Gericht

Verwaltungsgericht München

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

Aktenzeichen: M 8 K 14.120

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 16. März 2015

8. Kammer

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte:

Nachbarklage;

Rücksichtnahmegebot;

Lärmschutz;

Bestimmtheitsgrundsatz;

Seltenes Ereignis

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

... - Klägerin -

bevollmächtigt: Rechtsanwalt ...

gegen

... - Beklagte -

beigeladen: ...

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

... Wegen Baugenehmigung ...-str. 4, FlNr. ... Gem. ... - Nachbarklage

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 8. Kammer,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., die ehrenamtliche Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. März 2015 am 16. März 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Baugenehmigung vom ... Dezember 2013, Az.: ..., wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks ...-str. 8, Fl.Nr. ..., Gemarkung ... Sie wendet sich gegen die von der Beklagten der Beigeladenen am ... Dezember 2013 erteilte Baugenehmigung für eine Teilnutzungsänderung des rückwärtigen Hotelfoyers in ein Cafe/Bar auf dem unmittelbar östlich angrenzenden Nachbargrundstück ...-str. 4, Fl.Nr. ...

Am 10. Juli 2013 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Teilnutzungsänderung von Foyer in ein Café/Bar im Anwesen ...-str. 4 (Plan-Nr. ...). In einem Begleitschreiben wurde ausgeführt, dass der Bauantrag in fast allen Bereichen dem Bauantrag aus dem Jahr 2011 (Plan-Nr. ...) entspreche. Die bemängelte Betriebsbeschreibung sei ergänzt und die Auflagen der Branddirektion berücksichtigt worden. Nach dem Eingabeplan ist im Erdgeschoss in der Nordwestecke des Gebäudes eine Gastfläche von 59,65 m² mit 35 Gastplätzen sowie einem Thekenbereich vorgesehen. Eingezeichnet sind in dem Plan 29 Sitzplätze, davon 22 an Tischen und 7 an der Bar. Die Gastfläche soll im Osten durch eine feste Glastrennwand und im Süden durch eine mobile Glastrennwand begrenzt werden. An der Süd-Westecke des Gastraums soll eine ins Freie führende Tür als Notausgang verwirklicht werden.

Unter dem Datum vom 2. Juli 2013 erstellte die ... im Auftrag der Beigeladenen eine schalltechnische Untersuchung für die beantragte Teilnutzungsänderung. Grundlage der schalltechnischen Untersuchung seien die Planunterlagen vom 13. Mai 2013 (Grundrisse, Schnitte und Ansichten). Die Gastfläche umfasse ca. 60 qm, der nächstgelegene Immissionsort befinde sich im ca. 11 m entfernten Gebäude ...-str. 8 in westlicher Richtung. Die Ausbreitungsberechnung sei für den nächstgelegenen Immissionsort durchgeführt worden, dieser befinde sich im 2. OG des Nachbargebäudes ...-straße 8, da im EG und 1. OG sich keine Aufenthaltsräume befänden. Es würden als Immissionsrichtwerte tags 60 dB(A) und nachts 40 dB(A) gelten. Für den Gastraum werde von einem mittleren Innenraumpegel bei Musikdarbietung von 85 dB(A) ausgegangen. Bestimmend für die Schallabstrahlung nach Außen seien die Fenster- und Türelemente. Für diese werde ein Schalldämm-Maß von Rw, R > 41 dB(A) angesetzt. Aus der Berechnung der Immissionen am Immissionsort im 2. OG ergäbe sich mit einem Zuschlag von 6 dB(A) ein Beurteilungspegel von 33,9 dB(A) nachts, der um 6 dB(A) kleiner als der Immissionsrichtwert von 40 dB(A) sei.

Am 3. Dezember 2013 legte die Beigeladene eine überarbeitete Betriebsbeschreibung vom 19. November 2013 vor. Die Anzahl der Beschäftigten wurde mit „1“ angegeben. Unter „Art des Betriebes“ wurde ausgeführt:

- Gaststätte im Sinne von Speise- und Gaststätten;

- in der Cafe/Bar befinden sich 35 Sitzplätze; Ausschank von alkoholischen Getränken; Angebot von kalten und warmen, alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken, sowie von einfachen Snacks (Süßwaren, aufgebackene Tiefkühlware);

- Öffnungszeiten von 10.00 - 5.00 Uhr.

- Es wird keine Livemusik gespielt, auch nicht während der Zeit des Oktoberfestes. Es handelt sich bei der Cafe/Bar um eine Gaststätte im Sinne von Speise- und Gaststätten (Schankwirtschaft) und nicht um eine Disco-Nutzung bzw. Vergnügungsstätte.

- Es wird keine Tanzfläche ausgewiesen. Die Einhaltung und Überwachung erfolgt durch den Hotelmanager und den beauftragten Sicherheitsdienst.

- Die Cafe/Bar ist mit einer geschlossenen Glastrennwand gegenüber dem Internetbereich abgetrennt.

- Zwischen Cafe/Bar und Foyer ist eine mobile Glastrennwand mit Schiebetüren eingebaut. Die Glastrennwand ist während der Öffnungs-/Betriebszeiten der Gaststätte/Bar immer geschlossen. Die Einhaltung der Vorgaben und die Überwachung erfolgt durch den Hotelmanager und den beauftragten Sicherheitsdienst. Der geforderte 1. Rettungsweg wird über die eingebauten Türen sichergestellt.

- Im geöffneten Zustand der mobilen Trennwand findet kein Cafe/Barbetrieb statt. Die mobile Trennwand ist notwendig, um während der Ankunft und Abfahrt von Reisegruppen Zusatzflächen für die Abwicklung des Eincheck- und Auscheck-Vorganges zur Verfügung zu haben.

- Es werden keine Getränke im Freien verkauft. Eine Mitnahme von Getränken und Speisen aus der Bar in die Lobby bzw. ins Freie und deren Verzehr in der Lobby bzw. im Freien ist nicht vorgesehen. Die Überwachung erfolgt durch den Hotelmanager, das Hotelpersonal bzw. den beauftragten Sicherheitsdienst.

- Die Vorgaben des Schallschutzgutachtens zu den zulässigen Lärmpegeln (Hintergrundmusik etc.) werden eingehalten. Die Musikanlage wird für die zugelassenen Lärmwerte eingestellt (Einpegelung) und gegen die Erhöhung der Lautstärke wird die Musikanlage verplombt. Die Einhaltung der Vorgaben und die Überwachung erfolgt durch den Hotelmanager und das Hotelpersonal.

- Die Tür aus dem Cafe/Barraum ins Freie dient ausschließlich als Notausgang um den geforderten 2. Rettungsweg (Betriebszeiten Cafe/Bar) sicherzustellen. Die Überwachung erfolgt durch den Hotelmanager, das Hotelpersonal bzw- den beauftragten Sicherheitsdienst. Der Notausgang wird mit der geforderten Beschilderung ausgestattet. Es erfolgt zusätzlich ein mehrsprachiger Hinweis, dass es sich nur um einen reinen Notausgang handelt.

Mit Bescheid vom ... Dezember 2013 erteilte die Beklagte der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung nach Plan-Nr. ... als Sonderbau. Folgende Auflagen wurden festgesetzt.

1. a) Die Betriebsbeschreibung vom 19.11.2013 ist in allen Einzelheiten zu beachten und einzuhalten.

b) Die Glaselemente, die das Foyer von der Bar/Gaststätte abtrennen, sind geschlossen zu halten, sobald die Gaststätte betrieben wird. Solange sie geöffnet sind und damit als Foyererweiterung dienen, ist eine Gaststättennutzung zu unterlassen.

c) Die Notausgangstür nach Westen zum Anwesen ...-straße 8 hin darf nur im Notfall geöffnet werden. Darauf ist durch mehrsprachigen Anschlag unmissverständlich hinzuweisen. Das Personal ist entsprechend zu instruieren.

2. Immissionsschutz/Lärmschutz

2.1 Die Bestimmungen der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm) vom 26.08.1998 sind zu beachten. Die von dem Cafe/Bar-Betrieb mit den zugehörigen Betriebseinrichtungen (Lüftungsanlagen, Heizung etc.) sowie dem zuzuordnenden Besucherverkehr ausgehenden Geräusche dürfen nicht dazu beitragen, dass an den maßgeblichen Immissionsorten nach Ziffer 2.3 TA Lärm die nachstehenden Immissionsrichtwerte überschritten werden:

Im Gebiet sui generis (hier: ...-straße 8 und ...-straße 1, s.a. Gebietseinstufung im Klageverfahren gegen die Erstgenehmigung), in dem der Betrieb selbst untergebracht ist

tagsüber 60 dB(A) (6.00 - 22.00 Uhr)

nachts 40 dB(A) (22.00 - 6.00 Uhr).

Im südlich angrenzenden Besonderen Wohngebiet (hier: ...-straße 3 - 98, ungerade)

tagsüber 60 dB(A) (6.00 - 22.00 Uhr)

nachts 40 dB(A) (22.00 - 6.00 Uhr).

Die Immissionsrichtwerte gelten auch dann als überschritten, wenn ein Messwert den entsprechenden Richtwert tagsüber um mehr als 30 dB(A) und nachts um mehr als 20 dB(A) überschreitet.

2.2. Alle geräusch- oder schwingungserzeugenden Maschinen, Geräte, Anlagen und Anlagenteile sind dem Stand der Technik entsprechend gegen die Emission von Luft- und Körperschall sowie gegen die Übertragung von Schwingungen zu isolieren.

2.3. Die Fenster und Türelemente des Gastraumes des Café/Bar-Betriebs müssen ein bewertetes Schalldämm-Maß von Rw, R > 41 dB bzw. einen Prüfwert von Rw, P > 45 dB aufweisen.

2.4. Für die Fenster und Türelemente des direkt angrenzen Lobbybereichs bzw. des Foyers des Hostels ist eine Konstruktion mit einem bewerteten Schalldämm-Maß von Rw, R > 41 dB bzw. einem Prüfwert von Rw, P > 45 dB zu wählen.

2.5. Fenster und Türen des Café/Bar-Betriebs sind während des Betriebes geschlossen zu halten. Bei geöffneter Glastrennwand zum Lobbybereich bzw. zum Foyer des Hostels sind während des Café/Barbetries die Türen und Fenster des Lobbybereiches bzw. des Foyers des Hostels ebenfalls geschlossen zu halten.

Zu den Einwendungen von Seiten der Nachbarin Fl.Nr. ... (Klägerin) sei auszuführen, dass das Bauvorhaben nach Überzeugung der Beklagten in der beantragten Form und mit der geänderten Betriebsbeschreibung vom 19. November 2013 den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspreche, die im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen seien. Nachbarrechtlich geschützte Belange würden nicht beeinträchtigt, Befreiungen oder Abweichungen, die nachbarrechtlich von Bedeutung seien, würden nicht erteilt. Durch die geänderte Betriebsbeschreibung sowie die festgesetzten Auflagen sei auch keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots mehr gegeben.

Eine Nachbarausfertigung des Genehmigungsbescheids wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 11. Dezember 2013 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 9. Januar 2014, der am 10. Januar 2014 bei Gericht einging, ließ die Klägerin Klage erheben und beantragen,

den Baugenehmigungsbescheid der Beklagten vom ...12.2013 nach Plan-Nr. ... mit Handeintrag vom 5.11.2013 und geänderter Betriebsbeschreibung vom 19.11.2013 aufzuheben.

Die Klägerin sei Eigentümerin des Anwesens ...-straße 8, ..., das im Untergeschoß, im Erdgeschoß und im 1. OG als Büro, ab dem 2. OG ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werde. Die Baugenehmigung vom ... Dezember 2013 sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten.

Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2015 beantragte die Beklagte,

die Klage wird abgewiesen.

Die Klage verspreche keine Aussicht auf Erfolg. Nachdem die Klage bisher nicht näher begründet worden sei, werde zunächst auf die Begründung im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.

Mit Schreiben vom 17. Februar 2015 begründete der Bevollmächtigte der Klägerin die Klage im Wesentlichen damit, dass nach dem Eingabeplan vom 10. Juli 2013 nur die Trennwand zwischen Gastfläche und Internetbereich als durchgehende Wand eingezeichnet sei, während zwischen den Trennelementen entlang der Grenze zum Foyer in der Mitte eine große Öffnung bestehe, bezeichnet mit 2. RW. Diese Öffnung sei auch nicht als Tür dargestellt, genehmigt sei damit ein Cafè/Bar, das vom Foyer nicht räumlich getrennt sei. Gemäß § 3 GastG sei ein Gaststättenbetrieb nur für einen bestimmten Raum erlaubnisfähig. Erforderlich wäre deshalb eine räumliche Trennung von Gastraum und Foyer. Ein Komplettabschluss sei aber nicht vorhanden. Damit sei der Genehmigungsbescheid in sich widersprüchlich. Die Glastrennwand diene auch nicht als Foyererweiterung, sondern als Erweiterung des Gastflächenbereichs. Bei der Inaugenscheinnahme sei festgestellt worden, dass die Beigeladene das Foyer als zusätzlichen Barbereich nutze und an der Rezeptionstheke alkoholische Getränke ausgegeben würden. Die Angabe der Beigeladenen, man benötige den Gastraum als zusätzlichen Rezeptionsbereich, sei unzutreffend. Das Foyer mit 70 qm sei ausreichend. Die Beigeladene habe von Anfang an die Absicht gehabt, den gesamten Lobby-Foyer-Café-Bar-Internet-Bereich als Vergnügungsstätte zu nutzen, was sich aus dem (zitierten) Bericht der Beigeladenen über die „Neueröffnung des Eingangs-Lobby-Barbereiches“ ergäbe. Seitdem veranstalte die Beigeladene jedes Jahr während des Oktoberfestes dort ihre „berühmt-berüchtigten After-Wies’n-Partys“. Die faltbare Glastrennwand lade zu Missbrauch geradezu ein und sei daher durch eine feste Trennwand zu ersetzen. In der genehmigten Betriebsbeschreibung stehe lediglich, es werde keine Livemusik gespielt und keine Tanzfläche ausgewiesen. Die Beigeladene habe auch in der Vergangenheit keine Tanzfläche ausgewiesen, aber bei entsprechenden Anlässen Tische und Stühle entfernt und durch Art und Lautstärke der Musik zum Tanzen animiert. An der Rezeptionstheke im Foyer würden Getränke ausgegeben. Verhaltensbezogene Auflagen seien ungeeignet, die Nebenbestimmungen in Ziffer 1 a) bis c) könnten die Einhaltung der Lärmwerte nicht gewährleisten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe bereits ausgeführt, dass Nebenbestimmungen, die vom Wohlverhalten des Anlagenbetreibers abhingen, nicht geeignet seien, den Nachbarn ausreichend zu schützen (BayVGH, B. v. 23.08.2007 - 26 ZB 07.1190 - juris Rn. 7). Die jugendlichen Gäste würden sich in den Nachtstunden nicht von einem Anschlag davon abhalten lassen, die Türe zu benutzen. Nach der Betriebsbeschreibung sei in der Café/Bar nur eine Person tätig, diese sei mit dem Thekenbetrieb voll ausgelastet. Für die Einhaltung der verhaltensbezogenen Auflagen sei kein Personal vorgesehen. Im Übrigen habe die Beigeladene in der Vergangenheit Vorschriften, Auflagen und behördliche Anordnungen missachtet. Auf eine entsprechende Verfügung der Beklagten vom ... September 2014 habe die Beigeladene nicht reagiert. Auch im Jahr 2014 habe es massive Ruhestörungen gegeben. Mehrfach sei Anzeige erstattet worden. Die Beklagte habe die Lärmbelästigung durch rauchende und lärmende Gäste vor dem Eingang überhaupt nicht berücksichtigt. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Bewahrung der Gebietsart. Mit Schreiben vom 4. März 2015 ergänzten die Bevollmächtigten der Klägerin ihr Vorbringen durch eine Fotodokumentation bestehend aus Fotos von facebook und dem Internetauftritt der Beigeladenen, die dokumentieren sollen, dass der Foyerbereich als Erweiterung der Gastfläche diene. Die Fotodokumentation zeige auch, dass die Beigeladene den genehmigten Bereich zusammen mit dem Foyerbereich als Vergnügungsstätte nutze, so wie in den Jahren zuvor ebenfalls - auch während des Oktoberfestes 2014. Die mobile Glastrennwand ermögliche die Nutzung des Cafe/Bar-Foyer/Lobby-Eingangsbereiches als Vergnügungsstätte mit ca. 140 qm.

Mit Schreiben vom 2. März 2015 erwiderte die Beklagte, die Baugenehmigung sei in Bezug auf die Glastrennwand nicht widersprüchlich. Der Begriff der räumlichen Abtrennung in § 3 Abs. 1 S. 1 GastG bedeute, dass die Stelle bezeichnet und örtlich bestimmt werden könne. Die planerische Einzeichnung einer mobilen gläsernen Trennwand unter genauer Angabe der Raumabmessungen und - größe genüge daher dem Begriff der räumlichen Abtrennung. Bei geöffneter Trennwand dürfe kein Gaststättenbetrieb stattfinden. Sollte entsprechend dem Vortrag der Klägerseite die Erweiterung nicht dem Foyer, sondern der Gaststätte dienen, wäre das noch kein Anlass zur Aufhebung der rechtmäßig erteilten Baugenehmigung. Der Klägerin stünde dann ein Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten zur Verfügung. Ungenehmigte Nutzungen aus der Zeit vor Erteilung der Baugenehmigung vom ... Dezember 2013 könnten im streitgegenständlichen Verfahren keine Beweiskraft haben. Einer Nutzung als Vergnügungsstätte sei mit bauaufsichtlichem Einschreiten zu begegnen und nicht im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens. Durch das Bündel von Auflagen werde ein ausreichender Nachbarschutz sichergestellt. Es sei auch keine Außentür zum allgemeinen Betreten und Verlassen der Gaststätte genehmigt worden, sondern nur ein Notausgang. Bei Nichteinhaltung der Auflagen zur Schallschutzisolierung der Fenster und Türelemente stünden bauaufsichtliche Maßnahmen zur Verfügung, entsprechend habe man mit Bescheid vom ... September 2014 Zwangsgelder angedroht und am ... Dezember 2014 und ... Februar 2015 fällig gestellt. Die Frage der Zuverlässigkeit des Bauherrn spiele im Baugenehmigungsverfahren aber keine Rolle, da die Baugenehmigung vorhabens-bezogen sei. Eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs läge nicht vor.

Mit Schreiben vom 9. März 2015 führten die Bevollmächtigten der Beigeladenen im Wesentlichen aus, dass entgegen den unzutreffenden Ausführungen der Klägerseite die Eingabepläne nicht einen Komplettabschluss suggerieren würden. Die planerische Einzeichnung genüge dem Begriff der räumlichen Abtrennung. Die an der Hotelrezeption angebotenen Getränke (überwiegend alkoholfreie Erfrischungsgetränke) würden nicht zum Verzehr im Foyer angeboten, sondern zum Verzehr im Zimmer oder außerhalb des Hotels. Da es sich um ein Jugendhotel handle, würden sehr viele Gruppen anreisen, so dass eine Erweiterung des Foyerbereichs dann erforderlich sei. Die Art der Musik müsse nicht in einer Baugenehmigung festgelegt werden, da eine solche Bestimmung auch nicht geeignet sei, die Nachbarn vor Ruhestörungen zu schützen. Es sei ausreichend, sich zu verpflichten, keine Livemusik zu spielen. Zum anderen behaupte nicht einmal die Klägerin, dass die Beigeladene gegen die vorliegenden Auflagen verstoße. Frei erfunden sei, dass die Beigeladene kurzerhand zu entsprechenden Anlässen die Stühle und Tische aus dem Lobbybereich entferne und zum Tanz animiere. Der Einbau der neuen Schallschutzfenster stehe kurz bevor. Die Einhaltung der Auflagen werde von mindestens 2 (häufig auch 3) Angestellten im Lobbybereich strikt überwacht.

Über die baulichen und örtlichen Verhältnisse auf dem streitgegenständlichen Grundstück sowie in dessen Umgebung hat das Gericht am 16. März 2015 Beweis durch Einnahme eines Augenscheins erhoben. Hinsichtlich der Feststellungen dieses Augenscheins sowie der anschließenden mündlichen Verhandlung, in der die Beteiligten ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge stellten, wird auf das Protokoll verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten, sowie auf die Niederschrift im Verfahren M 8 K 11.5126 vom 10. Dezember 2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg, da die angefochtene Baugenehmigung vom ... Dezember 2013 nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts verletzt, die im Genehmigungsverfahren zu prüfen waren, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B. v. 24.03.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dabei ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung zudem nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (vgl. BayVGH, B. v. 24.03.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren aber nicht zu prüfen war, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtsschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung des Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG, B. v. 16.01.1997 - 4 B 244/96 - NVwZ 1998, 58 - juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 14.10.2008 - 2 CS 08/2132 - juris Rn. 3).

2. Die mit der Baugenehmigung genehmigte Teilnutzungsänderung des Foyers zu einem Cafe/Bar stellt eine nach Art. 55 Abs. 1 BayBO baugenehmigungsbedürftige Nutzungsänderung dar, da für das geänderte Vorhaben insbesondere im Hinblick auf die andersartigen Auswirkungen für die Nachbarschaft andere öffentlich-rechtliche Anforderungen in Betracht kommen, Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO.

3. Die Baugenehmigung vom ... Dezember 2013 wurde für das Vorhaben als Sonderbau erteilt (Art. 2 Abs. 4 Nr. 8 BayBO), so dass gem. Art. 60 Satz 1 Nr. 1 BayBO insbesondere die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach den §§ 29 bis 38 BauGB zum Prüfungsmaßstab gehört.

3.1. Hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit ist das streitgegenständliche Vorhaben seiner Art nach gem. § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 6 BauNVO zu beurteilen.

Aufgrund der beim Augenschein in der näheren Umgebung des streitgegenständlichen Vorhabens sowie des klägerischen Anwesens festgestellten gemischten Nutzung von Wohnungen und nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben ist von einem faktischen Mischgebiet auszugehen (vgl. VG München, U. v. 10.12.2012 - M 8 K 11.5126; vgl. hierzu auch die beigezogene Niederschrift zum Augenschein vom 10.12.2012 im Verfahren M 8 K 11.5126).

Danach sind Schank- und Speisewirtschaften gem. § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässig und Vergnügungsstätten i. S. v § 4 a Abs. 3 Nr. 2 in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägt sind.

3.2 Im vorliegenden Fall kann das Gericht dem klägerischen Vorbringen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Nutzungsänderung eines Teilbereichs des Foyer in ein Cafe/Barbereich tatsächlich um eine Vergnügungsstätte handele, nicht folgen.

Grundsätzlich ist es Sache des jeweiligen Bauantragstellers, durch seinen Bauantrag festzulegen, was das „Vorhaben“ i. S. d. § 29 Abs. 1 BauGB und damit der zu beurteilende Verfahrensgegenstand sein soll (vgl. Lechner in Simon/Busse/Lechner, Bayerische Bauordnung - 115. EL 2014 - Art. 68 Rn. 20; BVerwG, U. v. 4.7.1980 - 4 C 99/77 - NJW 1981, 776 - juris LS 1). Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung darf die Baugenehmigungsbehörde auch auf den erkennbar beabsichtigten Nutzungszweck abstellen, wenn sich die angegebene Zweckbestimmung nicht innerhalb der Grenzen des nach der jeweiligen Situation des Bauvorhabens objektiv Möglichen hält. In diesen Fällen ist die Baugenehmigungsbehörde nicht an den angegebenen Nutzungszweck gebunden (vgl. BVerwG, U. v. 29.04.1992 - 4 C 43/89 - juris Rn. 15).

Laut Betriebsbeschreibung vom 19. November 2013 soll es sich bei dem beantragten Vorhaben um ein Cafe/Bar, d. h. um eine Gaststätte im Sinne von Speise- und Schankwirtschaft und nicht um eine Disco-Nutzung bzw. Vergnügungsstätte handeln. Es werde keine Livemusik gespielt, auch nicht während des Oktoberfests. Es werde keine Tanzfläche ausgewiesen. Die Vorgaben des Schallschutzgutachtens zu den zulässigen Lärmpegeln (Hintergrundmusik, etc.) werde eingehalten. Die Musikanlage werde für die zugelassenen Lärmwerte eingestellt (Einpegelung) und gegen die Erhöhung der Lautstärke werde die Musikanlage verplombt. Allein der Umstand, dass die Trennwand zwischen Foyer und Cafe/Barbereich mobil ist, rechtfertigt aber noch keine vom Bauantrag und der damit eingereichten Betriebsbeschreibung abweichende Deutung.

Klagegegenstand ist im vorliegenden Verfahren deshalb der Bescheid der Beklagten vom ... Dezember 2013 mit seinen den Gaststättenbetrieb der Beigeladenen regelnden Auflagen. Eine von dieser Genehmigung abweichende, die Klägerin belästigende Nutzung ist nicht streitgegenständlich und kann der vorliegenden Nachbarklage daher nicht zum Erfolg verhelfen. Eine genehmigungswidrige Nutzung abzustellen, die für den Nachbarn zu unzumutbaren Belästigungen oder Beeinträchtigungen führt, ist zunächst Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde (vgl. BayVGH, B. v. 16.01.2014 - 9 B 10.1979 - juris Rn.19). Die dazu notwendigen rechtlichen Mittel stehen ihr zur Verfügung. Bleibt die Bauaufsichtsbehörde trotz gravierender und hartnäckiger Verstöße untätig, kann der Nachbar durch einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten ein behördliches Einschreiten rechtlich durchsetzen (vgl. BayVGH, U. v. 25.11.2013 - 9 B 09.952 Rn. 51; BayVGH B. v. 16.01.2014 - 9 B 10.1979 - juris Rn.19).

Die mit der Baugenehmigung beantragte Nutzungsänderung eines Teilbereichs des Foyers in einen Cafe/Barbereich ist damit hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in einem faktischen Mischgebiet grundsätzlich zulässig.

4. Das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung in ihrer konkreten Fassung zugelassene Bauvorhaben verstößt jedoch gegen das Rücksichtnahmegebot und damit drittschützende Rechte der Klägerin.

Dabei kann offen bleiben, ob das Rücksichtnahmegebot vorliegend § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO oder aber dem Begriff des Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB zu entnehmen ist, da seine Anforderungen in beiden Fällen inhaltlich identisch sind. Ein Vorhaben, dessen Zulässigkeit sich hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 2 BauGB beurteilt, das nach den dort in Bezug genommenen Vorschriften der Baunutzungsverordnung allgemein oder ausnahmsweise zulässig wäre, kann im Einzelfall gleichwohl unzulässig sein, wenn es die gebotene Rücksichtnahme auf sonstige, d. h. vor allem auf die in seiner unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung fehlen lässt (vgl. BVerwG, U. v. 25.2.1977 - IV C 22.75 - BVerwGE 52, 122 - juris Rn. 24 ff.).

Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder dessen Umgebung unzumutbar sind. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO stellt eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots dar und ergänzt insoweit die §§ 2 bis 14 BauNVO, was nicht nur für durch einen Bebauungsplan festgesetzte Baugebiete gilt, sondern auch für unbeplante Gebiete, deren Eigenart gemäß § 34 Abs. 2 BauGB einem Plangebiet der BauNVO entspricht (vgl. BVerwG, B. v. 16.12.2008 - 4 B 68/08 - ZfBR 2009, 376 - juris Rn. 4).

4.1 Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, den die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Bei der Interessengewichtung spielt es eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich - umgekehrt - um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (vgl. BVerwG, B. v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 - juris Rn. 9). Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmeberechtigten und andererseits dem Rücksichtnahme-verpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist, an (vgl. BVerwG, U. v. 25.2.1977 - 4 C 22.75 - BVerwGE 52, 122 - juris Rn. 22; U. v. 28.10.1993 - 4 C 5.93 - NVwZ 1994, 686 - juris Rn. 17; U. v. 23.9.1999 - 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 - juris Rn. 20; U. v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - NVwZ 2005, 328 - juris Rn. 22; U. v. 29.11.2012 - 4 C 8/11 - BVerwGE 145, 145 - juris Rn. 16). Das Rücksichtnahmegebot ist dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird (vgl. BVerwG, U. v. 25.2.1977 - IV C 22.75 - BVerwGE 52, 122 - juris Rn. 22).

4.2 Hinsichtlich der Zumutbarkeit von Belästigungen kann grundsätzlich auf die Begriffsbestimmungen des BImSchG zurückgegriffen werden (vgl. BayVGH, B. v. 15.11.2011 - 14 AS 11.2305 - juris Rn. 29). Ebenso ist für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärm als Maßstab die TA Lärm heranzuziehen (vgl. BVerwG, U. v. 29.11.2012 - 4 C 8/11 - BVerwGE 145, 145 - juris Rn. 17). Nach § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Immissionen, die das immissionsschutzrechtlich zulässige Maß nicht überschreiten, begründen keine Verletzung des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots, das insoweit keinen andersartigen oder weitergehenden Nachbarschutz vermittelt (vgl. BVerwG, U. v. 30.9.1983 - 4 C 74/78 - juris Rn. 11/14). Nach § 5 Nr. 1 BImSchG sind Anlagen so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.

Normkonkretisierende Richtwerte für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärm enthält grundsätzlich die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BImSchG vom 26. August 1998 (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm, GMBl. 1998 S. 503). Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Denn das Bundesimmissionsschutzrecht und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm legen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest (vgl. BVerwG, U. v. 23.9.1999 - 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 - juris Rn. 22; U. v. 29.11.2012 - 4 C 8/11 - BVerwGE 145, 145 - juris Rn. 19).

5. Geht es um die Lösung einer Immissions-Konfliktlage, reicht es in der Regel aus, wenn dem Emittenten aufgegeben wird, beim Betrieb seiner Anlage näher bestimmte Richtwerte einzuhalten (vgl. BVerwG U. v. 5.11.1968 - I C 29.67 - BVerwGE 31, 15 - juris Rn. 11; U. v. 24.6.1971 - I C 39.67 - BVerwGE 38, 209 - juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 15.11.2011 - 14 AS 11.2305 - juris Rn. 31). Überschreiten die bei der Nutzung der Anlage entstehenden Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze, dann genügt es zur Sicherung der Nachbarrechte nicht, in der Baugenehmigung den maßgeblichen Immissionsrichtwert als Grenzwert festzulegen und weitere Nebenbestimmungen vorzubehalten; vielmehr muss die genehmigte Nutzung schon in der Baugenehmigung durch konkrete Regelungen eingeschränkt werden (vgl. BayVGH, U. v. 18.7.2002 - 1 B 98.2945 - BayVBl. 2003, 503 - juris Rn. 53 - 61; B. v. 15.11.2011 - 14 AS 11.2305 - juris Rn. 31).

5.1 Mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom ... Dezember 2013 hat die Beklagte einen Immissionsrichtwert von tagsüber 60 dB(A) und von nachts 40 dB(A) festgesetzt. Der festgesetzte Tageswert entspricht einem solche für Kern-, Dorf- und Mischgebiete nach Nr. 6.1 Satz 1 c) TA Lärm, der festgesetzte Nachtwert einem solchen für Allgemeine Wohngebiete und Kleinsiedlungsgebiete nach Nr. 6.1 Satz 1 d) TA Lärm. Diese festgesetzten Immissionsrichtwerte als solche sind, da - wie ausgeführt - ein faktisches Mischgebiet vorliegt, in nachbarrechtlicher Hinsicht unbedenklich (vgl. auch VG München, U. v. 10.12.2012 - M 8 K 11.5126 - S. 10).

5.2 Nach dem von der Beigeladenen im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens vorgelegten Lärmschutzgutachten von ... vom 2. Juli 2013 könnten die „Immissionsrichtwerte auch im maßgeblichen Nachtzeitraum (lauteste Nachtstunde), in dem die höchsten Schallemissionen vorliegen, eingehalten werden“. In der schalltechnischen Untersuchung hat der Gutachter für den Bereich des klägerischen Anwesens im 2. OG die Richtwerte tags 60 dB(A) und nachts 40 dB(A) zugrunde gelegt und ist dabei für den Gastraum von einem mittleren Innenraumpegel von 85 dB(A) für Musikdarbietungen ausgegangen. Da Musik informationshaltig sei, werde ein Zuschlag von 6 dB berücksichtigt, so dass am Immissionsort im 2. OG des klägerischen Anwesens sich ein Beurteilungspegel von 33,9 dB(A) zur lautesten Nachtstunde ergebe und somit deutlich unter dem festgesetzten Immissionsrichtwert von 40 dB(A) nachts liege. Für die Fenster und Türelemente sei eine Konstruktion mit einem bewerteten Schalldämm-Maß von Rw, R > 41 dB bzw. einem Prüfwert von Rw, P > 43 dB zu wählen.

Die Feststellungen des Lärmgutachtens begegnen jedoch durchgreifenden Bedenken, da das Ergebnis nach Überzeugung der Kammer methodisch und fachlich nicht korrekt und entsprechend den Vorgaben der TA Lärm erstellt worden ist.

5.2.1 Nach Nr. 2.3 TA Lärm ist der maßgebliche Immissionsort der nach Nr. A.1.3 des Anhangs der TA Lärm zu ermittelnde Ort im Einwirkungsbereich der Anlage, an dem eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte am ehesten zu erwarten ist. Nach Nr. A.1.3 a) des Anhangs der TA Lärm liegen die maßgeblichen Immissionsorte nach Nr. 2.3 TA Lärm bei bebauten Flächen 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes nach DIN 4109 (Ausgabe November 1989). Nach der Anmerkung 1 zu Abschnitt 4.1 der DIN 4109 sind schutzbedürftige Räume Aufenthaltsräume, soweit sie gegen Geräusche zu schützen sind. Dies sind Wohnräume, einschließlich Wohndielen, Schlafräume, einschließlich Übernachtungsräume in Beherbergungsstätten und Bettenräume in Krankenhäusern und Sanatorien, Unterrichtsräume in Schulen, Hochschulen und ähnlichen Einrichtungen, Büroräume (ausgenommen Großraumbüros), Praxisräume, Sitzungsräume und ähnliche Arbeitsräume. Dabei kommt es nicht auf die tatsächliche zeitliche Nutzung der Räume an, da diese jederzeit geändert werden könnte. Vor allem könnte jederzeit die nach Maßgabe des § 13 BauNVO zulässige freiberufliche Nutzung als Steuerkanzlei/Rechtsanwaltskanzlei/Praxis wieder in eine Wohnnutzung umgeändert werden.

Laut den Ausführungen im Gutachten auf S. 2 wurde die Ausbreitungsberechnung für den nächstgelegenen Immissionsort durchgeführt, der sich im 2. OG des 11 m entfernten Nachbargebäudes ...-str. 8 (klägerisches Anwesen) befinde. Auf Seite 8 des Gutachtens wird konkretisiert, dass der maßgebende Immissionsort für die Berechnung das 2. OG des Gebäudes ...-straße 8 sei, da sich im EG und 1. OG keine Aufenthaltsräume befänden. Dies steht jedoch - wie oben ausgeführt - im Widerspruch zu den Vorgaben der Nr. 2.3 TA Lärm und der darin in Bezug genommenen DIN 4109. Im klägerischen Anwesen in der ...-str. 8 befinden sich neben den sieben Wohneinheiten auch eine Wirtschaftsprüfer- und Steuerkanzlei und zwei Anwaltskanzleien im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss. Diese Büroräume sind ebenfalls schutzwürdige Räume, so dass nicht ersichtlich ist, warum im vorgelegten Gutachten keine Prognosen für diese Aufenthaltsräume durchgeführt wurden. In der mündlichen Verhandlung führte der Schallschutzgutachter aus, dass er selbstverständlich auch dort entsprechende Berechnungen durchgeführt habe, das Berechnungsergebnis aber ergeben habe, dass im 2. Obergeschoss die höchste Lärmbelästigung zu erwarten sei. Angesichts der ausdrücklichen Formulierung im Schallschutzgutachten vom 2. Juli 2013 auf Seiten 2 und 8, dass der maßgebende Immissionsort für die Berechnung das 2. OG des Gebäudes ...-straße 8 sei, da sich im EG und 1. OG keine Aufenthaltsräume befänden, vermag die in der mündlichen Verhandlung nachgeschobene und nicht näher belegte Behauptung des Schallschutzgutachters die Kammer nicht abschließend zu überzeugen, zumal der Wortlaut des vorgelegten Gutachtens diesem Vorbringen eindeutig widerspricht und es in Schallschutzgutachten grundsätzlich üblich ist, die Lärmbelastungen jeweils für jedes Stockwerk gesondert in einer Tabelle darzustellen. Aber selbst wenn man von der Richtigkeit dieser Angaben ausgeht, begegnet das vorgelegte Gutachten weiteren Bedenken.

5.2.2 Nach 4.2 b) der TA Lärm i.V.m der Nummer A.2.6 des Anhangs ist die Geräuschimmissionsprognose in einem Bericht darzustellen, der die erforderlichen Angaben enthält, um die Datengrundlage bewerten, das Prognoseverfahren nachvollziehen und die Qualität der Ergebnisse einschätzen zu können. In der Regel sind dabei auch die Beschreibung des Betriebsablaufs der Anlage anzugeben. Die Genauigkeit der Immissionsprognose hängt wesentlich von der Zuverlässigkeit der Eingabedaten ab. Diese sind daher sehr kritisch zu prüfen (vgl. Anhang zur TA Lärm Ziffer A 2.2). Zu den Schallquellen zählen alle Einrichtungen der Anlage und die auf dem Betriebsgrundstück ablaufenden Betriebsvorgänge, die bei bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage Geräusche emittieren (vgl. Feldhaus/Tegeder, TA Lärm, Kommentar, Stand: Januar 2014, A.2.2 Rn. 4).

Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung gehört zu den schädlichen Umwelteinwirkungen auch der durch Gäste hervorgerufene Lärm auf dem Weg von und zu der Gaststätte, sofern er einen erkennbaren Bezug zu dem Betrieb hat. Das Bundesverwaltungsgericht (vgl. BayVGH, B. v. 2.10.2012 - 2 ZB 12.1898 - juris Rn. 4; BVerwG B. v. 7.5.1996 - 1 C 10/95 - BVerwGE 101, 157 - juris LS 2; B. v. 9. 4. 2003 - 6 B 12/03 - juris OS 1) hat entschieden, dass die von Besuchern einer Gaststätte zur Nachtzeit verursachten Geräusche einem Gaststättenbetrieb zuzurechnen sind, da sie die Folge von deren Betriebsführung darstellen, solange die Besucher noch erkennbar als Ziel- und Quellverkehr dieser Gaststätte in Erscheinung treten. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (vgl. BayVGH, B. v. 2.10.2012 - 2 ZB 12.1898 - juris Rn. 4; BayVGH, B. v. 16.9.2010 - 22 B 10.289 - juris OS 2) hat im Rahmen des Gaststättenrechts entschieden, dass der durch Gaststättenbesucher hervorgerufene Lärm auf dem Weg zu und von der Gaststätte dieser zuzurechnen ist, sofern er einen erkennbaren Bezug zu deren Betrieb hat. Der Lärm, den die Besucher vor dem Gebäude verursachen, ist dem Bauvorhaben daher zuzurechnen (vgl. BVerwG, U. v. 07.05.1996 - 1 C 10/95 - BVerwGE 101, 157- juris LS. 2). Die Lärmprognose berücksichtigt jedoch diese Geräusche nicht, obwohl diese Lärmproblematik bekannt war, da es in der Vergangenheit gerade deswegen zu Ruhestörungen in der Nacht gekommen war.

Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist auch der Lärm von Besuchern, die sich zum Rauchen vor der Gaststätte aufhalten dem Gaststättenbetrieb zuzurechnen, da der Bezug zur Gaststätte noch viel deutlicher zu Tage tritt als der Lärm des Ziel- und Quellverkehrs der Gäste (vgl. BayVGH, B. v. 02.10.2012 - 2 ZB 12.1898 - juris Rn. 4). Rauchende Besucher verlassen üblicherweise eine Gaststätte für eine kurze Rauchpause und halten sich dafür in deren direkter Nähe auf (vgl. BayVGH, B. v. 28.11.2011 - 22 CE 11.2353 - juris OS 2; BayVGH, B. v. 02.10.2012 - 2 ZB 12.1898 - juris Rn. 4).

Trotz der aus der Vergangenheit bekannten Lärmproblematik setzt sich das von der Beigeladenen vorgelegte Gutachten weder mit dem zurechenbaren Lärm durch ankommende und weggehende Gäste noch mit dem Lärm, der durch vor der Gaststätte verweilende rauchende Gäste verursacht wird, auseinander.

Darüber hinaus liegen der schalltechnischen Untersuchung laut Aussage des Gutachtens auf Seite 2 lediglich die Planunterlagen des Architektenbüros ... vom 13. Mai 2013 (Grundrisse, Schnitte und Ansichten) zugrunde. Die von der Beigeladenen eingereichte Betriebsbeschreibung, zuletzt geändert am 19. November 2013 ist, hingegen nicht Gegenstand des Schallgutachtens vom 2. Juli 2013. Sie kann schon allein deshalb nicht Gegenstand der vorliegenden Schallschutzgutachtens vom 2. Juli 2013 sein, da sie im Zeitpunkt der Erstellung des Lärmschutzgutachtens noch nicht vorlag.

Nummer A.2.6 des Anhangs zur TA Lärm schreibt vor, dass die Geräuschimmissionsprognose in einem Bericht darzustellen ist, der die näher bezeichneten Angaben enthält. Damit sollen Dritte (in der Regel die Behörden, aber auch die Gerichte) in die Lage versetzt werden, die Datengrundlage zu bewerten, das Prognoseverfahren nachzuvollziehen und die Qualität der Ergebnisse einzuschätzen.

Da die Genauigkeit der Immissionsprognose wesentlich von der Zuverlässigkeit der Eingabedaten abhängt und das von der Beigeladenen vorgelegte Gutachten die oben dargelegten Mängel aufweist, kann die Qualität des Ergebnisses des Gutachtens durch das Gericht nicht abschließend nachvollzogen und eingeschätzt werden.

Im Genehmigungsverfahren hat der Antragsteller jedoch nachzuweisen, dass er die Zumutbarkeitskriterien der TA Lärm für jeden bestimmungsgemäßen Betriebszustand, also auch für eine Maximalauslastung, einhält. Deshalb sind an die Einschätzung der Einhaltung der Zumutbarkeitskriterien hohe Anforderungen zu stellen. Andernfalls würden die regelmäßig nicht zu vermeidenden Unsicherheiten zulasten der zu schützenden Betroffenen gehen (vgl. BayVGH, B. v. 02.10.2012 - 2 ZB 12.1898 - juris Rn. 6; OVG Schleswig-Holstein, U. v. 31.5.2005 - 1 LB 4/05 - juris Rn. 39). Die Beigeladene ist diesen Nachweis mit dem vorgelegten Schallschutzgutachten schuldig geblieben.

5.2.3 Auch die von der Beigeladenen vorgelegte Betriebsbeschreibung vom 19. November 2012 ist nicht geeignet einen effektiven Lärmschutz zu gewährleisten.

In der Betriebsbeschreibung ist dargelegt, dass die Vorgaben des Schallschutzgutachtens zu den zulässigen Lärmpegeln (Hintergrundmusik etc.) eingehalten würden. Die Musikanlage würde für die zugelassenen Lärmwerte eingestellt (Einpegelung) und gegen die Erhöhung der Lautstärke würde die Musikanlage verplombt. Aber auch diese Vorgaben im Sinne einer Selbstverpflichtung sind zur Gewährleistung eines effektiven Lärmschutzes nicht geeignet, da das Lärmschutzgutachten keine Vorgaben zu den einzuhaltenden Lärmpegeln macht. Der Begriff „Hintergrundmusik“ stellt keinen konkreten Lärmpegel dar, der die Regulierung der Musiklautstärke ermöglichen würde. Nach dem Ergebnis im Augenschein ist die Musikanlage zudem weder auf eine bestimmte Lautstärke eingestellt noch verplombt, was vermutlich auch auf die fehlenden konkreten Vorgaben im Schallschutzgutachten zurückzuführen sein dürfte.

Es ist aber die Aufgabe des Bauherren, im Genehmigungsverfahren den Nachweis zu erbringen, das die zur Genehmigung gestellte Anlage die einschlägigen Zumutbarkeitskriterien der TA Lärm einhält (vgl. BayVGH, B. v. 02.10.2012 - 2 ZB 12.1898 - juris Rn. 6).

6. Darüber hinaus ist die Baugenehmigung aber auch deshalb rechtswidrig, da die verfügten Lärmschutzauflagen zum einen widersprüchlich und zum anderen nicht geeignet sind, einen effektiven Lärmschutz trotz des auf der Hand liegender Immissionskonfliktes wirksam zu gewährleisten. Die Baugenehmigung verstößt auch deshalb gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme.

Im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme hat die Bauaufsichtsbehörde bei der Prüfung, ob und inwieweit von einer Anlage Immissionen ausgehen können, der Reichweite der Immissionen nachzugehen. Sie muss insbesondere prüfen, in welchem Umkreis die Immissionen noch zumutbar sind. Sie ist daher verpflichtet, zugunsten eines Nachbarn gegebenenfalls durch Auflagen in der Baugenehmigung, mittels einer konkreten Betriebsbeschreibung oder durch Ähnliches sicherzustellen, dass der Nachbar vor unzumutbaren Immissionen geschützt wird (vgl. BayVGH, B. v. 16.11.2006 - 26 B 03.2486 - juris Rn. 29,32; BayVGH, B. v. 02.10.2012 - 2 ZB 12.1898 - juris Rn. 5).

5.1 Im vorliegenden Fall steht die Auflage Ziffer 1 b) des streitgegenständlichen Bescheids im Widerspruch zu dessen Auflage 2.5 Satz 2. Nach Auflage 1 b) sind die Glaselemente, die das Foyer von der Bar/Gaststätte abtrennen, geschlossen zu halten, sobald die Gaststätte betrieben wird. Solange sie geöffnet sind und damit als Foyererweiterung dienen, ist eine Gaststättennutzung zu unterlassen. Dagegen sind nach Auflage 2.5 Satz 2 bei geöffneter Glastrennwand zum Lobbybereich bzw. zum Foyer des Hostels während des Café/Barbetries die Türen und Fenster des Lobbybereiches bzw. des Foyers des Hostels ebenfalls geschlossen zu halten. Für das Gericht besteht zwischen diesen Auflagen ein eindeutiger Widerspruch, denn in Auflage 1 b) wird der Betrieb bei geöffneten Glaselementen eindeutig untersagt, in Auflage 2.5 Satz 2 aber genehmigt.

Die Beklagte vermutet offenbar selbst, dass die umfassende Erfüllung von Auflage 1 b) im tatsächlichen Betrieb nicht effektiv sichergestellt werden kann, da sie davon auszugehen scheint, dass ein häufiges Öffnen der Türe bis hin zum völligen Beiseiteschieben der Trennwand während des Café/Barbetriebs nicht immer zu vermeiden sein wird. Anlass für die Auflagen in Ziffern 2.3 - 2.5 kann eigentlich nur die Annahme der Beklagten sein, dass sich letztlich eine Erweiterung des Gaststättenbetriebs auf den Bereich des Foyers nicht in jedem Fall verhindern lassen wird. Hinzu kommt, dass nach dem Ergebnis des Augenscheins das Foyer mit Sitzgelegenheiten und einem Billardtisch ausgestattet ist und mit dieser Ausstattung zum Verweilen geradezu einlädt.

5.2 Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die Auflagen ungeeignet sind, einen effektiven Lärmschutz der Nachbarn zu gewährleisten. Es widerspricht der Lebenserfahrung, dass die Erfüllung der Auflage 1b) tatsächlich erfolgen wird. Die Tür zwischen dem Gastraum und dem Foyer ist der einzige Zu- und Ausgang für alle Besucher, auch Raucher und Benutzer der Toiletten müssen diese Türe passieren. Jedenfalls ist zu erwarten, dass die Gäste der Gaststätte diese Tür ständig benutzen werden und sie damit allein schon deshalb überwiegend geöffnet sein wird, so dass der Übergang vom Gaststättenbereich zum Foyer fließend sein wird. Zwar ist die Nutzung des Foyers als Erweiterung des Barbereichs formal nicht zulässig, zumindest bei einem hohen Gästeaufkommen wird es aber kaum möglich sein, zu verhindern, dass Gäste der Bar auch das Foyer mitbenutzen, vor allem wenn der Barbereich bereits voll ist. Hinzu kommt, dass nach der Betriebsbeschreibung der Bar dort nur eine Person beschäftigt ist, die bei vollem Betrieb kaum Aufsichtsaufgaben wahrnehmen kann. Auch das Hotelpersonal, das üblicherweise angewiesen ist, den Gästen mit Freundlichkeit zu begegnen, dürfte Probleme haben, die Auflagen aus der Baugenehmigung in der täglichen Praxis gegen die Wünsche der Gäste durchzusetzen und den Gästen zu erklären, dass in dem durch eine durchsichtige Glaswand abgetrennten Foyer trotz der Sitzgelegenheiten und des Billardtisches keine Getränke konsumiert werden dürfen. Für das Gericht ist auch nicht ersichtlich, wie Auflage 1b) umgesetzt werden kann, wenn während des Café/Barbetriebs unvorhergesehen und plötzlich eine Gruppe anreist. Auch im umgekehrten Fall, wenn die Anreise einer größeren Reisegruppe angekündigt ist, dürfte der Café/Barbetreib den ganzen Nachmittag oder Abend trotz anwesenden Personals und sich beschwerender Gäste nicht betrieben werden, damit gewährleistet ist, dass die Glastrennwand bei Anreise der Gruppe jeder Zeit geöffnet werden kann.

Dies zeigt, dass die bisher gemachten Auflagen zumindest nicht ausreichend sind, einen effektiven Lärmschutz der Nachbarn zu gewährleisten.

5.3 Die Baugenehmigung ist auch deshalb defizitär und rechtswidrig, weil sie keine Regelungen für die Zeiten des Oktoberfestes enthält. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist eine erhöhte Besucherzahl in einem Gaststättenbetrieb, die beispielsweise durch ein Stadtfest hervorgerufen wird, vorhabenbezogen und deshalb bei der lärmschutzrechtlichen Beurteilung dieses Vorhabens zu berücksichtigen (vgl. BayVGH, U. v. 21.10.2010 - 14 B 08.1267 - juris Rn. 34). Im Hinblick auf das in jedem Jahr stattfindende Oktoberfest und dem damit in der Vergangenheit bereits einhergehenden Immissionskonflikt enthält die streitgegenständliche Baugenehmigung aber keine Regelungen. Von der Klägerseite wird vorgebracht, dass zur Zeit des Oktoberfestes die Nutzung des Café/Barbetriebs erheblich zunimmt und den sonst üblichen Umfang der Nutzung deutlich übersteigt. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei dem Hotel um eine „Jugend-Hostel“ mit 320 genutzten und 350 genehmigten Betten handelt, die teilweise in Räumen mit bis zu acht Betten untergebracht sind, entspricht dies auch der Lebenserfahrung. Dazu kommt die Lage des low-budget-Hotels in unmittelbarer Nähe zum Oktoberfest und darüber hinaus auch noch im Bereich des Fußwegs von der Festwiese zur U-Bahn-Station ... Es ist auch unbestritten, dass zumindest in den umliegenden Gaststätten mit dem nächtlichen Ende des Oktoberfestes der Betrieb erheblich zunimmt und viele Wiesenbesucher dort weiterfeiern. Dass der streitgegenständliche Betrieb, der sich in einem zur Oktoberfestzeit voll ausgebuchten Jugendhostel befindet, davon ausgenommen sein sollte, widerspricht jeder Lebenserfahrung. In dem Lärmschutzgutachten fehlt jedoch jegliche Auseinandersetzung mit diesem Umstand.

Auch die Baugenehmigung befasst sich nicht mit diesem Aspekt. Sie enthält weder Auflagen, die geeignet sind, die Aufrechterhaltung des Normalbetriebs trotz des Oktoberfestes sicherzustellen, noch enthält sie geeignete Auflagen, für die erhöhte Nutzung während dieser Zeit als seltenes Ereignis i. S. von Nr. 7.2 TA Lärm. Sind seltene Ereignisse von vornherein zu erwarten, so sind zur Sicherung von Nachbarrechten bereits in der Baugenehmigung die maßgeblichen Immissionsrichtwerte festzulegen (vgl. BayVGH, U. v. 21.10.2010 - 14 B 08.1267 - juris Rn. 35).

Unter solchen Umständen genügt es nicht, nur den gewöhnlich zu erwartenden Betrieb und seine Lärmauswirkungen auf das Nachbargrundstück zu betrachten. Vielmehr ist es einmal erforderlich, sich im Lärmschutzgutachten mit den zu erwartenden höheren Lärmimmissionen zu befassen und deren Auswirkung auf die Nachbarn zu ermitteln. Zum andern ist es erforderlich, in der Baugenehmigung entweder wirksame Auflagen aufzunehmen, die geeignet sind den Normalbetrieb, trotz des jährlich in unmittelbarer Nähe stattfindenden Oktoberfestes und des dabei voll ausgebuchten Jugendhostel unverändert aufrecht zu erhalten (z. B. Türsteher, Sicherheitspersonal, die gewährleisten, dass die maximal 35 genehmigten Gäste im Café/Bar bewirtet werden und sich im Foyerbereich nur an- und abreisende Gäste aufhalten) oder eine intensivere Nutzung der Gaststätte in dieser Zeit als seltenes Ereignis im Sinn der Nummer 7.2 der TA Lärm zu regeln und dafür Lärmrichtwerte festzusetzen (vgl. BayVGH, U. v. 21.10.2010 - 14 B 08.1267 - juris Rn. 35, 37, 38).

Im Hinblick auf den Schutzanspruch der Nachbarn fehlt es daher im vorliegenden Fall an einer inhaltlich hinreichend bestimmten Baugenehmigung. Gerade angesichts der bekannten Problematik reichten hier die bloße Festlegung von Lärmgrenzwerten für den Normalbetreib und die verfügten Auflagen zum Lärmschutz nicht aus.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 7.500- festgesetzt

(§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m.

dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 16. März 2015 - M 8 K 14.120

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Urteil, 16. März 2015 - M 8 K 14.120

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht München Urteil, 16. März 2015 - M 8 K 14.120 zitiert 22 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 67


(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen. (2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaate

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG | § 3 Gerichtliche Vertretung


(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich: 1. § 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169

Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG | § 5 Diplom-Juristen aus dem Beitrittsgebiet


Personen, die bis zum 9. September 1996 die fachlichen Voraussetzungen für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 4 des Rechtsanwaltsgesetzes vom 13. September 1990 (GBl. I Nr. 61 S. 1504) erfüllt haben, stehen in den nachfolgenden Vorschriften

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 15 Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästi

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 6 Mischgebiete


(1) Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. (2) Zulässig sind 1. Wohngebäude,2. Geschäfts- und Bürogebäude,3. Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie B

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 3 Begriffsbestimmungen


(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 5 Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen


(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt 1. schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigu

Baugesetzbuch - BBauG | § 29 Begriff des Vorhabens; Geltung von Rechtsvorschriften


(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 2 Kleinsiedlungsgebiete


(1) Kleinsiedlungsgebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäuden mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen. (2) Zulässig sind 1. Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebä

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 48 Verwaltungsvorschriften


(1) Die Bundesregierung erlässt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen des Bundes allgemeine Verwaltungsvorschriften,

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 13 Gebäude und Räume für freie Berufe


Für die Berufsausübung freiberuflich Tätiger und solcher Gewerbetreibender, die ihren Beruf in ähnlicher Art ausüben, sind in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 4 Räume, in den Baugebieten nach den §§ 4a bis 9 auch Gebäude zulässig.

Gaststättengesetz - GastG | § 3 Inhalt der Erlaubnis


(1) Die Erlaubnis ist für eine bestimmte Betriebsart und für bestimmte Räume zu erteilen. Die Betriebsart ist in der Erlaubnisurkunde zu bezeichnen; sie bestimmt sich nach der Art und Weise der Betriebsgestaltung, insbesondere nach den Betriebszeiten

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht München Urteil, 16. März 2015 - M 8 K 14.120 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Verwaltungsgericht München Urteil, 16. März 2015 - M 8 K 14.120 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht München Urteil, 16. März 2015 - M 8 K 14.120

bei uns veröffentlicht am 16.03.2015

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht München Aktenzeichen: M 8 K 14.120 Im Namen des Volkes Urteil vom 16. März 2015 8. Kammer Sachgebiets-Nr. 920 Hauptpunkte: Nachbarklage; Rücksichtna

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 16. Jan. 2014 - 9 B 10.1979

bei uns veröffentlicht am 16.01.2014

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufi

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 29. Nov. 2012 - 4 C 8/11

bei uns veröffentlicht am 29.11.2012

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Fabrikhalle in ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinhe
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht München Urteil, 16. März 2015 - M 8 K 14.120.

Verwaltungsgericht München Urteil, 16. März 2015 - M 8 K 14.120

bei uns veröffentlicht am 16.03.2015

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht München Aktenzeichen: M 8 K 14.120 Im Namen des Volkes Urteil vom 16. März 2015 8. Kammer Sachgebiets-Nr. 920 Hauptpunkte: Nachbarklage; Rücksichtna

Referenzen

(1) Die Erlaubnis ist für eine bestimmte Betriebsart und für bestimmte Räume zu erteilen. Die Betriebsart ist in der Erlaubnisurkunde zu bezeichnen; sie bestimmt sich nach der Art und Weise der Betriebsgestaltung, insbesondere nach den Betriebszeiten und der Art der Getränke, der zubereiteten Speisen, der Beherbergung oder der Darbietungen.

(2) Die Erlaubnis darf auf Zeit erteilt werden, soweit dieses Gesetz es zuläßt oder der Antragsteller es beantragt.

(3) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Geschäfts- und Bürogebäude,
3.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
4.
sonstige Gewerbebetriebe,
5.
Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
6.
Gartenbaubetriebe,
7.
Tankstellen,
8.
Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind.

(3) Ausnahmsweise können Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 außerhalb der in Absatz 2 Nummer 8 bezeichneten Teile des Gebiets zugelassen werden.

(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30 bis 37.

(2) Die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

V.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die baurechtliche Genehmigung für die Errichtung einer Gaststätte mit Freischankfläche (Wirtsgarten) in ihrer Nachbarschaft.

Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus und Nebengebäuden bebauten Grundstücks Fl.Nr. 89 der Gemarkung W. (H. 3), an das östlich das Baugrundstück der Beigeladenen (Fl.Nr. 662/2, H. 5) angrenzt. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des 1964 in Kraft getretenen Bebauungsplans „H.-S.-M.“, und zwar am Rande des als allgemeines Wohngebiet festgesetzten Gebiets „H.“.

Am 10. April 2007 beantragte die Beigeladene eine Baugenehmigung für die „Errichtung eines Biergartens“. Nach den eingereichten Bauvorlagen (siehe Betriebsbeschreibung vom 28.3.2007) sind insgesamt 34 Sitzplätze im Freien sowie ein in einem Gebäude liegender, ca. 24 m² großer Gastraum mit 16 Sitzplätzen geplant. Freibereich und Gastraum sollen nicht gleichzeitig bewirtschaftet werden. Musikdarbietungen sind nicht vorgesehen, die für die Nutzung vorgesehenen sechs Kfz-Stellplätze sind im Zugangsbereich zum Grundstück dargestellt.

Mit Bescheid vom 19. Juli 2007 erteilte das Landratsamt H. (im Folgenden: Landratsamt) der Beigeladenen die baurechtliche Genehmigung zum Abbruch des auf dem Grundstück stehenden Nebengebäudes und zum Neubau eines Funktionsgebäudes mit Ausweichgastplätzen (16 Gastplätze) sowie zur Errichtung einer Freischankfläche mit 34 Gastplätzen. Die Genehmigung enthält verschiedene Auflagen zum Lärmschutz. So ist u. a. der Wirtschaftsbetrieb auf dem gesamten Grundstück bis spätestens 22.00 Uhr zu beenden. Ab diesem Zeitpunkt ist eine Benutzung (An- und Abfahren) der Kfz-Stellplätze unzulässig (Nr. VI.1). Der maximal zulässige Geräuschpegel wird auf 52 dB(A) tagsüber und 37 dB(A) nachts festgesetzt (Nr. VI.2), Musikdarbietungen jeglicher Art sowie Sonderveranstaltungen für „geschlossene Gesellschaften“ (z. B. Familienfeiern, Vereinsfeste) sind unzulässig (Nr. VI.3 und VI.4).

Das Landratsamt sah das Vorhaben als eine nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO im allgemeinen Wohngebiet generell zulässige, der Versorgung des Gebiets dienende Schank- und Speisewirtschaft an. Nach der Betriebsbeschreibung sei die Freischankfläche mit 34 Gastplätzen Schwerpunkt des Betriebs, der Ausweichgastraum im Gebäude solle nur bei schlechtem Wetter genutzt werden; die gleichzeitige Bewirtschaftung von Freifläche und Gastraum scheide aus. Das vorgesehene Speisenangebot und die Anzahl der angebotenen Gastplätze seien nicht geeignet, ein überörtliches Publikum anzusprechen; die Zahl der Gastplätze erscheine vielmehr im Verhältnis zur Größe von W. angemessen. Aufgrund der allgemeinen Zulässigkeit einer solchen Schank- und Speisewirtschaft müssten die Bewohner des allgemeinen Wohngebiets daher die üblichen Emissionen eines solchen Vorhabens hinnehmen. Die im Bescheid gesetzten Lärmschutzauflagen fänden in dem Gebot der Rücksichtnahme ihre Stütze. Die Betreiberin müsse auf die Belange der Nachbarschaft insbesondere deswegen Rücksicht nehmen, weil der Schwerpunkt ihres Gaststättenbetriebs im Freien liege. Die Merkmale eines Biergartens im Sinne der Bayer. Biergartenverordnung verneinte das Landratsamt.

Die von der Klägerin gegen diese Genehmigung erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 20. Februar 2008 ab. Das Gericht folgte hierbei im Wesentlichen der Begründung des angefochtenen Bescheids.

Nach Zulassung der Berufung (Beschluss v. 10.8.2010) verfolgt die Klägerin ihr Begehren im Berufungsverfahren weiter. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:

Der streitgegenständliche „Biergarten“ diene nicht der Versorgung des Gebiets, weil in U./H. Biergärten nicht gebietstypisch seien. Das Vorhaben sei nach § 15 BauNVO unzulässig. Im vorliegenden Fall gelte ein Lärmgrenzwert von tagsüber 55 dB(A) und nachts 40 dB(A), weil sich die Grundstücke der Klägerin und der Beigeladenen in einem allgemeinen Wohngebiet befänden. Nach der vom Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholten fachtechnischen Stellungnahme der Regierung von U. vom 31. Januar 2008 sei die Einhaltung dieser Grenzwerte nicht in jedem Fall gewährleistet. Gerade von 20 Uhr bis 22 Uhr seien der größte Betrieb und damit die höchste Lärmentwicklung im „Biergarten“ zu erwarten. Ihre Befürchtungen zur Lärmentwicklung des seit Anfang Mai 2008 betriebenen „Biergartens“ bzw. der Freischankfläche hätten sich bewahrheitet. Ihr Wohnhaus sei nur 10 bis 15 m von den Sitzgarnituren entfernt, ihr Schlafzimmer und das ihres Sohnes gingen nach vorne in Richtung Straße/Biergarten. Die Schallübertragung sei so hoch, dass man bei geöffnetem Fenster in ihrem Haus im Biergarten mit deutlicher Aussprache geführte Gespräche verstehen könne. Die Lärmentwicklung steige mit der Anzahl der Besucher und mit Fortschreiten der Tageszeit und des Alkoholkonsums.

Die Auflagen der Baugenehmigung würden ständig nicht eingehalten. Die Betreiberfamilie handhabe die Auflage Nr. VI.1 so, dass um 22 Uhr Schankschluss sei. Nach ihrem Wortlaut sei die Auflage aber so zu verstehen, dass bis 22 Uhr der Betrieb bereits beendet, also die Gäste das Grundstück verlassen und mit ihren Fahrzeugen von den Kfz-Stellplätzen abgefahren sein müssten. Die Gäste gingen regelmäßig erst gegen 22.45 Uhr bis 23 Uhr nach Hause und unterhielten sich oft noch auf der engen Straße unter dem Fenster der Klägerin weiter. Außerdem werde im Biergarten aufgeräumt und gespült. Das Wirtschaftsgebäude werde auch außerhalb der Freiluftsaison als Gastwirtschaft betrieben. Im Biergarten fänden trotz des Verbots von Sonderveranstaltungen in der Baugenehmigung auch Familienfeiern, Hochzeiten und Kommuniongesellschaften statt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20. Februar 2008 und den Baugenehmigungsbescheid des Landratsamts vom 19. Juli 2007 aufzuheben.

Die Landesanwaltschaft Bayern und die Beigeladene verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung und beantragen jeweils,

die Berufung zurückzuweisen.

Aufgrund der Lage der beiden Grundstücke an der Schnittstelle zwischen allgemeinem Wohngebiet und dörflichem Mischgebiet seien gewisse Überschreitungen der für ein allgemeines Wohngebiet zulässigen Immissionsrichtwerte zumutbar. Unabhängig von der tatsächlichen Situation habe das Landratsamt im Hinblick auf die Festsetzung des Bebauungsplans umfangreiche Auflagen zum Schutz der Nachbarschaft in die Baugenehmigung aufgenommen. Die in der fachtechnischen Stellungnahme der Regierung von U. vom 31. Januar 2008 angewandte Methode der Schallpegelprognose gehe für die Berechnung der Lärmprognose vom Maximalfall einer Vollbelegung des Wirtschaftsgartens für die gesamte Betriebszeit von 9 Uhr bis 22 Uhr aus. Dabei handle es sich aber - wie der Stellungnahme zu entnehmen sei - um eine atypisierende Betrachtungsweise. Nur für diesen atypischen Fall seien also Überschreitungen des zulässigen Immissionsrichtwerts zum Grundstück der Klägerin nicht mit hundertprozentiger Sicherheit auszuschließen.

Der Senat hat zur Feststellung der örtlichen Verhältnisse das Baugrundstück und dessen Umgebung in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses des Augenscheins wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof entscheidet über die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130a Satz 1 VwGO durch Beschluss, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Klägerin wird durch die Baugenehmigung des Landratsamts vom 19. Juli 2007 nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Bescheid verstößt nicht gegen Vorschriften, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind und zumindest auch dem Nachbarschutz dienen. Der Senat folgt - wie schon das Verwaltungsgericht - zur Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens und zu den Anforderungen des Gebots der Rücksichtnahme der zutreffenden Begründung des angegriffenen Bescheids und sieht insoweit gemäß § 130b Satz 2, § 117 Abs. 5 VwGO entsprechend (vgl. hierzu Eyermann/Happ, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 122 Rn. 7 und 11, § 130b Rn. 3) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin und das Ergebnis des vom Senat durchgeführten Augenscheins ist lediglich ergänzend folgendes auszuführen:

1. Klagegegenstand ist im vorliegenden Verfahren der Baugenehmigungsbescheid des Landratsamts vom 19. Juli 2007 mit seinen den Gaststättenbetrieb der Beigeladenen regelnden und beschränkenden Auflagen. Eine von dieser Genehmigung abweichende, die Klägerin belästigende Nutzung ist nicht streitgegenständlich und kann der vorliegenden Nachbarklage daher nicht zum Erfolg verhelfen. Insoweit ist das - von der Beigeladenen bestrittene - Vorbringen der Klägerin, die Auflagen der Baugenehmigung würden ständig nicht eingehalten, für die Entscheidung nicht erheblich. Es ist klar ersichtlich, dass die Gaststätte unter Zugrundelegung der angegriffenen Baugenehmigung nur bis 22.00 Uhr betrieben werden darf, also sämtlicher, der Gaststätte zuzurechnender Betriebslärm auf die Tagzeit beschränkt ist. Dies gilt auch für den Lärm, den Gäste beim Verlassen des Wirtsgartens verursachen oder der durch Aufräumarbeiten im Wirtsgarten entsteht. Eine genehmigungswidrige Nutzung abzustellen, die für den Nachbarn zu unzumutbaren Belästigungen oder Beeinträchtigungen führt, ist zunächst Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde. Die dazu notwendigen rechtlichen Mittel stehen ihr zur Verfügung. Bleibt die Bauaufsichtsbehörde trotz gravierender und hartnäckiger Verstöße untätig, kann der Nachbar durch einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten ein behördliches Einschreiten rechtlich durchsetzen (vgl. BayVGH, U. v. 25.11.2013 - 9 B 09.952 Rn. 51).

2. Für die Frage, ob es sich bei dem Gaststättenbetrieb der Beigeladenen um eine der Gebietsversorgung dienende Schank- und Speisewirtschaft im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO (in der seit 1962 unverändert geltenden Fassung) handelt, kommt es maßgeblich auf objektive Kriterien an. Der von dieser Vorschrift geforderte Gebietsbezug ist gegeben, wenn die Anlage eine Größe hat, die erwarten lässt, dass ihre Kapazität in einem erheblichen Umfang von Bewohnern aus dem umgebenden Gebiet ausgelastet werden wird (BVerwG, U. v. 29.10.1998 - 4 C 9.97 BayVBl. 1999, 440). Angesichts der vergleichsweise bescheidenen Größe der Gaststätte mit insgesamt 34 Sitzplätzen im Freien und 16 Sitzplätzen im Gastraum ist der Gebietsbezug aus Sicht des Senats nicht in Frage zu stellen. Dass - wie die Klägerin vorträgt - ein „Biergarten“ im Landkreis H. nicht gebietstypisch ist, spielt keine Rolle. Denn auch der Baugenehmigungsbescheid geht davon aus, dass es sich beim Vorhaben der Beigeladenen um keinen Biergarten im Sinne der Bayer. Biergartenverordnung vom 20. April 1999 (GVBl. S. 142) handelt. Gaststätten mit Freischankflächen in Form eines Wirts- oder Wirtschaftsgartens, also sonstige Außengastronomiebetriebe, sind aber auch in U. und im Landkreis H. verbreitet und somit gebietstypisch. Auch unter dem Gesichtspunkt der generellen Gebietsverträglichkeit (zu diesem Erfordernis vgl. BVerwG, U. v. 2.2.2012 - 4 C 14/10, juris Rn. 16) bestehen gegen einen derartigen Gaststättenbetrieb in einem allgemeinen Wohngebiet keine Bedenken.

3. Das Vorhaben verstößt auch nicht gegen das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Es erweist sich unter Zugrundelegung der im Baugenehmigungsbescheid enthaltenen Betriebszeitenbeschränkung und Lärmschutzauflagen der Klägerin gegenüber nicht als rücksichtslos. Dies gilt unabhängig davon, ob von der Wirksamkeit des Bebauungsplans H. -S...-M...“ auszugehen ist und somit ein allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO (Fassung 1962) vorliegt oder ob dieser Bebauungsplan - wie das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung problematisiert - in dem Abschnitt zwischen W.straße und der Bebauung entlang der U. S.-straße „funktionslos geworden (oder sogar gewesen) ist“ (UA S 11) und demzufolge das maßgebliche Gebiet als Gemengelage im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB oder als faktisches Dorfgebiet gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 5 BauNVO anzusehen ist. Denn selbst wenn von der Wirksamkeit des Bebauungsplans auszugehen sein sollte, ist festzuhalten, dass das Anwesen der Klägerin - wie auch der Augenschein gezeigt hat - in unmittelbarer Nachbarschaft zu landwirtschaftlichen Betrieben liegt, die ihrerseits teilweise außerhalb des Geltungsbereichs des genannten Bebauungsplans liegen (vgl. Grundstück Fl.Nr. 88). Aufgrund dieser Vorbelastung muss die Klägerin daher höhere Immissionen hinnehmen als dies bei einer Lage inmitten eines allgemeinen Wohngebiets der Fall wäre. Dies hat schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. In derartigen städtebaulichen Gemengelagen, also in Gebieten mit aufeinanderprallenden, unterschiedlichen Nutzungen, ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung im Rahmen (und zur Umsetzung) des Rücksichtnahmegebots hinsichtlich der Lärm- und Geruchsimmissionen eine „Art Mittelwert“ (der Richtwerte der benachbarten Baugebiete) zu bilden (vgl. BVerwG, B. v. 28.9.1993 - 4 B 151/93, juris Rn. 12).

Die Klägerin hat daher im vorliegenden Fall Lärmimmissionen hinzunehmen, die oberhalb des für ein allgemeines Wohngebiet geltenden Immisionsrichtwerts von 55 dB(A) tagsüber liegen. Dass die im Rahmen der Mittelwertbildung maßgeblichen Grenzwerte im vorliegenden Fall nicht eingehalten werden könnten, lässt sich auch aus der im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten immissionsschutzfachlichen Stellungnahme der Regierung von U. vom nicht entnehmen. Diese gelangt nämlich „unter den vorgegebenen Bedingungen“ - d. h. insbesondere: Abstand des Emissionsschwerpunkts der Wirtschaftsgartenfläche zum maßgeblichen Immissionsort ca. 20 m; Lage des Immissionsorts in einem allgemeinen Wohngebiet; Betriebszeit des Vorhabens von 9.00 Uhr bis 22.00 Uhr; Annahme einer Vollbelegung des Wirtschaftsgartens für die gesamte Betriebszeit; betriebsbedingte Fahrzeugbewegungen von täglich 90 Kfz-Bewegungen - zu dem Ergebnis, dass sich unter Einsatz eines rechnergestützten Prognosemodells am maßgeblichen Immissionsort (= Gebäudeostseite des Anwesens der Klägerin) ein Tagesbeurteilungspegel von gerundet 56 dB(A) errechnet. Wenn die Stellungnahme im Hinblick hierauf weiter ausführt, im Ergebnis seien daher durch den Wirtschaftsgartenbetrieb Überschreitungen des einschlägigen Tagesimmissionsrichtwerts und somit schädliche Umwelteinwirkungen durch Lärm am Anwesen der Klägerin nicht mit hundertprozentiger Sicherheit auszuschließen, so beruht diese Einschätzung ersichtlich auf der Prämisse, dass am Anwesen der Klägerin der für ein allgemeines Wohngebiet geltende Immissionsrichtwert von tagsüber 55 dB(A) einzuhalten ist und nicht der für eine Gemengelage geltende höhere „Mittelwert“ oder gar der für ein Misch- oder Dorfgebiet geltende Richtwert von tagsüber 60 db(A). Dieser fachtechnischen Stellungnahme lässt sich des Weiteren entnehmen, dass bei der Ermittlung des Beurteilungspegels der nach Nr. 6.5. der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) von 1998 (nur) in den in Nr. 6.1. Buchst. d bis f genannten Gebieten, u. a. also auch in einem allgemeinen Wohngebiet, anzusetzende Zuschlag von 6 dB(A) für den Zeitraum von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr und zusätzlich an Sonntagen von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr berücksichtigt worden ist. Dass dieser Zuschlag nicht - wie die Klägerin vorträgt - von dem maximal zulässigen Immissionsrichtwert abgezogen werden darf und somit für die genannten Zeiten kein Höchstwert von 49 dB(A) - = 55 dB(A) abzüglich Zuschlag 6 dB(A) - anzusetzen ist, hat bereits das Landratsamt zutreffend ausgeführt (siehe Stellungnahme vom 3.11.2010, S. 4). Entsprechendes gilt auch für das Vorbringen der Klägerin, der Immissionsrichtwert könne schon deswegen nicht eingehalten werden, weil nach der fachtechnischen Stellungnahme der Regierung von U. schon bei einer Unterhaltung von fünf Gästen im Eingangsbereich des „Bergbiergartens“ am ca. 15 m entfernten Immissionspunkt (Schlafzimmer der Klägerin) Geräuschpegel von ca. 58 dB(A) aufträten und dieser Lärm erst recht erreicht werde, wenn sich fünf (alkoholisierte) Gäste im noch näher am Schlafzimmer befindlichen Wirtsgarten unterhielten. Denn insoweit hat das Landratsamt zu Recht darauf verwiesen - und das ergibt sich im Übrigen auch schon aus der zitierten fachtechnischen Stellungnahme der Regierung (siehe dort S. 2 unter „Grundsätzliches…“), dass durch eine Schallpegelmessung zwar verhaltensbezogene Geräusche erfasst werden können, die Ergebnisse einer derartigen Messung aber nur die momentane Betriebssituation dokumentieren können. In die Ermittlung des maßgeblichen Prognoselärmwerts gehen aber viele unterschiedliche Faktoren ein. Dieser rechnerisch ermittelte Wert ist nicht gleichzusetzen mit einem messtechnisch erfassten Einzelwert.

4. Die Klägerin hat gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Da die Beigeladene im Berufungsverfahren einen Antrag gestellt hat und deshalb ein Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO angeführten Gründe vorliegt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 9.7.1 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2013 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen - Streitwertkatalog 2013.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Fabrikhalle in ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinheiten.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er ein Holzbearbeitungsunternehmen betreibt. Auf dem angrenzenden Vorhabengrundstück des Beigeladenen steht eine nicht mehr genutzte Fabrikhalle, die mit dem Betriebsgebäude des Klägers baulich verbunden ist. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Beklagten, der ein allgemeines Wohngebiet ausweist und für die Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen erweiterten "Bestandsschutz gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO für bestehende Nutzung" festsetzt. Aus einem von der Beklagten im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachten ergibt sich, dass die im Betrieb des Klägers vorhandenen Schallquellen an der nächstgelegenen Seite des Gebäudes des Beigeladenen Beurteilungspegel bis 70 dB(A) hervorrufen.

3

Die Baugenehmigung erteilte die Beklagte "nach Maßgabe der beigefügten geprüften Bauvorlagen". In einer mit einem Grünstempel versehenen schalltechnischen Untersuchung eines Ingenieurbüros heißt es, zur Beurteilung der Geräuschimmissionen des Betriebs des Klägers würden in Abstimmung mit der Beklagten die Beurteilungspegel des im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachtens herangezogen. In Abstimmung mit der Beklagten würden im Hinblick auf die ausschließlich an einer Seite des Gebäudes des Beigeladenen auftretende Überschreitung des Immissionsrichtwerts tags um 10 dB(A) keine aktiven Schallschutzmaßnahmen, sondern passive in Form von Schallschutzfenstern mit Belüftungseinrichtungen und einem Schalldämmmaß von mindestens 41 dB(A) für alle schutzbedürftigen Räume ausgearbeitet. Damit würden die Anhaltswerte für Innenschallpegel eingehalten. In einem ebenfalls grüngestempelten Schreiben des vom Beigeladenen beauftragten Planungsbüros an die Beklagte wird zur Ergänzung der Baubeschreibung ausgeführt, die Schallschutzmaßnahmen der schalltechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros würden eingebaut und unterhalten.

4

Das die Baugenehmigung aufhebende Urteil des Verwaltungsgerichts hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen geändert und die Klage abgewiesen. Weder bei unterstellter Wirksamkeit des Bebauungsplans noch bei unterstellter Unwirksamkeit bestehe ein Aufhebungsanspruch des Klägers. Die genehmigte Wohnnutzung sei jedenfalls zulässig und verstoße nicht zum Nachteil des Klägers gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme, das auch im Fall der Wirksamkeit des Bebauungsplans anwendbar sei, weil der Bebauungsplan den konkreten Immissionskonflikt nicht abschließend bewältige. Ob dem betroffenen Nachbarn Geräuschimmissionen zuzumuten seien, sei grundsätzlich anhand der TA Lärm zu bestimmen. Nach ihrer Nr. 6.1 sei am Wohnbauvorhaben des Beigeladenen an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden grundsätzlich der hier allein maßgebliche Tag-Immissionsrichtwert von 55 dB(A) einzuhalten. Dieser Wert sei in Anwendung von Nr. 6.1 c und Nr. 6.7 der TA Lärm auf einen "Mittelwert" von tagsüber 60 dB(A) zu erhöhen, weil sich das Wohnbauvorhaben in einer faktischen Gemengelage befinde. Ein solcher Wert lasse sich zwar nicht vollumfänglich einhalten. Das Rücksichtnahmegebot ermögliche und gebiete aber zusätzliche Differenzierungen mit der Folge, dass die grobmaschigen baugebietsbezogenen Richtwerte je nach Lage des Einzelfalls durch situationsbezogene Zumutbarkeitskriterien zu ergänzen seien. So sei ein Wohnbauvorhaben auf einem durch gewerblichen Lärm erheblich vorbelasteten Grundstück rücksichtslos und daher unzulässig, wenn bei seiner Verwirklichung auf naheliegende, technisch mögliche und wirtschaftlich vertretbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen verzichtet werde, welche eine erhebliche Lärmbetroffenheit der Wohnnutzung spürbar mindern würden. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO begründe insoweit eine Obliegenheit des Bauherrn zu "architektonischer Selbsthilfe", verlange aber auch vom Betreiber des - bestands-geschützten - emittierenden Gewerbebetriebs, auf die für das Nachbargrundstück festgesetzte (heranrückende) Wohnbebauung Rücksicht zu nehmen. Welche Maßnahmen dem zur Rücksichtnahme auf seine Nachbarschaft verpflichteten Anlagenbetreiber zumutbar seien, bestimme sich nach den (dynamischen) Betreiberpflichten des § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Auch passiver Schallschutz könne ein zu berücksichtigender Baustein der "architektonischen Selbsthilfe" sein. Die im Gutachten des Ingenieurbüros vorgesehenen passiven Schallschutzmaßnahmen, die Bestandteil der Baugenehmigung geworden seien und ausweislich der Erklärung von Beklagter und Beigeladenem in der mündlichen Verhandlung für alle schutzbedürftigen Räume einschließlich Loggia gälten, sicherten, dass die Anhaltswerte für Innenschallpegel in Wohnräumen von tags 30 bis 35 dB(A) und in Schlafräumen von 25 bis 30 dB(A) (Mittelungspegel) von schutzbedürftigen Räumen nach VDI 2179 eingehalten werden könnten.

5

Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Vorinstanz gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass das Vorhaben trotz einer Überschreitung der (Außen-)Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 und Nr. 6.7 der TA Lärm aufgrund der festgesetzten passiven Schallschutzmaßnahmen zulässig sei. Passive Schallschutzmaßnahmen führten nicht zu einer Reduzierung des maßgeblichen Außen-Immissionsrichtwertes und seien nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig. Ohnehin sei das Rücksichtnahmegebot bereits in der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung aufgegangen, weil auch für den Konflikt zwischen den streitbefangenen Grundstücken der für andere Grundstücke festgesetzte Immissionswert von 60 dB(A) gelte. Außerdem verstoße die streitgegenständliche Baugenehmigung gegen das Bestimmtheitsgebot. Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht unter Verletzung der Aufklärungspflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör den unter Beweis gestellten Sachvortrag, dass die Immissionsrichtwerte im Gebäudeinneren gemäß Nr. 6.2 der TA Lärm aufgrund der vorhandenen Gebäudeverbindung nicht eingehalten würden, zu Unrecht unbeachtet gelassen.

6

Beklagte und Beigeladener verteidigen das angegriffene Urteil.

7

Nach Ansicht der Beklagten zählen passive Schallschutzmaßnahmen zu den Mitteln der "architektonischen Selbsthilfe". Das ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Je nach den Umständen des Einzelfalls könne es - zumal wenn wie hier Außenwohnbereiche nicht betroffen seien - abwägungsfehlerfrei sein, eine Minderung der Immissionen durch eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume zu erreichen.

8

Der Beigeladene hält den Bebauungsplan für unwirksam, weil er keine Konfliktlösung in Bezug auf sein Grundstück biete. Deswegen sei sein Vorhaben an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen. Es halte sich im vorgezeichneten Rahmen und verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Zum einen seien die Lärmgutachten von Betriebszuständen ausgegangen, die nicht dem Stand der Lärmminderungstechnik entsprächen und die, würden sie real ausgeführt, nach § 22 BImSchG untersagt werden könnten. Zum anderen seien die von ihm angebotenen und damit zum Bestandteil der Baugenehmigung gewordenen Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe prinzipiell geeignet, im Rahmen einer Bewertung anhand des Gebotes der Rücksichtnahme Berücksichtigung zu finden. So würden die unmittelbar dem Grundstück des Klägers zugewandten Aufenthaltsräume während der Betriebszeiten ständig geschlossen gehalten und Fenster mit einem Schalldämmmaß ausgestattet, das die Einhaltung der Nr. 6.2 TA Lärm (Innenraumschutz) sicherstelle. Die Außenwohnbereiche befänden sich im Lärmschatten des Gebäudes.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht.

10

1. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen allerdings nicht durch. Sie genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO.

11

a) Mit seiner Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) macht der Kläger geltend, das Gericht hätte die Beschaffenheit des Verbindungstunnels zwischen den Gebäuden des Klägers und des Beigeladenen weiter aufklären müssen. Da er hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Beweisantrag gestellt hat, hätte er mit der Revision darlegen müssen, aus welchen Gründen sich der Vorinstanz die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. hierzu etwa Urteil vom 11. Juli 2002 - BVerwG 4 C 9.00 - Buchholz 451.17 § 12 EnergG Nr. 1 S. 12 f.). Das ist nicht geschehen. Aufgrund des - auch auf Nachfrage der Vorinstanz - lediglich allgemein gehaltenen und nicht gebäudebezogenen privatgutachterlichen Vorbringens des Klägers und der Feststellungen des Berichterstatters im Rahmen der Ortsbesichtigung ist für den Senat auch nicht erkennbar, dass sich solche Aufklärungsmaßnahmen aufgedrängt hätten.

12

b) Die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nicht erheben, wer sich rechtliches Gehör durch entsprechende Beweis- oder Vertagungsanträge in der mündlichen Verhandlung hätte verschaffen können (Beschluss vom 4. August 2008 - BVerwG 1 B 3.08 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 70 Rn. 9 m.w.N.). Es ist weder dargelegt noch erkennbar, warum der Kläger dies im Hinblick auf die nach seiner Ansicht zeitlich und inhaltlich unzumutbare Aufforderung des Oberverwaltungsgerichts zur Substantiierung seines Vorbringens zum Verbindungstunnel nicht getan hat.

13

2. Dass das Oberverwaltungsgericht die Bestimmtheit der angegriffenen Baugenehmigung auf der Grundlage seiner Auslegung dieses Verwaltungsakts bejaht hat, lässt ebenfalls keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Mit seiner Rüge eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz setzt der Kläger dieser Auslegung lediglich eine eigene Auslegung der Baugenehmigung gegenüber, aus der er ihre unzureichende Bestimmtheit ableitet. Die Auslegung eines Verwaltungsakts ist jedoch Sache des Tatsachengerichts und jedenfalls dann, wenn dieses sich - wie hier - dazu verhalten hat (Beschluss vom 6. April 2004 - BVerwG 4 B 2.04 - juris Rn. 8) und die Auslegung keinen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (Urteil vom 10. Oktober 2012 - BVerwG 6 C 36.11 - juris Rn. 26), der revisionsgerichtlichen Prüfung entzogen. Die Anforderungen des - revisiblen - Bestimmtheitsgebots (dazu etwa Urteil vom 2. Juli 2008 - BVerwG 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 Rn. 11) hat das Oberverwaltungsgericht nicht verkannt. Soweit es dabei die Einbeziehung von grüngestempelten und damit eindeutig von der Behörde gekennzeichneten Antragsunterlagen des Beigeladenen sowie in der mündlichen Verhandlung abgegebenen und somit dem Kläger bekannten Erklärungen der Beklagten und des Beigeladenen als zulässig angesehen hat, ist dies bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

14

3. Das Oberverwaltungsgericht durfte jedoch das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO nicht deswegen als gewahrt ansehen, weil der Beigeladene im Wege der architektonischen Selbsthilfe passive Schallschutzmaßnahmen für die ihm genehmigte Wohnnutzung vorgesehen hat.

15

a) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Rücksichtnahmegebot im vorliegenden Fall unabhängig von der Wirksamkeit des Bebauungsplans Anwendung findet. Der Einwand des Klägers, das Rücksichtnahmegebot sei im Falle der Wirksamkeit des Bebauungsplans bereits aufgrund der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung des Ortsgesetzgebers "aufgezehrt" (vgl. hierzu Beschluss vom 11. Juli 1983 - BVerwG 4 B 123.81 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 54), greift nicht durch. Auch insoweit stellt der Kläger der bindenden und irrevisiblen Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) lediglich seine eigene Auslegung gegenüber.

16

b) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <318 f.> und vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <243>) stellt sich § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO als eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und als eine zulässige Bestimmung des Eigentumsinhalts (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) dar. Diese Vorschrift soll ebenso wie die übrigen Tatbestandsalternativen des § 15 Abs. 1 BauNVO gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Welche Anforderungen sich hieraus im Einzelnen ergeben, hängt maßgeblich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Ist die Grundstücksnutzung aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, so führt dies nicht nur zu einer Pflichtigkeit desjenigen, der Immissionen verursacht, sondern auch zu einer Duldungspflicht desjenigen, der sich solchen Immissionen aussetzt. Von diesen Grundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend ausgegangen.

17

c) Ebenfalls zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht als Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Störung die TA Lärm herangezogen. Obwohl aber nach seinen bindenden Feststellungen das genehmigte Wohnbauvorhaben gemessen an den Immissionsrichtwerten der Nr. 6.1 einschließlich Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7 der TA Lärm an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden unzumutbaren Geräuschimmissionen ausgesetzt ist, hat das Oberverwaltungsgericht eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots verneint, weil es angesichts der Vorbelastung des Vorhabengrundstücks durch gewerblichen Lärm noch Raum lasse, den gebotenen Interessenausgleich im Wege der architektonischen Selbsthilfe durch passive Schallschutzmaßnahmen zu bewirken. Diese Annahme verstößt gegen Bundesrecht.

18

aa) Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z.B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z.B. A.2.5.3) Spielräume eröffnet (Urteil vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 m.w.N.).

19

Diese Bindungswirkung besteht in gleicher Weise bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze in Nachbarkonflikten, wie sie das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO konkretisierte Rücksichtnahmegebot fordert. Denn das Bundesimmissionsschutzrecht und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm legen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319 f.). Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die TA Lärm enthalte lediglich Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von emittierenden Anlagen, regele aber nicht den Konflikt mit einer an eine latent störende gewerbliche Nutzung heranrückenden Wohnbebauung und sei deswegen für deren bauaufsichtliche Genehmigung nicht maßgeblich (so aber VGH Mannheim, Beschluss vom 11. Oktober 2006 - 5 S 1904/06 - NVwZ-RR 2007, 168 <169 f.>). Aus der Spiegelbildlichkeit der dargelegten gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Rücksichtnahmegebot für die konfligierenden Nutzungen ergibt sich vielmehr, dass mit der Bestimmung der Anforderungen an den emittierenden Betrieb auf der Grundlage der TA Lärm zugleich das Maß der vom Nachbarn zu duldenden Umwelteinwirkungen und mithin die - gemeinsame - Zumutbarkeitsgrenze im Nutzungskonflikt feststeht. Dass etwaige Lärmminderungspflichten, die sich aus der Anwendung der TA Lärm für den emittierenden Gewerbebetrieb ergeben können, nicht - etwa in Form einer Auflage - zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht werden können, steht nicht entgegen. Denn als Teil der vom Rücksichtnahmegebot geforderten Zuordnung der Nutzungen gehören die gebotenen Lärmminderungsmaßnahmen zur Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung und sind gegebenenfalls im Wege der §§ 24 und 22 BImSchG gegen den Gewerbebetrieb durchzusetzen. Auch aus der in der früheren Rechtsprechung des Senats verwendeten Formulierung, die TA Lärm gelte in diesen Fällen "nicht unmittelbar" (Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319), folgt nichts anderes. Der Senat hat hiermit keine Abstriche am Umfang ihrer Anwendbarkeit und Bindungswirkung verbunden.

20

bb) Passive Lärmschutzmaßnahmen als Mittel der Konfliktlösung zwischen Gewerbe und Wohnen sieht die TA Lärm nicht vor. Nach ihrer Nr. 6.1 sind für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbeeinträchtigung außerhalb der betroffenen Gebäude gelegene Immissionsorte maßgeblich. Sie können durch passive Schallschutzmaßnahmen, wie sie die angefochtene Baugenehmigung vorschreibt, nicht beeinflusst werden. Aus Nr. 6.2 der TA Lärm folgt nichts anderes. Die Vorschrift regelt den Sonderfall der Körperschallübertragung und kann deswegen nicht als "Auffangregelung" verstanden werden, aus der abzuleiten wäre, dass letztlich maßgeblich auf - durch passive Schallschutzmaßnahmen beeinflussbare - Innen-Immissionswerte abzustellen ist. Soweit es - wie hier - um die Beurteilung von Luftschall geht, der über die Außenfassade einwirkt, sind die Außen-Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 anzuwenden (vgl. auch Feldhaus, Bundesimmissionsrecht, Bd. 4, Stand August 2012, Rn. 29 zu Nr. 6 TA Lärm).

21

cc) Auch die von der TA Lärm belassenen Spielräume bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze eröffnen nicht die Möglichkeit, der Überschreitung der Außen-Immissionsrichtwerte durch Anordnung von passivem Lärmschutz zu begegnen.

22

Entgegen der Ansicht des Beigeladenen kann insoweit nicht Nr. 3.2.2 der TA Lärm herangezogen werden, die eine ergänzende Prüfung im Sonderfall ermöglicht. Die Voraussetzungen der in Buchstaben a bis d genannten Umstände, bei deren Vorliegen eine solche Sonderfallprüfung "insbesondere" in Betracht kommt, sind nicht gegeben. Namentlich sind besondere Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit und der sozialen Adäquanz der Geräuschimmission (Buchst. d) nicht schon dann zu bejahen, wenn sie von einer bestandskräftigen Genehmigung des emittierenden Gewerbebetriebs gedeckt ist. Auch begründet wegen des anzulegenden strengen Maßstabs für eine Sonderfallprüfung (Feldhaus a.a.O. Rn. 63 zu Nr. 3 TA Lärm) allein der Umstand, dass der Konflikt durch eine Gemengelage bedingt ist, noch keine besondere Standortbindung (Buchst. b).

23

Ein unbenannter Anwendungsfall der Regelung ist auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auszuschließen. Das folgt schon daraus, dass die insoweit allein in Betracht kommenden Umstände (Gemengelage, Vorbelastung, Prioritätsprinzip, konkrete Schutzwürdigkeit und Gebietsprägung) bereits Gegenstand der Regelung in Nr. 6.7 sind, die mit der Zwischenwertbildung eine auf die Gemengelagesituation und die genannten Umstände zugeschnittene Lösung enthält (vgl. auch Feldhaus a.a.O. m.w.N.). Es liegt fern, dass die TA Lärm für den Fall, dass - wie hier - trotz Zwischenwertbildung die Zumutbarkeit des Vorhabens nicht gewährleistet werden kann, aus denselben Gesichtspunkten einen zusätzlichen Spielraum für eine Lösung eröffnet, die, wie das Oberverwaltungsgericht nicht verkennt, die Rechtsordnung nur in gesetzlich ausdrücklich normierten Fällen unter strengen Voraussetzungen vorsieht.

24

Die Möglichkeit, einer Überschreitung der nach Nr. 6.1 und Nr. 6.7 maßgeblichen Immissionsrichtwerte mit passivem Lärmschutz zu begegnen, müsste auch das Schutzziel der TA Lärm verfehlen. Aus der Maßgeblichkeit der Außen-Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 und der Definition des maßgeblichen Immissionsortes in A.1.3 des Anhangs der TA Lärm - bei bebauten Flächen 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes - ergibt sich, dass dieses Regelungswerk - anders als etwa für Verkehrsanlagen die 16. und 24. BImSchV - den Lärmkonflikt zwischen Gewerbe und schutzwürdiger (insbesondere Wohn-) Nutzung bereits an deren Außenwand und damit unabhängig von der Möglichkeit und Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen gelöst wissen will. Damit sichert die TA Lärm von vornherein für Wohnnutzungen einen Mindestwohnkomfort, der darin besteht, Fenster trotz der vorhandenen Lärmquellen öffnen zu können und eine natürliche Belüftung sowie einen erweiterten Sichtkontakt nach außen zu ermöglichen, ohne dass die Kommunikationssituation im Innern oder das Ruhebedürfnis und der Schlaf nachhaltig gestört werden können. Soweit andere Regelwerke wie die schon genannte 16. und 24. BImSchV passiven Lärmschutz zur Lösung des Nutzungskonflikts zulassen und damit einen geringeren Mindestwohnkomfort als Schutzziel zugrundelegen, beruht dies auf dem öffentlichen Interesse, das an den von diesen Regelungen erfassten (Verkehrs-)Anlagen besteht und weiterreichende Beschränkungen des Eigentumsinhalts zulasten der von Immissionen betroffenen Anliegern rechtfertigt.

25

Der von der TA Lärm gewährte Schutzstandard steht auch nicht zur Disposition des Lärmbetroffenen und kann nicht durch dessen Einverständnis mit passiven Schallschutzmaßnahmen suspendiert werden. Denn das Bauplanungsrecht regelt die Nutzbarkeit der Grundstücke in öffentlich-rechtlicher Beziehung auf der Grundlage objektiver Umstände und Gegebenheiten mit dem Ziel einer möglichst dauerhaften städtebaulichen Ordnung und Entwicklung. Das schließt es aus, das bei objektiver Betrachtung maßgebliche Schutzniveau auf das Maß zu senken, das der lärmbetroffene Bauwillige nach seiner persönlichen Einstellung bereit ist hinzunehmen (Urteil vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <324>).

26

dd) Schließlich bietet auch der Gesichtspunkt der architektonischen Selbsthilfe keine Rechtfertigung für die vom Oberverwaltungsgericht für zulässig angesehene Konfliktlösung mit Mitteln des passiven Lärmschutzes. Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass sich aus dem Rücksichtnahmegebot die Obliegenheit des Bauherrn ergeben kann, durch Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe den Lärmkonflikt mit einem benachbarten Gewerbebetrieb in einer Weise zu lösen, die die Zumutbarkeit der ihn treffenden Immissionen gewährleistet und somit die Erteilung der Baugenehmigung für sein Vorhaben ermöglicht. Auf dieser Grundlage können dem Bauherrn im Anwendungsbereich der TA Lärm aber nur mit diesem Regelwerk vereinbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen abverlangt werden. Das schließt immissionsreduzierende Maßnahmen wie Veränderungen der Stellung des Gebäudes, des äußeren Zuschnitts des Hauses oder der Anordnung der Wohnräume und der notwendigen Fenster, ohne Weiteres mit ein (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 323). Dasselbe gilt, soweit dies bauordnungsrechtlich zulässig ist, für den Einbau nicht zu öffnender Fenster (vgl. Beschluss vom 7. Juni 2012 - BVerwG 4 BN 6.12 - juris), die keine relevanten Messpunkte im Sinne von Nr. 2.3 der TA Lärm i.V.m. Nr. A.1.3 ihres Anhangs darstellen. Passiver Lärmschutz als Mittel der architektonischen Selbsthilfe kann daher nur außerhalb des Anwendungsbereichs der TA Lärm und bei - hier nicht einschlägiger - Anwendung solcher Regelwerke in Betracht kommen, die diese Möglichkeit zulassen (vgl. Urteil vom 22. März 2007 - BVerwG 4 CN 2.06 - BVerwGE 128, 238 Rn. 16 f.).

27

4. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann der Senat nicht entscheiden, ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus anderen Gründen als richtig darstellt (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze mit Blick auf die Bereitschaft des Beigeladenen, passiven Lärmschutz vorzusehen, unter Zugrundelegung derjenigen Lärmimmissionen ermittelt, die für das Grundstück des Beigeladenen im ungünstigsten Fall zu erwarten sind. Der Frage, welche Lärmminderungsmaßnahmen dem Kläger nach den (unter 3. b) dargelegten Vorgaben des Rücksichtnahmegebots obliegen, ist das Oberverwaltungsgericht nicht nachgegangen. Das wird es nachzuholen haben. Die dem zur Rücksichtnahme verpflichteten Kläger insoweit zumutbaren Maßnahmen bestimmen sich nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG (Urteil vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <246 f.> m.w.N). Dass Möglichkeiten der Lärmminderung beim Gewerbebetrieb des Klägers, mit denen der nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts maßgebliche Außen-Immissionswert von 60 dB(A) eingehalten werden könnte, schon aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen wären, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Auf die bestandskräftige Genehmigung seines Betriebs kann sich der Kläger gegenüber seinen dynamisch angelegten Grundpflichten aus § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht berufen (vgl. Urteil vom 18. Mai 1995 a.a.O). Anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 21 f.) offenbar annimmt, sind diese Pflichten gegenüber - wie hier - heranrückender Wohnbebauung nicht von vornherein auf solche Lärmminderungsmaßnahmen beschränkt, zu denen der Gewerbebetrieb bereits gegenüber der vorhandenen Wohnbebauung verpflichtet gewesen wäre.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt

1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können;
2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen;
3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften;
4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.

(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.

(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung

1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können,
2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und
3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.

(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.

(1) Die Bundesregierung erlässt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen des Bundes allgemeine Verwaltungsvorschriften, insbesondere über

1.
Immissionswerte, die zu dem in § 1 genannten Zweck nicht überschritten werden dürfen,
2.
Emissionswerte, deren Überschreiten nach dem Stand der Technik vermeidbar ist,
3.
das Verfahren zur Ermittlung der Emissionen und Immissionen,
4.
die von der zuständigen Behörde zu treffenden Maßnahmen bei Anlagen, für die Regelungen in einer Rechtsverordnung nach § 7 Absatz 2 oder 3 vorgesehen werden können, unter Berücksichtigung insbesondere der dort genannten Voraussetzungen,
5.
äquivalente Parameter oder äquivalente technische Maßnahmen zu Emissionswerten,
6.
angemessene Sicherheitsabstände gemäß § 3 Absatz 5c.
Bei der Festlegung der Anforderungen sind insbesondere mögliche Verlagerungen von nachteiligen Auswirkungen von einem Schutzgut auf ein anderes zu berücksichtigen; ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt ist zu gewährleisten.

(1a) Nach jeder Veröffentlichung einer BVT-Schlussfolgerung ist unverzüglich zu gewährleisten, dass für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie bei der Festlegung von Emissionswerten nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten. Im Hinblick auf bestehende Anlagen ist innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen zur Haupttätigkeit eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Verwaltungsvorschrift vorzunehmen.

(1b) Abweichend von Absatz 1a

1.
können in der Verwaltungsvorschrift weniger strenge Emissionswerte festgelegt werden, wenn
a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagenart die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre und dies begründet wird oder
b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden, oder
2.
kann in der Verwaltungsvorschrift bestimmt werden, dass die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen kann, wenn
a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagen die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre oder
b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt. Emissionswerte und Emissionsbegrenzungen nach Satz 1 dürfen die in den Anhängen der Richtlinie 2010/75/EU festgelegten Emissionsgrenzwerte nicht überschreiten.

(2) (weggefallen)

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Fabrikhalle in ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinheiten.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er ein Holzbearbeitungsunternehmen betreibt. Auf dem angrenzenden Vorhabengrundstück des Beigeladenen steht eine nicht mehr genutzte Fabrikhalle, die mit dem Betriebsgebäude des Klägers baulich verbunden ist. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Beklagten, der ein allgemeines Wohngebiet ausweist und für die Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen erweiterten "Bestandsschutz gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO für bestehende Nutzung" festsetzt. Aus einem von der Beklagten im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachten ergibt sich, dass die im Betrieb des Klägers vorhandenen Schallquellen an der nächstgelegenen Seite des Gebäudes des Beigeladenen Beurteilungspegel bis 70 dB(A) hervorrufen.

3

Die Baugenehmigung erteilte die Beklagte "nach Maßgabe der beigefügten geprüften Bauvorlagen". In einer mit einem Grünstempel versehenen schalltechnischen Untersuchung eines Ingenieurbüros heißt es, zur Beurteilung der Geräuschimmissionen des Betriebs des Klägers würden in Abstimmung mit der Beklagten die Beurteilungspegel des im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachtens herangezogen. In Abstimmung mit der Beklagten würden im Hinblick auf die ausschließlich an einer Seite des Gebäudes des Beigeladenen auftretende Überschreitung des Immissionsrichtwerts tags um 10 dB(A) keine aktiven Schallschutzmaßnahmen, sondern passive in Form von Schallschutzfenstern mit Belüftungseinrichtungen und einem Schalldämmmaß von mindestens 41 dB(A) für alle schutzbedürftigen Räume ausgearbeitet. Damit würden die Anhaltswerte für Innenschallpegel eingehalten. In einem ebenfalls grüngestempelten Schreiben des vom Beigeladenen beauftragten Planungsbüros an die Beklagte wird zur Ergänzung der Baubeschreibung ausgeführt, die Schallschutzmaßnahmen der schalltechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros würden eingebaut und unterhalten.

4

Das die Baugenehmigung aufhebende Urteil des Verwaltungsgerichts hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen geändert und die Klage abgewiesen. Weder bei unterstellter Wirksamkeit des Bebauungsplans noch bei unterstellter Unwirksamkeit bestehe ein Aufhebungsanspruch des Klägers. Die genehmigte Wohnnutzung sei jedenfalls zulässig und verstoße nicht zum Nachteil des Klägers gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme, das auch im Fall der Wirksamkeit des Bebauungsplans anwendbar sei, weil der Bebauungsplan den konkreten Immissionskonflikt nicht abschließend bewältige. Ob dem betroffenen Nachbarn Geräuschimmissionen zuzumuten seien, sei grundsätzlich anhand der TA Lärm zu bestimmen. Nach ihrer Nr. 6.1 sei am Wohnbauvorhaben des Beigeladenen an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden grundsätzlich der hier allein maßgebliche Tag-Immissionsrichtwert von 55 dB(A) einzuhalten. Dieser Wert sei in Anwendung von Nr. 6.1 c und Nr. 6.7 der TA Lärm auf einen "Mittelwert" von tagsüber 60 dB(A) zu erhöhen, weil sich das Wohnbauvorhaben in einer faktischen Gemengelage befinde. Ein solcher Wert lasse sich zwar nicht vollumfänglich einhalten. Das Rücksichtnahmegebot ermögliche und gebiete aber zusätzliche Differenzierungen mit der Folge, dass die grobmaschigen baugebietsbezogenen Richtwerte je nach Lage des Einzelfalls durch situationsbezogene Zumutbarkeitskriterien zu ergänzen seien. So sei ein Wohnbauvorhaben auf einem durch gewerblichen Lärm erheblich vorbelasteten Grundstück rücksichtslos und daher unzulässig, wenn bei seiner Verwirklichung auf naheliegende, technisch mögliche und wirtschaftlich vertretbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen verzichtet werde, welche eine erhebliche Lärmbetroffenheit der Wohnnutzung spürbar mindern würden. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO begründe insoweit eine Obliegenheit des Bauherrn zu "architektonischer Selbsthilfe", verlange aber auch vom Betreiber des - bestands-geschützten - emittierenden Gewerbebetriebs, auf die für das Nachbargrundstück festgesetzte (heranrückende) Wohnbebauung Rücksicht zu nehmen. Welche Maßnahmen dem zur Rücksichtnahme auf seine Nachbarschaft verpflichteten Anlagenbetreiber zumutbar seien, bestimme sich nach den (dynamischen) Betreiberpflichten des § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Auch passiver Schallschutz könne ein zu berücksichtigender Baustein der "architektonischen Selbsthilfe" sein. Die im Gutachten des Ingenieurbüros vorgesehenen passiven Schallschutzmaßnahmen, die Bestandteil der Baugenehmigung geworden seien und ausweislich der Erklärung von Beklagter und Beigeladenem in der mündlichen Verhandlung für alle schutzbedürftigen Räume einschließlich Loggia gälten, sicherten, dass die Anhaltswerte für Innenschallpegel in Wohnräumen von tags 30 bis 35 dB(A) und in Schlafräumen von 25 bis 30 dB(A) (Mittelungspegel) von schutzbedürftigen Räumen nach VDI 2179 eingehalten werden könnten.

5

Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Vorinstanz gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass das Vorhaben trotz einer Überschreitung der (Außen-)Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 und Nr. 6.7 der TA Lärm aufgrund der festgesetzten passiven Schallschutzmaßnahmen zulässig sei. Passive Schallschutzmaßnahmen führten nicht zu einer Reduzierung des maßgeblichen Außen-Immissionsrichtwertes und seien nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig. Ohnehin sei das Rücksichtnahmegebot bereits in der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung aufgegangen, weil auch für den Konflikt zwischen den streitbefangenen Grundstücken der für andere Grundstücke festgesetzte Immissionswert von 60 dB(A) gelte. Außerdem verstoße die streitgegenständliche Baugenehmigung gegen das Bestimmtheitsgebot. Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht unter Verletzung der Aufklärungspflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör den unter Beweis gestellten Sachvortrag, dass die Immissionsrichtwerte im Gebäudeinneren gemäß Nr. 6.2 der TA Lärm aufgrund der vorhandenen Gebäudeverbindung nicht eingehalten würden, zu Unrecht unbeachtet gelassen.

6

Beklagte und Beigeladener verteidigen das angegriffene Urteil.

7

Nach Ansicht der Beklagten zählen passive Schallschutzmaßnahmen zu den Mitteln der "architektonischen Selbsthilfe". Das ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Je nach den Umständen des Einzelfalls könne es - zumal wenn wie hier Außenwohnbereiche nicht betroffen seien - abwägungsfehlerfrei sein, eine Minderung der Immissionen durch eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume zu erreichen.

8

Der Beigeladene hält den Bebauungsplan für unwirksam, weil er keine Konfliktlösung in Bezug auf sein Grundstück biete. Deswegen sei sein Vorhaben an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen. Es halte sich im vorgezeichneten Rahmen und verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Zum einen seien die Lärmgutachten von Betriebszuständen ausgegangen, die nicht dem Stand der Lärmminderungstechnik entsprächen und die, würden sie real ausgeführt, nach § 22 BImSchG untersagt werden könnten. Zum anderen seien die von ihm angebotenen und damit zum Bestandteil der Baugenehmigung gewordenen Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe prinzipiell geeignet, im Rahmen einer Bewertung anhand des Gebotes der Rücksichtnahme Berücksichtigung zu finden. So würden die unmittelbar dem Grundstück des Klägers zugewandten Aufenthaltsräume während der Betriebszeiten ständig geschlossen gehalten und Fenster mit einem Schalldämmmaß ausgestattet, das die Einhaltung der Nr. 6.2 TA Lärm (Innenraumschutz) sicherstelle. Die Außenwohnbereiche befänden sich im Lärmschatten des Gebäudes.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht.

10

1. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen allerdings nicht durch. Sie genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO.

11

a) Mit seiner Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) macht der Kläger geltend, das Gericht hätte die Beschaffenheit des Verbindungstunnels zwischen den Gebäuden des Klägers und des Beigeladenen weiter aufklären müssen. Da er hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Beweisantrag gestellt hat, hätte er mit der Revision darlegen müssen, aus welchen Gründen sich der Vorinstanz die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. hierzu etwa Urteil vom 11. Juli 2002 - BVerwG 4 C 9.00 - Buchholz 451.17 § 12 EnergG Nr. 1 S. 12 f.). Das ist nicht geschehen. Aufgrund des - auch auf Nachfrage der Vorinstanz - lediglich allgemein gehaltenen und nicht gebäudebezogenen privatgutachterlichen Vorbringens des Klägers und der Feststellungen des Berichterstatters im Rahmen der Ortsbesichtigung ist für den Senat auch nicht erkennbar, dass sich solche Aufklärungsmaßnahmen aufgedrängt hätten.

12

b) Die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nicht erheben, wer sich rechtliches Gehör durch entsprechende Beweis- oder Vertagungsanträge in der mündlichen Verhandlung hätte verschaffen können (Beschluss vom 4. August 2008 - BVerwG 1 B 3.08 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 70 Rn. 9 m.w.N.). Es ist weder dargelegt noch erkennbar, warum der Kläger dies im Hinblick auf die nach seiner Ansicht zeitlich und inhaltlich unzumutbare Aufforderung des Oberverwaltungsgerichts zur Substantiierung seines Vorbringens zum Verbindungstunnel nicht getan hat.

13

2. Dass das Oberverwaltungsgericht die Bestimmtheit der angegriffenen Baugenehmigung auf der Grundlage seiner Auslegung dieses Verwaltungsakts bejaht hat, lässt ebenfalls keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Mit seiner Rüge eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz setzt der Kläger dieser Auslegung lediglich eine eigene Auslegung der Baugenehmigung gegenüber, aus der er ihre unzureichende Bestimmtheit ableitet. Die Auslegung eines Verwaltungsakts ist jedoch Sache des Tatsachengerichts und jedenfalls dann, wenn dieses sich - wie hier - dazu verhalten hat (Beschluss vom 6. April 2004 - BVerwG 4 B 2.04 - juris Rn. 8) und die Auslegung keinen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (Urteil vom 10. Oktober 2012 - BVerwG 6 C 36.11 - juris Rn. 26), der revisionsgerichtlichen Prüfung entzogen. Die Anforderungen des - revisiblen - Bestimmtheitsgebots (dazu etwa Urteil vom 2. Juli 2008 - BVerwG 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 Rn. 11) hat das Oberverwaltungsgericht nicht verkannt. Soweit es dabei die Einbeziehung von grüngestempelten und damit eindeutig von der Behörde gekennzeichneten Antragsunterlagen des Beigeladenen sowie in der mündlichen Verhandlung abgegebenen und somit dem Kläger bekannten Erklärungen der Beklagten und des Beigeladenen als zulässig angesehen hat, ist dies bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

14

3. Das Oberverwaltungsgericht durfte jedoch das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO nicht deswegen als gewahrt ansehen, weil der Beigeladene im Wege der architektonischen Selbsthilfe passive Schallschutzmaßnahmen für die ihm genehmigte Wohnnutzung vorgesehen hat.

15

a) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Rücksichtnahmegebot im vorliegenden Fall unabhängig von der Wirksamkeit des Bebauungsplans Anwendung findet. Der Einwand des Klägers, das Rücksichtnahmegebot sei im Falle der Wirksamkeit des Bebauungsplans bereits aufgrund der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung des Ortsgesetzgebers "aufgezehrt" (vgl. hierzu Beschluss vom 11. Juli 1983 - BVerwG 4 B 123.81 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 54), greift nicht durch. Auch insoweit stellt der Kläger der bindenden und irrevisiblen Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) lediglich seine eigene Auslegung gegenüber.

16

b) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <318 f.> und vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <243>) stellt sich § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO als eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und als eine zulässige Bestimmung des Eigentumsinhalts (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) dar. Diese Vorschrift soll ebenso wie die übrigen Tatbestandsalternativen des § 15 Abs. 1 BauNVO gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Welche Anforderungen sich hieraus im Einzelnen ergeben, hängt maßgeblich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Ist die Grundstücksnutzung aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, so führt dies nicht nur zu einer Pflichtigkeit desjenigen, der Immissionen verursacht, sondern auch zu einer Duldungspflicht desjenigen, der sich solchen Immissionen aussetzt. Von diesen Grundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend ausgegangen.

17

c) Ebenfalls zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht als Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Störung die TA Lärm herangezogen. Obwohl aber nach seinen bindenden Feststellungen das genehmigte Wohnbauvorhaben gemessen an den Immissionsrichtwerten der Nr. 6.1 einschließlich Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7 der TA Lärm an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden unzumutbaren Geräuschimmissionen ausgesetzt ist, hat das Oberverwaltungsgericht eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots verneint, weil es angesichts der Vorbelastung des Vorhabengrundstücks durch gewerblichen Lärm noch Raum lasse, den gebotenen Interessenausgleich im Wege der architektonischen Selbsthilfe durch passive Schallschutzmaßnahmen zu bewirken. Diese Annahme verstößt gegen Bundesrecht.

18

aa) Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z.B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z.B. A.2.5.3) Spielräume eröffnet (Urteil vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 m.w.N.).

19

Diese Bindungswirkung besteht in gleicher Weise bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze in Nachbarkonflikten, wie sie das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO konkretisierte Rücksichtnahmegebot fordert. Denn das Bundesimmissionsschutzrecht und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm legen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319 f.). Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die TA Lärm enthalte lediglich Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von emittierenden Anlagen, regele aber nicht den Konflikt mit einer an eine latent störende gewerbliche Nutzung heranrückenden Wohnbebauung und sei deswegen für deren bauaufsichtliche Genehmigung nicht maßgeblich (so aber VGH Mannheim, Beschluss vom 11. Oktober 2006 - 5 S 1904/06 - NVwZ-RR 2007, 168 <169 f.>). Aus der Spiegelbildlichkeit der dargelegten gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Rücksichtnahmegebot für die konfligierenden Nutzungen ergibt sich vielmehr, dass mit der Bestimmung der Anforderungen an den emittierenden Betrieb auf der Grundlage der TA Lärm zugleich das Maß der vom Nachbarn zu duldenden Umwelteinwirkungen und mithin die - gemeinsame - Zumutbarkeitsgrenze im Nutzungskonflikt feststeht. Dass etwaige Lärmminderungspflichten, die sich aus der Anwendung der TA Lärm für den emittierenden Gewerbebetrieb ergeben können, nicht - etwa in Form einer Auflage - zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht werden können, steht nicht entgegen. Denn als Teil der vom Rücksichtnahmegebot geforderten Zuordnung der Nutzungen gehören die gebotenen Lärmminderungsmaßnahmen zur Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung und sind gegebenenfalls im Wege der §§ 24 und 22 BImSchG gegen den Gewerbebetrieb durchzusetzen. Auch aus der in der früheren Rechtsprechung des Senats verwendeten Formulierung, die TA Lärm gelte in diesen Fällen "nicht unmittelbar" (Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319), folgt nichts anderes. Der Senat hat hiermit keine Abstriche am Umfang ihrer Anwendbarkeit und Bindungswirkung verbunden.

20

bb) Passive Lärmschutzmaßnahmen als Mittel der Konfliktlösung zwischen Gewerbe und Wohnen sieht die TA Lärm nicht vor. Nach ihrer Nr. 6.1 sind für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbeeinträchtigung außerhalb der betroffenen Gebäude gelegene Immissionsorte maßgeblich. Sie können durch passive Schallschutzmaßnahmen, wie sie die angefochtene Baugenehmigung vorschreibt, nicht beeinflusst werden. Aus Nr. 6.2 der TA Lärm folgt nichts anderes. Die Vorschrift regelt den Sonderfall der Körperschallübertragung und kann deswegen nicht als "Auffangregelung" verstanden werden, aus der abzuleiten wäre, dass letztlich maßgeblich auf - durch passive Schallschutzmaßnahmen beeinflussbare - Innen-Immissionswerte abzustellen ist. Soweit es - wie hier - um die Beurteilung von Luftschall geht, der über die Außenfassade einwirkt, sind die Außen-Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 anzuwenden (vgl. auch Feldhaus, Bundesimmissionsrecht, Bd. 4, Stand August 2012, Rn. 29 zu Nr. 6 TA Lärm).

21

cc) Auch die von der TA Lärm belassenen Spielräume bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze eröffnen nicht die Möglichkeit, der Überschreitung der Außen-Immissionsrichtwerte durch Anordnung von passivem Lärmschutz zu begegnen.

22

Entgegen der Ansicht des Beigeladenen kann insoweit nicht Nr. 3.2.2 der TA Lärm herangezogen werden, die eine ergänzende Prüfung im Sonderfall ermöglicht. Die Voraussetzungen der in Buchstaben a bis d genannten Umstände, bei deren Vorliegen eine solche Sonderfallprüfung "insbesondere" in Betracht kommt, sind nicht gegeben. Namentlich sind besondere Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit und der sozialen Adäquanz der Geräuschimmission (Buchst. d) nicht schon dann zu bejahen, wenn sie von einer bestandskräftigen Genehmigung des emittierenden Gewerbebetriebs gedeckt ist. Auch begründet wegen des anzulegenden strengen Maßstabs für eine Sonderfallprüfung (Feldhaus a.a.O. Rn. 63 zu Nr. 3 TA Lärm) allein der Umstand, dass der Konflikt durch eine Gemengelage bedingt ist, noch keine besondere Standortbindung (Buchst. b).

23

Ein unbenannter Anwendungsfall der Regelung ist auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auszuschließen. Das folgt schon daraus, dass die insoweit allein in Betracht kommenden Umstände (Gemengelage, Vorbelastung, Prioritätsprinzip, konkrete Schutzwürdigkeit und Gebietsprägung) bereits Gegenstand der Regelung in Nr. 6.7 sind, die mit der Zwischenwertbildung eine auf die Gemengelagesituation und die genannten Umstände zugeschnittene Lösung enthält (vgl. auch Feldhaus a.a.O. m.w.N.). Es liegt fern, dass die TA Lärm für den Fall, dass - wie hier - trotz Zwischenwertbildung die Zumutbarkeit des Vorhabens nicht gewährleistet werden kann, aus denselben Gesichtspunkten einen zusätzlichen Spielraum für eine Lösung eröffnet, die, wie das Oberverwaltungsgericht nicht verkennt, die Rechtsordnung nur in gesetzlich ausdrücklich normierten Fällen unter strengen Voraussetzungen vorsieht.

24

Die Möglichkeit, einer Überschreitung der nach Nr. 6.1 und Nr. 6.7 maßgeblichen Immissionsrichtwerte mit passivem Lärmschutz zu begegnen, müsste auch das Schutzziel der TA Lärm verfehlen. Aus der Maßgeblichkeit der Außen-Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 und der Definition des maßgeblichen Immissionsortes in A.1.3 des Anhangs der TA Lärm - bei bebauten Flächen 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes - ergibt sich, dass dieses Regelungswerk - anders als etwa für Verkehrsanlagen die 16. und 24. BImSchV - den Lärmkonflikt zwischen Gewerbe und schutzwürdiger (insbesondere Wohn-) Nutzung bereits an deren Außenwand und damit unabhängig von der Möglichkeit und Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen gelöst wissen will. Damit sichert die TA Lärm von vornherein für Wohnnutzungen einen Mindestwohnkomfort, der darin besteht, Fenster trotz der vorhandenen Lärmquellen öffnen zu können und eine natürliche Belüftung sowie einen erweiterten Sichtkontakt nach außen zu ermöglichen, ohne dass die Kommunikationssituation im Innern oder das Ruhebedürfnis und der Schlaf nachhaltig gestört werden können. Soweit andere Regelwerke wie die schon genannte 16. und 24. BImSchV passiven Lärmschutz zur Lösung des Nutzungskonflikts zulassen und damit einen geringeren Mindestwohnkomfort als Schutzziel zugrundelegen, beruht dies auf dem öffentlichen Interesse, das an den von diesen Regelungen erfassten (Verkehrs-)Anlagen besteht und weiterreichende Beschränkungen des Eigentumsinhalts zulasten der von Immissionen betroffenen Anliegern rechtfertigt.

25

Der von der TA Lärm gewährte Schutzstandard steht auch nicht zur Disposition des Lärmbetroffenen und kann nicht durch dessen Einverständnis mit passiven Schallschutzmaßnahmen suspendiert werden. Denn das Bauplanungsrecht regelt die Nutzbarkeit der Grundstücke in öffentlich-rechtlicher Beziehung auf der Grundlage objektiver Umstände und Gegebenheiten mit dem Ziel einer möglichst dauerhaften städtebaulichen Ordnung und Entwicklung. Das schließt es aus, das bei objektiver Betrachtung maßgebliche Schutzniveau auf das Maß zu senken, das der lärmbetroffene Bauwillige nach seiner persönlichen Einstellung bereit ist hinzunehmen (Urteil vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <324>).

26

dd) Schließlich bietet auch der Gesichtspunkt der architektonischen Selbsthilfe keine Rechtfertigung für die vom Oberverwaltungsgericht für zulässig angesehene Konfliktlösung mit Mitteln des passiven Lärmschutzes. Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass sich aus dem Rücksichtnahmegebot die Obliegenheit des Bauherrn ergeben kann, durch Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe den Lärmkonflikt mit einem benachbarten Gewerbebetrieb in einer Weise zu lösen, die die Zumutbarkeit der ihn treffenden Immissionen gewährleistet und somit die Erteilung der Baugenehmigung für sein Vorhaben ermöglicht. Auf dieser Grundlage können dem Bauherrn im Anwendungsbereich der TA Lärm aber nur mit diesem Regelwerk vereinbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen abverlangt werden. Das schließt immissionsreduzierende Maßnahmen wie Veränderungen der Stellung des Gebäudes, des äußeren Zuschnitts des Hauses oder der Anordnung der Wohnräume und der notwendigen Fenster, ohne Weiteres mit ein (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 323). Dasselbe gilt, soweit dies bauordnungsrechtlich zulässig ist, für den Einbau nicht zu öffnender Fenster (vgl. Beschluss vom 7. Juni 2012 - BVerwG 4 BN 6.12 - juris), die keine relevanten Messpunkte im Sinne von Nr. 2.3 der TA Lärm i.V.m. Nr. A.1.3 ihres Anhangs darstellen. Passiver Lärmschutz als Mittel der architektonischen Selbsthilfe kann daher nur außerhalb des Anwendungsbereichs der TA Lärm und bei - hier nicht einschlägiger - Anwendung solcher Regelwerke in Betracht kommen, die diese Möglichkeit zulassen (vgl. Urteil vom 22. März 2007 - BVerwG 4 CN 2.06 - BVerwGE 128, 238 Rn. 16 f.).

27

4. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann der Senat nicht entscheiden, ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus anderen Gründen als richtig darstellt (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze mit Blick auf die Bereitschaft des Beigeladenen, passiven Lärmschutz vorzusehen, unter Zugrundelegung derjenigen Lärmimmissionen ermittelt, die für das Grundstück des Beigeladenen im ungünstigsten Fall zu erwarten sind. Der Frage, welche Lärmminderungsmaßnahmen dem Kläger nach den (unter 3. b) dargelegten Vorgaben des Rücksichtnahmegebots obliegen, ist das Oberverwaltungsgericht nicht nachgegangen. Das wird es nachzuholen haben. Die dem zur Rücksichtnahme verpflichteten Kläger insoweit zumutbaren Maßnahmen bestimmen sich nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG (Urteil vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <246 f.> m.w.N). Dass Möglichkeiten der Lärmminderung beim Gewerbebetrieb des Klägers, mit denen der nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts maßgebliche Außen-Immissionswert von 60 dB(A) eingehalten werden könnte, schon aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen wären, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Auf die bestandskräftige Genehmigung seines Betriebs kann sich der Kläger gegenüber seinen dynamisch angelegten Grundpflichten aus § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht berufen (vgl. Urteil vom 18. Mai 1995 a.a.O). Anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 21 f.) offenbar annimmt, sind diese Pflichten gegenüber - wie hier - heranrückender Wohnbebauung nicht von vornherein auf solche Lärmminderungsmaßnahmen beschränkt, zu denen der Gewerbebetrieb bereits gegenüber der vorhandenen Wohnbebauung verpflichtet gewesen wäre.

Für die Berufsausübung freiberuflich Tätiger und solcher Gewerbetreibender, die ihren Beruf in ähnlicher Art ausüben, sind in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 4 Räume, in den Baugebieten nach den §§ 4a bis 9 auch Gebäude zulässig.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.