Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 1. September 2015 rechtswidrig gewesen ist.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist ein am ...2014 gegründeter und am ...2015 ins Vereinsregister eingetragener Verein, dessen Mitglieder sich aus christlicher Überzeugung heraus für den Lebensschutz des ungeborenen Kindes einsetzen und Abtreibungen vermeiden wollen.

Der Vorgängerverein des Klägers, der Verein „... - ... e.V.“ betrieb seit dem Jahr 1999 bis zum 31.12.2014 eine sog. Gehsteigberatung vor einer Arztpraxis im ..., in der seit dem Jahr 1995 ausschließlich Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden. Die Praxis liegt in einem Rückgebäude, das über einen privaten Hofzugang mit dem 3,50 Meter breiten öffentlichen Gehsteig verbunden ist. Der Kläger setzt die Gehsteigberatung des Vorgängervereins seit dem 2.1.2015 fort. Der Vorgängerverein, der sich am 29.11.2014 in „... e.V.“ umbenannt hat, beschränkt sich seitdem auf die Hilfe für Schwangere im Gebäude des ... in der Nähe zur Klinik. Nach Angaben des Inhabers der Abtreibungsklinik nimmt er in dieser ca. 3.000 Abtreibungen jährlich vor (siehe BVerfGE 98, 165, juris, Rn. 117 und Interview des Praxisinhabers im Nachrichtenmagazin ..., S. 60 „...“). Die Berater sprechen Frauen auf dem Weg in die Klinik an, bieten Informations- und Hilfe-Faltblätter an und versuchen damit, die Frauen für das Leben des Ungeborenen zu gewinnen. Neben dem jeweiligen Berater betet ein weiteres Mitglied des Vereins still für das Leben ungeborener Kinder, deren Eltern, Angehörige und die beteiligten Mediziner. Nach Angaben des Klägers sind durch die Gehsteigberatung bislang ca. 1.000 Kinder vor einer Abtreibung bewahrt worden.

Der Praxisinhaber ging in der Vergangenheit zivilgerichtlich gegen die Gehsteigberatung vor, weil nach seiner Auffassung die Beratung mit einer unzumutbaren Belästigung seiner Patientinnen verbunden sei und er persönlich in seiner Berufsausübung gestört werde. Die Unterlassungsklage des Praxisinhabers wurde vom Landgericht München I nach umfangreicher Beweisaufnahme zum Verhalten der Gehsteigberater mit Urteil vom 25.7.2006 rechtskräftig abgewiesen (Az. ...).

Mit Bescheid vom 13.5.2011 untersagte die Beklagte unter Anordnung des Sofortvollzuges dem Vorgängerverein die Gehsteigberatung vor der Abtreibungspraxis. Es hätten sich Beschwerden über unangemessene und die betroffenen Frauen unter starken psychischen Druck setzende Beratungen gehäuft. Dieses Verhalten des Vereins sei im Sinne des § 118 Abs. 1 des Ordnungswidrigkeitsgesetzes (OWiG) grob ungehörig und geeignet, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen; die Beratung müsse deshalb unterbunden werden.

Der Vorgängerverein bestritt die Vorwürfe. Er habe die Frauen stets nur in angemessener und respektvoller Weise angesprochen. Auf Klage und Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz des Vorgängervereins vor dem Verwaltungsgericht München erklärte die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 15.3.2012, dass vom Verbot der Gehsteigberatung nicht umfasst sei das Zugehen auf die Frau mit der höflichen Frage, ob Interesse an einer Beratung sowie der Übergabe von Informationsmaterial zu Problemen mit der Schwangerschaft durch den Verein ... bestehe. Lehne die Frau dieses Angebot ab, werde sie nicht mehr weiter behelligt, weder durch Aushändigen von Informationsmaterial noch durch weiteres Ansprechen. Im Zuge dieser ersten Ansprache dürften zwei näher bestimmte Faltblätter (blauer und rosa Flyer, Bl. 198 und 199 der Gerichtsakte) vorgezeigt und bei Zustimmung auch übergeben werden. Bei dieser ersten Ansprache dürften Plastikmodelle des Embryos sowie schockierende Fotos von abgetriebenen Föten nicht gezeigt werden. Der Vorgängerverein stimmte dieser Vorgehensweise zu. Das Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz wurde übereinstimmend für erledigt erklärt (siehe Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 15.3.2012, Az. M 22 S 11.2892), die Klage gegen den Bescheid vom 13.5.2011 wurde zurückgenommen (Az. M 22 K 11.2889).

Mit Bescheid vom 10.2.2015 gegenüber dem Vorgängerverein und mit inhaltsgleichem streitgegenständlichem Bescheid vom 1.9.2015 gegenüber dem Kläger untersagte die Beklagte unter Anordnung des Sofortvollzugs dem Vorgängerverein und dem Kläger sowie durch diese beauftragten Personen, den näher gekennzeichneten öffentlichen Gehweg vor der Abtreibungsklinik während deren Öffnungszeiten zu betreten.

Zur Begründung des Verbots vom 1.9.2015 führt die Beklagte aus, der Kläger habe bei der Beratung mehrfach und massiv gegen die mit dem Vorgängerverein vereinbarten Auflagen verstoßen. Eine Vielzahl von Frauen, die sich regelmäßig in einer emotionalen Ausnahmesituation befänden, seien in grob ungehöriger Weise bedrängt worden. Die Intimsphäre und das Persönlichkeitsrecht der Frauen seien damit verletzt worden. Das Verhalten des Klägers sei nicht weiter hinnehmbar. Aus Gründen der Effektivität habe deshalb auf der Grundlage des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i. V. m. § 118 Abs. 1 OWiG ein generelles Betretungsverbot ausgesprochen werden müssen.

Am ...10.2015 erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen den Bescheid vom 1.9.2015 Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte die Aufhebung des Bescheides.

In der Klagebegründung bestreitet der Prozessbevollmächtigte die Vorwürfe der Beklagten. Der Kläger wie auch der Vorgängerverein hätten sich stets strikt an die abgesprochene Vorgehensweise vom 15.3.2012 gehalten. Es wurde auf das Muster für die Verpflichtungserklärung des Vereins für die eingesetzten Gehsteigberater und Gehsteigberaterinnen sowie Beter und Beterinnen verwiesen, welche alle diese Personen zu unterschreiben hätten (siehe Bl. 98 der Gerichtsakte). Danach verpflichten sich diese Personen, sich strikt an die Vorgaben vom 15.3.2012, die wörtlich aufgeführt werden, zu halten und sich bei der Beratung von einer „vollkommen friedlichen, stets respektvollen und an den Nöten der schwangeren Frauen orientierten Hilfsbereitschaft“ tragen zu lassen. „Unter allen Umständen“ seien „aus Rücksichtnahme gegenüber der schwangeren Frau“ zu vermeiden „jegliche Kritik, Meinungskämpfe oder Grundsatzdiskussionen“. In Nr. 7 des Musters heißt es:

„Mir geht es einzig darum, in einer warmherzig-freundlichen Atmosphäre das Angebot unserer bedingungslosen Solidarität („... ...“) den vielmals in ihrer Not allein gelassenen Müttern zu bezeugen. Ich möchte ihr Herz (in dem die Liebe zu ihrem Kind sehr oft latent vorhanden ist), für das Kind gewinnen…“.

In eidesstattlichen Erklärungen von Gehsteigberatern, insbesondere des Vorsitzenden der beiden Vereine (siehe Bl. 82 bis 84 der Gerichtsakte), wird der Ablauf der Gehsteigberatung in der Praxis seit ihrem Beginn im Jahr 1999 anhand konkreter Beispiele dargestellt. Es werden eine Reihe von Schreiben namentlich genannter Mütter und Väter vorgelegt, die ihre Dankbarkeit für die im letzten Augenblick geschehene Bewahrung ihrer Kinder vor der Abtreibung durch die Gehsteigberatung zum Ausdruck bringen (siehe Bl. 90 bis 93 der Gerichtsakte). Die Klagebegründung tritt weiter den einzelnen Vorwürfen der Beklagten zu Fehlverhalten bei der Beratung entgegen. In all den Jahren sei es zu keinem einzigen Fall von Fehlverhalten gekommen.

In ihrer Klageerwiderung vom 18.11.2015 verwies die Beklagte vollinhaltlich auf den Bescheid vom 1.9.2015 sowie auf ihre Erwiderung vom 18.11.2015 zum Antrag des Klägers auf einstweiligen Rechtsschutz (Az. M 22 S 15.4372) und beantragte, die Klage abzuweisen.

Mit Schreiben vom 10.12.2015 wies das Gericht die Beteiligten auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 26.11.2015 in der Sache des Abtreibungsgegners Günter Annen gegen die Bundesrepublik Deutschland hin (Application no. 3690/10, in englischer Originalsprache erhältlich über die Website hudoc.echr.coe.int, in nichtamtlicher Übersetzung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz jetzt auch in juris veröffentlicht), mit dem einer Individualbeschwerde des Herrn Annen gegen zivilgerichtliche Untersagungen der Verteilung abtreibungskritischer Flugblätter vor einer Abtreibungsklinik und Nennung der Namen von Abtreibungsärzten auf der von ihm betriebenen Website babycaust.de stattgegeben wurde und eine Verletzung seines Menschenrechts auf Meinungsfreiheit gemäß Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) festgestellt wurde. Auf den Flugblättern wurden die beiden Ärzte der Abtreibungsklinik mit vollem Namen und Anschrift genannt und die Abtreibungen als rechtswidrig, aber gleichwohl vom deutschen Gesetzgeber als „erlaubt und nicht unter Strafe“ gestellt bezeichnet. Die Rückseite der Flugblätter enthielt folgenden Satz: „Die Ermordung der Menschen in Auschwitz war rechtswidrig, aber der moralisch verkommene NS-Staat hatte den Mord an den unschuldigen Menschen erlaubt und nicht unter Strafe gestellt“. Das Flugblatt verwies auch auf die Website babycaust.de des Herrn Annen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit, sich zu den Konsequenzen dieses Urteils auf das vorliegende Verfahren zu äußern (Bl. 239 der Gerichtsakte). Die Beklagte führte in ihrer Stellungnahme vom 30.3.2016 aus, dass das Urteil des EGMR das Rechtsverhältnis von Abtreibungsgegnern zu den Abtreibungsärzten zum Gegenstand habe und deswegen für das vorliegende Verfahren, bei dem es um das Rechtsverhältnis der Abtreibungsgegner zu den betroffenen Frauen gehe, im Kern nicht einschlägig sei. Der Bevollmächtigte des Klägers hält im Schriftsatz vom ...5.2016 demgegenüber das Urteil im Sinne eines Erstrechtschlusses für einschlägig, weil das vom EGMR gebilligte sehr drastische Vorgehen des Herrn Annen mit dem freundlichen Beratungs- und Hilfsangebot der Gehsteigberatung nach dem Modell des Klägers nicht zu vergleichen sei. Um Verwechslungen auszuschließen und die Gehsteigberatung ungestört durchführen zu können, hätte der Kläger stets die Beter und Gehsteigberater abgezogen, wenn Herr Annen seine „Ein-Mann-Demonstration“ vor der Münchner Arztpraxis begonnen habe. Mit Schriftsatz vom ...5.2016 bemerkte der gesetzliche Vertreter des Klägers, dass der vom EGMR Abtreibungsgegnern zugestandene große Spielraum bei Meinungsäußerungen vom Kläger bei Weitem nicht ausgeschöpft werde, weil es dem Kläger einzig darum gehe, in sensibler Weise die Mutter für das Leben des Kindes zu gewinnen.

Am ... Mai 2016 teilte der Bevollmächtigte des Klägers unter Hinweis auf einen Artikel in der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom ...2016 mit, dass die Arztpraxis im ... Ende April 2016 wegen Auslaufs des Mietvertrages geschlossen worden sei. Die Praxis werde aber in ein Ärztehaus nach ... verlegt und fortgeführt. Insoweit hätte sich der auf die alte Praxis bezogene Bescheid vom 1.9.2015 erledigt. Es werde die Anfechtungsklage aber umgestellt auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergebe sich u. a. daraus, dass der Kläger auch in Zukunft die Gehsteigberatung in München und anderen Orten durchführen werde. Allein in München gebe es 16 Abtreibungsorte. Es sei zu erwarten, dass die Beklagte gegen diese Gehsteigberatungen ebenso wie im streitgegenständlichen Bescheid vorgehen werde.

In der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2016 bestätigte die Beklagte, dass nach ihren Informationen die streitgegenständliche Abtreibungspraxis nach ... verlegt worden sei; ein konkreter Eröffnungstermin stehe noch nicht fest.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragte:

es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 1. September 2015 rechtswidrig gewesen ist.

Die Vertreterinnen der Beklagten beantragten,

die Klage abzuweisen.

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Behörden- und Gerichtsakten, auch auf die der in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2016 abgeschlossenen verbundenen Verfahren M 22 K 14.4161, M 22 K 15.967 und M 22 S 15.4372, und insbesondere auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2016 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist als sog. Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig und auch begründet.

Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht, wenn sich ein Verwaltungsakt - nach Erhebung der Anfechtungsklage - erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

1. Der Bescheid vom 1. September 2015 hat sich in seiner Hauptsacheentscheidung, nämlich dem Verbot des Betretens des Gehwegs vor der Abtreibungsklinik, nach Erhebung der Anfechtungsklage vom 1.10.2015 mit der - unbestrittenen inzwischen erfolgten - Schließung der Klinik im Sinne von Art. 43 Abs. 2 Alt. 5 BayVwVfG auf sonstige Weise und damit auch im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erledigt, da der Bescheid das Verbot nur für die Öffnungszeiten der alten Abtreibungsklinik ausspricht und diese Zeiten nunmehr weggefallen sind. Ebenfalls erledigt hat sich die mit der Hauptsacheentscheidung im unmittelbaren akzessorischen Zusammenhang stehende Androhung eines Zwangsgeldes bei Verstoß gegen das Betretungsverbot (siehe hierzu Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 2015, § 113 Rn. 82; BVerwG NVwZ 1991, 570). Erledigt hat sich auch die Kostentragungs- und Kostenfestsetzungsentscheidung des Bescheids. Nach bayerischem Kostenrecht führt die Rechtswidrigkeit der Hauptsacheentscheidung eines Verwaltungsakts unmittelbar kraft der gesetzlichen Bestimmung des Art. 16 Abs. 5 BayKG zu einem Verbot der Erhebung von Kosten für diesen Verwaltungsakt (vgl. hierzu Schoch/Schneider/Bier a. a. O.., BVerwG a. a. O..), ohne dass es dazu noch der förmlichen Aufhebung der kostenrechtlichen Nebenentscheidungen bedürfte. Umgekehrt führt die Rechtmäßigkeit der Hauptsacheentscheidung auch zur Rechtmäßigkeit der Kostenentscheidung, wenn wie hier gegen diese keine spezifisch kostenrechtlichen Einwände (etwa zur Höhe der Kosten) erhoben werden. Da die Rechtmäßigkeit der Hauptsacheentscheidung im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage geklärt wird, hat sich auch die Anfechtungsklage gegen die Kostenentscheidung erledigt. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage gegen den Bescheid ist damit nachträglich insgesamt fortgefallen.

Der Kläger kann aber aus Ausfluss der Dispositionsmaxime zur Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO durch einen entsprechenden Antrag an das Gericht übergehen, ohne dass dieser umstellende Antrag eine Klageänderung nach § 91 VwGO darstellen würde und der Zustimmung der Gegenpartei oder einer Sachdienlichkeitsbejahung durch das Gericht bedürfte (Schoch/Schneider/Bier a. a. O.., Rn. 79 ). Einen solchen Antrag hat der Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung gestellt.

2. Der Kläger besitzt das für die umgestellte Klage erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Bescheids.

Die Rechtsprechung hat bestimmte Fallgruppen eines sog. Fortsetzungsfeststellungsinteresses herausgearbeitet (statt aller siehe Schoch/Schneider/Bier a. a. O.., Rn. 91 ff.). Anerkannt ist unter anderem das Interesse wegen Wiederholungsgefahr, wenn also die hinreichend konkrete Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ein gleichartiger Bescheid ergehen wird (Schoch/Schneider/Bier a. a. O.., Rn. 93 ff.). Zu Recht beruft sich der Kläger auf dieses Feststellungsinteresse. Der Inhaber der bisherigen Praxis wird diese an anderer Stelle in ... fortsetzen. Adresse und Telefonnummer der neuen Praxis in ... finden sich bereits im Internet, und zwar im medizinischen Bewertungsportal ..., wo auch die bisherigen Bewertungen des Praxisinhabers zu sehen sind. Die neue Praxis liegt in einem Ärztezentrum, das durch öffentliche Gehwege erschlossen ist. Der Kläger hat bereits angekündigt, auch dort oder an anderen Abtreibungsstätten in München Gehsteigberatungen durchzuführen. Die Beklagte hat sich nicht gegen die Annahme einer Wiederholungsgefahr und gegen eine Feststellungsklage gewandt. Beide Parteien sind an einer gerichtlichen Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen einer Gehsteigberatung interessiert, um ihr künftiges Verhalten danach ausrichten zu können.

3. Der streitgegenständliche Bescheid vom 1. September 2015 ist rechtswidrig gewesen.

Die Beklagte stützt das im Bescheid verfügte generelle Betretungsverbot zu Unrecht auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i. V. m. § 118 Abs. 1 OWiG. Auch andere Rechtsgrundlagen vermögen den Bescheid nicht zu tragen (siehe hierzu unten Buchstabe c).

Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG können die Sicherheitsbehörden, wie hier die Beklagte, bei fehlender anderweitiger gesetzlicher Ermächtigung im Einzelfall Anordnungen, die in die Rechte anderer eingreifen, zur Erfüllung ihrer Aufgaben nur treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu verhüten oder zu unterbinden. Nach § 118 Abs. 1 OWiG (Belästigung der Allgemeinheit) handelt ordnungswidrig, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.

a. Zunächst wird der streitgegenständliche Bescheid dahingehend ausgelegt, dass das angeordnete Verbot jeglichen Betretens des Gehsteigs vor der Klinik nur in dem Sinne zu verstehen ist, dass das untersagte Betreten in einem Zusammenhang mit einer Gehsteigberatung des Klägers stehen soll, der Bescheid also nur ein Verbot jeglicher Gehsteigberatung aussprechen will. Ansonsten wäre der Bescheid von Vornherein offensichtlich rechtswidrig. Diese Auslegung des Bescheids lässt sich vor allem mit Blick auf die Beschränkung des Betretungsverbots auf die Öffnungszeiten der Klinik rechtfertigen. Durch diesen Passus, die Bescheidsbegründung und den allen Beteiligten bekannten Kontext des Bescheides ist der erforderliche Zusammenhang mit der beratenden Tätigkeit des Klägers hergestellt. Auch der Kläger selbst hat diese, im Bescheidsspruch nur unvollkommen zum Ausdruck gebrachte, Regelungsintention nicht verkannt und nicht problematisiert. Ebenfalls keine Bedenken sieht das Gericht darin, dass der Bescheid den Kläger, der keine natürliche Person, sondern als Verein eine juristische Person ist, verpflichtet. Sicherheitsrechtlich verantwortlich nach Art. 9 LStVG kann nämlich auch eine juristische Person jedenfalls des Privatrechts sein (Gallwas/Lindner/Wolff, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 2015, Rn. 487). Der Kläger haftet für seine Mitglieder oder für solche Personen, die er mit der Beratung beauftragt hat.

b. Grundsätzlich tragen weder die Rechtsgrundlage des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i. V. m. § 118 Abs. 1 OWiG - noch eine sonstige Rechtsgrundlage (siehe hierzu unten Buchstabe c) - ein Totalverbot jeglicher Gehsteigberatung schwangerer Frauen vor einer Abtreibungsklinik.

Es muss vielmehr Raum bleiben für ein sensibles und die besondere Situation der Frau berücksichtigendes Ansprechen der Frau auf die Abtreibungsproblematik und ein Zeigen entsprechenden Informationsmaterials verbunden mit dem Angebot einer weitergehenden Beratung und Übergabe von Informationsmaterial einschließlich des Aufzeigens von Hilfen bei einer Entscheidung für das Leben des Ungeborenen, so wie es etwa dem Modell entspricht, das das Gericht zusammen mit dem Vorgängerverein des Klägers und der Beklagten am 15.3.2012 entwickelt hatte und das bis zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 1. September 2015 Grundlage für die Gehsteigberatung gewesen ist (sog. sensibles Beratungsmodell).

Die Gehsteigberatung in der Art dieses Beratungsmodells kann nicht unter § 118 Abs. 1 OWiG subsumiert werden. Sie ist keine grob ungehörige Handlung, die geeignet wäre, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen.

Die Norm des § 118 Abs. 1 OWiG ist wegen der Vielzahl der in ihr verwendeten und sich teilweise in ihrem Bedeutungsgehalt überschneidenden unbestimmten Rechtsbegriffe nicht leicht zu handhaben (siehe hierzu Senge in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 2014, § 118 Rn. 4). Rechtsprechung und Literatur haben die Tatbestandsmerkmale näher konturiert. Danach ist „grob ungehörig“ eine Handlung, wenn sich das Tun oder Unterlassen bewusst nicht in die für das gedeihliche Zusammenleben der jeweiligen Rechtsgemeinschaft erforderlichen Ordnung einfügt und dadurch im deutlichen Widerspruch zur Gemeinschaftsordnung steht; grob ungehörig ist die Handlung erst dann, wenn sie in einer Weise gegen die anerkannten Regeln von Sitte, Anstand und Ordnung verstößt, dass dadurch eine unmittelbare psychische oder physische Belästigung oder Gefährdung der Allgemeinheit und gleichzeitig eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung in Betracht kommt (siehe Senger a. a. O., Rn. 6 mit weiteren Hinweisen zu Rechtsprechung und Literatur). Beim Merkmal der „öffentlichen Ordnung“ handelt sich um ein wesentliches Tatbestandsmerkmal, dem die Aufgabe zukommt, den Anwendungsbereich der Norm insbesondere in Fällen der psychischen Belästigung der Allgemeinheit, die zu keiner sichtbaren Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung geführt hat, einzuschränken; das Merkmal meint die Gesamtheit der sozialen Normen über das Verhalten des einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beachtung nach - durch die grundrechtlichen Wertmaßstäbe geprägter - mehrheitlicher Anschauung unerlässliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen und menschlichen Zusammenlebens ist (Senger a. a. O.., Rn. 18). Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 20.6.2014 (Az. 1 BvR 980/13, juris) zum Tatbestandsmerkmal der „öffentlichen Ordnung“ in § 118 Abs. 1 OWiG ausgeführt, es sei für diesen Begriff „kennzeichnend, dass er auf ungeschriebene Regeln verweist, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebietes angesehen wird“. Das Bundesverfassungsgericht fordert dabei weiter, dass die Normen des Straf- wie auch des Ordnungswidrigkeitsrechts unter „Beachtung der Wertentscheidungen der Grundrechte auszulegen und anzuwenden“ sind. Die staatlichen Organe haben die grundrechtsbeschränkenden Gesetze im Lichte der grundlegenden Bedeutung der Grundrechte (im entschiedenen Fall des BVerfG des Grundrechts der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG) auszulegen und sich bei Maßnahmen auf das zu beschränken, was zum Schutz gleichwertiger andere Rechtsgüter notwendig ist; konfligierende Grundrechte und Wertvorstellungen müssen im konkreten Einzelfall durch Abwägung zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden.

Bei der Beurteilung, ob eine Gehsteigberatung als Ordnungswidrigkeit nach § 118 Abs. 1 OWiG eingestuft werden kann, kommt es also ganz wesentlich auf die dabei berührten Wertvorstellungen des Grundgesetzes und insbesondere die Grundrechte an. Die bei der Anwendung des § 118 Abs. 1 OWiG vorzunehmende Wertebetrachtung führt hier zu folgendem Ergebnis.

aa. Höchstwert des Grundgesetzes ist die Achtung vor dem Leben und der Schutz des Lebens, so wie es das Grundgesetz mit der fundamentalen Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG und noch einmal in der Lebensschutzgarantie des Art. 2 Abs. 2 GG zum Ausdruck bringt (siehe hierzu Di Fabio in Maunz/Dürig, GG, 2015, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Rn. 9 ff., Rn. 44). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt schon dem ungeborenen Leben Menschenwürde und Lebensrecht zu (BVerfG, Urteil vom 28.5.1993, Az. 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92, BVerfGE 88, 203, juris). Das Lebensrecht des Ungeborenen ist ein eigenständiges Lebensrecht, das nicht erst durch die Annahme seitens der Mutter begründet wird (BVerfG a. a. O..). Die Schutzpflicht des Staates für das ungeborene Leben besteht auch gegenüber der Mutter (BVerfG a. a. O..). Der Schwangerschaftsabbruch muss für die ganze Dauer der Schwangerschaft grundsätzlich als Unrecht angesehen und demgemäß rechtlich verboten sein (BVerfG a. a. O..). Das Lebensrecht des Ungeborenen darf nicht, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit, der freien, rechtlich nicht gebundenen Entscheidung eines Dritten, und sei es selbst der Mutter, überantwortet werden (BVerfG a. a. O..). Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bindet gemäß § 31 BVerfGG die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

Um den Einsatz für das ungeborene Leben geht es dem Kläger. Das ist sein eigentliches Anliegen, das er aus christlicher Überzeugung in Ausübung seiner Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art. 4 GG verfolgt (zur grundrechtlichen Stützung dieser Aktivität siehe unten Doppelbuchstabe bb). Erst in zweiter Linie geht es dem Kläger um die Betätigung seiner Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG, auf die der streitgegenständliche Bescheid aber im Wesentlichen abstellt (siehe hierzu unten Doppelbuchstabe cc).

Der Einsatz für das ungeborene Leben ist nicht gehindert durch das bestehende, ganz wesentlich auf die Beratung der Frau aufbauende gesetzliche Schutzkonzept für das Ungeborene in den §§ 218 ff. StGB sowie im Schwangerschaftskonfliktgesetz des Bundes (SchKG) und den Ausführungsgesetzen der Länder, wie z. B. dem Bayerischen Schwangerenberatungsgesetz (BaySchwBerG). Dieses gesetzliche Schutzsystem regelt lediglich die von Verfassung wegen gebotenen, aus Art. 1 GG, Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 1 Abs. 3 GG fließenden staatlichen Schutzpflichten für das Ungeborene, verhält sich aber nicht zum privaten Einsatz für das Ungeborene und lässt diesen Einsatz unberührt. Privates Engagement kann den Schutz des Ungeborenen verstärken. Jedenfalls macht der gegenwärtige Zustand des gesetzlichen Schutzsystems private Initiative nicht von Vornherein überflüssig und beraubte sie von daher jeglicher Legitimität. Es gibt gewichtige Stimmen, die das derzeitige Abtreibungsrecht im Hinblick auf den Schutz des Ungeborenen sehr kritisch sehen (siehe Di Fabio in Maunz/Dürig, GG, 2015, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Rn. 44; Starck NJW 2000, 2714; Fischer, StGB, 2013, Vor §§ 218 - 219b).

Ist der Einsatz Privater für das ungeborene Leben verfassungsrechtlich legitim, so heiligt der Zweck nicht jedes Mittel zu seiner Erreichung. Die angewandten Methoden zur Hilfe für das Ungeborene müssen im Einklang mit der Wertordnung des Grundgesetzes stehen. Hier sind die Belange der schwangeren Frau in den Blick zu nehmen. Sie ist Trägerin des aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG fließenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Frau hat legitimen Anspruch darauf, dass ihre besondere psychische Belastungssituation unmittelbar vor der straflosen Abtreibung berücksichtigt und dass ihr mit der gebotenen Sensibilität begegnet wird.

Das dargestellte sensible Beratungsmodell nimmt diese spezifische Befindlichkeit der Frau hinreichend auf und führt zu einem schonenden Ausgleich der betroffenen Interessen und grundgesetzlichen Wertvorstellungen. Ein höheres Maß an Berücksichtigung kann die Frau nicht verlangen und die Behörde nicht anordnen. Die Frau hat auf ihrem Weg zu einer Abtreibungsklinik kein Recht darauf, vor jeglicher Konfrontation mit der Thematik Abtreibung oder vor jeglicher Ansprache darauf verschont zu bleiben.

Zunächst kann es die Frau im öffentlichen Straßenraum ohnehin kaum vermeiden, Kindern oder Babys oder entsprechenden Abbildungen etwa auf Werbeflächen zu begegnen und so in ihrer Konfliktsituation zusätzliche psychische Belastung zu erfahren. Wer sich in den öffentlichen Raum begibt, wird auch Teil der in einer freiheitlichen Gesellschaft selbstverständlichen kommunikativen Struktur dieses Raumes. Eine offene, demokratische und pluralistische Gesellschaftsordnung wie die des Grundgesetzes, für die die Meinungsfreiheit „schlechthin konstitutiv“ ist (siehe hierzu Grabenwarter in Maunz/Dürig, GG, 2015, Art. 5 Rn. 1 bis 9; BVerfGE 7, 198, 208; BVerfGE 82, 272, 281), verträgt grundsätzlich keine diskursfreien Zonen. Öffentliche Bereiche, in denen die Begegnung mit anderen Ansichten und Vorstellungen staatlicherseits von Vornherein in der Art einer „Bannmeile“ tabuisiert wird, widersprechen dem grundlegenden freiheitlichen Konzept einer integrativen Bewältigung von Konfliktlagen, auch wenn dies im vorliegenden Fall für die Frau in ihrer spezifischen Situation eine zusätzliche Belastung darstellen sollte. Deshalb kann ein Totalverbot, Frauen auf diese Situation anzusprechen und sie mit einer bestimmten Haltung zur Abtreibung zu konfrontieren, vor dem Hintergrund dieses Freiheitsverständnisses nur in extremen Ausnahmesituationen gerechtfertigt werden; für eine solche Ausnahmelage war im konkreten Fall des Klägers nichts ersichtlich (Näheres hierzu unten Buchstabe d).

Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt. Das Gesetz mutet es der Frau selbst in der Phase unmittelbar vor dem Abbruch zu, von dem abbrechenden Arzt nach den Gründen für ihre Entscheidung befragt und über die Bedeutung des Eingriffs beraten zu werden. Nach § 218c StGB macht sich der Arzt strafbar, wenn er eine Schwangerschaft abbricht, „ohne der Frau Gelegenheit gegeben zu haben, ihm die Gründe für ihr Verlangen nach Abbruch der Schwangerschaft darzulegen“ (§ 218c Abs. 1 Nr. 1 StGB) und „ohne die Schwangere über die Bedeutung des Eingriffs, insbesondere über Ablauf, Folgen, Risiken, mögliche physische oder psychische Auswirkungen ärztlich beraten zu haben“ (§ 218c Abs.1 Nr. 2 StGB). Diese Darlegungs- und Beratungspflichten unmittelbar vor der Abtreibung bestehen für jede der drei in § 218a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 StGB geregelten Abbruchvarianten. Im Fall einer Abtreibung nach der sog. Fristenlösung des § 218a Abs. 1 StGB, nach welcher etwa 96,4 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland stattfinden (siehe die Informationsbroschüre von Pro Familia e.V. „Schwangerschaftsabbruch, Was Sie wissen sollten - was sie beachten müssen“, 2015, S. 5), bestehen sie zusätzlich zu der Beratungspflicht der Schwangeren nach § 218a Abs. 1 StGB i. V. m. § 219 StGB; darauf weist die Beratungsbescheinigung nach § 7 SchKG ausdrücklich hin (siehe das amtliche Formular der Beratungsbescheinigung nach § 219 Abs. 2 StGB in Anlage 1 zu Art. 10 BaySchwBerG). Die Beratungspflicht des abbrechenden Arztes nach § 218c StGB ist keine Formalie, sondern ein wesentliches Element des gesetzlichen Konzepts des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes des Ungeborenen (BVerfGE 88, 203, 289, 290; Fischer, StGB, 2013, § 218c Rn. 1). Sie geht „über die rein medizinischen Aspekte des Schwangerschaftsabbruchs hinaus“ und umfasst die Pflicht des Arztes „den Schwangerschaftskonflikt, in dem die Frau steht, im Rahmen ärztlicher Erkenntnismöglichkeiten zu erheben“ (BVerfGE 88, 203, 290). „Etwaige tieferliegende Ursachen des Schwangerschaftskonflikts soll er in Erfahrung zu bringen suchen“ (BVerfGE 88, 203, 290). „Vor allem hat der Arzt sein Augenmerk darauf zu richten, ob die Frau tatsächlich den Schwangerschaftsabbruch innerlich bejaht oder ob sie insbesondere Einflüssen unterlegen ist, die von ihrem familiären oder weiteren sozialen Umfeld - etwa dem Ehemann, dem Partner, den Eltern oder dem Arbeitgeber - ausgegangen sind“ (BVerfGE 88, 203, 290). Zur Beratung gehört zwingend die Pflicht des Arztes, „ein hinreichendes Wissen davon zu vermitteln und zur Sprache zu bringen, dass der Schwangerschaftsabbruch menschliches Leben zerstört“ (BVerfGE 88, 203, 290; darauf besonders hinweisend Fischer, StGB, 2013, § 218c Rn. 4). Nach dem Willen der Verfassung und des Gesetzes wird also die Frau unmittelbar vor der beabsichtigten Abtreibung mit ihrer bisherigen Entscheidung für die Abtreibung sowie dem Lebensrecht ihres ungeborenen Kindes konfrontiert und zur näheren Darlegung ihrer Gründe für einen Abbruch veranlasst. Von dieser durchaus intimen Rechenschaft ist eine Gehsteigberatung nach dem dargestellten Modell weit entfernt. Bei diesem Vergleich übersieht das Gericht nicht, dass die ärztliche Beratung nach § 218c StGB im Hinblick auf die Qualitätssicherung nicht von Vornherein mit einer Beratung durch einen privaten Verein gleichgesetzt werden kann. Das Handeln eines Arztes ist durch staatliches Recht und Standesrecht reglementiert und unterliegt einer institutionalisierten Kontrolle, was bei einem privaten Verein nicht der Fall ist. Eine Parallele kann aber jedenfalls dann gezogen werden, wenn dem privaten Berater nach dessen Beratungskonzeption und Beratungspraxis nicht die Zuverlässigkeit für ein korrektes Verhalten im Sinne des Beratungsmodells abgesprochen werden kann. Das ist beim Kläger der Fall (siehe dazu unten Buchstabe d).

Vor diesem Hintergrund verletzt die sensible Gehsteigberatung nicht das Persönlichkeitsrecht der Frau, sondern nimmt es im Gegenteil ernst. Wichtiger Bestandteil des Modells ist die Frage an die Frau, ob sie eine Befassung zum Thema Abtreibung wünscht oder nicht. Der Frau wird hier die volle Entscheidungsfreiheit eingeräumt. Sie hat die Wahl einer Auseinandersetzung mit der Problematik. Das Modell achtet und stärkt das Selbstbestimmungsrecht der Frau auf Erhalt von Informationen und Hilfe. Demgegenüber würde ein behördliches Totalverbot jeglichen Ansprechens der Frau dieser die Möglichkeit nehmen, selbstbestimmt eine andere Entscheidung zu treffen. Der Kläger hat eine Reihe von Schreiben vorgelegt, in denen Mütter ihre große Dankbarkeit darüber bekunden, dass sie der Kläger in dieser entscheidenden Phase nicht allein gelassen und zu einer Bejahung des Lebensrechts ihres Kindes geführt hat.

bb. Der Einsatz für das ungeborene Leben findet im Fall des Klägers zusätzlich zu der dargestellten, aus dem verfassungsrechtlichen Höchstwert des Lebens nach Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG resultierenden Legitimation grundrechtliche Stütze im Grundrecht auf Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG. Der Kläger ist ein christlicher Verein, dessen Zweck die Gehsteigberatung ist. Diese Tätigkeit vollzieht er im Rahmen eines von einem römisch-katholischen Priester gegründeten Helfer-Weltapostolats für das ungeborene Leben, also eines spezifisch auf die Sorge um das Ungeborene bezogenen christlichen Sendungsauftrags. Leiter des Apostolats in Deutschland ist der vom Gründer eingesetzte Vereinsvorsitzende des Klägers, dem von einem römisch-katholischen Bischof hierzu Sendung und apostolischer Segen erteilt wurde (Näheres zum Apostolat siehe die Website ..., Menü „wir über uns“). Die Anbindung an die Religionsausübung nach Art. 4 GG zeigt sich auch in dem spezifischen Beratungszuschnitt durch den Kläger. An der Gehsteigberatung wird der eigentliche Berater stets von einem etwas abseits stehenden sog. stillen Beter begleitet, der um das ungeborene Kind, die Mutter und die Ärzte betet, da es nach Auffassung des Apostolatsgründers und des Klägers letztlich nur Gott selbst ist, der helfen kann.

Mit seiner Haltung gegenüber der Abtreibung befindet sich der Kläger in Übereinstimmung mit der Lehre der katholischen Kirche, die die Abtreibung als „abscheuliches Verbrechen“ bezeichnet (so Papst Franziskus in einer Ansprache vom 11.4.2014, www.katholisches.info/2014/04/11); Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Acta Apostolicae Sedis (AAS) 1966, S. 465 Nr. 51, amtliche deutsche Übersetzung siehe unter www.vatican.va/archive; Papst Johannes Paul II., Enzyklika „Evangelium vitae“ über den Wert und die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens vom 25.3.1995, AAS 1995, S. 401, 465, 466 Nr. 57 und Nr. 58, amtliche deutsche Übersetzung wie oben; in dieser Enzyklika ruft der Papst alle Gläubigen weiter dazu auf, ausreichende und wirksame Formen der Begleitung des werdenden Lebens in die Tat umzusetzen).

Selbstverständlich besitzt die Lehre der katholischen Kirche für den weltlich-staatlichen Bereich keine Geltung. Sie macht aber bei der im Rahmen des § 118 Abs. 1 OWiG anzustellenden Wertebetrachtung deutlich, dass es bei der Gehsteigberatung durch den Kläger als christlich-katholischer Gemeinschaft um die Vertretung anerkannter Glaubensinhalte im Rahmen des Grundrechts nach Art. 4 GG geht, und sie zeigt das Gewicht auf, das diesem Grundrecht gerade beim Thema Abtreibung zukommt (zur Bedeutung des Selbstverständnisses einer Religionsgemeinschaft bei der Erfassung der nach Art. 4 GG geschützten Glaubensinhalte siehe von Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 2006, S. 55 ff.; Classen, Religionsrecht, 2015, Rn. 84, 163 und 164).

Das Grundrecht der Glaubensfreiheit nach Art. 4 GG weist eine spezifische Wirkungsdimension auf. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt:

„Nach dem Selbstverständnis der katholischen und evangelischen Kirche umfasst die Religionsausübung nicht nur den Bereich des Glaubens und des Gottesdienstes, sondern auch die Freiheit zur Entfaltung und Wirksamkeit in der Welt, wie es der religiösen und diakonischen Aufgabe entspricht. Die tätige Nächstenliebe ist nach dem Neuen Testament eine wesentliche Aufgabe für den Christen und wird von der katholischen wie von der evangelischen Kirche als Grundfunktion verstanden“ (BVerfGE 24, 236, 248; BVerfGE 53, 366,739; BVerfGE 70, 138, 163).

Die Gehsteigberatung des Klägers stellt sich in diesem Sinne als glaubensgeleitetes, vom Schutz der Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 GG umfasstes Handeln dar. Das Totalverbot der Gehsteigberatung trifft den Kläger in seinem von Art. 4 GG garantierten Recht, sich in tätiger Nächstenliebe der Mutter und ihrem ungeborenen Kind zuzuwenden.

Freilich ist nicht jegliche Art und Weise dieses Wirkens von Vornherein vom Schutzbereich des Art. 4 GG umfasst. Auch aus der Lehre der katholischen Kirche lassen sich über die allgemeine Aufforderung zur tätigen Sorge für das Ungeborene hinausgehend keine zwingenden Vorgaben für konkret zu verfolgenden Methoden der Umsetzung entnehmen. Festzuhalten bleibt aber die prinzipielle grundrechtliche Relevanz eines in die Welt wirkenden Anliegens des Klägers in der Abtreibungsfrage nach Art. 4 GG und damit die Relevanz bei der Wertebetrachtung in Anwendung des § 118 Abs. 1 OWiG.

Wie dargelegt muss das dem Kläger zustehende Grundrecht auf Glaubensfreiheit in Konkordanz mit dem ebenfalls grundrechtlich gestützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Frau gebracht werden. Art. 4 Abs.1 GG kennt zwar keinen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt, es ist aber selbstverständlich und anerkannt, dass die Glaubensfreiheit des Art. 4 GG Einschränkungen durch gegenläufige Rechtsgüter mit Verfassungsrang, hier des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Frau, unterliegen kann (siehe etwa Classen a. a. O.., Rn. 190 ff.). Das dargestellte Beratungsmodell leistet diese Aufgabe des Ausgleichs; hierzu kann auf die obigen Ausführungen unten Doppelbuchstabe aa verwiesen werden.

cc. Der Kläger kann sich bei der Gehsteigberatung weiter auf sein Grundrecht der freien Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG berufen. Zwar geht es dem Kläger, wie ausgeführt, nicht primär um die Ausübung dieser grundrechtlichen Freiheit, sondern - auf der legitimierenden Basis des Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 4 Abs. 1 GG - zentral um die Rettung ungeborenen Lebens unmittelbar vor der Abtreibung durch Beratung und Information der Mutter sowie das Aufzeigen hilfegestützter Alternativen zur Abtreibung. Mit diesem Vorgehen bringt der Kläger aber auch seine Meinung und seinen Standpunkt in der Abtreibungsfrage zum Ausdruck. Das Bundesverfassungsgericht hat die Aktionen des bekannten Abtreibungsgegners Günter Annen, der vor Abtreibungskliniken Flugblätter gegen Abtreibung verteilte und auch Passanten und Passantinnen mit dem Ziel ansprach, sie zu einer Überprüfung ihrer Haltung zur Frage der Abtreibung zu bewegen, ohne Weiteres tatbestandlich als vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 GG umfasst angesehen (siehe BVerfG, Beschluss vom 8.6.2010, Az. 1 BvR 1745/06, NJW 2011, 47), ebenso wie es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Hinblick auf die parallele Gewährleistung der Freiheit der Meinungsäußerung nach Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) getan hat (EGMR, Urteil vom 26.11.2015, No. 3690/10, in dem Verfahren der Individualbeschwerde des Herrn Annen gegen die Bundesrepublik Deutschland, juris, Näheres siehe im Tatbestand oben).

Das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG ist nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern steht gemäß Art. 5 Abs. 2 GG unter der Schranke der allgemeinen Gesetze. Die beschränkenden Gesetze sind wiederum im Lichte der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts ihrerseits einzuschränken (zu dieser Wechselwirkung siehe Grabenwarter in Maunz/Dürig, GG, 2015, Art. 5 Rn. 114 ff., 139 ff.). Das parallele Menschenrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 10 Abs. 1 EMRK findet nach Maßgabe des Art. 10 Abs. 2 EMRK seine Grenzen. Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 EMRK ist bei der Auslegung des Art. 5 GG von allen nationalen Behörden und Gerichten zu berücksichtigen (BVerfG, Urteil vom 14.10.2004, 2 BvR 1481/04 - Sache Görgülü; siehe auch Grabenwarter a. a. O.., Rn. 13 - 18). So berücksichtigt das Bundesverfassungsgericht bei der Abwägung zwischen den Freiheiten des Art. 5 GG und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht die Wertungen und Schranken des Art. 10 EMRK (siehe Grabenwarter a. a. O.., Rn. 18). Den Freiheiten nach Art. 10 EMRK und denen des Art. 5 GG kommt dort besonderes Gewicht zu, wo es um einen Gegenstand von öffentlichem Interesse geht (EGMR, Urteil vom 26.11.2015, No. 3690/10, juris Rn.53; ständige Rspr. des EGMR; BVerfG, Beschluss vom 8.6.2010, 1 BvR 1745/06, juris Rn. 22). In diesen beiden Entscheidungen haben der EGMR und das BVerfG hohe Hürden für die Einschränkbarkeit der Meinungsfreiheit von Abtreibungsgegnern gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht von Abtreibungsärzten aufgestellt, die in den zugrunde liegenden Fällen nicht erfüllt waren. Die Grundsätze können für das hier inmitten stehende Verhältnis der Meinungsfreiheit zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht der durch die Gehwegberatung angesprochenen Frauen fruchtbar gemacht werden. Der EGMR (a. a. O.. Rn. 52) führt unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung ganz allgemein aus, dass selbst Meinungsäußerungen, die beleidigen, schockieren oder verstören, vom Tatbestand nach Art. 10 Abs. 1 EMRK umfasst sind (EGMR a. a. O.., Rn. 52). In der Abtreibungsdiskussion sehen der EGMR und das BVerfG eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse (EGMR a. a. O.., Rn. 53, 64; BVerfG a. a. O.. Rn. 22), so dass Meinungsbeiträge in dieser Debatte nur ganz ausnahmsweise unterbunden werden dürfen. Setzt man diese Wertungen des EGMR zu Art. 10 EMRK, denen auch Bedeutung für die parallel anzustellende Wertebetrachtung nach Art. 5 GG zukommt, in Beziehung zu dem dargestellten Modell der sensiblen Gehsteigberatung, wird deutlich, dass dieses Modell eindeutig unter den Schutzbereich von Art. 5 GG und Art. 10 EMRK fällt.

c. Das Gericht hat erwogen, ob die streitgegenständliche Verfügung von einer anderen Rechtsgrundlage als dem in der Bescheidsbegründung genannten Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i. V. m. § 118 Abs. 1 OWiG getragen werden könnte.

Das setzt zunächst voraus, dass im gerichtlichen Verfahren dem Bescheid eine solche andere Rechtsgrundlage überhaupt unterlegt werden dürfte. Gegenstand eines Anfechtungsprozesses ist ein Bescheid, der aus der Regelung in seinem Tenor und den wesentlichen Erwägungen für diese Regelung in den Bescheidsgründen besteht. Ein „Austausch der Rechtsgrundlage“ eines angefochtenen Bescheids, zumal wenn es um Ermessenserwägungen geht, kann deshalb nicht beliebig vonstattengehen (zum Problem des Austausches der Rechtsgrundlage von Verwaltungsakten siehe etwa BVerwG, Urteil vom 31.3.2010, Az. 8 C 12.09, NVwZ-RR 2010, 636).

Die Frage kann jedoch dahinstehen. Denn eine andere Rechtsgrundlage, nach der selbst das dargestellte sensible Beratungsmodell untersagt werden könnte, ist nicht ersichtlich.

Die sicherheitsrechtliche Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG ist nicht einschlägig, da sie nur Eingriffe zugunsten der in der Vorschrift enumerativ und abschließend aufgeführten Rechtsgüter erlaubt, nämlich zugunsten von Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder Sachwerten, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint (siehe zu dieser Rechtsgüterbeschränkung Gallwas/Lindner/Wolff, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 2015, Rn. 322 ff.). Schutzgut der Generalklausel ist nicht die gesamte öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere nicht das hier einschlägige allgemeine Persönlichkeitsrecht der von der Gehsteigberatung betroffenen Frau. Damit unterscheidet sich die bayerische Rechtslage vom Sicherheitsrecht in anderen Ländern, die umfassendere Generalklauseln kennen, z. B. in Baden-Württemberg (siehe § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG BaWü i. V. m. § 3 PolG BaWü, wo die gesamte öffentliche Sicherheit und Ordnung geschützt wird). Im Übrigen müssen auch bei Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gegenläufige Wertvorstellungen des Grundgesetzes und Grundrechte des Klägers Berücksichtigung finden. Bei dem dargestellten sensiblen Beratungsmodell wäre das Ergebnis der Abwägung kein anderes als bei der Rechtsgrundlage nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i. V. m. § 118 Abs. 1 OWiG.

Ebenfalls keine Handhabe bietet das Straßenrecht über das Verbot unerlaubter Sondernutzung (siehe etwa Art. 18a des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes). Bei der Gehsteigberatung handelt es sich nicht um eine Sondernutzung des Straßenraums, sondern um erlaubnisfreien Gemeingebrauch, der - wie oben unter Doppelbuchstabe aa ausgeführt - eine kommunikative Komponente besitzt (zutreffend VGH Mannheim, Urteil vom 11.10.2012, Az. 1 S 36/12, juris Rn. 42; Wiebe ZfL 2013, 49, 50). Die Gehsteigberatung ist weiterhin keine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts (so zutreffend VGH Mannheim a. a. O.., Wiebe a. a. O..). Nach Art. 2 Abs. 1 des Bayerischen Versammlungsgesetzes (BayVersG) ist eine Versammlung eine Zusammenkunft von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Darum geht es bei der Gehsteigberatung nicht. Schon die verschiedenen Rollen von stillem Beter und Berater schließen die Gemeinschaftlichkeit einer Erörterung oder Kundgabe aus. Außerdem ist die Gehsteigberatung auf eine solche Erörterung oder Kundgabe nicht gerichtet, sondern auf die Rettung von ungeborenem Leben in der konkreten Situation vor Ort. Die Versammlung wäre im Übrigen nicht öffentlich im Sinne des Art. 2 Abs. 2 BayVersG, da die Teilnahme auf einen individuell feststehenden Personenkreis beschränkt ist, nämlich auf die vom Verein für die jeweiligen Einsatzzeiten genau bestimmten Beter und Berater. Eine versammlungsrechtliche Eingriffsermächtigung (siehe Art. 15 BayVersG) scheidet also aus. Im Übrigen bestimmen die Vorschriften des Straßen- und Versammlungsrechts keinen absoluten Vorrang der durch diese Vorschriften geschützten Belange, sondern sind offen für den Abgleich mit kollidierenden Wertevorstellungen des Grundgesetzes und den Grundrechten des Klägers; das Ergebnis der Abwägung wäre bei dem dargestellten Beratungsmodell dasselbe wie oben.

d. Ist nach den obigen Ausführungen ein auch das dargestellte sensible Beratungsmodell umfassende Totalverbot jeglicher Gehsteigberatung vor Abtreibungskliniken grundsätzlich rechtlich nicht darstellbar, so sind doch besondere Umstände denkbar, die ganz ausnahmsweise als ultima ratio ein generelles Verbot der Gehsteigberatung rechtfertigen können.

Das wäre der Fall, wenn sich das Beratungsmodell in der Praxis als untauglich, weil nicht effektiv umsetzbar, erweisen würde. Für die Annahme einer solchen Situation müssten mehrfache, gravierende und sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Verstöße des Klägers gegen das Modell und die Rechte der Frau vorliegen, die den Schluss auf einen systematischen Missbrauch des Modells zulassen. Die Verstöße müssten von der Behörde weiter hinreichend belastbar vorgetragen und im Bestreitensfall voll bewiesen werden; die Behörde trägt die Beweislast. Weiter wäre erforderlich, dass die Behörde auf der Rechtsdurchsetzungsebene, also insbesondere mit den Mitteln des Verwaltungszwangs oder der Ahndung nach dem Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht oder durch eigene Kontrollen vor Ort oder durch Formen des kooperativen Handelns, alle zumutbaren Maßnahmen zur Herstellung geordneter Verhältnisse ausgeschöpft hat und keine Besserung der Situation zu erwarten ist. Es muss quasi ein sicherheitsrechtlicher Notstand herrschen. In einer derartigen extremen Lage stößt das Konzept integrativer Bewältigung von Konfliktlagen an seine Grenze und erfordert eine alternative Entscheidung dahingehend, ob die Situation zulasten der Frau hingenommen werden soll oder nicht. Die Entscheidung kann rechtmäßig zugunsten eines Totalverbots getroffen werden, weil eine Beratung, die in der dargestellten qualifizierten Weise gegen das Beratungsmodell verstößt, nicht hinnehmbar wäre.

Vom Vorliegen eines derartigen sicherheitsrechtlichen Notstands durfte die Beklagte bei der Beratungstätigkeit des Klägers nicht ausgehen:

aa. Die Beklagte blieb es schuldig, auch nur einen einzigen Verstoß des Klägers oder seines Rechtsvorgängers gegen das sensible Beratungsmodell vom 15.3.2012 konkret und belastbar vorzutragen:

- So wird dem Kläger ein Vorfall vom 3.6.2015 auf dem Gehsteig vor der Abtreibungspraxis zur Last gelegt, bei dem der Vorsitzende des Klägers und ein weiterer Berater, Herr P., verwickelt gewesen sein sollen. Nach den Ausführungen der Beklagten sei die Polizei gerufen und „einschlägiges Informationsmaterial“ festgestellt worden. Nach dem Polizeibericht vom ...6.2015 (siehe Bl. 207 der Gerichtsakte) bietet sich indes folgendes Bild. Danach musste die vom Mitteiler, Herrn W., gerufene Polizei eben diese Person auffordern, sein Verhalten gegenüber den Beratern zu beenden. Auch der Praxisinhaber kam zu den Polizisten hinzu. Die beiden Berater wurden von den Polizisten näher befragt. Das Polizeiprotokoll schließt mit den Worten: „Vor Ort wurde keine Straftat festgestellt“. Weiter hält das Protokoll fest, dass zwei Broschüren, nämlich der blaue und rosa Flyer (Anm. des Gerichts: zulässige Informationsmittel im Sinne des Beratungsmodells, s.o.), kopiert und dem Bericht beigelegt wurden. Aus diesem Vorgang vom 3.6.2015 kann dem Kläger offensichtlich kein Vorwurf gemacht werden.

- Weiter wird dem Kläger ein Vorfall vom 1.6.2015 zur Last gelegt. An diesem Tag habe der Vorsitzende des Klägers ein afrikanisches Ehepaar unangemessen bedrängt. Nach Aussage des Inhabers der Abtreibungsklinik habe die Frau die Klinik in aufgelöstem Zustand erreicht und sei „weder ansprech- noch behandelbar“ gewesen. Demgegenüber führt der Vorsitzende des Klägers in einer eidesstattlichen Erklärung (Bl. 200 der Gerichtsakte) aus, dass er das Ehepaar freundlich angesprochen und mit ihm etwa zwanzig Minuten gesprochen habe, bevor das Ehepaar in die Klinik gegangen sei. Er habe zuvor das Ehepaar eingeladen, zu einem vertiefteren Gespräch in das benachbarte ... zu kommen. Dies sei nach einer halben Stunde auch geschehen. Die Frau habe sich für das Kind entschieden. Er habe dem Ehepaar sofortige Hilfen vermitteln können. Das Ehepaar habe ihn später am 9.7.2015 sogar in seinem privaten Zuhause besucht. Angesprochen auf die Vorwürfe der Beklagten im Anhörungsschreiben vom 3.7.2015 habe das Ehepaar klar bekundet, dass die Darstellung der Beklagten völlig unzutreffend sei. Die Darstellung der Beklagten fußt ganz wesentlich auf der informellen Aussage des Inhabers der Praxis, bei dem ein gewisses Eigeninteresse naturgemäß nicht ganz ausgeschlossen werden kann. Demgegenüber ist die Erklärung des Vorsitzenden des Klägers an Eides Statt versichert und enthält eine Reihe von verifizierbaren Elementen, die einem Beweis zugänglich sind, z. B. durch Vernehmung des afrikanischen Ehepaars, das namentlich bekannt ist (siehe Bl. 36 Buchstabe e der Gerichtsakte). Bei dieser Sachlage kann der Vorwurf der Beklagten nicht als hinreichend abgesichert und belastbar qualifiziert werden.

- Weiter wird dem Kläger vorgeworfen, dass am 23.6.2015 eine „offensichtlich im Eingangsbereich des Grundstücks ... vergessene Tasche, die ihrem Inhalt nach (Plastik-Embryonen sowie einschlägiges Informationsmaterial) mutmaßlich den Beauftragten des Vereins zugeordnet werden kann“, vom Inhaber der Praxis gefunden worden sei. Damit ist kein Verstoß gegen das Beratungsmodell behauptet. Denn nach diesem Modell ist es erlaubt, nach der Erstansprache mit Zustimmung der Frau in einem Zweitgespräch weitergehendes Informationsmaterial als bei der Erstansprache erlaubt anzubieten. Der Vorsitzende des Klägers erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass der Inhalt der Tasche nicht zur Verwendung für die Erstansprache bestimmt gewesen sei.

- Dem Kläger wird weiter vorgeworfen, dass sich nach Mitteilung einer - nicht näher benannten - Anwohnerin „Mitglieder eines christlichen Vereins während der Woche den ganzen Tag auf dem Gehweg aufhalten und Passanten ansprechen“ sollen. Die Anwohnerin selbst habe klar gestellt, nicht angesprochen werden zu wollen. Damit ist ein Verstoß gegen das Beratungsmodell nicht dargetan. Es kommt nämlich darauf an, in welcher Weise das Ansprechen erfolgt. Geschah das Ansprechen in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Modells, gibt es insoweit nichts zu erinnern.

- Auch die weiteren Vorwürfe im Bescheid sind nicht belastbar vorgetragen. Sie beruhen zum größten Teil auf Mitteilungen von Mitarbeiterinnen des ..., der im direkt am Gehweg liegenden Vordergebäude zur Abtreibungsklinik untergebracht ist. Die Mitarbeiterinnen beschweren sich darüber, dass sie oder Besucherinnen unangemessen angesprochen worden seien. Hier fehlt es an einer näheren Substantiierung und die Benennung klarer Fakten sowie an formellen Beweisangeboten; es sei auf die detaillierten Gegendarstellungen des Klägers, auch zur angeblichen Versperrung des Zugangs zur Klinik durch den Berater Herrn P. am 23.6.2015 zwischen 13 und 14 Uhr, verwiesen (Bl. 29 - 46; Vorfall mit Herrn P. auf Bl. 45, 46).

- Schließlich trägt auch der Vorwurf im Bescheid, die stillen Beterinnen oder Beter würden Bilder eines Embryos oder eines Babys zeigen, nicht. Allerdings hat das Verwaltungsgericht früher darin einen Verstoß gegen das Beratungsmodell vom 15.3.2012 gesehen (VG München, Urteil vom 19.9.2013, Az. M 22 K 12.6098 und M 22 K 12.6099). Gegen das genannte Urteil hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung „wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils“ zugelassen (BayVGH, B. v. 19.9.2013, Az. 10 ZB 13.2334). Nach nochmaliger Überprüfung gibt das Gericht seine frühere Ansicht nunmehr ausdrücklich auf. Das Gericht hatte die seit jeher bestehende Sonderrolle des stillen Beters gegenüber der Beratungstätigkeit der Berater übersehen. Im inzwischen bestandskräftigen Bescheid vom 13.5.2011, zu dem der Kompromiss vom 15.3.2012 gefunden wurde, wird in Nr. 2.5 Absatz 4 festgehalten: „…ebenso wenig wird das stille Beten in irgendeiner Form eingeschränkt“ sowie weiter in Nr. 2.5 Abs. 7 geregelt: „Das stille Beten unmittelbar vor der Klinik ist weiterhin möglich“. Zu dem danach zulässigen stillen Beten gehörte aber seit jeher das stille Zeigen von Embryo- oder Babybildern durch den stillen Beter. Dieser traditionelle Zuschnitt des stillen Betens war allen Beteiligten bekannt und wurde zu keinem Zeitpunkt problematisiert. Gegenstand des Kompromisses vom 15.3.2012 war lediglich die Tätigkeit der Beraterinnen und Berater.

Das Verhalten des Vorgängervereins des Klägers ist diesem nicht zuzurechnen, da es sich um zwei getrennte Rechtssubjekte handelt. Es sei aber an dieser Stelle festgehalten, dass auch gegen den Vorgängerverein kein einziger Vorwurf konkret und belastbar vorgetragen worden ist (zu den Vorwürfen siehe den Untersagungsbescheid vom 10.2.2015 und das inzwischen eingestellte Verwaltungsstreitverfahren Az. M 22 K 15.967).

Der Kläger braucht sich demnach bei der Gehsteigberatung bislang keine Vorwürfe gefallen zu lassen. Der Kläger hat sogar auf freiwilliger Basis einen speziellen Verhaltenscodex entwickelt, den alle stillen Beter und Berater schriftlich anerkennen müssen und der die strikte Einhaltung der Regelungen vom 15.3.2012 gewährleisten soll. Selbstverständlich ist damit ein Fehlverhalten Einzelner nicht auszuschließen. Es zeigt aber das Bemühen des Klägers um strikte Beachtung der getroffenen und seinem Selbstverständnis entsprechenden Vereinbarungen vom 15.3.2012.

bb. Selbst wenn - wie nicht - nicht hinnehmbare Zustände bei der Gehsteigberatung vorgelegen hätten, hätte es an den oben aufgezeigten vorrangigen Maßnahmen der Beklagten zur Behebung der angeblichen Missstände gefehlt. Es ist nicht recht nachvollziehbar, warum die Beklagte über Jahre hinweg gegenüber dem Kläger bzw. seinem Vorgängerverein den Vorwurf erhebt, deren Verhalten erfülle den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 118 Abs. 1 OWiG (Belästigung der Allgemeinheit), und auf diese Annahme die sicherheitsrechtlichen Verbotsbescheide stützt, es aber vorher unterlässt, die behaupteten Ordnungswidrigkeiten entsprechend § 118 Abs. 2 OWiG mit Geldbußen zu ahnden, obwohl sie nach § 36 Abs. 1 Nr. 2a OWiG i. V. m. §§ 1, 3 Abs. 3 der Bayerischen ZuVOWiG zuständige Verfolgungsbehörde für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 118 Abs. 1 OWiG ist.

4. Nach alledem war der Klage stattzugeben. Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 12. Mai 2016 - M 22 K 15.4369

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Verwaltungsgericht München Urteil, 12. Mai 2016 - M 22 K 15.4369 zitiert 29 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

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(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen. (2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaate

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(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

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Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG | § 3 Gerichtliche Vertretung


(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich: 1. § 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169

Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG | § 5 Diplom-Juristen aus dem Beitrittsgebiet


Personen, die bis zum 9. September 1996 die fachlichen Voraussetzungen für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 4 des Rechtsanwaltsgesetzes vom 13. September 1990 (GBl. I Nr. 61 S. 1504) erfüllt haben, stehen in den nachfolgenden Vorschriften

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 91


(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. (2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersp

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 4


(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. (3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 36 Sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde


(1) Sachlich zuständig ist 1. die Verwaltungsbehörde, die durch Gesetz bestimmt wird,2. mangels einer solchen Bestimmung a) die fachlich zuständige oberste Landesbehörde oderb) das fachlich zuständige Bundesministerium, soweit das Gesetz von Bundesbe

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 31


(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. (2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gese

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 10


(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich. (2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Be

Strafgesetzbuch - StGB | § 218a Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs


(1) Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn 1. die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat b

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 118 Belästigung der Allgemeinheit


(1) Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet w

Strafgesetzbuch - StGB | § 219 Beratung der Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage


(1) Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen; sie soll ihr helfen, eine

Strafgesetzbuch - StGB | § 218c Ärztliche Pflichtverletzung bei einem Schwangerschaftsabbruch


(1) Wer eine Schwangerschaft abbricht, 1. ohne der Frau Gelegenheit gegeben zu haben, ihm die Gründe für ihr Verlangen nach Abbruch der Schwangerschaft darzulegen,2. ohne die Schwangere über die Bedeutung des Eingriffs, insbesondere über Ablauf, Folg

Schwangerschaftskonfliktgesetz - BeratungsG | § 7 Beratungsbescheinigung


(1) Die Beratungsstelle hat nach Abschluß der Beratung der Schwangeren eine mit Namen und Datum versehene Bescheinigung darüber auszustellen, daß eine Beratung nach den §§ 5 und 6 stattgefunden hat. (2) Hält die beratende Person nach dem Beratungsge

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Verwaltungsgericht München Urteil, 12. Mai 2016 - M 22 K 15.4369 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 11. Okt. 2012 - 1 S 36/12

bei uns veröffentlicht am 11.10.2012

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 1. Dezember 2011 – 4 K 1112/11 – wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladen

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(1) Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach anderen Vorschriften geahndet werden kann.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach anderen Vorschriften geahndet werden kann.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach anderen Vorschriften geahndet werden kann.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Wer eine Schwangerschaft abbricht,

1.
ohne der Frau Gelegenheit gegeben zu haben, ihm die Gründe für ihr Verlangen nach Abbruch der Schwangerschaft darzulegen,
2.
ohne die Schwangere über die Bedeutung des Eingriffs, insbesondere über Ablauf, Folgen, Risiken, mögliche physische und psychische Auswirkungen ärztlich beraten zu haben,
3.
ohne sich zuvor in den Fällen des § 218a Abs. 1 und 3 auf Grund ärztlicher Untersuchung von der Dauer der Schwangerschaft überzeugt zu haben oder
4.
obwohl er die Frau in einem Fall des § 218a Abs. 1 nach § 219 beraten hat,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 218 mit Strafe bedroht ist.

(2) Die Schwangere ist nicht nach Absatz 1 strafbar.

(1) Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn

1.
die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen,
2.
der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird und
3.
seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.

(2) Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.

(3) Die Voraussetzungen des Absatzes 2 gelten bei einem Schwangerschaftsabbruch, der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommen wird, auch als erfüllt, wenn nach ärztlicher Erkenntnis an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§ 176 bis 178 des Strafgesetzbuches begangen worden ist, dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß die Schwangerschaft auf der Tat beruht, und seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.

(4) Die Schwangere ist nicht nach § 218 strafbar, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach Beratung (§ 219) von einem Arzt vorgenommen worden ist und seit der Empfängnis nicht mehr als zweiundzwanzig Wochen verstrichen sind. Das Gericht kann von Strafe nach § 218 absehen, wenn die Schwangere sich zur Zeit des Eingriffs in besonderer Bedrängnis befunden hat.

(1) Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen; sie soll ihr helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen. Dabei muß der Frau bewußt sein, daß das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und daß deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, daß sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt. Die Beratung soll durch Rat und Hilfe dazu beitragen, die in Zusammenhang mit der Schwangerschaft bestehende Konfliktlage zu bewältigen und einer Notlage abzuhelfen. Das Nähere regelt das Schwangerschaftskonfliktgesetz.

(2) Die Beratung hat nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz durch eine anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle zu erfolgen. Die Beratungsstelle hat der Schwangeren nach Abschluß der Beratung hierüber eine mit dem Datum des letzten Beratungsgesprächs und dem Namen der Schwangeren versehene Bescheinigung nach Maßgabe des Schwangerschaftskonfliktgesetzes auszustellen. Der Arzt, der den Abbruch der Schwangerschaft vornimmt, ist als Berater ausgeschlossen.

(1) Die Beratungsstelle hat nach Abschluß der Beratung der Schwangeren eine mit Namen und Datum versehene Bescheinigung darüber auszustellen, daß eine Beratung nach den §§ 5 und 6 stattgefunden hat.

(2) Hält die beratende Person nach dem Beratungsgespräch eine Fortsetzung dieses Gesprächs für notwendig, soll diese unverzüglich erfolgen.

(3) Die Ausstellung einer Beratungsbescheinigung darf nicht verweigert werden, wenn durch eine Fortsetzung des Beratungsgesprächs die Beachtung der in § 218a Abs. 1 des Strafgesetzbuches vorgesehenen Fristen unmöglich werden könnte.

(1) Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen; sie soll ihr helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen. Dabei muß der Frau bewußt sein, daß das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und daß deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, daß sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt. Die Beratung soll durch Rat und Hilfe dazu beitragen, die in Zusammenhang mit der Schwangerschaft bestehende Konfliktlage zu bewältigen und einer Notlage abzuhelfen. Das Nähere regelt das Schwangerschaftskonfliktgesetz.

(2) Die Beratung hat nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz durch eine anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle zu erfolgen. Die Beratungsstelle hat der Schwangeren nach Abschluß der Beratung hierüber eine mit dem Datum des letzten Beratungsgesprächs und dem Namen der Schwangeren versehene Bescheinigung nach Maßgabe des Schwangerschaftskonfliktgesetzes auszustellen. Der Arzt, der den Abbruch der Schwangerschaft vornimmt, ist als Berater ausgeschlossen.

(1) Wer eine Schwangerschaft abbricht,

1.
ohne der Frau Gelegenheit gegeben zu haben, ihm die Gründe für ihr Verlangen nach Abbruch der Schwangerschaft darzulegen,
2.
ohne die Schwangere über die Bedeutung des Eingriffs, insbesondere über Ablauf, Folgen, Risiken, mögliche physische und psychische Auswirkungen ärztlich beraten zu haben,
3.
ohne sich zuvor in den Fällen des § 218a Abs. 1 und 3 auf Grund ärztlicher Untersuchung von der Dauer der Schwangerschaft überzeugt zu haben oder
4.
obwohl er die Frau in einem Fall des § 218a Abs. 1 nach § 219 beraten hat,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 218 mit Strafe bedroht ist.

(2) Die Schwangere ist nicht nach Absatz 1 strafbar.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach anderen Vorschriften geahndet werden kann.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach anderen Vorschriften geahndet werden kann.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.

(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach anderen Vorschriften geahndet werden kann.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 1. Dezember 2011 – 4 K 1112/11 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen das Verbot der Durchführung so genannter Gehsteigberatungen vor der vom Beigeladenen unterhaltenen Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle.
Der Kläger ist ein im Vereinsregister des Amtsgerichts ... eingetragener, vom Finanzamt ... als mildtätig und gemeinnützig anerkannter Verein. Zweck des Vereins ist nach § 2 Abs. 1 der Vereinssatzung „die konkrete Hilfe, die Information und das Gebet für Gottes kostbare Kinder.“ Gottes kostbare Kinder im Sinne des Vereins sind ausweislich der Präambel der Vereinssatzung ungeborene und geborene Kinder, Jugendliche, deren Mütter und Väter, Verwandte und Freunde sowie alle Personen, die von Abtreibung direkt oder indirekt betroffen sind, insbesondere die leidenden Frauen sowie Ärzte und deren Personal. Der Satzungszweck wird nach § 2 Abs. 2 der Vereinssatzung unter anderem verwirklicht durch unterschiedliche Formen von Gebetsveranstaltungen zum Schutz des ungeborenen Lebens, Veranstaltung von Katechesen und Vorträgen zur Lehre der römisch-katholischen Kirche in Bezug auf den Schutz des Lebens (Moral- und Sittenlehre), Beratungsstellen, Telefonseelsorge und Gehsteigberatung sowie durch Beratung der vom Schwangerschaftskonflikt betroffenen Frauen, auch nach der Abtreibung.
Der Beigeladene unterhält in der H...straße ... in Freiburg eine nach § 9 des Gesetzes zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten - SchKG - staatlich anerkannte Beratungsstelle.
Ab dem Spätsommer des Jahres 2010 organisierte der Kläger vor dieser Beratungsstelle so genannte Gehsteigberatungen. Die Gehsteigberatung richtet sich vornehmlich an Frauen, die nach Einschätzung der in Freiburg für den Kläger tätigen Gehsteigberaterin die Schwangerschaftskonfliktberatung in Anspruch nehmen könnten. Auf welche Art und Weise die zur Zielgruppe gehörenden Personen im Rahmen der Gehsteigberatung angesprochen werden, ist im einzelnen zwischen den Beteiligten streitig. Die Gehsteigberaterin wird in der Regel begleitet von einer „stillen Beterin“ oder einem „stillen Beter“, d.h. von einer Person, die in der Nähe still Rosenkränze betet. Die Gehsteigberatung wurde in dieser Form in der Regel an drei Wochentagen in der Zeit von 9 bis 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr durchgeführt. Diese Uhrzeiten entsprachen weitestgehend den Öffnungszeiten der Beratungsstelle des Beigeladenen.
Der Leiter des Beigeladenen wandte sich – nachdem ein persönliches Gespräch mit der vor der Beratungsstelle tätigen Gehsteigberaterin ergebnislos geblieben war – im September 2010 an die Beklagte. In einem am 14.09.2010 mit dem Vorstand des Klägers und der in Freiburg tätigen Gehsteigberaterin geführten Gespräch wies das Amt für öffentliche Ordnung der Beklagten darauf hin, dass es mit Blick auf die besondere Situation der Hilfe suchenden Frauen wünschenswert wäre, wenn die Gehsteigberatungen nicht unmittelbar vor der Beratungsstelle des Beigeladenen stattfänden. Einige Tage später berichtete der Leiter des Beigeladenen der Beklagten, dass in den vergangenen Wochen mehrfach jüngere Frauen unmittelbar vor der Beratungsstelle auf einen Schwangerschaftskonflikt angesprochen und mit „Parolen und einschlägigen Materialien“ behelligt worden seien.
Mit Schreiben vom 07.10.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass einer Gehsteigberatung in der H...straße nicht zugestimmt werden könne. Hingegen bestünden keine Einwände, wenn die Gehsteigberatung an der Ecke K...-Straße/H...straße stattfände. Sollte diesem Vorschlag nicht zugestimmt werden, sei beabsichtigt, die Ansprache von hilfesuchenden Personen in Form der Gehsteigberatung durch Erlass eines kostenpflichtigen Untersagungsbescheides zu unterbinden. Der Kläger erwiderte, es werde um Verständnis gebeten, dass die den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Gehsteigberatungen fortgeführt würden.
Nachdem der Beigeladene in der Folgezeit erneut über zunehmende Beschwerden seiner Klientinnen berichtet und sich an die Presse gewandt hatte, erließ die Beklagte am 16.02.2011 gegenüber dem Kläger den streitgegenständlichen Bescheid, in welchem ihm sowie den von ihm beauftragten Personen – unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (II.) und Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 250,-- EUR (III.) – untersagt wurde, im gesamten Bereich der H...straße, Freiburg i.Br., Personen auf eine Schwangerschaftskonfliktsituation anzusprechen oder ihnen unaufgefordert Broschüren, Bilder oder Gegenstände zu diesem Thema zu zeigen oder zu überreichen, d.h. so genannte Gehsteigberatungen durchzuführen (I.). Für die Entscheidung wurde eine Verwaltungsgebühr von 100,-- EUR festgesetzt (IV.). Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, die Art und Weise der Kontaktaufnahme und der Gesprächsführung sowie die Übergabe abschreckenden Informationsmaterials setze die betroffenen Frauen in einer ohnehin angespannten emotionalen Situation gleichsam einem Spießrutenlauf aus, was sie in ihren Persönlichkeitsrechten verletze. Daher sei die Untersagung der Gehsteigberatung in der H...straße auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG die erforderliche und angemessene Maßnahme.
Einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des gegen diese Verfügung eingelegten Widerspruchs lehnte das Verwaltungsgericht Freiburg mit Beschluss vom 04.03.2011 (- 4 K 314/11 - juris) ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies der erkennende Senat mit Beschluss vom 10.06.2011 (- 1 S 915/11 - ESVGH 62, 27 = NJW 2011, 2532 = VBlBW 2011, 468) zurück.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2011 wies das Regierungspräsidium Freiburg den vom Kläger eingelegten Widerspruch als unbegründet zurück.
10 
Bereits am 08.06.2011 hatte der Kläger (Anfechtungs-)Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht Freiburg erhoben, die er nach Ergehen des Widerspruchsbescheides als reguläre Anfechtungsklage fortführte. Zur Begründung führte er aus, die Beklagte habe keine eigenen Ermittlungen angestellt, sondern sich ausschließlich auf Gehörtes gestützt. Keine einzige der vermeintlich in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzten Frauen habe sich bei der Beklagten beschwert. Tatsächlich erfolge die Gehsteigberatung in freundlicher und respektvoller Weise. Sie werde insbesondere Frauen angeboten, von denen Mitglieder des Klägers annähmen, dass sie sich in einem Schwangerschaftskonflikt befänden und möglicherweise für das Hilfsangebot dankbar seien. Es würden keine Personen belästigt oder verfolgt. Das angebotene Informationsmaterial sei sachlich gehalten und unterrichte zutreffend über die Abtreibungsproblematik. Die gleichen Informationen habe der Beigeladene gemäß § 5 Abs. 2 SchKG ebenfalls zu geben. Die Beklagte dürfe polizeirechtlich nicht ausschließlich zum Schutz privater Rechte Dritter eingreifen. Der Meinungs- und Religionsfreiheit des Klägers habe sie nicht hinreichend Rechnung getragen, zumal der Kläger dem nachkomme, was das Bundesverfassungsgericht dem Staat als besondere Aufgabe auferlegt habe, nämlich den rechtlichen Schutzanspruch des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewusstsein zu halten.
11 
Die Beklagte hat die angefochtene Verfügung verteidigt und ergänzend ausgeführt: Soweit der Kläger seine Aktivitäten zwischenzeitlich an die Straßenecke K...-...Straße/H...straße verlegt habe, verstoße dieses Verhalten nicht gegen die Untersagungsverfügung; ein ordnungsbehördliches Einschreiten sei insoweit nicht geplant.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Vertreter der Beklagten klargestellt, dass von der angefochtenen Verfügung nur der von der K...Straße abknickende Abschnitt der H...straße erfasst sei; in dem zur R...straße führenden Abschnitt der H...straße gelte die Verfügung nicht.
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Mit Urteil vom 01.12.2011 hat das Verwaltungsgericht Freiburg die Klage als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: In der gebotenen restriktiven Auslegung sei das auf §§ 1, 3 PolG gestützte Verbot rechtmäßig. Die untersagte Handlung führe mit ausreichender Sicherheit zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der angesprochenen Frauen, so dass eine konkrete Gefahr vorliege. Im Unterschied zu einer allgemeinen Meinungskundgabe in persönlichen Gesprächen sehe das Konzept des Klägers gerade vor, Frauen in einem mutmaßlichen Schwangerschaftskonflikt auf ihre existentielle und intime Krise anzusprechen. Dahinter müsse die nur in einem kleinen Bereich und nur für eine spezifische Art der Ansprache eingeschränkte Meinungs- und Religionsfreiheit des Klägers zurückstehen. Dies gelte unabhängig von der genauen Art der Ansprache und der Höflichkeit des Auftretens, so dass es insoweit keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung etwa durch Vernehmung von Zeugen bedürfe.
14 
Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung vertieft und ergänzt der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen. Die Beklagte habe schon den Sachverhalt unvollständig erforscht und sich ausschließlich auf Informationen der Beigeladenen gestützt, was aus der unzureichenden Sachverhaltsdarstellung des Verwaltungsgerichts nicht erkennbar werde. Der Bescheid sei außerdem nicht ausreichend bestimmt, weil sich der räumliche Geltungsbereich so, wie ihn die Beklagte verstanden wissen wolle, erst aus einer Auslegung ergebe. Das höfliche Ansprechen auf eine Schwangerschaft könne schon gar keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen. Der Gemütszustand der angesprochenen Frauen sei zudem so unterschiedlich, dass jedenfalls nicht generalisierend von einer Verletzung ausgegangen werden könne. Viele Frauen seien im Gegenteil dankbar für die angebotene Hilfe, wie diverse Frauen aus ..., wo der Kläger schon länger tätig sei, bestätigen könnten. Außerdem werde - im Gegensatz zu den Feststellungen des Verwaltungsgerichts - nicht ausschließlich, sondern insbesondere schwangeren Frauen Hilfe angeboten. Die meisten Frauen, die die Beratungsstelle aufsuchten, seien gar nicht schwanger, wie sich aus den Jahresberichten des Beigeladenen ergebe. Die Gehsteigberatung störe auch die staatliche Beratung nicht; vielmehr biete sie ergänzende Hilfe und gleiche die ungenügende Beratung seitens des Beigeladenen aus, der sich für ein unbeschränktes Recht auf Abtreibung einsetze. Das vom Kläger verwendete Informationsmaterial sei sachlich und korrekt. Es bestehe kein öffentliches Interesse an der Gefahrenabwehr; die Untersagungsverfügung verletze den Subsidiaritätsgrundsatz des § 2 Abs. 2 PolG. Bei der Abwägung seien die Meinungs- und Glaubensfreiheit des Klägers sowie der Schutz des ungeborenen Lebens nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die angesprochenen Frauen seien allenfalls in ihrer Sozialsphäre betroffen. Das Urteil sei schließlich wegen der zahlreichen Verweise auf die Gründe der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidungen unvollständig und nicht aus sich heraus verständlich, so dass auch ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO vorliege.
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Der Kläger beantragt,
16 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 1. Dezember 2011 - 4 K 1112/11 - zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2011 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 13. Juli 2011 aufzuheben,
hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.
17 
Die Beklagte beantragt,
18 
die Berufung zurückzuweisen.
19 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Die regelmäßige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der angesprochenen Frauen entfalle nicht deshalb, weil einzelne Frauen für die Ansprache dankbar seien, zumal das Gros der Frauen tatsächlich sehr verstört auf die mitunter aufdringliche Vorgehensweise der Gehsteigberaterin und die unsachlichen Informationen reagiere. Der Beigeladene berate im Übrigen korrekt und den gesetzlichen Anforderungen entsprechend. Das Verbot sei sowohl in dem klargestellten räumlichen Umfang wie auch in Bezug auf die untersagten Handlungen verhältnismäßig, um das Persönlichkeitsrecht der Frauen, die sich in einem besonderen inneren Konflikt unmittelbar im Zusammenhang mit der Schwangerschaftskonfliktberatung befänden, zu schützen.
20 
Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
21 
die Berufung zurückzuweisen.
22 
Er legt dar, dass sich die Situation seit Erlass der Untersagungsverfügung zwar entspannt habe, fordert aber dennoch ein weitergehendes Verbot, da - außerhalb bzw. an der Grenze des räumlichen Geltungsbereichs der Untersagungsverfügung - weiterhin gezielt Frauen angesprochen würden, die die Beratungsstelle verließen. Entgegen dem Vorbringen des Klägers trete der Beigeladene nicht für eine unbeschränkte Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs, sondern nur für das Letztentscheidungsrecht der Schwangeren ein.
23 
Das gegen den Vorsitzenden des Senats und den Berichterstatter gerichtete Befangenheitsgesuch des Klägers hat der Senat ohne Mitwirkung der wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richter mit Beschluss vom 06.08.2012 abgelehnt.
24 
Den Antrag des Klägers, die vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 05.07.2011 ausgesprochene Beiladung rückgängig zu machen, hat der Senat mit Beschluss vom 08.08.2012, der in der öffentlichen Sitzung verkündet wurde, abgelehnt.
25 
Über die Art und Weise der Durchführung der Gehsteigberatung durch Mitarbeiter des Klägers in Freiburg hat der Senat durch Vernehmung von 11 Zeugen Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zum Sitzungsprotokoll vom 11.10.2012 verwiesen.
26 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Beklagten, des Regierungspräsidiums Freiburg und des Verwaltungsgerichts vor. Hierauf sowie auf die angefallenen Gerichtsakten - auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
27 
Der Senat sieht keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO wieder zu eröffnen. Der Klägervertreter zeigt in seinem darauf gerichteten Antrag vom 13.10.2012 nicht auf, dass der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör eine Wiedereröffnung gebieten würde (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 03.12.2008 - 10 B 13.08 - juris m.w.N.). Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Der Klägervertreter hat hiervon auch ausführlich Gebrauch gemacht. Die Aussagen der Zeugen zum Beweisthema bewegten sich im Übrigen im Rahmen des von den Beteiligten zur Art und Weise der Durchführung der Gehsteigberatung schriftsätzlich Vorgetragenen und der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - von sechs der elf Zeugen - abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen. Es erscheint daher nicht geboten, dem Klägervertreter Gelegenheit zu einer nochmaligen Würdigung der Zeugenaussagen zu geben.
II.
28 
Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim Verwaltungsgericht eingelegt (vgl. § 124 a Abs. 2 VwGO). Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO).
29 
Gemäß § 130 Abs. 1 VwGO hat der Verwaltungsgerichtshof selbst in der Sache zu entscheiden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die vom Kläger (hilfsweise) beantragte Rückverweisung an das Verwaltungsgericht gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor. Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht leidet nicht an einem wesentlichen Mangel.
30 
1. Das Verwaltungsgericht hat seine Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu erforschen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), nicht dadurch verletzt, dass es den schriftsätzlichen Beweisangeboten des Klägers nicht nachgegangen ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein Tatsachengericht seine Aufklärungspflicht grundsätzlich dann nicht verletzt, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine anwaltlich vertretene Partei nicht beantragt hat, es sei denn, dem Gericht musste sich auch ohne Stellung eines Beweisantrags die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung aufdrängen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.02.1988 - 7 B 28.88 - NVwZ 1988, 1020; Beschl. v. 01.03.2001 - 6 B 6.01 - NVwZ 2001, 923). Hier hat der Kläger keinen förmlichen Beweisantrag gestellt. Dem Gericht musste sich die Notwendigkeit einer weiteren Sachverhaltsaufklärung durch Vernehmung der schriftsätzlich benannten Zeugen zum konkreten Ablauf der Gehsteigberatung auch nicht aufdrängen, zumal die konkrete Form der Ansprache nach dem Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts für die Frage der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung rechtlich unerheblich war (UA S. 9).
31 
2. Die geltend gemachte Verletzung der Begründungspflicht nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Die Begründungspflicht verlangt, dass in den Urteilsgründen die tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen wiedergegeben werden, die das Gericht bestimmt haben, die Voraussetzungen für seine Entscheidung als erfüllt anzusehen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass das Gericht den ermittelten Tatsachenstoff wertend gesichtet und in welchen konkreten Bezug es ihn zu den angewandten Rechtsnormen gesetzt hat. Dies setzt voraus, dass das Gericht zum einen seinen rechtlichen Prüfungsmaßstab offen legt und zum anderen in tatsächlicher Hinsicht angibt, von welchem Sachverhalt es ausgeht und - sofern es den Tatsachenbehauptungen eines Beteiligten widerspricht - warum es dessen Vortrag nicht folgt und aufgrund welcher Erkenntnisse es eine ihm ungünstige Tatsachenlage als erwiesen ansieht. Aus den Entscheidungsgründen muss sowohl für die Beteiligten als auch für das Rechtsmittelgericht nachvollziehbar sein, aus welchen Gründen des materiellen Rechts oder des Prozessrechts nach Meinung des Gerichts dem Vortrag eines Beteiligten, jedenfalls soweit es sich um einen zentralen Punkt seiner Rechtsverfolgung handelt, nicht zu folgen ist (BVerwG, Beschl. v. 18.10.2006 - 9 B 6.06 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 66 Rn. 24). Die Begründungspflicht ist immer dann verletzt, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonstwie unbrauchbar sind (BVerwG, Beschl. v.05.06.1998 - 9 B 412.98 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 32; Beschl. v. 30.06.2009 - 9 B 23.09 - juris). Bezugnahmen auf andere Gerichtsentscheidungen sind jedoch zulässig, wenn diese den Beteiligten zugänglich und die eigene Entscheidung aus sich heraus noch verständlich ist (Höfling, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 108 Rn. 173 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 14.01.1991 - 1 B 171.90 - juris). Ausgehend davon lässt das Berufungsvorbringen eine Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht erkennen. Das angefochtene Urteil ist aus sich heraus verständlich. Die in Bezug genommenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des erkennenden Senats sind den Beteiligten bekannt. Es handelt sich um die im vorangegangenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Eilentscheidungen, die denselben Sachverhalt betreffen.
III.
32 
Die Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die als (Anfechtungs-)Untätigkeitsklage in zulässiger Weise erhobene und nach Ergehen des Widerspruchsbescheides als reguläre Anfechtungsklage fortgeführte Klage (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 75 Rn. 21, 26) ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
33 
1. Der Bescheid der Beklagten vom 16.02.2011 ist formell rechtmäßig.
34 
a) Die nach § 28 Abs. 1 LVwVfG erforderliche Anhörung des Klägers erfolgte mit Schreiben vom 07.10.2010.
35 
b) Die Beklagte hat entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegen die sich aus § 24 Abs. 1 LVwVfG ergebende Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen verstoßen. Diese Vorschrift überlässt es im Interesse einer möglichst umfassenden, den Erfordernissen des einzelnen Falles angepassten Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dem pflichtgemäßen Verfahrensermessen der Behörde, welche Mittel sie zur Erforschung des Sachverhalts anwendet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.08.1998 - 11 VR 4.98 - NVwZ 1999, 535 und Beschl. v. 30.06.2004 - 5 B 32.03 - juris; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 24 Rn. 9 m.w.N.). Der Amtsermittlungsgrundsatz verpflichtet die Behörden nicht, sämtliche relevanten Tatsachen selbst zu erheben und erforderlichenfalls nachzuprüfen (Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 10 a). Ein Verfahrensfehler liegt erst dann vor, wenn die Behörde eine sachlich notwendige Aufklärung des Sachverhalts unterlässt (Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 36). Hier hat sich die Beklagte durch Auswertung der ihr vom Beigeladenen und vom Kläger übermittelten Unterlagen - darunter der Vereinssatzung und der bei der Gehsteigberatung verwendeten Faltblätter -, durch Auswertung allgemein zugänglicher Quellen (Presseberichte) sowie durch Führung eines Gesprächs mit dem Vorsitzenden des Klägers und der für den Kläger in Freiburg tätigen Gehsteigberaterin hinreichende Kenntnis von dem nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Sachverhalt verschafft. Eine Verpflichtung der Beklagten, darüber hinaus durch eigene Beobachtungen vor Ort einen unmittelbaren Eindruck vom Ablauf der sog. Gehsteigberatungen zu gewinnen, bestand nicht, zumal die Beklagte ihre Entscheidung im Kern auf vom Kläger selbst mitgeteilte bzw. bestätigte Tatsachen gestützt hat.
36 
2. Die Untersagungsverfügung ist auch inhaltlich hinreichend bestimmt (vgl. § 37 Abs. 1 LVwVfG). Insoweit genügt es, dass aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor allem aus der von der Behörde gegebenen Begründung und aus den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 37 Rn. 12 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 03.02.1989 - 7 B 18.89 - NJW 1989, 1624). Hierbei ist entsprechend § 133 BGB auf den erklärten Willen aus der Sicht eines verständigen Empfängers abzustellen (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 Rn. 71). Ein ursprünglich zu unbestimmter Verwaltungsakt kann, wie sich aus § 79 Abs. 1 VwGO ergibt, im Widerspruchsverfahren, aber auch noch im Verwaltungsprozess präzisiert werden (BVerwG, Beschl. v. 21.06.2006 - 4 B 32.06 - NVwZ-RR 2006, 589).
37 
Daran gemessen bereitet es hier keine Schwierigkeiten festzustellen, dass die Untersagungsverfügung - was bereits im Verfügungstenor hinreichend zum Ausdruck kommt und auch der Zielrichtung der Verfügung entspricht - neben der persönlichen Ansprache auf eine Schwangerschaftskonfliktsituation nur das unaufgeforderte und gezielt-individuelle Vorzeigen (Hinhalten) und Überreichen von Broschüren, Bildern und Gegenständen erfasst.
38 
Soweit nach dem Wortlaut der Verfügung allgemein das Ansprechen von „Personen“ auf einen Schwangerschaftskonflikt verboten wurde, wird bereits aus der Umschreibung der Verbotshandlungen mit dem Begriff der „Gehsteigberatung“ im Tenor hinreichend deutlich, dass das Verbot sich nur auf das Ansprechen von Personen bezieht, die zur Zielgruppe der vom Kläger angebotenen Beratung gehören können. Gestützt wird diese Auslegung durch die Begründung der Verfügung, wo ausgeführt wird, dass das Verbot dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der ratsuchenden Personen gelten soll. Das Ansprechen von unbegleiteten Männern oder von Frauen im Alter jenseits eines potentiellen Schwangerschaftskonflikts wird daher von der Verfügung nicht erfasst, wohl aber das Ansprechen von Frauen im gebärfähigen Alter, die von einer weiteren Person begleitet werden.
39 
In räumlicher Hinsicht ergibt die Auslegung und die durch die Beklagte im gerichtlichen Verfahren erfolgte Klarstellung, dass das Verbot nur für den etwa 70 m langen Abschnitt der H...straße, an dem die Beratungsstelle des Beigeladenen liegt, gelten soll. Der räumliche Geltungsbereich erstreckt sich also von der K...-...Straße aus nach Westen bis zur nächsten Straßenbiegung, nicht erfasst ist der abknickende, zur R...straße führende Straßenabschnitt. Zwar spricht der Tenor des Bescheides von der „gesamten H...straße“. Allerdings ergibt sich schon aus der Zielsetzung der Verfügung und der Begründung ein einschränkendes Verständnis. Das Verbot zielt darauf ab zu verhindern, dass der Kläger Frauen unmittelbar vor oder nach einer Schwangerschaftskonfliktberatung ansprechen kann. Demgegenüber soll nicht allgemein die Ansprache von Passanten unterbunden werden. Entsprechend endet das Verbot in östlicher Richtung an der Ecke H...straße/K...Straße, weil dort der Sichtkontakt mit der Beratungsstelle abbricht und die anzusprechenden Frauen in dem Strom der Passanten aufgehen. Nichts anderes kann für das andere Ende des räumlichen Geltungsbereichs gelten. Spätestens mit der Antragserwiderung vom 15.02.2011 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat die Beklagte die insoweit möglicherweise bestehende Unklarheit mit dem Hinweis beseitigt, der Geltungsbereich erstrecke sich nur über 70 m. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat sie dies nochmals bestätigt.
40 
3. Das von der Untersagungsverfügung erfasste Verhalten des Klägers und der für ihn in Freiburg tätigen Gehsteigberaterin stellt eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar, die ein Einschreiten auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG rechtfertigt.
41 
a) Die Anwendung der polizeilichen Generalklausel der §§ 1, 3 PolG ist weder durch das Straßenrecht noch durch das Versammlungsrecht gesperrt.
42 
aa) Die Anwendung der polizeilichen Generalklausel ist nicht durch vorrangige Vorschriften des Straßenrechts gesperrt. Denn die von der Beklagten untersagte Gehsteigberatung ist straßenrechtlich noch als Gemeingebrauch und nicht als Sondernutzung anzusehen (vgl. zu entsprechenden Formen des „politischen Meinungskampfes“ näher BVerfG [Kammer], Beschl. v. 18.10.1991 - 1 BvR 1377/91 - NVwZ 1992, 53; BVerwG, Urt. v. 07.06.1978 - 7 C 5.78 - BVerwGE 56, 63 <67 f.>), zumal ihre Erscheinungsformen nicht der erwerbswirtschaftlichen Nutzung des Straßenraums dienen und damit als noch dem „kommunikativen Verkehr“ zugehörig einzustufen sind (vgl. zur Abgrenzung im Einzelnen: VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.07.1996 - 5 S 472/96 - VBlBW 1997, 64; Sauthoff, NVwZ 1990, 223 <225>; Schnebelt/Sigel, Straßenrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., Rn. 287 ff.; Lorenz/Will, Straßengesetz Baden-Württemberg, 2. Aufl., § 13 Rn. 22 ff.). Daher bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob und inwieweit die Regelungen des Straßengesetzes im Sachbereich der erlaubnisfähigen Sondernutzung eine Sperrwirkung gegenüber allgemein-polizeirechtlichen Regelungen entfalten (vgl. dazu Schnebelt/Sigel, a.a.O., Rn. 255; s. auch Senatsurteil vom 26.06.1986 - 1 S 2448/85 - ESVGH 36, 293).
43 
bb) Die Gehsteigberatung ist auch keine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes. Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist. Das Grundrecht schützt die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in der freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 8 Abs. 1 GG reicht es wegen seines Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr zusätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 <104>; BVerfG [Kammer], Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - NJW 2001, 2459 <2460>; Senatsurteil vom 12.06.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468). Hier zielt die Ansprache seitens der im Auftrag des Klägers tätigen Gehsteigberaterin auf eine individuelle Kommunikation mit Einzelpersonen, nicht aber auf die für die Annahme einer Versammlung konstitutive Kommunikation vermittels einer eigens zu diesem Zweck veranlassten Gruppenbildung (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.08.2007 - 6 C 22.06 - NVwZ 2007, 1434 ).
44 
b) Eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit liegt vor, weil die vom Kläger im räumlichen Geltungsbereich der Untersagungsverfügung praktizierte Gehsteigberatung mit dem erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts insbesondere derjenigen angesprochenen Frauen führt, die sich tatsächlich in einer Schwangerschaftskonfliktsituation befinden.
45 
aa) Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG umfasst die Rechte und Rechtsgüter der Einzelnen; dazu gehört neben Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermögen (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233, 241/81 - BVerfGE 69, 315 <352>) auch das durch Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. Senatsurteile vom 22.02.1995 - 1 S 3184/94 - VBlBW 1995, 282 <283> und vom 08.05.2008 - 1 S 2914/07 - VBlBW 2008, 375 <376> m.w.N. = NVwZ-RR 2008, 700 <701>).
46 
bb) Das in Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht dient dem Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre und der Erhaltung ihrer Grundbedingungen, die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.11.1998 -1 BvR 1531/96 - BVerfGE 99, 185 <193>; Beschl. v. 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 - BVerfGE 114, 339 <346>; Urt. v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - BVerfGE 120, 274 <303>). Im Sinne eines Schutzes vor Indiskretion hat hiernach jedermann grundsätzlich das Recht ungestört zu bleiben. Dem Einzelnen wird ein Innenbereich freier Persönlichkeitsentfaltung garantiert, in dem er „sich selbst besitzt“ und in den er sich frei von jeder staatlichen Kontrolle und sonstiger Beeinträchtigung zurückziehen kann (BVerfG, Entscheidung vom 16.07.1969 - 1 BvL 19/63 - BVerfGE 27, 1 <6> m.w.N.; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 149). Diese Privatsphäre umfasst zum einen Rückzugsräume im Wortsinne, aber auch Themen der engeren Lebensführung, „deren öffentliche Erörterung als peinlich oder zumindest unschicklich empfunden wird“ (Di Fabio, a.a.O.).
47 
cc) Daran gemessen greift die Ansprache durch einen Fremden auf die Themen Schwangerschaft oder gar Schwangerschaftskonflikt in die Privatsphäre der betroffenen Frauen ein. Die Grundrechte sind zwar primär Abwehrrechte gegenüber dem Staat. Sie konstituieren jedoch gleichzeitig eine Werteordnung, die auch die Rechtsverhältnisse zwischen Privaten mittelbar prägt, indem sie bei der Auslegung des einfachen Rechts - hier der polizeilichen Generalklausel - zu beachten ist. Zumindest in der Frühphase der Schwangerschaft, in der diese noch nicht äußerlich erkennbar ist, entscheidet die Frau darüber, die Schwangerschaft publik zu machen oder geheim zu halten. Der Schutz der Privatsphäre ist umso intensiver, je näher der Sachbereich der Intimsphäre steht. Gerade das erste Drittel der Schwangerschaft, in dem sich die überwiegende Mehrzahl der ratsuchenden Frauen befinden dürfte, weist eine große Nähe zur Intimsphäre auf, so dass für die Frage der Eingriffsrechtfertigung auch dann ein sehr hohes Schutzniveau für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zugrundezulegen ist, wenn man die Schwangerschaft nicht sogar pauschal der Intimsphäre der Frau zuordnet (so noch BVerfG, Urt. v. 25.02.1975 - 1 BvF 1/74 u.a. [Schwangerschaftsabbruch I] - BVerfGE 39, 1 <42>). In der Frühphase der Schwangerschaft befinden sich die meisten Frauen in einer besonderen seelischen Lage, in der es in Einzelfällen zu schweren Konfliktsituationen kommt. Diesen Schwangerschaftskonflikt erlebt die Frau als höchstpersönlichen Konflikt. Die Umstände erheblichen Gewichts, die einer Frau das Austragen eines Kindes bis zur Unzumutbarkeit erschweren können, bestimmen sich nicht nur nach objektiven Komponenten, sondern auch nach ihren physischen und psychischen Befindlichkeiten und Eigenschaften (BVerfG, Urt. v. 28.05.1993 - 2 BvF 2/90 u.a. [Schwangerschaftsabbruch II] - BVerfGE 88, 203 <265>). Die emotionalen Konflikte und persönlichen Lebensumstände, die Frauen in dieser Phase über einen Schwangerschaftsabbruch nachdenken lassen, berühren regelmäßig ebenfalls die Privatsphäre der Frau, unter anderem ihre Beziehung zum Vater des Kindes, ihre weitere Lebensplanung und die Beziehung zu dem in ihr wachsenden Kind.
48 
Gerade in dieser Konfliktsituation hat die schwangere Frau, die eine anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle aufsucht, ein Recht darauf, von fremden Personen, die sie auf der Straße darauf ansprechen, in Ruhe gelassen zu werden.
49 
Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die für den Kläger in Freiburg tätige Gehsteigberaterin Frauen in unmittelbarer Nähe der von der Beigeladenen unterhaltenen Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle regelmäßig in einer Art und Weise angesprochen hat, die diese in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Mehrere Zeuginnen und Zeugen haben übereinstimmend und glaubhaft berichtet, dass die Ansprache mit den Worten „Sind Sie schwanger?“ erfolgte. Die Zeugin S..., die ab dem 01.08.2010 ein Praktikum bei ...... absolvierte, gab an, von Frau F... mehrfach mit den Worten „Sind Sie schwanger?“ angesprochen worden zu sein. Sie habe auch gesehen, dass Frau F... andere Frauen, darunter eine erkennbar über den dritten Monat hinaus Schwangere, ebenfalls angesprochen habe. Die Zeuginnen Sch... und D... gaben ebenfalls an, von Frau F... mit diesen Worten angesprochen worden zu sein. Bestätigt werden diese Angaben durch den bei ...... in der Schwangerschaftsberatung tätigen Zeugen H... und die in einem Jobcenter der Bundesagentur für Arbeit tätige Zeugin U..., die zwar keine Wahrnehmungen aus eigener Anschauung schildern konnten, aber angaben, dass Frauen ihnen von einer entsprechenden Ansprache berichtet hätten. Die als Schulsozialpädagogin in Freiburg tätige Zeugin M...-... erklärte, sie wisse konkret von zwei Schülerinnen von ihr, die bei ...... zur Schwangerschaftsberatung gewesen und nach Verlassen des Gebäudes angesprochen worden seien. Sie könne nicht mehr genau sagen, mit welchen Worten die Ansprache erfolgt sei, es habe sich auf jeden Fall um eine persönliche Frage gehandelt, die mit den Worten „Sind Sie“ begonnen habe. Sie vermute, dass die Frage „Sind Sie schwanger?“ gelautet habe, könne dies aber nicht sicher sagen.
50 
Gründe, die Richtigkeit dieser Zeugenaussagen in Zweifel zu ziehen, gibt es nicht. Allein der Umstand, dass die betreffenden Zeugen alle vom Beigeladenen benannt wurden, rechtfertigt nicht die Annahme, die Zeugen hätten ihre Aussagen abgesprochen. Gegen eine Absprache spricht auch, dass die betreffenden Zeugen ihre Wahrnehmungen nicht stereotyp, sondern jeweils individuell mit eigenen Worten geschildert haben. Soweit Zeugen sich nicht genau erinnern konnten, legten sie dies offen wie die Zeugin M... oder die als Praktikantin bei ...... tätige Zeugin M..., die angab, sich nicht genau zu erinnern, mit welchen Worten sie von Frau F... angesprochen worden sei.
51 
Die den im Kern übereinstimmenden Aussagen der Zeugen S..., S..., D..., H... und M... widersprechende Aussage der Zeugin F... war demgegenüber nicht glaubhaft. Die Zeugin F... hatte bei ihrer ersten Zeugenvernehmung angegeben, sie biete zunächst den Flyer an und beginne, wenn die Frau Interesse habe, ein Gespräch meistens nicht direkt auf die Frau bezogen, sondern allgemein, ob sie etwa jemanden kenne, der in einem Schwangerschaftskonflikt sei. Diese Art der Ansprache von Frauen im gebärfähigen Alter vor einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle wirkt lebensfremd und kann der Zeugin F... nicht abgenommen werden. Sie konnte selbst von den für den Kläger als sog. stille Beterinnen tätigen Zeuginnen U... und L... nicht bestätigt werden, obwohl Frau F... angegeben hatte, sie habe bei ihrer Tätigkeit bewusst darauf geachtet, dass die stille Beterin in Hörweite ist und das Gespräch mit verfolgen kann, um später einen Zeugen für den Inhalt des Gesprächs zu haben. Die als stille Beterin tätige Zeugin U... gab an, sie könne nicht wiederholen, was Frau F... bei der Ansprache gesagt habe. Sie habe allenfalls Gesprächsteile mitbekommen, die sie jedoch nicht wiedergeben könne. Von Ferne betrachtet sei die Ansprache der Passantinnen meistens höflich gewesen. Frau F... habe jedoch eine direkte Art, die einem manchmal wehtun könne. Die ebenfalls als stille Beterin tätige Zeugin L... gab an, sie habe meistens nicht verstehen können, was Frau F... zu den von ihr angesprochenen Personen gesagt habe.
52 
Entscheidend gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage von Frau F... spricht auch ihr übriges Aussageverhalten. Sie antwortete häufig ausweichend und war sehr darauf bedacht, nichts zu sagen, was ihre Tätigkeit als Gehsteigberaterin gefährden könnte. Ihre Aussage, sie bleibe bei der ersten Kontaktaufnahme in der Regel stehen, weil dies für die Frauen weniger aufdringlich wirke, wurde von den übrigen Zeugen ebenfalls nicht bestätigt. Die Zeugin U... gab an, Frau F... habe sich bewegt, wenn sie Kontakt gesucht habe. Sie sei aktiv auf die Angesprochenen zugegangen und während der Kontaktaufnahme auch mit den Angesprochenen mitgegangen. Ähnlich äußerte sich die Zeugin L..., die erklärte, Frau F... habe sich bei der Kontaktaufnahme bewegt, d.h. sie habe auch mal die Straße überquert. Bei ihrer nochmaligen Zeugenvernehmung konnte Frau F... sich auf den Vorhalt des Beigeladenen-Vertreters, er habe Informationen, dass sich der Anwalt des Klägers in der Sitzungspause um 16.30 Uhr mit ihr unterhalten und ihr mitgeteilt habe, dass die meisten Zeugen ausgesagt hätten, dass sie das Gespräch mit den Worten „Sind Sie schwanger?“ beginne, zunächst nicht erinnern, ob sie überhaupt mit dem Anwalt des Klägers gesprochen habe. Erst auf Nachfrage und nach suchenden Blicken in Richtung des Prozessbevollmächtigten des Klägers räumte sie ein, dass ein Gespräch stattgefunden habe, in dessen Verlauf der Kläger-Anwalt sie über diesen Umstand informiert habe. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Zeugin F... sich sehr wohl unmittelbar an das erst etwa zwei Stunden zuvor stattgefundene Gespräch, welches den Kern ihrer Zeugenaussage betraf, erinnern konnte, aber zunächst Zeit gewinnen wollte, um sich eine „passende“ Antwort auf die an sich einfach zu beantwortende Frage zurechtzulegen. Auf Vorhalt der Zeugenaussagen blieb Frau F... dabei, dass es nicht zutreffe, dass ihre ersten Worte bei der Gesprächseröffnung „Sind Sie schwanger?“ seien. Sie habe in ihrer Ausbildung in Wien gelernt, dass man so ein Gespräch nicht beginnen könne. Sie zeige den Flyer und frage allgemein „Brauchen Sie Hilfe?“. Es könne sein, dass sie den Satz „Sind Sie schwanger?“ im Laufe eines Gesprächs vielleicht als vierten Satz gesagt habe. Nicht geglaubt werden kann der Zeugin F... des weiteren, dass sie das Gebäude, in dem sich die Beratungsstelle des Beigeladenen befindet, nie betreten hat. Denn der Zeuge T..., Geschäftsführer bei ......, hat glaubhaft erklärt, dass Flyer des Klägers auf den Toiletten und in den Broschürenständern im Gebäude H...straße ... aufgetaucht sind. Als er sie zur Rede gestellt habe, habe sie sich entschuldigt und versprochen, dass dies künftig nicht mehr vorkommen werde. Gestützt wird dies durch die Aussage der Zeugin D..., die erklärt hat, sie habe selbst gesehen, dass Frau F... in dem Gebäude H...straße ... gewesen sei, bevor ihr der Zugang untersagt worden sei.
53 
Der Senat sah keine Veranlassung, die vom Kläger beantragten Zeugengegenüberstellungen vorzunehmen, da die Zeuginnen S..., Sch... und D... bei ihren Vernehmungen bereits jeweils auf die abweichende Aussage von Frau F... hingewiesen worden waren und die Zeugin F... bei ihrer erneuten Vernehmung Gelegenheit hatte, ihre Aussage im Lichte der Aussagen der genannten Zeuginnen zu überdenken.
54 
Dass die Ansprache mit den Worten „Sind Sie schwanger?“ möglicherweise nicht seitens der Zeugin F..., sondern durch eine andere Person erfolgte, kann ausgeschlossen werden, weil die Zeugin F... die einzige in Freiburg für den Kläger tätige Gehsteigberaterin ist und die meisten Zeugen auch jeweils die bei der Gehsteigberatung verwendeten Flyer identifizieren konnten. Es kann daher ausgeschlossen werden, dass diese Ansprache seitens anderer Abtreibungsgegner, die hin und wieder vor der Beratungsstelle des Beigeladenen demonstrieren, erfolgte.
55 
Der Kläger muss sich das Verhalten seiner Gehsteigberaterin auch zurechnen lassen, weil diese nach einer nur kurz währenden Anfangsphase im Juli/August 2010, in der sie auf eigene Verantwortung tätig war, die Gehsteigberatung im Auftrag des Klägers ausgeübt hat. An der Art der Ansprache hat sich hierdurch nichts geändert. Die Wahrnehmungen der Zeugen, die von einer Ansprache mit den Worten „Sind Sie schwanger?“ berichtet haben, beziehen sich auf unterschiedliche Zeiträume jedenfalls von Herbst 2010 bis nach Ergehen der angefochtenen Untersagungsverfügung. Geändert hat sich nach den glaubhaften Zeugenaussagen lediglich der Ort der Ansprache, die seit Ergehen der Untersagungsverfügung nicht mehr in der H...straße, sondern an der Ecke H...straße/K...Straße erfolgte.
56 
Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der angesprochenen Frauen erhält dadurch zusätzliches Gewicht, dass die Ansprache mit den Worten „Sind Sie schwanger?“ in der Öffentlichkeit auf einer belebten Straße in einer für unbeteiligte Dritte wahrnehmbaren Weise erfolgte. Nach der glaubhaften Aussage der Zeugin S... haben auch andere umstehende Personen wahrgenommen, wie sie von Frau F... mit diesen Worten angesprochen wurde.
57 
Vertieft wird der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch die den angesprochenen Frauen angebotenen Faltblätter, die mit Sätzen wie „Kinder sind Gottes schönstes Geschenk. Jedes Kind hat das Recht, auf die Welt zu kommen, ob es erwünscht ist oder nicht“ oder „Bitte unternimm jetzt nichts, was DEINEM KIND WEHTUT, denn du wirst es später bereuen“ klar Position beziehen und im Ergebnis einen Schwangerschaftsabbruch nicht als moralisch vertretbar erscheinen lassen. Die Aussage „Glaube an Dich und folge Deinem Herz – Bitte behalte Dein Baby“ ist nicht nur ein eindringlicher und emotionaler Appell, sondern suggeriert auch, dass im Grunde jede Frau ihr Kind austragen will und nur durch äußere Einflüsse davon abgebracht wird. In diesem Kontext erscheinen die Hilfsangebote an die Mutter lediglich als Mittel zum Zweck, die Mutter um jeden Preis zum Austragen des Kindes zu bewegen. Das ebenfalls verteilte Faltblatt des „Lebenszentrum Wien“ geht noch darüber hinaus. Es konfrontiert die Frauen, die die Faltblätter annehmen, unvermittelt mit Bildern blutverschmierter und zerstückelter Föten und ist geeignet, einschüchternd und verstörend zu wirken. Diese Wirkung ist umso stärker, als auf der Außenseite der Faltblätter zunächst der Eindruck erweckt wird, es gehe ausschließlich um ein beratendes Hilfsangebot.
58 
Unerheblich für das Vorliegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist, dass möglicherweise nicht alle Frauen ablehnend auf die Ansprache reagieren. Entscheidend ist angesichts der Vielzahl der betroffenen Grundrechtsträgerinnen, dass eine nicht unerhebliche Zahl von ihnen die objektiv gegebene Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch subjektiv als solche empfindet. Daher bedarf es keiner Beweiserhebung zu der Frage, ob es Frauen gibt, die dankbar für die Ansprache sind.
59 
Die Auffassung des Klägers, seine Tätigkeit greife lediglich in die weniger schützenswerte Sozialsphäre der angesprochenen Frauen ein, weil die Frage des Hilfsangebots in einer Schwangerschaftssituation eher die Sozial- als die Privatsphäre der Schwangeren betreffe, geht an der Realität der von ihm in Freiburg praktizierten Form der Gehsteigberatung vorbei. Mit der Sozialsphäre ist das Ansehen des Einzelnen in der Öffentlichkeit gemeint. Sie beschreibt einen Bereich, der ohnehin von der Umwelt nicht abgeschirmt werden kann (vgl. Di Fabio, a.a.O., Art. 2 Abs. 1 Rn. 160). Wie bereits dargelegt, geht es im vorliegenden Fall nicht um das Ansehen der betroffenen Frauen in der Öffentlichkeit, sondern um einen sensiblen Bereich der engeren Lebensführung und den Bereich der Gedanken- und Gefühlswelt eines Menschen als psychischem Innenbereich. Die eigene Gedanken- und Gefühlswelt in einem persönlichen Konflikt bleibt auch dann privat, wenn sie mit einem gesellschaftlichen Konflikt zusammenhängt. Daher geht auch der Verweis des Klägers auf den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 08.06.2010 (- 1 BvR 1745/06 [Abtreibungsgegner] - NJW 2011, 47) fehl, in dem es nicht um den Schutz der Privatsphäre schwangerer Frauen, sondern um den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines Schwangerschaftsabbrüche vornehmenden Arztes ging.
60 
c) Nachdem die Beklagte ihre Verfügung nicht darauf gestützt hat, lässt der Senat offen, ob eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit darüber hinaus deshalb gegeben ist, weil die vom Kläger praktizierte Form der Gehsteigberatung das Beratungskonzept des Schwangerschaftskonfliktgesetzes beeinträchtigt, welches der Erfüllung der dem Staat obliegenden Schutzpflicht für das ungeborene Leben dient (vgl. zum Schutz des Lebens als Schutzgut der öffentlichen Sicherheit Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 1 Rn. 50 m.w.N.).
61 
d) Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen ist nicht durch die Grundrechte des Klägers gerechtfertigt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht findet seine Schranken in den kollidierenden Grundrechten Dritter, hier der Meinungs- und Religionsfreiheit des Klägers. Umgekehrt sind auch die Grundrechte des Klägers in gleicher Weise beschränkt. Es ist daher eine Abwägung vorzunehmen, die im Wege praktischer Konkordanz allen Grundrechten zu jeweils bestmöglicher Wirkung und Geltung verhilft (vgl. nur BVerfG, Urt. v. 15.01.1958 - 1 BvR 400/51 - BVerfGE 7, 198 <210>; stRspr.).
62 
aa) Die durch Art. 5 Abs. 1 GG / Art. 10 EMRK geschützte Meinungsfreiheit des Klägers und der von ihm beauftragten Personen gebietet es nicht, den in der Verfügung untersagten Verhaltensweisen Vorrang vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen einzuräumen.
63 
Allerdings ist der personelle Schutzbereich der durch Art. 5 Abs. 1 GG / Art. 10 EMRK geschützten Meinungsfreiheit zugunsten des Klägers - einer juristischen Person des Privatrechts - eröffnet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.10.1991 - 1 BvR 1555/88 - BVerfGE 85, 1 <11 ff.>; Beschl. v. 13.02.1996 - 1 BvR 262/91 - BVerfGE 94, 1 <7 ff.>; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 5 Rn. 116) und die von der Verfügung erfassten Äußerungen und Verhaltensweisen können auch in sachlicher Hinsicht den Schutz der Meinungsfreiheit beanspruchen. Denn Art. 5 Abs. 1 GG umfasst in seiner Ausprägung als Meinungsäußerungs- und -verbreitungsfreiheit jede Art und Weise der Äußerung, das (fragende und behauptende) Ansprechen ebenso wie die Äußerung in Bild und Schrift sowie Tätigkeiten, die als Mittel des geistigen Meinungskampfes die Wirkung der Äußerung verstärken sollen, und damit sämtliche der hier im Streit stehenden Verhaltensweisen (vgl. zur sog. Gehsteigberatung auch: BVerfG [Kammer], Beschl. v. 08.06.2010 - 1 BvR 1745/06 - NJW 2011, 47; vgl. näher zum Schutzbereich: Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. 1, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 49 ff. m.w.N.). Der Senat misst der Meinungsfreiheit des Klägers auch ein bedeutendes Gewicht bei. Das Recht, eine Meinung äußern zu dürfen, ist Teil des in der Menschenwürde wurzelnden elementaren Rechts auf Denkfreiheit und damit in einem gewissen Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.01.1958 - 1 BvR 400/51 - BVerfGE 7, 198 <208>). Ungeachtet ihrer Ausprägung als privat-individuelles Entfaltungsrecht ist die Meinungsfreiheit auch für den Prozess politischer Öffentlichkeit im demokratischen Verfassungsstaat von schlechthin grundlegender Bedeutung (vgl. wiederum Schulze-Fielitz, in: Dreier, a.a.O., Rn. 40). Denn das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der das Lebenselement des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaats ist (so schon BVerfG, Urt. v. 17.08.1956 - 1 BvB 2/51 - BVerfGE 5, 85 <205>). Als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft ist es eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt (BVerfG, Urt. v. 15.01.1958, a.a.O.). Im Blick auf ihre konstituierende Funktion ist besonders die Mindermeinung, die für falsch gehaltene Auffassung, das Anders-Denken von Bedeutung. Nur die freie öffentliche Diskussion über Gegenstände von allgemeiner Bedeutung, zu denen die Debatte um den Schutz des ungeborenen Lebens zweifelsohne zu rechnen ist, sichert die freie Bildung der öffentlichen Meinung, die sich im freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat notwendig pluralistisch im Widerstreit verschiedener und aus verschiedenen Motiven vertretener, aber jedenfalls in Freiheit vorgetragener Auffassungen vollzieht (anschaulich Herzog, in: Maunz/Dürig, a.a.O., Rn. 10). Insoweit sind dem gesellschaftspolitischen „Mainstream“ widersprechende, im Wortsinne „anstößige“ Meinungsäußerungen von besonderem Wert.
64 
Die Meinungsfreiheit umfasst - das liegt gerade in ihrem soeben dargestellten Zweck begründet - auch das Recht, selbst zu bestimmen, wo und wann die Meinungskundgabe erfolgt, zumal an Orten, an denen ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist (vgl. nur Hoffmann-Riem, in: Alternativkommentar zum GG, Art. 5 I, II Rn. 26). Denn der öffentliche Straßenraum ist das natürliche und geschichtlich leitbildprägende Forum, auf dem Bürger ihre Anliegen besonders wirksam in die Öffentlichkeit tragen und hierüber die Kommunikation anstoßen können (so jüngst im Zusammenhang mit der Versammlungsfreiheit: BVerfG, Urt. v. 23.11.2010 - 1 BvR 699/06 [Fraport] - BVerfGE 128, 226 <251>). Auch die Auswahl des Meinungsadressaten obliegt prinzipiell dem Meinenden. Er bestimmt, wen er mit seiner Meinungsäußerung konfrontieren will. Der von der Meinungskundgabe thematisch Betroffene muss die Meinung grundsätzlich ebenso „aushalten“ wie der Meinungslose und der Desinteressierte, wobei Kehrseite der Meinungsäußerungsfreiheit die selbstverständliche Freiheit des Einzelnen ist, von Meinungen anderer verschont zu bleiben und ihnen auszuweichen. Art. 5 Abs. 1 GG schützt auch bei Themen von besonderem öffentlichen Interesse keine Tätigkeiten, mit denen Anderen eine bestimmte Meinung aufgedrängt werden soll (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 08.06.2010 - 1 BvR 1745/06 - a.a.O. S. 48).
65 
Für die im Wege praktischer Konkordanz vorzunehmende Abwägung ist zunächst von Bedeutung, dass die Gehsteigberatung über eine bloße Meinungskundgabe hinausgeht. Wie auch die von der Gehsteigberaterin verwendeten Flyer zeigen, zielt sie darauf, den angesprochenen Frauen eine bestimmte Meinung aufzudrängen und sie zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen.
66 
Von entscheidendem Gewicht ist im Rahmen der Abwägung des weiteren, dass die Gehsteigberatung ausschließlich in einem lediglich ca. 70 m langen Abschnitt der H...straße untersagt wurde. Diese Straße müssen die schwangeren Frauen notwendigerweise passieren, um die Beratungsstelle des Beigeladenen zu erreichen. Sie haben daher keine Möglichkeit der Gehsteigberatung auszuweichen. Dem Kläger und seinen Mitgliedern bleibt es jedoch möglich, die Gehsteigberatung im restlichen Stadtgebiet durchzuführen und seine Meinung in Freiburg an anderen Stellen kund zu tun. Es bleibt ihm unbenommen, in anderer Weise als durch direkte Ansprache der Betroffenen unmittelbar vor einer anerkannten Beratungsstelle auf seine Hilfsangebote aufmerksam zu machen. So wurde dem Kläger auch in dem fraglichen Abschnitt der H...straße nicht jegliche Form der Meinungsäußerung verboten, sondern nur das Ansprechen von Personen auf eine Schwangerschaftskonfliktsituation und das unaufgeforderte Überreichen von Broschüren, Bildern oder Gegenständen zu diesem Thema. Eine allgemeine Kritik an der Möglichkeit der Abtreibung und das Äußern dieser Meinung ohne eine gezielte Ansprache von Frauen im gebärfähigen Alter vor der Beratungsstelle des Beigeladenen bleibt dem Kläger daher möglich. Somit schränkt die Untersagungsverfügung die Meinungsfreiheit des Klägers auch nicht unverhältnismäßig ein.
67 
bb) Die durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Klägers gebietet es ebenfalls nicht, den in der Verfügung untersagten Verhaltensweisen Vorrang vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen einzuräumen.
68 
Der personelle Schutzbereich der durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit dürfte vorliegend zugunsten des Klägers als juristischer Person des Privatrechts eröffnet sein, da es nicht um die Glaubensfreiheit als Denkfreiheit geht, sondern rede- und handlungsorientierte Ausprägungen der Glaubensfreiheit in Rede stehen (vgl. Kokott, in: Sachs, GG, 6. Aufl., Art. 4 Rn. 9 m.w.N.). Die von der Verfügung erfassten Verhaltensweisen können auch in sachlicher Hinsicht den Schutz der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit beanspruchen. Die Bekenntnisfreiheit ist die Freiheit, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen kundzutun. Sie ist eine grundrechtlich verselbständigte, besonders privilegierte Form der Kommunikation; nach überwiegender Auffassung handelt es sich um einen Spezialfall der Meinungsfreiheit (vgl. Kokott, a.a.O. Rn. 32).
69 
Gerät Art. 4 GG in Kollision mit einer anderen Verfassungsnorm, so ist eine Abwägung erforderlich (vgl. u.a. BVerfG, Beschl. v. 19.10.1971 - 1 BvR 387/65 - BVerfGE 32, 98 <108>; Beschl. v. 16.10.1979 - 1 BvR 697/70 u.a. - BVerfGE 52, 223 <246 f.>; BVerwG, Urt. v. 21.12.2000 - 3 C 20.00 - BVerwGE 112, 314 <318>). Die danach vorzunehmende Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der von der Gehsteigberatung betroffenen Frauen führt zu einem Überwiegen der Grundrechte letzterer. Insoweit gilt das unter aa) Ausgeführte entsprechend.
70 
e) Das Einschreiten der Beklagten ist auch im öffentlichen Interesse geboten (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. PolG). Die Funktion dieser Beschränkung besteht darin, aus dem Aufgabenbereich der Polizei den Schutz bestimmter Rechtsgüter und Rechte des Einzelnen auszuscheiden, vor allem wenn er nur sich selbst gefährdet oder wenn es um den Schutz (nur) privater Rechte geht, der gegebenenfalls auf gerichtlichem Weg möglich ist (vgl. Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 1 Rn. 79). Die hier mit der streitgegenständlichen Gehsteigberatung einhergehenden Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer unbestimmten Vielzahl schwangerer Frauen sind jedoch selbst öffentlich-rechtlich relevant. Die Bedrohung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer unbestimmten Zahl von Personen folgt zwangsläufig aus der erklärten Absicht des Klägers, mit der Gehsteigberatung möglichst viele schwangere Frauen zu erreichen.
71 
Zwar steht im Ausgangspunkt die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der im Einzelfall im Rahmen der Gehsteigberatung angesprochenen Frau in Rede, so dass in erster Linie die ordentlichen Gerichte zur Gewährung von Rechtsschutz berufen sind. In Betracht kommt ein im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu verfolgender Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB. Dieser Rechtsschutz ist grundsätzlich genauso effektiv i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG wie der Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten (vgl. Art. 19 Abs. 4 Satz 2 GG). Bei den hier in Rede stehenden Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist jedoch typischerweise wirkungsvoller Rechtsschutz vor den ordentlichen Gerichten für viele der betroffenen Frauen schon deshalb nicht zu erlangen, weil sie die Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle nur einmal aufsuchen und es wegen der Einmaligkeit der Rechtsgutbeeinträchtigung am Rechtsschutzinteresse fehlt. Bei dieser Sachlage gebietet es der im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG wurzelnde allgemeine Justizgewährleistungsanspruch, der wirkungsvollen Rechtsschutz garantiert (vgl. Senatsurteil vom 08.05.2008 - 1 S 2914/07 - a.a.O.; BVerfG, Beschl. v. 08.11.2006 - 2 BvR 578/02 u.a. - BVerfGE 117, 71 <121 f.> m.w.N.), das gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. PolG erforderliche öffentliche Interesse am polizeilichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu bejahen. Hinzu kommt, dass einzelne Unterlassungsklagen der betroffenen Frauen vor den ordentlichen Gerichten nicht genauso effektiv sind wie die Gefahrenabwehr durch eine polizeiliche Untersagungsverfügung, die die Gefahr der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch gegenüber künftig die Beratungsstelle aufsuchenden Frauen abwehrt.
72 
Des weiteren ist der jeweils betroffenen Frau jedenfalls dann, wenn sie sich tatsächlich in einer Schwangerschaftskonfliktsituation befindet, die Rechtsverfolgung vor den ordentlichen Gerichten nicht zumutbar, weil ihr dies einen Verzicht auf die durch § 6 Abs. 2 SchKG gesetzlich gewährleistete Anonymität abverlangen würde. Dagegen kann nicht eingewandt werden, dass die Anonymität bei Ausstellung einer Beratungsbescheinigung nach § 7 SchKG ohnehin aufgehoben wird. Denn zum einen mündet nicht jede Beratung in die Ausstellung einer Beratungsbescheinigung, zum anderen wird die Vertraulichkeit der Beratung durch das Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3a StPO und durch die arbeitsvertraglich vereinbarte Schweigepflicht der Berater abgesichert. Es macht daher einen erheblichen Unterschied, ob eine schwangere Frau ihre Anonymität bei einer anerkannten Beratungsstelle aufgibt, um eine Beratungsbescheinigung zu erhalten oder ob sie im Rahmen eines Verfahrens vor den ordentlichen Gerichten preisgeben müsste, dass sie eine Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle aufgesucht hat.
73 
Schließlich ist das öffentliche Interesse am polizeilichen Einschreiten auch deshalb zu bejahen, weil - angesichts der bei der aufgezeigten Sachlage eingeschränkten und wenig effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten vor den ordentlichen Gerichten - die Staatsorgane im Hinblick darauf, dass die Grundrechte zugleich Ausdruck einer objektiven Wertordnung sind, eine objektivrechtliche Pflicht zum Schutz der grundrechtlich gesicherten Individualgüter - hier des allgemeinen Persönlichkeitsrechts - trifft (in diesem Sinne Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., D 30). Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Individualgüter einer unbestimmten Vielzahl von Grundrechtsträgerinnen bedroht werden (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Aufl., Rn. 56).
74 
4. Damit steht auch die Subsidiaritätsklausel des § 2 Abs. 2 PolG einem Einschreiten gegen den Kläger nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift obliegt der Schutz privater Rechte der Polizei nur auf Antrag des Berechtigten und nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Diese Subsidiaritätsklausel hindert jedoch ein polizeiliches Tätigwerden nur dann, wenn es ausschließlich um den Schutz privater Rechte geht (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 2 Rn. 12; Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 7. Aufl., Rn. 119). Dies ist hier, wie soeben ausgeführt (3. e), nicht der Fall.
75 
5. Das Verbot beachtet auch den in § 5 PolG einfachgesetzlich normierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
76 
a) Die Maßnahme ist geeignet, gerade die Ansprache der zu schützenden Frauen erheblich zu erschweren, auch wenn möglicherweise von den räumlichen Grenzen des Verbotsbereichs aus noch einzelne Frauen, die das Gebäude der Beratungsstelle verlassen, individualisiert und gezielt angesprochen werden können.
77 
b) Das Verbot ist auch erforderlich. Mildere Maßnahmen in Form eines weniger weitreichenden Verbots wären weniger effektiv. Dies gilt zunächst mit Blick auf den räumlichen Umfang des Verbots. Je näher die Gehsteigberatung an die Beratungsstelle heranrückt, desto eher ist es möglich, gezielt Frauen, die die Beratungsstelle verlassen, anzusprechen. Damit wäre jedes weniger weit reichende Verbot auch dem Schutzzweck weniger dienlich.
78 
Inhaltlich ist das Verbot auf solche Handlungsformen begrenzt, die die vom Kläger praktizierte Gehsteigberatung kennzeichnen. Eine präzisere Definition des Verbotstatbestandes ist nicht möglich.
79 
c) Das Verbot ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Der Vorrang des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der betroffenen Frauen vor der Glaubens- und Meinungsfreiheit des Klägers wurde im Rahmen der Abwägung der betroffenen Grundrechte bereits begründet (3. d) aa)).
80 
6. Ermessensfehler sind ebenfalls nicht erkennbar. Allein der Umstand, dass auch der öffentliche Druck des Beigeladenen die Beklagte dazu bewogen haben mag, ihre schon zuvor geäußerte Rechtsposition in einer Verbotsverfügung umzusetzen, lässt nicht darauf schließen, dass sachfremde Erwägungen das Entschließungsermessen geleitet haben könnten.
81 
7. Nach dem Vorstehenden erweist sich schließlich auch die auf §§ 2, 20 und 23 LVwVG gestützte Zwangsgeldandrohung in dem angefochtenen Bescheid (Verfügung Nr. III) als rechtmäßig. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor, namentlich ist das Zwangsgeld das geeignete Zwangsmittel, das auch im Hinblick auf die angedrohte Höhe nicht zu beanstanden ist. Die Festsetzung der Verwaltungsgebühr von 100,-- EUR und der Widerspruchsgebühr von 150,-- EUR weisen ebenfalls keine Rechtsfehler auf. Die Festsetzung der Verwaltungsgebühr beruht auf den §§ 1, 2 und 4 der Verwaltungsgebührensatzung der Beklagten, die Festsetzung der Widerspruchsgebühr auf den §§ 1 - 8, 12, 14 LGebG i.V.m. Nr. 7.1 des Gebührenverzeichnisses zum LGebG.
IV.
82 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene einen Antrag gestellt hat und damit auch ein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit, seine außergerichtlichen Kosten dem Kläger aufzuerlegen.
83 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es stellt sich keine revisible, nach § 137 VwGO vom Bundesverwaltungsgericht überprüfbare Rechtsfrage (vgl. Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 132 Rn. 28 ff.). Die Beklagte handelte auf Grund einer landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage. Als revisibles Recht kommen nur der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerwG, Beschl. v. 18.02.2002 - 3 B 149.01 - NJW 2002, 2122) oder die Auslegung der abzuwägenden Grundrechte (Eichberger, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 137 Rn. 80) in Betracht. Fragen des Bundesrechts bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht vermögen die Zulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Normen ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (BVerwG, Beschl. v. 17.08.2009 - 6 B 10.09 - juris). Dies ist hier nicht ersichtlich.
84 
Beschluss vom 11. Oktober 2012
85 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
86 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
I.
27 
Der Senat sieht keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO wieder zu eröffnen. Der Klägervertreter zeigt in seinem darauf gerichteten Antrag vom 13.10.2012 nicht auf, dass der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör eine Wiedereröffnung gebieten würde (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 03.12.2008 - 10 B 13.08 - juris m.w.N.). Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Der Klägervertreter hat hiervon auch ausführlich Gebrauch gemacht. Die Aussagen der Zeugen zum Beweisthema bewegten sich im Übrigen im Rahmen des von den Beteiligten zur Art und Weise der Durchführung der Gehsteigberatung schriftsätzlich Vorgetragenen und der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - von sechs der elf Zeugen - abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen. Es erscheint daher nicht geboten, dem Klägervertreter Gelegenheit zu einer nochmaligen Würdigung der Zeugenaussagen zu geben.
II.
28 
Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim Verwaltungsgericht eingelegt (vgl. § 124 a Abs. 2 VwGO). Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO).
29 
Gemäß § 130 Abs. 1 VwGO hat der Verwaltungsgerichtshof selbst in der Sache zu entscheiden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die vom Kläger (hilfsweise) beantragte Rückverweisung an das Verwaltungsgericht gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor. Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht leidet nicht an einem wesentlichen Mangel.
30 
1. Das Verwaltungsgericht hat seine Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu erforschen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), nicht dadurch verletzt, dass es den schriftsätzlichen Beweisangeboten des Klägers nicht nachgegangen ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein Tatsachengericht seine Aufklärungspflicht grundsätzlich dann nicht verletzt, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine anwaltlich vertretene Partei nicht beantragt hat, es sei denn, dem Gericht musste sich auch ohne Stellung eines Beweisantrags die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung aufdrängen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.02.1988 - 7 B 28.88 - NVwZ 1988, 1020; Beschl. v. 01.03.2001 - 6 B 6.01 - NVwZ 2001, 923). Hier hat der Kläger keinen förmlichen Beweisantrag gestellt. Dem Gericht musste sich die Notwendigkeit einer weiteren Sachverhaltsaufklärung durch Vernehmung der schriftsätzlich benannten Zeugen zum konkreten Ablauf der Gehsteigberatung auch nicht aufdrängen, zumal die konkrete Form der Ansprache nach dem Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts für die Frage der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung rechtlich unerheblich war (UA S. 9).
31 
2. Die geltend gemachte Verletzung der Begründungspflicht nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Die Begründungspflicht verlangt, dass in den Urteilsgründen die tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen wiedergegeben werden, die das Gericht bestimmt haben, die Voraussetzungen für seine Entscheidung als erfüllt anzusehen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass das Gericht den ermittelten Tatsachenstoff wertend gesichtet und in welchen konkreten Bezug es ihn zu den angewandten Rechtsnormen gesetzt hat. Dies setzt voraus, dass das Gericht zum einen seinen rechtlichen Prüfungsmaßstab offen legt und zum anderen in tatsächlicher Hinsicht angibt, von welchem Sachverhalt es ausgeht und - sofern es den Tatsachenbehauptungen eines Beteiligten widerspricht - warum es dessen Vortrag nicht folgt und aufgrund welcher Erkenntnisse es eine ihm ungünstige Tatsachenlage als erwiesen ansieht. Aus den Entscheidungsgründen muss sowohl für die Beteiligten als auch für das Rechtsmittelgericht nachvollziehbar sein, aus welchen Gründen des materiellen Rechts oder des Prozessrechts nach Meinung des Gerichts dem Vortrag eines Beteiligten, jedenfalls soweit es sich um einen zentralen Punkt seiner Rechtsverfolgung handelt, nicht zu folgen ist (BVerwG, Beschl. v. 18.10.2006 - 9 B 6.06 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 66 Rn. 24). Die Begründungspflicht ist immer dann verletzt, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonstwie unbrauchbar sind (BVerwG, Beschl. v.05.06.1998 - 9 B 412.98 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 32; Beschl. v. 30.06.2009 - 9 B 23.09 - juris). Bezugnahmen auf andere Gerichtsentscheidungen sind jedoch zulässig, wenn diese den Beteiligten zugänglich und die eigene Entscheidung aus sich heraus noch verständlich ist (Höfling, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 108 Rn. 173 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 14.01.1991 - 1 B 171.90 - juris). Ausgehend davon lässt das Berufungsvorbringen eine Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht erkennen. Das angefochtene Urteil ist aus sich heraus verständlich. Die in Bezug genommenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des erkennenden Senats sind den Beteiligten bekannt. Es handelt sich um die im vorangegangenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Eilentscheidungen, die denselben Sachverhalt betreffen.
III.
32 
Die Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die als (Anfechtungs-)Untätigkeitsklage in zulässiger Weise erhobene und nach Ergehen des Widerspruchsbescheides als reguläre Anfechtungsklage fortgeführte Klage (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 75 Rn. 21, 26) ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
33 
1. Der Bescheid der Beklagten vom 16.02.2011 ist formell rechtmäßig.
34 
a) Die nach § 28 Abs. 1 LVwVfG erforderliche Anhörung des Klägers erfolgte mit Schreiben vom 07.10.2010.
35 
b) Die Beklagte hat entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegen die sich aus § 24 Abs. 1 LVwVfG ergebende Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen verstoßen. Diese Vorschrift überlässt es im Interesse einer möglichst umfassenden, den Erfordernissen des einzelnen Falles angepassten Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dem pflichtgemäßen Verfahrensermessen der Behörde, welche Mittel sie zur Erforschung des Sachverhalts anwendet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.08.1998 - 11 VR 4.98 - NVwZ 1999, 535 und Beschl. v. 30.06.2004 - 5 B 32.03 - juris; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 24 Rn. 9 m.w.N.). Der Amtsermittlungsgrundsatz verpflichtet die Behörden nicht, sämtliche relevanten Tatsachen selbst zu erheben und erforderlichenfalls nachzuprüfen (Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 10 a). Ein Verfahrensfehler liegt erst dann vor, wenn die Behörde eine sachlich notwendige Aufklärung des Sachverhalts unterlässt (Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 36). Hier hat sich die Beklagte durch Auswertung der ihr vom Beigeladenen und vom Kläger übermittelten Unterlagen - darunter der Vereinssatzung und der bei der Gehsteigberatung verwendeten Faltblätter -, durch Auswertung allgemein zugänglicher Quellen (Presseberichte) sowie durch Führung eines Gesprächs mit dem Vorsitzenden des Klägers und der für den Kläger in Freiburg tätigen Gehsteigberaterin hinreichende Kenntnis von dem nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Sachverhalt verschafft. Eine Verpflichtung der Beklagten, darüber hinaus durch eigene Beobachtungen vor Ort einen unmittelbaren Eindruck vom Ablauf der sog. Gehsteigberatungen zu gewinnen, bestand nicht, zumal die Beklagte ihre Entscheidung im Kern auf vom Kläger selbst mitgeteilte bzw. bestätigte Tatsachen gestützt hat.
36 
2. Die Untersagungsverfügung ist auch inhaltlich hinreichend bestimmt (vgl. § 37 Abs. 1 LVwVfG). Insoweit genügt es, dass aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor allem aus der von der Behörde gegebenen Begründung und aus den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 37 Rn. 12 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 03.02.1989 - 7 B 18.89 - NJW 1989, 1624). Hierbei ist entsprechend § 133 BGB auf den erklärten Willen aus der Sicht eines verständigen Empfängers abzustellen (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 Rn. 71). Ein ursprünglich zu unbestimmter Verwaltungsakt kann, wie sich aus § 79 Abs. 1 VwGO ergibt, im Widerspruchsverfahren, aber auch noch im Verwaltungsprozess präzisiert werden (BVerwG, Beschl. v. 21.06.2006 - 4 B 32.06 - NVwZ-RR 2006, 589).
37 
Daran gemessen bereitet es hier keine Schwierigkeiten festzustellen, dass die Untersagungsverfügung - was bereits im Verfügungstenor hinreichend zum Ausdruck kommt und auch der Zielrichtung der Verfügung entspricht - neben der persönlichen Ansprache auf eine Schwangerschaftskonfliktsituation nur das unaufgeforderte und gezielt-individuelle Vorzeigen (Hinhalten) und Überreichen von Broschüren, Bildern und Gegenständen erfasst.
38 
Soweit nach dem Wortlaut der Verfügung allgemein das Ansprechen von „Personen“ auf einen Schwangerschaftskonflikt verboten wurde, wird bereits aus der Umschreibung der Verbotshandlungen mit dem Begriff der „Gehsteigberatung“ im Tenor hinreichend deutlich, dass das Verbot sich nur auf das Ansprechen von Personen bezieht, die zur Zielgruppe der vom Kläger angebotenen Beratung gehören können. Gestützt wird diese Auslegung durch die Begründung der Verfügung, wo ausgeführt wird, dass das Verbot dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der ratsuchenden Personen gelten soll. Das Ansprechen von unbegleiteten Männern oder von Frauen im Alter jenseits eines potentiellen Schwangerschaftskonflikts wird daher von der Verfügung nicht erfasst, wohl aber das Ansprechen von Frauen im gebärfähigen Alter, die von einer weiteren Person begleitet werden.
39 
In räumlicher Hinsicht ergibt die Auslegung und die durch die Beklagte im gerichtlichen Verfahren erfolgte Klarstellung, dass das Verbot nur für den etwa 70 m langen Abschnitt der H...straße, an dem die Beratungsstelle des Beigeladenen liegt, gelten soll. Der räumliche Geltungsbereich erstreckt sich also von der K...-...Straße aus nach Westen bis zur nächsten Straßenbiegung, nicht erfasst ist der abknickende, zur R...straße führende Straßenabschnitt. Zwar spricht der Tenor des Bescheides von der „gesamten H...straße“. Allerdings ergibt sich schon aus der Zielsetzung der Verfügung und der Begründung ein einschränkendes Verständnis. Das Verbot zielt darauf ab zu verhindern, dass der Kläger Frauen unmittelbar vor oder nach einer Schwangerschaftskonfliktberatung ansprechen kann. Demgegenüber soll nicht allgemein die Ansprache von Passanten unterbunden werden. Entsprechend endet das Verbot in östlicher Richtung an der Ecke H...straße/K...Straße, weil dort der Sichtkontakt mit der Beratungsstelle abbricht und die anzusprechenden Frauen in dem Strom der Passanten aufgehen. Nichts anderes kann für das andere Ende des räumlichen Geltungsbereichs gelten. Spätestens mit der Antragserwiderung vom 15.02.2011 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat die Beklagte die insoweit möglicherweise bestehende Unklarheit mit dem Hinweis beseitigt, der Geltungsbereich erstrecke sich nur über 70 m. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat sie dies nochmals bestätigt.
40 
3. Das von der Untersagungsverfügung erfasste Verhalten des Klägers und der für ihn in Freiburg tätigen Gehsteigberaterin stellt eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar, die ein Einschreiten auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG rechtfertigt.
41 
a) Die Anwendung der polizeilichen Generalklausel der §§ 1, 3 PolG ist weder durch das Straßenrecht noch durch das Versammlungsrecht gesperrt.
42 
aa) Die Anwendung der polizeilichen Generalklausel ist nicht durch vorrangige Vorschriften des Straßenrechts gesperrt. Denn die von der Beklagten untersagte Gehsteigberatung ist straßenrechtlich noch als Gemeingebrauch und nicht als Sondernutzung anzusehen (vgl. zu entsprechenden Formen des „politischen Meinungskampfes“ näher BVerfG [Kammer], Beschl. v. 18.10.1991 - 1 BvR 1377/91 - NVwZ 1992, 53; BVerwG, Urt. v. 07.06.1978 - 7 C 5.78 - BVerwGE 56, 63 <67 f.>), zumal ihre Erscheinungsformen nicht der erwerbswirtschaftlichen Nutzung des Straßenraums dienen und damit als noch dem „kommunikativen Verkehr“ zugehörig einzustufen sind (vgl. zur Abgrenzung im Einzelnen: VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.07.1996 - 5 S 472/96 - VBlBW 1997, 64; Sauthoff, NVwZ 1990, 223 <225>; Schnebelt/Sigel, Straßenrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., Rn. 287 ff.; Lorenz/Will, Straßengesetz Baden-Württemberg, 2. Aufl., § 13 Rn. 22 ff.). Daher bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob und inwieweit die Regelungen des Straßengesetzes im Sachbereich der erlaubnisfähigen Sondernutzung eine Sperrwirkung gegenüber allgemein-polizeirechtlichen Regelungen entfalten (vgl. dazu Schnebelt/Sigel, a.a.O., Rn. 255; s. auch Senatsurteil vom 26.06.1986 - 1 S 2448/85 - ESVGH 36, 293).
43 
bb) Die Gehsteigberatung ist auch keine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes. Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist. Das Grundrecht schützt die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in der freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 8 Abs. 1 GG reicht es wegen seines Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr zusätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 <104>; BVerfG [Kammer], Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - NJW 2001, 2459 <2460>; Senatsurteil vom 12.06.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468). Hier zielt die Ansprache seitens der im Auftrag des Klägers tätigen Gehsteigberaterin auf eine individuelle Kommunikation mit Einzelpersonen, nicht aber auf die für die Annahme einer Versammlung konstitutive Kommunikation vermittels einer eigens zu diesem Zweck veranlassten Gruppenbildung (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.08.2007 - 6 C 22.06 - NVwZ 2007, 1434 ).
44 
b) Eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit liegt vor, weil die vom Kläger im räumlichen Geltungsbereich der Untersagungsverfügung praktizierte Gehsteigberatung mit dem erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts insbesondere derjenigen angesprochenen Frauen führt, die sich tatsächlich in einer Schwangerschaftskonfliktsituation befinden.
45 
aa) Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG umfasst die Rechte und Rechtsgüter der Einzelnen; dazu gehört neben Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermögen (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233, 241/81 - BVerfGE 69, 315 <352>) auch das durch Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. Senatsurteile vom 22.02.1995 - 1 S 3184/94 - VBlBW 1995, 282 <283> und vom 08.05.2008 - 1 S 2914/07 - VBlBW 2008, 375 <376> m.w.N. = NVwZ-RR 2008, 700 <701>).
46 
bb) Das in Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht dient dem Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre und der Erhaltung ihrer Grundbedingungen, die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.11.1998 -1 BvR 1531/96 - BVerfGE 99, 185 <193>; Beschl. v. 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 - BVerfGE 114, 339 <346>; Urt. v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - BVerfGE 120, 274 <303>). Im Sinne eines Schutzes vor Indiskretion hat hiernach jedermann grundsätzlich das Recht ungestört zu bleiben. Dem Einzelnen wird ein Innenbereich freier Persönlichkeitsentfaltung garantiert, in dem er „sich selbst besitzt“ und in den er sich frei von jeder staatlichen Kontrolle und sonstiger Beeinträchtigung zurückziehen kann (BVerfG, Entscheidung vom 16.07.1969 - 1 BvL 19/63 - BVerfGE 27, 1 <6> m.w.N.; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 149). Diese Privatsphäre umfasst zum einen Rückzugsräume im Wortsinne, aber auch Themen der engeren Lebensführung, „deren öffentliche Erörterung als peinlich oder zumindest unschicklich empfunden wird“ (Di Fabio, a.a.O.).
47 
cc) Daran gemessen greift die Ansprache durch einen Fremden auf die Themen Schwangerschaft oder gar Schwangerschaftskonflikt in die Privatsphäre der betroffenen Frauen ein. Die Grundrechte sind zwar primär Abwehrrechte gegenüber dem Staat. Sie konstituieren jedoch gleichzeitig eine Werteordnung, die auch die Rechtsverhältnisse zwischen Privaten mittelbar prägt, indem sie bei der Auslegung des einfachen Rechts - hier der polizeilichen Generalklausel - zu beachten ist. Zumindest in der Frühphase der Schwangerschaft, in der diese noch nicht äußerlich erkennbar ist, entscheidet die Frau darüber, die Schwangerschaft publik zu machen oder geheim zu halten. Der Schutz der Privatsphäre ist umso intensiver, je näher der Sachbereich der Intimsphäre steht. Gerade das erste Drittel der Schwangerschaft, in dem sich die überwiegende Mehrzahl der ratsuchenden Frauen befinden dürfte, weist eine große Nähe zur Intimsphäre auf, so dass für die Frage der Eingriffsrechtfertigung auch dann ein sehr hohes Schutzniveau für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zugrundezulegen ist, wenn man die Schwangerschaft nicht sogar pauschal der Intimsphäre der Frau zuordnet (so noch BVerfG, Urt. v. 25.02.1975 - 1 BvF 1/74 u.a. [Schwangerschaftsabbruch I] - BVerfGE 39, 1 <42>). In der Frühphase der Schwangerschaft befinden sich die meisten Frauen in einer besonderen seelischen Lage, in der es in Einzelfällen zu schweren Konfliktsituationen kommt. Diesen Schwangerschaftskonflikt erlebt die Frau als höchstpersönlichen Konflikt. Die Umstände erheblichen Gewichts, die einer Frau das Austragen eines Kindes bis zur Unzumutbarkeit erschweren können, bestimmen sich nicht nur nach objektiven Komponenten, sondern auch nach ihren physischen und psychischen Befindlichkeiten und Eigenschaften (BVerfG, Urt. v. 28.05.1993 - 2 BvF 2/90 u.a. [Schwangerschaftsabbruch II] - BVerfGE 88, 203 <265>). Die emotionalen Konflikte und persönlichen Lebensumstände, die Frauen in dieser Phase über einen Schwangerschaftsabbruch nachdenken lassen, berühren regelmäßig ebenfalls die Privatsphäre der Frau, unter anderem ihre Beziehung zum Vater des Kindes, ihre weitere Lebensplanung und die Beziehung zu dem in ihr wachsenden Kind.
48 
Gerade in dieser Konfliktsituation hat die schwangere Frau, die eine anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle aufsucht, ein Recht darauf, von fremden Personen, die sie auf der Straße darauf ansprechen, in Ruhe gelassen zu werden.
49 
Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die für den Kläger in Freiburg tätige Gehsteigberaterin Frauen in unmittelbarer Nähe der von der Beigeladenen unterhaltenen Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle regelmäßig in einer Art und Weise angesprochen hat, die diese in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Mehrere Zeuginnen und Zeugen haben übereinstimmend und glaubhaft berichtet, dass die Ansprache mit den Worten „Sind Sie schwanger?“ erfolgte. Die Zeugin S..., die ab dem 01.08.2010 ein Praktikum bei ...... absolvierte, gab an, von Frau F... mehrfach mit den Worten „Sind Sie schwanger?“ angesprochen worden zu sein. Sie habe auch gesehen, dass Frau F... andere Frauen, darunter eine erkennbar über den dritten Monat hinaus Schwangere, ebenfalls angesprochen habe. Die Zeuginnen Sch... und D... gaben ebenfalls an, von Frau F... mit diesen Worten angesprochen worden zu sein. Bestätigt werden diese Angaben durch den bei ...... in der Schwangerschaftsberatung tätigen Zeugen H... und die in einem Jobcenter der Bundesagentur für Arbeit tätige Zeugin U..., die zwar keine Wahrnehmungen aus eigener Anschauung schildern konnten, aber angaben, dass Frauen ihnen von einer entsprechenden Ansprache berichtet hätten. Die als Schulsozialpädagogin in Freiburg tätige Zeugin M...-... erklärte, sie wisse konkret von zwei Schülerinnen von ihr, die bei ...... zur Schwangerschaftsberatung gewesen und nach Verlassen des Gebäudes angesprochen worden seien. Sie könne nicht mehr genau sagen, mit welchen Worten die Ansprache erfolgt sei, es habe sich auf jeden Fall um eine persönliche Frage gehandelt, die mit den Worten „Sind Sie“ begonnen habe. Sie vermute, dass die Frage „Sind Sie schwanger?“ gelautet habe, könne dies aber nicht sicher sagen.
50 
Gründe, die Richtigkeit dieser Zeugenaussagen in Zweifel zu ziehen, gibt es nicht. Allein der Umstand, dass die betreffenden Zeugen alle vom Beigeladenen benannt wurden, rechtfertigt nicht die Annahme, die Zeugen hätten ihre Aussagen abgesprochen. Gegen eine Absprache spricht auch, dass die betreffenden Zeugen ihre Wahrnehmungen nicht stereotyp, sondern jeweils individuell mit eigenen Worten geschildert haben. Soweit Zeugen sich nicht genau erinnern konnten, legten sie dies offen wie die Zeugin M... oder die als Praktikantin bei ...... tätige Zeugin M..., die angab, sich nicht genau zu erinnern, mit welchen Worten sie von Frau F... angesprochen worden sei.
51 
Die den im Kern übereinstimmenden Aussagen der Zeugen S..., S..., D..., H... und M... widersprechende Aussage der Zeugin F... war demgegenüber nicht glaubhaft. Die Zeugin F... hatte bei ihrer ersten Zeugenvernehmung angegeben, sie biete zunächst den Flyer an und beginne, wenn die Frau Interesse habe, ein Gespräch meistens nicht direkt auf die Frau bezogen, sondern allgemein, ob sie etwa jemanden kenne, der in einem Schwangerschaftskonflikt sei. Diese Art der Ansprache von Frauen im gebärfähigen Alter vor einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle wirkt lebensfremd und kann der Zeugin F... nicht abgenommen werden. Sie konnte selbst von den für den Kläger als sog. stille Beterinnen tätigen Zeuginnen U... und L... nicht bestätigt werden, obwohl Frau F... angegeben hatte, sie habe bei ihrer Tätigkeit bewusst darauf geachtet, dass die stille Beterin in Hörweite ist und das Gespräch mit verfolgen kann, um später einen Zeugen für den Inhalt des Gesprächs zu haben. Die als stille Beterin tätige Zeugin U... gab an, sie könne nicht wiederholen, was Frau F... bei der Ansprache gesagt habe. Sie habe allenfalls Gesprächsteile mitbekommen, die sie jedoch nicht wiedergeben könne. Von Ferne betrachtet sei die Ansprache der Passantinnen meistens höflich gewesen. Frau F... habe jedoch eine direkte Art, die einem manchmal wehtun könne. Die ebenfalls als stille Beterin tätige Zeugin L... gab an, sie habe meistens nicht verstehen können, was Frau F... zu den von ihr angesprochenen Personen gesagt habe.
52 
Entscheidend gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage von Frau F... spricht auch ihr übriges Aussageverhalten. Sie antwortete häufig ausweichend und war sehr darauf bedacht, nichts zu sagen, was ihre Tätigkeit als Gehsteigberaterin gefährden könnte. Ihre Aussage, sie bleibe bei der ersten Kontaktaufnahme in der Regel stehen, weil dies für die Frauen weniger aufdringlich wirke, wurde von den übrigen Zeugen ebenfalls nicht bestätigt. Die Zeugin U... gab an, Frau F... habe sich bewegt, wenn sie Kontakt gesucht habe. Sie sei aktiv auf die Angesprochenen zugegangen und während der Kontaktaufnahme auch mit den Angesprochenen mitgegangen. Ähnlich äußerte sich die Zeugin L..., die erklärte, Frau F... habe sich bei der Kontaktaufnahme bewegt, d.h. sie habe auch mal die Straße überquert. Bei ihrer nochmaligen Zeugenvernehmung konnte Frau F... sich auf den Vorhalt des Beigeladenen-Vertreters, er habe Informationen, dass sich der Anwalt des Klägers in der Sitzungspause um 16.30 Uhr mit ihr unterhalten und ihr mitgeteilt habe, dass die meisten Zeugen ausgesagt hätten, dass sie das Gespräch mit den Worten „Sind Sie schwanger?“ beginne, zunächst nicht erinnern, ob sie überhaupt mit dem Anwalt des Klägers gesprochen habe. Erst auf Nachfrage und nach suchenden Blicken in Richtung des Prozessbevollmächtigten des Klägers räumte sie ein, dass ein Gespräch stattgefunden habe, in dessen Verlauf der Kläger-Anwalt sie über diesen Umstand informiert habe. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Zeugin F... sich sehr wohl unmittelbar an das erst etwa zwei Stunden zuvor stattgefundene Gespräch, welches den Kern ihrer Zeugenaussage betraf, erinnern konnte, aber zunächst Zeit gewinnen wollte, um sich eine „passende“ Antwort auf die an sich einfach zu beantwortende Frage zurechtzulegen. Auf Vorhalt der Zeugenaussagen blieb Frau F... dabei, dass es nicht zutreffe, dass ihre ersten Worte bei der Gesprächseröffnung „Sind Sie schwanger?“ seien. Sie habe in ihrer Ausbildung in Wien gelernt, dass man so ein Gespräch nicht beginnen könne. Sie zeige den Flyer und frage allgemein „Brauchen Sie Hilfe?“. Es könne sein, dass sie den Satz „Sind Sie schwanger?“ im Laufe eines Gesprächs vielleicht als vierten Satz gesagt habe. Nicht geglaubt werden kann der Zeugin F... des weiteren, dass sie das Gebäude, in dem sich die Beratungsstelle des Beigeladenen befindet, nie betreten hat. Denn der Zeuge T..., Geschäftsführer bei ......, hat glaubhaft erklärt, dass Flyer des Klägers auf den Toiletten und in den Broschürenständern im Gebäude H...straße ... aufgetaucht sind. Als er sie zur Rede gestellt habe, habe sie sich entschuldigt und versprochen, dass dies künftig nicht mehr vorkommen werde. Gestützt wird dies durch die Aussage der Zeugin D..., die erklärt hat, sie habe selbst gesehen, dass Frau F... in dem Gebäude H...straße ... gewesen sei, bevor ihr der Zugang untersagt worden sei.
53 
Der Senat sah keine Veranlassung, die vom Kläger beantragten Zeugengegenüberstellungen vorzunehmen, da die Zeuginnen S..., Sch... und D... bei ihren Vernehmungen bereits jeweils auf die abweichende Aussage von Frau F... hingewiesen worden waren und die Zeugin F... bei ihrer erneuten Vernehmung Gelegenheit hatte, ihre Aussage im Lichte der Aussagen der genannten Zeuginnen zu überdenken.
54 
Dass die Ansprache mit den Worten „Sind Sie schwanger?“ möglicherweise nicht seitens der Zeugin F..., sondern durch eine andere Person erfolgte, kann ausgeschlossen werden, weil die Zeugin F... die einzige in Freiburg für den Kläger tätige Gehsteigberaterin ist und die meisten Zeugen auch jeweils die bei der Gehsteigberatung verwendeten Flyer identifizieren konnten. Es kann daher ausgeschlossen werden, dass diese Ansprache seitens anderer Abtreibungsgegner, die hin und wieder vor der Beratungsstelle des Beigeladenen demonstrieren, erfolgte.
55 
Der Kläger muss sich das Verhalten seiner Gehsteigberaterin auch zurechnen lassen, weil diese nach einer nur kurz währenden Anfangsphase im Juli/August 2010, in der sie auf eigene Verantwortung tätig war, die Gehsteigberatung im Auftrag des Klägers ausgeübt hat. An der Art der Ansprache hat sich hierdurch nichts geändert. Die Wahrnehmungen der Zeugen, die von einer Ansprache mit den Worten „Sind Sie schwanger?“ berichtet haben, beziehen sich auf unterschiedliche Zeiträume jedenfalls von Herbst 2010 bis nach Ergehen der angefochtenen Untersagungsverfügung. Geändert hat sich nach den glaubhaften Zeugenaussagen lediglich der Ort der Ansprache, die seit Ergehen der Untersagungsverfügung nicht mehr in der H...straße, sondern an der Ecke H...straße/K...Straße erfolgte.
56 
Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der angesprochenen Frauen erhält dadurch zusätzliches Gewicht, dass die Ansprache mit den Worten „Sind Sie schwanger?“ in der Öffentlichkeit auf einer belebten Straße in einer für unbeteiligte Dritte wahrnehmbaren Weise erfolgte. Nach der glaubhaften Aussage der Zeugin S... haben auch andere umstehende Personen wahrgenommen, wie sie von Frau F... mit diesen Worten angesprochen wurde.
57 
Vertieft wird der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch die den angesprochenen Frauen angebotenen Faltblätter, die mit Sätzen wie „Kinder sind Gottes schönstes Geschenk. Jedes Kind hat das Recht, auf die Welt zu kommen, ob es erwünscht ist oder nicht“ oder „Bitte unternimm jetzt nichts, was DEINEM KIND WEHTUT, denn du wirst es später bereuen“ klar Position beziehen und im Ergebnis einen Schwangerschaftsabbruch nicht als moralisch vertretbar erscheinen lassen. Die Aussage „Glaube an Dich und folge Deinem Herz – Bitte behalte Dein Baby“ ist nicht nur ein eindringlicher und emotionaler Appell, sondern suggeriert auch, dass im Grunde jede Frau ihr Kind austragen will und nur durch äußere Einflüsse davon abgebracht wird. In diesem Kontext erscheinen die Hilfsangebote an die Mutter lediglich als Mittel zum Zweck, die Mutter um jeden Preis zum Austragen des Kindes zu bewegen. Das ebenfalls verteilte Faltblatt des „Lebenszentrum Wien“ geht noch darüber hinaus. Es konfrontiert die Frauen, die die Faltblätter annehmen, unvermittelt mit Bildern blutverschmierter und zerstückelter Föten und ist geeignet, einschüchternd und verstörend zu wirken. Diese Wirkung ist umso stärker, als auf der Außenseite der Faltblätter zunächst der Eindruck erweckt wird, es gehe ausschließlich um ein beratendes Hilfsangebot.
58 
Unerheblich für das Vorliegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist, dass möglicherweise nicht alle Frauen ablehnend auf die Ansprache reagieren. Entscheidend ist angesichts der Vielzahl der betroffenen Grundrechtsträgerinnen, dass eine nicht unerhebliche Zahl von ihnen die objektiv gegebene Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch subjektiv als solche empfindet. Daher bedarf es keiner Beweiserhebung zu der Frage, ob es Frauen gibt, die dankbar für die Ansprache sind.
59 
Die Auffassung des Klägers, seine Tätigkeit greife lediglich in die weniger schützenswerte Sozialsphäre der angesprochenen Frauen ein, weil die Frage des Hilfsangebots in einer Schwangerschaftssituation eher die Sozial- als die Privatsphäre der Schwangeren betreffe, geht an der Realität der von ihm in Freiburg praktizierten Form der Gehsteigberatung vorbei. Mit der Sozialsphäre ist das Ansehen des Einzelnen in der Öffentlichkeit gemeint. Sie beschreibt einen Bereich, der ohnehin von der Umwelt nicht abgeschirmt werden kann (vgl. Di Fabio, a.a.O., Art. 2 Abs. 1 Rn. 160). Wie bereits dargelegt, geht es im vorliegenden Fall nicht um das Ansehen der betroffenen Frauen in der Öffentlichkeit, sondern um einen sensiblen Bereich der engeren Lebensführung und den Bereich der Gedanken- und Gefühlswelt eines Menschen als psychischem Innenbereich. Die eigene Gedanken- und Gefühlswelt in einem persönlichen Konflikt bleibt auch dann privat, wenn sie mit einem gesellschaftlichen Konflikt zusammenhängt. Daher geht auch der Verweis des Klägers auf den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 08.06.2010 (- 1 BvR 1745/06 [Abtreibungsgegner] - NJW 2011, 47) fehl, in dem es nicht um den Schutz der Privatsphäre schwangerer Frauen, sondern um den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines Schwangerschaftsabbrüche vornehmenden Arztes ging.
60 
c) Nachdem die Beklagte ihre Verfügung nicht darauf gestützt hat, lässt der Senat offen, ob eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit darüber hinaus deshalb gegeben ist, weil die vom Kläger praktizierte Form der Gehsteigberatung das Beratungskonzept des Schwangerschaftskonfliktgesetzes beeinträchtigt, welches der Erfüllung der dem Staat obliegenden Schutzpflicht für das ungeborene Leben dient (vgl. zum Schutz des Lebens als Schutzgut der öffentlichen Sicherheit Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 1 Rn. 50 m.w.N.).
61 
d) Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen ist nicht durch die Grundrechte des Klägers gerechtfertigt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht findet seine Schranken in den kollidierenden Grundrechten Dritter, hier der Meinungs- und Religionsfreiheit des Klägers. Umgekehrt sind auch die Grundrechte des Klägers in gleicher Weise beschränkt. Es ist daher eine Abwägung vorzunehmen, die im Wege praktischer Konkordanz allen Grundrechten zu jeweils bestmöglicher Wirkung und Geltung verhilft (vgl. nur BVerfG, Urt. v. 15.01.1958 - 1 BvR 400/51 - BVerfGE 7, 198 <210>; stRspr.).
62 
aa) Die durch Art. 5 Abs. 1 GG / Art. 10 EMRK geschützte Meinungsfreiheit des Klägers und der von ihm beauftragten Personen gebietet es nicht, den in der Verfügung untersagten Verhaltensweisen Vorrang vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen einzuräumen.
63 
Allerdings ist der personelle Schutzbereich der durch Art. 5 Abs. 1 GG / Art. 10 EMRK geschützten Meinungsfreiheit zugunsten des Klägers - einer juristischen Person des Privatrechts - eröffnet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.10.1991 - 1 BvR 1555/88 - BVerfGE 85, 1 <11 ff.>; Beschl. v. 13.02.1996 - 1 BvR 262/91 - BVerfGE 94, 1 <7 ff.>; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 5 Rn. 116) und die von der Verfügung erfassten Äußerungen und Verhaltensweisen können auch in sachlicher Hinsicht den Schutz der Meinungsfreiheit beanspruchen. Denn Art. 5 Abs. 1 GG umfasst in seiner Ausprägung als Meinungsäußerungs- und -verbreitungsfreiheit jede Art und Weise der Äußerung, das (fragende und behauptende) Ansprechen ebenso wie die Äußerung in Bild und Schrift sowie Tätigkeiten, die als Mittel des geistigen Meinungskampfes die Wirkung der Äußerung verstärken sollen, und damit sämtliche der hier im Streit stehenden Verhaltensweisen (vgl. zur sog. Gehsteigberatung auch: BVerfG [Kammer], Beschl. v. 08.06.2010 - 1 BvR 1745/06 - NJW 2011, 47; vgl. näher zum Schutzbereich: Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. 1, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 49 ff. m.w.N.). Der Senat misst der Meinungsfreiheit des Klägers auch ein bedeutendes Gewicht bei. Das Recht, eine Meinung äußern zu dürfen, ist Teil des in der Menschenwürde wurzelnden elementaren Rechts auf Denkfreiheit und damit in einem gewissen Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.01.1958 - 1 BvR 400/51 - BVerfGE 7, 198 <208>). Ungeachtet ihrer Ausprägung als privat-individuelles Entfaltungsrecht ist die Meinungsfreiheit auch für den Prozess politischer Öffentlichkeit im demokratischen Verfassungsstaat von schlechthin grundlegender Bedeutung (vgl. wiederum Schulze-Fielitz, in: Dreier, a.a.O., Rn. 40). Denn das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der das Lebenselement des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaats ist (so schon BVerfG, Urt. v. 17.08.1956 - 1 BvB 2/51 - BVerfGE 5, 85 <205>). Als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft ist es eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt (BVerfG, Urt. v. 15.01.1958, a.a.O.). Im Blick auf ihre konstituierende Funktion ist besonders die Mindermeinung, die für falsch gehaltene Auffassung, das Anders-Denken von Bedeutung. Nur die freie öffentliche Diskussion über Gegenstände von allgemeiner Bedeutung, zu denen die Debatte um den Schutz des ungeborenen Lebens zweifelsohne zu rechnen ist, sichert die freie Bildung der öffentlichen Meinung, die sich im freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat notwendig pluralistisch im Widerstreit verschiedener und aus verschiedenen Motiven vertretener, aber jedenfalls in Freiheit vorgetragener Auffassungen vollzieht (anschaulich Herzog, in: Maunz/Dürig, a.a.O., Rn. 10). Insoweit sind dem gesellschaftspolitischen „Mainstream“ widersprechende, im Wortsinne „anstößige“ Meinungsäußerungen von besonderem Wert.
64 
Die Meinungsfreiheit umfasst - das liegt gerade in ihrem soeben dargestellten Zweck begründet - auch das Recht, selbst zu bestimmen, wo und wann die Meinungskundgabe erfolgt, zumal an Orten, an denen ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist (vgl. nur Hoffmann-Riem, in: Alternativkommentar zum GG, Art. 5 I, II Rn. 26). Denn der öffentliche Straßenraum ist das natürliche und geschichtlich leitbildprägende Forum, auf dem Bürger ihre Anliegen besonders wirksam in die Öffentlichkeit tragen und hierüber die Kommunikation anstoßen können (so jüngst im Zusammenhang mit der Versammlungsfreiheit: BVerfG, Urt. v. 23.11.2010 - 1 BvR 699/06 [Fraport] - BVerfGE 128, 226 <251>). Auch die Auswahl des Meinungsadressaten obliegt prinzipiell dem Meinenden. Er bestimmt, wen er mit seiner Meinungsäußerung konfrontieren will. Der von der Meinungskundgabe thematisch Betroffene muss die Meinung grundsätzlich ebenso „aushalten“ wie der Meinungslose und der Desinteressierte, wobei Kehrseite der Meinungsäußerungsfreiheit die selbstverständliche Freiheit des Einzelnen ist, von Meinungen anderer verschont zu bleiben und ihnen auszuweichen. Art. 5 Abs. 1 GG schützt auch bei Themen von besonderem öffentlichen Interesse keine Tätigkeiten, mit denen Anderen eine bestimmte Meinung aufgedrängt werden soll (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 08.06.2010 - 1 BvR 1745/06 - a.a.O. S. 48).
65 
Für die im Wege praktischer Konkordanz vorzunehmende Abwägung ist zunächst von Bedeutung, dass die Gehsteigberatung über eine bloße Meinungskundgabe hinausgeht. Wie auch die von der Gehsteigberaterin verwendeten Flyer zeigen, zielt sie darauf, den angesprochenen Frauen eine bestimmte Meinung aufzudrängen und sie zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen.
66 
Von entscheidendem Gewicht ist im Rahmen der Abwägung des weiteren, dass die Gehsteigberatung ausschließlich in einem lediglich ca. 70 m langen Abschnitt der H...straße untersagt wurde. Diese Straße müssen die schwangeren Frauen notwendigerweise passieren, um die Beratungsstelle des Beigeladenen zu erreichen. Sie haben daher keine Möglichkeit der Gehsteigberatung auszuweichen. Dem Kläger und seinen Mitgliedern bleibt es jedoch möglich, die Gehsteigberatung im restlichen Stadtgebiet durchzuführen und seine Meinung in Freiburg an anderen Stellen kund zu tun. Es bleibt ihm unbenommen, in anderer Weise als durch direkte Ansprache der Betroffenen unmittelbar vor einer anerkannten Beratungsstelle auf seine Hilfsangebote aufmerksam zu machen. So wurde dem Kläger auch in dem fraglichen Abschnitt der H...straße nicht jegliche Form der Meinungsäußerung verboten, sondern nur das Ansprechen von Personen auf eine Schwangerschaftskonfliktsituation und das unaufgeforderte Überreichen von Broschüren, Bildern oder Gegenständen zu diesem Thema. Eine allgemeine Kritik an der Möglichkeit der Abtreibung und das Äußern dieser Meinung ohne eine gezielte Ansprache von Frauen im gebärfähigen Alter vor der Beratungsstelle des Beigeladenen bleibt dem Kläger daher möglich. Somit schränkt die Untersagungsverfügung die Meinungsfreiheit des Klägers auch nicht unverhältnismäßig ein.
67 
bb) Die durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Klägers gebietet es ebenfalls nicht, den in der Verfügung untersagten Verhaltensweisen Vorrang vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen einzuräumen.
68 
Der personelle Schutzbereich der durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit dürfte vorliegend zugunsten des Klägers als juristischer Person des Privatrechts eröffnet sein, da es nicht um die Glaubensfreiheit als Denkfreiheit geht, sondern rede- und handlungsorientierte Ausprägungen der Glaubensfreiheit in Rede stehen (vgl. Kokott, in: Sachs, GG, 6. Aufl., Art. 4 Rn. 9 m.w.N.). Die von der Verfügung erfassten Verhaltensweisen können auch in sachlicher Hinsicht den Schutz der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit beanspruchen. Die Bekenntnisfreiheit ist die Freiheit, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen kundzutun. Sie ist eine grundrechtlich verselbständigte, besonders privilegierte Form der Kommunikation; nach überwiegender Auffassung handelt es sich um einen Spezialfall der Meinungsfreiheit (vgl. Kokott, a.a.O. Rn. 32).
69 
Gerät Art. 4 GG in Kollision mit einer anderen Verfassungsnorm, so ist eine Abwägung erforderlich (vgl. u.a. BVerfG, Beschl. v. 19.10.1971 - 1 BvR 387/65 - BVerfGE 32, 98 <108>; Beschl. v. 16.10.1979 - 1 BvR 697/70 u.a. - BVerfGE 52, 223 <246 f.>; BVerwG, Urt. v. 21.12.2000 - 3 C 20.00 - BVerwGE 112, 314 <318>). Die danach vorzunehmende Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der von der Gehsteigberatung betroffenen Frauen führt zu einem Überwiegen der Grundrechte letzterer. Insoweit gilt das unter aa) Ausgeführte entsprechend.
70 
e) Das Einschreiten der Beklagten ist auch im öffentlichen Interesse geboten (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. PolG). Die Funktion dieser Beschränkung besteht darin, aus dem Aufgabenbereich der Polizei den Schutz bestimmter Rechtsgüter und Rechte des Einzelnen auszuscheiden, vor allem wenn er nur sich selbst gefährdet oder wenn es um den Schutz (nur) privater Rechte geht, der gegebenenfalls auf gerichtlichem Weg möglich ist (vgl. Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 1 Rn. 79). Die hier mit der streitgegenständlichen Gehsteigberatung einhergehenden Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer unbestimmten Vielzahl schwangerer Frauen sind jedoch selbst öffentlich-rechtlich relevant. Die Bedrohung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer unbestimmten Zahl von Personen folgt zwangsläufig aus der erklärten Absicht des Klägers, mit der Gehsteigberatung möglichst viele schwangere Frauen zu erreichen.
71 
Zwar steht im Ausgangspunkt die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der im Einzelfall im Rahmen der Gehsteigberatung angesprochenen Frau in Rede, so dass in erster Linie die ordentlichen Gerichte zur Gewährung von Rechtsschutz berufen sind. In Betracht kommt ein im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu verfolgender Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB. Dieser Rechtsschutz ist grundsätzlich genauso effektiv i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG wie der Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten (vgl. Art. 19 Abs. 4 Satz 2 GG). Bei den hier in Rede stehenden Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist jedoch typischerweise wirkungsvoller Rechtsschutz vor den ordentlichen Gerichten für viele der betroffenen Frauen schon deshalb nicht zu erlangen, weil sie die Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle nur einmal aufsuchen und es wegen der Einmaligkeit der Rechtsgutbeeinträchtigung am Rechtsschutzinteresse fehlt. Bei dieser Sachlage gebietet es der im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG wurzelnde allgemeine Justizgewährleistungsanspruch, der wirkungsvollen Rechtsschutz garantiert (vgl. Senatsurteil vom 08.05.2008 - 1 S 2914/07 - a.a.O.; BVerfG, Beschl. v. 08.11.2006 - 2 BvR 578/02 u.a. - BVerfGE 117, 71 <121 f.> m.w.N.), das gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. PolG erforderliche öffentliche Interesse am polizeilichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu bejahen. Hinzu kommt, dass einzelne Unterlassungsklagen der betroffenen Frauen vor den ordentlichen Gerichten nicht genauso effektiv sind wie die Gefahrenabwehr durch eine polizeiliche Untersagungsverfügung, die die Gefahr der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch gegenüber künftig die Beratungsstelle aufsuchenden Frauen abwehrt.
72 
Des weiteren ist der jeweils betroffenen Frau jedenfalls dann, wenn sie sich tatsächlich in einer Schwangerschaftskonfliktsituation befindet, die Rechtsverfolgung vor den ordentlichen Gerichten nicht zumutbar, weil ihr dies einen Verzicht auf die durch § 6 Abs. 2 SchKG gesetzlich gewährleistete Anonymität abverlangen würde. Dagegen kann nicht eingewandt werden, dass die Anonymität bei Ausstellung einer Beratungsbescheinigung nach § 7 SchKG ohnehin aufgehoben wird. Denn zum einen mündet nicht jede Beratung in die Ausstellung einer Beratungsbescheinigung, zum anderen wird die Vertraulichkeit der Beratung durch das Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3a StPO und durch die arbeitsvertraglich vereinbarte Schweigepflicht der Berater abgesichert. Es macht daher einen erheblichen Unterschied, ob eine schwangere Frau ihre Anonymität bei einer anerkannten Beratungsstelle aufgibt, um eine Beratungsbescheinigung zu erhalten oder ob sie im Rahmen eines Verfahrens vor den ordentlichen Gerichten preisgeben müsste, dass sie eine Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle aufgesucht hat.
73 
Schließlich ist das öffentliche Interesse am polizeilichen Einschreiten auch deshalb zu bejahen, weil - angesichts der bei der aufgezeigten Sachlage eingeschränkten und wenig effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten vor den ordentlichen Gerichten - die Staatsorgane im Hinblick darauf, dass die Grundrechte zugleich Ausdruck einer objektiven Wertordnung sind, eine objektivrechtliche Pflicht zum Schutz der grundrechtlich gesicherten Individualgüter - hier des allgemeinen Persönlichkeitsrechts - trifft (in diesem Sinne Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., D 30). Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Individualgüter einer unbestimmten Vielzahl von Grundrechtsträgerinnen bedroht werden (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Aufl., Rn. 56).
74 
4. Damit steht auch die Subsidiaritätsklausel des § 2 Abs. 2 PolG einem Einschreiten gegen den Kläger nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift obliegt der Schutz privater Rechte der Polizei nur auf Antrag des Berechtigten und nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Diese Subsidiaritätsklausel hindert jedoch ein polizeiliches Tätigwerden nur dann, wenn es ausschließlich um den Schutz privater Rechte geht (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 2 Rn. 12; Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 7. Aufl., Rn. 119). Dies ist hier, wie soeben ausgeführt (3. e), nicht der Fall.
75 
5. Das Verbot beachtet auch den in § 5 PolG einfachgesetzlich normierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
76 
a) Die Maßnahme ist geeignet, gerade die Ansprache der zu schützenden Frauen erheblich zu erschweren, auch wenn möglicherweise von den räumlichen Grenzen des Verbotsbereichs aus noch einzelne Frauen, die das Gebäude der Beratungsstelle verlassen, individualisiert und gezielt angesprochen werden können.
77 
b) Das Verbot ist auch erforderlich. Mildere Maßnahmen in Form eines weniger weitreichenden Verbots wären weniger effektiv. Dies gilt zunächst mit Blick auf den räumlichen Umfang des Verbots. Je näher die Gehsteigberatung an die Beratungsstelle heranrückt, desto eher ist es möglich, gezielt Frauen, die die Beratungsstelle verlassen, anzusprechen. Damit wäre jedes weniger weit reichende Verbot auch dem Schutzzweck weniger dienlich.
78 
Inhaltlich ist das Verbot auf solche Handlungsformen begrenzt, die die vom Kläger praktizierte Gehsteigberatung kennzeichnen. Eine präzisere Definition des Verbotstatbestandes ist nicht möglich.
79 
c) Das Verbot ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Der Vorrang des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der betroffenen Frauen vor der Glaubens- und Meinungsfreiheit des Klägers wurde im Rahmen der Abwägung der betroffenen Grundrechte bereits begründet (3. d) aa)).
80 
6. Ermessensfehler sind ebenfalls nicht erkennbar. Allein der Umstand, dass auch der öffentliche Druck des Beigeladenen die Beklagte dazu bewogen haben mag, ihre schon zuvor geäußerte Rechtsposition in einer Verbotsverfügung umzusetzen, lässt nicht darauf schließen, dass sachfremde Erwägungen das Entschließungsermessen geleitet haben könnten.
81 
7. Nach dem Vorstehenden erweist sich schließlich auch die auf §§ 2, 20 und 23 LVwVG gestützte Zwangsgeldandrohung in dem angefochtenen Bescheid (Verfügung Nr. III) als rechtmäßig. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor, namentlich ist das Zwangsgeld das geeignete Zwangsmittel, das auch im Hinblick auf die angedrohte Höhe nicht zu beanstanden ist. Die Festsetzung der Verwaltungsgebühr von 100,-- EUR und der Widerspruchsgebühr von 150,-- EUR weisen ebenfalls keine Rechtsfehler auf. Die Festsetzung der Verwaltungsgebühr beruht auf den §§ 1, 2 und 4 der Verwaltungsgebührensatzung der Beklagten, die Festsetzung der Widerspruchsgebühr auf den §§ 1 - 8, 12, 14 LGebG i.V.m. Nr. 7.1 des Gebührenverzeichnisses zum LGebG.
IV.
82 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene einen Antrag gestellt hat und damit auch ein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit, seine außergerichtlichen Kosten dem Kläger aufzuerlegen.
83 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es stellt sich keine revisible, nach § 137 VwGO vom Bundesverwaltungsgericht überprüfbare Rechtsfrage (vgl. Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 132 Rn. 28 ff.). Die Beklagte handelte auf Grund einer landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage. Als revisibles Recht kommen nur der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerwG, Beschl. v. 18.02.2002 - 3 B 149.01 - NJW 2002, 2122) oder die Auslegung der abzuwägenden Grundrechte (Eichberger, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 137 Rn. 80) in Betracht. Fragen des Bundesrechts bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht vermögen die Zulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Normen ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (BVerwG, Beschl. v. 17.08.2009 - 6 B 10.09 - juris). Dies ist hier nicht ersichtlich.
84 
Beschluss vom 11. Oktober 2012
85 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
86 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach anderen Vorschriften geahndet werden kann.

(1) Sachlich zuständig ist

1.
die Verwaltungsbehörde, die durch Gesetz bestimmt wird,
2.
mangels einer solchen Bestimmung
a)
die fachlich zuständige oberste Landesbehörde oder
b)
das fachlich zuständige Bundesministerium, soweit das Gesetz von Bundesbehörden ausgeführt wird.

(2) Die Landesregierung kann die Zuständigkeit nach Absatz 1 Nr. 2 Buchstabe a durch Rechtsverordnung auf eine andere Behörde oder sonstige Stelle übertragen. Die Landesregierung kann die Ermächtigung auf die oberste Landesbehörde übertragen.

(3) Das nach Absatz 1 Nr. 2 Buchstabe b zuständige Bundesministerium kann seine Zuständigkeit durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, auf eine andere Behörde oder sonstige Stelle übertragen.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach anderen Vorschriften geahndet werden kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.