Verwaltungsgericht München Urteil, 26. Nov. 2015 - M 24 K 15.50809

bei uns veröffentlicht am26.11.2015

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Bescheid der Beklagten vom ... September 2015, Geschäftszeichen ..., wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft einen gegenüber dem Kläger (Kl.) verfügten Bescheid der Beklagten (Bekl.), mit dem aufgrund des sogenannten Dublin-Verfahrens ein Asylantrag des Kl. als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung des Kl. nach Schweden angeordnet wurde.

Der Kl. ist ausweislich seines aktenkundigen Passes ein im Jahr 1980 geborener Palästinenser (Bl. 32-37 der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - BAMF - vorgelegten Verwaltungsakte, d. A.).

Er wurde am 31. März 2015 im Bereich der Bundespolizeiinspektion ... aufgegriffen (Bl. 74 d. A.). Eine noch am gleichen Tag durchgeführte EURODAC-Recherche ergab einen Treffer für Schweden mit Datum 10. Oktober 2012 (Bl. 76 d. A.) und einen Treffer für Bulgarien mit Datum 22. Dezember 2010 (Bl. 77 d. A.).

Am 1. April 2015 wurde der Kl. von der Bundespolizeiinspektion ... vernommen (Bl. 100 ff. d. A.). Im Zuge dieser Vernehmung äußerte der Kl. unter anderem, er wolle in Deutschland um Asyl bitten (Bl. 102 d. A.).

Daraufhin richtete das BAMF ein Wiederaufnahmeersuchen an Schweden (Bl. 111 ff. d. A.). Dabei wurde unter anderem ausgeführt, der Kl. habe am 10. Oktober 2012 in Schweden um Asyl nachgesucht. Am 22. Dezember 2010 habe er in Bulgarien Asyl beantragt. Der schwedische Verbindungsbeamte habe die deutschen Behörden in Kenntnis gesetzt, dass Schweden seinerzeit Bulgarien um Wiederaufnahme des Kl. ersucht und Bulgarien dies akzeptiert habe. Gleichwohl habe aber eine Rücküberstellung seinerzeit nicht innerhalb von 18 Monaten stattgefunden, weil der Kl. geflohen sei, so dass Schweden zuständig geworden sei (Bl. 113 d. A.).

Am 8. April 2015 hat Schweden die Wiederaufnahme des Kl. akzeptiert (Bl. 104 f. d. A.).

Am 22. April 2015 meldete sich der Kl. als Asylsuchender bei der Aufnahmeeinrichtung ..., die auch als zuständig festgestellt wurde (Bl. 31 d. A.).

Der Kl. stellte am 16. Juni 2015 einen Asylantrag (Bl. 8 d. A.). Noch am gleichen Tag fand eine Erstbefragung des Kl. zur Bestimmung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaates statt (Bl. 24 d. A.).

Am 22. Juli 2015 bestellten sich die Bevollmächtigten (Bev.) des Kl. im Verwaltungsverfahren unter Vorlage einer entsprechenden Vollmacht (Bl. 58 f. d. A.).

Am 27. Juli 2015 fand eine Zweitbefragung des Kl. zur Bestimmung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaates statt (Bl. 40 d. A.); dort wurde seitens des BAMF unter anderem ausgeführt, weil die Ehefrau des Kl. in Italien lebe, bestehe die Möglichkeit, an die italienischen Behörde ein Übernahmeersuchen in Bezug auf eine Familienzusammenführung zu stellen, wofür aber eine entsprechende schriftliche Willensbekundung der Ehefrau erforderlich sei (Bl. 42 d. A.).

Daraufhin ersuchte das BAMF am 11. August 2015 Bulgarien im Rahmen einer DubliNet-Anfrage um Wiederaufnahme des Kl. (Bl. 63-67 d. A.), stellte aber ebenfalls am 11. August 2015 in einem aktenkundigen Vermerk (Bl. 73 d. A.) fest, die Zustimmung des Mitgliedstaates (Schweden) liege seit dem 9. April 2015 vor und die Überstellungsfrist ende am 9. Oktober 2015.

Mit streitgegenständlichem Bescheid (sgB) vom ... September 2015 (Bl. 122 d. A.) lehnte das BAMF den Asylantrag als unzulässig ab (1.), ordnete die Abschiebung nach Schweden an (2.) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 0 Monate ab dem Tag der Abschiebung (3.). Der sgB wurde unter anderem mit dem Übernahmeersuchen des BAMF an Schweden vom 2. April 2015 und der Zustimmung der schwedischen Behörden vom 8. April 2015 begründet.

Der sgB wurde den Bev. mit gesondertem Zustellanschreiben vom 14. September 2015 bekannt gegeben (Bl. 132 d. A.), das am gleichen Tag als Einschreiben zur Post gegeben wurde (Bl. 136 d. A.).

Mit Klageschrift vom 24. September 2015, per Telefax bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, beantragten die Bev.

den sgB aufzuheben.

Mit Klagebegründung vom 8. Oktober 2015 führten die Bev. unter anderem aus, die Zuständigkeit zur Prüfung des klägerischen Asylbegehrens sei mit Ablauf der Überstellungsfrist am 8. Oktober 2015 auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Auf mündliche Verhandlung wurde ausdrücklich verzichtet. Bereits am 24. Juni 2015 hatte sich das BAMF mit allgemeiner Prozesserklärung für die Beklagte unter anderem mit einem Verzicht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt.

Mit Kammerbeschluss vom 13. November 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

Mit Schreiben vom 13. November 2015 hat der Einzelrichter den Beteiligten jeweils mitgeteilt, dass ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entschieden werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und auf die vom BAMF vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

1. Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil alle Beteiligten klar, eindeutig und vorbehaltlos (vgl. BVerwG, B. v. 24.4.2013 - 8 B 91/12 - juris Rn. 3) auf mündliche Verhandlung verzichtet haben. Die Klagepartei hat mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2015 und die Beklagtenpartei mit genereller (auch den vorliegenden Rechtsstreit umfassender) Prozesserklärung vom 24. Juni 2015 auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Die Regierung von Oberbayern ist vorliegend zwar gemäß § 63 Nr. 4 VwGO als Vertreter des öffentlichen Interesses (VöI) Verfahrensbeteiligter aufgrund der generellen Beteiligungserklärungen vom 11. Mai 2015 und vom 18. Mai 2015 (vgl. zur Zulässigkeit sog. Generalbeteiligungserklärungen BVerwG, U. v. 27.6.1995 - 9 C 7/95 - BVerwGE 99, 38, juris Rn. 11). In diesen Erklärungen hat der VöI allerdings darum gebeten, ihm ausschließlich die jeweilige Letzt- und Endentscheidung zu übersenden und damit unter anderem auch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Dabei bedurfte es weder einer gesonderten Anordnung des schriftlichen Verfahrens durch einen gerichtlichen Beschluss (BVerwG, B. v. 15.5.2014 - 9 B 57/13 - Rn. 20, NVwZ-RR 2014-657) noch vor der Entscheidung im schriftlichen Verfahren der Bestimmung einer Schriftsatzfrist (BVerwG, B. v. 10.10.2013 - 1 B 15/13 - Rn. 5, Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 72, juris).

Das Verwaltungsgericht (VG) München ist entscheidungsbefugt, insbesondere örtlich zuständig nach § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO, weil der Kl. im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung (vgl. § 83 VwGO i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG) seinen Aufenthalt im Gerichtsbezirk zu nehmen hatte.

Der Einzelrichter ist gemäß § 76 Abs. 1 AsylG (zuvor: AsylVfG) zur Entscheidung berufen, nachdem die innerhalb des VG München zuständige Kammer den Rechtsstreit mit Beschluss vom 13. November 2015 auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen hat.

Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG (zuvor: AsylVfG) ist für die vorliegend ohne mündliche Verhandlung ergehende gerichtliche Entscheidung, derjenige Zeitpunkt maßgebend, in dem diese gefällt wird. Deshalb sind auch die durch Art. 1 und Art. 15 Abs. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722 - AsylVf-B-G) vorgenommenen und zum 24. Oktober 2015 in Kraft getretenen Änderungen des früheren Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG), das durch das AsylVf-B-G in „Asylgesetz“ (AsylG) umbenannt worden ist, im Rahmen der vorliegenden Entscheidung zu berücksichtigen.

2. Die Anfechtungsklage gegen den streitgegenständlichen Bescheid ist zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben.

Die Klage ist am 24. September 2015 (19:18 Uhr) per Telefax bei Gericht eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt galt noch § 74 Abs. 1 Halbsatz 1 des früheren Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG), der für Fälle wie den vorliegenden ein 2-wöchige Klagefrist vorsah; § 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylVfG und die dort seinerzeit vorgesehene 1-wöchige Klagefrist fand dagegen ausweislich des dortigen expliziten Klammerzusatzes ausschließlich in Fällen des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG Anwendung (vgl. VG Lüneburg, B. v. 15.9.2014 - 5 B 47/14 - juris Rn. 4 m. w. N.). Die zwischenzeitlich in § 74 Abs. 1 AsylG auch im Hinblick auf Abschiebungsanordnungen vorgesehene bloß 1-wöchige Klagefrist findet auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Denn gemäß Art. 15 Abs. 1 AsylVf-B-G ist diese Vorschrift erst zum 24. Oktober 2015 in Kraft getreten, ohne dass insoweit eine Rückwirkung oder eine anderweitige gesetzliche Regelung vorgesehen wäre, die eine vor dem 24. Oktober 2015 erfolgte Fristwahrung (wie im vorliegenden Fall geschehen) in Frage stellen würde.

Unabhängig davon wäre die Klagefrist selbst bei Zugrundelegung einer bloß 1-wöchigen Klagefrist gewahrt, weil der sgB am 14. September 2015 als Einschreiben ohne Rückschein zur Post gegeben wurde (Bl. 136 d. A.) und deshalb gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungszustellungsgesetz - VwZG) erst am Donnerstag, dem 17. September 2015 als zugegangen galt, so dass eine 1-wöchige Klagefrist nicht vor Donnerstag, dem 24. September 2015 (24:00 Uhr) abgelaufen und durch den Eingang der Klageschrift per Telefax am 24. September 2015 gewahrt gewesen wäre.

3. Die Anfechtungsklage ist auch begründet - der streitgegenständliche Bescheid erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt als rechtswidrig und verletzt den Kl. in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Als Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Ablehnung des Asylantrags als unzulässig kommt nur § 27a AsylG (zuvor: AsylVfG), als Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Abschiebungsanordnung nur § 34a Abs. 1 AsylG (zuvor: AsylVfG) in Betracht.

Ein Asylantrag ist gemäß § 27a AsylG unzulässig, wenn ein anderer Staat gemäß den Zuständigkeitskriterien der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) für die Behandlung des Asylantrags zuständig ist. Insbesondere bei Fällen des § 27a AsylG sieht § 34a Abs. 1 AsylG eine Befugnis des BAMF zur Abschiebungsanordnung in den jeweils zuständigen Staat vor, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

Einschlägig ist dabei im vorliegenden Fall die Dublin-III-VO und nicht die frühere Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO), weil das Gesuch des BAMF nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurde. Gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 Dublin-III-VO ist die Dublin-III-VO ungeachtet des Zeitpunkts der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz ab dem 1. Januar 2014 auf alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern anwendbar.

4. Nachdem Schweden das Übernahmegesuch des BAMF ausdrücklich akzeptiert hatte und damit wiederaufnahmepflichtig geworden war (Art. 18 Abs. 1, 23, 25 Dublin-III-VO), hätte der Kl. einer Heranziehung dieses Zuständigkeitskriteriums zunächst nur damit entgegentreten können, dass er systemische Mängel i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO geltend macht (vgl. EuGH, U. v. 10.12.2013 - C-394/12 - Rn. 60, NVwZ 2014, 208; VG München, U. v. 9.5.2014 - M 21 K 14.30300 - juris Rn. 41 m. w. N.; BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - NVwZ 2014, 208 Rn. 6).

5. Die Rücküberstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO ist vorliegend aber am8. Oktober 2015 abgelaufen, nachdem Schweden bereits am 8. April 2015 die Wiederaufnahme des Kl. akzeptiert hatte. Eine Unterbrechung oder Hemmung der Frist ist nicht nach Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO eingetreten, weil die Klagepartei keinen parallelen Eilantrag nach § 34a Abs. 2 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO gestellt hat. Auch das BAMF selbst hat den 8. Oktober 2015 als Zeitpunkt des Ablaufes der Rücküberstellungsfrist seinen aktenkundigen Prüfungen zugrunde gelegt (Bl. 121 d. A.).

Infolge des Ablaufes der Rücküberstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO ist die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden. Der auf § 27a AsylVfG (nunmehr: AsylG) und damit auf die Unzuständigkeit Deutschlands gestützte Ausspruch in Nr. 1 des sgB, der Asylantrag des Kl. sei unzulässig, entspricht aus Sicht des maßgeblichen Zeitpunktes der vorliegenden Entscheidung nicht mehr der zwischenzeitlichen Rechtslage (BayVGH, B. v. 6.3.2015 - 13a ZB 15.50000 - juris Rn. 3). Mit Ablauf der Überstellungsfrist kann der sgB insoweit gemäß § 43 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - keine Wirkungen mehr entfalten (BayVGH, B. v. 30.3.2015 - 21 ZB 15.50025 - NVwZ-RR 2015, 636, juris Rn. 4.). Die Wirksamkeit der Abschiebungsanordnung nach Schweden hing ebenso wie die Wirksamkeit der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig wegen vorrangiger Zuständigkeit Schwedens nach ihrem Inhalt davon ab, dass die Überstellung des Kl. nach Schweden innerhalb der Frist des Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO durchgeführt wird (BayVGH, B. v. 16.7.2015 - 21 ZB 15.50137 - juris Rn. 3).

Es kann dabei dahinstehen, ob das an Bulgarien gerichtete (spätere) Wiederaufnahmeersuchens vom 11. August 2015 (Bl. 63 ff. d. A.) schon dadurch überholt ist, dass bereits der auf Bulgarien bezogene EURODAC-Treffer bereits am 31. März 2015 erfolgte, so dass sowohl die 2-monatigen Höchstfristen des Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO als auch des Art. 24 Abs. 2 Dublin-III-VO für ein Ersuchen an Bulgarien deutlich überschritten wären, und ob der Kl. sich hierauf berufen könnte. Denn jedenfalls vorliegend hat die Bekl. im Widerspruch zu ihrer eigenen Wiederaufnahmeanfrage an Bulgarien vom 11. August 2015 mit dem sgB dann doch (entsprechend ihrem ursprünglichen Wiederaufnahmeersuchen an Schweden) eine Zuständigkeit Schwedens angenommen und im Hinblick darauf den Asylantrag als unzulässig angesehen sowie eine Abschiebungsanordnung nach Schweden verfügt und diese der Klagepartei bekannt gegeben. Damit hat die Bekl. ihrer Entscheidung nicht ansatzweise das spätere Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien zugrunde gelegt, sondern sich ganz im Gegenteil auf den Standpunkt gestellt, Schweden (also nicht Bulgarien) sei zuständig.

Nicht geklärt werden muss vorliegend auch, ob das Asylgesetz (zuvor: AsylVfG) - und damit auch die Befugnisnormen der §§ 27a, 34a AsylG - auf den palästinensischen Kl. als Staatenloser überhaupt Anwendung fand. Denn in keiner denkbaren Variante würde dies an dem festgestellten Ergebnis der zwischenzeitlichen Rechtswidrigkeit des sgB etwas ändern. Der sgB (dort S. 1, unten) hat den palästinensischen Kl. als Staatenlosen angesehen, wobei allerdings zu sehen ist, dass das gesamte Asylgesetz auf „heimatlose Ausländer“ vom Wortlaut des § 1 Abs. 2 AsylG (zuvor AsylVfG) her keine Anwendung findet. Ginge man nun vom Wortlaut des § 1 Abs. 2 AsylG aus, wären dann schon die §§ 27a, 34a AsylG nicht anwendbar und der sgB wäre mangels anwendbarer gesetzlicher Rechtsgrundlage rechtswidrig und aufzuheben. Ginge man, wofür einiges spricht, dagegen im Wege der unionsrechtskonformen Auslegung unter Berücksichtigung von Art. 1 Dublin-III-VO, der explizit auch die Prüfung der Anträge „Staatenloser“ auf internationalen Schutz einbezieht, davon aus, dass jedenfalls die (die Dublin-III-VO umsetzenden) §§ 27a, 34a AsylG (zuvor AsylVfG) auch bei Staatenlosen Anwendung finden, so würde sich die Rechtswidrigkeit (wie beschrieben) aus dem zwischenzeitlichen Ablauf der Rücküberstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO (s.o.) ergeben.

6. Da die Bekl. mit Ablauf der Rücküberstellungsfrist zuständig und damit Nr. 1 des sgB rechtswidrig geworden ist, bleibt auch für die Abschiebungsanordnung (Nr. 2 des sgB) und die damit untrennbar verbundene Regelung in Nr. 3 des sgB kein Raum. Auch diese sind infolge dessen rechtswidrig und verletzen den Kl. in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

7. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

8. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

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(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin zulässigerweise ohne mündliche Verhandlung entschieden.

3

Allerdings hat die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 11. August 2012, in dem sie auf die entsprechende Anfrage des Gerichts vom 17. Juli 2012 mit der Erklärung antwortete, sie möchte "die angefragte Zustimmung in sofern eingeschränkt erteilen", "sofern noch offen bleiben darf, dass u.U. nach Beweisaufnahme doch noch eine mündliche Verhandlung anberaumt werden kann auf Anfrage", nicht wirksam ihr Einverständnis nach § 101 Abs. 2 VwGO zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung abgegeben. Der Verzicht auf die mündliche Verhandlung ist eine Prozesshandlung. Als Prozesshandlung muss der Verzicht klar, eindeutig und vorbehaltlos erklärt werden (vgl. Urteil vom 22. Juni 1982 - BVerwG 2 C 78.81 - Buchholz 310 § 101 VwGO Nr. 13 m.w.N.; Beschluss vom 8. November 2005 - BVerwG 10 B 45.05 - juris Rn. 4; BFH, Urteil vom 5. November 1991 - VII R 64/90 - BFHE 166, 415 = juris Rn. 12). Aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 11. August 2012 ergibt sich ein Verzicht auf die mündliche Verhandlung jedenfalls nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit. Ihre Einverständniserklärung war mit dem Vorbehalt versehen, dass im Falle einer Beweisaufnahme durch das Gericht (noch) eine mündliche Verhandlung stattfinden solle.

4

Auf diesen, eine wirksame Einverständniserklärung nach § 101 Abs. 2 VwGO zunächst hindernden, Vorbehalt kann sich die Klägerin indes zur Begründung ihrer Verfahrensrüge nicht mehr mit Erfolg berufen. Denn das Verwaltungsgericht hat durch ein Schreiben der Vorsitzenden als Einzelrichterin vom 16. August 2012 die Klägerin darauf hingewiesen, sie verstehe das Schreiben vom 11. August 2012 so, dass die Klägerin grundsätzlich mit einer schriftlichen Entscheidung einverstanden sei, aber im Fall einer Beweisaufnahme durch das Gericht eine mündliche Verhandlung stattfinden solle. Wenn das Schreiben in diesem Sinne als richtig verstanden zu betrachten sei, brauche die Klägerin nichts weiter zu unternehmen; anderenfalls werde sie um Mitteilung binnen zwei Wochen gebeten (GA Bl. 63). Da die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 11. August 2012 eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern "die angefragte Zustimmung ... eingeschränkt" erteilt hatte, war es nun an ihr, auf die berechtigte Nachfrage des Gerichts zur Klarstellung ihrer Erklärung ggf. mitzuteilen, dass sie die Interpretation des Gerichts, sie sei mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden, ablehne. Denn die Klägerin war, wie jeder Verfahrensbeteiligte, gehalten, die ihr zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zur Verwirklichung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, der hier durch den Gesetzgeber in seinem Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung konkretisiert ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1965 - BVerwG 8 C 1.65 - BVerwGE 22, 271 <272 f.> = Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Rtl. Gehör Nr. 14), wahrzunehmen, wenn sie nicht ihr Recht, eine Verletzung dieses Anspruchs rügen zu können, verlieren will (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 13. Oktober 1976 - BVerwG 6 B 77.75 - Buchholz 11 Art. 103 Abs. 1 GG Nr. 5 m.w.N. und vom 8. November 2005 a.a.O.; das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 3. März 2006 - 1 BvR 311/06 - die gegen den zuletzt genannten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen). Da das Urteil des Verwaltungsgerichts erst mehr als einen Monat nach dem Hinweis der Vorsitzenden an die Klägerin ergangen ist, hätte sie ausreichend Gelegenheit gehabt, der Auslegung des Verwaltungsgerichts zu widersprechen und auf einer mündlichen Verhandlung zu bestehen. Ihre Lage ist hier nicht vergleichbar mit dem Fall, in dem ein Beteiligter auf eine erste Anfrage des Gerichts, ob er mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden ist, nicht antwortet.

5

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht durch einen Rechtsanwalt, sondern durch ihren Verfahrensbevollmächtigten Herrn Jan H. vertreten war. Die Einverständniserklärung nach § 101 Abs. 2 VwGO kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch durch einen nicht vertretenen Beteiligten wirksam abgegeben werden (Urteil vom 28. April 1981 - BVerwG 2 C 51.78 - Buchholz 350 § 3 BRAO Nr. 4 S. 3 = juris Rn. 17, insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 62,169, m.w.N.).

6

2. Weitere Zulassungsgründe hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Sie hat weder die grundsätzliche Bedeutung einer konkreten Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufgeworfen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch eine Abweichung des angegriffenen Urteils von einer Entscheidung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bezeichneten Gerichte geltend gemacht. Ihre Ausführungen unter 2. der Beschwerdebegründung erschöpfen sich in Angriffen gegen einzelne Elemente der Begründung des Urteils des Verwaltungsgerichts, ohne einen gesetzlichen Zulassungsgrund in der vom Gesetz geforderten Weise geltend zu machen und dessen Vorliegen unter Beachtung der Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO zu begründen.

Beteiligte am Verfahren sind

1.
der Kläger,
2.
der Beklagte,
3.
der Beigeladene (§ 65),
4.
der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht oder der Vertreter des öffentlichen Interesses, falls er von seiner Beteiligungsbefugnis Gebrauch macht.

Gründe

I.

1

Die Satzung der Beklagten über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer vom 17. Dezember 2008 (ZwStS) enthält u.a. folgende Regelung:

"§ 3

Steuermaßstab

(1) Die Steuer wird nach dem jährlichen Mietaufwand berechnet.

(2) Der jährliche Mietaufwand ist das Gesamtentgelt, das der Steuerschuldner für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für ein Jahr zu entrichten hat (Jahresrohmiete).

(3) Statt des Betrages nach Absatz 2 gilt als jährlicher Mietaufwand die übliche Miete für solche Wohnungen, die eigengenutzt, ungenutzt, zu vorübergehendem Gebrauch oder unentgeltlich überlassen sind. Die übliche Miete wird in Anlehnung an die Jahresrohmiete geschätzt, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird.

(4) Die Vorschriften des § 79 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes i.d.F. vom 26. September 1974 (BGBl. I, S. 2369) finden entsprechende Anwendung."

2

Die Beklagte setzte gegenüber der Klägerin eine Zweitwohnungsteuer fest. Dabei ermittelte sie die Jahresrohmiete nach § 3 Abs. 3 Satz 2 ZwStS - ausgehend von dem entsprechenden Einheitswert nach § 19 Abs. 1 BewG - aus dem Produkt der Jahresrohmiete des Jahres 1964 in Höhe von 48,00 DM je qm und der Wohnungsgröße von 146 qm (= 7 008,00 DM). Unter Berufung auf seither erfolgte Mietpreissteigerungen erhöhte sie diesen Betrag um 215 %. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Klage der Klägerin mit der Begründung teilweise stattgegeben, zwar sei der erste Schritt zur Ermittlung der Jahresrohmiete nicht zu beanstanden, die Indexierung der errechneten Jahresrohmiete anhand einer jährlichen Teuerungsrate finde aber in der Satzung der Beklagten keine Stütze. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf die Berufung der Beklagten die Klage der Klägerin in vollem Umfang abgewiesen. Zwar habe die Beklagte mit der Indexierung der errechneten Jahresrohmiete eine Schätzungsmethode gewählt, die ihre Satzung nicht vorsehe; dieser Fehler bleibe jedoch im Ergebnis ohne Auswirkungen. Die Beklagte habe im Berufungsverfahren ihre Schätzung auf elf vergleichbare Wohnungen gestützt, deren Mieten höher lägen als die für die Wohnung der Klägerin geschätzte Jahresrohmiete. Deshalb sei die Klägerin nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt.

II.

3

Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

4

1. Die Sache hat nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

5

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

6

a) Die von ihr aufgeworfenen Fragen,

1. Ist die als Mietaufwand in §§ 1 ff. der Satzung (der Gemeinde Baden-Baden vom 17. Dezember 2008) niedergelegte Zweitwohnungsteuer verfassungswidrig, insbesondere verstößt sie gegen Art. 3 und 14 GG und stellt eine verbotene und versteckte Vermögensteuer dar, weil sie den Eigentümer der Immobilie zum Steuerschuldner macht und ihn im Vergleich zu sonstigen Nutzungsberechtigten härter trifft, da dadurch sein steuervorbelastetes Vermögen wirtschaftlich belastet wird?

2. Wenn Frage 1 verneint wird: Ist die Beklagte verpflichtet, fiktive Aufwendungen und Abschreibungen des Eigentümers sowie tatsächlich angefallene Steuern und Abgaben im Fall der Selbstnutzung des Zweitwohnungseigentümers mindernd zu berücksichtigen?

3. Wenn Frage 2 verneint wird: Liegt im Fall einer fehlenden Berücksichtigungspflicht eine i.S.v. Art. 3 GG nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Zweitwohnungseigentümer im Vergleich zu den Eigentümern vor, die ihre Wohnungen vermieten und Aufwendungen und Abschreibungen sowie tatsächlich angefallene Steuern steuermindernd geltend machen dürfen?

4. Verstößt die Erhebung der Zweitwohnungsteuer bei den Wohnungseigentümern gegen Art. 105 Abs. 1 und 2 GG, weil es de facto zu einer Doppelbesteuerung neben der jährlich an die Gemeinde zu zahlenden Grundsteuer sowie ggf. im Fall der Veräußerung zur Abgeltungssteuer i.S.v. § 23 EStG führt?,

verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Denn die Fragen sind, soweit sie einer abstrakten Beantwortung zugänglich sind und nicht nur den konkreten Einzelfall der Klägerin betreffen, in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bereits geklärt. Danach ist die Zweitwohnungsteuer nicht gleichartig mit der Vermögensteuer, weil diese auf eine andere Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zugreift. Sie zielt nicht auf die Einkommensverwendung ab, sondern auf die im Vermögen liegende potentielle Ertragskraft und das daraus fließende fundierte Einkommen (BFH, Urteil vom 5. März 1997 - II R 28.95 - BFHE 182, 243 - unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 1976 - 1 BvR 2328/73 - BVerfGE 43, 1 <7>). Entgegen der Mutmaßung der Klägerin hat das Bundesverfassungsgericht, das sich bereits wiederholt mit Fragen der Zweitwohnungsteuer befasst hat (grundlegend Beschluss vom 6. Dezember 1983 - 2 BvR 1275/79 - BVerfGE 65, 325), auch nach seiner die Vermögensteuer betreffenden Entscheidung vom 22. Juni 1995 - 2 BvL 37/91 - (BVerfGE 93, 121) an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Zweitwohnungsteuer als örtliche Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG festgehalten. Sie soll die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners treffen. Der Konsum als Aufwand ist typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Ob der Aufwand im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet, ist für die Steuerpflicht unerheblich. Eine Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf liegt insbesondere dann vor, wenn der Steuerpflichtige - wie vorliegend auch die Klägerin - die Zweitwohnung selbst bewohnt (BVerfG, stRspr, vgl. nur Beschlüsse vom 11. Oktober 2005 - 1 BvR 1232/00, 1 BvR 2627/03 - BVerfGE 114, 316 <334> sowie jüngst vom 15. Januar 2014 - 1 BvR 1656/09 - juris Rn. 46 f.). Der in diesem Zusammenhang behauptete grundsätzliche Klärungsbedarf in Bezug auf Abschreibungen und Aufwendungen, die im Falle der Vermietung einer Zweitwohnung anfallen, wird von der Beschwerde nicht näher begründet und ist auch nicht ersichtlich. Die Zweitwohnungsteuer ist im Übrigen auch nicht gleichartig mit der Grundsteuer, weil auch insoweit unterschiedliche Quellen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit erschlossen werden (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 a.a.O. S. 353); gleiches gilt für die von der Beschwerde erwähnte Abgeltungssteuer.

7

Die Klägerin zeigt auch darüber hinaus keine neuen, bislang nicht berücksichtigten rechtlichen Gesichtspunkte auf, die Anlass zu einem Überdenken der Rechtsprechung geben könnten.

8

b) Hinsichtlich der Fragen 5 und 6 formuliert die Beschwerde entweder keine abstrakte, bislang ungeklärte Rechtsfrage (Frage 5) oder sie geht von einem Sachverhalt aus, den der Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt hat (Frage 6).

9

c) Auch die Fragen,

7. Stellt die Erhebung der Zweitwohnungsteuer eine unzulässige Enteignung bzw. einen enteignungsgleichen Eingriff in das Vermögen dar, soweit die Steuer 20%, 27,5% oder 35% der fiktiven Jahresrohmiete beträgt?

8. Hat § 4 der Satzung der Beklagten eine insbesondere für die Klägerin erdrosselnde Wirkung und verstößt gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, soweit der Steueranteil des jährlichen Mietaufwands über 2 500 € bis 5 000 € bereits bei 27,5% und über 5 000 € endgültig bei 35% liegt?,

rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die "Erdrosselungsgrenze" eine äußerste Schranke der Besteuerung darstellt (vgl. nur Beschluss vom 7. Januar 1998 - BVerwG 8 B 228.97 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 32 S. 25 sowie Urteil vom 10. Dezember 2009 - BVerwG 9 C 12.08 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 47 = BVerwGE 135, 367 Rn. 45 - jeweils zur Vergnügungssteuer). Die Frage, ab welcher Höhe eine kommunale Aufwandsteuer erdrosselnde Wirkung entfaltet, kann aber nur aufgrund einer dem Tatrichter vorbehaltenen Feststellung und Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse beantwortet werden. Es handelt sich daher um eine Tatsachenfrage, die sich einer grundsätzlichen Klärung im Revisionsverfahren entzieht (s. auch Beschluss vom 25. März 2010 - BVerwG 9 B 74.09 - juris Rn. 5 - zur Hundesteuer). Bei der Tatsachenwürdigung kann der Umstand eine Rolle spielen, dass in einer Gemeinde - wie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch im Falle der Klägerin - eine beachtliche Zahl von Zweitwohnungsinhabern zur Zweitwohnungsteuer veranlagt wird und sich diese Zahl in den letzten Jahren noch erhöht hat (BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2014 a.a.O. Rn. 51; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2009 a.a.O. Rn. 46).

10

d) Bezüglich der Fragen 9 und 10, die sich auf die Problematik des "Nachschiebens von Ermessensgründen" beziehen, geht die Beschwerde, wie einzelne Formulierungen sowie die Bezugnahme auf § 114 Satz 2 VwGO zeigen, ohne Weiteres davon aus, dass der Beklagten bei der Festsetzung der Zweitwohnungsteuer ein Ermessen zusteht. Dies ist nicht der Fall. Der Beklagten ist nach ihrer Satzung weder bei der Festsetzung der Zweitwohnungsteuer (vgl. § 1 ZwStS) noch bei der Anwendung des Steuermaßstabs (hier: Schätzung der üblichen Miete in Anlehnung an die Jahresrohmiete nach § 3 Abs. 3 Satz 2 ZwStS) ein Ermessen eingeräumt. Ihr wird allerdings nach der insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts - auf der Tatbestandsseite der Norm - ein Schätzungsspielraum, mithin ein Beurteilungsspielraum zugebilligt. Insoweit ist - unabhängig von der Frage, ob sich der Anwendungsbereich von § 114 VwGO auch auf Beurteilungsermächtigungen erstreckt (vgl. zum Meinungsstand Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 114 Rn. 39 m.w.N.) - der Rechtsgedanke des § 114 Satz 2 VwGO entsprechend anzuwenden (vgl. Beschluss vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 Rn. 46).

11

Die Beschwerde hat in diesem Zusammenhang keine abstrakten, bislang ungeklärten Rechtsfragen formuliert, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten. Soweit sie auf eine Rechtssache verweist, in der die Revision zur Klärung der Grenzen des Nachschiebens und Ersetzens wesentlicher Ermessenserwägungen bei Dauerverwaltungsakten zugelassen worden war (Beschluss vom 17. Oktober 2012 - BVerwG 8 B 61.12 - juris Rn. 24 ff.), lag die betreffende Revisionsentscheidung zum Zeitpunkt der Beschwerdebegründung bereits vor (Urteil vom 20. Juni 2013 - BVerwG 8 C 46.12 - BVerwGE 147, 81). Danach bestimmt sich die Frage der Zulässigkeit des Nachschiebens von Ermessenserwägungen nach dem materiellen Recht und dem Verwaltungsverfahrensrecht. Neue Gründe für einen Verwaltungsakt dürfen nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht nur nachgeschoben werden, wenn sie schon bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen, dieser nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (Urteil vom 20. Juni 2013 a.a.O. Rn. 31 unter Hinweis auf die stRspr, s. Urteile vom 14. Oktober 1965 - BVerwG 2 C 3.63 - BVerwGE 22, 215 <218> = Buchholz 232 § 32 BBG Nr. 14, vom 16. Juni 1997 - BVerwG 3 C 22.96 - BVerwGE 105, 55 <59> = Buchholz 316 § 39 VwVfG Nr. 25 und vom 29. Januar 2001 - BVerwG 11 C 3.00 - Buchholz 401.64 § 6 AbwAG Nr. 3). Kommt danach ein Nachschieben von Gründen in Betracht, muss die Behörde im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot unmissverständlich deutlich machen, ob und inwieweit - über ein nur prozessuales Verteidigungsvorbringen hinaus - der Verwaltungsakt selbst geändert werden soll (Urteil vom 20. Juni 2013 a.a.O. Rn. 35). Aus § 114 Satz 2 VwGO ergeben sich keine weitergehenden Anforderungen. Diese Vorschrift regelt nicht die Voraussetzungen für die materiell-rechtliche und verwaltungsverfahrensrechtliche Zulässigkeit des Nachschiebens von Ermessenserwägungen, sondern betrifft nur deren Geltendmachung im Prozess. Ihr Zweck ist es, klarzustellen, dass ein materiell- und verwaltungsverfahrensrechtlich zulässiges Nachholen von Ermessenserwägungen nicht an prozessualen Hindernissen scheitert (Urteil vom 20. Juni 2013 a.a.O. Rn. 31, 34 unter Hinweis auf Urteile vom 5. Mai 1998 - BVerwG 1 C 17.97 - BVerwGE 106, 351 <364> = Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 13 und vom 13. Dezember 2011 - BVerwG 1 C 14.10 - BVerwGE 141, 253 Rn. 11; vgl. zum Ganzen auch Schenke, DVBl 2014, 285 <288 ff.>). Dass darüber hinaus fallübergreifend Klärungsbedarf besteht, zeigt die Klägerin nicht auf. Soweit sie geltend macht, die Voraussetzungen des § 114 Satz 2 VwGO hätten in ihrem Fall nicht vorgelegen, ist damit - unbeschadet der Frage eines Verfahrensfehlers (s. dazu unten 3. a) - eine grundsätzliche Bedeutung nicht dargetan.

12

2. Die von der Klägerin erhobenen Divergenzrügen genügen nicht den formellen Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

13

Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung des jeweiligen Beschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander gegenübergestellt werden (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 = NVwZ-RR 1996, 712 und vom 17. Dezember 2010 - BVerwG 8 B 38.10 - juris Rn. 15) und die entscheidungstragende Abweichung muss darauf bezogen konkret herausgearbeitet werden. Hieran fehlt es.

14

a) Die Beschwerde macht unter Bezugnahme auf verschiedene genauer bezeichnete Entscheidungen des Bundesverwaltungs- und Bundesverfassungsgerichts zum Bestimmtheitsgrundsatz geltend, der Verwaltungsgerichtshof sei hiervon abgewichen, indem er "immanent" einen Rechtsgrundsatz aufgestellt habe, wonach "steuerrechtliche Regelungen für die Betroffenen nicht hinreichend bestimmt und voraussehbar sein müssen" (vgl. Beschwerdebegründung S. 18). Diese Darstellung trifft nicht zu. Eine solche Aussage enthält das Urteil weder wörtlich noch sinngemäß. Der Verwaltungsgerichtshof geht vielmehr - ohne näheres Eingehen auf den Bestimmtheitsgrundsatz - davon aus, dass die Festsetzung der Zweitwohnungsteuer ihre Rechtsgrundlage in §§ 2 Abs. 1, 9 Abs. 4 KAG i.V.m. der Satzung der Beklagten über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer vom 17. Dezember 2008 (ZwStS) findet (vgl. UA S. 12).

15

b) Ebenso wenig legt die Beschwerde eine Abweichung vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 - 2 BvL 37/91 - zur Vermögensteuer dar. Auch insoweit benennt sie keinen, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz des Verwaltungsgerichtshofs, der von der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abweichen könnte. Im Übrigen liegt eine solche Abweichung auch nicht vor (s. hierzu bereits oben unter 1. a); die Zweitwohnungsteuer ist, wie oben bereits angemerkt, nicht mit der Vermögensteuer identisch.

16

3. Keiner der von der Beschwerde gerügten Verfahrensmängel liegt vor.

17

a) Der Verwaltungsgerichtshof hat entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dadurch gegen den - dem Rechtsgedanken nach anwendbaren, s.o. - § 114 Satz 2 VwGO verstoßen, dass er sein Urteil auf die im Berufungsverfahren (hilfsweise) vorgetragene Schätzung der üblichen Miete nach § 3 Abs. 3 Satz 2 ZwStS gestützt hat.

18

Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass der von ihm festgestellte Fehler, der der Beklagten bei der Anwendung der satzungsrechtlichen Schätzungsvorschrift zunächst unterlaufen ist, im Ergebnis ohne Auswirkungen bleibe. Denn die von der Beklagten im Berufungsverfahren hilfsweise vorgetragene Schätzung ergebe, dass der Bemessung der Zweitwohnungsteuer kein überhöhter jährlicher Mietaufwand zugrunde gelegt worden sei. Die Beschwerde hält dem Verwaltungsgerichtshof vor, dass er damit die nachträgliche Einführung einer auf einer völlig anderen Methode beruhenden Schätzung gebilligt habe, die - abgesehen von inhaltlichen Defiziten der Neuschätzung selbst - jedenfalls über die Grenzen einer nach § 114 Satz 2 VwGO allein zulässigen Ergänzung der ursprünglichen Schätzung hinausgehe und daher im Prozess unzulässig sei. Damit verkennt die Beschwerde den bereits oben hervorgehobenen Umstand, dass sich das Nachschieben von Gründen, die einen Ermessensspielraum bzw. hier einen Schätzungsspielraum ausfüllen, nach dem einschlägigen materiellen Recht und dem Verwaltungsverfahrensrecht bestimmt, während die prozessrechtliche Vorschrift des § 114 Satz 2 VwGO lediglich regelt, dass ein materiell- und verwaltungsverfahrensrechtlich zulässiges Nachholen solcher Erwägungen nicht an prozessualen Hindernissen scheitert. Das Beschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, dass der Verwaltungsgerichtshof die so beschriebene prozessuale Bedeutung des § 114 Satz 2 VwGO verkannt und dadurch unrichtige Schlussfolgerungen für das gerichtliche Verfahren gezogen hätte. Vielmehr hat das Berufungsgericht unter materiellrechtlichen Gesichtspunkten die nachgereichte Schätzung für unproblematisch gehalten, weil auf ihrer Grundlage die festgesetzte Steuer (auch) ihrer Höhe nach im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden sei. Unabhängig davon, ob diese Bewertung zutrifft und ob sie die Anforderungen erfüllt, die das materielle Recht und das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht - insbesondere im Hinblick auf die "Wesensgleichheit" des nachgebesserten Verwaltungsakts (s.o. unter 1. d) - insoweit stellen, hat der Senat den materiellrechtlichen Standpunkt des Berufungsgerichts seiner Überprüfung in Bezug auf den hier geltend gemachten Verfahrensfehler zugrunde zu legen. Danach liegt ein Verfahrensverstoß gegen den - entsprechend anwendbaren - § 114 Satz 2 VwGO nicht vor.

19

b) Das Urteil ist auch nicht dadurch eine Überraschungsentscheidung, dass der Verwaltungsgerichtshof die Klägerin nicht darauf hingewiesen hat, dass er in Bezug auf die umstrittene Frage der Indexierung nunmehr - in Abweichung von seiner früheren Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 18. Februar 1987 - 2 S 543/85) - der Auffassung des Verwaltungsgerichts folgen wolle, den Festsetzungsbescheid aber dennoch aus anderen Gründen für zulässig halte. Zwar konkretisiert die richterliche Hinweispflicht den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und zielt damit auch auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen, falls Gesichtspunkte den Ausschlag geben, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte, weil sie weder im Verwaltungsverfahren noch im bisherigen Gerichtsverfahren erörtert worden sind (stRspr, vgl. nur Urteil vom 18. April 2013 - BVerwG 5 C 21.12 - NVwZ-RR 2013, 719 Rn. 21 und Beschluss vom 31. Juli 2013 - BVerwG 4 B 8.13 - juris Rn. 13 m.w.N.). So liegt es hier aber nicht. Die Beklagte hatte sich - wie oben erwähnt - in mehreren Schriftsätzen auf Vergleichsmieten in der Wohngegend der Klägerin berufen. Sie hatte ausdrücklich geltend gemacht, dass die von ihr erhobenen Daten, die Gebäude in vergleichbarer Lage beträfen, Vergleichswerte ergäben, die deutlich über der für das streitgegenständliche Steuerobjekt der Klägerin geschätzten Kaltmiete lägen. Die Klägerin hatte die Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen; von dieser Möglichkeit hat sie auch Gebrauch gemacht. Soweit sie nunmehr in der Beschwerdebegründung ausführt, sie hätte im Falle eines gerichtlichen Hinweises auch zur Unwirksamkeit des Schätzungsverfahrens sowie zur erdrosselnden Wirkung des Steuersatzes vorgetragen, lässt auch dies nicht auf einen Gehörsverstoß schließen. Denn der Frage einer erdrosselnden Wirkung ist der Verwaltungsgerichtshof bereits im Laufe des Berufungsverfahrens nachgegangen (vgl. an die Beklagte gerichtete Verfügung vom 18. März 2013 sowie die Ausführungen im Urteil S. 11 f.); im Übrigen ist insoweit kein Zusammenhang mit dem von der Klägerin konkret vermissten gerichtlichen Hinweis erkennbar. Die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit der Schätzung war ebenfalls Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens (vgl. Schriftsätze der Klägerin vom 21. Januar 2013 S. 2 f. und der Beklagten vom 4. Februar 2013).

20

c) Der "Verspätungseinwand", mit dem die Klägerin einen Verstoß gegen § 101 Abs. 1 VwGO, § 173 VwGO i.V.m. § 128 Abs. 2 ZPO rügt, ist nicht gerechtfertigt. Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, der Verwaltungsgerichtshof habe den letzten Schriftsatz der Beklagten vom 25. April 2013, in dem weitere Vergleichswohnungen benannt wurden, nicht mehr berücksichtigen dürfen, nachdem zuvor Verzicht auf mündliche Verhandlung erklärt und kein schriftliches Verfahren angeordnet worden sei. Dem ist nicht zu folgen. Die Beklagte hat mit Fax vom 11. April 2013 und die Klägerin am Folgetag - mit Fax vom 12. April 2013 - auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Damit war das Verfahren kraft Einverständnisses der Beteiligten (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO) im schriftlichen Verfahren fortzuführen (Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 101 Rn. 17); einer besonderen Anordnung durch Beschluss, wie im Zivilprozess nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO üblich (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 128 Rn. 32; Stadler, in: Musielack, ZPO, 11. Aufl. 2014, § 128 Rn. 16), bedurfte es hierfür nicht. Das Verfahren der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung hat für den Verwaltungsprozess in § 101 Abs. 2 VwGO eine eigenständige Regelung erfahren, die für eine ergänzende Anwendung des § 128 Abs. 2 ZPO keinen Raum lässt. Der Verzicht auf mündliche Verhandlung ist danach eine auf die nächste Entscheidung des Gerichts bezogene, grundsätzlich unwiderrufliche Prozesshandlung (Beschlüsse vom 1. März 2006 - BVerwG 7 B 90.05 - juris Rn. 13, 16 und vom 8. Juli 2008 - BVerwG 8 B 29.08 - juris Rn. 6 ff., jeweils m.w.N.). Allerdings steht es auch nach einem Verzicht im Ermessen des Gerichts, ob es ohne mündliche Verhandlung entscheidet (s. Beschluss vom 1. März 2006 - BVerwG 7 B 90.05 - juris Rn. 14). Die Klägerin hat indes - auch nach dem Hinweis des Berufungsgerichts vom 10. Juni 2013, dass es nach Ablauf des 18. Juni beraten und entscheiden wolle - nicht geltend gemacht, dass sie einen Verhandlungstermin für erforderlich halte. Vor diesem Hintergrund war das Berufungsgericht nicht daran gehindert, das schriftliche Vorbringen der Beteiligten einschließlich des Schriftsatzes der Beklagten vom 25. April 2013 sowie der Erwiderung der Klägerin vom 14. Mai 2013 zum Gegenstand seiner im schriftlichen Verfahren getroffenen Entscheidung zu machen.

21

d) Der Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht hinreichend bezeichnet. Für die ordnungsgemäße Begründung einer Aufklärungsrüge ist unter anderem substantiiert darzulegen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern deren Berücksichtigung auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (stRspr, vgl. nur Urteil vom 18. April 2013 a.a.O. Rn. 28 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die Vergleichbarkeit der von der Beklagten nachträglich benannten Wohnungen nicht gegen seine Aufklärungspflicht nach § 86 VwGO verstoßen. Er hat die Vergleichbarkeit einzelner dieser Wohnungen wegen ihrer Art (Penthaus) oder Größe für zweifelhaft gehalten und sie - insoweit der zuvor geäußerten Kritik der Klägerin folgend - im Rahmen der vorzunehmenden Schätzung nicht berücksichtigt. Hinsichtlich der übrigen elf Wohnungen bestand nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen. Vielmehr gab es nach Auffassung des Gerichtshofs "keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Schätzung der Beklagten insoweit auf falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht, dass wesentliche Tatsachen nicht ermittelt oder außer Acht gelassen oder dass der Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt worden sind." Auch die Klägerin habe keine substantiierten Einwendungen gegen die grundsätzliche Vergleichbarkeit ihrer Wohnung mit diesen elf Wohnungen erhoben. Ferner sei zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass im Rahmen einer Schätzung keine "centgenaue" Ermittlung der Vergleichsmiete verlangt werden könne. Etwaigen verbleibenden Unsicherheiten habe die Beklagte schließlich dadurch Rechnung getragen, dass sie bei der Bemessung der Zweitwohnungsteuer nur von einer üblichen Jahresrohmiete von 6,44 €/qm ausgegangen sei, obwohl unter Berücksichtigung der verbleibenden elf vergleichbaren Wohnungen sogar ein Betrag von ca. 7,05 €/qm angemessen wäre. Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Beschwerde ihren Vorwurf zwar in das Gewand der Aufklärungsrüge kleidet, in Wahrheit jedoch eine fehlerhafte Rechtsauffassung der Vorinstanz beanstandet. Damit lässt sich ein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO nicht dartun.

22

e) Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen § 155 Abs. 4 VwGO rügt, fehlt es bereits an der Darlegung eines nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu berücksichtigenden Verfahrensfehlers. Die Revisionszulassung nach dieser Norm dient allein dazu, die Behebung von Verfahrensmängeln zu ermöglichen, die der Entscheidung zur Sache anhaften; Einwendungen gegen die Kostenentscheidung können danach nicht mit Erfolg gerügt werden (Beschluss vom 2. Juli 1998 - BVerwG 11 B 26.98 - juris Rn. 8 m.w.N.). Hiervon abgesehen ist anzumerken, dass eine Kostentragungspflicht der Beklagten wegen fehlerhafter Begründung des Festsetzungs- sowie des Widerspruchsbescheids allenfalls dann in Betracht gekommen wäre, wenn die Klägerin auf die nachgeschobene Begründung mit einer Klagerücknahme oder einer Erledigungserklärung reagiert hätte (vgl. genauer Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 155 Rn. 98 ff.). Stattdessen hat sie jedoch in Kenntnis der nachgeschobenen Begründung an ihrem Klagebegehren festgehalten und sich so dem Kostenrisiko ausgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde, mit der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und Verfahrensmängel des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend gemacht werden, hat keinen Erfolg.

2

1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt nicht im Betracht. Sie setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus und verlangt außerdem die Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr; vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328 m.w.N.). Daran fehlt es.

3

Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, "... ob eine den Schutzbereich des Art. 8 EMRK eröffnende Verwurzelung nur bei legalem Aufenthalt entstehen kann, oder ob dies auch der Fall sein kann, wenn eine Person sich dauernd oder überwiegend nur geduldet im Bundesgebiet aufhält." Das Vorbringen rechtfertigt schon deshalb nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, da diese vom Verwaltungsgerichtshof offengelassene Frage in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig wäre. Denn das Berufungsgericht hat Art. 8 EMRK in der angefochtenen Entscheidung geprüft und ist dabei unter Berücksichtigung der konkreten Lebensumstände der Klägerin zu dem Ergebnis gekommen, dass diese nicht in die Lebensverhältnisse in Deutschland integriert ist und keine Gesichtspunkte erkennbar sind, die ihre Wiedereingliederung in die Verhältnisse des Herkunftslandes als unzumutbar erscheinen ließen. Das macht deutlich, dass der Verwaltungsgerichtshof die (nicht nur kurzfristige) Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nicht als zwingend notwendige Voraussetzung für die Anwendbarkeit, d.h. die Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 8 EMRK angesehen hat. Demzufolge war die von der Beschwerde formulierte Frage für die Vorinstanz nicht entscheidungserheblich und bedarf deshalb in dem erstrebten Revisionsverfahren keiner Klärung (stRspr; Beschlüsse vom 7. Januar 1986 - BVerwG 2 B 94.85 - Buchholz 310 § 75 VwGO Nr. 11 S. 5 und vom 22. Mai 2008 - BVerwG 9 B 34.07 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 65 Rn. 5).

4

2. Soweit das Beschwerdevorbringen den Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) genügt, lässt es keinen Verfahrensverstoß erkennen, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

5

2.1 Die Beschwerde macht als Gehörsverletzung geltend, das Berufungsgericht habe überraschenderweise ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden (Überraschungsurteil). Zwar habe der Verwaltungsgerichtshof der Klägerin eine Schriftsatzfrist eingeräumt, damit sie sich mit der erst kurz vor der Berufungsverhandlung von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 26. April 2013 habe auseinandersetzen können. Das Berufungsgericht habe es jedoch versäumt, in der mündlichen Verhandlung nach Zustimmung der Beteiligten zum Übergang in das schriftliche Verfahren eine für beide Beteiligten geltende Frist zur Einreichung von Schriftsätzen zu bestimmen. Mit diesem Vorbringen wird kein Verfahrensmangel aufgezeigt. Denn die Vorinstanz war nicht verpflichtet, nach dem Verzicht der Beteiligten auf eine (weitere) mündliche Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO eine Frist zu bestimmen, bis zu deren Ablauf Schriftsätze eingereicht werden können. Eine solche Vorgehensweise mag in der Praxis opportun sein; prozessrechtlich geboten ist sie nicht.

6

2.2 Ohne Erfolg rügt die Beschwerde als Gehörsverstoß und Verletzung des § 86 Abs. 2 VwGO, der Verwaltungsgerichtshof habe vor Erlass des im schriftlichen Verfahren ergangenen Berufungsurteils die in dem nachgelassenen Schriftsatz enthaltenen Beweisanträge nicht förmlich vorab beschieden.

7

Die Pflicht zur förmlichen Vorabentscheidung gemäß § 86 Abs. 2 VwGO gilt im Grundsatz nur für in der mündlichen Verhandlung gestellte unbedingte Beweisanträge, nicht dagegen für (nur) in vorbereitenden Schriftsätzen angekündigte Beweisanträge. Allerdings gebietet es der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, auch im Falle einer vorangegangenen Verzichtserklärung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO einen neuen Beweisantrag entsprechend einem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu behandeln und über ihn vor der Sachentscheidung zu entscheiden (Beschluss vom 6. September 2011 - BVerwG 9 B 48.11 u.a. - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 69 = NVwZ 2012, 376 jeweils Rn. 10; Urteil vom 28. November 1962 - BVerwG 4 C 113.62 - BVerwGE 15, 175 <176>). Anders verhält es sich, wenn der Beweisantrag vor oder gleichzeitig mit dem Verzicht auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist (Beschluss vom 29. März 1979 - BVerwG 7 B 27.78 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 106 S. 160 und Urteil vom 30. Mai 1989 - BVerwG 1 C 57.87 - Buchholz 402.24 § 8 AuslG Nr. 13 S. 22 f.), sowie bei einem Beweisantrag in einem nachgelassenen Schriftsatz, der nur Anlass geben kann, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, wenn sich aus ihm die Notwendigkeit weiterer Aufklärung des Sachverhalts ergibt (Beschluss vom 15. April 2003 - BVerwG 7 BN 4.02 - Buchholz 445.4 § 19 WHG Nr. 9 S. 6 = NVwZ 2003, 1116<1118>).

8

Nach diesen Maßstäben ist das Vorgehen des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat in der Berufungsverhandlung keinen der zuvor schriftsätzlich angekündigten Beweisanträge gestellt, sondern ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt; ihr wurde eine Schriftsatzfrist eingeräumt. Mit dem Verzicht auf eine (weitere) mündliche Verhandlung hat sie sich des Anspruchs auf förmliche Vorabentscheidung über ihre im Schriftsatz vom 28. Februar 2013 angekündigten Beweisanträge begeben. Über Beweisanträge in nachgelassenen Schriftsätzen braucht nach dem oben Gesagten in keinem Fall förmlich vorab entschieden zu werden.

9

2.3 Unbegründet ist die Rüge, das Berufungsgericht habe den Antrag der Klägerin abgelehnt, den Verfasser der Stellungnahme des Bundesamtes zu laden und persönlich anzuhören sowie Gelegenheit zu geben, die Stellungnahme in mündlicher Verhandlung zu hinterfragen. Diesen im Schriftsatz vom 28. Februar 2013 angekündigten Antrag hat die Klägerin in der Berufungsverhandlung nicht gestellt, sondern vielmehr ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne (weitere) mündliche Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO erklärt. Durch den Verzicht auf mündliche Verhandlung hat sie zu erkennen gegeben, dass sie an der beantragten Anhörung nicht länger festhält; anders lässt sich diese Prozesshandlung nicht verstehen. Da sie in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 17. Juni 2013 nicht erneut einen solchen Antrag gestellt hat, ergab sich für das Berufungsgericht kein Anlass, trotz des Verzichts der Beteiligten eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den Mitarbeiter des Bundesamtes zu laden. Daher stellt sich auch die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang aufgeworfene prozessrechtliche Grundsatzfrage nicht (vgl. dazu im Übrigen, Beschluss vom 21. September 1994 - BVerwG 1 B 131.93 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 46 mit Verweis auf das Urteil vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <45>).

10

2.4 Die Rüge, das Berufungsgericht sei dem nicht "ins Blaue" behaupteten, sondern unter Bezugnahme auf konkrete Dokumente und mit Beweisangeboten untermauerten Vorbringen der Klägerin zur (mangelnden) Kostenfreiheit medizinischer Versorgung und ärztlicher Präsenz in lokalen Gesundheitszentren nicht nachgegangen, genügt nicht den Anforderungen an die Bezeichnung einer Aufklärungsrüge.

11

Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Hinsichtlich des von der Beschwerde behaupteten Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss dargelegt werden, aus welchen Gründen sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen von Amts wegen hätten aufdrängen müssen (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328).

12

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Denn sie gibt den von ihr als entscheidungserheblich angesehenen Inhalt des in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 17. Juni 2013 angeführten Länderinformationsblatts der IOM vom Juni 2012 nicht genau wieder. Das wäre erforderlich gewesen, da die Klägerin diese Quelle weder dem nachgelassenen Schriftsatz an das Berufungsgericht noch der Beschwerdebegründung als Anlage angefügt und auch in dem nachgelassenen Schriftsatz inhaltlich nicht auszugsweise zitiert hat. Ferner hat die Klägerin weder in dem nachgelassenen Schriftsatz noch mit der Beschwerde dargelegt, inwieweit sich der Inhalt des Länderinformationsblatts konkret von der seitens des Bundesamtes verarbeiteten Auskunft derselben Stelle vom 27. März 2012 unterscheidet. Daher fehlen Ausführungen dazu, aus welchen Gründen sich dem Berufungsgericht weitere Ermittlungen zu den genannten Beweisthemen auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Maßstäbe (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) hätten aufdrängen müssen.

13

2.5 Weiter macht die Beschwerde als Gehörsverletzung geltend, das Berufungsgericht führe in der angefochtenen Entscheidung entgegen den mit Beweisangeboten untermauerten Darlegungen der Klägerin aus, es sei nichts dafür ersichtlich, dass die von einem Arzt vorzunehmende medikamentöse Neueinstellung der Klägerin im Kosovo nicht gewährleistet sein solle. Das lasse erkennen, dass sich das Berufungsgericht nicht in hinreichender Weise mit dem Vortrag der Klägerin auseinandergesetzt, sondern die Stellungnahme des Bundesamtes nicht ernsthaft hinterfragt habe. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keinen Gehörsverstoß auf. Denn das Berufungsgericht hat sich in der angefochtenen Entscheidung mit den von der Klägerin vorgetragenen Punkten inhaltlich befasst (BA Rn. 25 f.). Der Umstand, dass es ihr Vorbringen im Rahmen der ihm gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO obliegenden tatrichterlichen Beweiswürdigung anders als die Klägerseite gewürdigt hat, begründet keinen Gehörsverstoß. Insoweit kritisiert die Beschwerde im Gewande der Gehörsrüge die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts; damit vermag sie aber die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO nicht zu erreichen.

14

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

15

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Für die örtliche Zuständigkeit gilt folgendes:

1.
In Streitigkeiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, ist nur das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt.
2.
Bei Anfechtungsklagen gegen den Verwaltungsakt einer Bundesbehörde oder einer bundesunmittelbaren Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesbehörde, die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung ihren Sitz hat, vorbehaltlich der Nummern 1 und 4. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen des Satzes 1. In Streitigkeiten nach dem Asylgesetz ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat; ist eine örtliche Zuständigkeit danach nicht gegeben, bestimmt sie sich nach Nummer 3. Soweit ein Land, in dem der Ausländer seinen Aufenthalt zu nehmen hat, von der Möglichkeit nach § 83 Absatz 3 des Asylgesetzes Gebrauch gemacht hat, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, das nach dem Landesrecht für Streitigkeiten nach dem Asylgesetz betreffend den Herkunftsstaat des Ausländers zuständig ist. Für Klagen gegen den Bund auf Gebieten, die in die Zuständigkeit der diplomatischen und konsularischen Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland fallen, auf dem Gebiet der Visumangelegenheiten auch, wenn diese in die Zuständigkeit des Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten fallen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesregierung ihren Sitz hat.
3.
Bei allen anderen Anfechtungsklagen vorbehaltlich der Nummern 1 und 4 ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Verwaltungsakt erlassen wurde. Ist er von einer Behörde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt, oder von einer gemeinsamen Behörde mehrerer oder aller Länder erlassen, so ist das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat. Fehlt ein solcher innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, so bestimmt sich die Zuständigkeit nach Nummer 5. Bei Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte einer von den Ländern mit der Vergabe von Studienplätzen beauftragten Behörde ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Behörde ihren Sitz hat. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen der Sätze 1, 2 und 4.
4.
Für alle Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis und für Streitigkeiten, die sich auf die Entstehung eines solchen Verhältnisses beziehen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Hat der Kläger oder Beklagte keinen dienstlichen Wohnsitz oder keinen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat, so ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk diese Behörde ihren Sitz hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für Klagen nach § 79 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen entsprechend.
5.
In allen anderen Fällen ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz, Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthalt hat oder seinen letzten Wohnsitz oder Aufenthalt hatte.

Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.

(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2009 über den Seeweg nach Italien ein. Er lebte etwa einen Monat in einer Aufnahmeeinrichtung in Sizilien, wurde dort erkennungsdienstlich behandelt und reiste im Herbst 2009 nach Deutschland weiter, ohne in Italien Asyl beantragt zu haben. Im Oktober 2009 stellte er in Deutschland einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - im Hinblick auf die Zuständigkeit Italiens nach der Dublin-II-Verordnung als unzulässig ablehnte. Der Kläger wurde daraufhin im Dezember 2009 auf dem Luftweg über den Flughafen Rom-Fiumicino nach Italien überstellt. Im Januar 2011 wurde er erneut in Deutschland angetroffen und stellte wieder einen Asylantrag. Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 27. April 2011 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.

3

Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"inwieweit bei der Prognoseentscheidung über beachtliche Wahrscheinlichkeit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bei Rückführung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat individuelle Erfahrungen des Betroffenen im dortigen Mitgliedstaat in erheblichem Maße zu berücksichtigen sind."

4

Damit in Zusammenhang stehe die Frage,

"ob es der Feststellung systemischer Mängel bedarf, wenn einem Betroffenen schon einmal oder ggf. auch mehrmals erniedrigende und unmenschliche Behandlung widerfahren ist, insbesondere nach einer schon einmal erfolgten Überstellung."

5

Die aufgeworfenen Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lassen sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Der beschließende Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 19. März 2014 - BVerwG 10 B 6.14 - (juris Rn. 5 ff.) ausgeführt:

"Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den 'zuständigen Mitgliedstaat' im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ('systemic failure') abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus."

6

Aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann und es nicht darauf ankommt, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass derartige individuelle Erfahrungen vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung des Antragstellers (hier: Italien) vorliegen (UA S. 26). In diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen des Betroffenen zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass persönliche Erlebnisse Betroffener, die - wie hier - einige Jahre zurückliegen, durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein können. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 GR-Charta verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel (so auch das Berufungsgericht UA S. 26 f.). Weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es zur Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen nicht.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

I.

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, ohne dass es auf die nach § 78 Abs. 3 AsylVfG geltend gemachten Zulassungsgründe ankommt.

1.1 Der Antrag ist unzulässig. Die Beklagte ist durch die mit dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts erfolgte Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 24. September 2014 bereits im Zeitpunkt der Antragstellung (vgl. dazu Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, vor § 124 Rn. 18) nicht beschwert. Sie könnte ihre Rechtsstellung selbst durch eine Änderung dieses Urteils in einem Berufungsverfahren nicht mehr verbessern. Der Bundesamtsbescheid, mit dem der Asylantrag der Kläger wegen Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates für unzulässig erklärt und die Abschiebung nach Italien angeordnet worden war, ist wegen Ablaufs der Überstellungsfrist (Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO) gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG gegenstandslos geworden (vgl. BayVGH, B. v. 6.3.2015 - 13a ZB 15.50000; B. v. 30.3.2015 - 21 ZB 15.50025 und B. v. 18.5.2015 - jeweils juris).

Die Wirksamkeit dieser Regelung hing nach ihrem Inhalt davon ab, dass die Überstellung der Kläger nach Luxemburg innerhalb der Frist des Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III VO durchgeführt wird. Das folgt daraus, dass einerseits bei fruchtlosem Fristablauf die Zuständigkeit ohne weitere Entscheidung gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO auf den Mitgliedstaat - hier die Beklagte - übergeht, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Andererseits wird der Bezug auf diese zeitliche Beschränkung der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig dadurch hergestellt, dass gemäß Art. 26 Abs. 2 Dublin III-VO die Frist für die Durchführung der Überstellung in der Entscheidung anzugeben ist. Der angefochtene Bescheid verweist deshalb in den Gründen auf die Regelung des Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO. Mit der Unwirksamkeit der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig wird auch die in Abhängigkeit dazu erlassene Abschiebungsanordnung gegenstandslos.

Damit endete im vorliegenden Fall das dem materiellen Asylverfahren vorgeschaltete Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates mit Ablauf der Überstellungsfrist und die beklagte Bundesrepublik Deutschland ist zur Prüfung des Asylbegehrens in der Sache zuständig geworden. Seit diesem Zeitpunkt konnte der Bescheid des Bundesamts vom 24. September 2014 keine Wirkung mehr entfalten. Dessen Aufhebung durch das Verwaltungsgericht beschwert die Beklagte daher nicht, so dass es auf die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ankommt. Konkrete Anhaltspunkte für eine Verlängerung der Überstellungsfrist vor deren Ablauf nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Beklagte meint, sie sei durch das angegriffene Urteil deshalb beschwert, weil ihr dadurch die Möglichkeit der Umdeutung des Bescheids in eine Entscheidung nach § 71a AsylVfG genommen worden sei. Das greift ersichtlich nicht durch. Eine Umdeutung scheitert hier schon daran, dass der verfahrensgegenständliche Bescheid nicht auf das gleiche oder ein im Wesentlichen gleiches Ziel gerichtet ist (vgl. dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 2014, § 47 Rn. 13 ff.). Nach dem eindeutigen Inhalt des Bescheids vom 24. September 2014 hat die Beklagte die Asylanträge der Kläger ausschließlich als unzulässig im Sinn des § 27a AsylVfG abgelehnt und die zwingende Rechtsfolge des § 34a Abs. 1 AsylVfG herbeigeführt. Demgegenüber wird mit einer Entscheidung nach § 71a AsylVfG die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, mithin das Wiederaufgreifen eines nicht mehr angreifbaren Verfahrens abgelehnt. Diese Entscheidung löst in erster Linie die Rechtsfolge des § 71a Abs. 4 i. V. m. § 34 bzw. § 36 AsylVfG (in Bezug auf den Herkunftsstaat) aus, die damit eine völlig andere Qualität hat als eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat). Das würde aber voraussetzen, dass nicht nur ein Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylVfG vorliegt, sondern auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zu verneinen sind, was im Rahmen eines eigenständigen Verwaltungsverfahren mit eigenen Verfahrensgarantien zu klären und zu entscheiden ist (vgl. etwa BayVGH, B. v. 23.1.2015 - 13a ZB 14.50071 - juris; VGH BW, U. v. 29.4.2015 - A 11 S 121/15 - juris). Das Verwaltungsgericht hat darauf bereits hingewiesen.

Ebenso wenig führt der Einwand der Beklagten weiter, bei einer auf § 27a AsylVfG verweisenden Entscheidung handele es sich nicht nur um eine das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren abschließende Regelung, weil im Asylverfahren eine Konzentrations- und Beschleunigungsmaxime gelte, der zufolge alle in einem Asylprozess typischerweise relevanten Fragen abschließend geklärt werden sollen. Das lässt wiederum den Regelungsgehalt des verfahrensgegenständlichen Bescheids und den Charakter des ihm vorausgegangenen Verwaltungsverfahrens außer Acht. Die Beklagte hat den Asylantrag nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und damit - ohne in das materielle Asylverfahren eingetreten zu sein - das Vorschaltverfahren zur Bestimmung des nach der Dublin-Verordnung zuständigen Staates abgeschlossen.

1.2 Der Senat weist noch auf Folgendes hin: Betrifft eine Frage - wie hier hinsichtlich der Beschwer - ausschließlich eine Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags auf Zulassung der Berufung, ist sie nicht im Berufungsverfahren klärungsfähig, weil sie sich dort nicht stellt (vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124 Rn. 149 m. w. N.).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert bemisst sich nach § 30 RVG.

3. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 18. Mai 2015 rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen:

1.
Schutz vor politischer Verfolgung nach Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes oder
2.
internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9); der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie; der nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) gewährte internationale Schutz steht dem internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU gleich; § 104 Absatz 9 des Aufenthaltsgesetzes bleibt unberührt.

(2) Dieses Gesetz gilt nicht für heimatlose Ausländer im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 243-1, veröffentlichten bereinigten Fassung in der jeweils geltenden Fassung.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.