seine Lebenspartnerin und die gemeinsamen Kinder nicht aufnehmen und einreisen lassen werde.

4

Die Beschwerde behauptet zwar, dass die von ihr aufgeworfene Fragestellung höchstrichterlich noch nicht geklärt sei, setzt sich aber nicht - wie erforderlich - mit der hierzu bereits ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auseinander und legt nicht dar, dass und inwiefern diese Rechtsprechung entscheidungserhebliche Rechtsfragen offen lasse, sodass weiterhin Klärungsbedarf bestehe. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nämlich geklärt, dass bei der Beendigung des Aufenthalts erfolgloser Asylbewerber das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - auf die Prüfung und Feststellung von sog. zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG beschränkt ist, die sich der Sache nach aus der Unzumutbarkeit des Aufenthalts im Zielland für diesen Ausländer herleiten und damit in Gefahren begründet sind, die im Zielstaat der Abschiebung drohen (vgl. Urteil vom 21. September 1999 - BVerwG 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 <309 f.> m.w.N.). Nur insoweit kann das Bundesamt im verwaltungsgerichtlichen Asylrechtsstreit zur Feststellung von Abschiebungsverboten verpflichtet werden sowie zur Ausnahme einer Bezeichnung der betroffenen Staaten in der Abschiebungsandrohung als Zielstaaten der Abschiebung. Die Ausländerbehörde bleibt demgegenüber für die Durchführung der Abschiebung und dabei auch für die Entscheidung über alle inlandsbezogenen und sonstigen tatsächlichen Vollstreckungshindernisse zuständig. Zu den ausschließlich von der Ausländerbehörde zu prüfenden Vollstreckungshindernissen zählen beispielsweise fehlende Ausweise oder Ersatzpapiere, krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit, aber auch ein etwaiges Verbot, durch die Abschiebung eine mit Art. 6 GG nicht vereinbare Trennung von Familienmitgliedern zu bewirken (Urteil vom 21. September 1999 a.a.O. S. 310 f.). Damit ist aber geklärt, dass etwaige schutzwürdige Interessen an der Vermeidung einer Trennung von Familienangehörigen durch Abschiebung in unterschiedliche Staaten nicht Gegenstand der Prüfung durch das Bundesamt sind und damit der von ihr nach § 34 Abs. 1 AsylVfG, § 59 Abs. 2 AufenthG verfügten Bestimmung des Zielstaats der Abschiebung nicht entgegenstehen. Weiter ist geklärt, dass das Bundesamt auch in Fällen, in denen aus tatsächlichen Gründen wenig oder keine Aussicht besteht, den Ausländer in absehbarer Zeit abschieben zu können, ermächtigt und regelmäßig gehalten ist, eine "Vorratsentscheidung" zum Vorliegen von Abschiebungsverboten in Bezug auf bestimmte Zielstaaten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zu treffen und diese auch in der Abschiebungsandrohung zu bezeichnen. Damit wird dem Asylsuchenden die gerichtliche Überprüfung dieser Entscheidung eröffnet und insoweit eine frühzeitige Klärung herbeigeführt (vgl. Urteil vom 10. Juli 2003 - BVerwG 1 C 21.02 - BVerwGE 118, 308 <311 f.>), die aber nur die in dem Bescheid geprüften jeweiligen Zielstaaten erfasst, ohne den Rechtsschutz für andere Zielstaaten auszuschließen (vgl. Urteil vom 29. September 2011 - BVerwG 10 C 23.10 - NVwZ 2012, 244). Durch diese Rechtsprechung ist geklärt, dass das Bundesamt in der Abschiebungsandrohung auch einen Zielstaat bezeichnen darf, für den aus tatsächlichen Gründen wenig oder keine Aussicht besteht, den Ausländer in absehbarer Zeit abschieben zu können, wenn für ihn keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote bestehen. Im Übrigen hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, dass die Durchsetzung einer Abschiebung des Klägers nach Aserbaidschan in absehbarer Zeit nicht möglich ist, wovon die Beschwerde in ihrer Grundsatzfrage ausgeht.

Die Ausländerbehörde ist an die Entscheidung des Bundesamtes oder des Verwaltungsgerichts über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes gebunden. Über den späteren Eintritt und Wegfall der Voraussetzungen des § 60 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes entscheidet die Ausländerbehörde, ohne dass es einer Aufhebung der Entscheidung des Bundesamtes bedarf.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.