Verwaltungsgericht Minden Urteil, 22. Jan. 2015 - 9 K 3635/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Kläger darf eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhevon 110 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abwenden,wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Bescheinigung nach§ 40 des Denkmalschutzgesetzes NRW – DSchG NRX. –, die Voraussetzung zur steuerlichen Geltendmachung von Aufwendungen für Umbaumaßnahmen an einem Baudenkmal ist.
3Er ist Eigentümer des Grundstücks C1. Straße 125 in E1. . Das auf dem Grundstück befindliche Fachwerkbauernhaus wurde am 02.07.1991 mit der Kurzbezeichnung „Hofhaus mit Altenteiler und Scheunenanbau“ in die Denkmalliste der Beklagten eingetragen.
4Ende 1993 nahm der Kläger umfangreiche Umbauten an dem Gebäude vor. So ließ er u.a. im Badezimmer einen Whirlpool (Badewanne „Samoa“ mit Whirlsystem „Deluxe plus Air-Injection-System IV, weiß …“) einbauen. Die Kosten betrugen dafür damals 15.752 DM.
5Für einen Großteil der Kosten der Gesamtumbaumaßnahmen erteilte die Beklagte am 20.06.1997 eine Bescheinigung nach § 40 DSchG NRW. Ob von diesen als steuerlich begünstigt bescheinigten Kosten auch die für den Einbau des Whirlpools umfasst waren, ist zwischen den Beteiligten streitig.
6Unter dem 17.10.2013 stellte der Kläger einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 9 DSchG NRW für die „Instandsetzung/Reparatur des Whirlpools“ und gab an, der Austausch der Elektronik sei erforderlich.
7Mit Bescheid vom 21.10.2013 erteilte die Beklagte dem Kläger die beantragte Erlaubnis. In dem Bescheid ist u.a. als Nebenbestimmung aufgeführt:
8„Alle Veränderungen an dem Baudenkmal […] sind abzustimmen. Dies gilt auch zur Erlangung von Steuervorteilen. Nähere Erläuterungen hierzu unter ‚Hinweis‘.“
9Weiter heißt es:
10„Hinweis
11Zur Erlangung von Steuervorteilen bei der Einkommenssteuer ist eine Bescheinigung durch die UDB erforderlich. Für die Ausstellung einer Bescheinigung gelten folgende Voraussetzungen: […] Die Aufwendungen müssen nach Art und Umfang zur Erhaltung und sinnvollen Nutzung des Gebäudes als Baudenkmal erforderlich sein, d.h. sie müssen unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten notwendig sein. Ein Whirlpool ist für Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal und für sinnvolle Nutzung nicht notwendig. Die Baumaßnahme der Instandsetzung des Whirlpools im Badezimmer dient den persönlichen Wünschen des Denkmaleigentümers und ist damit steuerlich nicht begünstigt. Die Maßnahmen müssen vor Beginn der Ausführungen mit der UDB abgestimmt worden sein. […] Die Abstimmung ist zwischen den Beteiligen schriftlich festzuhalten. […].“
12Am 02.04.2014 wurde der Whirlpool des Klägers repariert. Dabei wurde die komplette Elektronik ausgetauscht. Der beauftragte Unternehmer stellte dem Kläger dafür Kosten i.H.v. insgesamt 2.889,32 € in Rechnung.
13Am 10.12.2014 stellte der Kläger einen Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 40 DSchG NRW für die Kosten der Reparatur i.H.v. 2.889,32 €.
14Bereits am 21.11.2013 hatte der Kläger Klage erhoben, mit der er die Erteilung einer Bescheinigung zur Erlangung von Steuervorteilen begehrt.
15Zur Begründung trägt er vor, er habe einen Anspruch auf die begehrte Bescheinigung, denn der Whirlpool, für dessen Reparatur die Kosten angefallen seien, sei bereits bei seiner Anschaffung in den 1990er Jahren steuerlich als Aufwand i.S.d. § 40 DSchG NRW berücksichtigt worden. Damit sei zugleich bereits im Jahr 1997 entschieden worden, dass ein Whirlpool steuerlich begünstig i.S.d. § 40 DSchG NRW sei. Die nun durchgeführten Reparaturen seien deshalb ebenfalls als steuerlich begünstig anzusehen, weil durch sie nur der Zustand wiederhergestellt werde, der vorher bestanden habe und der als steuerlich berücksichtigungsfähig betrachtet worden sei.
16Darüber hinaus sei die Reparatur des Whirlpools durch den Austausch der Elektronik auch die kostengünstigste Maßnahme gewesen, um diesen auch (nur) als Badewanne nutzen zu können. Denn ohne die Elektronik könne das Reinigungsprogramm nicht durchgeführt werde, so dass der Whirlpool aus hygienischen Grunde auch als Badewanne nicht mehr zu nutzen gewesen sei. Der Einbau einer Badewanne sei aber bei der Nutzung eines Baudenkmals zu Wohnzwecken notwendig und damit für eine sinnvolle Nutzung erforderlich i.S.d. § 7i Abs. 1 S. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG –.
17Der Kläger beantragt,
18die Beklagte unter Aufhebung des Hinweises im Erlaubnisbescheid der Beklagten vom 21.10.2013 zur steuerrechtlichen Begünstigung zu verpflichten, ihm gemäß seinem Antrag vom 10.12.2014 eine Bescheinigung nach § 40 DSchG NRW für Aufwendungen in Höhe von 2.889,32 Euro für die Reparatur des Whirlpools in dem Baudenkmal C1. Straße 125 in E1. zu erteilen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Zur Begründung trägt sie vor: Die Voraussetzungen für die begehrte Bescheinigung lägen nicht vor. Bescheinigungsfähige Aufwendungen müssten nach Art und Umfang dazu erforderlich sein, das Gebäude zu erhalten oder sinnvoll zu nutzen. Die hier streitgegenständliche Instandsetzung des Whirlpools gehe aber über die Erforderlichkeit hinaus, denn ein selbst genutztes Wohnhaus könne auch ohne diese luxuriöse Ausführung einer Badewanne sinnvoll genutzt werden.
22Ein Anspruch auf Bescheinigung ergebe sich auch nicht aus einer etwaigen früheren Entscheidung ihrerseits. Denn auch für den Einbau des Whirlpools in den 90er Jahren sei keine Bescheinigung nach § 40 DSchG NRW erteilt worden. Ausweislich der Baugenehmigung vom 15.06.1993, die den Baumaßnahmen, zu denen auch der Einbau des Whirlpools gehört habe, zu Grunde gelegen habe, hätten die denkmalrechtlichen Auflage ausdrücklich nicht die Installation von sanitären Anlage umfasst, was dagegen spreche, dass die später erteilte Bescheinigung nach § 40 DSchG NRW auch die Kosten des Whirlpools mit umfasst habe.
23Weil der Einbau des Whirlpools für die funktionsgerechte Nutzung des Baudenkmals nicht erforderlich sei, sei auch seine Reparatur nicht erforderlich. Insoweit käme es nicht darauf an, dass die Reparatur – was der Kläger nur behauptet, nicht aber substantiiert dargelegt habe – günstiger als der Einbau einer Badewanne sei.
24Der Beigeladene, der keinen Antrag gestellt hat, führt aus: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Bescheinigung, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Die Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals „zur Erhaltung erforderlich“ lägen nicht vor, weil die Reparatur des Whirlpools keine Aufwendung auf den Erhalt der historischen Substanz des Denkmals sei.
25Auch die Voraussetzungen des Merkmals „zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich“ seien nicht erfüllt. Dies sei nur gegeben, wenn die Aufwendungen aus denkmalpflegerischer Sicht notwendig seien, weil anders eine sinnvolle Nutzung nicht sichergestellt werden könne. Dies sei hier nicht der Fall. Bereits der Einbau eines Whirlpools sei für eine sinnvolle Nutzung nicht geboten und, wenn schon der Einbau nicht erforderlich sei, könnten auch die Kosten von Folgemaßnahmen nicht bescheinigungsfähig sein.
26Der Kläger könne seinen Anspruch auch nicht auf ein Verhalten der Beklagten in der Vergangenheit stützen. Denn in der Vergangenheit sei keine Bescheinigung für den Einbau des Whirlpools erteilt worden. Darüber hinaus ergebe sich aus einer vorherigen Bescheinigung über die Kosten des Einbaus, selbst wenn sie erteilt worden wäre, kein Anspruch auf erneute Bescheinigung, denn ein Recht auf Fehlerwiederholung bestehe nicht.
27Auch der Kostenunterschied zwischen der Reparatur des Whirlpools und dem Einbau einer Badewanne rechtfertige keine andere Betrachtung. Denn diese Differenz resultiere daraus, dass sich der Kläger mit dem Einbau des Whirlpools für ein Luxusgut entschieden habe, bei dem es in der Natur der Sache liege, dass es auch im Unterhalt und bei der Instandsetzung teurer sei; eine Badewanne wäre vermutlich nicht reparaturbedürftig.
28Anlässlich eines am 17.11.2014 durchgeführten Erörterungstermins hat der Berichterstatter die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Terminsniederschrift verwiesen.
29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
30Entscheidungsgründe:
31Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
321. Die Klage ist als Verpflichtungsklage i.S.d. § 42 Abs. 1 S. 1 2. Fall der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – zulässig. Ihr fehlt insbesondere nicht das erforderliche Rechtschutzbedürfnis.
33Zwar mag die Klage, bevor der Kläger den Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 40 DSchG NRW bei der Beklagten gestellt hat, unzulässig gewesen sein.
34Vgl. zur vorherigen Antragsstellung als Zugangsvoraussetzung der Verpflichtungsklage BVerwG, Urteil vom 28.11.2007 – 6 C 42.06 –, juris, Rn. 22 f.; OVG NRW, Urteil vom 28.08.2014 – 7 A 711/13 – juris, Rn. 32; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, Vorb § 40 Rn. 11, § 42 Rn. 6 jeweils m.w.N.
35Durch die Stellung des entsprechenden Antrags am 10.12.2014, den der Kläger im Wege der Klageänderung zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat, ist die Klage aber mittlerweile zulässig geworden. Zwar hat die Beklagte diesen Antrag noch nicht abschlägig beschieden und die Frist des § 75 S. 2 VwGO, deren Einhaltung eine Sachurteilsvoraussetzung ist, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erfüllt sein muss,
36vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.1994 – 5 C 24.92 –, juris, Rn. 12; Saurenhaus, in: Wysk, VwGO, § 75, Rn. 4,
37ist noch nicht abgelaufen. Weil die Beklagte in der mündlichen Verhandlung aber erklärt hat, sie erachte die streitgegenständlichen Kosten in der Sache für nicht bescheinigungsfähig, lagen hier besondere Umstände vor, die ein Abweichen von der Frist des § 75 S. 2 VwGO rechtfertigten.
382. Die demnach zulässige Klage ist aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Ausstellung der begehrten Bescheinigung für steuerliche Zwecke über 2.889,32 € für die Reparatur seines Whirlpools (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).
39Nach § 40 DSchG NRW werden Bescheinigungen für die Erlangung von Steuervergünstigungen von der Unteren Denkmalbehörde im Benehmen mit dem Landschaftsverband ausgestellt; sie dürfen nur erteilt werden, wenn das Denkmal in die Denkmalliste eingetragen ist oder gemäß § 4 Abs. 1 und 2 DSchG NRW als vorläufig eingetragen gilt. Nach § 7i Abs. 1 S. 1 EStG kann der Steuerpflichtige bei einem im Inland gelegenen Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, für einen bestimmten Zeitraum einen bestimmten Bruchteil der Herstellungskosten für Baumaßnahmen absetzen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind. Nach Satz 2 ist eine sinnvolle Nutzung nur anzunehmen, wenn das Gebäude in der Weise genutzt wird, dass die Erhaltung der schützenswerten Substanz des Gebäudes auf die Dauer gewährleistet ist. Nach § 7i Abs. 1 S. 6 i.V.m. § 7i Abs. 2 EStG müssen die Baumaßnahmen in Abstimmung mit der nach Landesrecht zuständigen oder von der Landesregierung bestimmten Stelle durchgeführt worden sein.
40Bei der Bescheinigung nach § 40 DSchG NRW i.V.m. § 7i Abs. 2 EStG handelt es sich um einen Grundlagenbescheid, dessen verbindliche Feststellungen sich auf die Tatbestände des zum Landesrecht gehörenden Denkmalrechts beschränken. Die Ausstellung der Bescheinigung setzt voraus, dass sich die Baumaßnahmen auf ein Gebäude beziehen, das nach dem nordrhein-westfälischen Landesrecht ein Baudenkmal ist, und dass die Aufwendungen nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal und/oder zur seiner sinnvollen Nutzung erforderlich und nach Abstimmung mit der von der Landesregierung bestimmten Stelle durchgeführt worden sind.
41Vgl. OVG NRW, Urteile vom 27.07.1998 – 7 A 3486/96 –, juris, Rn. 28 und vom 07.07.1989 – 11 A 488/87 –; BVerwG, Beschluss vom 18.07.2001 – 4 B 45.01 –, juris, Rn. 4 ff.; BFH, Urteile vom 14.01.2004 – X R 19/02 –, juris, Rn. 14, und vom 14.05.2014 – X R 7/12 –, juris, Rn. 22; VG Minden, Urteil vom 12.07.2011 – 1 K 1516/10 –, juris, Rn. 23; VG München, Urteil vom 19.12.2011 – M 8 K 09.319 –, juris, Rn. 66.
42Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der vom Kläger vorgenommenen Reparaturmaßnahme nicht erfüllt.
43Zwar ist das Hofhaus C1. Straße 125 aufgrund seiner konstitutiven Eintragung nach § 3 Abs. 1 bis 3 DSchG NRW vom 02.07.1991 in die Denkmalliste der Stadt E1. ein (Bau-)Denkmal nach landesrechtlichen Vorschriften i.S.d. § 7i Abs. 1 S. 1 EStG.
44Offenbleiben kann, ob die Reparatur in Abstimmung mit der von der Landesregierung bestimmten Stelle, hier der Beklagten als Unterer Denkmalbehörde, erfolgt ist. Eine Abstimmung ist mehr als die bloße Mitteilung der geplanten Maßnahme und erfordert den Austausch übereinstimmender Auffassungen zur Denkmalverträglichkeit der vom Bauherrn geplanten Maßnahmen.
45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 09.03.1992 – 7 A 2132/89 –; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.05.1993 – 1 S 2237/92 –, juris, Rn. 11; VG Minden, Urteil vom 12.07.2011 – 1 K 1516/10 –, juris, Rn. 25.
46Ob daran gemessen hier eine Abstimmung erfolgt ist, ist eher zweifelhaft. Der Kläger hat nur einen Antrag nach § 9 DSchG NRW gestellt. Eine weitere Kommunikation über die Art und Weise der Baumaßnahme, mithin ein Austausch übereinstimmender Auffassungen zur Denkmalverträglichkeit, erfolgte zwischen ihm und der Beklagten – jedenfalls vor der Maßnahme – nicht. Anderseits ist aber zu berücksichtigen, dass bei einer Maßnahme, die sich – wie hier – im Wesentlichen auf die Reparatur oder das Ersetzen einer technischen Anlage beschränkt, wenig Raum für einen Austausch von Auffassungen zur Denkmalverträglichkeit bestehen wird, weil die Maßnahme regelmäßig keine Auswirkungen auf die das Denkmal ausmachenden Gebäudeteile haben wird.
47Letztlich kann diese Frage hier dahin gestellt bleiben, weil die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung einer Steuerbescheinigung nach § 40 DSchG NRW i.V.m. § 7i Abs. 1 S. 1 EStG nicht vorliegen.
48Die mit dem Antrag vom 10.12.2014 geltend gemachten Aufwendungen für die Reparatur der Elektronik des Whirlpools im Badezimmer des Hofhauses waren jedenfalls weder zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal noch zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich. Dass es sich bei der Reparatur des Whirlpools um eine notwenige Erhaltungsmaßnahme des Denkmals handelt, ist bereits im Ansatz nicht zu erkennen und wird auch vom Kläger nicht behauptet. Die Reparatur ist auch nicht für eine sinnvolle Nutzung des Denkmals erforderlich. Erforderlich zur sinnvollen Nutzung des Denkmals i.S.d. § 7i Abs. 1 EStG sind die eingesetzten Gelder nur dann, wenn sie aus denkmalschutzpflegerischer Sicht notwendig sind, weil anders eine sinnvolle Nutzung nicht sichergestellt werden kann. Es ist also nicht jede Baumaßnahme, durch die eine zweckmäßige Nutzung eines Denkmals ermöglicht wird, zur sinnvollen Nutzung im vorgenannten Sinn erforderlich. Denn es können zwar auch solche Baumaßnahmen auf eine sinnvolle Nutzung bezogen sein, die die Bereitschaft fördern, in das Baudenkmal zu investieren oder es einer besseren Nutzbarkeit zuzuführen, um auf diesem Weg zu seinem Erhalt beizutragen.
49Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.07.1998 – 7 A 3486/96 – juris, Rn. 29; BayVGH, Beschluss vom 24.07.2009 – 21 ZB 08.3444 –, juris, Rn. 5; Urteil vom 23.01.2014 – 2 B 13.2417 –, juris, Rn. 19.
50Allerdings genügt es für eine Erteilung einer Bescheinigung nach § 40 DSchG NRW nicht, dass die vorgenommenen Maßnahmen zu einer sinnvollen Nutzung beitragen. Sie müssen zusätzlich auch erforderlich sein, was nur dann der Fall ist, wenn andernfalls eine sinnvolle Nutzung nicht möglich ist.
51Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.07.1998 – 7 A 3486/96 – juris, Rn. 30; VG Düsseldorf, Urteil vom 09.07.2002 – 25 K 1194/01–, juris, Rn. 32; VG München, Urteil vom 19.12.2011 – M 8 K 09.319 –, juris, Rn. 65.
52Denn der Beweggrund für die steuerliche Begünstigung von Baumaßnahmen zur sinnvollen Nutzung, die sich – sonst wären sie Erhaltungsmaßnahmen i.S.d. § 7i Abs. 1 S. 1 1. Fall EStG – gerade nicht auf die Erhaltung des Denkmals, d.h. seiner die Denkmaleigenschaft begründenden Substanz positiv auswirken, besteht, wie sich aus § 7i Abs. 1 S. 2 EStG ergibt, darin, dass dadurch eine Nutzung ermöglicht wird, durch die eine Erhaltung der schützenswerten Substanz des Gebäudes auf Dauer gewährleistet ist.
53Vgl. BayVGH, Urteil vom 23.01.2014 – 2 B 13.2417 –, juris, Rn. 19; s.a. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.07.2014 – OVG 2 N 80.11 –, juris, Rn. 4 m.w.N.
54Das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit stellt demnach eine Verschärfung bezüglich der Anforderungen für auf eine sinnvolle Nutzung ausgerichtete Baumaßnahmen dar, so dass der Tatbestand des § 7i Abs. 1 S. 1 EStG deutlich enger gefasst ist als die die Zulässigkeit von Baumaßnahmen an Denkmälern regelnde Vorschrift des § 9 DSchG NRW.
55Vgl. Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, Denkmalrecht NRW, 2. Aufl. 1989, § 40, Rn. 24.
56Gemessen an diesen Vorgaben sind die Aufwendungen für die Reparatur des Whirlpools nicht zu einer sinnvollen Nutzung erforderlich. Zwar ist bei einem – wie hier – zur Wohnzwecken genutzten Baudenkmal der Einbau von „modernen“ sanitären Anlagen für eine zeitgemäße Nutzung sinnvoll, weil dadurch das Denkmal als Wohnung genutzt und damit die schützenswerte Substanz des Gebäudes auf die Dauer erhalten werden kann.
57Vgl. VG München, Urteil vom 19.12.2011 – M 8 K 09.319 –, juris, Rn. 65; RdErl. d. Ministeriums für Stadtentwicklung, Kultur und Sport v. 17.03.1998 – IIB2-57.00, Nr. 1.2.2.
58Dies erfasst aber nur den Einbau von in Wohnhäusern üblichen sanitären Anlagen, nicht hingegen von Luxuseinrichtungen, derer es für eine normale Wohnnutzung nicht bedarf. Um eine solche handelt es sich indes bei dem streitgegenständlichen Whirlpool. Sein Einbau diente lediglich dem subjektiven Bedürfnis des Klägers. Dass eine Wohnnutzung des Baudenkmals ohne den Whirlpool hingegen nicht möglich ist, vermag die Kammer nicht im Ansatz zu erkennen und behauptet auch der Kläger nicht.
59An diesem Ergebnis ändert auch der vom Kläger behauptete Umstand nichts, dass die Reparatur des Whirlpools die – seiner Meinung nach – kostengünstigste Maßnahme war, um auch nur die Badewannenfunktion zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Dabei kann hier offen bleiben, ob nicht auch – wofür einiges spricht – andere u.U. noch günstigere Maßnahmen eine hygienisch unbedenkliche Nutzung des Whirlpools als Badewanne ermöglichen würden, wie etwa eine mechanische Reinigung der Düsen oder deren Verschließen. Denn das Augenmerk bei der Beurteilung, ob eine Baumaßnahme für eine sinnvolle Nutzung des Denkmals erforderlich ist, liegt nicht auf der Frage der Wirtschaftlichkeit der Baumaßnahme bzw. deren Ergebnis für den Eigentümer, sondern auf dem Denkmal.
60Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.07.2014 – OVG 2 N 80.11 –, juris, Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 24.07.2009 – 21 ZB 08. 3444 –, juris, Rn. 5.
61Aus denkmalpflegerischer Sicht hätte es aber ausgereicht, eine Badewanne zu installieren, wenn dadurch eine sinnvolle Nutzung sichergestellt würde.
62Darüber hinaus war eine Nutzbarkeit des Denkmals auch ohne den Whirlpool – und die gleichsam als Minus in ihm enthaltene Badewanne – möglich. Das Gebäude verfügt nämlich noch über jedenfalls eine Dusche, so dass die für eine Wohnung notwendigen sanitären Einrichtungen vorhanden waren. Denn einer Badewanne bedarf eine Wohnung nicht notwendigerweise, wenn auch eine Dusche vorhanden ist.
63Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung der Bescheinigung vermag sich auch nicht aus einer – von ihm behaupteten – früher erteilten Bescheinigung über den Einbau des Whirlpools zu ergeben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte 1997 auch die Kosten für den Einbau des Whirlpools als bescheinigungsfähig angesehen und in ihren damaligen Bescheid vom 20.06.1997 einbezogen hat. Denn daraus folgt nicht, dass jede weitere Maßnahme, die an dem Ergebnis der früheren als steuerlich begünstigt bescheinigten Baumaßnahme vorgenommen wird, ihrerseits ohne Prüfung der Voraussetzungen des § 7i Abs. 1 EStG als steuerlich begünstigt anzusehen ist. Vielmehr hat für jede Maßnahme eine eigenständige Prüfung zu erfolgen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 7i Abs. 1 EStG, der ausdrücklich auf „die Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind“ abstellt, also die Erforderlichkeit der Aufwendung bei jeder neuen Baumaßnahme erneut fordert.
64Auch unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes kann der Kläger aus der – von ihm behaupteten – früher erteilten Bescheinigung nichts herleiten. Selbst wenn sie so erteilt worden wäre, hätte die Beklagte damit nur über die dem damaligen Antrag zugrunde liegende Baumaßnahme und deren Kosten, nicht aber über die hier streitgegenständliche Reparatur und deren Kosten entschieden, die damals noch nicht angefallen und nicht bekannt waren.
65Darüber hinaus wäre eine Bescheinigung über die steuerliche Begünstigung, hätte die Beklagte sie erteilt, auch damals aus den oben dargelegten Gründen – ein Whirlpool ist für eine Wohnnutzung nicht erforderlich – rechtswidrig gewesen. Aus einer rechtswidrigen Entscheidung kann – nach allgemeiner Auffassung – indes keine Bindungswirkung entstehen, denn es gibt keine Gleichheit im Unrecht.
66Vgl. zuletzt etwa OVG NRW, Urteil vom 16.06.2014 – 11 A 1097/12 –, juris, Rn. 91.
67Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil sich dieser nicht durch Stellung eines Antrags am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt hat.
68Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung – ZPO –.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Minden Urteil, 22. Jan. 2015 - 9 K 3635/13
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Minden Urteil, 22. Jan. 2015 - 9 K 3635/13 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1)1Bei einem im Inland belegenen Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, kann der Steuerpflichtige abweichend von § 7 Absatz 4 und 5 im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils bis zu 9 Prozent und in den folgenden vier Jahren jeweils bis zu 7 Prozent der Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind, absetzen.2Eine sinnvolle Nutzung ist nur anzunehmen, wenn das Gebäude in der Weise genutzt wird, dass die Erhaltung der schützenswerten Substanz des Gebäudes auf die Dauer gewährleistet ist.3Bei einem im Inland belegenen Gebäudeteil, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, sind die Sätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.4Bei einem im Inland belegenen Gebäude oder Gebäudeteil, das für sich allein nicht die Voraussetzungen für ein Baudenkmal erfüllt, aber Teil einer Gebäudegruppe oder Gesamtanlage ist, die nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften als Einheit geschützt ist, kann der Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen von den Herstellungskosten für Baumaßnahmen vornehmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des schützenswerten äußeren Erscheinungsbildes der Gebäudegruppe oder Gesamtanlage erforderlich sind.5Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen im Jahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den folgenden elf Jahren auch für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Baumaßnahmen im Sinne der Sätze 1 bis 4 entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind.6Die Baumaßnahmen müssen in Abstimmung mit der in Absatz 2 bezeichneten Stelle durchgeführt worden sein.7Die erhöhten Absetzungen können nur in Anspruch genommen werden, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten nicht durch Zuschüsse aus öffentlichen Kassen gedeckt sind.8§ 7h Absatz 1 Satz 5 ist entsprechend anzuwenden.
(2)1Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen nur in Anspruch nehmen, wenn er durch eine nicht offensichtlich rechtswidrige Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen oder von der Landesregierung bestimmten Stelle die Voraussetzungen des Absatzes 1 für das Gebäude oder Gebäudeteil und für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nachweist.2Hat eine der für Denkmalschutz oder Denkmalpflege zuständigen Behörden ihm Zuschüsse gewährt, so hat die Bescheinigung auch deren Höhe zu enthalten; werden ihm solche Zuschüsse nach Ausstellung der Bescheinigung gewährt, so ist diese entsprechend zu ändern.
(3) § 7h Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung C. , Flur 71, Flurstücke 6 und 7 mit der postalischen Anschrift W.---------straße 86 in C. . Das Grundstück ist mit einem gewerblich genutzten Gebäude bebaut, das im Umfang von etwa 1500 m² an die Firma H. vermietet war. Das Grundstück ist überwiegend von weiteren gewerblich genutzten Grundstücken umgeben.
3Die Klägerin reichte am 21. Dezember 2010 eine auf den 20. Dezember 2010 datierte Bauvoranfrage ein. Unter „genaue Fragestellung zum Vorbescheid“ hieß es in der Voranfrage:
41. Ist die beabsichtigte Erweiterung der Verkaufsfläche der Firma H. gemäß den beigefügten Unterlagen planungsrechtlich zulässig?
52. Kann der Stellplatznachweis, wie aus den anliegenden Unterlagen ersichtlich, geführt werden?
6Beigefügt waren u. a. Bauzeichnungen, nach denen die Erweiterung der Verkaufsfläche u. a. durch Umbaumaßnahmen im Inneren des Gebäudes erfolgen sollte, wobei u. a. Wände für Büroeinbauten beseitigt und eine neue Treppenhauswand sowie eine Fluchttreppe für das 1. Obergeschoss errichtet werden sollten. Angaben zur Kostenermittlung waren dem Antrag nicht beigefügt. Mit dem Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids legte die Klägerin eine Auswirkungsanalyse der Firma C1. Handelsberatung vom September 2010 vor. Diese kam zu dem Ergebnis, dass durch die geplante Bestandserweiterung des H. -Sportmarkts keine negativen städtebaulichen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit und die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Bundesstadt C. und den Nachbarstädten und Nachbargemeinden zu erwarten seien. Hintergrund der Antragstellung war, dass die Firma H. auch die restliche Fläche des Gebäudes anmieten und ihren Betrieb so auf 2400 m² erweitern wollte.
7In der Folgezeit fanden Beratungen in den Gremien der Beklagten sowie mit der Bezirksregierung L. statt, die mögliche zentrenschädliche Auswirkungen des Vorhabens betrafen. Im April 2011 beschloss der Rat der Beklagten, einen Bebauungsplan mit der Bezeichnung Nr. 7623-22 für das u. a. die Vorhabenfläche umfassende Gebiet zwischen der W.---------straße , dem S. Bach, der E.--------straße und der F.----straße aufzustellen. Mit Schreiben vom 5. Mai 2011 wurde die Klägerin zu einer beabsichtigten Zurückstellung ihres Antrags angehört.
8Am 10. Mai 2011 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben, mit der sie zunächst die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung des beantragten Vorbescheids begehrte. Unter dem 8. März 2012 erließ die Beklagte einen Vorbescheid, der das Sortiment auf „factory-outlet-typische Waren“ beschränkte und für bestimmte Waren Quadratmeterzahlen für die Verkaufsfläche vorgab; ferner wurde in der Begründung festgestellt, dass auf dem Grundstück nicht genügend Stellplätze nachgewiesen seien. Die Klägerin hat zur Begründung der Klage vorgetragen:
9Sie habe nach § 34 BauGB einen Anspruch auf den beantragten Vorbescheid. Das Vorhaben füge sich nach § 34 Abs. 1 BauGB in die vorhandene Gemengelage ein. Zentrenschädliche Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB seien nicht zu befürchten. Der zwischenzeitlich erteilte Vorbescheid vom 8. März 2012 habe nicht ihrem Antrag entsprochen, weil dieser keine entsprechende Sortimentsbeschränkung enthalten habe.
10Am 6. November 2012 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie den ursprünglich für die Erweiterung vorgesehenen Gebäudeteil an eine Großhandelsfirma vermietet habe, was notwendig geworden sei, nachdem die Firma H. Mitte November 2011 ihre Erweiterungsabsichten aufgegeben habe. Ihr sei dadurch ein Mietausfall in Höhe von 409.137,00 Euro entstanden, den sie in einem Schadensersatzprozess von der Beklagten fordern werde.
11Die Klägerin hat beantragt,
12festzustellen, dass die Beklagte bis Mitte November 2011 verpflichtet war, der Klägerin einen positiven Bauvorbescheid gemäß Ziffer 1 der Fragestellung im Antragsformular Bl. 1 zur Bauvoranfrage vom 20.12.2010 Az.: 63-21 SB/157600 VO zu erteilen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat vorgetragen: Die Beschränkung des Sortiments im Vorbescheid vom 8. März 2012 entspreche dem Antrag der Klägerin. Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten sei Bestandteil des Antrags gewesen und enthalte eben jene Sortimentsbeschränkung, die der Vorbescheid wiedergebe. Der Feststellungsantrag könne keinen Erfolg haben. Ein etwaiger Schadensersatzprozess sei offensichtlich aussichtslos. Die Klägerin habe seinerzeit lediglich einen Antrag auf einen Bauvorbescheid gestellt, so dass sie außer einer positiven Bescheidung noch keine Baufreigabe erhalten hätte. Es sei fraglich, ob unter diesen Voraussetzungen überhaupt ein Schaden entstehen könne. Abgesehen davon hätte die Klägerin ohnehin wegen des fehlenden Nachweises weiterer notwendiger Stellplätze keine Baugenehmigung erhalten können. Zudem habe zu dem von der Klägerin gewählten Zeitpunkt nicht einmal Anspruch auf einen positiven Vorbescheid bestanden, weil die Stellplatzverpflichtung nicht erfüllt gewesen sei. Diese Frage sei ausdrücklich Bestandteil der Voranfrage gewesen. Es sei nicht möglich gewesen, in der hier maßgeblichen Umgebung Stellplätze abzulösen und der Klägerin hätten auf anderen Grundstücken keine Stellplätze zur Verfügung gestanden.
16Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29. Januar 2013 abgewiesen, soweit das Verfahren nicht bereits nach Rücknahme in Bezug auf die Stellplatzfrage eingestellt worden ist. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unzulässig. Es könne offen bleiben, ob die Änderung der Vermietungswünsche der Klägerin eine Erledigung der Bauvoranfrage zur Folge gehabt habe. Die Umstellung der ursprünglichen Verpflichtungsuntätigkeitsklage auf den als solchen bezeichneten Fortsetzungsfeststellungsantrag sei jedenfalls deshalb unzulässig, weil das erforderliche Feststellungsinteresse fehle. Ein Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess sei offensichtlich aussichtslos. Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses (Aufgabe der Anmietungsabsichten der Firma H. ) habe die Klägerin keinen Anspruch auf den begehrten Vorbescheid gehabt. Der Antrag sei damals abzulehnen gewesen, weil die Klägerin mehr als die von ihr in der Bauvoranfrage zugrunde gelegten Stellplätze nachzuweisen gehabt hätte. Deshalb hätte die Voranfrage insgesamt abgelehnt werden müssen. Da der Vorbescheid mit Blick auf seine Bindungswirkung vorweggenommener Teil der Baugenehmigung sei, sei der Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids abzulehnen, wenn auch nur eine von mehreren Fragen negativ zu beantworten sei.
17Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer vom Senat wegen besonderer Schwierigkeiten der Rechtssache zugelassenen Berufung im Wesentlichen vor:
18Die nach Erhebung der Verpflichtungsklage erfolgte Klageänderung in eine Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig. Sie beabsichtige, die Beklagte im Anschluss an die beantragte Entscheidung des Senats auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen. Rechtsfolge der rechtswidrigen Versagung des beantragten Bauvorbescheids sei ein Leerstand der streitgegenständlichen Flächen bis ihrer Neuvermietung gewesen. Außerdem hätte sie, die Klägerin, die Flächen an die Firma H. zu einem deutlich höheren Mietzins vermieten können, als sie derzeit erwirtschafte. Der Zulässigkeit der Klage stehe nicht entgegen, dass sie zu Ziffer 2 mit ihrer Bauvoranfrage eine Stellplatzberechnung vorgelegt habe, die aus Sicht der Beklagten und des Verwaltungsgerichts nicht genehmigungsfähig gewesen sei. Die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, die Erteilung eines Vorbescheids zu einer Voranfrage, die aus mehreren Teilen bestehe, müsse in jedem Falle insgesamt abgelehnt werden, wenn eine einzelne Frage negativ zu bescheiden sei, widerspreche der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und lasse sich auch nicht mit der Bindungswirkung eines Bauvorbescheids als vorweggenommener Teil der Baugenehmigung begründen. Anderes könne nur dann gelten, wenn die gestellten Fragen nicht teilbar seien, etwa weil die Zahl und die Anordnung der Stellplätze auf dem Baugrundstück auch für die Beurteilung des planungsrechtlich einzuordnenden Gebots der Rücksichtnahme erforderlich sei. Eine solche Fallgestaltung liege hier nicht vor. Die Beklagte könne auch nicht geltend machen, es sei durch die Ablehnung der Bauvoranfrage kein Schaden entstanden, da die geforderten Stellplätze ohnehin nicht hätten nachgewiesen werden können. Die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des geltend zu machenden Schadensersatzanspruchs in seinen Einzelheiten sei nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Das Fortsetzungsfeststellungsbegehren sei auch begründet. Sie habe bis zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses an der Erteilung des beantragten Bauvorbescheids einen entsprechenden Anspruch gegen die Beklagte gehabt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB seien erfüllt gewesen. Der Erweiterung des Einzelhandelsbetriebs habe, wie gutachterlich belegt, auch § 34 Abs. 3 BauGB nicht entgegen gestanden.
19Die Klägerin beantragt,
20das angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen, dass die Beklagte bis Mitte November 2011 verpflichtet war, der Klägerin einen positiven Bauvorbescheid gemäß Ziffer 1 der Fragestellung im Antragsformular Bl. 1 zur Bauvoranfrage vom 20. Dezember 2010 zu erteilen.
21Die Beklagte beantragt,
22die Berufung zurückzuweisen.
23Sie trägt zur Begründung vor: Das Verwaltungsgericht habe zu Recht entschieden, dass kein Anspruch auf Erteilung eines Vorbescheids bestanden habe. Die Klägerin gehe in ihrer Berufungsbegründung zu Unrecht davon aus, die beiden Fragen in dem Vorbescheidsantrag seien unabhängig voneinander zu beantworten und teilbar. Die zur Beurteilung gestellte Stellplatzfrage sei im Hinblick auf das Gebot der Rücksichtnahme auch planungsrechtlich zu beurteilen. Gegenstand der Voranfrage sei nicht nur die Frage gewesen, ob eine bestimmte Stellplatzberechnung ausreiche. Unabhängig davon stelle sich unter dem Aspekt des notwendigen Rechtsschutzbedürfnisses die Frage, ob die Ablehnung der Erteilung eines Vorbescheids überhaupt zu einem einklagbaren Schaden führen könne.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der Gerichtsakte Bezug genommen.
25E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
26Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
27Sie ist unbegründet.
28Das Verwaltungsgericht hat die Klage - im Ergebnis - zu Recht abgewiesen.
29Sie ist unzulässig.
30Die als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO weiter verfolgte Klage ist bereits deshalb unzulässig, weil schon die ursprüngliche in der Gestalt einer Untätigkeitsklage erhobene Verpflichtungsklage unzulässig war.
31Bei Erledigung eines Verpflichtungsbegehrens ist eine in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig, wenn bereits die ursprüngliche Verpflichtungsklage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses unzulässig war.
32Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. März 2014
33- 7 A 590/12 -, BauR 2014, 1284, m. w. N.
34Entgegen dieser Voraussetzung war die als Untätigkeitsklage erhobene und nach Erlass des Vorbescheids vom 8. März 2012 weiter verfolgte Klage der Klägerin auf Erteilung des beantragten Vorbescheids unzulässig, weil ihr das Antragserfordernis nach § 75 VwGO entgegen stand.
35Nach § 75 Satz 1 VwGO ist die Klage abweichend von § 68 VwGO zulässig, wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts in angemessener Frist nicht entschieden worden ist; die Klage kann aber nach § 75 Satz 2 VwGO nicht vor Ablauf von drei Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falls eine kürzere Frist geboten ist. Eine Verpflichtungsklage ist danach unzulässig, wenn es an dem erforderlichen ordnungsgemäßen Antrag bzw. dem für eine vorherige Untätigkeitsklage erforderlichen Ablauf der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO fehlte.
36Vgl. zu diesen Voraussetzungen OVG NRW, Urteil vom 6. März 2014 - 7 A 590/12 -, BauR 2014, 1284, m. w. N.
37Die ursprüngliche Untätigkeitsklage war gemessen an diesen Anforderungen von vornherein unzulässig und ist auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt bzw. nach Erlass des Bescheids vom 8. März 2012 zulässig geworden.
38Der Lauf der Sperrfrist nach § 75 Satz 2 VwGO begann hier nicht schon mit dem Eingang der Voranfrage bei der Beklagten am 21. Dezember 2010.
39Voraussetzung für den Beginn des Laufs der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist der Eingang eines vollständigen Bauantrags.
40Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. März 2014
41- 7 A 590/12 - , BauR 2014, 1284, m. w. N.
42An einem solchen vollständigen Antrag fehlte es hier, weil die Angaben zur Kostenermittlung, die hier nach Maßgabe der Verordnung über bautechnische Prüfungen (BauPrüfVO) erforderlich waren, nicht beigefügt waren.
43Nach § 16 Satz 1 BauPrüfVO sind einem Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids die Bauvorlagen beizufügen, die zur Beurteilung der durch den Vorbescheid zu entscheidenden Fragen des Bauvorhabens erforderlich sind. § 16 Satz 2 BauPrüfVO ordnet an, dass § 10 Abs. 1 Satz 2 BauPrüfVO sinngemäß gilt. Nach dieser Regelung sind einem Bauantrag die Berechnungen oder Angaben zur Kostenermittlung (§ 6) in zweifacher Ausführung beizufügen. Nach § 10 Abs. 3 Satz 4 BauPrüfVO gilt diese Bestimmung entsprechend für Anträge, die sich auf eine Nutzungsänderung beziehen, die mit genehmigungsbedürftigen baulichen Änderungen verbunden ist (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 3 BauPrüfVO).
44Das zur planungsrechtlichen Beurteilung gestellte Vorhaben bezog sich auf die Nutzungsänderung eines Sonderbaus und es sollten im Zusammenhang mit der Nutzungsänderung auch bauliche Änderungen erfolgen (insbesondere Beseitigung von Büroeinbauten bzw. Trennwänden im Erdgeschoss und Schaffung eines Fluchtwegs über eine neue Treppe zwischen Obergeschoss und Erdgeschoss). Dabei handelte es sich um Änderungen, die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 BauO NRW dem Genehmigungsverfahren unterfielen. Demnach wären hier nach §§ 16, 10 Abs. 1 Satz 2 BauPrüfVO i. V. m. § 10 Abs. 3 Satz 4 BauPrüfVO Angaben zur Kostenermittlung (§ 6) erforderlich gewesen.
45Entgegen der vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragenen Argumentation war hier eine Beifügung von Angaben zur Kostenermittlung nicht mit Blick auf den Inhalt der Voranfrage bzw. den Gegenstand der in den Bauzeichnungen dargestellten Änderungen entbehrlich. Er hat geltend gemacht, der Gegenstand der Voranfrage sei durch deren Inhalt ausdrücklich auf das Planungsrecht beschränkt gewesen, die Zeichnungen seien nur zur Verdeutlichung bzw. Illustration beigefügt gewesen, es sei zudem offensichtlich gewesen, dass die baulichen Änderungen nicht von Relevanz für die allein begehrte Beurteilung nach dem Planungsrecht gewesen seien, zudem habe die Beklagte offenbar Angaben zur Kostenermittlung selbst nicht für erforderlich gehalten, weil sie solche im Verfahren nicht angefordert und ohne weitere Angaben eine Gebühr für den Vorbescheid festgesetzt habe.
46Mit diesen Erwägungen wird die Erforderlichkeit der Angaben zur Kostenermittlung im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 2 BauPrüfVO nicht durchgreifend in Frage gestellt. Zunächst ergibt sich aus der ausdrücklichen Formulierung der Voranfrage,
47„ist die beabsichtigte Erweiterung der Verkaufsfläche der Firma H. gemäß den beigefügten Unterlagen planungsrechtlich zulässig?“
48(Hervorhebung in Fettdruck durch den Senat)
49dass die der Voranfrage beigefügten Bauzeichnungen nicht lediglich der Verdeutlichung bzw. Illustration, sondern auch der Kennzeichnung des (planungsrechtlich) zu beurteilenden Vorhabens dienen sollten.
50Daraus ergab sich zugleich, dass diese Unterlagen auch im Hinblick auf ihre planungsrechtliche Relevanz zu prüfen waren. Selbst wenn sich die in den Zeichnungen dargestellten baulichen Änderungen im Schwerpunkt auf bauordnungsrechtliche Aspekte des Brandschutzes bezogen, gehörte die Prüfung der Bauzeichnungen einschließlich einer Prüfung der dargestellten Änderungen auf ihre planungsrechtliche Relevanz deshalb zum Umfang der Aufgabe der Beklagten im Voranfrageverfahren. Dafür, dass die einschlägigen Vorschriften danach unterscheiden, ob eine solche Relevanzprüfung mehr oder weniger Prüfungsaufwand erfordert, sieht der Senat keine Anhaltspunkte. Abgesehen davon war ohnehin keineswegs offensichtlich, dass den in den Zeichnungen dargestellten baulichen Änderungen, die hinsichtlich der neuen Fluchttreppe zum 1. Obergeschoss auch zur Vergrößerung überbauten Grundfläche führten, jegliche planungsrechtliche Relevanz fehlte.
51Für das Vorliegen besonderer Umstände, die hier im Rahmen der sinngemäßen Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 2 BauPrüfVO ein Absehen von dem genannten Erfordernis rechtfertigen könnten, vermag der Senat keinen hinreichenden Grund zu erkennen. Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb geboten, weil die Beklagte nach Eingang der Voranfrage nicht auf den Mangel fehlender Angaben zur Kostenermittlung hingewiesen hatte. Denn es war in erster Linie Sache der Klägerin, für die Vollständigkeit des Antrags Sorge zu tragen. Ebenso wenig kommt es deshalb darauf an, dass die Beklagte ohne Angaben zur Kostenermittlung einen Vorbescheid erlassen und eine Gebühr für den Vorbescheid festgesetzt hat.
52Welche Angaben zur Kostenermittlung nach § 6 BauPrüfVO hier im Einzelnen erforderlich waren, ergibt sich im Rahmen sinngemäßer Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 2 BauPrüfVO aus dem systematischen Kontext der Regelung unter Berücksichtigung der maßgeblichen gebührenrechtlichen Bestimmungen.
53Nach § 6 Nr. 1 BauPrüfVO sind Berechnungen und Angaben zur Kostenermittlung bei Gebäuden eine nachprüfbare Berechnung des Brutto-Rauminhalts nach DIN 277 Teil 1 (Ausgabe 2005) oder für Gebäude, für die landesdurchschnittliche Rohbauwerte je cbm Brutto-Rauminhalt nicht festgelegt sind, die Berechnung der veranschlagten (geschätzten) Rohbaukosten. Nach § 6 Nr. 2 BauPrüfVO sind Berechnungen und Angaben zur Kostenermittlung bei den übrigen baulichen Anlagen und Einrichtungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW Angaben über die veranschlagten (geschätzten) Herstellungskosten.
54Hintergrund dieser Systematik ist die einschlägige Regelung zur Gebührenerhebung nach Maßgabe der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung und dem zugehörigen Gebührentarif, die grundsätzlich in nicht zu beanstandender Weise an landeseinheitliche pauschalierte Rohbaukosten je cbm umbauten Raums anknüpft.
55Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. November 2007 ‑ 9 A 4024/05 -, juris.
56Allerdings legt der Gebührentarif bei genehmigungsbedürftigen baulichen Maßnahmen in Verbindung mit Nutzungsänderungen von Gebäuden der Gebührenbemessung auch einen Promillesatz der Herstellungssumme zugrunde (vgl. etwa für die Änderung eines - hier in Rede stehenden - Sonderbaus Nr. 2.4.2.2 in Verbindung mit Nr. 2.4.1.2 und Nr. 2.4.3 Buchst. b). Deshalb waren hier im Rahmen der gebotenen sinngemäßen Anwendung (vgl. §§ 16, 10 Abs. 1 Satz 2 BauPrüfVO) unter Berücksichtigung von § 10 Abs. 3 Satz 4 i. V. m. Satz 3 BauPrüfVO mit Blick auf die auch geplante genehmigungsbedürftige bauliche Änderung des Gebäudes Angaben zu den veranschlagten (geschätzten) Herstellungskosten ausreichend, aber auch erforderlich. Entsprechendes galt mit Blick auf die geplanten Stellplätze.
57Zweifel an der Wirksamkeit der vorstehend angewandten Verordnungsregelung sind weder substantiiert geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Sie genügt insbesondere dem gesetzlichen Maßstab des § 71 Abs. 2 in Verbindung mit § 69 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW, wonach die für die Bearbeitung des Antrags auf den Vorbescheid und die für die Beurteilung des Vorhabens erforderlichen Unterlagen einzureichen sind. Hierzu zählen auch die als Grundlage der Gebührenbemessung erforderlichen Angaben, die die Verordnung über bautechnische Prüfungen auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung des § 85 Abs. 3 BauO NRW konkretisiert.
58Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 6. März 2014
59- 7 A 590/12 -, BauR 2014, 1284.
60Die dreimonatige Sperrfrist für die Erhebung der Untätigkeitsklage war bei Klageerhebung am 10. Mai 2011 wegen der Unvollständigkeit des Antrags nicht abgelaufen. Die erhobene Untätigkeitsklage ist auch nicht nachträglich durch Ablauf der dreimonatigen Sperrfrist zulässig geworden.
61Zwar wird eine Untätigkeitsklage, die vor Ablauf der Sperrfrist nach § 75 Satz 2 VwGO erhoben wird, zulässig, wenn vor einer gerichtlichen Entscheidung die Frist abläuft.
62Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. April 1991
63- 1 B 149.90 -, juris, m. w. N.
64Eine dafür hier erforderliche Vervollständigung des Antrags ist hier aber nicht erfolgt.
65Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass eine nachträgliche Vervollständigung des Antrags im Berufungsverfahren daran nichts hätte ändern können. Eine „Heilung“ der ursprünglichen Unzulässigkeit ist ausgeschlossen, wenn sich der Sachantrag erledigt, bevor die Frist nach § 75 Satz 2 VwGO abgelaufen sein kann.
66Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. März 2014
67- 7 A 590/12 -, BauR 2014, 1284.
68Das gleiche gilt auch dann, wenn der Verpflichtungsantrag - ohne dass Erledigung im Rechtssinne eingetreten ist - aus anderen Gründen nicht weiter verfolgt wird.
69Ob es hier schon an einer Erledigung des ursprünglich verfolgten Verpflichtungsbegehrens fehlte und die im Berufungsverfahren weiter verfolgte Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO deshalb auch unstatthaft war, lässt der Senat offen, diese Frage bedarf hier aus den vorstehenden Gründen keiner abschließenden Beurteilung.
70Es bedarf auch keiner abschließenden Entscheidung, ob hier für eine Fortsetzungsfeststellungsklage das Fortsetzungsfeststellungsinteresse fehlte, weil ein Amtshaftungs- bzw. Entschädigungsbegehren offensichtlich aussichtslos gewesen wäre, wie die Beklage meint. Allerdings kommt ein Anspruch aus Amtshaftung grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn ein Bauvorbescheid zu Unrecht versagt worden ist.
71Vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 - III ZR 6/93 -, BRS 68 Nr. 70.
72Eine Zulässigkeit des prozessualen Begehrens der Klägerin im Berufungsverfahren ergibt sich auch nicht, wenn man eine Klageänderung in eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO annimmt.
73Vgl. zu § 43 Abs. 1 VwGO in entsprechenden Fallgestaltungen: OVG NRW, Urteil vom 3. Mai 2010 - 7 A 2115/08 -, BRS 76 Nr. 153.
74Es fehlt hierfür jedenfalls das Feststellungsinteresse. Mit Blick auf die aufgezeigte Unzulässigkeit der ursprünglichen Klage sprechen die maßgeblichen Aspekte der „Fruchterhaltung“ bzw. Prozessökonomie in einem solchen Fall auch nicht für die Anerkennung eines Feststellungsinteresses im Sinne des § 43 VwGO.
75Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
76Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708, 711 ZPO.
77Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht ersichtlich sind.
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1)1Bei einem im Inland belegenen Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, kann der Steuerpflichtige abweichend von § 7 Absatz 4 und 5 im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils bis zu 9 Prozent und in den folgenden vier Jahren jeweils bis zu 7 Prozent der Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind, absetzen.2Eine sinnvolle Nutzung ist nur anzunehmen, wenn das Gebäude in der Weise genutzt wird, dass die Erhaltung der schützenswerten Substanz des Gebäudes auf die Dauer gewährleistet ist.3Bei einem im Inland belegenen Gebäudeteil, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, sind die Sätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.4Bei einem im Inland belegenen Gebäude oder Gebäudeteil, das für sich allein nicht die Voraussetzungen für ein Baudenkmal erfüllt, aber Teil einer Gebäudegruppe oder Gesamtanlage ist, die nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften als Einheit geschützt ist, kann der Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen von den Herstellungskosten für Baumaßnahmen vornehmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des schützenswerten äußeren Erscheinungsbildes der Gebäudegruppe oder Gesamtanlage erforderlich sind.5Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen im Jahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den folgenden elf Jahren auch für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Baumaßnahmen im Sinne der Sätze 1 bis 4 entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind.6Die Baumaßnahmen müssen in Abstimmung mit der in Absatz 2 bezeichneten Stelle durchgeführt worden sein.7Die erhöhten Absetzungen können nur in Anspruch genommen werden, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten nicht durch Zuschüsse aus öffentlichen Kassen gedeckt sind.8§ 7h Absatz 1 Satz 5 ist entsprechend anzuwenden.
(2)1Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen nur in Anspruch nehmen, wenn er durch eine nicht offensichtlich rechtswidrige Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen oder von der Landesregierung bestimmten Stelle die Voraussetzungen des Absatzes 1 für das Gebäude oder Gebäudeteil und für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nachweist.2Hat eine der für Denkmalschutz oder Denkmalpflege zuständigen Behörden ihm Zuschüsse gewährt, so hat die Bescheinigung auch deren Höhe zu enthalten; werden ihm solche Zuschüsse nach Ausstellung der Bescheinigung gewährt, so ist diese entsprechend zu ändern.
(3) § 7h Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.
Tatbestand
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I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erwarben mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 18. Juli 2007 zwei unsanierte Eigentumswohnungen in L, die im Rahmen der Sanierung durch eine innenliegende Treppe zusammengelegt wurden. Der Kaufpreis von 545.000 € wurde so aufgeteilt, dass auf das Grundstück 84.749 €, auf die Altbausubstanz 67.799 € und auf die Sanierungskosten 392.452 € entfielen. Die Kläger bezogen im Dezember 2008 die sanierte Wohnung. Aus der dem Vertrag beigefügten Anlage 3 ergibt sich, dass im Dachbereich ein Atrium statt einer Dachterrasse erstellt werden sollte. Mit Eingangsbestätigung vom 27. März 2009 teilte das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege der Stadt L (Denkmalbehörde) mit, ein Antrag der Kläger auf Ausstellung einer Bescheinigung gemäß §§ 7i, 10f und 11b des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2008 geltenden Fassung (EStG) sei am 25. März 2009 eingegangen. Die Antragssumme für die zu bescheinigenden Aufwendungen für Baumaßnahmen an einem denkmalgeschützten Gebäude belaufe sich auf 392.452 €. Außerdem enthält die Eingangsbestätigung den Hinweis, eine Bestätigung der unteren Denkmalbehörde liege vor, nach der das erforderliche Abstimmungsverfahren eingehalten worden sei.
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Die Kläger machten im Streitjahr 2008 Aufwendungen in Höhe von 35.321 € als Sonderausgaben für selbstgenutztes Wohneigentum gemäß § 10f Abs. 1 EStG geltend. Sie sind der Auffassung, diese Aufwendungen seien auch ohne Vorlage der erforderlichen Bescheinigung im Wege der Schätzung zum Sonderausgabenabzug zuzulassen. Aufgrund des Kaufvertrages könne der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ohne Weiteres die Höhe der von den Klägern aufgewendeten Sanierungskosten ermitteln. Die Einsichtnahme in die Denkmalliste zeige, dass die Wohnung in einem denkmalgeschützten Gebäude liege. Es bestehe für das FA auch die Möglichkeit, in die Unterlagen der Denkmalbehörde Einsicht zu nehmen. Anhaltspunkte dafür, dass der Erwerb zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, in dem die Sanierung schon teilweise oder gar vollständig abgeschlossen gewesen sei, lägen nicht vor. Es sei ihnen, den Klägern, nicht zuzumuten, wegen einer mehrere Jahre dauernden Bearbeitung ihres Antrags durch die Denkmalbehörde auf den Sonderausgabenabzug in dieser Zeit zu verzichten.
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Das FA lehnte den geltend gemachten Sonderausgabenabzug sowohl bei der Einkommensteuerveranlagung als auch im Einspruchsverfahren ab. Die gemäß § 10f Abs. 1 i.V.m. § 7i EStG gesetzlich vorgeschriebene Bescheinigung der zuständigen Denkmalbehörde sei unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. September 2005 IX R 13/04 (BFHE 215, 158, BStBl II 2007, 373) eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Gewährung der Steuervergünstigung. Soweit der BFH meine, die Finanzbehörde müsse gemäß § 155 Abs. 2 i.V.m. § 162 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) von ihrem Ermessen Gebrauch machen und prüfen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Abzugsbetrag vorläufig zu berücksichtigen sei, habe die Ermessensausübung im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis geführt, dass eine vorläufige Berücksichtigung der Sanierungsaufwendungen nicht in Betracht komme. Ihm, dem FA, sei zwar bekannt gewesen, dass ein Antrag auf Erteilung der Bescheinigung gestellt worden sei und sich aus dem Kaufvertrag Sanierungskosten in Höhe von 392.452 € ergäben. Es könne aber nicht erkennen, welche konkreten Baumaßnahmen hiervon betroffen seien und wie sich die Kosten hierauf im Einzelnen verteilten. Auch könne aufgrund der fehlenden Sachkunde nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei den beantragten Aufwendungen um nicht begünstigte Sanierungskosten handele.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 1001 veröffentlichten Urteil überwiegend statt.
- 5
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Seine Revision begründet das FA mit der Verletzung des § 7i EStG i.V.m. § 155 Abs. 2 und § 162 Abs. 5 AO. Das FG habe nicht erkannt, dass das FA im Streitfall keine Schätzungsbefugnis gehabt habe. Ressortfremde Grundlagenbescheide fielen nicht in den Anwendungsbereich der §§ 155 Abs. 2 und 162 Abs. 5 AO. Sinn und Zweck dieser Regelungen sei die Erleichterung und Beschleunigung des Steuerfestsetzungsverfahrens gewesen. Um dies zu erreichen, sei davon auszugehen, dass die Begriffe "Festsetzungs- und Feststellungsverfahren" nur die Verfahren der Finanzbehörde meinten, aus denen sich numerische Besteuerungsgrundlagen ergäben, die von dem Veranlagungsbeamten nur noch übernommen werden müssten.
- 6
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Die mit der Bescheinigung der Denkmaleigenschaft eines Gebäudes verbundene Prüfung obliege originär den Denkmalschutzbehörden. Ob ein Gebäude oder einzelne Gebäudeteile diese Merkmale aufwiesen und welche der getätigten Aufwendungen begünstigt seien, könne von einem Steuerbeamten nicht fehlerfrei beantwortet werden. In jedem Fall sei es sehr zeitaufwändig, sich mit den Aufgaben anderer Fachbehörden zu befassen und zu einer eigenen Entscheidung zu gelangen. Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen, über die abschließend in Grundlagenbescheiden ressortfremder Behörden entschieden werde, stehe daher im Widerspruch zu dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gekommenen Zweck der neu eingefügten Vorschriften.
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Die verfahrensrechtliche Situation bei der Gewerbesteuer sei insoweit vergleichbar. Solange die Verwaltungsbefugnis hinsichtlich des Messbetragsverfahrens ihnen nicht übertragen worden sei, dürften die Gemeinden die Bemessungsgrundlagen auch nicht schätzen.
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Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 9
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Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
- 10
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Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten und unterstützt das Vorbringen des FA. Das FG habe dem Umstand, dass die nach § 7i Abs. 2 EStG für die Gewährung erhöhter Abschreibungen erforderliche Bescheinigung materiell-rechtliche Tatbestandsvoraussetzung sei, bei seiner Entscheidung nicht hinreichend Rechnung getragen. Den Finanzbehörden sei es mangels eigener Sachkunde nicht möglich zu überprüfen, ob die Maßnahmen gemäß der §§ 7h und 7i EStG durchgeführt worden seien.
- 11
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Gemäß § 38 AO entständen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, wenn der Tatbestand verwirklicht sei, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpfe. Liege die tatbestandlich erforderliche Bescheinigung (noch) nicht vor, sei folglich auch (noch) kein Anspruch auf die Steuervergünstigung entstanden. Diese fehlende Tatbestandsvoraussetzung könne nicht geschätzt werden.
- 12
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Das FG berufe sich zwar auf den Senatsbeschluss vom 20. Juli 2010 X B 70/10 (BFH/NV 2010, 2007), nach dem auch qualitative Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 5 AO dem Grunde nach geschätzt werden könnten. Geschätzt werden könnten aber nur messbare Sachverhalte und Vorgänge; Besteuerungsvorgänge also nur insoweit, als sie Quantitäten zum Gegenstand hätten. Ob nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal vorliege, lasse sich durch die Finanzbehörden nicht schätzen; allenfalls sei die Höhe der Aufwendungen schätzbar.
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Auch die systematischen Erwägungen des FG überzeugten nicht, um die Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 5 AO auch auf materiell-rechtliche Tatbestandsvoraussetzungen auszudehnen. Es sei anerkannt, dass nach § 162 Abs. 1 und 2 AO nur quantitative Größen, nicht aber qualitative Merkmale geschätzt werden könnten. Wenn als Begründung für eine Ausdehnung der Schätzungsbefugnis auf die Besteuerungsgrundlagen geltend gemacht werde, die Schätzung nach § 162 Abs. 1 und 2 AO sei "endgültig", während die Schätzung gemäß § 162 Abs. 5 AO lediglich "vorläufig" erfolge (so Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 162 AO Rz 87), könne dieser Ansatz insbesondere in diesem Falle nicht überzeugen. Sollte nämlich die zuständige Denkmalbehörde überhaupt nicht entscheiden oder den Antrag ablehnen, sei fraglich, ob und wann die Finanzbehörde davon erfahre. Hätte in einem solchen Fall die Finanzbehörde die Sanierungskosten bereits geschätzt und bliebe das FA in Unkenntnis der Ablehnung des Antrags, bestünde die Gefahr, dass die steuerbegünstigende Schätzung der Tatbestandsvoraussetzungen zu Unrecht fortbestehe.
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Folge man der Vorinstanz und dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 2007, bleibe es der Finanzverwaltung verwehrt, in eigener Zuständigkeit eine Schätzung von Tatbestandsmerkmalen vorzunehmen, während sie im fachfremden Bereich qualitative Besteuerungsgrundlagen schätzen müsse, obgleich der Gesetzgeber bewusst die Expertise anderer besonders sachkundiger Behörden vorsehe. Es sei damit sachwidrig, in dieser Situation der Finanzverwaltung eine besondere Schätzungskompetenz zuzubilligen. Dies zeigten auch andere Beispiele aus dem Einkommensteuerrecht. So sei unumstritten, dass die Pauschbeträge für behinderte Menschen nach § 33b EStG nur dann gewährt werden dürften, wenn die nach § 33b Abs. 7 EStG i.V.m. § 65 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung vorgeschriebenen Nachweise erbracht würden.
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Der Bescheinigung der zuständigen Denkmalbehörde, auf deren Gültigkeit weitgehend gebaut werden könne, werde im Funktionsgebilde des § 7i EStG eine überragende Bedeutung beigemessen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 24. Juni 2009 X R 8/08, BFHE 225, 431, BStBl II 2009, 960). Auch vor diesem Hintergrund könne die Bescheinigung nicht mit der Folge ersetzt werden, dass die Finanzbehörde verpflichtet werde, sich im Wege der Schätzung denkmalschutzrechtlichen Fragen zu widmen.
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Den Klägern obliege es, den tatbestandlich in § 7i Abs. 2 EStG festgeschriebenen Nachweis zu erbringen. Auch eine Verteilung der Beweislast nach Sphären führe zu diesem Ergebnis, denn es liege in den Händen des Steuerpflichtigen, die erforderliche Bescheinigung zu erwirken. Hierdurch komme es auch nicht zu unsachgemäßen Ergebnissen. Denn sobald die erforderliche Bescheinigung vorliege, könne über § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO auch ein bereits bestandskräftiger Steuerbescheid geändert werden. Den Klägern drohe also kein endgültiger Verlust ihres Anspruchs auf erhöhte Absetzungen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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Das Verfahren ist nicht auszusetzen (dazu unter 1.). Die Voraussetzungen zum Abzug der von den Klägern geltend gemachten Sanierungsaufwendungen gemäß § 10f Abs. 1 i.V.m. § 7i Abs. 1 EStG lagen im Zeitpunkt des finanzgerichtlichen Urteils (noch) nicht vor (unter 2.), so dass das FA vor Ablehnung der Berücksichtigung der Sanierungsaufwendungen im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens zu prüfen hatte, ob und in welcher Höhe der Abzugsbetrag gemäß § 155 Abs. 2 i.V.m. § 162 Abs. 5 AO bereits vor dem Erlass der Bescheinigung der Denkmalbehörde anzusetzen war (unter 3.). Die Entscheidung des FA, im Streitfall die Sanierungsaufwendungen nicht bereits gemäß §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO zu berücksichtigen, ist ermessensgerecht (unter 4.).
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1. Das Verfahren war nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist es regelmäßig geboten und zweckmäßig, dass das Gericht den Streit um die Rechtmäßigkeit eines Folgebescheides aussetzt, solange noch unklar ist, ob und wie der angegriffene Grundlagenbescheid geändert wird. Das gilt auch, wenn die Finanzbehörde zunächst einen Folgebescheid erlassen hat und der Grundlagenbescheid noch nachgeholt werden soll (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 7. November 1996 IV R 72/95, BFH/NV 1997, 574). Nur in seltenen Ausnahmefällen kann deshalb trotz ausstehender Entscheidung über einen Grundlagenbescheid eine Fortführung des Verfahrens ermessensgerecht sein (vgl. BFH-Beschluss vom 3. August 2000 III B 179/96, BFHE 192, 255, BStBl II 2001, 33).
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Eine solche Ausnahmekonstellation ist nach Ansicht des erkennenden Senats im Streitfall gegeben. Das Kernproblem liegt in den --kontrovers diskutierten-- Fragen, ob die Finanzbehörde ohne weitere Prüfung den Ansatz von Sanierungsaufwendungen im Einkommensteuerbescheid verweigern kann, wenn der Steuerpflichtige Sanierungsaufwendungen gemäß §§ 10f, 7i EStG geltend macht, ohne die erforderliche Bescheinigung der Denkmalbehörde zu erbringen, oder ob sie nicht vielmehr verpflichtet ist, eine Ermessensentscheidung zu treffen und --falls dies zu bejahen sein sollte-- ob sie ihr Ermessen im Einzelfall auch pflichtgemäß ausgeübt hat.
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Die Notwendigkeit und die Ordnungsmäßigkeit der Ermessensausübung können nur in einem Verfahren gegen den gemäß §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO erlassenen Folgebescheid gerichtlich überprüft werden; in einem Verfahren gegen den Grundlagenbescheid stellen sich diese Fragen überhaupt nicht. Müsste das Gericht das Verfahren gegen den Folgebescheid aussetzen, bestünde die Gefahr, dass die genannten Streitfragen niemals einer gerichtlichen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren zugeführt würden (zur Möglichkeit des vorläufigen Rechtsschutzes s. BFH-Beschluss vom 1. Februar 2000 IV B 138/98, BFH/NV 2000, 713; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 69 Rz 55, Stichwort Folgebescheid; s. auch Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 2007).
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2. Nach § 7i Abs. 1 EStG in der im Streitjahr 2008 geltenden Fassung kann der Steuerpflichtige bei einem im Inland gelegenen Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, abweichend von § 7 Abs. 4 und 5 EStG im Kalenderjahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils bis zu 9 % und in den folgenden vier Jahren bis zu 7 % der Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind, absetzen. Die erhöhten Absetzungen können jedoch nur in Anspruch genommen werden, wenn der Steuerpflichtige die Voraussetzungen des Absatzes 1 für das Gebäude und die Erforderlichkeit der Aufwendungen durch eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nachweist (§ 7i Abs. 2 Satz 1 EStG). Bei der Bescheinigung nach § 7i Abs. 2 EStG handelt es sich um einen Grundlagenbescheid, dessen verbindliche Feststellungen sich auf die Tatbestände des zum Landesrecht gehörenden Denkmalrechts beschränken, nämlich die Denkmaleigenschaft des Gebäudes, sowie darauf, ob die Aufwendungen nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind (ständige BFH-Rechtsprechung, s. z.B. Urteil in BFHE 225, 431, BStBl II 2009, 960, unter II.3.a, m.w.N.).
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Im Streitfall konnten die Kläger lediglich eine Eingangsbestätigung der Denkmalbehörde vorlegen, in der bestätigt wurde, dass ein Antrag der Kläger auf Ausstellung einer Bescheinigung gemäß §§ 7i, 10f und 11b EStG eingegangen sei, die Antragssumme für die zu bescheinigenden Aufwendungen für Baumaßnahmen an einem denkmalgeschützten Gebäude sich auf 392.452 € belaufe und eine Bestätigung der unteren Denkmalbehörde vorliege, nach der das erforderliche Abstimmungsverfahren eingehalten worden sei. Dies ist keine Bescheinigung i.S. von § 7i Abs. 2 Satz 1 EStG, da es an einer Entscheidung mit verbindlichem Charakter zur Höhe der berücksichtigungsfähigen Aufwendungen fehlt.
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3. Das FA hatte folglich eine Ermessensentscheidung zu treffen, ob auch ohne die notwendige Bescheinigung nach § 7i Abs. 2 EStG der Einkommensteuerbescheid 2008 gemäß § 155 Abs. 2 AO zu erlassen sowie ob und in welcher Höhe der geltend gemachte Abzugsbetrag gemäß § 162 Abs. 5 AO zu berücksichtigen war.
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a) Gemäß § 155 Abs. 2 AO kann ein Steuerbescheid auch dann erteilt werden, wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde. Macht das FA von dieser Möglichkeit im Rahmen seines Ermessens (so FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. September 1980 1 K 166/80, EFG 1981, 2; Schuster in Hübschmann/Hepp/ Spitaler --HHSp--, § 155 AO Rz 44; Pahlke/Koenig/Cöster, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 155 Rz 47; Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 155 Rz 39; Frotscher in Schwarz, AO, § 155 Rz 46; v. Wedelstädt in: Kühn/v.Wedelstädt, 20. Aufl., AO, § 155 Rz 18; Forchhammer in Leopold/Madle/Rader AO, § 155, Rz 24) Gebrauch und erlässt vor Ergehen des Grundlagenbescheides --wie im Streitfall-- einen Einkommensteuerbescheid, muss es alle betroffenen Besteuerungsgrundlagen (also auch alle Sonderausgaben) berücksichtigen und selbst überprüfen (s. BFH-Beschluss vom 24. Februar 1981 VIII B 14/78, BFHE 132, 402, BStBl II 1981, 416; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 155 Rz 41). Dies folgt aus dem Untersuchungsgrundsatz des § 88 Abs. 2 AO, wonach die Finanzbehörde alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen hat (BFH-Beschluss in BFHE 132, 402, BStBl II 1981, 416, unter 2.b).
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b) Lassen sich die Besteuerungsgrundlagen nicht ohne Weiteres ermitteln, können die feststellungsbedürftigen Voraussetzungen nach § 162 Abs. 5 AO geschätzt werden. Die Ermessensausübung der Finanzbehörde bezieht sich damit zum einen gemäß § 155 Abs. 2 AO auf den Zeitpunkt, zum anderen gemäß § 162 Abs. 5 AO auch auf den Inhalt der Steuerfestsetzung (so auch Schuster in HHSp, § 155 Rz 44). Die Frage, ob gemäß § 155 Abs. 2 AO ein Folgebescheid zu erlassen ist und --wenn ja-- in welcher Höhe die noch nicht durch einen Grundlagenbescheid festgestellten (positiven oder negativen) Einkünfte nach § 162 Abs. 5 AO anzusetzen sind, kann nur einheitlich beantwortet werden, so dass insgesamt nur eine Ermessensentscheidung vorliegt.
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c) Die Befugnis zur Schätzung nach § 162 Abs. 5 AO hat damit einen anderen rechtlichen Hintergrund als die Schätzung nach § 162 Abs. 1 und 2 AO. Während die letztgenannte Schätzung notwendig wird, wenn sich die Finanzbehörde oder das Gericht nicht in der Lage sehen, bestimmte Besteuerungsgrundlagen konkret und präzise zu ermitteln, ist die Schätzung nach § 162 Abs. 5 AO die Antwort auf die Frage, wie zu verfahren ist, wenn die Finanzbehörde ihr Ermessen in dem Sinne ausübt, dass sie bereits nach § 155 Abs. 2 AO einen Folgebescheid erlässt, obwohl ein Grundlagenbescheid noch aussteht.
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Während nach § 162 Abs. 1 und 2 AO nur quantitative Größen, nicht aber qualitative Besteuerungsmerkmale geschätzt werden können, umfasst die Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 5 AO alle in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen. Sie knüpft damit in systematischer Hinsicht nicht an die Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 und 2 AO an. Deshalb können die Besteuerungsgrundlagen nicht nur der Höhe, sondern auch dem Grunde nach geschätzt werden (so die Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2010, 2007; vom 18. Juli 2012 X S 19/12, BFH/NV 2012, 2008, und vom 29. August 2012 X R 5/12, BFH/NV 2013, 53; FG Nürnberg, Urteil vom 26. September 2012 3 K 723/12, EFG 2013, 100; FG Münster, Urteil vom 29. August 2012 11 K 977/12 E, EFG 2012, 2194; Sächsisches FG, Entscheidungen vom 11. Januar 2012 2 K 1416/11, EFG 2012, 1633; vom 14. November 2011 4 V 989/11, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2012, 530, und vom 5. Juni 2012 1 V 262/12, EFG 2012, 1883; Seer, a.a.O., § 155 AO Rz 29 und § 162 Rz 87; Buciek in Beermann/Gosch, AO § 162 Rz 278; Cöster, a.a.O., § 162 Rz 92; Rüsken, a.a.O., § 162 Rz 55; wohl auch Forchhammer, § 162 Rz 51; a.A. Frotscher, a.a.O., § 162 Rz 8 und 65).
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d) Die vorstehenden Grundsätze gelten auch im Rahmen der §§ 10f, 7i EStG, so dass die Finanzbehörde bei noch fehlender Bescheinigung der Denkmalschutzbehörde im Rahmen ihres Ermessens zu entscheiden hat, ob und in welcher Höhe sie die geltend gemachten Sanierungsaufwendungen bereits in ihrem Folgebescheid berücksichtigt (so Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2010, 2007; in BFH/NV 2012, 2008, und in BFH/NV 2013, 53; FG Nürnberg in EFG 2013, 100; FG Münster in EFG 2010, 2194; Sächsisches FG in EFG 2012, 1633, und in EFG 2012, 1883; Schmidt/Kulosa, EStG, 33. Aufl., § 7i Rz 7; Kaligin in Lademann, EStG, § 7i EStG Rz 45a; Kleeberg, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 7i Rz C 6; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 7i Rz 6; Kratzsch in Frotscher, EStG, § 7i Rz 43; Bartone in Korn, § 7i EStG Rz 15; Blümich/Erhard, § 7i EStG Rz 44; a.A. Finanzverwaltung, vgl. z.B. Landesamt für Steuern Bayern, Verfügung vom 22. Juli 2011 - S 2198 b.2.1 - 9/9 St 32, Deutsches Steuerrecht 2011, 1761; v. Wedelstädt, AO-Steuerberater 2014, 150).
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Das bedeutet aber nicht, dass die Finanzbehörde trotz fehlenden Grundlagenbescheides (im Streitfall Bescheinigung der Denkmalschutzbehörde) die Aufwendungen --vorläufig-- ansetzen muss: Sie hat lediglich ihr Ermessen auszuüben, ob sie überhaupt einen Folgebescheid bereits erlassen will sowie ob und in welcher Höhe sie die noch fehlenden Grundlagen übernehmen will bzw. aus welchen Gründen sie davon absieht. Falls die Finanzbehörde von der Steuererklärung des Steuerpflichtigen abweichen will, muss sie überprüfbar darlegen, aus welchem Grund die Anerkennung versagt werden soll (so bereits Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 2007, unter II.2.c bb).
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e) Die vom FA und BMF hiergegen geltend gemachten Gründe überzeugen den erkennenden Senat nicht.
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aa) Weder dem Wortlaut des § 155 Abs. 2 AO noch dem des § 162 Abs. 5 AO ist eine Eingrenzung des Anwendungsbereichs auf die Grundlagenbescheide, die von der Finanzverwaltung erlassen werden, zu entnehmen.
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Gemäß § 162 Abs. 5 AO können die "in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen" geschätzt werden. Davon sind alle in einem Grundlagenbescheid feststellbaren Besteuerungsgrundlagen umfasst. Dies sind nicht nur quantitative Feststellungen, sondern insbesondere bei ressortfremden Grundlagenbescheiden auch qualitative Feststellungen. Das zeigt eindrücklich der im Streitfall relevante Grundlagenbescheid nach § 7i Abs. 2 EStG, dessen verbindliche Feststellungen sich auf die Tatbestände des zum Landesrecht gehörenden Denkmalrechts beschränken, nämlich die Denkmaleigenschaft des Gebäudes, sowie darauf, ob die Aufwendungen nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind (vgl. Senatsurteil in BFHE 225, 431, BStBl II 2009, 960, unter II.3.a).
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bb) Auch die Entstehungsgeschichte beider Vorschriften lässt keine Rückschlüsse auf eine Eingrenzung der Schätzungsbefugnis auf quantitative Besteuerungsgrundlagen und die Ausgrenzung ressortfremder Grundlagenbescheide zu.
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Die Regelungen wurden auf Vorschlag des Bundesrates durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 20. August 1980 (BGBl I 1980, 1545) in die Abgabenordnung eingefügt. Grund war, dass die Finanzämter in der damaligen Praxis beim Erlass von Folgebescheiden häufig mit geschätzten Werten gearbeitet hatten, wenn ein an sich erforderlicher Grundlagenbescheid (z.B. über Verlustanteile, Einheitswerte usw.) noch nicht vorlag. An der Zulässigkeit dieses Verfahrens hatte der BFH jedoch in dem Urteil vom 17. Mai 1978 I R 50/77 (BFHE 125, 423, BStBl II 1978, 579) Zweifel geäußert, so dass von Seiten des Bundesrates befürchtet wurde, die allgemeine Bestätigung dieser Zweifel würde zu erheblichen Verzögerungen bei der Steuerfestsetzung führen. Dies hätte --laut Bundesrat-- einerseits schwerwiegende Verzögerungen im Steuereingang und damit vorübergehende Einnahmeausfälle zur Folge gehabt. Andererseits weist der Bundesrat aber auch ausdrücklich darauf hin, dass in vielen Fällen Steuerpflichtige mit Anspruch auf Abschreibungen nach § 7b EStG a.F. nicht mehr zur Einkommensteuer veranlagt werden könnten, bevor nicht der Einheitswert des Gebäudes festgestellt worden sei. Dies würde zu steuerpolitisch nicht vertretbaren Verzögerungen im Erstattungsverfahren führen (vgl. BTDrucks 8/3648, 35). Zur Behebung der bestehenden Rechtsunsicherheiten werde durch Änderungen des § 155 Abs. 2 AO klargestellt, dass ein Steuerbescheid auch dann erteilt werden könne, wenn in einem Grundlagenbescheid gesondert festzustellende Besteuerungsgrundlagen noch nicht festgestellt seien. Korrespondierend damit habe in § 162 Abs. 3 AO (jetzt § 162 Abs. 5 AO) auch klarstellend geregelt werden müssen, dass die Finanzbehörde --wie bisher in der Praxis-- diese Besteuerungsgrundlagen schätzen könne (BTDrucks 8/3648, a.a.O.).
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Die Gesetzgebungsmaterialien nennen zwar nur Grundlagenbescheide, die von anderen Finanzbehörden festgestellt werden, schließen aber ressortfremde Grundlagenbescheide nicht aus. Das in der Gesetzesbegründung aufgeführte Beispiel zeigt zudem, dass die nunmehr gesetzliche Normierung der Schätzungsbefugnis nicht nur der schnelleren Steuererhebung dienen, sondern ebenfalls dadurch zugunsten des Steuerpflichtigen wirken sollte, dass dieser zeitnah Abschreibungsmöglichkeiten nutzen kann.
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cc) Auch die vom BMF vorgebrachten systematischen Gründe erfordern keine Eingrenzung des Anwendungsbereichs der §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO auf Grundlagenbescheide der Finanzbehörden.
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(1) Das BMF äußert zunächst Bedenken, dass es der Finanzverwaltung bei Zugrundelegung der Senatsrechtsprechung verwehrt sei, in eigener Zuständigkeit nicht numerische Tatbestandsmerkmale zu schätzen, während sie im fachfremden Bereich qualitative Besteuerungsgrundlagen schätzen müsse. Das BMF übersieht dabei jedoch, dass sich die --auch die qualitative Merkmale umfassende-- Schätzungsbefugnis gemäß §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO unterschiedslos auf alle Grundlagenbescheide bezieht. Eine Ungleichbehandlung von ressortfremden Grundlagenbescheiden mit denen anderer Finanzbehörden ist damit nicht erkennbar.
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(2) Die Überlegung des BMF, die Schätzung nach §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO sei nicht in allen Fällen als lediglich vorläufig anzusehen, sondern könne auch zur Folge haben, dass die steuerbegünstigende Schätzung der Tatbestandsvoraussetzungen zu Unrecht fortbestehe, wenn nämlich die zuständige (ressortfremde) Behörde überhaupt nicht entscheide oder den Antrag ablehne und die Finanzbehörde davon nicht oder verspätet erfahre, kann im Ergebnis nicht zur Versagung der Schätzungsbefugnis führen.
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Zum einen ist darauf zu verweisen, dass dieses --nicht wünschenswerte-- Ergebnis die mögliche Folge der Regelungen der §§ 155 Abs. 2 AO, 162 Abs. 5 AO ist. Zum anderen kann die Finanzverwaltung den nicht mehr änderbaren Ansatz von materiell unrichtigen Besteuerungsgrundlagen dadurch vermeiden, dass sie von der Möglichkeit Gebrauch macht, den auf §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO gestützten Steuerbescheid im Hinblick auf die geschätzten Besteuerungsgrundlagen gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO für vorläufig zu erklären. Damit kann die Finanzbehörde dann, wenn der Grundlagenbescheid nicht erlassen wird, gemäß § 165 Abs. 2 Satz 1 AO die im "vorauseilenden Folgebescheid" (Buciek, a.a.O., § 162 Rz 282) erfolgte Schätzung korrigieren und die geschätzten Besteuerungsgrundlagen, hier die Sanierungsaufwendungen, wieder außer Ansatz lassen (vgl. auch Buciek, a.a.O., § 162 Rz 282 und § 165 Rz 22). Die durch § 165 Abs. 2 Satz 1 AO ermöglichte anderweitige Festsetzung setzt nicht den Wegfall der Ungewissheit voraus, sondern ergeht im Regelfall unter Fortbestand der tatsächlichen Ungewissheit (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Juli 2004 XI B 189/03, BFH/NV 2005, 206, unter 2.a).
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(3) Es spricht ebenfalls nicht gegen die Anwendung der §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO, dass in diesem Verfahrensstadium eine andere Behörde als die gesetzlich vorgesehene eine Besteuerungsgrundlage (vorläufig) schätzt. Auch dies ist die Konsequenz der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, nach § 155 Abs. 2 AO "vorauseilende Folgebescheide" zu erlassen. Dass es in Ausnahmefällen, wie bei der Gewerbesteuer gemäß Art. 108 Abs. 4 Satz 2 des Grundgesetzes, nicht möglich ist, von §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO Gebrauch zu machen, ändert nichts an dem grundsätzlichen Befund.
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dd) Es bedarf keiner teleologischen Reduktion der §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO dergestalt, dass ressortfremde Grundlagenbescheide nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschriften fallen.
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Dem FA und dem BMF ist zwar zuzugeben, dass sich der Gesetzgeber bewusst dazu entschieden hat, die Kompetenz von Fachbehörden außerhalb der Finanzverwaltung in die Beurteilung von bestimmten Sachverhalten einzubeziehen, um sowohl der Finanzverwaltung die Handhabung zu erleichtern als auch sie für den Steuerpflichtigen berechenbar auszugestalten (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529, unter Rz 32). Eine Schätzung der "ressortfremden" Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 5 AO erfordert daher eine nicht unerhebliche Anstrengung.
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Es ist jedoch zu bedenken, dass der Erlass des Folgebescheides vor dem Ergehen des Grundlagenbescheides verbunden mit der gemäß § 162 Abs. 5 AO möglichen Schätzung der Besteuerungsgrundlagen eine Ermessenentscheidung der Finanzbehörde ist. Bei der Ausübung dieses Ermessens, nämlich der Entscheidung, ob und wie sie ihr Ermessen ausübt, kann und muss die Finanzbehörde berücksichtigen, dass die Schätzung von nichtsteuerlichen Sachverhalten mangels Sachkenntnis schwierig sein kann. Diese Schwierigkeiten allein können indes nicht dazu führen, es der Finanzbehörde generell zu verwehren, auf eine Steuerveranlagung vor dem Erlass des ressortfremden Grundlagenbescheides zu verzichten bzw. es ihr zu gestatten, die ressortfremden Besteuerungsgrundlagen bei einer "vorauseilenden Veranlagung" von vornherein überhaupt nicht anzusetzen.
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ee) Eine teleologische Reduzierung der §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO ist auch nicht insoweit vorzunehmen, dass diese Vorschriften in den Fällen nicht anwendbar sind, in denen durch das Grundlagenverfahren selbst Nachweise geschaffen werden, die ihrerseits materiell-rechtliche Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung sind.
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Zwar weisen das FA und das BMF insoweit zu Recht auf § 38 AO hin und darauf, dass bei dem (Noch-)Nichtvorliegen einer tatbestandlich erforderlichen Bescheinigung (noch) kein Anspruch auf die Steuervergünstigung entstanden ist (BFH-Urteil vom 10. August 1994 II R 103/93, BFHE 175, 288, BStBl II 1994, 951; vgl. auch zu den bei § 162 Abs. 1 und 2 AO unbestrittenen Schätzungsverboten Buciek, a.a.O., § 162 Rz 90; Cöster, a.a.O., § 162, Rz 95 f.; Seer, a.a.O., § 162 Rz 90 f.). Auf der anderen Seite ermöglicht es aber § 155 Abs. 2 AO, einen Folgebescheid vor dem Ergehen eines Grundlagenbescheides zu erlassen.
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Damit stehen sich in der Konstellation, in dem die Bescheinigung ein Grundlagenbescheid ist, zwei Rechtspositionen gegenüber, die es gegeneinander abzuwägen gilt. Auf der einen Seite ist die Verfahrensvereinfachung für die Finanzbehörde zu bedenken, die lediglich das Vorhandensein der entsprechenden Bescheinigung einer sachnäheren Behörde zu prüfen hat. Auf der anderen Seite muss der berechtigte Anspruch des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, bei Vorlage aller erforderlichen Belege die beantragte Steuervergünstigung auch zeitnah in der Steuerveranlagung berücksichtigt zu wissen.
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Nach Auffassung des erkennenden Senats kann diese Interessenkollision nicht dazu führen, dass für die Finanzverwaltung überhaupt keine Möglichkeit besteht, einen "vorauseilenden Folgebescheid" mit einer (vorläufigen) Berücksichtigung der noch nicht nachgewiesenen Besteuerungsgrundlage zu erlassen. Wie bereits dargestellt, kann die Finanzbehörde im Rahmen ihres Ermessens die unterschiedlichen Interessenlagen (z.B. Schwierigkeit der Ermittlung, Bedeutung der Bescheinigung für den Steuerpflichtigen, Verhalten der anderen Behörde u.ä.) im Einzelfall abwägen und auch zu dem Ergebnis kommen, dass sie mangels Nachweises die angestrebte Steuervergünstigung bis zum Erlass eines Grundlagenbescheides vorläufig nicht berücksichtigen will. Sie hat dies lediglich nachvollziehbar darzulegen.
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Für das vom Senat gefundene Abwägungsergebnis spricht zudem, dass ein Steuerpflichtiger --falls §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO in einer solchen Konstellation nicht anwendbar wären-- dadurch schlechter gestellt wäre, dass die Sachverhaltsmerkmale, die zu einer Steuervergünstigung führen, in einem separaten Verfahren einer ressortfremden Behörde geprüft werden und er auf deren Grundlagenbescheid (ggf. lange) zu warten hat. Würde der betreffende steuerlich relevante Umstand nicht durch einen Grundlagenbescheid, sondern im Veranlagungsverfahren selbst geprüft, müsste das FA bereits bei der Steuerfestsetzung die Entscheidung über die Erfüllung der Voraussetzungen einer Steuervergünstigung treffen.
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4. Der erkennende Senat teilt jedoch nicht die Auffassung des FG, das FA habe im Streitfall rechtsfehlerhaft keine Ermessensentscheidung gemäß §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO getroffen.
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a) Während die Auslegung von Verträgen zu der dem FG obliegenden Feststellung der Tatsachen gehört, die der BFH lediglich daraufhin überprüfen kann, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), die Denkgesetze und die Erfahrungssätze zutreffend angewandt worden sind (vgl. z.B. Senatsurteil vom 9. Dezember 2009 X R 41/07, BFH/NV 2010, 860, unter II.3.b), ist die Auslegung des Inhalts von Verwaltungsakten durch das FG im Revisionsverfahren in vollem Umfang nachprüfbar (BFH-Urteil vom 26. November 2009 III R 93/07, BFH/NV 2010, 856).
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b) Bei der dem erkennenden Senat im Streitfall obliegenden Auslegung ist zu berücksichtigen, dass eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung (§ 5 AO) von den Gerichten nur in den von § 102 FGO --ggf. i.V.m. § 121 Satz 1 FGO-- gezogenen Grenzen überprüft werden kann (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603). Nach dieser Vorschrift ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Senatsurteil vom 12. Dezember 2013 X R 39/10, BFH/NV 2014, 670, Rz 13). Ebenfalls liegt ein Ermessensfehler --in Form der Ermessensunterschreitung-- vor, wenn die Behörde das Ermessen, das ihr nach dem Gesetz eingeräumt ist, überhaupt nicht ausübt. Auch insoweit unterliegt die nach Ermessen zu treffende Entscheidung der gerichtlichen Nachprüfung gemäß § 102 FGO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 2. November 1994 VII R 94/93, BFH/NV 1995, 754). Wegen der Befugnis und Verpflichtung des Gerichts zur Überprüfung behördlicher Ermessensentscheidungen müssen die bei der Ausübung des Verwaltungsermessens angestellten Erwägungen aus der Entscheidung erkennbar sein (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 2. September 2010 VI R 3/09, BFHE 230, 500, BStBl II 2011, 233, unter II.2.c, m.w.N.).
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c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das FA nach Ansicht des erkennenden Senats in der Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 2011 sein Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Zwar hat es zunächst ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder der Auffassung sei, eine Berücksichtigung der Steuerbegünstigung nach § 10f EStG komme im Rahmen einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ohne Vorlage der gesetzlich geforderten Bescheinigung --entgegen der Senatsrechtsprechung-- nicht in Betracht.
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In einem weiteren Begründungsstrang hat das FA aber --insoweit der Senatsrechtsprechung folgend-- Ermessensüberlegungen angestellt und begründet, warum es im Streitfall insbesondere unter Hinweis auf die von den Klägern vorgelegten Unterlagen, die keine Informationen darüber enthielten, auf welche einzelnen Baumaßnahmen sich die in dem Antrag genannten Sanierungskosten in Höhe von 392.452 € konkret bezogen, nicht habe ausschließen können, dass es sich um Aufwendungen gehandelt habe, die nicht gemäß §§ 10f, 7i EStG begünstigt seien. Unter Berücksichtigung der fehlenden eigenen Sachkunde, der Tatsache, dass der erforderliche Grundlagenbescheid auch im Rechtsbehelfsverfahren noch nicht vorgelegt werden konnte, sowie der Gefahr von ungerechtfertigten Steuervergütungen hat das FA entschieden, die Steuerermäßigung nach § 10f EStG im Streitfall erst bei Vorlage der Bescheinigung des Denkmalamtes zu gewähren. Der erkennende Senat sieht diese Begründung als nachvollziehbar und ausreichend an.
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d) Damit kommt es nicht mehr darauf an, dass das FG zu Unrecht von einer eigenen Schätzungsbefugnis gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO ausgegangen ist. Bei einer Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung gemäß §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO ist für eine finanzgerichtliche Schätzung gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO kein Raum.
(1)1Bei einem im Inland belegenen Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, kann der Steuerpflichtige abweichend von § 7 Absatz 4 und 5 im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils bis zu 9 Prozent und in den folgenden vier Jahren jeweils bis zu 7 Prozent der Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind, absetzen.2Eine sinnvolle Nutzung ist nur anzunehmen, wenn das Gebäude in der Weise genutzt wird, dass die Erhaltung der schützenswerten Substanz des Gebäudes auf die Dauer gewährleistet ist.3Bei einem im Inland belegenen Gebäudeteil, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, sind die Sätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.4Bei einem im Inland belegenen Gebäude oder Gebäudeteil, das für sich allein nicht die Voraussetzungen für ein Baudenkmal erfüllt, aber Teil einer Gebäudegruppe oder Gesamtanlage ist, die nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften als Einheit geschützt ist, kann der Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen von den Herstellungskosten für Baumaßnahmen vornehmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des schützenswerten äußeren Erscheinungsbildes der Gebäudegruppe oder Gesamtanlage erforderlich sind.5Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen im Jahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den folgenden elf Jahren auch für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Baumaßnahmen im Sinne der Sätze 1 bis 4 entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind.6Die Baumaßnahmen müssen in Abstimmung mit der in Absatz 2 bezeichneten Stelle durchgeführt worden sein.7Die erhöhten Absetzungen können nur in Anspruch genommen werden, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten nicht durch Zuschüsse aus öffentlichen Kassen gedeckt sind.8§ 7h Absatz 1 Satz 5 ist entsprechend anzuwenden.
(2)1Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen nur in Anspruch nehmen, wenn er durch eine nicht offensichtlich rechtswidrige Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen oder von der Landesregierung bestimmten Stelle die Voraussetzungen des Absatzes 1 für das Gebäude oder Gebäudeteil und für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nachweist.2Hat eine der für Denkmalschutz oder Denkmalpflege zuständigen Behörden ihm Zuschüsse gewährt, so hat die Bescheinigung auch deren Höhe zu enthalten; werden ihm solche Zuschüsse nach Ausstellung der Bescheinigung gewährt, so ist diese entsprechend zu ändern.
(3) § 7h Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.
Tenor
I. Unter Abänderung von Ziffer I. Satz 2 des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 8. Oktober 2012 wird die Klage insgesamt abgewiesen.
II. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Klägerin 18/35 und der Beklagte 17/35 zu tragen, die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
IV. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 28.413 Euro festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 1 GKG).
(1)1Bei einem im Inland belegenen Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, kann der Steuerpflichtige abweichend von § 7 Absatz 4 und 5 im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils bis zu 9 Prozent und in den folgenden vier Jahren jeweils bis zu 7 Prozent der Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind, absetzen.2Eine sinnvolle Nutzung ist nur anzunehmen, wenn das Gebäude in der Weise genutzt wird, dass die Erhaltung der schützenswerten Substanz des Gebäudes auf die Dauer gewährleistet ist.3Bei einem im Inland belegenen Gebäudeteil, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, sind die Sätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.4Bei einem im Inland belegenen Gebäude oder Gebäudeteil, das für sich allein nicht die Voraussetzungen für ein Baudenkmal erfüllt, aber Teil einer Gebäudegruppe oder Gesamtanlage ist, die nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften als Einheit geschützt ist, kann der Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen von den Herstellungskosten für Baumaßnahmen vornehmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des schützenswerten äußeren Erscheinungsbildes der Gebäudegruppe oder Gesamtanlage erforderlich sind.5Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen im Jahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den folgenden elf Jahren auch für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Baumaßnahmen im Sinne der Sätze 1 bis 4 entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind.6Die Baumaßnahmen müssen in Abstimmung mit der in Absatz 2 bezeichneten Stelle durchgeführt worden sein.7Die erhöhten Absetzungen können nur in Anspruch genommen werden, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten nicht durch Zuschüsse aus öffentlichen Kassen gedeckt sind.8§ 7h Absatz 1 Satz 5 ist entsprechend anzuwenden.
(2)1Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen nur in Anspruch nehmen, wenn er durch eine nicht offensichtlich rechtswidrige Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen oder von der Landesregierung bestimmten Stelle die Voraussetzungen des Absatzes 1 für das Gebäude oder Gebäudeteil und für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nachweist.2Hat eine der für Denkmalschutz oder Denkmalpflege zuständigen Behörden ihm Zuschüsse gewährt, so hat die Bescheinigung auch deren Höhe zu enthalten; werden ihm solche Zuschüsse nach Ausstellung der Bescheinigung gewährt, so ist diese entsprechend zu ändern.
(3) § 7h Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.
Tenor
I. Unter Abänderung von Ziffer I. Satz 2 des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 8. Oktober 2012 wird die Klage insgesamt abgewiesen.
II. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Klägerin 18/35 und der Beklagte 17/35 zu tragen, die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
IV. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 28.413 Euro festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 1 GKG).
(1)1Bei einem im Inland belegenen Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, kann der Steuerpflichtige abweichend von § 7 Absatz 4 und 5 im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils bis zu 9 Prozent und in den folgenden vier Jahren jeweils bis zu 7 Prozent der Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind, absetzen.2Eine sinnvolle Nutzung ist nur anzunehmen, wenn das Gebäude in der Weise genutzt wird, dass die Erhaltung der schützenswerten Substanz des Gebäudes auf die Dauer gewährleistet ist.3Bei einem im Inland belegenen Gebäudeteil, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, sind die Sätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.4Bei einem im Inland belegenen Gebäude oder Gebäudeteil, das für sich allein nicht die Voraussetzungen für ein Baudenkmal erfüllt, aber Teil einer Gebäudegruppe oder Gesamtanlage ist, die nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften als Einheit geschützt ist, kann der Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen von den Herstellungskosten für Baumaßnahmen vornehmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des schützenswerten äußeren Erscheinungsbildes der Gebäudegruppe oder Gesamtanlage erforderlich sind.5Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen im Jahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den folgenden elf Jahren auch für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Baumaßnahmen im Sinne der Sätze 1 bis 4 entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind.6Die Baumaßnahmen müssen in Abstimmung mit der in Absatz 2 bezeichneten Stelle durchgeführt worden sein.7Die erhöhten Absetzungen können nur in Anspruch genommen werden, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten nicht durch Zuschüsse aus öffentlichen Kassen gedeckt sind.8§ 7h Absatz 1 Satz 5 ist entsprechend anzuwenden.
(2)1Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen nur in Anspruch nehmen, wenn er durch eine nicht offensichtlich rechtswidrige Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen oder von der Landesregierung bestimmten Stelle die Voraussetzungen des Absatzes 1 für das Gebäude oder Gebäudeteil und für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nachweist.2Hat eine der für Denkmalschutz oder Denkmalpflege zuständigen Behörden ihm Zuschüsse gewährt, so hat die Bescheinigung auch deren Höhe zu enthalten; werden ihm solche Zuschüsse nach Ausstellung der Bescheinigung gewährt, so ist diese entsprechend zu ändern.
(3) § 7h Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks mit der Straßenbezeichnung U. Hof 2 in I. -I1. , das in einem Wohngebiet liegt. Das Grundstück ist mit einem zweigeschossigen Mehrfamilienwohnhaus mit drei Wohneinheiten bebaut, das mit einer Baugenehmigung aus dem Jahr 1969 errichtet worden ist. Dieses Wohnhausgrundstück wird an drei Seiten von Straßen begrenzt, und zwar im Nordwesten und im Südwesten von der Straße U. Hof sowie im Südosten von der C. Straße.
3Auf dem Grundstück des Klägers stehen insgesamt drei Garagen. Eine Einzelgarage, deren Errichtung zugleich mit dem Bau des Wohnhauses im Jahr 1969 genehmigt wurde, ist an die nordöstliche Hauswand angebaut und hat ihre Zufahrt zur Straße U. Hof. Im südöstlichen, rückwärtigen Grundstücksbereich wurde im Jahr 1977 mit bauaufsichtlicher Genehmigung eine Doppelgarage errichtet, deren Zufahrt zur C. Straße ausgerichtet ist. Die Errichtung einer weiteren Garage als Anbau an die südwestliche Gebäudeseite des Hauses U. Hof 2 und mit Ausfahrt zu dieser Straße wurde 1993 bauaufsichtlich genehmigt. Vor diesen Garagen ist der Gehweg an der Straße jeweils abgesenkt.
4Unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers sind ferner zwei weitere - mit Rasengittersteinen befestigte - Stellplätze zwischen den beiden bestehenden Garagenzufahrten und dem mittig, rechtwinklig zur Straße U. Hof verlaufenden Hauszugangsweg angelegt, die zu dieser Straße zeigen.
5Unter dem 8. Februar 2008 äußerte der Kläger gegenüber der Beklagten folgendes Anliegen: „ich bitte um Absenkung des Randsteines vor meinem Objekt U. Hof 2. Beseitigung der Stolperkante und Erleichterung für die Müllabfuhr. s. Schreiben vom 13.08.1992“. Beigefügt war die Kopie einer Flurkarte, in der die nordwestliche Grenze des Grundstücks des Klägers entlang der Straße U. Hof auf einer Länge von rund 12 m gelb markiert ist.
6Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 29. April 2008 mit, dass seine Bitte, den Bordstein auf der Nordwestseite seines Grundstücks in der gesamten Länge zwischen den Überfahrten abzusenken und Stellplätze zu errichten, als Antrag auf Bordsteinabsenkung bearbeitet werde.
7Mit Bescheid vom 16. Juli 2008 lehnte die Beklagte nach vorheriger Anhörung des Klägers dessen Antrag auf Errichtung einer vierten Gehwegabsenkung ab. Zur Begründung führte die Beklagte insbesondere aus: Die beantragte Erlaubnis diene der Erreichbarkeit eines weiteren Einstellplatzes. Bei Vorhandensein von vier Garagen und drei Gehwegabsenkungen liege eine ausreichende Erschließung vor. Der Antrag auf Erlaubnis zur Anlegung einer Gehwegüberfahrt sei als Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zu werten. Die angestrebte Nutzung sei weder Gemeingebrauch noch Anliegergebrauch. Die angestrebte Nutzung des zur öffentlichen Straße gehörenden Schutzstreifens zur Überfahrt und die dazu notwendige Absenkung des Bordsteins und die technische Anpassung der Bordanlage widersprächen dem straßenrechtlichen Widmungszweck der Straße. Für die Nutzung des Grundstücks sei sie nicht erforderlich, weil es bereits über drei Gehwegabsenkungen verfüge und damit eine grundsätzliche Benutzung gesichert sei. Die getroffene Entscheidung sei auch erforderlich, um den ohnehin knappen Parkraum nicht noch weiter einzuschränken.
8Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht: Die Bordsteinabsenkung erweise sich auch unter Beachtung der öffentlichen Interessen als zweckmäßig bzw. rechtlich erforderlich. Mit Blick auf den enormen Parkdruck und das häufige Parken auf der gegenüberliegenden Straßenseite werde die Befahrbarkeit der Straße U. Hof nach Durchführung der Bordsteinabsenkung erleichtert und so die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gewährleistet. Auch die Müllabfuhr werde erleichtert. Er - der Kläger- laufe nicht mehr Gefahr, an seinem Pkw die Felgen zu beschädigen, wenn er zu seiner Garage fahre. Eine „Stolperkante“ werde beseitigt. Bereits vorhandene Gehwegüberfahrten vor seinem Grundstück könnten ihm ebenso wenig entgegengehalten werden wie das Vorhandensein von vier bereits bestehenden Garagen; sein Grundstück sei an drei Seiten von Straßen umgeben. Seine Garagen dienten dazu, den Parkdruck, der bereits zu Auseinandersetzungen geführt habe, zu mindern. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite gebe es eine 8 m breite Bordsteinabsenkung.
9Der Kläger hat beantragt,
10die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides vom 16. Juli 2008 zu verpflichten, ihm die beantragte Genehmigung zur Gehwegabsenkung für sein Grundstück Gemarkung I2. -hausen, Flur 14, Flurstück 560, zu erteilen.
11Die Beklagte hat beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie hat auf den angegriffenen Ablehnungsbescheid Bezug genommen und ergänzend darauf verwiesen, dass bei dem Grundstück des Klägers bereits jetzt eine ausreichende Erschließung mit Zufahrten gesichert sei. Es stünden nicht viele Parkplätze für die Allgemeinheit zur Verfügung. Durch Anlegung einer erneuten Gehwegabsenkung würde der Allgemeinheit zumindest ein weiterer Parkplatz entzogen.
14Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 13. März 2012 abgewiesen und zur Begründung insbesondere ausgeführt, die Absenkung des Gehwegs überschreite den straßenrechtlichen Gemeingebrauch und unterfalle auch nicht dem Anliegergebrauch. Die erforderliche Sondernutzungserlaubnis habe die Beklagte ermessensfehlerfrei abgelehnt.
15Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung macht der Kläger unter Bezugnahme auf sein Vorbringen erster Instanz ergänzend geltend: Das Recht des Grundstückseigentümers, ohne Umwege von der öffentlichen Straße auf sein Grundstück fahren zu können, sei klassischerweise dem Anliegergebrauch und nicht dem Sondernutzungsrecht zuzuordnen. Der Anlieger habe stärkere Rechte als die sonstigen Nutzer der Straße, jedenfalls wenn es um direkte Zufahrten von der Straße zu seinem Grundstück gehe. Für Grundstücke, die mit drei von vier Seiten an Straßen grenzten, müssten andere Maßstäbe gelten als für die „Normallage“ eines Grundstücks. Es bedürfe nicht der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis, allenfalls einer zivilrechtlichen Gestattung der Beklagten zur Bordsteinabsenkung. Andernfalls sei im Falle eines Genehmigungserfordernisses unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - auf der gegenüberliegenden Straßenseite sei eine 8 m lange Bordsteinabsenkung vorhanden -, wegen des außergewöhnlichen Zuschnitts seines Grundstücks, des enormen Parkdrucks im gesamten Wohnquartier und mit Blick auf die Selbstbindung der Verwaltung eine Ermessensreduzierung auf Null gegeben, weshalb eine ablehnende Entscheidung der Beklagten ermessensfehlerhaft sei. Unerträgliche Verhältnisse lägen wegen der Parkraumsituation auch bei der Müllabfuhr vor. Ein Straßenbaulastträger könne jedenfalls bei reinen Wohnstraßen den Bürgersteig mit einem Flachbord anstelle eines Hochbords anlegen.
16Der Kläger beantragt,
17das angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen, dass die von ihm beabsichtigte Absenkung des Gehwegs an der Straße U. Hof in I. vor der nordwestlichen Seite des Grundstücks U. Hof 2 in einer Länge gemäß dem Lageplan Blatt 4 der Beiakte Heft 1 vom Anliegergebrauch im Sinne des § 14a StrWG NRW gedeckt ist und keiner straßenrechtlichen Genehmigung oder Zustimmung bedarf,
18hilfsweise,
19das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides vom 16. Juli 2008 zu verpflichten, ihm die beantragte Genehmigung zur Absenkung des Gehwegs an der Straße U. Hof in I. vor der nordwestlichen Seite des Grundstücks U. Hof 2 in einer Länge gemäß dem Lageplan Blatt 4 der Beiakte Heft 1 zu erteilen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Die Absenkung des Gehwegs zwecks Befahrbarkeit eines im Vorgarten befindlichen Stellplatzes sei weder Gemeingebrauch noch Anliegergebrauch, vielmehr eine Sondernutzung. Ein Anspruch auf eine optimale Anbindung werde nicht garantiert. Das Grundstück des Klägers verfüge angesichts vorhandener Garagen und Zufahrten über eine ausreichende Erschließung. Eine zusätzliche Gehwegabsenkung führe zu einer weiteren Einschränkung des knappen öffentlichen Parkraums.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe:
25Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
26Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist auch mit ihrer in der Berufungsinstanz modifizierten Antragstellung zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat weder den mit dem Hauptantrag verfolgten Anspruch auf die Feststellung, dass er für die beabsichtigte Absenkung des Gehwegs vor seinem Anwesen keiner Genehmigung oder Zustimmung bedarf, noch kann er mit Erfolg die hilfsweise verfolgte Verpflichtung der Beklagten verlangen, ihm für das Vorhaben eine Sondernutzungserlaubnis zu erteilen.
27I. Der im Berufungsverfahren gestellte Hauptantrag, der auf die Feststellung gerichtet ist, dass die vom Kläger beabsichtigte Absenkung des Gehwegs an der Straße U. Hof vor der nordwestlichen Seite seines Grundstücks vom Anliegergebrauch im Sinne des § 14a StrWG NRW gedeckt ist und keiner straßenrechtlichen Genehmigung oder Zustimmung bedarf, ist zulässig, aber nicht begründet.
281. Der Feststellungsantrag ist zulässig.
29a) Der Feststellungsantrag ist zwar erstmals im Berufungsverfahren in der Berufungsbegründung mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2013 gestellt worden. Gegen die Änderung des Klageantrages bestehen unter dem Blickwinkel einer Klageänderung (vgl. §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 91 Abs. 1 VwGO) keine Zulässigkeitsbedenken. Eine Klageänderung ist im Grundsatz auch noch im Berufungsverfahren zulässig.
30Vgl. etwa Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 19. Aufl. 2013, § 91 Rn. 21.
31Die Beklagte hat sich ohne Widerspruch im Sinne der §§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 91 Abs. 1 und 2 VwGO mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2013 auf die geänderte Klage eingelassen. Unabhängig davon wäre eine Klageänderung nach Auffassung des Senats gemäß den §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 91 Abs. 1 VwGO auch sachdienlich. Der Streitstoff bleibt im Wesentlichen der Gleiche, zudem würde für den Fall, dass der Kläger für sein Vorhaben keine behördliche Genehmigung (im weiteren Sinne) benötigen sollte, die endgültige Beilegung des Streits gefördert.
32b) Die Feststellungsklage ist auch im Übrigen zulässig. Ein Straßenanlieger kann im Wege einer (negativen) Feststellungsklage nach § 43 VwGO die Feststellung verlangen, dass er für die Anlegung einer Zufahrt von seinem an der öffentlichen Straße gelegenen Grundstück zu dieser Straße keiner Sondernutzungserlaubnis nach § 18 StrWG NRW bedarf.
33Vgl. zu § 8a FStrG etwa Sauthoff, in: Müller/Schulz, Bundesfernstraßengesetz mit Bundesfernstraßenmautgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 8a FStrG Rn. 14; zur Feststellungsklage beim fernstraßenrechtlichen Anbauverbot: OVG NRW, Urteile vom 2. Februar 1995 - 23 A 2811/93 -, n. v., S. 7 f. des amtl. Umdrucks, und vom 7. August 1998 - 23 A 3610/95 -, n. v., S. 9 f. des amtl. Umdrucks; zum landesstraßenrechtlichen Anbauverbot OVG NRW, Urteil vom 4. Dezember 2000 - 11 A 2007/98 -, juris, Rn. 13 und 32 ff.
34c) Des Weiteren hat der Kläger das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der alsbaldigen Feststellung, für die Gehwegabsenkung keiner behördlichen Genehmigung zu bedürfen. Das berechtigte Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Beklagte von der Erlaubnisbedürftigkeit der Maßnahme als Sondernutzung im Sinne des § 18 StrWG NRW ausgeht, während der Kläger die Auffassung vertritt, die Anlegung der Bordsteinabsenkung sei erlaubnisfrei. Angesichts dessen und der Tatsache, dass eine unerlaubte Sondernutzung eine (Dauer-)Ordnungswidrigkeit ist (vgl. § 59 Abs. 1 Nr. 1 StrWG NRW), besteht ein anerkennenswertes Interesse des Klägers, eine gerichtliche Klärung der Erlaubnisbedürftigkeit der von ihm geplanten Gehwegabsenkung herbeizuführen.
35d) Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht auch nicht § 43 Abs. 2 Satz 1 entgegen, wonach die Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Eine Verpflichtungsklage kann dem Kläger als Hauptbegehren nicht angesonnen werden, weil er sich gerade der Genehmigungsfreiheit seines Vorhabens berühmt.
36e) Die weitere sich aufdrängende Frage, ob für die Feststellungsklage des Klägers nicht das für jede Klage erforderliche allgemeine Rechtsschutzinteresse fehlt, kann der Senat im Ergebnis offen lassen.
37Es spricht zwar Erhebliches für die Annahme, dass der Klage mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung der Erfolg versagt werden müsste. Denn mit der vom Kläger geplanten Erschließung der beiden bereits angelegten und mit Rasengittersteinen befestigten Stellplätze vor seinem Wohnhaus durch eine Zufahrt zur Straße U. Hof hin würde ein baurechtswidriger Zustand perpetuiert. Die beiden Stellplätze im Vorgartenbereich des Wohnhauses des Klägers links und rechts des Hauszuganges dürften unbeschadet der Tatsache, dass sie mit Rasengittersteinen gepflastert sind, der bestandkräftigen und im Übrigen vom Kläger - soweit für ihn günstig - auch ausgenutzten Baugenehmigung vom 3. September 1969 für den Neubau eines Wohnhauses und einer Garage (vgl. den Bauschein in Beiakte Heft 5) widersprechen. Als Nebenbestimmung zu dieser Baugenehmigung bestimmt die „Besondere Auflage“ Nr. 9 nämlich Folgendes: „Der Vorgarten ist als Dauergrünfläche anzulegen und dauernd zu unterhalten. Als Begrenzung zum Straßenraum sind nur Rasenkantensteine zugelassen“. Stellplätze im Vorgarten, und seien sie mit Rasengittersteinen befestigt, sind nach allgemeinem Sprachgebrauch keine „Dauergrünfläche“.
38Den vorstehend aufgezeigten Bedenken muss im Ergebnis aber nicht weiter nachgegangen werden, weil die Klage aus materiell-rechtlichen Gründen des Straßenrechts nicht durchdringen kann.
392. Die Feststellungsklage ist nicht begründet.
40Die vom Kläger geplante bauliche Veränderung der öffentlichen Straße U. Hof durch eine Absenkung des zur öffentlichen Straße gehörenden Gehwegs vor der nordwestlichen Seite seines Grundstücks wird weder vom straßenrechtlichen Gemeingebrauch (§ 14 StrWG NRW) erfasst noch ist sie vom Anliegergebrauch (§ 14a StrWG NRW) gedeckt. Die Maßnahme stellt vielmehr eine Sondernutzung dar, die nach § 18 StrWG NRW einer Erlaubnis der Beklagten bedarf.
41a) Die Straße U. Hof ist in dem hier in Rede stehenden Bereich nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten eine gewidmete öffentliche Straße der beklagten Stadt. Sie dürfte nach den vorliegenden Plänen und dem zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Luftbildmaterial
42- vgl. https://maps.google.de, Suchwort: „U1. Hof, I. “ -
43als Gemeindestraße, bei der die Belange der Erschließung der anliegenden Grundstücke überwiegen, zu bewerten sein (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 StrWG NRW). Zur öffentlichen Straße gehören gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. b) StrWG NRW unter anderem auch die Gehwege, erst recht wenn diese Gehwege mit der für den Kraftfahrzeugverkehr bestimmten Fahrbahn gleichlaufen, was hier bei dem in Rede stehenden Straßengrundstück durch die dem Senat vorliegenden Lichtbilder (Bl. 76 ff. und 128 ff. der Gerichtsakte) anschaulich belegt wird.
44b) Der Kläger plant die Anlegung einer weiteren Zufahrt durch Absenkung des Gehweges zur Erreichbarkeit der zwei zusätzlichen vor seinem Haus angelegten Stellplätze, die nach den aus dem Lageplan Bl. 4 der Beiakte Heft 1 abgegriffenen Maßen rund 12 m lang sein soll.
45Zufahrten sind nach der Legaldefinition des § 20 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW die für die Benutzung mit Kraftfahrzeugen bestimmten Verbindungen von anliegenden Grundstücken mit Straßen. Für den Begriff der Zufahrt ist es gleichgültig, ob dafür eine besondere Anlage (Grabenbrücke, Rampe, besondere Befestigung des Randstreifens oder des Gehweges etc.) erforderlich ist oder nicht.
46Vgl. zum Bundesfernstraßenrecht auch Teil A Nr. 4. der Richtlinien für die Benutzung der Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes (Nutzungsrichtlinien), eingeführt durch Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 5/2013 vom 26. März 2013 (im Folgenden: Nutzungsrichtlinien 2013), VkBl. 2013 S. 396.
47Das hier maßgebliche Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen regelt das Rechtsregime der Zufahrten innerhalb der geschlossenen Ortslage im Sinne von § 5 StrWG NRW nicht ausdrücklich. Gleiches gilt für das das in ähnlichen Fällen bei Bundesstraßen im engeren Sinne (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 FStrG) - Bundesautobahnen sind von Gesetzes wegen frei von Privatzufahrten (vgl. § 1 Abs. 3 FStrG) - anwendbare Bundesfernstraßengesetz.
48Vgl. Fickert, Straßenrecht in Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 3. Aufl. 1989, § 20 Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1972 - IV C 112.68 -, Buchholz 407.4 § 7 FStrG Nr. 8, S. 7.
49Nur für die Anlage neuer oder die wesentliche Änderung bestehender Zufahrten oder Zugänge zu einer Landesstraße oder einer Kreisstraße außerhalb von Ortsdurchfahrten bestimmt § 20 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW, dass solche Vorgänge als Sondernutzung gelten. Gleiches gilt auch für Bundesstraßen außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten (vgl. § 8a Abs. 1 FStrG).
50c) Die Anlage einer Zufahrt von einem Anliegergrundstück zu einer Gemeindestraße innerhalb der Ortsdurchfahrt gehört nicht zum straßenrechtlichen Gemeingebrauch im Sinne des § 14 Abs. 1 StrWG NRW. Nach der in dieser Vorschrift enthaltenen Legaldefinition des Gemeingebrauchs ist der Gebrauch der öffentlichen Straßen jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften gestattet. Die Zufahrt von einem Grundstück zu einer Straße erfordert eine besondere räumliche Beziehung zwischen der Straße und dem mit ihr verbundenen Grundstück. Nur derjenige, der über ein solches in Betracht kommendes Grundstück verfügt, kann dementsprechend eine Zufahrt nehmen bzw. verlangen. Unter Berufung auf den Gemeingebrauch ist daher auch innerhalb der Ortsdurchfahrt nicht schlechthin „jedermann“ im Sinne des § 14 Abs. 1 StrWG NRW berechtigt, erlaubnisfrei eine Zufahrt zu einer Straße anzulegen bzw. zu benutzen.
51Vgl. zum Bundesfernstraßenrecht BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1972 - IV C 112.68 -, Buchholz 407.4 § 7 FStrG Nr. 8, S. 8.
52d) Die Möglichkeit einer Zufahrt zu einer Gemeindestraße gehört nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats zum nordrhein-westfälischen Straßenrecht im Grundsatz zum Anliegergebrauch im Sinne des § 14a Abs. 1 StrWG NRW. Hiernach dürfen Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, die an einer öffentlichen Straße gelegen sind (Straßenanlieger), innerhalb der geschlossenen Ortslage die an die Grundstücke angrenzenden Straßenteile über den Gemeingebrauch hinaus benutzen, soweit diese Benutzung zur Nutzung des Grundstücks erforderlich ist, den Gemeingebrauch nicht dauernd ausschließt oder erheblich beeinträchtigt oder in den Straßenkörper eingreift. Diese Bestimmung gewährleistet vor allem den Zugang zur Straße und die Zugänglichkeit des Grundstücks von der Straße her.
53Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Juli 2008 - 11 A 125/06 -, n. v., S. 3 des amtl. Umdrucks, und vom 22. Juli 2010 - 11 A 1864/09 -, n. v. S. 4 des amtl. Umdrucks; so auch (inzident) BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 1981 - 7 C 67.79 -, BVerwGE 64, 176 (184).
54Auch im Geltungsbereich des Bundesfernstraßenrechts sind Zufahrten innerhalb der Ortsdurchfahrten nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Straßennutzungen im Rahmen des grundsätzlich erlaubnisfreien (gesteigerten) Gemeingebrauchs zu rechnen, der auch als Anliegergemeingebrauch bezeichnet wird,
55vgl. BVerwG, Urteile vom 15. März 1968 - IV C 232.65 -, Buchholz 407.4 § 7 FStrG Nr. 1, S. 1, vom 15. Dezember 1972 - IV C 112.68 -, Buchholz 407.4 § 7 FStrG Nr. 8, Leitsatz 1, S. 5, und S. 7 ff., vom 28. August 1987 - 4 C 54 - 55.83 -, BVerwGE 78, 79 (81), und vom 30. Juni 1989 - 4 C 40.88 -, BVerwGE 82, 185 (186 f.); siehe auch Nutzungsrichtlinien 2013, Teil B Nr. 11.8.1,
56da - anders als im hier maßgeblichen nordrhein-westfälischen Landesstraßenrecht gemäß § 14a Abs. 1 StrWG NRW - der Begriff des Anliegergebrauchs im Bundesfernstraßengesetz nicht ausdrücklich definiert ist.
57Die Beurteilung, dass Zufahrten zu einer Gemeindestraße zum Anliegergebrauch nach § 14a StrWG NRW gehören, steht nicht im Widerspruch zu § 20 StrWG NRW. Der Gesetzgeber hat zwar anlässlich der Normierung des § 14a StrWG NRW durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Landesstraßengesetzes (2. LStrÄndG) vom 5. Juli 1983, GV. NRW. S. 240, auf Folgendes hingewiesen: „Vom gesteigerten Gemeingebrauch des Anliegers ist zu unterscheiden die rechtlich geschützte Lage am öffentlichen Verkehrsweg. Für letztere gelten die Bestimmungen des § 20 (Straßenanlieger, Zufahrten, Zugänge)“.
58Vgl. LT-Drucks. 9/860, S. 63.
59Abgesehen davon, dass diese Gesetzesbegründung mehrdeutig ist, hat der Gesetzgeber aber ersichtlich nicht regeln wollen, dass für alle Zufahrten und Zugänge ausschließlich § 20 StrWG NRW maßgeblich sein soll. Denn durch den Hinweis in § 14a Abs. 2 StrWG NRW auf § 20 Abs. 5 StrWG NRW hat er auch verdeutlicht, dass Zufahrten und Zugänge zum Anliegergebrauch gehören und damit auch der Einschränkung des § 14a Abs. 1, letzter Halbsatz StrWG NRW - kein erlaubnisfreier Anliegergebrauch bei einem Eingriff in den Straßenkörper - unterliegen.
60Insofern mag, ohne dass dies hier wegen der ausschließlichen Geltung landesrechtlicher Bestimmungen weiter vertieft zu werden bräuchte, ein Unterschied zum Bundesfernstraßenrecht bestehen. Dort hat derjenige, der Arbeiten an einer Straße im Zusammenhang mit einer Zufahrt, die nicht auf einer Sondernutzungserlaubnis nach § 8 Abs. 1 FStrG beruht, vornehmen will, wohl nur eine vorherige Zustimmung der Straßenbaubehörde gemäß § 8a Abs. 3 FStrG i. V. m. § 8 Abs. 2a Satz 2 FStrG einzuholen.
61Vgl. hierzu etwa Grupp, in: Marschall, Bundesfernstraßengesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2012, § 8a Rn. 22 ff.; Sauthoff, in Müller/Schulz, Bundesfernstraßengesetz mit Bundesfernstraßenmautgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 8a FStrG Rn. 14; Teil B Nr. 11.8.2 der Nutzungsrichtlinien 2013.
62e) Das Vorhaben des Klägers, eine weitere Zufahrt zur Erschließung der beiden Stellplätze vor seinem Wohnhaus durch Absenkung des Gehweges anzulegen, wird indes nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falles nicht mehr vom Anliegergebrauch nach § 14a Abs. 1 StrWG NRW erfasst. Die vom Kläger geplante Maßnahme ist bei wertender Betrachtungsweise als ein rechtlich einheitlich zu beurteilender Vorgang anzusehen. Dieser kann nicht in die selbstständigen Teilschritte „Zufahrt“ einerseits und „Absenkung des Gehwegs“ andererseits aufgespaltet werden, weil es sich um ein einheitliches Geschehen mit zwei unselbstständigen Teilschritten handelt.
63Die Anlegung der Gehwegabsenkung für die Zufahrt zu den beiden Stellplätzen überschreitet die Grenzen des § 14a Abs. 1 StrWG NRW, weil sie zum einen nicht „erforderlich“ im Sinne dieser Bestimmung ist und zum anderen einen Eingriff in den Straßenkörper erfordert.
64(1) Die Anlegung der Gehwegabsenkung ist nicht im Sinne des § 14a Abs. 1 StrWG NRW „erforderlich“. Die Frage, wann die Anlegung einer (weiteren) Zufahrt „erforderlich“ im Sinne dieser Bestimmung ist, lässt sich nur auf Grund der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles unter Betrachtung der Situation, in die das Anliegergrundstück eingebunden ist, beantworten.
65Die hier geplante Gehwegabsenkung ist nicht mehr erforderlich, weil das Grundstück des Klägers schon durch ausreichend Zufahrten zu einer genügenden Anzahl von Stellplätzen erschlossen ist. Es sind bereits drei Gehwegabsenkungen vorhanden. Eine dieser Gehwegabsenkungen an der C. Straße dient der Zuwegung zu der Doppelgarage im südöstlichen Teil des klägerischen Grundstücks. Zwei weitere Gehwegabsenkungen an der Straße U. Hof sind zur Erschließung der beiden an das Wohnhaus des Klägers angebauten Einzelgaragen angelegt. Angesichts der Länge des Stauraumes vor der Garage an der nordöstlichen Hauswand besteht dort auch noch die Möglichkeit, ein weiteres Kraftfahrzeug mit üblichen Abmessungen (kurzfristig) abzustellen, wenn der Stellplatz in der Garage aktuell nicht angefahren wird (vgl. die Lichtbilder Bl. 76, 78 und 128 der Gerichtsakte). Drei Zufahrten zur Erschließung von vier bzw. - je nach Belegung des einen Garagenstellplatzes - fünf Möglichkeiten, ein Kraftfahrzeug abzustellen, sind bei einen Wohnhaus mit drei Wohneinheiten jedenfalls ausreichend, um dem Anliegergebrauch nach § 14a Abs. 1 StrWG NRW Genüge zu tun. Der Umstand, dass der Kläger ein „Drei-Seiten-Grundstück“ besitzt und damit von den Erschließungsbeiträgen möglicherweise stärker belastet ist als andere Grundstückseigentümer, ist unter den straßenrechtlichen Gesichtspunkten des Anliegergebrauchs irrelevant.
66Die Beurteilung, dass eine Bordsteinabsenkung zur Anlegung einer weiteren Zufahrt für die beiden in Rede stehenden Stellplätze nicht „erforderlich“ im Sinne des § 14a Abs. 1 StrWG NRW ist, wird bestätigt durch einen Umkehrschluss aus § 20 Abs. 7 Satz 1 StrWG NRW. Hiernach kann die Straßenbaubehörde, soweit es die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs erfordert, nach Anhörung der Betroffenen anordnen, dass Zufahrten oder Zugänge geändert oder verlegt oder, wenn das Grundstück eine anderweitige ausreichende Verbindung zu dem öffentlichen Straßennetz besitzt, geschlossen werden. Mit der Anlegung einer Gehwegabsenkung würde hier ein Zustand geschaffen, dessen umgehende Beseitigung die Behörde auf der Grundlage der vorgenannten Bestimmung anordnen könnte.
67So liegt der Fall hier. Auch das Parken gehört zum öffentlichen Verkehr (vgl. § 12 StVO), dessen Sicherheit und Leichtigkeit § 20 Abs. 7 StrWG NRW gewährleisten will. Nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten besteht im fraglichen Bereich ein Mangel an öffentlichem Parkraum. Dies ist angesichts der vorliegenden Lagepläne (vgl. etwa Bl. 4 der Beiakte Heft 1 und diverse Lagepläne zu einzelnen Baugenehmigungen in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen der Bauaufsichtsbehörde) und des bei den Akten befindliche Lichtbildmaterials (vgl. nur Bl. 80 der Gerichtsakte) auch nachzuvollziehen, weil die nähere Umgebung durch eine dichte Bebauung geprägt ist. Zudem bestehen entlang der Straße U. Hof etliche Grundstückszufahrten, so auch die beiden Zufahrten zu den Garagen, die seitlich an das Haus des Klägers angebaut sind. Da vor Grundstücksein- und -ausfahrten sowie vor Bordsteinabsenkungen gemäß § 12 Abs. 3 Nrn. 3 und 5 StVO nicht geparkt werden darf, nach § 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO vor und hinter Kreuzungen und Einmündungen bis je 5 m von den Schnittpunkten der Fahrbahnkanten das Parken ebenfalls unzulässig ist - wie hier im abknickenden Bereich der Straße U. Hof -, würden bei einer Realisierung des klägerischen Vorhabens im öffentlichen Verkehrsraum mindestens zwei weitere Parkplätze verloren gehen. Dies würde Parkprobleme für Straßenbenutzer, die nicht Anlieger sind und nicht über private Stellplätze im umliegenden Bereich verfügen, zur Folge haben und zusätzlichen Verkehr bei der Parkplatzsuche verursachen. Die Leichtigkeit der Parkplatzsuche gehört, wie der ruhende Verkehr selbst, indes zu jenen verkehrlichen Belangen, die mit dem Topos der Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs als maßgeblichem Ziel des Straßenrechts verknüpft sind.
68Vgl. hierzu auch Nds. OVG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 7 LB 29/11 -, juris, Rn. 31.
69Der Anwendung des Rechtsgedankens aus § 20 Abs. 7 Satz 1 StrWG NRW kann im vorliegenden Fall nicht entgegengehalten werden, dass diese Bestimmung nur den Eingriff in Bezug auf eine bereits bestehende Zufahrt ermöglicht. Hierauf könnte zwar der Wortlaut der Vorschrift hindeuten. Es ist jedoch sinnwidrig, ein Verhalten als erlaubt anzusehen, das sofort wieder unter Verbot gestellt werden kann. Es widerspricht der Einheit der Rechtsordnung, eine Erlaubnis zu erteilen, die einen Zustand begründet, der nach anderen gesetzlichen Regelungen rechtswidrig ist. Führt das Herstellen der Zufahrt zu einem Zustand, der eine Anordnung im Sinne des § 20 Abs. 7 Satz 1 StrWG NRW zuließe, dann kann die Errichtung von vornherein unterbunden werden. In dieser Weise ist das Gesetz sinnvoll auszulegen.
70Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1989 - 4 C 40.88 -, BVerwGE 82, 185 (186 ff.).
71(2) Darüber hinaus wird die Anlegung der Zufahrt zu den beiden Stellplätzen auf dem Grundstück des Klägers auch deshalb nicht mehr vom Anliegergebrauch erfasst, weil die erforderliche Gehwegabsenkung bauliche Veränderungen am Bordstein und dem Gehweg erfordert. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 14a Abs. 1, letzter Halbsatz StrWG NRW liegt aber kein Anliegergebrauch mehr vor, wenn die Benutzung der Straße in den Straßenkörper eingreift.
72So liegt der Fall hier. Das bisher vorhandene Hochbord muss durch Austausch der Randsteine abgesenkt und - wie die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläutert haben - der Aufbau unter den Gehwegplatten verstärkt bzw. tiefer gegründet werden. Dass die Beklagte - wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angesprochen - als Trägerin der Straßenbaulast (vgl. § 47 Abs. 1 StrWG NRW) unter Umständen berechtigt wäre, im Rahmen der mit dem Bau und der Unterhaltung zusammenhängenden Aufgaben anstelle eines Hochbordes von sich aus auch ein Flachbord anzulegen (vgl. §§ 9, 47 Abs. 2 i. V. m. 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 StrWG NRW), ist hier unerheblich, weil hierzu jedenfalls keine Verpflichtung der Stadt bestünde. Insbesondere könnte der Kläger als Anlieger nicht eine entsprechende Wahrnehmung der Straßenbaulast verlangen, weil nach der ständigen Rechtsprechung des (vormals 23.) Senats die Amtspflichten des Straßenbaulastträgers aus den §§ 9, 9a StrWG NRW, die mit dem Bau und der Unterhaltung der öffentlichen Straßen und der Erhaltung deren Verkehrssicherheit zusammenhängenden Aufgaben in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit zu bewältigen, dem Straßenanlieger keinen subjektiv-öffentlichen Leistungsanspruch geben. Die Straßenbaulast ist eine Aufgabe, die deren Träger allein gegenüber der Allgemeinheit obliegt.
73Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. Juni 1997 - 23 A 7046/95 -, RdL 1997, 269, und Beschluss vom 25. September 2001 - 11 A 4891/00 -, n. v., S. 2 f. des amtl. Umdrucks.
74Die Anlegung einer Zufahrt zu Stellplätzen auf dem Anliegergrundstück durch eine Gehwegabsenkung wird nicht mehr vom Anliegergebrauch nach § 14a Abs. 1 StrWG NRW erfasst, wenn der Anlieger bauliche Veränderungen am Bordstein und dem Gehweg vornimmt und damit in den Straßenkörper eingreift. Dieser Vorgang ist vielmehr eine straßenrechtlich erlaubnispflichtige Sondernutzung im Sinne des § 18 Abs. 1 StrWG NRW.
75Ebenso: Hengst/Majcherek, Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW), Kommentar, Loseblatt-Ausgabe (Stand: Dezember 2013), § 14a Anm. 2.3; Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Kapitel 26, Rn. 43; inzident wohl auch BVerwG, Urteil vom 15. März 1968 - IV C 232.65 -, Buchholz 407.4 § 7 FStrG Nr. 1, S. 2.; a. A. - ohne allerdings auf einen baulichen Eingriff in den Straßenkörper einzugehen -: Fickert, Straßenrecht in Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 3. Aufl. 1989, § 20 Rn. 3 (Gemeingebrauch).
76Nach alldem benötigt der Kläger für sein Vorhaben eine Sondernutzungserlaubnis nach § 18 StrWG NRW. Eine Ausnahmeregelung im Sinne des § 19 StrWG NRW hat die Beklagte in § 4 der Satzung über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen in der Stadt I. - Sondernutzungssatzung - vom 22. Juni 2011 nicht bestimmt. Die Klage ist ihrem auf die Feststellung einer Genehmigungsfreiheit gerichteten Hauptantrag daher abzuweisen.
77II. Der hilfsweise verfolgte Verpflichtungsantrag des Klägers, die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Genehmigung zur Absenkung des Gehwegs an der Straße U. Hof zu erteilen, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 16. Juli 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
781. Der angegriffene Bescheid der Beklagten lehnt die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zu Recht ab, insbesondere ist er nicht ermessensfehlerhaft.
79Eine Sondernutzungserlaubnis wird auf Grund einer Ermessensentscheidung erteilt. Die behördliche Ermessensausübung hat sich an Gründen zu orientieren, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben. Zu diesen Gründen können insbesondere zählen ein einwandfreier Straßenzustand (Schutz des Straßengrundes und des Zubehörs), die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, der Ausgleich zeitlich und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Straßenanlieger (etwa Schutz vor Abgasen, Lärm oder sonstigen Störungen) oder Belange des Straßen- und Stadtbildes, d. h. baugestalterische oder städtebauliche Vorstellungen mit Bezug zur Straße und auf Grund eines konkreten Gestaltungskonzeptes (Vermeidung einer „Übermöblierung" des öffentlichen Straßenraumes, Schutz eines bestimmten Straßen- oder Platzbildes und Ähnliches).
80Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 2. August 2006 - 11 A 2642/04 -, NWVBl. 2007, 64 (65), vom 5. August 2011 - 11 A 2136/10 -, n. v., S. 3 f. des amtl. Umdrucks, und - zum Widerruf einer Sondernutzungserlaubnis - vom 8. Juni 2012 - 11 B 694/12 -, NWVBl. 2012, 435 (436).
81Die Beklagte hat hier maßgeblich darauf abgestellt, dass das Grundstück des Klägers bereits über drei Gehwegabsenkungen verfüge und damit eine grundsätzliche Benutzung gesichert sei, sowie darauf abgehoben, dass der ohnehin knappe Parkraum nicht noch weiter eingeschränkt werden solle. Diese Erwägungen lassen keinen Ermessensfehlgebrauch (vgl. § 40 VwVfG NRW) erkennen.
82Die Straßenbaubehörde kann im Rahmen des ihr eröffneten Ermessens bei der Ablehnung eines Antrages auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für die Anlegung einer Zufahrt von einem Grundstück zu einer Straße auch berücksichtigen, dass dieses Grundstück bereits eine anderweitige Erschließung zum öffentlichen Wegenetz besitzt.
83Vgl. zu den Erwägungen beim landesstraßenrechtlichen Anbauverbot nach den §§ 20 Abs. 1 Satz 2, 18 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW: OVG NRW, Urteil vom 4. Dezember 2000 - 11 A 2007/98 -, juris, Rn. 80 ff.
84Der Kläger besitzt bereits drei Zufahrten, von denen aus insgesamt vier Garagenstellplätze erschlossen werden. Dass die vier Stellplätze für die drei im Wohnhaus des Klägers genehmigten Wohneinheiten nicht ausreichen sollten, ist weder dargetan noch ersichtlich.
85Ein Ermessensfehler ist auch nicht deshalb zu erkennen, weil es sich bei den Stellplätzen, die der Kläger durch die begehrte Zufahrt erreichen möchte, um „notwendige Stellplätze“ im Sinne des § 51 Abs. 1 BauO NRW 1995/2000 (früher: § 64 Abs. 2 BauO NRW 1962/1970 und § 47 Abs. 1 BauO NRW 1984) handelt. In einem solchen Fall könnte auch unter dem Blickwinkel des straßenrechtlichen Anliegergebrauchs aus § 14a Abs. 1 StrWG NRW die Art des Gebrauchs eines Grundstücks objektiv eine Zufahrt erfordern, wenn nach landesrechtlichen Vorschriften auf dem Grundstück Stellplätze bereitgestellt werden müssen.
86Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28. August 1987 - 4 C 54 - 55.83 -, BVerwGE 78, 79 (81),
87Bei der Errichtung des Wohnhauses ist mit dem Bauschein vom 3. September 1969 (vgl. die Baugenehmigungsvorgänge in der Beiakte Heft 5) nicht die Herstellung notwendiger Stellplätze nach § 64 Abs. 2 BauO NRW 1962 geregelt worden. Lediglich die Errichtung einer Einzelgarage an die südöstliche Hauswand des Gebäudes mit Zufahrt zur Straße U. Hof wurde zugleich mit dem Bau des Wohnhauses im Jahr 1969 genehmigt.
88Ferner konnte die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen als straßenbezogenen Gesichtspunkt auch den mangelnden öffentlichen Parkraum und eine weitere Verknappung durch die Anlage des klägerischen Vorhabens als weiteren Ablehnungsgrund ermessensgerecht ins Feld führen. Zu der Frage, dass es im Bereich der Straße U. Hof an öffentlichem Parkraum mangelt, kann auf das weiter oben Dargelegte und hier entsprechend Geltende Bezug genommen werden.
89Das weitere Vorbringen des Klägers zeigt ebenfalls keinen Ermessensfehler auf. Diese Feststellung gilt zunächst hinsichtlich der von ihm angesprochenen Probleme bei der Müllabfuhr, und zwar unabhängig davon, ob hier überhaupt ein Bezug zum Anliegergebrauch im Zusammenhang mit Fragen der Grundstückszufahrt gegeben ist. Mögliche Probleme bei einer ordnungsgemäßen Abfallbeseitigung berühren grundsätzlich nur öffentliche Interessen. Dass es dem Kläger nicht möglich sein soll, seine Müllgefäße trotz der beengten Parkraumsituation am Leerungstag so zu platzieren, dass eine Leerung möglich ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Eine möglichst komfortable Handhabung wird nicht vom Anliegergebrauch geschützt. Darüber hinaus sind nach Rücksprachen des Amtes „Tiefbau und Verkehr“ bei der zuständigen „Entsorgung I. “ dort keine Probleme bei der Müllentsorgung oder auch Straßenreinigung bekannt geworden (vgl. Bl. 7 f. der Beiakte Heft 1).
90Ebenso wenig kann sich der Kläger darauf berufen, dass die Beklagte eine Gehwegabsenkung auf der gegenüberliegenden Seite genehmigt haben mag. Nach dem vorliegenden Luftbildmaterial
91- vgl. https:///maps.google.de, Suchwort: „U1. Hof, I. “ -
92sind auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine bzw. maximal zwei Zufahrten je Wohnhaus zur Erschließung von seitlich der Häuser gelegenen Stellplätzen bzw. Garagen vorhanden. Demgegenüber besitzt der Kläger bereits drei Zufahrten mit Erschließungsfunktion. Die Verhältnisse auf der gegenüberliegenden Straßenseite sind daher mit dem hier in Rede stehenden Sachverhalt nicht vergleichbar, so dass kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegt. Andernfalls hätte der Kläger keinen Anspruch auf eine mögliche Wiederholung eines behördlichen Fehlers. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gibt es nicht.
933. Ergänzend merkt der Senat noch an, dass ein abweichendes Ergebnis auch dann nicht in Betracht kommt, wenn man das Begehren des Klägers dahingehend auslegen wollte, es sei auf die Verurteilung der Beklagten im Rahmen einer allgemeinen Leistungsklage gerichtet, ihm - dem Kläger - gegenüber eine (schlichte) behördliche Zustimmung zu einer baulichen Veränderung des Gehweges und damit der Straße auszusprechen,
94vgl. etwa Sauthoff, in Müller/Schulz, Bundesfernstraßengesetz mit Bundesfernstraßenmautgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 8a FStrG Rn. 14; Teil B Nr. 11.8.2 der Nutzungsrichtlinien 2013,
95oder aber den Gehweg als Trägerin der Straßenbaulast selber abzusenken.
96In dem einen wie in dem anderen Fall würde das vorstehend Dargelegte entsprechend gelten mit der Folge, dass die konkludent mit der Versagung der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis gleichzeitig ausgesprochene Verweigerung einer Zustimmung der Beklagten oder einer Absenkung des Gehweges in Eigenregie nicht zu beanstanden wäre.
97III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
98IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.