Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage M 7 K 16.3222 gegen die Bescheide des Landratsamtes München vom 12. und 13. Juli 2016 wird angeordnet bzw. wiederhergestellt.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

III.

Der Streitwert wird auf 8.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Widerruf der ihm am 11. August 2014 erteilten Waffenbesitzkarte Nr. ..., in die eine Kurzwaffe und vier Langwaffen eingetragen sind, und des ihm am 28. September 2015 erteilten Jagdscheins Nr. ..., der bis 31. März 2018 gültig ist.

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2015 teilte das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz dem Landratsamt München (im Folgenden: Landratsamt) mit, dass ein bayernweiter Abgleich von Rechtsextremisten mit dem Nationalen Waffenregister einen Treffer in seinem Zuständigkeitsbereich ergeben habe, und bat um Prüfung, inwieweit eine Entziehung der waffenrechtlichen Erlaubnis bei dieser Person möglich sei. Ermittlungen des Landratsamtes ergaben, dass der Antragsteller am 31. Juli 2010 mit 280 Teilnehmern an dem von Sicherheitsbehörden als rechtsextremistisch eingestuften 3. Nationalen Frankentag in Geschwand teilgenommen hatte und bei einer Polizeikontrolle im Nahbereich des S-Bahnhofs Erding anlässlich einer von Martin Wiese organisierten Großveranstaltung der rechten Szene Münchens am 9. April 2011 sowie bei einer polizeilichen Vorkontrolle in Halsbach anlässlich eines von dem rechtsextremistischen Verein „Frei Räume“ veranstalteten Konzerts am 11. Februar 2012 festgestellt worden war; weiter, dass Gründungsmitglied des Vereins u. a. Norman Bordin ist, der ca. 120 Besucher ausschließlich aus dem rechten Milieu zu dieser Veranstaltung eingeladen hat, und das bei dem Konzert drei als rechtsextremistisch eingestufte Musikgruppen auftraten.

Mit Schreiben jeweils vom 15. März 2016 hörte das Landratsamt den Antragsteller zum Widerruf seines Jagdscheins und seiner Waffenbesitzkarte an. Mit Schreiben vom 18. April und 2. Juni 2016 führte der Bevollmächtigte des Antragstellers dazu aus, dass § 5 Abs. 2 Nr. 3a WaffG nicht Grundlage für den Widerruf sein könne, weil nur das Konzert vom 11. Februar 2012 innerhalb des gesetzlich vorgesehenen Zeitrahmens stattgefunden habe und der Antragsteller lediglich mit einem Bekannten das Konzert habe besuchen wollen. Aufgrund der polizeilichen Kontrollen habe er jedoch sein Interesse an dem Konzertbesuch verloren und keine Eintrittskarte mehr gelöst.

Mit Bescheid vom 12. Juli 2016 widerrief die Waffenbehörde des Landratsamtes gestützt auf § 45 Abs. 2, § 10 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 3a WaffG die Waffenbesitzkarte des Antragstellers (Nummer 1) und gab ihm auf, innerhalb der Frist von einem Monat nach Zustellung des Bescheides die Originalausfertigung dem Landratsamt zu übergeben (Nummer 2) sowie seine Waffen samt Munition einem Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen und dies nachzuweisen (Nummer 3). Die sofortige Vollziehung der Nummern 2 und 3 des Bescheides wurde angeordnet (Nummer 4). Für den Fall, dass der Antragsteller seiner Verpflichtung aus Nummer 2 des Bescheides nicht fristgerecht nachkomme, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- EUR angedroht (Nummer 5). Die Voraussetzungen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG und § 92 Abs. 2 StGB enthaltenen Legaldefinitionen der Begriffe „verfassungsmäßige Ordnung“ und „Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung“ und nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien erfüllt. Der von dem bekannten Neonazi Norman Bordin gegründete Verein „Frei Räume“ habe u. a. das Ziel, rechtsextremistische Konzerte zu veranstalten. Seine Anmeldung habe das Amtsgericht Traunstein deshalb zurückgewiesen. Er verfolge somit Bestrebungen, die sich gegen die verfassungsgemäße Ordnung richteten. Die Tatsache, dass der Antragsteller bei der fest terminierten und nur auf Einladung für einen bestimmten Personenkreis zugänglichen Saalveranstaltung kontrolliert worden sei, zeige, dass er über den Hintergrund informiert gewesen sei. Es könne daher nicht geglaubt werden, dass dem Antragsteller die Musikgruppe bzw. der Verein „Frei Räuber e.V.“ unbekannt sei. Auch die Aussage, dass er mit einem Bekannten das Konzert habe besuchen wollen, entkräfte nicht die Annahme, dass er gegen die verfassungsgemäße Ordnung gerichtete Bestrebungen verfolge oder unterstütze. Laut polizeilicher Stellungnahme sei er während der Anreise und Teilnahme bei einer Vorkontrolle festgestellt worden. Der Zeitpunkt der Kontrolle sei also ebenfalls bekannt. Dass der Antragsteller durch sein Verhalten nicht aufgefallen sei, sei weniger schädlich, da bereits Ziel- und Zweckrichtung ausreichend seien. Dies bedeute, dass bereits die bloße Teilnahme an Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen einschneidende sicherheitsrechtliche Maßnahmen rechtfertigen würden, weil dies den Schluss auf die Unterstützung von gesetzlich missbilligten Bestrebungen zulasse. Der Antragsteller habe sich entschieden, an einer Veranstaltung teilzunehmen, dessen Organisatoren und Teilnehmer sich offensichtlich gegen die verfassungsmäßige Ordnung aussprächen und dementsprechende Bestrebungen verfolgen würden. Die Veranstaltungen vom 31. Juli 2010 und 9. April 2011, die beide der rechten Szene zuzuordnen seien, lägen zwar außerhalb der Fünfjahresfrist des § 5 Abs. 2 Nr. 3a WaffG, stünden aber in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Ereignis vom 11. Februar 2012. Aufgrund seiner Teilnahme bzw. seiner Besuchsabsicht sei davon auszugehen, dass der Antragsteller einer rechten Gesinnung angehöre. Allein das Interesse an derartigen Treffen bestätige, dass er Bestrebungen verfolge bzw. unterstütze, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet seien. Das Gesamtbild rechtfertige die Annahme, dass er dies in den letzten fünf Jahren getan habe, so dass er als waffenrechtlich unzuverlässig gelte. Die Anordnung zur Rückgabe der Waffenbesitzkarte beruhe auf § 46 Abs. 1 WaffG, die Anordnung zur Abgabe oder Unbrauchbarmachung der Waffen auf § 46 Abs. 2 WaffG. Der Widerruf sei nach § 45 Abs. 5 WaffG sofort vollziehbar; die sofortige Vollziehung der Nummern 2 und 3 des Bescheides sei gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im überwiegenden öffentlichen Interesse angeordnet worden. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29 - 31 und 36 VwZVG.

Mit im Wesentlichen gleicher Begründung und gestützt auf § 18 Abs. 1, § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG i. V. m. § 5 Abs. 2 Nr. 3a WaffG erklärte die Jagdbehörde des Landratsamtes mit Bescheid vom13. Juli 2016 unter Anordnung des Sofortvollzuges (Nummer 3) und unter Androhung eines Zwangsgeldes von 250,- EUR (Nummer 4) den Jagdschein des Antragstellers für ungültig (Nummer 1) und gab ihm auf, diesen innerhalb von zehn Tagen nach Zustellung des Bescheides bei der unteren Jagdbehörde abzugeben (Nummer 2).

Beide Bescheide ließ der Kläger am 21. Juli 2016 bei Gericht durch seinen Bevollmächtigten anfechten (M 7 K 16.3222) sowie weiter beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.

Zur Begründung des Eilantrages wurde auf die Klagebegründung Bezug genommen, wonach sich die Bescheide in allererster Linie auf Ereignisse stützen, die vor dem durch das Gesetz festgelegten Zeitraum von fünf Jahren stattgefunden hätten. Veranstaltungen außerhalb dieses Zeitraums könnten nicht mit dem Ereignis vom 11. Februar 2012 über einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang verknüpft werden, wenn sie weit vor dem Ereignis gelegen hätten. Auch habe der Kläger an dem Konzert im Saal nicht teilgenommen. Er sei bei einer Vorkontrolle durch Kräfte der Bereitschaftspolizei kontrolliert worden. Die Anwesenheit auf dem Parkplatz im Vorfeld der Veranstaltung erfülle nicht die Mindestvoraussetzungen der Rechtsgrundlage. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzten politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen voraus, dass über das bloße Vorhandensein bestimmter Bestrebungen hinaus ein aktives, nicht jedoch notwendig kämpferisch-aktives Vorgehen zu deren Realisierung erforderlich sei. Es sei schon fraglich, ob das Bundesverwaltungsgericht heute noch genauso entscheiden würde wie seinerzeit hinsichtlich der nach der Wiedervereinigung tätigen früheren kommunistischen Politiker bzw. Funktionäre. Zudem sei es nur um die Beobachtung durch den Verfassungsschutz und nicht um die Auferlegung von Handlungspflichten gegangen. Auch reiche nach dem Waffengesetz eine bloß passive Teilnahme, vielleicht aus Neugier oder sonstigen Gründen, nicht aus. Einem vom Landratsamt zitierten Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 13. November 2013 - M 7 K 12.2797 - sei zu entnehmen, dass eine mehrfache Teilnahme an Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen vorauszusetzen sei, um die waffenrechtliche Zuverlässigkeit in Frage zu stellen. Zudem habe der Kläger in den vergangenen viereinhalb Jahren nach dem vorgeworfenen Ereignis unter Beweis gestellt, dass er jederzeit und ordnungsgemäß mit der Waffe umgegangen sei. Der Bescheid vom 12. Juli 2016 begegne auch deshalb rechtlichen Bedenken, weil er keine die Behörde legitimierende Unterschrift trage.

Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 18. August 2016 unter Bezug auf die angefochtenen Bescheide,

den Antrag abzulehnen,

und führte weiter aus, eine aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse bestehe schon kraft Gesetzes nicht. Im Übrigen sei die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse angeordnet worden. Entgegen der klägerischen Darstellung sei seine tatsächliche Teilnahme an den Veranstaltungen vom 31. Juli 2010, vom 9. April 2011 und vom 11. Februar 2012 polizeilich dokumentiert worden. Soweit eine Musikgruppe, die bei der letzten Veranstaltung aufgetreten sei, in den angefochtenen Bescheiden als „Frei Räuber e.V.“ bezeichnet worden sei, handele es sich um einen Schreibfehler. Richtig heiße die Musikgruppe natürlich „Frei Räume e.V.“. Die ersten beiden Veranstaltungen wiesen einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zu dem letzten Konzert mit rechtsextremistischen Musikgruppen auf. Beim 3. Nationalen Frankentag am 31. Juli 2010 handele es sich um eine Open-Air-Veranstaltung der Neonazis des „Freien Netzes Süd“ mit Rechtsrock Bands und politischen Reden. Mitgestalter der Veranstaltung seien die Neonazi-Kapellen sowie Redner des „Freien Netzes Süd“ und der NPD-Landesvertretung gewesen. Am 9. April 2011 hätte die „Erste Großveranstaltung aller rechten Gruppierungen der rechten Szene Münchens“ in Erding stattgefunden. Laut polizeilichen Auskünften hätte die durch den mehrfach verurteilten Neonazi Martin Wiese organisierte Veranstaltung in der Sportgaststätte Rot-Weiß-Kettham stattgefunden. Die Anwesenheit des Antragstellers bei diesen beiden Veranstaltungen sei durch Personenkontrollen festgestellt worden. Es sei von der Hand zu weisen, dass sich der Antragsteller auch hier zufällig aufgehalten habe. Somit sei davon auszugehen, dass er eine rechtsextremistische Gesinnung habe. Abgesehen davon, dass die beiden Veranstaltungen außerhalb des Fünfjahreszeitraums lägen, bestätige allein das Interesse des Antragstellers an derartigen Treffen, dass er Bestrebungen verfolge bzw. unterstütze, die gegen die verfassungsgemäße Ordnung gerichtet seien.

Wegen der Erwiderung des Klägerbevollmächtigten vom 14. September 2016 und weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. § 117 Abs. 3 VwGO analog auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat Erfolg.

Der statthafte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist gem. § 88 VwGO nach dem erkennbaren Rechtsschutzziel dahin auszulegen, dass der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage begehrt, soweit diese von Gesetzes wegen entfällt (hier nach § 45 Abs. 5 WaffG und Art. 21a Satz 1 VwZVG), sowie deren Wiederherstellung, soweit die aufschiebende Wirkung der Klage wegen der behördlichen Anordnungen der sofortigen Vollziehung gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO entfallen ist.

Entfaltet ein Rechtsbehelf - wie hier teils wegen einer behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung und teils von Gesetzes wegen - keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen bzw. wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Bei der vom Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu treffenden Interessenabwägung zwischen dem öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen, die ein wesentliches, wenn auch nicht das alleinige Indiz für bzw. gegen die Begründetheit des Begehrens im einstweiligen Rechtsschutz sind. Ergibt die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotene summarische Prüfung der Erfolgsaussichten, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolgreich sein wird, besteht kein öffentliches Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes.

Hiervon ist auszugehen. Die Voraussetzungen der als Rechtsgrundlage für beide Bescheide herangezogenen Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 3a WaffG sind offensichtlich nicht erfüllt, so dass darüber hinausgehenden rechtlichen Bedenken nicht nachgegangen werden muss.

Nach § 45 Abs. 2 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, hier die Waffenbesitzkarte (§ 10 Abs. 1 WaffG), zwingend zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Ein solcher Versagungsgrund ergibt sich u. a. aus § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, der für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne von § 5 WaffG und die persönliche Eignung gem. § 6 WaffG voraussetzt. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3a WaffG besitzen Personen in der Regel die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, wenn sie einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Da keine Nachweise für eine aktuelle Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen durch den Antragsteller vorliegen, sondern die (beabsichtigte) Teilnahme an einem rechtsextremistischen Konzert am 11. Februar 2012 der letzte bekannt gewordene Vorwurf ist, ist die zweite Tatbestandsalternative einschlägig.

Es kann offen bleiben, ob der Konzertveranstalter, der als rechtsextremistisch einzustufende Verein „Frei Räume“ (vgl. die im Internet veröffentlichten Informationen der Bayerischen Staatsregierung im Portal „Bayern gegen Rechtsextremismus“ der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit im Staatsministerium für Unterricht und Kultus und der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus des Staatsministeriums des Innern beim Landesamt für Verfassungsschutz), Bestrebungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3a WaffG und damit auch im Sinne der Legaldefinitionen in § 4 Abs. 2 BVerfSchG und § 92 Abs. 2 StGB (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 55) verfolgt, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind, was mit dem bloßen Verweis auf die Weigerung des Amtsgerichts Traunsteins, den Verein in das Vereinsregister einzutragen, und auf ein allgemein als Neonazi bekanntes Gründungsmitglied nicht hinreichend dargelegt bzw. nachgewiesen ist. Denn es fehlen schon hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller durch die vereinzelt gebliebene Teilnahme an Veranstaltungen des rechtsextremen Spektrums Bestrebungen verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind.

Zunächst ist die Darstellung des Antragstellers nicht widerlegt, dass er an der Veranstaltung am 11. Februar 2012 gar nicht teilgenommen, sondern auf den Konzertbesuch wegen der Polizeikontrollen verzichtet hat. In der polizeilichen Auskunft vom 29. Februar 2016 (Bl. 81a der Behördenakte) wurde zunächst offen gelassen, ob die Polizei den Antragsteller bei der Anreise zu dem Konzert oder beim Besuch des Konzerts („Anreise/Teilnahme“ „vor bzw. während der Veranstaltung“) kontrolliert hat, und sodann konkret mitgeteilt, dass er bei einer „Vorkontrolle durch Kräfte der Bereitschaftspolizei“ festgestellt worden sei. Hieraus ergibt sich mithin nicht, dass seine Anwesenheit während des Konzerts polizeilich festgestellt ist. Der beabsichtigte Besuch eines als extremistisch einzustufenden Konzerts mag ein Indiz für eine entsprechende Weltanschauung oder „Gesinnung“ sein, stellt aber noch keine Unterstützung von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung dar, d. h. eine politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweise in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG). Denn es ist zu gar keiner Handlung gekommen. Nach der vom Antragsgegner zitierten Rechtsprechung genügt für eine entsprechende Annahme das bloße Innehaben einer extremistischen Weltanschauung ebenso wenig wie eine Kritik an Verfassungswerten und -grundsätzen, die Übereinstimmung oder Sympathie mit den Zielen einer verfassungsfeindlichen Organisation oder die wissenschaftliche Beschäftigung mit einer extremistischen Theorie (BVerwG, U. v. 21. Juli 2010 - 6 C 22/09 - juris Rn. 60 f. m. w. N.), was als erlaubte Wahrnehmung insbesondere des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) geschützt ist.

Weiter wird die Unterstützung einer Bestrebung gegen die verfassungsmäßige Ordnung in den letzten fünf Jahren auch nicht dadurch belegt, dass der Antragsteller vor mehr als fünf Jahren zwei als extremistisch einzustufende Veranstaltungen, zum einen den 3. Nationalen Frankentag am 31. Juli 2010, eine von Mitgliedern des „Freien Netzes Süd“ und der NPD organisierte, politisch-musikalisch gemischte Open-Air-Veranstaltung (vgl. Informationsportal „Bayern gegen Rechtsextremismus“), und zum andern eine von dem Neonazi Martin Wiese (vgl. BayVerfSchBer 2012, S. 104 f.) organisierte, offenbar der Netzwerkbildung dienende Großveranstaltung von Gruppierungen der rechten Szene Münchens am 9. April 2011, besucht hat. Aus § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG ergibt sich zwar nicht, dass keine Tatsachen, die sich außerhalb des dort festgelegten Fünfjahreszeitraums ereignet haben, zum Nachweis dafür herangezogen werden dürften, dass eine Person innerhalb des Fünfjahreszeitraums verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt hat. Auch ist im Einzelfall nicht auszuschließen, dass Ereignisse, die etliche Monate auseinanderliegen, einen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang aufweisen können, der sich als Ausdruck einer Unterstützungshandlung für eine Bestrebung gegen die verfassungsmäßige Ordnung darstellt. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

Selbst wenn der Antragsteller das Konzert am 11. Februar 2012 besucht hätte, würde die passive Teilnahme an den drei Veranstaltungen ihrer Intensität nach nicht die Schwelle erreichen, die die Annahme einer Unterstützungshandlung rechtfertigt. Davon kann im Sinne der von der Kammer im Urteil vom 13. November 2013 - M 7 K 12.2797 - herangezogenen obergerichtlichen Rechtsprechung erst dann ausgegangen werden, wenn sich eine Tätigkeit positiv auf die Aktionsmöglichkeiten einer Vereinigung auswirkt bzw. ihre innere Organisation, ihren Zusammenhalt, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt (vgl. BVerwG, U. v. 15. März 2005 - 1 C 26/03 - juris Rn. 25 zu § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG undU. v. 30. Juli 2013 - 1 C 9/12 - juris Rn. 15 ff. zu § 54 Nr. 5 AufenthG). Nach dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts war maßgeblich, ob die Teilnahme an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung bei einer wertenden Gesamtschau zum Ausdruck bringt, dass der Betreffende auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, was bei zahlreicher Beteiligung an Veranstaltungen und einem Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer in Betracht kommt (vgl. BVerwG, U. v. 15. März 2005 - 1 C 26/03 - juris Rn. 27). Im Falle des Antragstellers ist noch nicht einmal festgestellt worden, welche konkreten Bestrebungen bzw. wessen Bestrebungen er durch die Teilnahme an den Veranstaltungen unterstützt hat. Insofern reicht es nicht aus, dass sämtliche Veranstalter einer extremistischen Weltanschauung im weiteren Sinne zuzuordnen sind und sich daraus ein Schluss auf die Weltanschauung des Antragstellers ableiten lassen mag.

Der Widerruf des Jagdscheins ist aus denselben Gründen materiell rechtswidrig.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 Satz 1, 20.3, 50.2 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach sind der Widerruf des Jagdscheins mit 8.000,- EUR, der Widerruf der Waffenbesitzkarte mit dem Auffangstreitwert (5.000,- EUR) und die vier weiteren Waffen mit je 750,- EUR anzusetzen. Der sich daraus ergebende Streitwert in Höhe von 16.000,- EUR ist in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel zu halbieren (8.000,- EUR).

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Strafgesetzbuch - StGB | § 92 Begriffsbestimmungen


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(1) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen Personen nicht,

1.
die rechtskräftig verurteilt worden sind
a)
wegen eines Verbrechens oder
b)
wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr,
wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie
a)
Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden,
b)
mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden,
c)
Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.

(2) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht,

1.
a)
die wegen einer vorsätzlichen Straftat,
b)
die wegen einer fahrlässigen Straftat im Zusammenhang mit dem Umgang mit Waffen, Munition oder explosionsgefährlichen Stoffen oder wegen einer fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat,
c)
die wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz, dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, dem Sprengstoffgesetz oder dem Bundesjagdgesetz
zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind oder bei denen die Verhängung von Jugendstrafe ausgesetzt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
die Mitglied
a)
in einem Verein, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar verboten wurde oder der einem unanfechtbaren Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz unterliegt, oder
b)
in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes festgestellt hat,
waren, wenn seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
3.
Bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren
a)
Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die
aa)
gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind,
bb)
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cc)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
b)
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c)
eine solche Vereinigung unterstützt haben,
4.
die innerhalb der letzten fünf Jahre mehr als einmal wegen Gewalttätigkeit mit richterlicher Genehmigung in polizeilichem Präventivgewahrsam waren,
5.
die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in Nummer 1 Buchstabe c genannten Gesetze verstoßen haben.

(3) In die Frist nach Absatz 1 Nr. 1 oder Absatz 2 Nr. 1 nicht eingerechnet wird die Zeit, in welcher die betroffene Person auf behördliche oder richterliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist.

(4) Ist ein Verfahren wegen Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 oder des Absatzes 2 Nr. 1 noch nicht abgeschlossen, so kann die zuständige Behörde die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens aussetzen.

(5) Die zuständige Behörde hat im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung folgende Erkundigungen einzuholen:

1.
die unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister;
2.
die Auskunft aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister hinsichtlich der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Straftaten;
3.
die Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen; die örtliche Polizeidienststelle schließt in ihre Stellungnahme das Ergebnis der von ihr vorzunehmenden Prüfung nach Absatz 2 Nummer 4 ein;
4.
die Auskunft der für den Wohnsitz der betroffenen Person zuständigen Verfassungsschutzbehörde, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 begründen; liegt der Wohnsitz der betroffenen Person außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, ist das Bundesamt für Verfassungsschutz für die Erteilung der Auskunft zuständig.
Die nach Satz 1 Nummer 2 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur für den Zweck der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung verwendet werden. Erlangt die für die Auskunft nach Satz 1 Nummer 4 zuständige Verfassungsschutzbehörde im Nachhinein für die Beurteilung der Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 bedeutsame Erkenntnisse, teilt sie dies der zuständigen Behörde unverzüglich mit (Nachbericht). Zu diesem Zweck speichert sie Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsname, Geburtsort, Wohnort und Staatsangehörigkeit der betroffenen Person sowie Aktenfundstelle in den gemeinsamen Dateien nach § 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Lehnt die zuständige Behörde einen Antrag ab oder nimmt sie eine erteilte Erlaubnis zurück oder widerruft diese, so hat sie die zum Nachbericht verpflichtete Verfassungsschutzbehörde hiervon unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Die zum Nachbericht verpflichtete Verfassungsschutzbehörde hat in den Fällen des Satzes 5 die nach Satz 4 gespeicherten Daten unverzüglich zu löschen.

(1) Eine Erlaubnis nach diesem Gesetz ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen.

(2) Eine Erlaubnis nach diesem Gesetz ist zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis nach diesem Gesetz kann auch widerrufen werden, wenn inhaltliche Beschränkungen nicht beachtet werden.

(3) Bei einer Erlaubnis kann abweichend von Absatz 2 Satz 1 im Fall eines vorübergehenden Wegfalls des Bedürfnisses, aus besonderen Gründen auch in Fällen des endgültigen Wegfalls des Bedürfnisses, von einem Widerruf abgesehen werden. Satz 1 gilt nicht, sofern es sich um eine Erlaubnis zum Führen einer Waffe handelt.

(4) Verweigert eine betroffene Person im Fall der Überprüfung des weiteren Vorliegens von in diesem Gesetz oder in einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung vorgeschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen, bei deren Wegfall ein Grund zur Rücknahme oder zum Widerruf einer Erlaubnis oder Ausnahmebewilligung gegeben wäre, ihre Mitwirkung, so kann die Behörde deren Wegfall vermuten. Die betroffene Person ist hierauf hinzuweisen.

(5) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 haben keine aufschiebende Wirkung, sofern die Erlaubnis wegen des Nichtvorliegens oder Entfallens der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 zurückgenommen oder widerrufen wird.

(1) Die Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Waffen wird durch eine Waffenbesitzkarte oder durch Eintragung in eine bereits vorhandene Waffenbesitzkarte erteilt. Für die Erteilung einer Erlaubnis für Schusswaffen sind Art, Anzahl und Kaliber der Schusswaffen anzugeben. Die Erlaubnis zum Erwerb einer Waffe gilt für die Dauer eines Jahres, die Erlaubnis zum Besitz wird in der Regel unbefristet erteilt.

(2) Eine Waffenbesitzkarte über Schusswaffen, die mehrere Personen besitzen, kann auf diese Personen ausgestellt werden. Eine Waffenbesitzkarte kann auch einem schießsportlichen Verein oder einer jagdlichen Vereinigung als juristischer Person erteilt werden. Sie ist mit der Auflage zu verbinden, dass der Verein der Behörde vor Inbesitznahme von Vereinswaffen unbeschadet des Vorliegens der Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 eine verantwortliche Person zu benennen hat, für die die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 nachgewiesen sind; diese benannte Person muss nicht vertretungsberechtigtes Organ des Vereins sein. Scheidet die benannte verantwortliche Person aus dem Verein aus oder liegen in ihrer Person nicht mehr alle Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 vor, so ist der Verein verpflichtet, dies unverzüglich der zuständigen Behörde mitzuteilen. Benennt der Verein nicht innerhalb von zwei Wochen eine neue verantwortliche Person, für die die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 nachgewiesen werden, so ist die dem Verein erteilte Waffenbesitzerlaubnis zu widerrufen und die Waffenbesitzkarte zurückzugeben.

(3) Die Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Munition wird durch Eintragung in eine Waffenbesitzkarte für die darin eingetragenen Schusswaffen erteilt. In den übrigen Fällen wird die Erlaubnis durch einen Munitionserwerbsschein für eine bestimmte Munitionsart erteilt; sie ist für den Erwerb der Munition auf die Dauer von sechs Jahren zu befristen und gilt für den Besitz der Munition unbefristet. Die Erlaubnis zum nicht gewerblichen Laden von Munition im Sinne des Sprengstoffgesetzes gilt auch als Erlaubnis zum Erwerb und Besitz dieser Munition. Nach Ablauf der Gültigkeit des Erlaubnisdokuments gilt die Erlaubnis für den Besitz dieser Munition für die Dauer von sechs Monaten fort.

(4) Die Erlaubnis zum Führen einer Waffe wird durch einen Waffenschein erteilt. Eine Erlaubnis nach Satz 1 zum Führen von Schusswaffen wird für bestimmte Schusswaffen auf höchstens drei Jahre erteilt; die Geltungsdauer kann zweimal um höchstens je drei Jahre verlängert werden, sie ist kürzer zu bemessen, wenn nur ein vorübergehendes Bedürfnis nachgewiesen wird. Der Geltungsbereich des Waffenscheins ist auf bestimmte Anlässe oder Gebiete zu beschränken, wenn ein darüber hinausgehendes Bedürfnis nicht nachgewiesen wird. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen sind in der Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 3 Nr. 2 und 2.1 genannt (Kleiner Waffenschein).

(5) Die Erlaubnis zum Schießen mit einer Schusswaffe wird durch einen Erlaubnisschein erteilt.

(1) Eine Erlaubnis setzt voraus, dass der Antragsteller

1.
das 18. Lebensjahr vollendet hat (§ 2 Abs. 1),
2.
die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5) und persönliche Eignung (§ 6) besitzt,
3.
die erforderliche Sachkunde nachgewiesen hat (§ 7),
4.
ein Bedürfnis nachgewiesen hat (§ 8) und
5.
bei der Beantragung eines Waffenscheins oder einer Schießerlaubnis eine Versicherung gegen Haftpflicht in Höhe von 1 Million Euro - pauschal für Personen- und Sachschäden - nachweist.

(2) Die Erlaubnis zum Erwerb, Besitz, Führen oder Schießen kann versagt werden, wenn der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht seit mindestens fünf Jahren im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat.

(3) Die zuständige Behörde hat die Inhaber von waffenrechtlichen Erlaubnissen in regelmäßigen Abständen, mindestens jedoch nach Ablauf von drei Jahren, erneut auf ihre Zuverlässigkeit und ihre persönliche Eignung zu prüfen sowie in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 5 sich das Vorliegen einer Versicherung gegen Haftpflicht nachweisen zu lassen.

(4) Die zuständige Behörde hat das Fortbestehen des Bedürfnisses bei Inhabern einer waffenrechtlichen Erlaubnis alle fünf Jahre erneut zu überprüfen.

(5) Zur Erforschung des Sachverhalts kann die zuständige Behörde in begründeten Einzelfällen das persönliche Erscheinen des Antragstellers oder des Erlaubnisinhabers verlangen.

(1) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen Personen nicht,

1.
die rechtskräftig verurteilt worden sind
a)
wegen eines Verbrechens oder
b)
wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr,
wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie
a)
Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden,
b)
mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden,
c)
Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.

(2) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht,

1.
a)
die wegen einer vorsätzlichen Straftat,
b)
die wegen einer fahrlässigen Straftat im Zusammenhang mit dem Umgang mit Waffen, Munition oder explosionsgefährlichen Stoffen oder wegen einer fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat,
c)
die wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz, dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, dem Sprengstoffgesetz oder dem Bundesjagdgesetz
zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind oder bei denen die Verhängung von Jugendstrafe ausgesetzt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
die Mitglied
a)
in einem Verein, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar verboten wurde oder der einem unanfechtbaren Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz unterliegt, oder
b)
in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes festgestellt hat,
waren, wenn seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
3.
Bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren
a)
Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die
aa)
gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind,
bb)
gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind oder
cc)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
b)
Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, oder
c)
eine solche Vereinigung unterstützt haben,
4.
die innerhalb der letzten fünf Jahre mehr als einmal wegen Gewalttätigkeit mit richterlicher Genehmigung in polizeilichem Präventivgewahrsam waren,
5.
die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in Nummer 1 Buchstabe c genannten Gesetze verstoßen haben.

(3) In die Frist nach Absatz 1 Nr. 1 oder Absatz 2 Nr. 1 nicht eingerechnet wird die Zeit, in welcher die betroffene Person auf behördliche oder richterliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist.

(4) Ist ein Verfahren wegen Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 oder des Absatzes 2 Nr. 1 noch nicht abgeschlossen, so kann die zuständige Behörde die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens aussetzen.

(5) Die zuständige Behörde hat im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung folgende Erkundigungen einzuholen:

1.
die unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister;
2.
die Auskunft aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister hinsichtlich der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Straftaten;
3.
die Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen; die örtliche Polizeidienststelle schließt in ihre Stellungnahme das Ergebnis der von ihr vorzunehmenden Prüfung nach Absatz 2 Nummer 4 ein;
4.
die Auskunft der für den Wohnsitz der betroffenen Person zuständigen Verfassungsschutzbehörde, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 begründen; liegt der Wohnsitz der betroffenen Person außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, ist das Bundesamt für Verfassungsschutz für die Erteilung der Auskunft zuständig.
Die nach Satz 1 Nummer 2 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur für den Zweck der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung verwendet werden. Erlangt die für die Auskunft nach Satz 1 Nummer 4 zuständige Verfassungsschutzbehörde im Nachhinein für die Beurteilung der Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 bedeutsame Erkenntnisse, teilt sie dies der zuständigen Behörde unverzüglich mit (Nachbericht). Zu diesem Zweck speichert sie Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsname, Geburtsort, Wohnort und Staatsangehörigkeit der betroffenen Person sowie Aktenfundstelle in den gemeinsamen Dateien nach § 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Lehnt die zuständige Behörde einen Antrag ab oder nimmt sie eine erteilte Erlaubnis zurück oder widerruft diese, so hat sie die zum Nachbericht verpflichtete Verfassungsschutzbehörde hiervon unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Die zum Nachbericht verpflichtete Verfassungsschutzbehörde hat in den Fällen des Satzes 5 die nach Satz 4 gespeicherten Daten unverzüglich zu löschen.

(1) Im Sinne dieses Gesetzes sind

a)
Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen;
b)
Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen;
c)
Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.
Für einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Bestrebungen im Sinne des § 3 Absatz 1 können auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln. In diesem Fall gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die Verhaltensweise der Einzelperson darauf gerichtet sein muss, die dort genannten Ziele zu verwirklichen. Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informationen im Sinne des § 3 Abs. 1 ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte.

(2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen:

a)
das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
b)
die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
c)
das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
d)
die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
e)
die Unabhängigkeit der Gerichte,
f)
der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und
g)
die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.

(1) Im Sinne dieses Gesetzes beeinträchtigt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, wer ihre Freiheit von fremder Botmäßigkeit aufhebt, ihre staatliche Einheit beseitigt oder ein zu ihr gehörendes Gebiet abtrennt.

(2) Im Sinne dieses Gesetzes sind Verfassungsgrundsätze

1.
das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
2.
die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
3.
das Recht auf die Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
4.
die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
5.
die Unabhängigkeit der Gerichte und
6.
der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft.

(3) Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen (Absatz 1),
2.
Bestrebungen gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, die äußere oder innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen,
3.
Bestrebungen gegen Verfassungsgrundsätze solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, einen Verfassungsgrundsatz (Absatz 2) zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.

(1) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen Personen nicht,

1.
die rechtskräftig verurteilt worden sind
a)
wegen eines Verbrechens oder
b)
wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr,
wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie
a)
Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden,
b)
mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden,
c)
Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.

(2) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht,

1.
a)
die wegen einer vorsätzlichen Straftat,
b)
die wegen einer fahrlässigen Straftat im Zusammenhang mit dem Umgang mit Waffen, Munition oder explosionsgefährlichen Stoffen oder wegen einer fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat,
c)
die wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz, dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, dem Sprengstoffgesetz oder dem Bundesjagdgesetz
zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind oder bei denen die Verhängung von Jugendstrafe ausgesetzt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
die Mitglied
a)
in einem Verein, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar verboten wurde oder der einem unanfechtbaren Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz unterliegt, oder
b)
in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes festgestellt hat,
waren, wenn seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
3.
Bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren
a)
Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die
aa)
gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind,
bb)
gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind oder
cc)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
b)
Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, oder
c)
eine solche Vereinigung unterstützt haben,
4.
die innerhalb der letzten fünf Jahre mehr als einmal wegen Gewalttätigkeit mit richterlicher Genehmigung in polizeilichem Präventivgewahrsam waren,
5.
die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in Nummer 1 Buchstabe c genannten Gesetze verstoßen haben.

(3) In die Frist nach Absatz 1 Nr. 1 oder Absatz 2 Nr. 1 nicht eingerechnet wird die Zeit, in welcher die betroffene Person auf behördliche oder richterliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist.

(4) Ist ein Verfahren wegen Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 oder des Absatzes 2 Nr. 1 noch nicht abgeschlossen, so kann die zuständige Behörde die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens aussetzen.

(5) Die zuständige Behörde hat im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung folgende Erkundigungen einzuholen:

1.
die unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister;
2.
die Auskunft aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister hinsichtlich der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Straftaten;
3.
die Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen; die örtliche Polizeidienststelle schließt in ihre Stellungnahme das Ergebnis der von ihr vorzunehmenden Prüfung nach Absatz 2 Nummer 4 ein;
4.
die Auskunft der für den Wohnsitz der betroffenen Person zuständigen Verfassungsschutzbehörde, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 begründen; liegt der Wohnsitz der betroffenen Person außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, ist das Bundesamt für Verfassungsschutz für die Erteilung der Auskunft zuständig.
Die nach Satz 1 Nummer 2 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur für den Zweck der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung verwendet werden. Erlangt die für die Auskunft nach Satz 1 Nummer 4 zuständige Verfassungsschutzbehörde im Nachhinein für die Beurteilung der Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 bedeutsame Erkenntnisse, teilt sie dies der zuständigen Behörde unverzüglich mit (Nachbericht). Zu diesem Zweck speichert sie Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsname, Geburtsort, Wohnort und Staatsangehörigkeit der betroffenen Person sowie Aktenfundstelle in den gemeinsamen Dateien nach § 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Lehnt die zuständige Behörde einen Antrag ab oder nimmt sie eine erteilte Erlaubnis zurück oder widerruft diese, so hat sie die zum Nachbericht verpflichtete Verfassungsschutzbehörde hiervon unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Die zum Nachbericht verpflichtete Verfassungsschutzbehörde hat in den Fällen des Satzes 5 die nach Satz 4 gespeicherten Daten unverzüglich zu löschen.

(1) Werden Erlaubnisse nach diesem Gesetz zurückgenommen oder widerrufen, so hat der Inhaber alle Ausfertigungen der Erlaubnisurkunde der zuständigen Behörde unverzüglich zurückzugeben. Das Gleiche gilt, wenn die Erlaubnis erloschen ist.

(2) Hat jemand auf Grund einer Erlaubnis, die zurückgenommen, widerrufen oder erloschen ist, Waffen oder Munition erworben oder befugt besessen, und besitzt er sie noch, so kann die zuständige Behörde anordnen, dass er binnen angemessener Frist die Waffen oder Munition dauerhaft unbrauchbar macht oder einem Berechtigten überlässt und den Nachweis darüber gegenüber der Behörde führt. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist kann die zuständige Behörde die Waffen oder Munition sicherstellen.

(3) Besitzt jemand ohne die erforderliche Erlaubnis oder entgegen einem vollziehbaren Verbot nach § 41 Abs. 1 oder 2 eine Waffe oder Munition, so kann die zuständige Behörde anordnen, dass er binnen angemessener Frist

1.
die Waffe oder Munition dauerhaft unbrauchbar macht oder einem Berechtigten überlässt oder
2.
im Fall einer verbotenen Waffe oder Munition die Verbotsmerkmale beseitigt und
3.
den Nachweis darüber gegenüber der Behörde führt.
Nach fruchtlosem Ablauf der Frist kann die zuständige Behörde die Waffe oder Munition sicherstellen.

(4) Die zuständige Behörde kann Erlaubnisurkunden sowie die in den Absätzen 2 und 3 bezeichneten Waffen oder Munition sofort sicherstellen

1.
in Fällen eines vollziehbaren Verbots nach § 41 Abs. 1 oder 2 oder
2.
soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Waffen oder Munition missbräuchlich verwendet oder von einem Nichtberechtigten erworben werden sollen.
Zu diesem Zweck sind die Beauftragten der zuständigen Behörde berechtigt, die Wohnung der betroffenen Person zu betreten und diese Wohnung nach Urkunden, Waffen oder Munition zu durchsuchen; Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die zuständige Behörde angeordnet werden; das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.

(5) Sofern der bisherige Inhaber nicht innerhalb eines Monats nach Sicherstellung einen empfangsbereiten Berechtigten benennt oder im Fall der Sicherstellung verbotener Waffen oder Munition nicht in dieser Frist eine Ausnahmezulassung nach § 40 Abs. 4 beantragt, kann die zuständige Behörde die sichergestellten Waffen oder Munition einziehen und verwerten oder vernichten. Dieselben Befugnisse besitzt die zuständige Behörde im Fall der unanfechtbaren Versagung einer für verbotene Waffen oder Munition vor oder rechtzeitig nach der Sicherstellung beantragten Ausnahmezulassung nach § 40 Abs. 4. Der Erlös aus einer Verwertung der Waffen oder Munition steht nach Abzug der Kosten der Sicherstellung, Verwahrung und Verwertung dem nach bürgerlichem Recht bisher Berechtigten zu.

(1) Eine Erlaubnis nach diesem Gesetz ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen.

(2) Eine Erlaubnis nach diesem Gesetz ist zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis nach diesem Gesetz kann auch widerrufen werden, wenn inhaltliche Beschränkungen nicht beachtet werden.

(3) Bei einer Erlaubnis kann abweichend von Absatz 2 Satz 1 im Fall eines vorübergehenden Wegfalls des Bedürfnisses, aus besonderen Gründen auch in Fällen des endgültigen Wegfalls des Bedürfnisses, von einem Widerruf abgesehen werden. Satz 1 gilt nicht, sofern es sich um eine Erlaubnis zum Führen einer Waffe handelt.

(4) Verweigert eine betroffene Person im Fall der Überprüfung des weiteren Vorliegens von in diesem Gesetz oder in einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung vorgeschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen, bei deren Wegfall ein Grund zur Rücknahme oder zum Widerruf einer Erlaubnis oder Ausnahmebewilligung gegeben wäre, ihre Mitwirkung, so kann die Behörde deren Wegfall vermuten. Die betroffene Person ist hierauf hinzuweisen.

(5) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 haben keine aufschiebende Wirkung, sofern die Erlaubnis wegen des Nichtvorliegens oder Entfallens der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 zurückgenommen oder widerrufen wird.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheines begründen, erst nach Erteilung des Jagdscheines eintreten oder der Behörde, die den Jagdschein erteilt hat, bekanntwerden, so ist die Behörde in den Fällen des § 17 Abs. 1 und in den Fällen, in denen nur ein Jugendjagdschein hätte erteilt werden dürfen (§ 16), sowie im Falle der Entziehung gemäß § 41 verpflichtet, in den Fällen des § 17 Abs. 2 berechtigt, den Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen. Ein Anspruch auf Rückerstattung der Jagdscheingebühren besteht nicht. Die Behörde kann eine Sperrfrist für die Wiedererteilung des Jagdscheines festsetzen.

(1) Der Jagdschein ist zu versagen

1.
Personen, die noch nicht sechzehn Jahre alt sind;
2.
Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie die erforderliche Zuverlässigkeit oder körperliche Eignung nicht besitzen;
3.
Personen, denen der Jagdschein entzogen ist, während der Dauer der Entziehung oder einer Sperre (§§ 18, 41 Abs. 2);
4.
Personen, die keine ausreichende Jagdhaftpflichtversicherung (fünfhunderttausend Euro für Personenschäden und fünfzigtausend Euro für Sachschäden) nachweisen; die Versicherung kann nur bei einem Versicherungsunternehmen mit Sitz in der Europäischen Union oder mit Niederlassung im Geltungsbereich des Versicherungsaufsichtsgesetzes genommen werden; die Länder können den Abschluß einer Gemeinschaftsversicherung ohne Beteiligungszwang zulassen.
Fehlen die Zuverlässigkeit oder die persönliche Eignung im Sinne der §§ 5 und 6 des Waffengesetzes, darf nur ein Jagdschein nach § 15 Abs. 7 erteilt werden.

(2) Der Jagdschein kann versagt werden

1.
Personen, die noch nicht achtzehn Jahre alt sind;
2.
Personen, die nicht Deutsche im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes sind;
3.
Personen, die nicht mindestens drei Jahre ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt ununterbrochen im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben;
4.
Personen, die gegen die Grundsätze des § 1 Abs. 3 schwer oder wiederholt verstoßen haben.

(3) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen Personen nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie

1.
Waffen oder Munition mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden;
2.
mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig und sachgemäß umgehen und diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden;
3.
Waffen oder Munition an Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.

(4) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht, die

1.
a)
wegen eines Verbrechens,
b)
wegen eines vorsätzlichen Vergehens, das eine der Annahmen im Sinne des Absatzes 3 Nr. 1 bis 3 rechtfertigt,
c)
wegen einer fahrlässigen Straftat im Zusammenhang mit dem Umgang mit Waffen, Munition oder Sprengstoff,
d)
wegen einer Straftat gegen jagdrechtliche, tierschutzrechtliche oder naturschutzrechtliche Vorschriften, das Waffengesetz, das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen oder das Sprengstoffgesetz
zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre nicht verstrichen sind; in die Frist wird die Zeit eingerechnet, die seit der Vollziehbarkeit des Widerrufs oder der Rücknahme eines Jagdscheines oder eines Waffenbesitzverbotes nach § 41 des Waffengesetzes wegen der Tat, die der letzten Verurteilung zugrunde liegt, verstrichen ist; in die Frist nicht eingerechnet wird die Zeit, in welcher der Beteiligte auf behördliche oder richterliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist;
2.
wiederholt oder gröblich gegen eine in Nummer 1 Buchstabe d genannte Vorschrift verstoßen haben;
3.
geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind;
4.
trunksüchtig, rauschmittelsüchtig, geisteskrank oder geistesschwach sind.

(5) Ist ein Verfahren nach Absatz 4 Nr. 1 noch nicht abgeschlossen, so kann die zuständige Behörde die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung des Jagdscheines bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens aussetzen. Die Zeit der Aussetzung des Verfahrens ist in die Frist nach Absatz 4 Nr. 1 erster Halbsatz einzurechnen.

(6) Sind Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit nach Absatz 4 Nr. 4 oder die körperliche Eignung nach Absatz 1 Nr. 2 begründen, so kann die zuständige Behörde dem Beteiligten die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen Zeugnisses über die geistige und körperliche Eignung aufgeben.

(1) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen Personen nicht,

1.
die rechtskräftig verurteilt worden sind
a)
wegen eines Verbrechens oder
b)
wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr,
wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie
a)
Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden,
b)
mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden,
c)
Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.

(2) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht,

1.
a)
die wegen einer vorsätzlichen Straftat,
b)
die wegen einer fahrlässigen Straftat im Zusammenhang mit dem Umgang mit Waffen, Munition oder explosionsgefährlichen Stoffen oder wegen einer fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat,
c)
die wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz, dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, dem Sprengstoffgesetz oder dem Bundesjagdgesetz
zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind oder bei denen die Verhängung von Jugendstrafe ausgesetzt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
die Mitglied
a)
in einem Verein, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar verboten wurde oder der einem unanfechtbaren Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz unterliegt, oder
b)
in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes festgestellt hat,
waren, wenn seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
3.
Bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren
a)
Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die
aa)
gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind,
bb)
gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind oder
cc)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
b)
Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, oder
c)
eine solche Vereinigung unterstützt haben,
4.
die innerhalb der letzten fünf Jahre mehr als einmal wegen Gewalttätigkeit mit richterlicher Genehmigung in polizeilichem Präventivgewahrsam waren,
5.
die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in Nummer 1 Buchstabe c genannten Gesetze verstoßen haben.

(3) In die Frist nach Absatz 1 Nr. 1 oder Absatz 2 Nr. 1 nicht eingerechnet wird die Zeit, in welcher die betroffene Person auf behördliche oder richterliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist.

(4) Ist ein Verfahren wegen Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 oder des Absatzes 2 Nr. 1 noch nicht abgeschlossen, so kann die zuständige Behörde die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens aussetzen.

(5) Die zuständige Behörde hat im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung folgende Erkundigungen einzuholen:

1.
die unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister;
2.
die Auskunft aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister hinsichtlich der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Straftaten;
3.
die Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen; die örtliche Polizeidienststelle schließt in ihre Stellungnahme das Ergebnis der von ihr vorzunehmenden Prüfung nach Absatz 2 Nummer 4 ein;
4.
die Auskunft der für den Wohnsitz der betroffenen Person zuständigen Verfassungsschutzbehörde, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 begründen; liegt der Wohnsitz der betroffenen Person außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, ist das Bundesamt für Verfassungsschutz für die Erteilung der Auskunft zuständig.
Die nach Satz 1 Nummer 2 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur für den Zweck der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung verwendet werden. Erlangt die für die Auskunft nach Satz 1 Nummer 4 zuständige Verfassungsschutzbehörde im Nachhinein für die Beurteilung der Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 bedeutsame Erkenntnisse, teilt sie dies der zuständigen Behörde unverzüglich mit (Nachbericht). Zu diesem Zweck speichert sie Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsname, Geburtsort, Wohnort und Staatsangehörigkeit der betroffenen Person sowie Aktenfundstelle in den gemeinsamen Dateien nach § 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Lehnt die zuständige Behörde einen Antrag ab oder nimmt sie eine erteilte Erlaubnis zurück oder widerruft diese, so hat sie die zum Nachbericht verpflichtete Verfassungsschutzbehörde hiervon unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Die zum Nachbericht verpflichtete Verfassungsschutzbehörde hat in den Fällen des Satzes 5 die nach Satz 4 gespeicherten Daten unverzüglich zu löschen.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Eine Erlaubnis nach diesem Gesetz ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen.

(2) Eine Erlaubnis nach diesem Gesetz ist zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis nach diesem Gesetz kann auch widerrufen werden, wenn inhaltliche Beschränkungen nicht beachtet werden.

(3) Bei einer Erlaubnis kann abweichend von Absatz 2 Satz 1 im Fall eines vorübergehenden Wegfalls des Bedürfnisses, aus besonderen Gründen auch in Fällen des endgültigen Wegfalls des Bedürfnisses, von einem Widerruf abgesehen werden. Satz 1 gilt nicht, sofern es sich um eine Erlaubnis zum Führen einer Waffe handelt.

(4) Verweigert eine betroffene Person im Fall der Überprüfung des weiteren Vorliegens von in diesem Gesetz oder in einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung vorgeschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen, bei deren Wegfall ein Grund zur Rücknahme oder zum Widerruf einer Erlaubnis oder Ausnahmebewilligung gegeben wäre, ihre Mitwirkung, so kann die Behörde deren Wegfall vermuten. Die betroffene Person ist hierauf hinzuweisen.

(5) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 haben keine aufschiebende Wirkung, sofern die Erlaubnis wegen des Nichtvorliegens oder Entfallens der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 zurückgenommen oder widerrufen wird.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen Personen nicht,

1.
die rechtskräftig verurteilt worden sind
a)
wegen eines Verbrechens oder
b)
wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr,
wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie
a)
Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden,
b)
mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden,
c)
Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.

(2) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht,

1.
a)
die wegen einer vorsätzlichen Straftat,
b)
die wegen einer fahrlässigen Straftat im Zusammenhang mit dem Umgang mit Waffen, Munition oder explosionsgefährlichen Stoffen oder wegen einer fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat,
c)
die wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz, dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, dem Sprengstoffgesetz oder dem Bundesjagdgesetz
zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind oder bei denen die Verhängung von Jugendstrafe ausgesetzt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
die Mitglied
a)
in einem Verein, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar verboten wurde oder der einem unanfechtbaren Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz unterliegt, oder
b)
in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes festgestellt hat,
waren, wenn seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
3.
Bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren
a)
Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die
aa)
gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind,
bb)
gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind oder
cc)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
b)
Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, oder
c)
eine solche Vereinigung unterstützt haben,
4.
die innerhalb der letzten fünf Jahre mehr als einmal wegen Gewalttätigkeit mit richterlicher Genehmigung in polizeilichem Präventivgewahrsam waren,
5.
die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in Nummer 1 Buchstabe c genannten Gesetze verstoßen haben.

(3) In die Frist nach Absatz 1 Nr. 1 oder Absatz 2 Nr. 1 nicht eingerechnet wird die Zeit, in welcher die betroffene Person auf behördliche oder richterliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist.

(4) Ist ein Verfahren wegen Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 oder des Absatzes 2 Nr. 1 noch nicht abgeschlossen, so kann die zuständige Behörde die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens aussetzen.

(5) Die zuständige Behörde hat im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung folgende Erkundigungen einzuholen:

1.
die unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister;
2.
die Auskunft aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister hinsichtlich der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Straftaten;
3.
die Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen; die örtliche Polizeidienststelle schließt in ihre Stellungnahme das Ergebnis der von ihr vorzunehmenden Prüfung nach Absatz 2 Nummer 4 ein;
4.
die Auskunft der für den Wohnsitz der betroffenen Person zuständigen Verfassungsschutzbehörde, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 begründen; liegt der Wohnsitz der betroffenen Person außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, ist das Bundesamt für Verfassungsschutz für die Erteilung der Auskunft zuständig.
Die nach Satz 1 Nummer 2 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur für den Zweck der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung verwendet werden. Erlangt die für die Auskunft nach Satz 1 Nummer 4 zuständige Verfassungsschutzbehörde im Nachhinein für die Beurteilung der Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 bedeutsame Erkenntnisse, teilt sie dies der zuständigen Behörde unverzüglich mit (Nachbericht). Zu diesem Zweck speichert sie Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsname, Geburtsort, Wohnort und Staatsangehörigkeit der betroffenen Person sowie Aktenfundstelle in den gemeinsamen Dateien nach § 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Lehnt die zuständige Behörde einen Antrag ab oder nimmt sie eine erteilte Erlaubnis zurück oder widerruft diese, so hat sie die zum Nachbericht verpflichtete Verfassungsschutzbehörde hiervon unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Die zum Nachbericht verpflichtete Verfassungsschutzbehörde hat in den Fällen des Satzes 5 die nach Satz 4 gespeicherten Daten unverzüglich zu löschen.

(1) Eine Erlaubnis nach diesem Gesetz ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen.

(2) Eine Erlaubnis nach diesem Gesetz ist zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis nach diesem Gesetz kann auch widerrufen werden, wenn inhaltliche Beschränkungen nicht beachtet werden.

(3) Bei einer Erlaubnis kann abweichend von Absatz 2 Satz 1 im Fall eines vorübergehenden Wegfalls des Bedürfnisses, aus besonderen Gründen auch in Fällen des endgültigen Wegfalls des Bedürfnisses, von einem Widerruf abgesehen werden. Satz 1 gilt nicht, sofern es sich um eine Erlaubnis zum Führen einer Waffe handelt.

(4) Verweigert eine betroffene Person im Fall der Überprüfung des weiteren Vorliegens von in diesem Gesetz oder in einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung vorgeschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen, bei deren Wegfall ein Grund zur Rücknahme oder zum Widerruf einer Erlaubnis oder Ausnahmebewilligung gegeben wäre, ihre Mitwirkung, so kann die Behörde deren Wegfall vermuten. Die betroffene Person ist hierauf hinzuweisen.

(5) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 haben keine aufschiebende Wirkung, sofern die Erlaubnis wegen des Nichtvorliegens oder Entfallens der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 zurückgenommen oder widerrufen wird.

(1) Die Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Waffen wird durch eine Waffenbesitzkarte oder durch Eintragung in eine bereits vorhandene Waffenbesitzkarte erteilt. Für die Erteilung einer Erlaubnis für Schusswaffen sind Art, Anzahl und Kaliber der Schusswaffen anzugeben. Die Erlaubnis zum Erwerb einer Waffe gilt für die Dauer eines Jahres, die Erlaubnis zum Besitz wird in der Regel unbefristet erteilt.

(2) Eine Waffenbesitzkarte über Schusswaffen, die mehrere Personen besitzen, kann auf diese Personen ausgestellt werden. Eine Waffenbesitzkarte kann auch einem schießsportlichen Verein oder einer jagdlichen Vereinigung als juristischer Person erteilt werden. Sie ist mit der Auflage zu verbinden, dass der Verein der Behörde vor Inbesitznahme von Vereinswaffen unbeschadet des Vorliegens der Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 eine verantwortliche Person zu benennen hat, für die die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 nachgewiesen sind; diese benannte Person muss nicht vertretungsberechtigtes Organ des Vereins sein. Scheidet die benannte verantwortliche Person aus dem Verein aus oder liegen in ihrer Person nicht mehr alle Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 vor, so ist der Verein verpflichtet, dies unverzüglich der zuständigen Behörde mitzuteilen. Benennt der Verein nicht innerhalb von zwei Wochen eine neue verantwortliche Person, für die die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 nachgewiesen werden, so ist die dem Verein erteilte Waffenbesitzerlaubnis zu widerrufen und die Waffenbesitzkarte zurückzugeben.

(3) Die Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Munition wird durch Eintragung in eine Waffenbesitzkarte für die darin eingetragenen Schusswaffen erteilt. In den übrigen Fällen wird die Erlaubnis durch einen Munitionserwerbsschein für eine bestimmte Munitionsart erteilt; sie ist für den Erwerb der Munition auf die Dauer von sechs Jahren zu befristen und gilt für den Besitz der Munition unbefristet. Die Erlaubnis zum nicht gewerblichen Laden von Munition im Sinne des Sprengstoffgesetzes gilt auch als Erlaubnis zum Erwerb und Besitz dieser Munition. Nach Ablauf der Gültigkeit des Erlaubnisdokuments gilt die Erlaubnis für den Besitz dieser Munition für die Dauer von sechs Monaten fort.

(4) Die Erlaubnis zum Führen einer Waffe wird durch einen Waffenschein erteilt. Eine Erlaubnis nach Satz 1 zum Führen von Schusswaffen wird für bestimmte Schusswaffen auf höchstens drei Jahre erteilt; die Geltungsdauer kann zweimal um höchstens je drei Jahre verlängert werden, sie ist kürzer zu bemessen, wenn nur ein vorübergehendes Bedürfnis nachgewiesen wird. Der Geltungsbereich des Waffenscheins ist auf bestimmte Anlässe oder Gebiete zu beschränken, wenn ein darüber hinausgehendes Bedürfnis nicht nachgewiesen wird. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen sind in der Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 3 Nr. 2 und 2.1 genannt (Kleiner Waffenschein).

(5) Die Erlaubnis zum Schießen mit einer Schusswaffe wird durch einen Erlaubnisschein erteilt.

(1) Eine Erlaubnis setzt voraus, dass der Antragsteller

1.
das 18. Lebensjahr vollendet hat (§ 2 Abs. 1),
2.
die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5) und persönliche Eignung (§ 6) besitzt,
3.
die erforderliche Sachkunde nachgewiesen hat (§ 7),
4.
ein Bedürfnis nachgewiesen hat (§ 8) und
5.
bei der Beantragung eines Waffenscheins oder einer Schießerlaubnis eine Versicherung gegen Haftpflicht in Höhe von 1 Million Euro - pauschal für Personen- und Sachschäden - nachweist.

(2) Die Erlaubnis zum Erwerb, Besitz, Führen oder Schießen kann versagt werden, wenn der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht seit mindestens fünf Jahren im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat.

(3) Die zuständige Behörde hat die Inhaber von waffenrechtlichen Erlaubnissen in regelmäßigen Abständen, mindestens jedoch nach Ablauf von drei Jahren, erneut auf ihre Zuverlässigkeit und ihre persönliche Eignung zu prüfen sowie in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 5 sich das Vorliegen einer Versicherung gegen Haftpflicht nachweisen zu lassen.

(4) Die zuständige Behörde hat das Fortbestehen des Bedürfnisses bei Inhabern einer waffenrechtlichen Erlaubnis alle fünf Jahre erneut zu überprüfen.

(5) Zur Erforschung des Sachverhalts kann die zuständige Behörde in begründeten Einzelfällen das persönliche Erscheinen des Antragstellers oder des Erlaubnisinhabers verlangen.

(1) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen Personen nicht,

1.
die rechtskräftig verurteilt worden sind
a)
wegen eines Verbrechens oder
b)
wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr,
wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie
a)
Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden,
b)
mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden,
c)
Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.

(2) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht,

1.
a)
die wegen einer vorsätzlichen Straftat,
b)
die wegen einer fahrlässigen Straftat im Zusammenhang mit dem Umgang mit Waffen, Munition oder explosionsgefährlichen Stoffen oder wegen einer fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat,
c)
die wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz, dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, dem Sprengstoffgesetz oder dem Bundesjagdgesetz
zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind oder bei denen die Verhängung von Jugendstrafe ausgesetzt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
die Mitglied
a)
in einem Verein, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar verboten wurde oder der einem unanfechtbaren Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz unterliegt, oder
b)
in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes festgestellt hat,
waren, wenn seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
3.
Bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren
a)
Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die
aa)
gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind,
bb)
gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind oder
cc)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
b)
Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, oder
c)
eine solche Vereinigung unterstützt haben,
4.
die innerhalb der letzten fünf Jahre mehr als einmal wegen Gewalttätigkeit mit richterlicher Genehmigung in polizeilichem Präventivgewahrsam waren,
5.
die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in Nummer 1 Buchstabe c genannten Gesetze verstoßen haben.

(3) In die Frist nach Absatz 1 Nr. 1 oder Absatz 2 Nr. 1 nicht eingerechnet wird die Zeit, in welcher die betroffene Person auf behördliche oder richterliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist.

(4) Ist ein Verfahren wegen Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 oder des Absatzes 2 Nr. 1 noch nicht abgeschlossen, so kann die zuständige Behörde die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens aussetzen.

(5) Die zuständige Behörde hat im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung folgende Erkundigungen einzuholen:

1.
die unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister;
2.
die Auskunft aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister hinsichtlich der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Straftaten;
3.
die Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen; die örtliche Polizeidienststelle schließt in ihre Stellungnahme das Ergebnis der von ihr vorzunehmenden Prüfung nach Absatz 2 Nummer 4 ein;
4.
die Auskunft der für den Wohnsitz der betroffenen Person zuständigen Verfassungsschutzbehörde, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 begründen; liegt der Wohnsitz der betroffenen Person außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, ist das Bundesamt für Verfassungsschutz für die Erteilung der Auskunft zuständig.
Die nach Satz 1 Nummer 2 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur für den Zweck der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung verwendet werden. Erlangt die für die Auskunft nach Satz 1 Nummer 4 zuständige Verfassungsschutzbehörde im Nachhinein für die Beurteilung der Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 bedeutsame Erkenntnisse, teilt sie dies der zuständigen Behörde unverzüglich mit (Nachbericht). Zu diesem Zweck speichert sie Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsname, Geburtsort, Wohnort und Staatsangehörigkeit der betroffenen Person sowie Aktenfundstelle in den gemeinsamen Dateien nach § 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Lehnt die zuständige Behörde einen Antrag ab oder nimmt sie eine erteilte Erlaubnis zurück oder widerruft diese, so hat sie die zum Nachbericht verpflichtete Verfassungsschutzbehörde hiervon unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Die zum Nachbericht verpflichtete Verfassungsschutzbehörde hat in den Fällen des Satzes 5 die nach Satz 4 gespeicherten Daten unverzüglich zu löschen.

(1) Die erforderliche persönliche Eignung besitzen Personen nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie

1.
geschäftsunfähig sind,
2.
abhängig von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln, psychisch krank oder debil sind oder
3.
auf Grund in der Person liegender Umstände mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren können oder dass die konkrete Gefahr einer Fremd- oder Selbstgefährdung besteht.
Die erforderliche persönliche Eignung besitzen in der Regel Personen nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt sind. Die zuständige Behörde soll die Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle einholen. Der persönlichen Eignung können auch im Erziehungsregister eingetragene Entscheidungen oder Anordnungen nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 des Bundeszentralregistergesetzes entgegenstehen.

(2) Sind Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die persönliche Eignung nach Absatz 1 begründen, oder bestehen begründete Zweifel an vom Antragsteller beigebrachten Bescheinigungen, so hat die zuständige Behörde der betroffenen Person auf Kosten der betroffenen Person die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung aufzugeben.

(3) Personen, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, haben für die erstmalige Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb und Besitz einer Schusswaffe auf eigene Kosten ein amts- oder fachärztliches oder fachpsychologisches Zeugnis über die geistige Eignung vorzulegen. Satz 1 gilt nicht für den Erwerb und Besitz von Schusswaffen im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2.

(4) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über das Verfahren zur Erstellung, über die Vorlage und die Anerkennung der in den Absätzen 2 und 3 genannten Gutachten bei den zuständigen Behörden zu erlassen.

(1) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen Personen nicht,

1.
die rechtskräftig verurteilt worden sind
a)
wegen eines Verbrechens oder
b)
wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr,
wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie
a)
Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden,
b)
mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden,
c)
Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.

(2) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht,

1.
a)
die wegen einer vorsätzlichen Straftat,
b)
die wegen einer fahrlässigen Straftat im Zusammenhang mit dem Umgang mit Waffen, Munition oder explosionsgefährlichen Stoffen oder wegen einer fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat,
c)
die wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz, dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, dem Sprengstoffgesetz oder dem Bundesjagdgesetz
zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind oder bei denen die Verhängung von Jugendstrafe ausgesetzt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
die Mitglied
a)
in einem Verein, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar verboten wurde oder der einem unanfechtbaren Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz unterliegt, oder
b)
in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes festgestellt hat,
waren, wenn seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
3.
Bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren
a)
Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die
aa)
gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind,
bb)
gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind oder
cc)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
b)
Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, oder
c)
eine solche Vereinigung unterstützt haben,
4.
die innerhalb der letzten fünf Jahre mehr als einmal wegen Gewalttätigkeit mit richterlicher Genehmigung in polizeilichem Präventivgewahrsam waren,
5.
die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in Nummer 1 Buchstabe c genannten Gesetze verstoßen haben.

(3) In die Frist nach Absatz 1 Nr. 1 oder Absatz 2 Nr. 1 nicht eingerechnet wird die Zeit, in welcher die betroffene Person auf behördliche oder richterliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist.

(4) Ist ein Verfahren wegen Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 oder des Absatzes 2 Nr. 1 noch nicht abgeschlossen, so kann die zuständige Behörde die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens aussetzen.

(5) Die zuständige Behörde hat im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung folgende Erkundigungen einzuholen:

1.
die unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister;
2.
die Auskunft aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister hinsichtlich der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Straftaten;
3.
die Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen; die örtliche Polizeidienststelle schließt in ihre Stellungnahme das Ergebnis der von ihr vorzunehmenden Prüfung nach Absatz 2 Nummer 4 ein;
4.
die Auskunft der für den Wohnsitz der betroffenen Person zuständigen Verfassungsschutzbehörde, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 begründen; liegt der Wohnsitz der betroffenen Person außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, ist das Bundesamt für Verfassungsschutz für die Erteilung der Auskunft zuständig.
Die nach Satz 1 Nummer 2 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur für den Zweck der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung verwendet werden. Erlangt die für die Auskunft nach Satz 1 Nummer 4 zuständige Verfassungsschutzbehörde im Nachhinein für die Beurteilung der Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 bedeutsame Erkenntnisse, teilt sie dies der zuständigen Behörde unverzüglich mit (Nachbericht). Zu diesem Zweck speichert sie Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsname, Geburtsort, Wohnort und Staatsangehörigkeit der betroffenen Person sowie Aktenfundstelle in den gemeinsamen Dateien nach § 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Lehnt die zuständige Behörde einen Antrag ab oder nimmt sie eine erteilte Erlaubnis zurück oder widerruft diese, so hat sie die zum Nachbericht verpflichtete Verfassungsschutzbehörde hiervon unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Die zum Nachbericht verpflichtete Verfassungsschutzbehörde hat in den Fällen des Satzes 5 die nach Satz 4 gespeicherten Daten unverzüglich zu löschen.

(1) Im Sinne dieses Gesetzes sind

a)
Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen;
b)
Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen;
c)
Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.
Für einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Bestrebungen im Sinne des § 3 Absatz 1 können auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln. In diesem Fall gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die Verhaltensweise der Einzelperson darauf gerichtet sein muss, die dort genannten Ziele zu verwirklichen. Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informationen im Sinne des § 3 Abs. 1 ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte.

(2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen:

a)
das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
b)
die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
c)
das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
d)
die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
e)
die Unabhängigkeit der Gerichte,
f)
der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und
g)
die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.

(1) Im Sinne dieses Gesetzes beeinträchtigt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, wer ihre Freiheit von fremder Botmäßigkeit aufhebt, ihre staatliche Einheit beseitigt oder ein zu ihr gehörendes Gebiet abtrennt.

(2) Im Sinne dieses Gesetzes sind Verfassungsgrundsätze

1.
das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
2.
die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
3.
das Recht auf die Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
4.
die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
5.
die Unabhängigkeit der Gerichte und
6.
der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft.

(3) Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen (Absatz 1),
2.
Bestrebungen gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, die äußere oder innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen,
3.
Bestrebungen gegen Verfassungsgrundsätze solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, einen Verfassungsgrundsatz (Absatz 2) zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.

(1) Im Sinne dieses Gesetzes sind

a)
Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen;
b)
Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen;
c)
Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.
Für einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Bestrebungen im Sinne des § 3 Absatz 1 können auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln. In diesem Fall gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die Verhaltensweise der Einzelperson darauf gerichtet sein muss, die dort genannten Ziele zu verwirklichen. Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung von Informationen im Sinne des § 3 Abs. 1 ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte.

(2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen:

a)
das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
b)
die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
c)
das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
d)
die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
e)
die Unabhängigkeit der Gerichte,
f)
der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und
g)
die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.

Tatbestand

1

Der Kläger, Mitglied der Partei DIE LINKE, wendet sich gegen die Sammlung personenbezogener Informationen über ihn durch das Bundesamt für Verfassungsschutz.

2

Die Partei DIE LINKE entstand im Juni 2007 aus der Verschmelzung der Partei Die Linkspartei.PDS (Die Linke.PDS) mit der Partei Arbeit & soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative (WASG). Die Partei Die Linkspartei.PDS (Die Linke.PDS) ist ihrerseits aus der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) hervorgegangen. Diese benannte sich im Dezember 1989 in Sozialistische Einheitspartei Deutschlands - Partei des Demokratischen Sozialismus (SED-PDS) und im Februar 1990 in Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) um. Ab Juli 2005 führte sie die Bezeichnung Die Linkspartei.PDS (Die Linke.PDS).

3

Der 1956 geborene Kläger war von 1981 bis 1990 Gewerkschaftssekretär in Mittelhessen. 1990 ging er nach Thüringen und war dort bis 1999 Landesvorsitzender der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen. Im April 1999 trat er der PDS bei. Von Oktober 1999 bis Oktober 2005 war er Abgeordneter im Thüringer Landtag, zunächst als stellvertretender Vorsitzender und ab 2001 als Vorsitzender der Landtagsfraktion. Zudem war er deren gewerkschafts- und wirtschaftspolitischer Sprecher. Im Oktober 2005 wurde der Kläger in den Bundestag und dort zum stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion gewählt. Im August 2009 wurde er erneut in den Thüringer Landtag gewählt und ist dort Vorsitzender der Fraktion der Partei DIE LINKE.

4

Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt über den Kläger eine Personenakte, in der Unterlagen über seine politischen Aktivitäten zusammengestellt sind. Die Informationen reichen bis in die 1980er Jahre zurück. Sie wurden zunächst bei der Beobachtung der DKP und ihres Umfelds gewonnen, seit 1999 bei der Beobachtung der PDS bzw. der Linkspartei.PDS sowie gegenwärtig der Partei DIE LINKE. Das Bundesamt erhebt Informationen über die Tätigkeit des Klägers in der und für die Partei sowie über seine Abgeordnetentätigkeit, jedoch ohne sein Abstimmungsverhalten und seine Äußerungen im Parlament sowie in den Ausschüssen. Anfang 2003 erfuhr der Kläger, dass das Bundesamt über ihn Informationen sammelt.

5

Der Kläger hat daraufhin beim Verwaltungsgericht Klage mit dem Antrag erhoben, festzustellen, dass die Sammlung personenbezogener Informationen über ihn durch das Bundesamt für Verfassungsschutz rechtswidrig ist, soweit es sich um Informationen handelt, die (1.) bis zur Aufnahme des Landtagsmandats im Oktober 1999, (2.) während der Zeit des Landtagsmandats und (3.) während der Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter erhoben worden sind. Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren abgetrennt, soweit es die Sammlung von Informationen über den Kläger bis zur Aufnahme des Landtagsmandats im Oktober 1999 betroffen hat. Im Übrigen, soweit die Klage die Zeit als Abgeordneter des Thüringer Landtags und des Bundestags betrifft, hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Sammlung personenbezogener Informationen über den Kläger durch das Bundesamt für Verfassungsschutz rechtswidrig ist.

6

Mit ihrer Berufung hat die Beklagte die Abweisung der Klage beantragt. Der Kläger hat im Berufungsverfahren seinen erstinstanzlichen Antrag dahin klargestellt, festzustellen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz rechtswidrig Informationen über ihn in der Zeit seines Landtagsmandats sowie seit der Übernahme seines Bundestagsmandats bis zur mündlichen Verhandlung erhoben hat, und die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, über ihn künftig personenbezogene Daten zu erheben.

7

Das Oberverwaltungsgericht hat durch Vernehmung eines Zeugen Beweis darüber erhoben, ob seit Oktober 1999 im Bundesamt für Verfassungsschutz die Anordnung getroffen wurde, personenbezogene Daten über den Kläger mit Mitteln der heimlichen Informationsbeschaffung zu erheben. Es hat sodann durch das angefochtene Urteil festgestellt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz rechtswidrig Informationen über den Kläger in der Zeit seines Landtagsmandats (von Oktober 1999 bis Oktober 2005) sowie in der Zeit von der Übernahme seines Bundestagsmandats im Oktober 2005 bis zum 13. Februar 2009 aus allgemein zugänglichen Quellen erhoben hat. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, über den Kläger künftig personenbezogene Daten aus allgemein zugänglichen Quellen zu erheben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, nämlich insoweit, als der Kläger mit seinem Antrag auch begehrt hat, festzustellen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz Informationen über ihn rechtswidrig mit den Mitteln der heimlichen Informationsbeschaffung erhoben hat, und die Beklagte zu verurteilen, zukünftig den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel der heimlichen Informationsbeschaffung zu unterlassen. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe das Bundesamt Informationen über den Kläger seit Oktober 1999 nicht heimlich, sondern allein aus allgemein zugänglichen Quellen beschafft.

8

Soweit das Oberverwaltungsgericht der Klage stattgegeben hat, hat es im Kern zur Begründung ausgeführt: Die Gesamtschau aller vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte deute darauf hin, dass die Parteien PDS, Linkspartei.PDS und heute DIE LINKE Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolgten, die darauf gerichtet seien, die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung sowie das Recht des Volkes, die Volksvertretung in allgemeiner und gleicher Wahl zu wählen, zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Eine weitere Aufklärung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz erscheine deshalb erforderlich. Die Voraussetzungen für eine Beschaffung von Informationen über den Kläger aus allgemein zugänglichen Quellen (offene Beobachtung) seien allein schon wegen seiner politischen Betätigung in der Partei DIE LINKE (früher: PDS/Linkspartei.PDS) gegeben, auch wenn keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Kläger selbst durch seine Parteiarbeit politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolge. Die offene Beobachtung von Abgeordneten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz bedürfe auch keiner besonderen Ermächtigungsgrundlage. Im Einzelfall des Klägers stehe aber das freie Mandat seiner offenen Beobachtung entgegen. Die offene Beobachtung greife jedenfalls deshalb in das freie Mandat ein, weil sie zumindest mit faktischen Nachteilen für die politische Tätigkeit eines Abgeordneten verbunden sein könne. Mit der Beobachtung durch den Verfassungsschutz sei eine "Stigmatisierung" verbunden, die den Zugang zu dem Teil der Bevölkerung erschweren könne, der sich als verfassungstreu betrachte. Wenn die offene Beobachtung des Klägers durch Verfassungsschutzbehörden allgemein bekannt werde, könne es für ihn schwieriger werden, Anhänger und Wähler für sich und seine Partei zu gewinnen sowie mit der Bevölkerung in Kontakt zu kommen. Demgegenüber sei eine unmittelbar drohende Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht gegeben. Die Partei DIE LINKE habe in ihrer parlamentarischen Arbeit und bei Regierungsbeteiligungen bislang keine Aktivitäten unternommen, die Ansätze für eine Überwindung der herrschenden Staats- und Gesellschaftsordnung erkennen ließen. Den Gruppierungen innerhalb der Partei, bei denen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bestünden, komme innerhalb der Partei zwar nennenswerter, bislang aber kein bestimmender Einfluss zu. Dass das Bundesamt für Verfassungsschutz ohne eine Beobachtung des Klägers bei der gebotenen Gewinnung von Informationen über die Partei DIE LINKE in nicht hinzunehmender Weise an der Erfüllung seiner Aufgaben gehindert oder dabei zumindest beeinträchtigt würde, habe weder die Beklagte substantiiert vorgetragen noch sei dies sonst ersichtlich. Das Bundesamt könne die relevanten Informationen in erster Linie durch die Beobachtung der Partei als solcher, einzelner in ihr bestehender Gruppierungen sowie anderer führender Parteimitglieder gewinnen. Diese geringe Bedeutung einer Beobachtung des Klägers könne einen Eingriff in das freie Mandat nicht rechtfertigen. Insoweit sei maßgeblich, dass der Kläger zwar Spitzenfunktionär der Partei sei, jedoch keiner Gruppierung innerhalb der Partei angehöre, bei der der Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen bestehe, wenn er auch die Kräfte innerhalb der Partei nicht aktiv bekämpfe, die solcher Bestrebungen verdächtig seien.

9

Soweit das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen hat, hat der Senat die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.

10

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klage in vollem Umfang abzuweisen: Die Erhebung von Informationen über den Kläger sei auch mit Rücksicht auf dessen Status als Abgeordneter rechtmäßig, insbesondere verhältnismäßig. Die gegenteilige Wertung des Oberverwaltungsgerichts sei nicht nachvollziehbar, beruhe auf einer Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes und stehe namentlich im Widerspruch zu den Feststellungen, die das Oberverwaltungsgericht an anderer Stelle zu Recht über die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Partei DIE LINKE, der Stellung des Klägers als eines Spitzenfunktionärs dieser Partei und die deshalb begründete Erforderlichkeit gerade seiner Beobachtung getroffen habe. Das Oberverwaltungsgericht leite die faktischen Nachteile für die politische Betätigung des Klägers daraus her, dass dessen Beobachtung durch den Verfassungsschutz allgemein bekannt werde. Der Kläger habe aber seine Beobachtung durch den Verfassungsschutz selbst publik gemacht. Er könne nicht unter Hinweis auf die dadurch angeblich ausgelöste Erschwernis seiner Arbeit die Rechtswidrigkeit seiner Beobachtung geltend machen.

11

Der Kläger hält das Berufungsurteil zwar im Ergebnis, nicht aber in den Gründen für zutreffend: Das Oberverwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass die Partei DIE LINKE vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet werden dürfe. Die Partei verfolge keine Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien. Bei seiner gegenteiligen Einschätzung sei das Oberverwaltungsgericht von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen. Seine tatsächliche Würdigung beruhe auf einer Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes und der Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der beklagten Bundesrepublik Deutschland ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) und stellt sich nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Bei zutreffender Anwendung des § 8 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG) hätte das Oberverwaltungsgericht die Klage in vollem Umfang abweisen müssen. Die Erhebung von Informationen über den Kläger durch das Bundesamt für Verfassungsschutz war in der hier in Rede stehenden Zeit rechtmäßig, verstieß insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 8 Abs. 5 BVerfSchG). Deshalb kann der Kläger auch nicht beanspruchen, dass das Bundesamt eine Erhebung von Informationen über ihn künftig unterlässt. Diese Beurteilung kann der Senat auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts selbst abschließend treffen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Die Revisionsgründe, die der Kläger im Wege der Gegenrüge gegen diese Feststellungen vorgebracht hat, sind entweder unzulässig oder unbegründet (§ 137 Abs. 2 VwGO), so dass die Feststellungen für den Senat bindend sind.

13

Das Bundesamt für Verfassungsschutz erhob und erhebt Informationen über den Kläger mit den Mitteln der offenen Informationsbeschaffung (1. a)); auch der Einsatz solcher Mittel zur Informationsbeschaffung stellt einen Eingriff in die Rechte des Betroffenen dar, der deshalb einer Ermächtigungsgrundlage bedarf (1. b)). Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung von Informationen mit den Mitteln der offenen Informationsbeschaffung ist § 8 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG (2.). Diese Vorschrift deckt die Erhebung von Informationen über den Kläger, weil die Partei DIE LINKE verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt (3.) und die deshalb erforderliche Erhebung von Informationen durch den Verfassungsschutz auf den Kläger als eines ihrer herausgehobenen Mitglieder erstreckt werden darf (4.).

14

1. a) Nach den Feststellungen im Berufungsurteil hat das Bundesamt für Verfassungsschutz Informationen über den Kläger in der Zeit von Oktober 1999 bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht mit den Mitteln der offenen Informationsbeschaffung erhoben.

15

Bei dieser Art der Informationsbeschaffung werden Informationen aus offenen Quellen gesammelt und ausgewertet. Offene Quellen sind Informationsträger, die für jedermann, wenn auch nur unter gewissen Umständen, zugänglich sind. Dazu zählen Zeitungen und Zeitschriften, Rundfunk- und Fernsehsendungen sowie Internetangebote. Weiter rechnen dazu die sonstigen offen zugänglichen Verlautbarungen der beobachteten Organisationen (Presseerklärungen, Flugblätter, Programme, Aufrufe), der Besuch öffentlicher Veranstaltungen sowie Erkundigungen aus öffentlich zugänglichen Karteien und Registern.

16

Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt über den Kläger eine Personenakte, in der aus solchen allgemein zugänglichen Quellen Unterlagen über seine politischen Aktivitäten zusammengestellt sind. Die Erhebung von Informationen über den Kläger umfasste dessen gesamte Tätigkeit im linken politischen Spektrum, seine Aktivitäten in der und für die Partei DIE LINKE sowie zuvor in und für die Parteien PDS und Linkspartei.PDS, Teile seiner Abgeordnetentätigkeit im Bundestag und im Thüringer Landtag sowie seine sonstigen politischen Betätigungen. Bei der Erhebung von Informationen über die Abgeordnetentätigkeit des Klägers sind allein sein Abstimmungsverhalten und seine Äußerungen im Parlament sowie in dessen Ausschüssen außer Betracht geblieben. Die Informationen über seine Arbeit als Abgeordneter betreffen nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts andere Aspekte dieser Tätigkeit: Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat allein dokumentiert, wenn dem Kläger in den Fraktionen, denen er angehörte, besondere Funktionen (beispielsweise als Vorsitzender, stellvertretender Vorsitzender oder Sprecher für bestimmte Politikbereiche) übertragen wurden (Berufungsurteil Seite 42).

17

b) Bei der Erhebung von Informationen mit den Mitteln der offenen Informationsbeschaffung handelt es sich um einen Eingriff, wenn die gewonnenen Informationen einzelnen Personen oder Personenmehrheiten zugeordnet werden. Unter "Erhebung" ist die aktive Informationsbeschaffung zu verstehen, nicht die zufällige Erlangung von Informationen beispielsweise durch unverlangte Mitteilungen. Erhebung ist nur die intendierte, auf den Betroffenen gezielte Informationsbeschaffung (Borgs, in: Borgs/Ebert, Das Recht der Geheimdienste, BVerfSchG § 3 Rn. 13). Wer am öffentlichen Leben in Wort, Schrift oder Aktion teilnimmt, willigt damit nicht notwendig in die gezielte, auf Vollständigkeit angelegte Erhebung oder gar Speicherung aller seiner öffentlichen Äußerungen ein. Die zielgerichtete Sammlung öffentlicher Verhaltensweisen oder Äußerungen einer bestimmten Person ist daher als "Erhebung" im datenschutzrechtlichen Sinne anzusehen (Borgs a.a.O. Rn. 13), die an gesetzliche Voraussetzungen gebunden ist. Dem steht nicht entgegen, dass es dem Staat nicht verwehrt ist, von jedermann zugänglichen Informationsquellen unter denselben Bedingungen wie jeder Dritte Gebrauch zu machen. Ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist jedoch anzunehmen, wenn - wie hier - die aus öffentlich zugänglichen Quellen stammenden Daten durch ihre systematische Erhebung, Sammlung und Erfassung einen zusätzlichen Aussagewert erhalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 und 1 BvR 1254/07 - BVerfGE 120, 378 <398 f.>).

18

2. Ermächtigungsgrundlage (Befugnisnorm) für die Erhebung von Informationen mit den Mitteln der offenen Informationsbeschaffung ist § 8 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG. Nach dieser Vorschrift darf das Bundesamt für Verfassungsschutz die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen. Aufgabe des Bundesamts ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG unter anderem die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. In diesem Sinne sind Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG). Zu diesen Verfassungsgrundsätzen gehören das Recht des Volkes, die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung sowie die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte (§ 4 Abs. 2 Buchst. a, c, d und g BVerfSchG).

19

3. Der Kläger war bzw. ist in den Parteien PDS, Linkspartei.PDS und DIE LINKE tätig. Bei diesen Parteien handelte und handelt es sich um Personenzusammenschlüsse im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG (a)), weil nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts bei ihnen im streitigen Zeitraum tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorlagen (b)).

20

a) Unter die Personenzusammenschlüsse im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG fallen auch Parteien. Der Anwendung der Vorschrift auf sie stehen weder das Parteienprivileg aus Art. 21 Abs. 2 GG (aa)) noch das Selbstbestimmungsrecht der Parteien aus Art. 21 Abs. 1 GG (bb)) entgegen.

21

aa) Nach Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG entscheidet zwar ausschließlich das Bundesverfassungsgericht über die Frage der Verfassungswidrigkeit politischer Parteien. Vor Ergehen einer solchen Entscheidung ist ein administratives Einschreiten gegen den Bestand einer politischen Partei ausgeschlossen. Gegen die Partei, ihre Funktionäre, Mitglieder und Anhänger dürfen wegen ihrer mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitenden parteioffiziellen Tätigkeiten keine rechtlichen Sanktionen angedroht oder verhängt werden. Die Beobachtung durch ein Amt für Verfassungsschutz ist aber keine solche Maßnahme, sondern dient der Aufklärung des Verdachts, dass die Partei verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Die Zulässigkeit einer solchen Aufklärung wird von der Verfassung vorausgesetzt. Auch ohne die Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit darf die Überzeugung gewonnen und vertreten werden, eine Partei verfolge verfassungsfeindliche Ziele (Urteil vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 30.97 - BVerwGE 110, 126 <130 f.>).

22

bb) Soweit § 8 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG das Bundesamt für Verfassungsschutz ermächtigt, bei Anhaltspunkten verfassungsfeindlicher Bestrebungen eine politische Partei zu beobachten, steht die Vorschrift mit Art. 21 Abs. 1 GG in Einklang.

23

Nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG wirken die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit; ihre Gründung ist frei. Das Grundgesetz setzt die Staatsfreiheit der Parteien als frei gegründeter, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnder Gruppen voraus und gewährleistet ihre Unabhängigkeit vom Staat. Ihnen steht das Recht auf Selbstbestimmung zu. Zu dessen Kernbereich gehört das Recht der Parteien, selbst und ohne staatliche Einflussnahme oder Überwachung über ihre Ziele, Organisation und Tätigkeiten zu entscheiden. Sowohl die Freiheit der inneren Willensbildung als auch die freie Entfaltung der Tätigkeiten als Partei sind gewährleistet.

24

Das Selbstbestimmungsrecht der Parteien findet seine Schranke in der Entscheidung des Grundgesetzes für eine "streitbare Demokratie". Diese Grundentscheidung ist im Wesentlichen aus Art. 9 Abs. 2, Art. 18, Art. 20 Abs. 4, Art. 21 Abs. 2 und Art. 28 Abs. 3 GG herzuleiten. Sie wird in den Zuständigkeitsvorschriften der Art. 73 Nr. 10 Buchst. b und Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG bestätigt. Das Grundgesetz vertraut aufgrund geschichtlicher Erfahrung nicht allein darauf, die freiheitliche Demokratie werde sich im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung ohne Weiteres behaupten. Es hat darüber hinaus dem Staat die Aufgabe übertragen, die zentralen Grundwerte der Verfassung durch (repressive) Schutzvorkehrungen zu sichern und zu gewährleisten. Die Beobachtung einer politischen Partei auf verfassungsfeindliche Bestrebungen hin zielt dabei nicht ausschließlich darauf ab, die Entscheidung über repressive staatliche Maßnahmen vorzubereiten. Sie bezweckt vielmehr auch, Informationen über die aktuelle Entwicklung verfassungsfeindlicher Kräfte, Gruppen und Parteien im Vorfeld einer Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Verfassungsordnung zu gewinnen und zu sammeln und damit die Regierung und die Öffentlichkeit in die Lage zu versetzen, Art und Ausmaß möglicher Gefahren zu erkennen und diesen in angemessener Weise, namentlich mit politischen Mitteln entgegenzuwirken. Um die Überschreitung der Linie feststellen zu können, von der an verfassungsfeindliche Betätigungen zu einer Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung werden, der nicht mehr mit politischen Mitteln, sondern nurmehr mit juristischen Mitteln begegnet werden kann, muss dieses Vorfeld notwendig beobachtet werden (so unter Zusammenfassung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Urteil vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 30.97 - BVerwGE 110, 126 <131 ff.>).

25

Der Gesetzgeber hat die Aufgaben und Befugnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz so bestimmt, dass Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht der Parteien auf das zur Selbstverteidigung der freiheitlichen Demokratie zwingend Gebotene beschränkt bleiben. Die widerstreitenden Prinzipien der Parteienfreiheit und der streitbaren Demokratie sind namentlich in § 8 Abs. 5 BVerfSchG und § 9 BVerfSchG mit Hilfe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einem angemessenen Ausgleich zugeführt. Die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall genügt zur Wahrung der Rechte und schützenswerten Belange Betroffener. Dies gilt auch für politische Parteien (Urteil vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 30.97 - BVerwGE 110, 126 <134 f.>).

26

Werden die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung von Parteien durch den Verfassungsschutz eingehalten und wird dabei insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt, greift diese Beobachtung nicht stärker in den offenen Wettbewerb der Parteien um die Möglichkeit politischer Gestaltung ein, als dies mit Rücksicht auf die Verteidigung der verfassungsrechtlichen Grundlagen der Demokratie erforderlich ist. Das Bundesverfassungsschutzgesetz lässt es nicht zu, den Verfassungsschutz darüber hinaus einseitig parteipolitisch, namentlich im Interesse der Regierungsparteien zu instrumentalisieren. Missbräuchlich, und deshalb von den eingeschränkten Ermächtigungsgrundlagen des Bundesverfassungsschutzgesetzes nicht gedeckt, wäre eine einseitige und gezielte, zudem verdeckte Weitergabe von gewonnenen Erkenntnissen an einzelne Parteien oder Politiker, namentlich zur Verwendung im Wahlkampf. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsschutzes, Munition für den Wahlkampf bereitzustellen. Welche Folgerungen daraus für die Anforderungen zu stellen sind, unter denen in einem Verfassungsschutzbericht (§ 16 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG) politische Parteien oder einzelne Personen als extremistisch oder verfassungsfeindlich bewertet werden dürfen, bedarf hier keiner Entscheidung.

27

b) In dem hier streitigen Zeitraum von Oktober 1999 bis Februar 2009 lagen nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts tatsächliche Anhaltspunkte (aa)) für Bestrebungen in den Parteien PDS, Linkspartei.PDS und DIE LINKE vor, die im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet waren. Das dazu entwickelte Rechtsverständnis des Oberverwaltungsgerichts entspricht der Rechtslage (bb)). Das Oberverwaltungsgericht hat außerdem festgestellt, dass die verfassungsfeindlichen Bestrebungen in politisch ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG eingemündet sind (cc)). Die dazu jeweils getroffenen tatsächlichen Feststellungen binden mangels darauf gerichteter, zulässiger und begründeter Rügen das Revisionsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO.

28

aa) Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG reichen für das Tätigwerden des Bundesamts für Verfassungsschutz "tatsächliche Anhaltspunkte" für verfassungsfeindliche Bestrebungen, konkret für Gefährdungen der gesetzlich näher beschriebenen Verfassungsrechtsgüter aus. Die Regelung verlangt keine Gewissheit darüber, dass Bestrebungen vorliegen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind.

29

Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht eingangs seiner Würdigung (auch) von tatsächlichen Anhaltspunkten "für den Verdacht" von Bestrebungen der Parteien PDS, Linkspartei.PDS und DIE LINKE gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gesprochen. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht damit aber nicht die Schwelle für die Beobachtung der Parteien entgegen dem maßgeblichen Recht herabgesetzt, mit der weiteren Folge, dass seine tatsächliche Würdigung, weil von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgehend, revisionsgerichtlich zu beanstanden wäre. Liegen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vor, besteht ein Verdacht solcher Bestrebungen. Die Anhaltspunkte müssen mithin geeignet sein, einen Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen zu begründen. Die dann einsetzende Beobachtung dient der Klärung dieses Verdachts. Nichts anderes hat das Oberverwaltungsgericht gemeint, wenn es von Anhaltspunkten für einen Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen spricht.

30

Das Tatbestandsmerkmal "tatsächlicher Anhaltspunkt" verlangt allerdings mehr als bloße Vermutungen. Es müssen konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis für den Verdacht vorliegen (vgl. hierzu auch: Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 - BVerfGE 100, 313 <395>). Zur Annahme eines Verdachts kann ferner die Gesamtschau aller vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte führen, wenn jeder für sich genommen einen solchen Verdacht noch nicht zu begründen vermag (Urteil vom 17. Oktober 1990 - BVerwG 1 C 12.88 - BVerwGE 87, 23 <28>).

31

Diese Anforderungen an die tatsächlichen Anhaltspunkte genügen den verfassungsrechtlichen Vorgaben auch unter Berücksichtigung der grundgesetzlich garantierten freien Betätigung der Parteien. Weitere Eingrenzungen für die zulässige Beobachtung einer Partei lassen sich nicht der Entscheidung entnehmen, die der Kläger in diesem Zusammenhang anführt (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63). Sie befasst sich mit Blick auf die grundrechtlich garantierte Pressefreiheit mit der Aufnahme einer Wochenzeitung in den Verfassungsschutzbericht und dem dort enthaltenen Hinweis auf den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen. Das Bundesverfassungsgericht arbeitet zunächst im Anschluss an frühere Rechtsprechung heraus, wann das Informationshandeln der Regierung als Eingriff in ein Grundrecht zu werten ist und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Eingriff gerechtfertigt sein kann. Es hebt dabei insbesondere (und insoweit auch mit Bedeutung für die bloße Beobachtung einer Partei) hervor, es seien keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen zu erheben, dass das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen für die Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht ausreicht. Das Bundesverfassungsgericht betont im Anschluss daran vor allem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Die tatsächlichen Anhaltspunkte müssten hinreichend gewichtig sein. Rechtfertigten sie nur den Schluss, dass möglicherweise ein Verdacht begründet sei, reichten sie als Grundlage einer Grundrechtsbeeinträchtigung nicht aus. Stünden die Bestrebungen noch nicht fest, begründeten tatsächliche Anhaltspunkte aber einen entsprechenden Verdacht, müsse dessen Intensität hinreichen, um die Veröffentlichung in Verfassungsschutzberichten auch angesichts der nachteiligen Auswirkungen auf die Betroffenen zu rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <81>). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt auch die Möglichkeit, Parteien wegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen zu beobachten. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich aber insoweit nicht ohne Weiteres übertragen. Das Gewicht des Eingriffs in die freie Betätigung der Parteien ist ein anderes, je nachdem ob sie (nur) beobachtet werden oder ob als Ergebnis einer solchen Beobachtung die Öffentlichkeit über Gefährdungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unterrichtet werden soll, die von der Partei ausgehen. Die Beobachtung dient gerade der Aufklärung, ob Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gegeben sind, die, ohne schon zum Mittel des Verbotsantrags zu greifen, doch die politische Auseinandersetzung mit dieser Partei erforderlich machen und ob zu diesem Zweck auch das Mittel einer Warnung der Öffentlichkeit über den Verfassungsschutzbericht eingesetzt werden soll. Diese Abstufung der Reaktion auf mögliche Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, schließt es aus, jeweils das gleiche Gewicht für tatsächliche Anhaltspunkte für solche Bestrebungen zu verlangen.

32

bb) Nach den den Senat bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts gab bzw. gibt es in den Parteien PDS, Linkspartei.PDS und heute DIE LINKE tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, nämlich gegen das Recht des Volkes, die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, gegen das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, gegen die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung sowie gegen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.

33

Mit diesen zentralen Verfassungswerten nicht vereinbar sind eine sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats im klassisch marxistisch-leninistischen Sinne einer sozialistisch- kommunistischen Gesellschaftsordnung. In einer solchen Gesellschaft sind - vor allem in der Phase der Diktatur des Proletariats - die Wahrung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung sowie allgemeine und gleiche Wahlen nicht gewährleistet. Nach marxistisch-leninistischer Lehre ist die Diktatur des Proletariats eine notwendige Vorstufe zur Erreichung des Sozialismus. In dieser Phase wandelt das Proletariat, das durch eine Revolution die Macht ergriffen hat, in fortgesetzten revolutionären Kämpfen die kapitalistische Gesellschaft in eine sozialistisch-kommunistische um. Hierzu bedarf es einer Unterdrückung des Widerstands der durch die Revolution entmachteten Klasse. Die Staatsgewalt ist bei der Staatspartei - der Kommunistischen Partei - konzentriert, die Trägerin des Klassenkampfes ist. Die so verstandene Diktatur des Proletariats ist mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes unvereinbar. Es wäre nicht denkbar, den Wesenskern des Grundgesetzes aufrechtzuerhalten, wenn eine Staatsordnung errichtet würde, die die kennzeichnenden Merkmale der Diktatur des Proletariats trüge. In einem derartigen Gemeinwesen sind die Menschenrechte nicht gewährleistet. Für die Angehörigen der unterdrückten Klasse ist das selbstverständlich. Da alles staatliche Handeln der Aufgabe der grundlegenden Neugestaltung der staatlichen Ordnung und der Erreichung des Sozialismus untergeordnet ist, stehen auch den Mitgliedern der herrschenden Klasse Grundrechte nur insoweit zu, als sie der Festigung der Diktatur des Proletariats zumindest nicht entgegenstehen. Angesichts der Allmacht der Kommunistischen Partei und ihrer alleinigen Einsicht in die politischen Notwendigkeiten scheiden eine Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung und erst recht Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition aus. Die Erörterung von Methoden und Einzelmaßnahmen ist ausgeschlossen, sobald sie einmal von der herrschenden Partei autoritativ verkündet worden sind. Angesichts dessen bestehen auch für eine Ablösbarkeit der Regierung sowie allgemeine und gleiche Wahlen kein Raum und kein Bedürfnis (BVerfG, Urteil vom 17. August 1956 - 1 BvB 2/51 - BVerfGE 5, 85 <147 ff.> KPD-Verbot).

34

Das Oberverwaltungsgericht hat die ihm vorliegenden Unterlagen dahin gewürdigt, aus ihnen ergäben sich tatsächliche Anhaltspunkte von hinreichendem Gewicht und in ausreichender Zahl dafür, dass durchaus namhafte Teile der Partei eine politische Umgestaltung der Bundesrepublik Deutschland verfolgten, nämlich durch eine sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats im klassisch marxistisch-leninistischen Sinne eine sozialistisch-kommunistische Gesellschaftsordnung anstrebten.

35

Diese Würdigung kann revisionsgerichtlich nicht beanstandet werden. Das Bundesverwaltungsgericht ist deshalb an sie als Revisionsgericht gebunden und hat sie seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Indem § 137 Abs. 2 VwGO das Revisionsgericht an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz bindet, entzieht die Vorschrift insbesondere die Beweiswürdigung des Tatrichters einer umfassenden revisionsgerichtlichen Nachprüfung. Dem Tatsachengericht ist die Aufgabe übertragen, sich im Wege der freien Beweiswürdigung unter Abwägung verschiedener Möglichkeiten seine Überzeugung über den zu entscheidenden Sachverhalt zu bilden. Dieser Vorgang ist revisionsgerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbar (Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 20). Eine Grenze der freien Beweiswürdigung bildet nach der einen Seite hin das anzuwendende Recht und dessen Auslegung. Nach der anderen Seite hin ergibt sich die Grenze daraus, dass der Überzeugungsgrundsatz nicht für eine Würdigung in Anspruch genommen werden kann, die im Vorgang der Überzeugungsbildung an einem Fehler leidet, etwa weil das Gericht gesetzliche Beweisregeln, allgemeine Erfahrungssätze, unumstrittene Geschichtstatsachen oder gar die Denkgesetze missachtet oder Tatsachen berücksichtigt hat, die sich weder auf ein Beweisergebnis noch sonst auf den Akteninhalt stützen lassen (Urteil vom 25. Mai 1984 - BVerwG 8 C 108.82 - Buchholz 448.0 § 11 WPflG Nr. 35 S. 16; Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <123>). Das Gericht verstößt gegen das Gebot, seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen, wenn es von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen (Urteil vom 23. September 2004 - BVerwG 7 C 23.03 - BVerwGE 122, 85 <92>).

36

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist hingegen nicht schon dann in einer revisionsgerichtlich beachtlichen Weise verletzt, wenn auch eine inhaltlich andere Überzeugung möglich gewesen wäre. Der Überzeugungsgrundsatz setzt geradezu voraus, dass auch eine andere Überzeugung hätte gewonnen werden können. Er findet seine Grenze insoweit erst da, wo eine andere Überzeugungsbildung zwingend gewesen wäre, die Beweiswürdigung des Tatsachengerichts also die Denkgesetze verletzt. Daraus folgt zugleich, dass eine Überzeugung, die als solche fehlerfrei gewonnen wurde, grundsätzlich nicht schon durch die Darlegung von Tatsachen erschüttert werden kann, die lediglich belegen, dass auch eine inhaltlich andere Überzeugung möglich gewesen wäre (Urteil vom 25. Mai 1984 - BVerwG 8 C 108.82 - Buchholz 448.0 § 11 WPflG Nr. 35 S. 16).

37

Das Oberverwaltungsgericht hat die Grenzen, die seiner freien Beweiswürdigung gesetzt sind, weder in die eine noch in die andere Richtung überschritten.

38

Der Senat hat nicht feststellen können, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Bewertung der Umstände, die für die Feststellung verfassungsfeindlicher Bestrebungen in der Partei DIE LINKE maßgeblich waren, die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale rechtlich fehlerhaft ausgelegt und angewandt hat, auf die hin der Sachverhalt zu würdigen war.

39

Das Oberverwaltungsgericht hat nicht verkannt, dass Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c und Abs. 2 BVerfSchG nicht allein deshalb vorliegen, weil eine auch grundlegende Umgestaltung der wirtschaftspolitischen Verhältnisse als politisches Ziel verfolgt wird. Entgegen auch in der mündlichen Verhandlung angeklungener Kritik hat das Oberverwaltungsgericht beispielsweise die Forderung nach einer Verstaatlichung von Banken nicht für sich als Ausweis verfassungsfeindlicher Bestrebungen gewertet. Das Oberverwaltungsgericht hat vielmehr ausdrücklich hervorgehoben (Seite 54 f. des Urteilsabdrucks), es widerspräche vernünftiger Betrachtung, Anhaltspunkte für Verfassungsfeindlichkeit schon deshalb zu bejahen, weil eine Partei das Ziel ihrer Arbeit am gesellschaftlichen Umbau mit "Sozialismus", "demokratischer Sozialismus", "sozialistische Gesellschaft" oder ähnlichen Formulierungen umschreibt. Der Begriff "Sozialismus" werde im politischen Sprachgebrauch nicht nur im klassischen marxistisch-leninistischen Sinne benutzt, sondern könne auch eine als sozial verstandene, grundlegende Umgestaltung der wirtschaftspolitischen Verhältnisse meinen, die den Rahmen des Grundgesetzes nicht überschreite. Auch die Begriffe "Revolution", "Kapitalismus", "Demokratie" und "Menschenrechte" würden nicht einheitlich verwandt. "Revolution" bedeute nicht notwendig einen gewaltsamen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes, sondern könne auch eine radikale, sich aber noch im Rahmen des Grundgesetzes haltende Umgestaltung der Gesellschaft sein. Der Begriff des "Kapitalismus" könne auf die Wirtschaftsordnung beschränkt sein, aber auch die ihn ermöglichende politische Ordnung erfassen.

40

Von diesem zutreffenden rechtlichen Verständnis der Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehend hat das Oberverwaltungsgericht programmatische Aussagen und Forderungen festgestellt, die weitergehend auf eine Umgestaltung der Staats- und Gesellschaftsordnung im klassisch marxistisch-leninistischen Sinne einer sozialistisch- kommunistischen Gesellschaftsordnung zielen.

41

Derartige Forderungen hat das Oberverwaltungsgericht zum einen bei der Kommunistischen Plattform ausgemacht (Seite 55 f. des Urteilsabdrucks). Es hat deren programmatische Äußerungen unter Hinweis auf die insoweit ausgewerteten Dokumente dahin ausgelegt, dass die Mitglieder dieses parteiinternen Zusammenschlusses sich der Sache nach ausdrücklich zu einer sozialistischen Revolution und der Diktatur des Proletariats bekennten: Ihre Forderungen nach einem "Sozialismus im Marx'schen Sinne", einem "wissenschaftlichen Sozialismus von Marx und Engels", einer Partei, die "im Geiste von Marx, Engels und Lenin gegen das Kapital, für den Sozialismus" wirke, und einer Gesellschaftsordnung, "in welcher die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abgeschafft und der Mensch nicht länger ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist", ließen verständigerweise keine andere Interpretation zu. Die Aussage, die angestrebte Gesellschaft werde "natürlich in ihrer Anfangsphase alles andere als perfekt" sein, und der Hinweis auf die Notwendigkeit, "unlogische, nicht objektive, ungerechte, einfache Macht" einzusetzen, seien vor diesem ideologischen Hintergrund nur als kaum verhohlene Bekenntnisse zur Diktatur des Proletariats und zur Gewaltanwendung während dieser Vorphase des Sozialismus zu verstehen. Wenn nach anderen Ausführungen gegenwärtig keine revolutionäre Situation bestehe, der Kapitalismus aber "von immer mehr Menschen als asozial, nicht friedfertig und als immer weniger demokratisch empfunden" werde, woran "zur Zeit des Zustandekommens von 'Deutschland einig Vaterland' nicht zu denken gewesen" sei, werde damit nicht bloß die politische Lage beschrieben, sondern der Hoffnung auf das Entstehen einer revolutionären Stimmung in Deutschland Ausdruck verliehen.

42

Das Oberverwaltungsgericht hat zum anderen ebenfalls an Hand ausgewerteter und im Einzelnen bezeichneter Dokumente festgestellt (Seite 56 f. des Urteilsabdrucks), auch das Marxistische Forum bekenne sich offen zu Zielen, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar seien: Es fordere nicht nur, "den Herrschenden ihre ökonomischen Machtgrundlagen zu entreißen", sondern wolle ihnen auch ihre "politische Macht (...) nehmen". Damit stelle es - so die Wertung des Oberverwaltungsgerichts - unmissverständlich klar, dass es sich nicht darauf beschränke, für wirtschaftspolitische Veränderungen einzutreten, die im Rahmen des Grundgesetzes zulässig seien. Dass das Marxistische Forum vielmehr anstrebt, die bestehende staatliche Ordnung durch ein gänzlich anderes Gemeinwesen zu ersetzen, hat das Oberverwaltungsgericht beispielhaft Aussagen entnommen, in denen das Grundgesetz als eine Verfassung beschrieben wird, die "nach marxistischem Verständnis Resultat von Klassenkämpfen" und "Waffenstillstandslinie bzw. Grenzmarke der kämpfenden Klassen" sei, die "auch nach ihrer Annahme immer wieder umkämpft" sei. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Aussagen dahin ausgelegt, die angestrebte Umgestaltung der Staats- und Gesellschaftsordnung solle auch durch eine sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats im klassisch marxistisch-leninistischen Sinne erreicht werden: Ein anderes Verständnis ließen die Bekenntnisse zu "Verbreitung marxistischen Wissens und dialektischen Herangehens" und "marxistischer Verfassungsbetrachtung" sowie die Auffassung nicht zu, die "marxistische Linke" benötige "eine revolutionäre Partei (...), die den Kampf um Gesellschaftsveränderung - letztlich um sozialistische Neuorganisierung der Gesellschaft - begreife und führe".

43

Schließlich hat das Oberverwaltungsgericht die Linksjugend <'solid>, die als Jugendorganisation der Partei DIE LINKE anerkannt ist, zu den Gruppierungen gezählt, die der Partei zuzurechnen seien und die tragende Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung offen ablehnten (Seite 57 des Urteilsabdrucks). Es hat diese Einschätzung beispielhaft auf eine Veröffentlichung gestützt, in der die Linksjugend <'solid> den Parlamentarismus als "Kasperletheater zur Legitimation kapitalistischer Verhältnisse" verunglimpft. Das Oberverwaltungsgericht hat daraus und aus weiteren Äußerungen dieser Gruppierung die Folgerung gezogen, die Linksjugend <'solid> spreche dem Parlament seine in der Staatsordnung des Grundgesetzes zentrale Rolle bei der politischen Willensbildung ab: Sie wolle das Parlament lediglich für ihre Zwecke instrumentalisieren, indem sie es als "Bühne (...) für den Kampf um eine gerechtere Welt" nutze, der "schwerpunktmäßig außerhalb der Parlamente" stattfinden solle.

44

Die Sichtung des umfangreichen Materials und die daran anknüpfende Bewertung, welche Aussagen und welches Verhalten nach ihrem Gewicht für die von der Partei verfolgten Ziele tatsächlich von Bedeutung sind, bildet danach ebenso wie die Würdigung mehrdeutiger Aussagen den Kern der freien Beweiswürdigung, die dem Tatsachengericht, nicht aber dem Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht obliegt. Dass der Kläger die vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Dokumente anders bewertet, ergibt noch keinen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz, der die Bindung des Senats an die Schlussfolgerungen tatsächlicher Art beseitigen könnte, die das Oberverwaltungsgericht in freier Beweiswürdigung aus den von ihm ausgewerteten Dokumenten gezogen hat.

45

Zwar hat das Oberverwaltungsgericht bei seiner Würdigung verfassungsfeindliche Bestrebungen nur bei einzelnen Gruppierungen innerhalb der Partei DIE LINKE festgestellt. Damit hat es aber ebenfalls nicht den rechtlichen Rahmen verlassen, der ihm bei der Würdigung des Sachverhalts durch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG gezogen war. Anhaltspunkte für Bestrebungen einer Partei, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, sind nicht nur dann gegeben, wenn die Partei in ihrer Gesamtheit solche Bestrebungen entfaltet. Das Oberverwaltungsgericht verweist zutreffend darauf (Seite 52 des Urteilsabdrucks), dass gerade die innere Zerrissenheit einer Partei, Flügelkämpfe und eine Annäherung an extremistische Gruppierungen oder Parteien eine Beobachtung durch Verfassungsschutzbehörden erfordern können. Nur so ist festzustellen, in welche Richtung sich die Partei letztlich bewegt. Allein durch die Beobachtung können die Regierung, das Parlament und die Öffentlichkeit über den Fortgang der weiteren, noch nicht abgeschlossenen Entwicklung der Partei sachkundig und angemessen unterrichtet werden. So können eindeutige verfassungsfeindliche Bestrebungen einzelner Gruppierungen innerhalb einer Partei Anhaltspunkte dafür liefern, in welche Richtung die Partei sich entwickeln kann. Das erfordert die Beobachtung der Partei insgesamt, nicht nur der einzelnen Gruppierung, mag auch diese für sich einen Personenzusammenschluss im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG darstellen. Das Oberverwaltungsgericht hat bei seiner Würdigung die Gesamtpartei als Bezugspunkt nicht aus den Augen verloren, sondern stets danach gefragt, inwieweit die von ihm festgestellten verfassungsfeindlichen Bestrebungen einzelner Gruppierungen für die künftige Entwicklung der Gesamtpartei von Bedeutung sein können.

46

Zu den Gruppierungen Kommunistische Plattform, Marxistisches Forum und Linksjugend <'solid> hat das Oberverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang festgestellt, sie seien keine innerhalb der Partei unbedeutenden Splittergruppen, sondern besäßen nach ihrer satzungsmäßigen Stellung, der Zahl ihrer Mitglieder, ihrem Rückhalt bei der Gesamtheit der Parteimitglieder und dem sich hieraus ergebenden Einfluss nennenswertes Gewicht innerhalb der Partei (Seite 57 ff. des Urteilsabdrucks).

47

Das Oberverwaltungsgericht leitet dies zum einen aus programmatischen Äußerungen der Partei her, in denen die Partei sich als plural bzw. pluralistisch bezeichne und das Ziel verfolge, unterschiedliche Kräfte des linken politischen Spektrums zu binden. Hierbei beziehe sie ausdrücklich auch radikale Kräfte (Bundesgeschäftsführer Dr. Dietmar Bartsch) und solche Kräfte mit ein, "die die gegebenen Verhältnisse fundamental ablehnen" (Parteiprogramm der Linkspartei.PDS). Das Oberverwaltungsgericht verweist zum anderen auf die Satzung der Partei, die in ihrem § 7 innerparteilichen Zusammenschlüssen eine besondere Stellung einräume: Sie seien entsprechend ihren Schwerpunktthemen aktiv in die Arbeit von Parteivorstand, Kommissionen und Arbeitsgruppen aller Ebenen einzubeziehen, könnten Delegierte zum Parteitag entsenden und erhielten im Rahmen des Finanzplanes finanzielle Mittel für ihre Arbeit. Das Oberverwaltungsgericht knüpft seine Wertung aber nicht allein an die zahlenmäßige Stärke der von ihm als verfassungsfeindlich gekennzeichneten Gruppierungen und die Zahl der ihnen satzungsgemäß vorbehaltenen Sitze in den Gremien der Partei an, sondern auch an den Rückhalt ihrer Arbeit in der Gesamtpartei. Der Senat ist wiederum an die auf diese Umstände zusammengenommen gestützte tatsächliche Wertung gebunden, die vom Oberverwaltungsgericht als verfassungsfeindlich angesehenen Gruppierungen innerhalb der Partei besäßen einen Einfluss von nennenswertem Gewicht. Was der Kläger gegen den Einfluss der Gruppierungen Kommunistische Plattform, Marxistisches Forum und Linksjugend <'solid> in der Partei anführt, stellt nur eine abweichende Würdigung des Sachverhalts dar, die trotz des wiederholten Hinweises auf den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) und die Verletzung der Denkgesetze die Voraussetzungen einer erfolgreichen Verfahrensrüge nicht erfüllt und die Bindungswirkung der gegenteiligen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht entfallen lässt.

48

Das Oberverwaltungsgericht hat umgekehrt gerade nicht feststellen können, dass diesen Gruppierungen ein nennenswertes Gewicht mit dem Argument abgesprochen werden könne, die von ihnen initiierten und unterstützten Strömungen in der Partei könnten sich angesichts einer Übermacht grundgesetzkonformer Meinungen und Aktivitäten niemals durchsetzen. Das Oberverwaltungsgericht benennt insoweit zahlreiche gewichtige Hinweise, die aus seiner Sicht Zweifel daran begründen, dass sich die Partei als solche vorbehaltlos zum zentralen Wertesystem des Grundgesetzes bekennt (Seite 59 ff. des Urteilsabdrucks). Es spricht in diesem Zusammenhang von einem "Nährboden" für verfassungsfeindliche Bestrebungen, der es derzeit nicht ausgeschlossen erscheinen lasse, dass es den Zusammenschlüssen Kommunistische Plattform, Marxistisches Forum und Linksjugend <'solid> insbesondere auch im Zusammenwirken gelinge, ihre gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen innerhalb der Partei DIE LINKE durchzusetzen. Für diese Aussage verwertet das Oberverwaltungsgericht Aussagen im Parteiprogramm, die nach seiner Ansicht deutlich machten, dass die von der Partei angestrebten Veränderungen nicht auf die Wirtschaftspolitik beschränkt seien, sondern die bestehenden Gesellschafts- und Machtverhältnisse insgesamt betreffen sollten (Seite 60 f. des Urteilsabdrucks): In diesen Formulierungen könnten sich die Kräfte in der Partei wiederfinden, die den Übergang zu einer sozialistischen Gesellschaft im marxistisch-leninistischen Sinne anstrebten. Das Oberverwaltungsgericht verweist beispielhaft auf das Parteiprogramm Linkspartei.PDS. In ihm heiße es unter anderem, es bedürfe "alternativer Gesellschaftsstrukturen, die von der Verwirklichung gemeinschaftlicher Interessen geprägt sind und die Dominanz privatkapitalistischen Eigentums überwunden haben". An anderer Stelle werde dort ausgeführt, sozialistische Politik ziele "heute auf die Veränderung der Kräfteverhältnisse, die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für einen Richtungswechsel der Politik und die damit verbundene Umgestaltung von Eigentums- und Machtstrukturen". Das Oberverwaltungsgericht sieht darin Belege dafür, dass die von der Partei angestrebten Veränderungen nicht auf die Wirtschaftspolitik beschränkt seien, sondern die bestehenden Gesellschafts- und Machtverhältnisse insgesamt betreffen sollten, hält jedenfalls eine dahingehende Auslegung des Parteiprogramms der Linkspartei.PDS nicht für völlig ausgeschlossen, zumal in den programmatischen Eckpunkten der Partei DIE LINKE unter Berufung auf Karl Marx die "Überwindung aller Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist", gefordert und das Ziel formuliert werde, "Bürgerinnen und Bürger gegen Machtbestrebungen der herrschenden Klasse" zu "mobilisieren". Das Oberverwaltungsgericht räumt zwar ein, eine an die Sprache von Marx, Engels und Lenin anknüpfende Ausdrucksweise müsse nicht auf einen verfassungswidrigen Inhalt führen, hält der Partei aber vor, ohne eine deutliche Abkehr davon bleibe jedenfalls ein tatsächlicher Anhaltspunkt für verfassungsfeindliche Bestrebungen.

49

Wie dem Kläger einzuräumen ist, hat das Oberverwaltungsgericht nicht angenommen, die Partei strebe schon nach ihrem aktuellen Programm eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaftsordnung an. Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht aber davon ausgegangen (Seite 50 des Urteilsabdrucks), ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen könnten bereits dann gegeben sein, wenn aussagekräftiges Tatsachenmaterial lediglich einen Teilbereich der Zielsetzungen, Verlautbarungen und Aktivitäten des Personenzusammenschlusses widerspiegele. Deren Aussagekraft wird nicht allein dadurch in Frage gestellt, dass daneben eine Vielzahl von Äußerungen existiert, denen sich keine Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Ausrichtung entnehmen lassen. Der Hinweis auf die Aussagen im Parteiprogramm hat in dem hier interessierenden Zusammenhang für das Oberverwaltungsgericht zudem nur die Funktion, zu belegen, dass die verfassungsfeindlich ausgerichteten Gruppen sich mit ihren Bestrebungen auf jedenfalls mehrdeutige und unklare Aussagen in dem Programm der Gesamtpartei berufen können, mit der Folge, dass sie nicht als Außenseiter angesehen werden können, die für die Ausrichtung der Partei gänzlich vernachlässigt werden müssen.

50

Soweit der Kläger im Weiteren die Auslegung programmatischer Aussagen im Parteiprogramm durch das Oberverwaltungsgericht angreift und dieser Auslegung seine eigene Deutung entgegensetzt, handelt es sich um einen Angriff auf die Sachverhaltswürdigung des Tatsachengerichts, der nicht die Voraussetzungen einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge erfüllt.

51

Diese Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen werden nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts verstärkt und bestätigt durch Verlautbarungen der Partei insgesamt sowie der Zusammenschlüsse in ihr, die für eine Solidarisierung mit der DDR und der Republik Kuba stritten (Seite 61 ff. des Urteilsabdrucks). Das Oberverwaltungsgericht verweist auf die totalitären Züge, die die Staatsgewalt in der DDR und in Kuba getragen habe bzw. trage. Die fehlende Distanz zu und die ausdrückliche Solidarität mit diesen Staatsgewalten trotz der gravierenden Verletzungen der Menschenrechte dort verstärkten die Zweifel, ob die Partei die Werte des Grundgesetzes teile, die für die freiheitliche demokratische Grundordnung grundlegend seien. Das Oberverwaltungsgericht räumt zwar ein, dass es in der Partei, beispielsweise in der Präambel des Parteiprogramms, deutliche Distanzierungen von den Verhältnissen in der DDR gebe. Dem stünden aber ebenso deutliche Versuche gegenüber, das begangene Unrecht zu relativieren, mit der Folge, dass die PDS, die Linkspartei.PDS sowie DIE LINKE bei der Würdigung des Unrechts in der DDR ein unverständliches, uneinheitliches Bild böten.

52

Das Oberverwaltungsgericht konnte Verlautbarungen aus der Partei zur DDR heranziehen, ohne damit die rechtlichen Grenzen zu überschreiten, die durch das Erfordernis von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gezogen sind.

53

Entgegen in der mündlichen Verhandlung anklingender Kritik hat das Oberverwaltungsgericht zum einen nicht etwa jede Zustimmung zu wirtschaftlichen und sozialen Einrichtungen der DDR, wie etwa Polikliniken, pauschal als mangelnde Distanzierung von der DDR und als Ausweis fehlender Verbundenheit mit den Grundwerten der Demokratie angesehen. Das Oberverwaltungsgericht hat vielmehr Aussagen verwertet, die sich auf Erscheinungen beziehen, die in herausgehobener Weise die der Demokratie und den Menschenrechten feindlichen Seiten des politischen Systems der DDR kennzeichnen. So hat das Oberverwaltungsgericht beispielsweise auf eine Äußerung verwiesen, in der der Bau der Mauer gerechtfertigt wird, weil er berechtigten ökonomischen Interessen des Staates gedient habe (Seite 62 des Urteilsabdrucks). Die vom Oberverwaltungsgericht angeführte Äußerung des zeitweiligen stellvertretenden Bundesvorsitzenden der PDS Diether Dehm warnt davor, eine allzu gedankenlose Distanzierung vom Mauerbau könnte in Zukunft das Verständnis dahin dogmatisch versperren, wo eine ökonomisch unterentwickelte Region - um mehr Demokratie, mehr Ökologie, mehr Kulturausgaben, mehr Sozialausgaben zu wagen - sich abschotte oder etwa wegen der Abwerbung der vom Monopolkapital bevorzugten Kräftigen, Jungen, teuer Ausgebildeten verhindern wolle. Andere Äußerungen, die das Oberverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang angeführt hat, betreffen die Verharmlosung, wenn nicht gar Rechtfertigung der Staatssicherheit der DDR (Seite 63 des Urteilsabdrucks).

54

Das Oberverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang nicht verkannt, dass eine verfassungsfeindliche Abkehr von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht schon bei "Entgleisungen" einzelner Mitglieder oder Anhänger angenommen werden kann (Urteil vom 18. Mai 2001 - BVerwG 2 WD 42.00, 43.00 - BVerwGE 114, 258 <265>). Die von ihm angeführten Äußerungen stammen aber beispielsweise von einem ehemaligen stellvertretenden Bundesvorsitzenden und späteren Vorsitzenden eines Landesverbandes sowie von dem Ältestenrat der Partei und damit von Persönlichkeiten und Einrichtungen, von denen angenommen werden darf, dass sie zumindest Teile der Partei repräsentieren und Mitglieder und Wähler an die Partei binden sollen, die mit ihren Auffassungen übereinstimmen.

55

Zum anderen hat das Oberverwaltungsgericht die Verlautbarungen aus der Partei zur DDR nicht isoliert als Belege verfassungsfeindlicher Bestrebungen gewertet, sondern sie in einen Zusammenhang gestellt mit den von ihm festgestellten Bestrebungen einzelner Gruppierungen in der Partei, die auf eine sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats im klassisch marxistisch-leninistischen Sinne einer sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung gerichtet sind. Wenn über diese Gruppierungen hinaus Tendenzen in der Partei feststellbar sind, die Verhältnisse in der DDR schön zu reden, erlaubt dies wiederum den Schluss, dass diese Bestrebungen nicht isoliert in der Partei dastehen, sondern - wie das Oberverwaltungsgericht sich ausdrückt - dort einen Nährboden finden. Die Rechtfertigung der DDR oder die Zurückweisung von Kritik an ihr kann Anhaltspunkte dafür liefern, was unter dem für sich vieldeutigen Begriff Sozialismus oder sozialistische Gesellschaftsordnung verstanden oder doch als mit diesen Begriffen vereinbar angesehen wird. In einer politischen Partei handelt es sich bei Aussagen zur DDR nicht um bloße Meinungsbekundungen zu einer interessanten zeitgeschichtlichen Frage, sondern um einen auf die Gegenwart bezogenen Beitrag zu den politischen Vorstellungen, die für die Partei erstrebenswert, jedenfalls tolerabel sind.

56

Unterlagen über die praktische Arbeit der Partei hat das Oberverwaltungsgericht zudem Hinweise für eine Annäherung der Partei an extremistische Organisationen im In- und Ausland und deren politische Unterstützung entnommen. Zu den extremistischen Organisationen im Inland zählt das Oberverwaltungsgericht die DKP, zu der die Partei DIE LINKE langjährige intensive Kontakte gepflegt habe und pflege (Seite 63 f. des Urteilsabdrucks). Nach der Wende in der DDR habe die PDS bei ihren Bemühungen, im politischen System der Bundesrepublik akzeptiert zu werden, zunächst auf die Hilfe der DKP gesetzt. In der Folgezeit habe sich die Zusammenarbeit intensiviert, bis hin zur Aufnahme von Mitgliedern der DKP in Wahlvorschläge der Partei DIE LINKE. Der auf dem Parteitag im Mai 2008 gefasste Beschluss, auf den Listen der Partei DIE LINKE für Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen zukünftig keine Personen mehr aufzunehmen, die Mitglied in anderen Parteien sind, sei nicht als Abkehr von dieser Zusammenarbeit zu verstehen. Vielmehr habe sogar der Kläger betont, der Beschluss sei nicht gegen die DKP gerichtet, sondern solle nur der Gefahr von Wahlanfechtungen begegnen. Zu den extremistischen Organisationen im Ausland zählt das Oberverwaltungsgericht ausländische Guerillaorganisationen wie die kolumbianische FARC, die auf der Terrorliste der EU geführt wird, und die auch in Deutschland verbotene PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA GEL, die die Partei politisch unterstütze, ohne dies von einer Beendigung terroristischer Aktionen abhängig zu machen.

57

Auch diese Hinweise haben in der Würdigung des Sachverhalts für das Oberverwaltungsgericht die Funktion, die Nähe von Teilen der Partei zu revolutionärer Gewalt und deren Rechtfertigung zu belegen (Seite 64 des Urteilsabdrucks). Der Kläger unternimmt demgegenüber weithin den Versuch, nachzuweisen, dass jeder einzelne vom Oberverwaltungsgericht verwertete Umstand für sich nicht geeignet ist, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu belegen. Das geht schon deshalb an der Würdigung des Sachverhalts durch das Oberverwaltungsgericht vorbei, weil das Oberverwaltungsgericht zutreffend eine Gesamtbetrachtung anstellt, bei der die Bedeutung einzelner Umstände erst im Lichte anderer hervortritt. An das rechtsfehlerfrei zustande gekommene Ergebnis dieser Gesamtbetrachtung, nämlich der Feststellung tatsächlicher Anhaltspunkte verfassungsfeindlicher Bestrebungen, ist der Senat gebunden.

58

cc) Das Oberverwaltungsgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass die verfassungsfeindlichen Bestrebungen in politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG eingemündet sind.

59

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG sind "Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung" nur die in diesem Sinne verfolgten politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen. Das Tatbestandsmerkmal einer "politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweise" erfordert damit über das bloße Vorhandensein bestimmter Bestrebungen hinaus ein aktives, nicht jedoch notwendig kämpferisch-aggressives Vorgehen zu deren Realisierung. Dementsprechend umschreibt das Gesetz verfassungsschutzrelevante Bestrebungen nicht als politisch motiviert, sondern als politisch bestimmt. Bestrebungen müssen also zum einen politisch determiniert, folglich objektiv geeignet sein, - über kurz oder lang - politische Wirkungen zu entfalten (Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, S. 165). Kein Bestandteil des Merkmals "Bestrebung" ist ausweislich des Wortlauts der Norm ein "aktiv kämpferisches" Verhalten. Zudem definiert das Gesetz den Begriff der Bestrebung nicht anhand der Merkmale legal/illegal. Es kommt nicht darauf an, ob bestimmte Verhaltensweisen erlaubt sind oder nicht (Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, S. 168).

60

§ 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG erfasst Verhaltensweisen, die über rein politische Meinungen hinausgehen und auf Durchsetzung eines Ziels ausgerichtet sind. Neben der Durchsetzung des politischen Hauptziels müssen die Aktivitäten auf die Beeinträchtigung eines der vom Gesetz geschützten Rechtsgüter abzielen und somit ein maßgeblicher Zweck der Bestrebung sein. Die bloße Inkaufnahme einer entsprechenden Gefährdung ist nicht ausreichend. Die verantwortlich Handelnden müssen auf den Erfolg der Rechtsgüterbeeinträchtigung hinarbeiten. Die bloße Übereinstimmung oder Sympathie mit den Zielen einer verfassungsfeindlichen Organisation reicht ebenso wie die wissenschaftliche Beschäftigung mit einer extremistischen Theorie nicht aus (Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, S. 167 ff.). Die eindeutig bestimmbare Grenze zwischen wissenschaftlicher Theorie und politischem Ziel liegt dort, wo die betrachtend gewonnenen Erkenntnisse von einer politischen Partei, also einer ihrem Wesen nach zu aktivem Handeln im staatlichen Leben entschlossenen Gruppe, in ihren Willen aufgenommen, zu Bestimmungsgründen ihres politischen Handelns gemacht werden (BVerfG, Urteil vom 17. August 1956 - 1 BvB 2/51 - BVerfGE 5, 85 <147>).

61

Diese rechtlichen Vorgaben hat das Oberverwaltungsgericht bei seiner Würdigung des Sachverhalts beachtet. Es hat insoweit zutreffend berücksichtigt, dass die bloße Kritik an Verfassungswerten und Verfassungsgrundsätzen nicht als Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzuschätzen ist, wohl aber darüber hinausgehende Aktivitäten zu deren Beseitigung (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <81>). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Kritik an der Verfassung und ihren wesentlichen Elementen ebenso erlaubt ist wie die Äußerung der Forderung, tragende Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu ändern. Es ist allerdings verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die Verfassungsschutzbehörde insoweit an die Inhalte von Meinungsäußerungen knüpft, als diese Ausdruck eines Bestrebens sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. Es ist dem Staat grundsätzlich nicht verwehrt, aus Meinungsäußerungen Schlüsse zu ziehen und gegebenenfalls Maßnahmen zum Rechtsgüterschutz zu ergreifen. Lassen sich Bestrebungen zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung aus Meinungsäußerungen ableiten, dürfen Maßnahmen zur Verteidigung dieser Grundordnung ergriffen werden. (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <82>). Kritik an einem Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung muss danach nur als "bloße" Kritik unberücksichtigt bleiben, nicht jedoch, wenn sie verbunden ist mit der Ankündigung konkreter Aktivitäten zur Beseitigung dieses Verfassungsgrundsatzes oder mit der Aufforderung zu solchen Aktivitäten. Politische Parteien sind auf politische Aktivität und auf Änderung der politischen Verhältnisse ausgerichtete Organisationen. Bei Meinungsäußerungen, die von oder innerhalb einer politischen Partei abgegeben werden, liegt zumindest nahe, dass sie mit der Intention einer entsprechenden Änderung der realen Verhältnisse abgegeben werden (vgl. hierzu Murswiek, NVwZ 2006, 121 <125 und 127>).

62

Hiervon ausgehend hat das Oberverwaltungsgericht innerhalb der Partei aktive Verhaltensweisen, insbesondere der Kommunistischen Plattform, des Marxistischen Forums und der Linksjugend <'solid>, festgestellt, die darauf gerichtet sind, mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbare Ziele zunächst innerhalb der Partei und sodann über diese hinaus allgemein durchzusetzen (Seite 66 ff. des Urteilsabdrucks): So bemühten sich die extremistischen Kräfte, ihren Einfluss innerhalb der Partei zu vergrößern, indem sie bei den Parteimitgliedern massiv um Unterstützung für ihre Positionen würben. Derartige Bemühungen, parteiintern Unterstützung für ihre eigenen Positionen zu gewinnen, entfalteten die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Kräfte insbesondere zu Zeiten, in denen wesentliche programmatische Grundentscheidungen anstünden. Die Bemühungen der genannten Gruppierungen um Einfluss innerhalb und außerhalb der Partei würden zudem durch ihr Streben nach parteiinternen Ämtern und Parlamentsmandaten deutlich. Bei sich bietendem Anlass würden gezielt Parteimitglieder und -anhänger mobilisiert, um den Bundesvorstand und den Parteirat zu Äußerungen zu veranlassen, die geeignet seien, Zweifel daran zu begründen, dass die Partei die für die freiheitliche demokratische Grundordnung grundlegenden Werte des Grundgesetzes teile. Anhaltspunkte für über die Partei hinaus wirkende Aktivitäten zur Durchsetzung von Zielen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien, ergäben sich insbesondere aus der Unterstützung, die die Partei linksextremistischen Organisationen, wie insbesondere der DKP, gewähre.

63

Es kann schließlich von Rechts wegen nicht beanstandet werden, dass das Oberverwaltungsgericht den von ihm festgestellten tatsächlichen Anhaltspunkten für verfassungsfeindliche Bestrebungen ein hinreichendes Gewicht beigemessen hat, um nach wie vor eine Beobachtung der Partei DIE LINKE für gerechtfertigt zu halten. Das Oberverwaltungsgericht entnimmt diese tatsächlichen Anhaltspunkte im Wesentlichen den programmatischen Verlautbarungen und sonstigen Äußerungen der Kommunistischen Plattform, des Marxistischen Forums und der Linksjugend <'solid> sowie deren Mitglieder. Diese Gruppierungen bestehen zwar schon seit langem, ohne dass es ihnen nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts gelungen wäre, die Partei DIE LINKE zu dominieren und in die von ihnen gewünschte Richtung zu drängen. Dass der Einfluss der offen verfassungsfeindlichen Gruppierungen nicht merklich gewachsen ist, rechtfertigt allein noch nicht die Annahme, diese Gruppierungen und ihre Ziele hätten nach so langer Zeit jetzt nicht mehr das notwendige Gewicht, um Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der Partei insgesamt zu liefern. Bestehen über die Jahre unverändert tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen, weil sich diese Anhaltspunkte trotz mehrjähriger Beobachtung nicht haben ausräumen lassen, rechtfertigen sie nach wie vor die Beobachtung der Partei durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Einschätzung auf Quellen gestützt, die auch aus jüngerer Zeit stammen. Zudem hat der Zusammenschluss der Linkspartei.PDS mit der WASG zur Partei DIE LINKE im Jahre 2007 zu einem beträchtlichen Mitgliederzuwachs geführt und der Partei neue Wählerschichten eröffnet. Es besteht ein berechtigtes öffentliches Interesse daran, die Entwicklung der neu zusammengesetzten Partei und ihrer maßgeblichen Funktionäre zu beobachten. Insbesondere bedarf der Aufklärung, ob es den extremistischen Kräften innerhalb der Partei gelingt, die verbreiterte Basis der Partei innerhalb der Gesellschaft für ihre Zwecke zu nutzen.

64

4. Die Tätigkeit des Klägers als eines herausgehobenen Mitglieds der Parteien PDS, Linkspartei.PDS und heute DIE LINKE rechtfertigt es, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz gemäß § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG Informationen über ihn mit den Mitteln der offenen Informationsbeschaffung erhebt (a)). Diese Maßnahme ist verhältnismäßig (b)).

65

a) § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG verlangt keine Voraussetzungen, die über die Mitgliedschaft in dem Personenzusammenschluss hinausgehen (aa)). Einer Beobachtung des Klägers steht nicht entgegen, dass er nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts in eigener Person keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen verfolgt (bb)). Schließlich ist eine Beobachtung des Klägers nicht deshalb ausgeschlossen, weil § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG auf Abgeordnete des Bundestages oder eines Landesparlaments aus Gründen höherrangigen Rechts nicht anwendbar wäre (cc)).

66

aa) Über die bisher erörterten Voraussetzungen hinaus, die bei dem Personenzusammenschluss im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG vorliegen müssen, hängt die Zulässigkeit der Erhebung von Informationen über den Kläger nicht von individuellen und subjektiven Beiträgen des Klägers oder seiner intentionalen Beteiligung an Handlungen zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ab. § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG verlangt keine Voraussetzungen, die über die Mitgliedschaft in dem Personenzusammenschluss hinausgehen. § 4 Abs. 1 Satz 2 BVerfSchG gilt mit dem zusätzlichen Erfordernis einer nachdrücklichen Unterstützung nur für Personen, die nicht in dem Personenzusammenschluss, sondern ausschließlich für diesen handeln. Die noch weiter reichenden Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 4 BVerfSchG gelten nur für Personen, die weder in noch für den Personenzusammenschluss handeln.

67

bb) Die Beobachtung des Klägers ist nicht ausgeschlossen, weil er nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (Seite 68 f. des Urteilsabdrucks) in eigener Person keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen verfolgt.

68

Allerdings bindet diese Feststellung das Revisionsgericht (§ 137 Abs. 2 VwGO). Die insoweit erhobene Verfahrensrüge der Beklagten ist unbegründet. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts verstößt nicht gegen die Denkgesetze und kann deshalb nicht unter diesem Gesichtspunkt den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 VwGO verletzen. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar angenommen, dass über die Gruppierungen Kommunistische Plattform, Marxistisches Forum und Linksjugend <'solid> hinaus sich auch in der Gesamtpartei Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen finden. Mit diesen hat das Oberverwaltungsgericht den Kläger persönlich aber nicht in Verbindung gebracht. Auch wenn der Kläger eine führende Rolle in der Partei spielt, ist es nicht aus Gründen der Logik ausgeschlossen, dass er selbst keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen verfolgt, sondern eine andere Politik will.

69

§ 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG verlangt jedoch nach seinem Wortlaut nur, dass die verfassungsfeindlichen Bestrebungen von dem Personenzusammenschluss verfolgt werden. Die Beobachtung einzelner Personen, die in einem solchen Personenzusammenschluss tätig sind, ist nach dieser Vorschrift auch dann gerechtfertigt, wenn das Mitglied eines solchen Personenzusammenschlusses nicht selbst subjektiv das Ziel verfolgt, durch seine Tätigkeit in dem Personenzusammenschluss die freiheitliche demokratische Grundordnung ganz oder teilweise zu beseitigen. Vielmehr reicht es aus, dass seine Tätigkeit objektiv geeignet ist, solche Bestrebungen zu unterstützen. Das Bundesverfassungsschutzgesetz will nach seinem Zweck helfen, objektiv bestehende Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuwehren. Solche Gefahren gehen nicht nur von Personen aus, die der freiheitlichen demokratischen Grundordnung feindlich gegenüberstehen und sie ganz oder teilweise beseitigen wollen. Ebenso gefährlich können Personen sein, die selbst auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen, jedoch bei objektiver Betrachtung durch ihre Tätigkeit verfassungsfeindliche Bestrebungen fördern, ohne dies zu erkennen oder als hinreichenden Grund anzusehen, einen aus anderen Beweggründen unterstützten Personenzusammenschluss zu verlassen. Eine derartige Person, die nicht merkt, wofür sie missbraucht wird, kann für den Bestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung genauso gefährlich sein wie der Überzeugungstäter (vgl. hierzu auch Urteil vom 11. November 2004 - BVerwG 3 C 8.04 - BVerwGE 122, 182 <191>).

70

cc) Eine Erhebung von Informationen über den Kläger mit den Mitteln der offenen Informationsbeschaffung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil § 8 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG auf Abgeordnete des Bundestages oder eines Landesparlaments nicht angewandt werden dürfte. Die Vorschriften beschränken zulässigerweise den Grundsatz des freien Mandats aus Art. 38 Abs. 1 GG (aaa)). Für eine solche Beschränkung bedarf es keiner besonderen Ermächtigungsgrundlage, die eine Erhebung von Informationen mit den Mitteln der offenen Informationsbeschaffung speziell gegenüber Abgeordneten zulässt. Eine solche Notwendigkeit ergibt sich weder aus dem Vorbehalt des Gesetzes noch besteht ein allgemeiner verfassungsrechtlicher Grundsatz, wonach Maßnahmen gegen Abgeordnete nur mit Zustimmung des Parlaments zulässig seien (bbb)). Schließlich steht der Anwendung der § 8 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG auf Abgeordnete das Parteienprivileg nicht entgegen (ccc)).

71

aaa) Grundlage des freien Mandats ist Art. 38 Abs. 1 GG. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG). Diese Norm schützt nicht nur den Bestand, sondern auch die tatsächliche Ausübung des Mandats (BVerfG, Urteil vom 13. Juni 1989 - 2 BvE 1/88 - BVerfGE 80, 188 <218>; Urteil vom 20. Juli 1998 - 2 BvE 2/98 - BVerfGE 99, 19 <32>). Der Abgeordnete ist - vom Vertrauen der Wähler berufen - Inhaber eines öffentlichen Amtes, Träger eines freien Mandats und, gemeinsam mit der Gesamtheit der Mitglieder des Parlaments (BVerfG, Beschluss vom 24. März 1981 - 2 BvR 215/81 - BVerfGE 56, 396 <405>), Vertreter des ganzen Volkes (BVerfG, Urteil vom 8. Dezember 2004 - 2 BvE 3/02 - BVerfGE 112, 118 <134>). Er hat einen repräsentativen Status inne, übt sein Mandat in Unabhängigkeit, frei von jeder Bindung an Aufträge und Weisungen, aus und ist nur seinem Gewissen unterworfen (BVerfG, Urteil vom 5. November 1975 - 2 BvR 193/74 - BVerfGE 40, 296 <314, 316>; Beschluss vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 - BVerfGE 76, 256 <341>).

72

Die Freiheit des Mandats ist allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Sie kann durch andere Rechtsgüter von Verfassungsrang begrenzt werden (BVerfG, Urteil vom 4. Juli 2007 - 2 BvE 1/06 - BVerfGE 118, 277 <324>). Zu diesen Grundsätzen gehört, wie erwähnt, das Prinzip der streitbaren Demokratie. Die Tätigkeit des Bundesamts für Verfassungsschutz hat verfassungsrechtlichen Rang, insofern es institutionell (Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) und mit seinen Aufgaben (Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b GG) im Grundgesetz erwähnt wird. § 8 BVerfSchG konkretisiert einfachrechtlich dieses Prinzip der streitbaren Demokratie.

73

bbb) Soweit Abgeordnete von der Tätigkeit des Bundesamts für Verfassungsschutz betroffen sind, bedarf diese Konkretisierung keines Gesetzes, das ein Tätigwerden gerade gegenüber Abgeordneten erlaubt.

74

Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen Normgebern (oder gar der Verwaltung) überlassen. Wann es danach einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, lässt sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den darin verbürgten Grundrechten, zu entnehmen. Danach bedeutet wesentlich im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel "wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte" (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1998 - 1 BvR 1640/97 - BVerfGE 98, 218 <251>) und in dem hier in Rede stehenden Bereich "wesentlich für die Verwirklichung des freien Mandats", dessen verfassungsrechtlich immanente Schranken bestimmt und konkretisiert werden müssen.

75

Die danach wesentlichen Entscheidungen hat der Gesetzgeber aber mit § 3 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c, § 8 BVerfSchG getroffen. Gegenstand dieser Regelungen sind Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und damit politisch motivierte Betätigungen. Dem Gesetzgeber war aufgrund der Geschichte, auch derjenigen der Bundesrepublik Deutschland, bewusst, dass Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung auch von Parteien ausgehen können, die bei Bundes- oder Landtagswahlen Mandate errungen haben. Dass die Abgeordneten solcher Parteien in ihnen zumeist eine herausragende Funktion einnehmen werden und deshalb zuvörderst Träger der verfassungsfeindlichen Bestrebungen sein können, lag für ihn auf der Hand. Dem Gesetzgeber war das Problem einer Anwendung der von ihm zur Verteidigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geschaffenen Normen auf Abgeordnete mithin durchaus gegenwärtig. Er konnte andererseits nicht übersehen, dass die nachrichtendienstliche Beobachtung von Abgeordneten erhebliche Gefahren im Hinblick auf ihre Unabhängigkeit (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) und auf die Mitwirkung der betroffenen Parteien bei der politischen Willensbildung (Art. 21 GG) und damit für den Prozess demokratischer Willensbildung insgesamt birgt (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2009 - 2 BvE 5/06 - NVwZ 2009, 1092 <1095>). Den deshalb notwendigen Ausgleich der widerstreitenden Verfassungsprinzipien hat er nicht nur durch die eingehend normierten Eingriffsvoraussetzungen selbst, sondern insbesondere auch mit § 8 Abs. 5, § 9 BVerfSchG geschaffen, die die Tätigkeit des Bundesamts für Verfassungsschutz einem strikten Gebot der Verhältnismäßigkeit unterwerfen. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber selbst die wesentlichen Entscheidungen für die Auflösung des Spannungsverhältnisses von freiem Mandat und streitbarer Demokratie getroffen.

76

Der Gesetzgeber war dabei nicht von Verfassungs wegen gezwungen, die Erhebung von Informationen über Abgeordnete durch das Bundesamt für Verfassungsschutz von der vorherigen Genehmigung des Parlaments abhängig zu machen.

77

Dem Grundgesetz lässt sich kein allgemeiner Grundsatz des Inhalts entnehmen, Maßnahmen anderer staatlicher Gewalten gegen Parlamentarier seien nur zulässig, wenn sie zuvor vom Parlament genehmigt wurden. Art. 46 Abs. 2 und Abs. 3 GG sehen eine Genehmigung des Bundestages nur vor für die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Abgeordnete und für deren Verhaftung, für sonstige freiheitsbeschränkende Maßnahmen und für die Einleitung eines Verfahrens auf Verwirkung von Grundrechten nach Art. 18 GG. Diese punktuellen Regelungen sind nicht verallgemeinerungsfähig.

78

Die Existenz eines allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatzes lässt sich erst recht nicht anhand lediglich einfachrechtlicher Regelungen nachweisen, die das Verhältnis Verfassungsschutz/Abgeordnete (zudem zumeist nur am Rande) berühren. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SÜG) gilt das Sicherheitsüberprüfungsgesetz nicht für Mitglieder der Verfassungsorgane des Bundes. Es ist damit insbesondere auf Bundestagsabgeordnete nicht anwendbar. Nach § 3 Abs. 1 SÜG liegt die Zuständigkeit für Sicherheitsüberprüfungen grundsätzlich nicht beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Dieses führt Sicherheitsüberprüfungen nur selbst durch, wenn Bewerber und Mitarbeiter des eigenen Dienstes betroffen sind (§ 3 Abs. 3 SÜG). Im Übrigen wirkt das Bundesamt für Verfassungsschutz bei Überprüfungen, die andere Behörden durchzuführen haben, lediglich mit (§ 3 Abs. 2 SÜG). § 44c Abgeordnetengesetz (AbgG) ermöglicht eine Überprüfung von Bundestagsabgeordneten auf eine Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Die Vorschrift dient nicht dazu, Abgeordnete aufgrund ihrer besonderen Stellung in der Ordnung des Grundgesetzes anders als Bürger, die diesen verfassungsrechtlichen Schutz nicht genießen, vor staatlichen Maßnahmen zu schützen. § 44c AbgG schafft vielmehr staatliche Eingriffsmöglichkeiten, die nur gegenüber Abgeordneten gelten. Umgekehrt verbietet § 3 Abs. 2 Satz 4 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz) die Einbeziehung von Abgeordnetenpost nur in Maßnahmen, die sich gegen Dritte richten. Abgeordnetenpost darf danach Gegenstand von Maßnahmen sein, die gegen den Abgeordneten selbst gerichtet sind. Das Gesetz geht damit von der Zulässigkeit solcher Maßnahmen der Verfassungsschutzbehörden gegen Abgeordnete aus, obwohl das Artikel 10-Gesetz keine Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe enthält, die speziell diesen Personenkreis betreffen.

79

ccc) Die Tätigkeit des Klägers in der Partei zum Anknüpfungspunkt für Maßnahmen des Bundesamts für Verfassungsschutz zu machen, ist schließlich mit dem Parteienprivileg vereinbar. Zwar schützt das Privileg des Art. 21 Abs. 2 GG in erster Linie die Parteiorganisation, erstreckt sich jedoch auch auf die mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitende parteioffizielle oder parteiverbundene Tätigkeit der Funktionäre und Anhänger einer Partei. Es stellt den Bürger bei solchen Tätigkeiten von Sanktionen frei, um ein ungestörtes und unbehindertes Funktionieren der Partei zu gewährleisten (Urteil vom 17. September 2003 - BVerwG 6 C 4.03 - Buchholz 448.0 § 48 WPflG Nr. 4 S. 9). Aus dem Schutzzweck des Art. 21 Abs. 2 GG folgt jedoch, dass der Kläger als Parteimitglied nicht im Hinblick auf seine Mitgliedschaft in der Partei gegen staatliche Maßnahmen geschützt sein kann, die die Partei selbst hinzunehmen hat.

80

b) Die Erhebung von Informationen über den Kläger mit den Mitteln der offenen Informationsbeschaffung wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Von mehreren geeigneten Maßnahmen hat das Bundesamt für Verfassungsschutz gemäß § 8 Abs. 5 Satz 1 BVerfSchG diejenige zu wählen, die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf gem. § 8 Abs. 5 Satz 2 BVerfSchG keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. Die Erhebung von Informationen über den Kläger verfolgt einen legitimen Zweck (aa)), war geeignet (bb)), erforderlich (cc)) und verhältnismäßig im engeren Sinne (dd)).

81

aa) Bei den Parteien PDS, Linkspartei.PDS und DIE LINKE bestanden und bestehen nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Hiervon ausgehend gehörte und gehört die Gewinnung von Informationen über diese Parteien zu den legitimen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden. Die Beobachtung des Klägers bezweckt dabei, die bestehenden tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen weiter aufzuklären und mit den gewonnenen Informationen die Regierung und die Öffentlichkeit in die Lage zu versetzen, Art und Ausmaß möglicher Gefahren zu erkennen und diesen in angemessener Weise zu begegnen. Solche Aufklärungsmaßnahmen entspringen dem bundesrechtlichen Prinzip der streitbaren Demokratie und gehören in diesem Zusammenhang zu den Aufgaben, die den Ämtern für Verfassungsschutz übertragen sind (vgl. Urteil vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 30.97 - BVerwGE 110, 126 <134 f.>).

82

bb) Die Erhebung von Informationen über den Kläger mit den Mitteln der offenen Informationsbeschaffung ist geeignet, diesen Zweck zu fördern.

83

Ein Mittel ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Das Verwaltungshandeln darf keine zur Erreichung des Ziels objektiv untaugliche, rechtlich oder tatsächlich unmögliche Maßnahme darstellen.

84

Der Kläger hat bereits in der PDS und in der Linkspartei.PDS herausgehobene Funktionen wahrgenommen und tut dies weiterhin in der Partei DIE LINKE. Er war und ist Spitzenfunktionär der Partei. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts wurde der Kläger im Oktober 2004 in den Parteivorstand gewählt und gehört ihm bis heute an. Ab Oktober 2005 nahm er in der Linkspartei.PDS die Aufgabe eines Fusionsbeauftragten wahr, d.h. eines Beauftragten für die Parteineubildung durch Zusammenschluss mit der WASG. Er hat weitere hervorgehobene Funktionen innerhalb seiner Partei inne. Die Erhebung von Informationen über den Kläger zeigt einen Ausschnitt der etwaigen verfassungsfeindlichen Betätigung der Partei DIE LINKE oder von Mitgliedern oder Gruppierungen innerhalb dieser Partei. Den Äußerungen und dem Verhalten der Spitzenfunktionäre einer Partei kommt erhebliche Bedeutung zu, wenn die von einer Partei ausgehenden Gefahren zu beurteilen sind. Diese Personen beeinflussen die politische Richtung der Partei, ihr Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit und die innerparteiliche Diskussion maßgeblich. Die Art und Weise der politischen Betätigung des Klägers hat innerhalb der Partei Gewicht und kann aussagekräftig für die verfassungsschutzrechtliche Bewertung dieser Gruppierung sein.

85

Die Erhebung von (weiteren) Informationen über den Kläger ist nicht deshalb ungeeignet, weil sie sich über zehn Jahre erstreckt und fortdauert, ohne beim Kläger selbst verfassungsfeindliche Bestrebungen aufgedeckt zu haben. Eine Dauerbeobachtung, die mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar sein kann, liegt vor, wenn sich nach umfassender Aufklärung durch eine mehrjährige Beobachtung der Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen nicht bestätigt hat und die für die Beobachtung maßgeblichen tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sind (Urteil vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 30.97 - BVerwGE 110, 126 <137 f.>). Der Kläger betätigt sich nach wie vor politisch in einer Partei, bei der auch aktuell tatsächliche Anhaltspunkte für gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen vorliegen. Wie insoweit schon ausgeführt, stützt das Oberverwaltungsgericht zum einen seine Einschätzung der Partei auf Quellen, die auch aus jüngerer Zeit stammen, und es besteht zum anderen mit Blick auf den Zusammenschluss der Linkspartei.PDS mit der WASG zur Partei DIE LINKE ein berechtigtes öffentliches Interesse daran, die Entwicklung der neu zusammengesetzten Partei und ihrer maßgeblichen Funktionäre zu beobachten.

86

cc) Die Beobachtung des Klägers war und ist erforderlich. Zwar verfolgt der Kläger nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts in eigener Person keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen. Das Oberverwaltungsgericht hat aber auch - den Senat ebenfalls bindend - festgestellt, dass sich das Ziel, verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei DIE LINKE aufzuklären, ohne eine Beobachtung des Klägers als einer ihrer Spitzenfunktionäre nicht ebenso effektiv erreichen ließe.

87

Eine Gefahrenabschätzung wäre nicht in gleicher Weise möglich, wenn neben der Partei in ihrer Gesamtheit nur solche Mitglieder beobachtet würden, von denen verfassungsfeindliche Äußerungen bekannt geworden sind oder die einer der parteiinternen Gruppierungen angehören, bei denen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Ziele verfolgen. Aufgrund der Bedeutung, die Spitzenfunktionären für die politische Richtung der Partei, ihr Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit und die innerparteiliche Diskussion zukommt, sind Erkenntnisse über deren Verhältnis zu den radikalen Kräften innerhalb der Partei für eine zuverlässige Abschätzung der von der Partei ausgehenden Gefahren von wesentlicher Bedeutung. Spitzenfunktionäre sind maßgebliche Repräsentanten der Partei und bringen aufgrund dessen für Außenstehende zum Ausdruck, dass sie das Programm und die Politik der Partei umfassend unterstützen. Sie haben Einblick auch in die Zielsetzungen verfassungsfeindlich ausgerichteter Zusammenschlüsse und Organisationen in der Partei. Sie sind an maßgebender Stelle mitverantwortlich für Äußerungen und Erklärungen der Partei, selbst wenn sie sich diese subjektiv nicht zu eigen machen. Sie engagieren sich maßgeblich für die Partei in der Öffentlichkeit, um Unterstützer, Wähler und Mitglieder zu gewinnen und so die Position der Partei im politischen Wettbewerb zu verbessern. Damit unterstützen sie objektiv letztlich auch die Kräfte in der Partei, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Wächst die Partei in ihrer politischen Bedeutung und Durchsetzungsfähigkeit, erschließen sich auch für die verfassungsfeindlichen, weiterhin nicht parteiintern angegriffenen Kräfte neue Wege und Kreise, Unterstützung zu finden.

88

Um ein umfassendes Bild über die Partei zu gewinnen, ist deshalb nicht nur die Beobachtung solcher Spitzenfunktionäre erforderlich, bei denen Anhaltspunkte für eigene Aktivitäten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bekannt geworden sind. Auch die Beobachtung von Spitzenfunktionären, die - wie der Kläger - selbst zwar keine eigenen verfassungsfeindlichen Aktivitäten entfalten, aber die radikalen, offen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung eintretenden Kräfte innerhalb der Partei - wie das Oberverwaltungsgericht bezogen auf den Kläger ebenfalls festgestellt hat - genauso wenig aktiv bekämpfen, verspricht - wenn auch vergleichsweise geringfügige - zusätzliche Erkenntnisse. Sie ermöglicht eine unmittelbare und deshalb zuverlässigere Einschätzung des Verhältnisses dieser Spitzenfunktionäre zu den radikalen Kräften innerhalb der Partei, als sie aufgrund einer Beobachtung möglich wäre, die sich auf die Partei als solche oder die in ihr aktiven radikalen Kräfte beschränkt. Welche Entfaltungsmöglichkeiten für verdächtige Parteimitglieder bestehen, hängt entscheidend davon ab, wie sich die Spitzenfunktionäre positionieren und welche Freiräume sie anderen Strömungen geben.

89

dd) Die Erhebung von Informationen über den Kläger mit den Mitteln der offenen Informationsbeschaffung wahrt die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Sie beachtet das Gebot des geringsten Mittels aus § 8 Abs. 5 Satz 1 BVerfSchG (aaa)) und verstößt nicht gegen das Übermaßverbot aus § 8 Abs. 5 Satz 2 BVerfSchG (bbb)).

90

aaa) Nach § 8 Abs. 5 Satz 1 BVerfSchG hat das Bundesamt für Verfassungsschutz von mehreren geeigneten Maßnahmen diejenige zu wählen, die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt.

91

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat sich dafür entschieden, Informationen über den Kläger nur mit den Mitteln der offenen Informationsbeschaffung zu erheben. Das Bundesamt verzichtet hingegen auf den Einsatz der Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung im Sinne des § 8 Abs. 2 BVerfSchG, wie den Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bild- und Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen. Das Bundesamt erhebt in der hier in Rede stehenden Zeit Informationen über den Kläger allein aus allgemein zugänglichen Quellen, wie parlamentarische Drucksachen, Berichten in den Medien und Pressemitteilungen des Klägers oder seiner Partei. Dies hat das Oberverwaltungsgericht nach einer Beweisaufnahme festgestellt und gestützt hierauf die Klage insoweit rechtskräftig abgewiesen, als sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel im Sinne des § 8 Abs. 2 BVerfSchG zum Gegenstand hatte.

92

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts darüber hinaus den Kernbereich der parlamentarischen Tätigkeit des Klägers, nämlich sein Abstimmungsverhalten sowie seine Äußerungen im Parlament und in dessen Ausschüssen, von der Beobachtung ausgenommen.

93

bbb) Eine Maßnahme darf ferner keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht (§ 8 Abs. 5 Satz 2 BVerfSchG). Die Vorteile, die eine Erhebung von Informationen über den Kläger für die wirksame Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung bietet, überwiegen unter den hier obwaltenden Umständen die Nachteile, die der Kläger durch die Erhebung von Informationen über ihn erleidet. Das Oberverwaltungsgericht ist zu seiner abweichenden Abwägung der konkret betroffenen Vor- und Nachteile deshalb gelangt, weil es die zuvor getroffenen tatsächlichen Wertungen rechtlich fehlerhaft, insbesondere in sich widersprüchlich gewichtet hat.

94

Auf der einen Seite erleidet der Kläger durch die Erhebung von Informationen über ihn Nachteile bei seiner Tätigkeit als Abgeordneter. Diese Nachteile für die Ausübung des freien Mandats haben Gewicht. Die nachrichtendienstliche Beobachtung von Abgeordneten birgt - wie schon erwähnt - erhebliche Gefahren im Hinblick auf ihre Unabhängigkeit (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) und auf die Mitwirkung der betroffenen Parteien bei der politischen Willensbildung (Art. 21 GG) und damit für den Prozess demokratischer Willensbildung insgesamt (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2009 - 2 BvE 5/06 - BVerfGE 124, 161 <195>).

95

Für die Ausübung des freien Mandats ergeben sich nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts faktische Nachteile daraus, dass die Erhebung von Informationen über den Kläger für ihn mit einer "Stigmatisierung" verbunden ist, die ihm den Zugang zu dem überwiegenden Teil der Bevölkerung erschweren kann, der sich als verfassungstreu betrachtet. Wenn die offene Informationsbeschaffung über den Kläger durch Verfassungsschutzbehörden allgemein bekannt wird, kann es für ihn schwieriger werden, Anhänger und Wähler für sich und seine Partei zu gewinnen sowie mit der Bevölkerung in Kontakt zu kommen. Letzteres hat auch deshalb negative Auswirkungen auf seine politische Arbeit, weil er für diese darauf angewiesen ist, Meinungen und Stimmungen der Wählerschaft zu kennen, sowie Informationen aus der Bevölkerung zu erhalten. Wenn dem einzelnen Abgeordneten als faktische Folge einer Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz der Zugang zur Bevölkerung erschwert wird, bedeutet dies aber nicht nur eine Beeinträchtigung der Arbeit dieses Abgeordneten. Zugleich gehen Erkenntnisse verloren, die für den Willensbildungsprozess des Parlaments in seiner Gesamtheit von Bedeutung sind. Im Parlament kann sich ein den Willen des Volkes widerspiegelnder, überindividueller Gesamtwille nur durch das ungehinderte Zusammenwirken aller Abgeordneten bilden. Er ist Ergebnis einer Diskussion, in die jedes Parlamentsmitglied sein Wissen und seine persönlichen Überzeugungen einbringt. Der Beitrag, den der einzelne Abgeordnete zu diesem Willensbildungsprozess leistet, beruht nicht nur auf seiner Ausbildung, seinem persönlichen Werdegang und den Erfahrungen in seinem privaten Umfeld, sondern ganz wesentlich auch auf Erkenntnissen, die er durch Kontakte mit der Bevölkerung gewinnt.

96

Entgegen der Auffassung der Beklagten sind diese faktischen Nachteile für die Ausübung des freien Mandats zu berücksichtigen. Die Beklagte sieht einen Widerspruch darin, dass das Oberverwaltungsgericht den Eintritt faktischer Nachteile für den Kläger einerseits mit dem allgemeinen Bekanntwerden einer Informationsbeschaffung über ihn durch das Bundesamt für Verfassungsschutz verknüpft, aber andererseits die Rechtswidrigkeit der Erhebung von Informationen für den gesamten streitigen Zeitraum seit 1999 festgestellt hat, obwohl frühestens im Jahre 2003 allgemein bekanntgeworden sei, dass das Bundesamt Informationen über den Kläger erhebt. Die Beklagte missversteht in diesem Punkt das angefochtene Urteil. Das Oberverwaltungsgericht sieht die faktischen Nachteile zu Recht nicht erst in dem Bekanntwerden der Informationsbeschaffung, sondern in der Erhebung von Informationen selbst, weil sie mit der Gefahr des Bekanntwerdens verbunden ist. Das ist folgerichtig, weil faktische Nachteile der Informationsbeschaffung mit ihrem Bekanntwerden unwiderruflich eintreten und deshalb nicht erst ihr Bekanntwerden nur ihre Fortsetzung rechtswidrig machen kann.

97

Unerheblich ist ferner, dass nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts der Kläger im konkreten Fall selbst die Erhebung von Informationen über ihn durch das Bundesamt für Verfassungsschutz publik gemacht hat (Seite 79 des Urteilsabdrucks). Die Beklagte möchte wohl geltend machen, der Kläger (oder ein anderer Abgeordneter in vergleichbarer Lage) verhalte sich treuwidrig, wenn er die (sonst geheim bleibende) Beschaffung von Informationen über ihn durch den Verfassungsschutz selbst an die Öffentlichkeit bringt, um dann unter Berufung auf die damit ausgelösten faktischen Erschwernisse seiner Arbeit einen unverhältnismäßigen Eingriff in das freie Mandat geltend zu machen. Der Kläger ist jedoch nicht gehindert, publik zu machen, dass der Verfassungsschutz über ihn Informationen erhebt. Dies hat zwar einerseits die geschilderten faktischen Nachteile, kann aber gleichzeitig andererseits bei den ohnehin von seiner Arbeit Überzeugten eine Solidarisierung gegen seine "Bespitzelung" auslösen und ihm in diesem Kreis der Bevölkerung nützlich sein. Darauf darf der Kläger hinarbeiten.

98

Unabhängig von ihren Auswirkungen auf das freie Mandat kann sich eine (auch offene) Informationsbeschaffung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz nachteilig auf die politische Betätigung in Parlament und Partei auswirken. Wer sich beobachtet weiß und damit rechnen muss, dass seine Worte gesammelt und ausgewertet werden, verhält sich beispielsweise bei politischen Äußerungen oder der Unterschrift unter Aufrufe möglicherweise zögerlich oder ängstlich, kann sich jedenfalls in seiner politischen Arbeit gehemmt fühlen (vgl. hierzu wenn auch in etwas anderem Zusammenhang: BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <43>).

99

Nicht berücksichtigt werden können hingegen hier (wie auch schon in anderem Zusammenhang) die vom Kläger beklagten Nachteile, die ihm daraus erwachsen sind, dass der Verfassungsschutz oder einzelne seiner Mitarbeiter den politischen Gegner gezielt mit Informationen versorgen, insbesondere zu einer Verwendung gegen den Kläger im Wahlkampf. Ein solches Verhalten wäre, weil von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt, rechtswidrig und hat daher zu unterbleiben.

100

Diese Nachteile für die Ausübung des freien Mandats werden aber dadurch erheblich gemildert, dass sich das Bundesamt für Verfassungsschutz auf die offene Informationsbeschaffung beschränkt. Die Freiheit des Mandates wäre im Kern betroffen, wenn der Abgeordnete in seiner Arbeit mit den Menschen seines Vertrauens oder mit Menschen, die sich ihm anvertrauen, heimlich beobachtet würde. Dasselbe gälte für eine heimliche Beobachtung in seiner parlamentarischen Arbeit, soweit diese sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit vollzieht. Gegenstand der offenen Informationsbeschaffung sind jedoch nur öffentlich wahrnehmbare Tätigkeiten, die regelmäßig ohnehin auf eine möglichst weitreichende Wirkung und Kenntnisnahme gerichtet sind. Insoweit zielt der einzelne öffentlichkeitswirksame Beitrag eines Abgeordneten ohnehin über seine Person hinaus. Zudem bleibt der Kernbereich der parlamentarischen Arbeit von der Informationsbeschaffung ausgenommen.

101

Ferner hat das Oberverwaltungsgericht keine Anhaltspunkte dafür feststellen können, dass der Kläger sich durch die offene Informationsbeschaffung inhaltlich in seiner politischen Arbeit beeinflussen lassen könnte. Das Oberverwaltungsgericht verweist insoweit auf eine Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, nach der er eine solche Beeinflussung ausdrücklich verneint hat.

102

Nachteilig betroffen ist ferner - wie bereits aufgezeigt - das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers insoweit, als sich die Informationsbeschaffung auf Tätigkeiten erstreckt, die er in anderen Funktionen als in seiner Eigenschaft als Abgeordneter wahrnimmt. Durch die auf Vollständigkeit angelegte Sammlung aller Äußerungen und die Zusammenfassung der zusammengetragenen Unterlagen in einer Personenakte entsteht ein Informationsgehalt, der als Gesamtbild der politischen Persönlichkeit über das hinausgeht, was als Eindruck aus öffentlichen Äußerungen haften bleibt, die bei Gelegenheit wahrgenommen werden.

103

Jedoch wirkt sich die Informationsbeschaffung über den Kläger nur geringfügig auf sein Persönlichkeitsrecht aus. Das Bundesamt für Verfassungsschutz erhebt nur Informationen, die durch die Veröffentlichung in allgemein zugänglichen Quellen einem unbestimmt großen Personenkreis bekannt geworden sind. Sie betreffen nicht den persönlichen Lebensbereich des Klägers, sondern ausschließlich dessen politische Tätigkeit in der Öffentlichkeit. Das umfassende Bild der Aktivitäten und Ansichten des Klägers bleibt auf dessen politische Tätigkeit beschränkt, die sich ohnehin zu einem großen Teil öffentlich abspielt und von den Medien und den politischen Gegnern genau beobachtet wird. Es betrifft den Kläger nicht in seiner persönlichen Lebensführung.

104

Auf der anderen Seite ist der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung für den Bestand des Grundgesetzes und der in ihm verkörperten Werteordnung von existentieller Bedeutung.

105

Diesem Schutz dient zwar vor allem die Erhebung von Informationen über die Partei als solcher und der in ihr aktiven radikalen Kräfte. Die offene Informationsbeschaffung über den Kläger, deren Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen in tatsächlicher Hinsicht vom Oberverwaltungsgericht bindend festgestellt wurden, mag im Vergleich dazu nur einen begrenzten zusätzlichen Erkenntnisgewinn bieten. Jedoch ist auch dieser Gewinn an Erkenntnissen nicht zu vernachlässigen, wie schon ausführlich dargelegt. Spitzenfunktionäre einer Partei sind für deren Entwicklung und Ausrichtung von erheblicher Bedeutung. Erst Erkenntnisse über ihr Verhalten runden das Bild ab. Gerade die führenden Persönlichkeiten einer Partei werden, wenn diese den Stimmenanteil für einen Einzug in das Parlament erreicht, regelmäßig zu den Abgeordneten ihrer Partei gehören. Müssten sie deshalb von einer Beobachtung ausgenommen werden, obwohl tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen ihrer Partei vorliegen, wäre die Sammlung von Informationen über Aktivitäten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung wesentlich eingeschränkt. Im konkreten Fall würde dies beispielsweise auch für führende Repräsentanten der offen verfassungsfeindlichen Gruppierungen in der Partei DIE LINKE gelten, die aufgrund der vom Oberverwaltungsgericht dargelegten Stellung dieser Gruppierungen in der Partei einen günstigen Listenplatz für die Parlamentswahl und als Folge davon ein Abgeordnetenmandat erhalten haben.

106

Danach überwiegen die Vorteile einer Beschaffung von Informationen über den Kläger die diesem dadurch erwachsenden Nachteile. Diese verbleibenden Nachteile hinzunehmen, ist dem Kläger zuzumuten.

107

Der Kläger hat durch seine herausgehobene politische Betätigung in einer Partei, bei der Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bestehen, einen ihm zurechenbaren Anlass für die Erhebung von Informationen über ihn durch das Bundesamt für Verfassungsschutz geschaffen. Die Arbeit für und in der Partei lässt sich nicht säuberlich von der Wahrnehmung des Mandats trennen. Die politische Einbindung des Abgeordneten in Partei und Fraktion ist verfassungsrechtlich erlaubt und gewollt. Das Grundgesetz weist den Parteien eine besondere Rolle im Prozess der politischen Willensbildung zu (Art. 21 Abs. 1 GG), weil ohne die Formung des politischen Prozesses durch geeignete freie Organisationen eine stabile Demokratie in großen Gemeinschaften nicht gelingen kann. Die Fraktionen nehmen im parlamentarischen Raum unabdingbare Koordinierungsaufgaben wahr, bündeln die Vielfalt der Meinungen zur politischen Stimme und spitzen Themen auf politische Entscheidbarkeit hin zu. Wenn der einzelne Abgeordnete im Parlament politischen Einfluss von Gewicht ausüben, wenn er gestalten will, bedarf er der abgestimmten Unterstützung (BVerfG, Urteil vom 4. Juli 2007 - 2 BvE 1/06 - BVerfGE 118, 277 <328>). Kehrseite dieser Vorteile, die der Abgeordnete bei der Wahrnehmung seines Mandats aus seiner Einbindung in eine Partei zieht, ist aber, dass er die Nachteile für seine Arbeit hinzunehmen hat, die sich an zulässige Maßnahmen des Verfassungsschutzes gegen die Partei knüpfen, für die er als Abgeordneter wirken will.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen Personen nicht,

1.
die rechtskräftig verurteilt worden sind
a)
wegen eines Verbrechens oder
b)
wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr,
wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie
a)
Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden,
b)
mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden,
c)
Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.

(2) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht,

1.
a)
die wegen einer vorsätzlichen Straftat,
b)
die wegen einer fahrlässigen Straftat im Zusammenhang mit dem Umgang mit Waffen, Munition oder explosionsgefährlichen Stoffen oder wegen einer fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat,
c)
die wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz, dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, dem Sprengstoffgesetz oder dem Bundesjagdgesetz
zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind oder bei denen die Verhängung von Jugendstrafe ausgesetzt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
die Mitglied
a)
in einem Verein, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar verboten wurde oder der einem unanfechtbaren Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz unterliegt, oder
b)
in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes festgestellt hat,
waren, wenn seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
3.
Bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren
a)
Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die
aa)
gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind,
bb)
gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind oder
cc)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
b)
Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, oder
c)
eine solche Vereinigung unterstützt haben,
4.
die innerhalb der letzten fünf Jahre mehr als einmal wegen Gewalttätigkeit mit richterlicher Genehmigung in polizeilichem Präventivgewahrsam waren,
5.
die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in Nummer 1 Buchstabe c genannten Gesetze verstoßen haben.

(3) In die Frist nach Absatz 1 Nr. 1 oder Absatz 2 Nr. 1 nicht eingerechnet wird die Zeit, in welcher die betroffene Person auf behördliche oder richterliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist.

(4) Ist ein Verfahren wegen Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 oder des Absatzes 2 Nr. 1 noch nicht abgeschlossen, so kann die zuständige Behörde die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens aussetzen.

(5) Die zuständige Behörde hat im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung folgende Erkundigungen einzuholen:

1.
die unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister;
2.
die Auskunft aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister hinsichtlich der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Straftaten;
3.
die Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen; die örtliche Polizeidienststelle schließt in ihre Stellungnahme das Ergebnis der von ihr vorzunehmenden Prüfung nach Absatz 2 Nummer 4 ein;
4.
die Auskunft der für den Wohnsitz der betroffenen Person zuständigen Verfassungsschutzbehörde, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 begründen; liegt der Wohnsitz der betroffenen Person außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, ist das Bundesamt für Verfassungsschutz für die Erteilung der Auskunft zuständig.
Die nach Satz 1 Nummer 2 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur für den Zweck der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung verwendet werden. Erlangt die für die Auskunft nach Satz 1 Nummer 4 zuständige Verfassungsschutzbehörde im Nachhinein für die Beurteilung der Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 bedeutsame Erkenntnisse, teilt sie dies der zuständigen Behörde unverzüglich mit (Nachbericht). Zu diesem Zweck speichert sie Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsname, Geburtsort, Wohnort und Staatsangehörigkeit der betroffenen Person sowie Aktenfundstelle in den gemeinsamen Dateien nach § 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Lehnt die zuständige Behörde einen Antrag ab oder nimmt sie eine erteilte Erlaubnis zurück oder widerruft diese, so hat sie die zum Nachbericht verpflichtete Verfassungsschutzbehörde hiervon unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Die zum Nachbericht verpflichtete Verfassungsschutzbehörde hat in den Fällen des Satzes 5 die nach Satz 4 gespeicherten Daten unverzüglich zu löschen.

Tatbestand

1

Der 1969 geborene Kläger türkischer Staatsangehörigkeit reiste 1995 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er ist verheiratet und hat inzwischen sieben Kinder, von denen mehrere - u.a. ein im Jahre 2005 geborener Sohn - die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Eines der anderen Kinder hat eine bis 2014 befristete Aufenthaltserlaubnis, die übrigen sowie seine Ehefrau verfügen über eine Niederlassungserlaubnis. Nach Beschäftigungen in unterschiedlichem Umfang und bei wechselnden Arbeitgebern ist der Kläger seit Juli 2009 bei einer Gebäudereinigung tätig.

2

Der Kläger wurde im Januar 1997 in den Vorstand des Kurdischen Volkshauses H. gewählt, im Dezember 1998 in den Vorstand des Gebetshauses Ehmede Xane H. und wurde in dieser Funktion mehrfach bestätigt. Neben seinem Engagement für diese Vereine sowie für Nachfolgeorganisationen nach Auflösung der Vereine nahm er u.a. an Veranstaltungen kurdischer Organisationen teil, wurde wegen Verstoßes gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot verurteilt und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler".

3

Am 17. Juli 2007 beantragte er eine Niederlassungserlaubnis. In einer sich anschließenden Sicherheitsbefragung gab er an, "nur Kurde" zu sein und sich nicht für die PKK oder den KONGRA-GEL zu interessieren. Im Mai 2009 erhob er Untätigkeitsklage auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Während des erstinstanzlichen Klageverfahrens erließ der Beklagte am 10. Juni 2010 den streitgegenständlichen Bescheid, durch den der Kläger ausgewiesen (Ziffer 1) und ihm die Abschiebung angedroht (Ziffer 2) wurde; außerdem wurde sein Antrag auf Erlass einer Niederlassungserlaubnis abgelehnt (Ziffer 3) und eine wöchentliche Meldepflicht verbunden mit einer Aufenthaltsbeschränkung (Ziffer 4) angeordnet. Später hob der Beklagte Ziffer 2 des Bescheids auf, während Ziffer 3 nach Rücknahme der Klage bestandskräftig wurde. Das Verwaltungsgericht hob die Ziffern 1 und 4 des Bescheids auf, weil die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers für die PKK nicht erkennen ließen, dass von ihm eine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgehe. Am 2. Dezember 2011 wurde dem Kläger "bis auf weiteres" eine Duldung aus familiären Gründen mit der Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt.

4

Der Verwaltungsgerichtshof hat die erstinstanzliche Entscheidung durch Urteil vom 7. Dezember 2011 geändert und die Klage insoweit abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt: Rechtsgrundlage für die Ausweisung sei § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG. Die PKK sei als den Terrorismus unterstützende Vereinigung einzustufen. Der Kläger habe sie u.a. durch Vorstandstätigkeiten in PKK-nahen Vereinigungen und durch Teilnahme an zahlreichen Veranstaltungen unterstützt. Die Ausweisung sei auch unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Ausweisungsschutz stehe dem Kläger im Hinblick auf sein jüngstes Kind zwar zu. Ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK oder Art. 6 GG liege aber schon deshalb nicht vor, weil der Kläger zur Wahrung der Familieneinheit bis auf Weiteres geduldet werde. Gegen ihn spreche im Übrigen seine nach wie vor mangelhafte Integration in die Lebensverhältnisse in Deutschland. Der Umstand, dass sein jüngstes Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, ändere daran nichts. Denn seine Ausweisung werde nicht dazu führen, dass dieses Kind faktisch zur Ausreise gezwungen sei. Vielmehr könne es auch unabhängig von der Duldung des Klägers mit Mutter und Geschwistern, die entweder deutsche Staatsangehörige seien oder eine Niederlassungserlaubnis hätten, in Deutschland bleiben und versorgt werden.

5

Mit der Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass auch die Ausweisung eines von zwei unterhaltsverpflichteten Elternteilen einen Eingriff in den Unionsbürgerstatus des betroffenen Kindes darstelle. Zudem verletze das Berufungsurteil § 54 Nr. 5 AufenthG. Es fasse den Begriff der Unterstützung des Terrorismus schon objektiv zu weit, weil es darunter schon eine Öffentlichkeitsarbeit in Form von bloßen Sympathiekundgebungen verstehe. In subjektiver Hinsicht sei erforderlich, dass der Unterstützer in seinen Willen die Absicht aufnehme, mit seinem Handeln auch die terroristischen Aktivitäten der Vereinigung unterstützen zu wollen. Als verfahrensfehlerhaft rügt die Revision, das Berufungsgericht habe keine hinreichenden Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die Vereinigungen, denen der Kläger angehört hat, den Terrorismus unterstützten. Auch seien keine Feststellungen dazu getroffen worden, ob der Kläger die Eignung seines Verhaltens als Unterstützung des Terrorismus in seinen Willen aufgenommen habe. Aus diesen Gründen sei die Ausweisung rechtswidrig; hilfsweise sei sie mit sofortiger Wirkung zu befristen.

6

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung. Er hat im Verlauf des Revisionsverfahrens die Wirkungen der Ausweisung auf sieben Jahre befristet.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist im Wesentlichen unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Ausweisung des Klägers und die ihm auferlegte Meldepflicht und Aufenthaltsbeschränkung ohne Verstoß gegen revisibles Recht als rechtmäßig eingestuft. Weder liegt ein Verstoß gegen § 54 Nr. 5 (1.) oder § 54a AufenthG (2.) vor noch widerspricht die Handhabung dieser Vorschriften im vorliegenden Fall dem Recht der Europäischen Union (3.). Erfolg hat die Revision nur, soweit sie die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren durch den Beklagten angreift (4.).

8

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung, der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten sofortigen Befristung der Wirkungen der Ausweisung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 = Buchholz 402.242 § 11 AufenthG Nr. 9 jeweils Rn. 12 m.w.N.). Der Entscheidung sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Anpassung von Rechtsvorschriften des Bundes infolge des Beitritts der Republik Kroatien zur Europäischen Union vom 17. Juni 2013 (BGBl I S. 1555), zugrunde zu legen. Hierdurch hat sich die Rechtslage hinsichtlich der entscheidungserheblichen Bestimmungen aber nicht geändert.

9

1. Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 54 Nr. 5, § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 55 Abs. 1 AufenthG.

10

1.1 Das Aufenthaltsgesetz ist anwendbar. Es wird nicht durch das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) verdrängt (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG), da dieses Gesetz auf den Kläger keine Anwendung findet. Nach § 1 FreizügG/EU regelt dieses Gesetz nur die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie, unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4 FreizügG/EU (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU), ihrer Familienangehörigen. Der Kläger ist zwar Vater mehrerer Kinder, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Er erfüllt aber nicht die Voraussetzungen, um als Familienangehöriger die Rechte nach dem FreizügG/EU zu erhalten. Hierfür wäre gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU vielmehr Voraussetzung, dass ihm die Kinder (als die stammberechtigten Unionsbürger) Unterhalt gewähren. Das ist indes nicht der Fall.

11

1.2 Die Ausweisung des Klägers ist auch nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Seine zwischen dem 1. Juli 2002 und dem 31. Mai 2009 liegenden Beschäftigungszeiten konnten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - im Hinblick auf den mehrfachen Arbeitgeberwechsel bestenfalls eine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 vermitteln, die jedoch durch den jeweils nächstfolgenden Arbeitgeberwechsel erloschen wäre. Auch aus seiner im Juli 2009 begonnenen und zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt andauernden Beschäftigung kann der Kläger eine assoziationsrechtliche Position nicht ableiten, da er vor Ablauf eines Jahres seit Arbeitsbeginn durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 10. Juni 2010 ausgewiesen worden ist und damit nicht mehr über eine gesicherte Position auf dem Arbeitsmarkt verfügt (vgl. EuGH, Urteil vom 20. September 1990 - Rs. C-192/89, Sevince - NVwZ 1991, 255 Rn. 27 ff. <32>).

12

1.3 Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG sind gegeben. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. Urteile vom 15. März 2005 - BVerwG 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 = Buchholz 402.240 § 8 AuslG Nr. 25 und vom 25. Oktober 2011 - BVerwG 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 16).

13

1.3.1 Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (Urteil vom 25. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 20 f.).

14

Für die Kurdische Arbeiterpartei PKK und ihre Nachfolgeorganisationen hat das Berufungsgericht festgestellt, dass es sich um Vereinigungen in diesem Sinne handelt, weil sie seit 1997 ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln verfolgt haben und zudem in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (vgl. Ziff. 2.15 des Anhangs zu der Durchführungsverordnung Nr. 687/2011 des Rates vom 18. Juli 2011) erfasst sind. Dies ist von der Revision nicht angegriffen worden und revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden (vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - Rs. C-57/09 und C-101/09 - NVwZ 2011, 285 Rn. 90; BVerwG, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - BVerwG 1 B 24.10 - juris Rn. 4).

15

1.3.2 Die individuelle Unterstützung einer terroristischen Vereinigung oder einer eine solche unterstützenden Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erfasst alle Verhaltensweisen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirken. Darunter kann die Mitgliedschaft in der terroristischen oder unterstützenden Vereinigung ebenso zu verstehen sein wie eine Tätigkeit für eine solche Vereinigung ohne gleichzeitige Mitgliedschaft. Auch die bloße Teilnahme an Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen kann eine Unterstützung in diesem Sinne darstellen, wenn sie geeignet ist, eine positive Außenwirkung im Hinblick auf die durch § 54 Nr. 5 AufenthG missbilligten Ziele zu entfalten. Auf einen nachweisbaren oder messbaren Nutzen für diese Ziele kommt es nicht an, ebenso wenig auf die subjektive Vorwerfbarkeit der Unterstützungshandlungen. Im Hinblick auf den Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit und das Gebot der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Betätigungsfreiheit des Einzelnen erfüllen allerdings solche Handlungen den Tatbestand der individuellen Unterstützung nicht, die erkennbar nur auf einzelne, mit terroristischen Zielen und Mitteln nicht im Zusammenhang stehende - etwa humanitäre oder politische - Ziele der Vereinigung gerichtet sind (Urteil vom 15. März 2005 a.a.O. S. 124 ff. bzw. S. 18 ff.).

16

Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen revisibles Recht festgestellt, dass der Kläger individuelle Unterstützung in diesem Sinne geleistet hat, indem er u.a. im Vorstand zweier PKK-naher Vereinigungen tätig war und an zahlreichen Veranstaltungen teilgenommen hat, die nach ihrem Anlass und Inhalt der Unterstützung der PKK dienten. Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge der Revision, das Oberverwaltungsgericht habe keine eigenen Feststellungen dazu getroffen, dass die YEK-KOM als Dachverband kurdischer Vereine den Terrorismus unterstütze, greift nicht durch. Das Berufungsgericht hat als Grundlage für diese Feststellung eine Stellungnahme des Landesamtes für Verfassungsschutz als plausibel eingeschätzt und sich ihre Aussage zu eigen gemacht, nachdem in der mündlichen Verhandlung ein Mitarbeiter des Landesamtes gehört worden war. Damit hat das Berufungsgericht eigene Feststellungen getroffen. Die Aufklärungsrüge der Revision greift im Übrigen schon deshalb nicht durch, weil der Kläger sein Begehren, ein (weiteres) Sachverständigengutachten einzuholen, nicht hinreichend - etwa mit Mängeln der genannten Stellungnahme - begründet und zudem die Möglichkeit versäumt hat, durch einen Beweisantrag in der Berufungsinstanz sein Begehren zu verfolgen. Dem Berufungsgericht musste sich die Erforderlichkeit einer weiteren Beweisaufnahme nicht aufdrängen.

17

Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das Berufungsgericht sich für seine Feststellungen auch auf länger zurückliegende Aktivitäten des Klägers gestützt hat. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von diesen Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass sie zur gegenwärtigen Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG noch beitragen (vgl. Urteil vom 30. April 2009 - BVerwG 1 C 6.08 - BVerwGE 134, 27 = Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 52 jeweils Rn. 34 f.).

18

1.3.3 Für den Ausländer muss schließlich die eine Unterstützung der Vereinigung, ihrer Bestrebungen oder ihrer Tätigkeit bezweckende Zielrichtung seines Handelns erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein (Urteil vom 15. März 2005 a.a.O. S. 125 bzw. S. 19 f.). Auf eine über diese Erkennbarkeit hinausgehende innere Einstellung des Ausländers kommt es nicht an.

19

Dass auch diese Tatbestandsvoraussetzung im vorliegenden Fall gegeben ist, hat das Berufungsgericht ohne Verstoß gegen revisibles Recht für den Kläger daraus abgeleitet, dass ihm aufgrund seiner Vorstandstätigkeit und durch die Teilnahme an zahlreichen Veranstaltungen mit offenkundiger die PKK unterstützender Zielrichtung der Bezug der von ihm unterstützten Vereinigungen zur PKK ebenso wenig entgangen sein kann wie die mögliche Unterstützungswirkung seines eigenen Verhaltens. Entgegen der insoweit erhobenen Verfahrensrüge waren deshalb weitere Feststellungen zum subjektiven Tatbestand im Hinblick auf die einzelnen vom Kläger versehenen Tätigkeiten und den einzelnen besuchten Veranstaltungen nicht erforderlich. Die Erkennbarkeit der PKK-Nähe der von ihm unterstützten Vereine sowie der Eignung seines eigenen Verhaltens als Unterstützung folgt im Übrigen auch aus seinem Verhalten in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, in der der Kläger keinerlei Zweifel an seiner Verehrung für Öcalan und an seiner Anhängerschaft zur PKK - möge sie als terroristisch eingestuft werden oder nicht - gelassen hat.

20

1.4 Die Ausweisung ist trotz des dem Kläger zukommenden besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG nicht zu beanstanden. Insbesondere wahrt die Entscheidung das Gebot der Verhältnismäßigkeit und ist frei von Ermessensfehlern.

21

1.4.1 Dem Kläger kommt der besondere Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG zu Gute, weil er in familiärer Lebensgemeinschaft mit deutschen Familienangehörigen lebt. Nach § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG darf er deshalb nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Solche Gründe liegen in der Regel vor, wenn der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt ist (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Dies ist hier der Fall. Anhaltspunkte dafür, dass das Verhalten des Klägers unterhalb der Schwelle des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG liegen und damit ein atypischer Ausnahmefall gegeben sein könnte, hat das Berufungsgericht wegen der Hartnäckigkeit des Klägers bei seiner exilpolitischen Tätigkeit und seiner in der Berufungsverhandlung zum Ausdruck gebrachten Nähe zur PKK und Verehrung für Öcalan nicht gesehen. Dies ist auch wegen der mehrjährigen Tätigkeit des Klägers in den Vorständen zweier PKK-naher Vereine und seiner übrigen exilpolitischen Aktivitäten nicht zu beanstanden.

22

1.4.2 Als Folge des besonderen Ausweisungsschutzes muss über eine Ausweisung in den Fällen des § 54 AufenthG nach Ermessen entschieden werden, § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG. Dabei sind zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände des Einzelfalles die für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und die privaten Interessen an einem Verbleib des Ausländers in Deutschland gegeneinander abzuwägen (Urteil vom 14. Februar 2012 - BVerwG 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 25). Neben den aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG folgenden familiären und ehelichen Belangen müssen auch alle anderen gewichtigen persönlichen Interessen in die Entscheidung einbezogen werden, insbesondere soweit sie dem durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatleben zuzuordnen sind.

23

Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig. Dabei kann offenbleiben, ob sie den hohen Anforderungen an eine generalpräventiv begründete Ausweisung genügt (vgl. dazu Urteil vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 24), denn jedenfalls liegen gewichtige spezialpräventive Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor, die die Ausweisung rechtfertigen. Der Kläger ist über lange Zeit im Vorfeld des Terrorismus unterstützend tätig gewesen und hat sich hiervon auch im für die Berufungsentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt nicht nur nicht distanziert, sondern seine Haltung nochmals bestätigt. Dabei umfasst seine Tätigkeit zwar keine eigenen Gewaltakte und keine unmittelbare Verstrickung in terroristische Aktivitäten. Durch seine mehrjährige Vorstandstätigkeit in zwei Vereinigungen und die vom Berufungsgericht im Übrigen festgestellten Aktivitäten unterscheidet er sich allerdings auch deutlich von einem einfachen Unterstützer, der durch bloße Teilnahme an einschlägigen Veranstaltungen zwar ebenfalls den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt, dabei jedoch ein eher niedriges Profil aufweist. Im Hinblick auf diese Feststellungen ist das öffentliche Interesse an der Ausweisung des Klägers von hohem Gewicht.

24

Das Berufungsgericht hat die schützenswerten Belange des Klägers und seiner Familie unter Zugrundelegung der in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien ohne Rechtsverstoß dahin gewürdigt, dass dem öffentlichen Interesse an seiner Ausweisung hinreichend gewichtige private Interessen des Klägers an einem dauerhaften Verbleib in Deutschland nicht gegenüberstehen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat sich der Kläger trotz seiner langjährigen Anwesenheit in Deutschland wegen seiner nach wie vor schlechten Sprachkenntnisse und seiner starken Hinwendung auf die kurdische Exilgemeinschaft kaum in die deutsche Gesellschaft integriert. Für seinen Verbleib in Deutschland spricht hingegen, dass er in familiärer Gemeinschaft mit seiner Ehefrau und seinen Kindern lebt und die Familie durch seine Erwerbstätigkeit unterhält. Mehrere Kinder, darunter sein sechsjähriger Sohn, sind deutsche Staatsangehörige, seine Ehefrau und die übrigen Kinder - bis auf eines - sind daueraufenthaltsberechtigt. Dem durch Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 8 EMRK geschützten Interesse des Klägers und seines jüngsten unterhaltsberechtigten Sohnes, die familiäre Lebensgemeinschaft fortsetzen zu können, solange der Sohn auf den Kläger angewiesen ist, hat der Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass er den Aufenthalt des Klägers im Hinblick auf diesen Umstand aus familiären Gründen bis auf Weiteres duldet. Dem Wortlaut der erteilten Duldung entnimmt der Senat, dass diese langfristig, nämlich für den Zeitraum, in dem der jüngste Sohn des Klägers auf diesen angewiesen ist, erteilt worden ist. Dies führt dazu, dass der Aufenthalt des Klägers zwar rechtswidrig und er selbst ausreisepflichtig ist (§ 60a Abs. 3 AufenthG), dass jedoch die Ausweisung vorläufig - solange sich die Umstände, die bei Erteilung der Duldung gegeben waren, nicht ändern - nicht vollstreckt werden kann. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist dies nicht zu beanstanden. Die in der fortbestehenden Ausreisepflicht des Klägers liegende Einschränkung seiner Rechte ist erforderlich und geeignet, der von ihm ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu begegnen, trägt aber durch die Aussetzung der Vollstreckung dem Übermaßverbot hinreichend Rechnung.

25

Klarzustellen ist allerdings, dass aus den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht das Erfordernis abgeleitet werden kann, dass in jedem durch das Vorhandensein eines Kindes deutscher Staatsangehörigkeit gekennzeichneten Fall eine Duldung aus familiären Gründen erteilt werden müsste, um die Vollstreckbarkeit der Ausweisung aufzuschieben. Vielmehr können sich besonders schwerwiegende Ausweisungsgründe je nach ihrem Gewicht und je nach dem Gewicht gegenläufiger Gründe in einer derartigen Konstellation auch ohne Erteilung eines Vollstreckungsaufschubs durchsetzen mit der Folge, dass die sofortige Vollstreckung der Ausweisung nicht als unverhältnismäßig anzusehen wäre. Ob dies auch für den vorliegenden Fall gilt, muss angesichts der dem Kläger erteilten Duldung nicht entschieden werden.

26

Auch die Ermessensausübung des Beklagten lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Der Beklagte hat die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung erkannt und deren gesetzliche Grenzen beachtet.

27

1.5 Der Rechtmäßigkeit der Ausweisung steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte die gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG nicht bereits bei Erlass der Ausweisungsverfügung befristet hat. Seit Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) - Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 - haben Ausländer zwar grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit einer Ausweisung zugleich das daran geknüpfte gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Titelerteilungssperre befristet (Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 = Buchholz 402.242 § 11 AufenthG Nr. 9 jeweils Rn. 30). Fehlt die notwendige Befristung der Ausweisung, hat das aber nicht zur Folge, dass eine als solche rechtmäßige Ausweisung aufzuheben ist. Vielmehr ist in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (Urteile vom 10. Juli 2012 a.a.O. jeweils Rn. 39 und vom 14. Mai 2013 - BVerwG 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14. März 2013 - BVerwG 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, 574 Rn. 9 ff.).

28

2. Auch die Anordnung einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids sind nicht zu beanstanden.

29

Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BTDrucks 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, 802. PlProt. vom 9. Juli 2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten.

30

Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, weder von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit noch von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Der Umstand, dass der Kläger über eine Duldung von voraussichtlich mehrjähriger Dauer verfügt, musste zu einer Verlängerung der Meldefrist keinen Anlass geben, da der Grund für die Duldung unabhängig von der vom Berufungsgericht festgestellten starken Neigung des Klägers ist, seine Unterstützungstätigkeit weiterzuführen.

31

3. Die Auslegung der Rechtsgrundlagen für die Ausweisung des Klägers und ihre Handhabung im vorliegenden Einzelfall sind unionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für die Anordnung einer Meldepflicht und Aufenthaltsbeschränkung.

32

3.1 Die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Unionsbürgerrichtlinie) ist auf den Kläger nicht anwendbar. Sie regelt die Bedingungen, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen ihr Recht auf Freizügigkeit innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten wahrnehmen können, das Recht dieser Personen auf Daueraufenthalt sowie die Beschränkung dieser Rechte aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit und gilt für jeden Unionsbürger, der sein Freizügigkeitsrecht ausgeübt hat, sowie seine Familienangehörigen. Familienangehörige im Sinne der Richtlinie sind Verwandte in gerade aufsteigender Linie jedoch nur dann, wenn ihnen von den stammberechtigten Unionsbürgern Unterhalt gewährt wird. Im vorliegenden Fall fehlt es an beiden Voraussetzungen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Kinder des Klägers, die deutsche Staatsangehörige sind, von ihrem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht. Zudem gewähren sie ihm keinen Unterhalt.

33

3.2 Die Ausweisungsentscheidung ist auch im Hinblick auf Art. 20, 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht zu beanstanden. Art. 20 Abs. 1 AEUV verleiht jeder Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzt, den Status eines Unionsbürgers. Dieser umfasst nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 a), Art. 21 AEUV das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.

34

3.2.1 Nach der Rechtsprechung des EuGH steht dieser grundlegende Status der Unionsbürger nationalen Maßnahmen entgegen, die bewirken, dass Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt wird. Dies gilt auch für minderjährige Unionsbürger. Solange sie sich in einer Situation befinden, die durch eine rechtliche, wirtschaftliche oder affektive Abhängigkeit von Drittstaatsangehörigen bestimmt ist, darf auch durch - insbesondere aufenthaltsrechtliche - Maßnahmen gegen diese nicht bewirkt werden, dass sich der minderjährige Unionsbürger rechtlich oder faktisch gezwungen sieht, das Unionsgebiet zu verlassen. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob sich die Maßnahme nur gegen einen Elternteil oder gegen beide Eltern des Unionsbürgers oder auch gegen andere Bezugspersonen richtet. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Unionsbürger sein Freizügigkeitsrecht bereits ausgeübt hat oder nicht. Allerdings reicht der bloße Wunsch, die Familiengemeinschaft mit allen Familienangehörigen im Unionsgebiet aufrechtzuerhalten, nicht aus. Verhindert werden soll nämlich nur eine Situation, in der der Unionsbürger für sich keine andere Wahl sieht als einem Drittstaatsangehörigen, von dem er rechtlich, wirtschaftlich oder affektiv völlig abhängig ist, bei der Ausreise zu folgen bzw. sich zu ihm ins Ausland zu begeben und deshalb das Unionsgebiet zu verlassen. Lebt er hingegen mit einem sorgeberechtigten Drittstaatsangehörigen zusammen, der über ein Daueraufenthaltsrecht verfügt und eine Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit hat, so spricht dies dagegen, dass eine aufenthaltsrechtliche Maßnahme gegen einen anderen Drittstaatsangehörigen einen unionsrechtswidrigen Zwang zur Ausreise auslösen könnte (vgl. EuGH, Urteile vom 19. Oktober 2004 - Rs. C-200/02, Zhu und Chen - Slg. 2004, I-9925 Rn. 25 ff.; vom 8. März 2011 - Rs. C-34/09, Zambrano - Slg. 2011, I-1177 Rn. 41 ff.; vom 5. Mai 2011 - Rs. C-434/09, McCarthy - Slg. 2011, I-3375 Rn. 44 ff.; vom 15. November 2011 - Rs. C-256/11, Dereci - NVwZ 2012, 97 Rn. 59 - 69; vom 8. November 2012 - Rs. C-40/11, Iida - NVwZ 2013, 357 Rn. 66 ff.; vom 6. Dezember 2012 - Rs. C-356/11, O. und S. - NVwZ 2013, 419 Rn. 52 ff. mit dem Hinweis auf Rn. 44 der Anträge des Generalanwalts in dieser Sache; und vom 8. Mai 2013 - Rs. C-87/12 , Ymeraga - InfAuslR 2013, 259 Rn. 34 ff.).

35

Jede nationale Maßnahme eines Mitgliedstaats gegen drittstaatsangehörige Bezugspersonen minderjähriger Unionsbürger muss sich daher an dem Verbot messen lassen, einen derartigen Zwang zum Verlassen des Unionsgebiets auszulösen und die Unionsbürgerschaft dadurch ihrer praktischen Wirksamkeit zu berauben. Die Berufung auf Art. 20 und 21 AEUV ist allerdings auf seltene Ausnahmefälle beschränkt (EuGH, Urteil vom 8. November 2012 a.a.O. Rn. 71). Zu prüfen sind jeweils alle Umstände des konkreten Falles (EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 a.a.O. Rn. 53). Ob eine nationale Maßnahme den Kernbestand der Unionsbürgerschaft in diesem Sinne beeinträchtigt, hat das mitgliedstaatliche Gericht zu entscheiden.

36

3.2.2 Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall anwendbar. Zwar wendet sich der Kläger gegen seine Ausweisung, während den genannten Entscheidungen des EuGH Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zugrunde lagen; soweit zusätzlich Ausweisungsentscheidungen getroffen waren, bildeten sie nicht den Streitgegenstand (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 15. November 2011 BeckRS 2011, 81625 Rn. 27). Doch der Umstand, dass es vorliegend nicht um eine Situation der Familienzusammenführung geht, sondern um eine durch Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgelöste Beendigung des Aufenthalts eines Drittstaatsangehörigen, ändert grundsätzlich nichts an der aufgeworfenen Frage, ob eine mitgliedstaatliche Maßnahme dazu führen kann, einen Unionsbürger faktisch zu einem Verlassen des Unionsgebiets zu zwingen. Diese Frage stellt sich auch dann, wenn eine Ausweisung ausgesprochen worden ist. Denn auch in einem solchen Fall müssen die aus der Unionsbürgerschaft folgenden Rechte betroffener Unionsbürger berücksichtigt werden, auch wenn das Gewicht der für die Aufenthaltsbeendigung der Bezugsperson des Unionsbürgers sprechenden Gründe regelmäßig stärker sein wird als in Fällen der Familienzusammenführung. Ob und in welcher Weise dies den unionsrechtlichen Maßstab, an dem die mitgliedstaatliche Maßnahme zu prüfen ist, beeinflusst, muss aus den sogleich auszuführenden Gründen im vorliegenden Fall nicht entschieden werden.

37

3.2.3 Schon nach den sich aus der vorzitierten Rechtsprechung des EuGH zu Fällen der Familienzusammenführung ergebenden Grundsätzen scheitert die angegriffene Ausweisung im vorliegenden Fall nicht an Art. 20, 21 AEUV. Zwar übt der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau das Sorgerecht für seinen jüngsten Sohn aus, der die deutsche Staatsangehörigkeit und damit die Unionsbürgerschaft besitzt. Auch leistet er ihm Unterhalt aus seiner Erwerbstätigkeit. Auf der anderen Seite verfügen die - ebenfalls sorgeberechtigte - Mutter und fünf Geschwister des jüngsten Sohnes des Klägers über ein Daueraufenthaltsrecht oder über die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie sind also rechtlich nicht zur Ausreise gezwungen, sondern dürfen mit ihrem Kind bzw. Bruder dauerhaft in Deutschland bleiben, wo die Familie ihren Lebensmittelpunkt hat. Sollte sich etwa die Ehefrau des Klägers dennoch zu einer Ausreise zusammen mit ihrem jüngsten Sohn entscheiden, läge darin nicht ein Fall des gegen den Unionsbürger gerichteten unionsrechtswidrigen Zwangs zur Ausreise, sondern eine Folge der freien Entscheidung seiner Mutter (Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 27. September 2012 in der Sache C-356/11, O. und S. Rn. 42). Selbst wenn der Kläger das Unionsgebiet verlassen müsste, wäre er im Übrigen nicht gehindert, weiterhin Unterhaltsleistungen zu erbringen; sein jüngster Sohn könnte ggf. einen Anspruch auf ergänzende Sozialleistungen geltend machen. Umstände, aus denen sich eine affektive Abhängigkeit des Kindes vom Kläger in einem Ausmaß ableiten ließe, das über die genannten Umstände hinaus einen vom Unionsrecht missbilligten Zwang zum Verlassen des Unionsgebiets auslösen könnte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

38

3.2.4 Zudem spricht viel dafür, dass die Ausweisung selbst bei Annahme eines beachtlichen Abhängigkeitsverhältnisses des minderjährigen deutschen Kindes zum Kläger mit Blick auf die diesem bis auf Weiteres erteilte Duldung in der Deutung, die sie durch den Senat erfahren hat, mit Art. 20 und 21 AEUV im Einklang stehen würde. Zwar ist davon auszugehen, dass in Fällen der Familienzusammenführung die Erteilung einer bloßen Duldung anstelle eines Aufenthaltstitels den Anforderungen der EuGH-Rechtsprechung zum Unionsbürgerrecht nicht hinreichend Rechnung tragen würde. Sprechen keine gewichtigen Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung von erheblichem Gewicht für eine Beendigung des Aufenthalts der Bezugsperson eines minderjährigen Unionsbürgers, wird dem Verbot, den Unionsbürger einem unausweichlichen Ausreisedruck auszusetzen, regelmäßig nur durch einen rechtmäßigen Aufenthaltsstatus Genüge getan. Im vorliegenden Fall einer Ausweisung wegen Unterstützungshandlungen im Vorfeld des Terrorismus dürfte hingegen mit Blick auf die vom Kläger ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung die auf ein tatsächliches Bleiberecht durch eine Aussetzung der Vollstreckung beschränkte Erteilung einer unbefristeten Duldung mit Arbeitserlaubnis verhältnismäßig und deshalb ausreichend sein, zumal dem Kläger hierdurch nicht "der Aufenthalt und eine Arbeitserlaubnis verweigert werden" (vgl. EuGH, Urteil vom 8. März 2011 a.a.O. Rn. 43, Hervorhebung nicht im Original) und damit sein minderjähriges deutsches Kind auch aus diesem Grund keinem unausweichlichem Ausreisezwang ausgesetzt wird. Dies bedarf nach den vorstehenden Ausführungen im vorliegenden Verfahren aber keiner abschließenden Entscheidung. Von daher bedarf es auch keiner Vorlage an den EuGH zur weiteren Klärung der Grenzen, die Art. 20 und 21 AEUV aufenthaltsbeendenden nationalen Maßnahmen setzen in Fällen, in denen von der Bezugsperson eines minderjährigen Unionsbürgers Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen.

39

4. Soweit die Revision hilfsweise die vom Beklagten nachträglich vorgenommene Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf sieben Jahre angreift, hat sie teilweise Erfolg.

40

4.1 Der erst in der Revisionsinstanz gestellte Hilfsantrag des Klägers, mit dem dieser die sofortige Befristung der Wirkungen der Ausweisung begehrt, ist zulässig (vgl. Beschluss vom 14. März 2013 - BVerwG 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, 574 Rn. 10 und Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 = Buchholz 402.242 § 11 AufenthG Nr. 9 jeweils Rn. 28). Er verfolgt den bereits in seinem Anfechtungsbegehren gegen die Ausweisung enthaltenen Hilfsantrag weiter, den das Berufungsgericht hier der Sache nach abgewiesen hat.

41

4.2 Der Hilfsantrag ist jedoch nur teilweise begründet. Nachdem der Beklagte während des Revisionsverfahrens eine Befristung für die Dauer von sieben Jahren ausgesprochen hat, war vom Senat nur noch zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist hat. Dies ist der Fall. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.

42

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf höchstens fünf Jahre. Die allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier zwar fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Der Senat geht davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 1 C 20.11 - NVwZ 2013, 733 Rn. 40). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der PKK abzusehen.

43

Allerdings muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Sie ist daher ggf. in einem zweiten Schritt zu relativieren. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass der Kläger durch Erwerbstätigkeit seine Familie unterhält und mit ihr in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und dass mehrere seiner Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, so dass er über starke familiäre Bindungen in Deutschland verfügt. Die Festsetzung einer Sperrfrist von fünf Jahren ist unter Zugrundelegung der vom Senat entwickelten Kriterien daher verhältnismäßig. Im Übrigen kann der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von der Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen, wenn sich die für die Festsetzung maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.