Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 25. Aug. 2016 - 8 A 2/16

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2016:0825.8A2.16.0A
25.08.2016

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit des Abwasserabgabenbescheides vom 7.7.2014 zum Veranlagungsjahr 2010. Der Beklagte hatte es darin abgelehnt, Investitionskosten des Rechtsvorgängers des Beigeladenen in Abwasserbehandlungsanlagen und Zuführungsanlagen zur Abwasserbehandlungsanlagen mit der Abwasserabgabe der Klägerin zu verrechnen und so die Abwasserabgabe zu reduzieren.

2

Die Klägerin ist nach eigenen Angaben ein in der Rechtsform einer GmbH auftretendes privates Unternehmen, das Dienstleistungen der Abwasserentsorgung, insbesondere der Betriebsführung öffentlicher Abwassereinrichtungen, erbringt.

3

Der Beigeladene ist ein Trink- und Abwasserzweckverband. Er ist mit Wirkung zum 1.1.2015 Rechtsnachfolger des Wasser- und Abwasser-Zweckverband ...geworden. Der Wasser- und Abwasser-Zweckverband ...war eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, der – nach Angaben der Klägerin – gegründet worden war, um bestimmte Aufgaben zu übernehmen, die nach der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt zu den Pflichtaufgaben der Gemeinden gehörten. Seine Mitgliedsgemeinden hatten dem Wasser- und Abwasser-Zweckverband ...die Aufgabe der Abwasserbeseitigung übertragen.

4

Der Wasser- und Abwasserzweckverband …. schloss mit der Klägerin bezüglich der Kläranlage "A-Stadt" einen Betreibervertrag vom 19.10.1998 nebst 6 Nachträgen ab. Darin verpflichtete sich die Klägerin u.a. die Abwasserbeseitigungsanlagen, insbesondere die Verbandskläranlage für das Entsorgungsgebiet A-Stadt, zu betreiben. Im Rahmen der Abwasserbeseitigung leitet die Klägerin Abwasser in die B… ein.

5

Die Abwasserabgabe wurde – zumindest unstreitig – bis zum 22.12.2009 gegenüber dem Wasser- und Abwasserzweckverband ...festgesetzt und von diesem geleistet. In den Jahren 2011 und 2013 reichte der Wasser- und Abwasserzweckverband … bei der Beklagten Verrechnungserklärungen über ihm entstandene Aufwendungen für Baumaßnahmen im Zusammenhang mit Abwasserbehandlungsanlagen ein, um die Abgabenlast zu reduzieren. Im Einzelnen handelte es sich um die Verrechnungserklärungen vom

6

- 23.3.2011 über die Baumaßnahme "Kanalnetz E… – Resterschließung" mit Anlagen. Die Inbetriebnahme (Abnahmedatum) ist auf den 2.11.2010 datiert.

7

- 23.3.2011 über die Baumaßnahme "Bau Schmutzwasserkanal …" mit Anlagen. Die Maßnahme soll im Zeitraum vom 25.3.2010 bis zum 31.5.2010 realisiert worden sein. Die tatsächliche Inbetriebnahme ist auf den 31.5.2010 datiert.

8

- 26.3.2013 über die Baumaßnahme "- "… Str., …str. Auf dem K… – SW Anschluss von 51 EW an das Kanalnetz und Zuführung zur Kläranlage A-Stadt". Die tatsächliche Inbetriebnahme ist auf den 19.6.12/20.7.2012 datiert.

9

- 26.3.2013 über die Baumaßnahme " K…, T…, S…, K…, B…str. II, SW-Anschluss von 143 EW an das Kanalnetz und Zuführung zur KA A-Stadt". Die tatsächliche Inbetriebnahme ist auf den 6.7.2012 datiert.

10

Die Verrechnungserklärungen sind jeweils vom Verbandsgeschäftsführer des Wasser- und Abwasserzweckverband ...unterschrieben worden.

11

Mit Rundschreiben "Hinweise zur Abwasserabgabenpflicht und zu den Verrechnungsvoraussetzungen" vom 22.4.2013 wies der Beklagte die Klägerin auf eine Änderung des Ausführungsgesetzes zum Abwasserabgabengesetz des Landes Sachsen-Anhalt ("AG AbwAG") hin. Insbesondere enthielt das Rundschreiben folgende Abschnitte:

12

"1 Anlass

13

Der Landesgesetzgeber hat mit Wirkung zum 22. Dezember 2009 in § 6 Abs. 1 AG AbwAG die bis dahin geltende erste Tatbestandsalternative ("Abwassereinleitung aus einer öffentlichen Kanalisation") ersatzlos gestrichen. Sie [Er] ordnete an, dass die Gemeinden für das aus der öffentlichen Kanalisation eingeleitete Abwasser abgabepflichtig sind.

14

Die Obere Wasserbehörde (Festsetzungsbehörde) hat Erkenntnisse, dass einzelne Abgabepflichtige in Sachsen-Anhalt womöglich die rechtlichen Folgerungen aus dieser Änderung für die Festsetzung, Verrechnung und Erhebung der Abwasserabgabe nicht vollständig erfasst und nicht in entsprechenden Erklärungen berücksichtigt haben.

15

Die nachfolgenden Ausführungen sollen den Abgabepflichtigen Hinweise für das Veranlagungsverfahren geben.

16

17

4 Erklärungen des jeweils Abgabepflichtigen

18

Die erforderlichen Erklärungen nach § 9 Abs. 1 bis 4 AG AbwAG hat stets der Abgabepflichtige abzugeben. Hat in Verkennung dieser Anforderung ein anderer als der Abgabenpflichtige in zurückliegenden Veranlagungsjahren oder für zurückliegende Veranlagungszeiträume abwasserabgabenrechtliche Erklärungen abgegeben, erwartet die Obere Wasserbehörde innerhalb von drei Monaten nach Zugang dieses Hinweisschreibens eine schriftliche Mitteilung des tatsächlichen Abgabepflichtigen, dass er sich die bereits abgegebene Erklärung des anderen zu eigen macht.

19

[…]

20

5.3 Abwicklung der Verrechnung

21

5.3.1 Inbetriebnahmezeitpunkt vom 22.12.2009 bis zum 21.12.2012

22

Die Festsetzungsbehörde wird nach § 8 Absatz 3 Satz 1 AG AbwAG den Wechsel des Abgabepflichtigen von Amts wegen berücksichtigen. Eine auf den Wechsel der Abgabepflicht abzielende Verrechnungsvereinbarung ist für diesen Zeitraum nicht erforderlich.

23

5.3.2 Inbetriebnahmezeitpunkt nach dem 21.12.2012

24

Für die Verrechnung von nach dem 21.12.2012 in Betrieb genommenen Anlagen ist eine Verrechnungsvereinbarung Voraussetzung, die den Anforderungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 AbwAG genügt."

25

Mit Schreiben vom 5.5.2014 wurde die Klägerin angehört und ein Entwurf des beabsichtigten Festsetzungs- und Erhebungsbescheides übersandt. Aus dem Entwurf ging hervor, dass eine Verrechnung der vom Wasser- und Abwasserzweckverband ...eingereichten Verrechnungserklärungen nicht stattfinden solle, da keine eigenen Verrechnungserklärungen der Klägerin vorlägen und diese sich auch nicht die Verrechnungserklärungen des Wasser- und Abwasserzweckverbandes … zu eigen gemacht habe.

26

Mit Schreiben vom 27.5.2014 übersandte die O.. Wasser- und Abwasser GmbH dem Beklagten den am 31.3.2014 abgeschlossenen 6. Nachtrag zum Betreibervertrag. Im Übersendungsschreiben heisst es: "Sehr geehrte Frau […] im Auftrag von Herrn […] sende ich Ihnen anbei den o.g. Nachtrag im Original."). § 3 Abs. 1 des 6. Nachtrages zum Betreibervertrag ist mit "Verrechnung der Abwasserabgabe mit Aufwendungen des …" überschrieben und lautet, wie folgt:

27

"(1)   

O…. ist verpflichtet, auf Verlangen des WAZ [Wasser- und Abwasserzweckverband …] Aufwendungen des WAZ zur Errichtung oder Erweiterung von Abwasserbehandlungsanlagen im Sinne von § 10 Abs. 3 AbwAG sowie Aufwendungen im Sinne von § 10 Abs. 4 AbwAG mit der Abwasserabgabe zu errechnen, soweit der WAZ hinsichtlich dieser Aufwendungen nach den bestehenden Rechtsvorschriften zur Verrechnung berechtigt wäre, wenn er abwasserabgabepflichtig wäre."

28

Mit Schreiben vom 28.5.2014 führte die O… Wasser- und Abwasser GmbH unter Bezugnahme auf den 6. Nachtrag zum Betreibervertrag u.a. Folgendes aus: "Der Nachtrag regelt den Umgang mit der Abwasserabgabe zwischen den Beteiligten der Betriebsführung und die Abwicklung von Verrechnungstatbeständen im Lichte einer angekündigten Abwasserabgabenerhebung gegenüber der Gesellschaft. Wesentliche Vertragsklauseln orientieren sich am behördlich vorgegebenen Forderungsinhalt."

29

Für das Veranlagungsjahr 2010 setzte der Beklagte mit streitgegenständlichen Bescheid vom 7.7.2014 (AZ: 405.7.9-62673-30225-10) die Abwasserabgabe in Höhe von 51.899,27 EUR gegenüber der Klägerin fest. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Abwasserabgabe mit Aufwendungen aus der Herstellung von Zuführungsanlagen durch den Wasser- und Abwasserzweckverband ...nicht verrechnungsfähig sei. Der Beklagte begründete den Bescheid damit, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verrechnung nicht vorlägen. Gemäß § 8 Abs. 3 AG AbwAG könnten Aufwendungen von Dritten mit der geschuldeten Abwasserabgabe des Abgabepflichtigen nur verrechnet werden, wenn die Voraussetzungen nach § 10 Abs. 3 bis 5 AbwAG vorlägen und die Verrechnung zwischen dem Dritten und dem Abgabepflichtigen vereinbart sei. Es lägen jedoch nur zwei Erklärungen des Wasser- und Abwasserzweckverband ...zur Verrechnung der Abwasserabgabe vor. Der WAZ sei nicht abgabepflichtig. Die mit Schreiben des Beklagten vom 22.4.2013 eingeräumte Möglichkeit, sich die fristgerecht eingereichten Verrechnungserklärungen des Wasser- und Abwasserzweckverbandes … zu eigen zu machen, habe die Klägerin nicht genutzt.

30

Die Klägerin hat am 7.8.2014 Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 7.7.2014 erhoben. Der Bescheid der Beklagten war der Klägerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 11.7.2014 zugegangen. Die Beiladung des Beigeladenen (vormals Wasser- und Abwasserzweckverband … erfolgte durch unanfechtbaren Beschluss vom 26.11.2014.

31

Im Schriftsatz vom 24.11.2014 (Seite 5) erklärte die Klägerin, dass sie sich die Verrechnungserklärungen des Wasser- und Abwasserzweckverbandes ...zu eigen mache und eine Verrechnung mit der eigenen Abwasserabgabenlast begehre.

32

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Ablehnung der Verrechnung der Abwasserabgabe mit den vom Wasser- und Abwasserzweckverband ...getätigten Aufwendungen rechtswidrig sei und für das Verrechnungsjahr 2010 aufgrund der Verrechnung keine festsetzungsfähige Abwasserabgabenlast für die Kläranlage bestehe.

33

Voraussetzung für die Verrechnung sei gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 AG AbwAG lediglich, dass die Vorgaben gemäß § 10 Abs. 3 und 4 AbwAG erfüllt seien und die Verrechnung zwischen dem Dritten und dem Abgabepflichtigen vereinbart sei. Diese beiden Voraussetzungen seien hier gegeben.

34

Weitere Voraussetzungen enthalte das Gesetz nicht. Insbesondere sei nicht erforderlich, dass noch einmal gesondert bestimmte Verrechnungserklärungen des Wasser- und Abwasserzweckverband ...zu eigen gemacht werden müssten. Im Übrigen sei dies im vorliegenden Falle aber auch geschehen.

35

Deutlicher als durch das übereinstimmende Handeln und den übereinstimmenden Schriftverkehr des Wasser- und Abwasserzweckverband ...und der Klägerin mit dem Beklagten könne kaum zum Ausdruck gebracht werden, dass sowohl der Wasser- und Abwasserzweckverband ...als auch die Klägerin eine Verrechnung entsprechend der vom Wasser- und Abwasserzweckverband ...eingereichten Verrechnungserklärungen wünschten. In den Schreiben der Klägerin vom 27.5.2014 und auch vom 28.5.2014 bringe die Klägerin deutlich zum Ausdruck, dass sie eine Verrechnung wünsche und sich die Verrechnungserklärungen des Wasser- und Abwasserzweckverbandes ...zu eigen mache.

36

Das hier das Einreichen der Verrechnungserklärungen durch den Wasser- und Abwasserzweckverband ...für und zugunsten dessen (nämlich als wirtschaftlichen Aufgaben- und Lastenträger) sowie für die Klägerin wirken solle, ergebe sich im Übrigen klar aus den Umständen: Die Verrechnungserklärungen seien bewusst für die Kläranlage "A-Stadt" abgegeben worden. Die Kläranlage A-Stadt werde von der Klägerin für den Wasser- und Abwasserzweckverband ...betrieben. Seit Auslaufen der für die neuen Bundesländer geltenden Globalverrechnungsregelung in § 10 Abs. 5 AbwAG könnten ohnehin Abwasserabgaben nur noch für die betreffende Einleitung verrechnet werden, die von der betreffenden Investitionsmaßnahme betroffen sei. Bei einer Anbindung von Einleitungen an die Kläranlage A-Stadt, die Herstellung einer Überleitung bzw. Zuführung zur Kläranlage A-Stadt, könne im Investitions- und Verrechnungsjahr sowie im Abgabenjahr 2010 ausschließlich und alleine eine Verrechnung mit Abwasserabgaben für diese Kläranlage bewirkt werden. Das Einreichen von entsprechenden Verrechnungserklärungen durch den WAZ für die konkrete Kläranlage A-Stadt würde also überhaupt keinen Sinn machen, wenn diese nicht darauf abzielen würden, die Abwasserabgabenlast durch Einleitungen der Kläranlage A-Stadt zu minimieren.

37

Spätestens in der Klagebegründungsschrift habe die Klägerin unmissverständlich das "Zu-eigen-Machen" klargestellt. Eine Frist für das Zu-Eigen-Machen sehe das Landesrecht nicht vor. Eine entsprechende Erklärung sei daher solange möglich, wie der angegriffene Abgabenbescheid nicht bestandskräftig geworden sei.

38

Im Übrigen sei eine derartige Zu-Eigen-Machen-Erklärung auch nicht für das Veranlagungsjahr 2010 notwendig. Der Beklagte habe im Schreiben vom 22.4.2013 schriftlich zugesichert, dass die Festsetzungsbehörde gerade für den Zeitraum nach der Gesetzesänderung in 2009 den Wechsel des Abgabenpflichtigen "von Amts wegen berücksichtigen" werde. In dem Schreiben vom 22.4.2013 werde sogar ausdrücklich klargestellt, dass es zunächst einer auf den Wechsel der Abgabenpflicht abzielenden Verrechnungsvereinbarung nicht bedürfe.

39

Der Beigeladene schließt sich den Ausführungen der Klägerin an.

40

Die Klägerin und der Beigeladene beantragen jeweils,

41

den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Festsetzungs- und Erhebungsbescheides für das Einleiten von Schmutzwasser für das Veranlagungsjahr 2010 des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt, Referat Abwasser, vom 07.07.2014, AZ: 405.7.9-62673-30225-10, die im angegriffenen Bescheid festgesetzte Abwasserabgabe in Höhe von 51.899,27 € mit Investitionsaufwendungen des Wasser- und Abwasserzweckverbandes …, zu verrechnen.

42

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

44

Der Beklagte trägt vor, dass die Klägerin keine eigene Erklärung zur Verrechnung abgegeben habe und es auch versäumt habe, sich die Verrechnungserklärungen des Wasser- und Abwasserzweckverbandes ...vom 23.3.2011 zu Eigen zu machen. Eine solche Erklärung wäre zwingende Voraussetzung für die Verrechnung der Aufwendungen für die Maßnahmen der Ortserschließung in H… und E… gewesen.

45

Die Klägerin habe offenbar keine Kenntnis von ihrer seit dem 22.12.2009 bestehenden Abwasserabgabepflicht gehabt und dementsprechend nicht wie eine Abgabepflichtige gehandelt. Da jedoch bereits eine Erklärung zur Verrechnung von dem tatsächlichen Träger der Aufwendungen, der vormals Abgabepflichtiger gewesen sei, vorgelegen habe, habe der Beklagte für die Fälle des gesetzlichen Wechsels der Person des Abgabepflichtigen diese "Erklärung" wie eine eigene Erklärung des neuen Abgabepflichtigen behandelt, wenn letzterer sich die Erklärung des bisherigen Abgabepflichtigen zu Eigen gemacht habe.

46

Die von der Klägerin zitierten Hinweise und Regelungen in dem Schreiben der Beklagten vom 22.4.2013 hätten zweifelsfrei klargestellt, dass eine fehlende Verrechnungsvereinbarung für das streitige Veranlagungsjahr 2010 kein Hindernis darstelle. Im Hinblick auf die Verrechnungserklärungen sei in dem Schreiben aber allen Abgabepflichtigen eine Frist von drei Monaten eingeräumt worden, sich die bereits von dem vormals Abgabepflichtigen abgegebenen Verrechnungserklärungen zu Eigen zu machen. Der Beklagte habe in diesen Fällen von Amts wegen indirekt eine Fristverlängerung im Sinne des § 9 Abs. 5 AG AbwAG für die Verrechnungserklärungen eingeräumt. Insoweit sei die Klägerin der aufgrund der besonderen Härte von Amts wegen verlängerten Frist zur "quasi" Abgabe von Erklärungen zur Verrechnung durch ein Zu-Eigen-Machen nicht nachgekommen.

47

Die Frist von drei Monaten sei weder willkürlich noch unangemessen gewesen. Der Beklagte sei berechtigt gewesen, nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen im Rahmen der Verfahrensführung im Abwasserabgabenrecht behördliche Fristen zu setzen, um den reibungslosen Verfahrensablauf im Festsetzungs- und Erhebungsverfahren unter Berücksichtigung von Verjährungsfristen nach § 169 AO sicherzustellen. Im Hinblick auf die bereits am 22.12.2009 in Kraft getretene Rechtsänderung auf die vierjährige Verjährungsfrist für die Festsetzung der Abwasserabgabenforderung sei die behördliche Frist, die die Klägerin zu wahren gehabt hätte, nicht willkürlich gewählt worden. Der Beklagte habe mit seiner behördlichen Fristsetzung zum Vorteil der Abgabepflichtigen von Amts wegen die Regelung zur Möglichkeit der Fristverlängerung im § 9 Abs. 5 AG AbwAG letztlich um drei Jahre "hinausgeschoben", obwohl die Abgabepflichtigen selbst keine Fristverlängerung beantragt hätten. Mit der behördlich gesetzten Frist sollte zudem sichergestellt werden, dass alle von der eingetretenen Rechtsänderung betroffenen ehemaligen und aktuellen Abgabepflichtigen diese "Vergünstigungen" noch für sich in Anspruch hätten nehmen können und unter dem Aspekt der Festsetzungsverjährung gleich behandelt werden bzw. behandelt werden könnten.

48

Der Beklagte trägt ferner vor, dass keine Anhaltspunkte vorlägen, dass die Klägerin ohne Verschulden gehindert gewesen sei, auf die gesetzlich geänderten Regelungen von sich aus als nunmehr Abgabepflichtige zu reagieren oder zumindest die behördlich hinausgeschobene Frist für die "Übernahme" von Verrechnungserklärungen zu wahren.

49

Im Hinblick auf die Aufwendungen für die in den Verrechnungserklärungen aus März 2013 beschriebenen Maßnahmen (Anlage K2 und K3) könnten auch diese nicht mit der Abwasserabgabe verrechnet werden. Die Klägerin habe sich auch insoweit nicht die Verrechnungserklärungen des Wasser- und Abwasserzweckverbandes ...sich zu Eigen gemacht. Darüber hinaus seien die darin gemachten Angaben unvollständig und in keiner Weise prüffähig. Unabhängig davon könne dies aber dahin stehen, da sie über die Maßnahmen noch nicht entschieden habe.

50

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Festsetzungs- und Erhebungsbescheid für das Einleiten von Schmutzwasser für das Veranlagungsjahr 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ein Anspruch der Klägerin auf Verrechnung der von ihr zu entrichtenden Abwasserabgabe mit den von der Beigeladenen getätigten Investitionen besteht nicht (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

52

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids sind die §§ 1 bis 4, 9 Abs. 1 und 4 des Abwasserabgabengesetzes ("AbwAG"). Nach diesen Vorschriften ist für das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer im Sinne von § 3 Nr. 1 bis 3 WHG eine Abgabe zu entrichten (Abwasserabgabe).

53

1. Einleiter und damit abgabepflichtig nach § 9 Abs. 1 AbwAG ist derjenige, der zweck- und zielgerichtet Abwasser i.S. des § 2 Abs. 1 AbwAG unmittelbar in ein Gewässer gelangen lässt und dabei die Sachherrschaft über die Einleitung hat. Abgabepflichtige ist vorliegend die Klägerin, da sie unstreitig als Inhaberin der unmittelbaren Sachherrschaft Schmutzwasser aus der Kläranlage A-Stadt in die …einleitet. Die unmittelbare Sachherrschaft steht ihr auch vertraglich im Verhältnis zur Beigeladenen zu (vgl. § 3 Abs. 3 des Betreibervertrages 19.10.1998).

54

Einwände gegen die Berechnung oder die Höhe der Abwasserabgabe sind nicht geltend gemacht worden; auch sind für das erkennende Gericht Mängel bei der Berechnung der streitigen Abwasserabgabe nicht ersichtlich.

55

2. Der streitgegenständliche Abwasserabgabenbescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte eine Verrechnung der Abgabelast mit den Aufwendungen der Beigeladenen gemäß deren Verrechnungserklärungen vom 23.3.2011 abgelehnt hat bzw. über eine Verrechnung mit den Aufwendungen der Beigeladenen gemäß der Verrechnungserklärungen vom 26.3.2013 nicht entschieden hat. Die Ablehnung der Verrechnung war rechtmäßig, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Ein Anspruch auf Verrechnung der übrigen Aufwendungen besteht ebenfalls nicht.

56

Rechtsgrundlage für die von Verrechnung ist § 8 Abs. 3 Satz 2 AG AbwAG. Danach kann der Abgabepflichtige die von ihm geschuldete Abwasserabgabe mit Aufwendungen Dritter verrechnen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 3 und 4 AbwAG vorliegen und die Verrechnung zwischen dem Dritten und dem Abgabepflichtigen vereinbart ist. Des weiteren ist Voraussetzung, dass die Verrechnung schriftlich unter Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen gegenüber der zuständigen Wasserbehörde (§ 8 Abs. 1 Satz 1 AG AbwAG) und innerhalb der in § 9 Abs. 4 AG AbwAG genannten Frist erklärt wird.

57

Die Verrechnung erfolgt jedoch nicht im Wege einer bloßen rechtserheblichen Willenserklärung des Abgabeschuldners, sondern es bedarf darüber hinaus auch einer Entscheidung über die Verrechnung durch Verwaltungsakt (OVG LSA, Urteil vom 19.12.2011 – 4 L 90/10, juris, Rn. 15).

58

Die Voraussetzungen für eine stattgebende Entscheidung über die Verrechnung liegen hier nicht vor. Die Klägerin hat als Abgabepflichtige die Erklärungen über die Verrechnung nicht form- und fristgerecht vorgelegt.

59

Gemäß § 9 Abs. 4 AG AbwAG hat der Abgabepflichtige der zuständigen Wasserbehörde Erklärungen über die Verrechnung spätestens bis zum 31. März des der Inbetriebnahme der Anlage folgenden Kalenderjahres mit allen hierfür erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Zuständige Wasserbehörde ist der Beklagte als obere Wasserbehörde (§ 1 AG AbwAG i.V.m. § 10 Abs. 2 WG LSA). Die Erklärungen sind nach den landeseinheitlichen Vordrucken abzugeben (§ 9 Abs. 7 AG AbwAG).

60

2.1. Die Frist zur die Abgabe der Verrechnungserklärungen lief im Hinblick auf die Baumaßnahme "Kanalnetz E… – Resterschließung" und "Bau Schmutzwasserkanal H…" gemäß § 9 Abs. 4 AG AbwAG am 31.3.2011 ab, da die Inbetriebnahme ausweislich der dazugehörigen Verrechnungserklärungen vom 23.3.2011 im Jahr 2010 erfolgte.

61

Die Fristen für die Abgabe der Verrechnungserklärungen für die beiden übrigen Baumaßnahmen liefen gemäß § 9 Abs. 4 AG AbwAG jeweils am 31. März 2013 ab. Ausweislich der beiden Verrechnungserklärungen vom 26. März 2013 (Anlage K2 und K3) erfolgte die jeweilige Inbetriebnahme im Jahr 2012.

62

2.2. Innerhalb der vorgenannten Fristen hat die Klägerin als Abgabepflichtige für das Erhebungsjahr 2010 keine eigenen formgerechten Verrechnungserklärungen unter Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 9 Abs. 4 AG AbwAG abgegeben.

63

2.2.1. Die Verrechnungserklärungen vom 23.3.2011 und 26.3.2013 erfüllen die Voraussetzungen nicht, da es sich nicht um Verrechnungserklärungen der Abgabepflichtigen, sondern die des Wasser- und Abwasserzweckverbandes …, handelt. Der Wasser- und Abwasserzweckverbandes ...hat die Verrechnungserklärungen durch seinen Verbandsführer zeichnen lassen.

64

Soweit die Klägerin vorträgt, dass das Einreichen von Verrechnungserklärungen durch den Wasser- und Abwasserzweckverbandes ...auch zugunsten der Klägerin wirken sollte, und es daher unerheblich sei, wer letztlich die Verrechnungserklärungen abgegebene habe, folgt das Gericht dieser Auffassung nicht. Die Klägerin trägt hierzu vor, dass aufgrund dessen, dass Abwasserabgaben nur noch für bestimmte Einleitungen erhoben werden können, auch nur Verrechnungen mit Investitionen für die konkrete Einleitung (hier Kläranlage) verrechnet werden könnten. Das Einreichen von entsprechenden Verrechnungserklärungen für die konkrete Kläranlage A-Stadt würde also überhaupt nur Sinn machen, wenn diese darauf abzielen würde, die Abwasserabgabenlast durch Einleitungen der Kläranlage A-Stadt zu minimieren.

65

Dieser Rechtsauffassung steht der Wortlaut des Gesetzes entgegen, der gemäß § 9 Abs. 4 AG AbwAG eine ausdrückliche und schriftliche Erklärung des Abgabepflichtigen fordert. Die Verrechnung steht per Gesetz zunächst zur Disposition des Abgabepflichtigen. Es obliegt seiner Entscheidungsmacht, ob er die Verrechnung erklärt und damit die Voraussetzungen für eine Verrechnung schafft, oder nicht. Dies gilt selbst dann, wenn die Klägerin gegenüber dem Wasser- und Abwasserzweckverband ...bzw. dem jetzigen Beigeladenen aus dem Betreibervertrag zur Verrechnung verpflichtet ist. Eine Pflicht zur Abgabe einer Willenserklärung kann nicht die Willenserklärung selbst ersetzen.

66

2.2.2. Soweit die Klägerin vorträgt, dass sie sich die Verrechnungserklärungen des Rechtsvorgängers des Beigeladenen jedenfalls in der von der Beklagten im Hinweisschreiben vom 22.4.2013 (dort Nr. 4) gesetzten Frist von drei Monaten nach Zugang des Hinweisschreibens "zu Eigen" gemacht habe und sie somit trotz Ablaufs der Ausschlussfrist des § 9 Abs. 4 AG AbwAG die Voraussetzungen für eine Verrechnungsentscheidung der Beklagten geschaffen habe, folgt das Gericht dem nicht. Nach Ablauf der Frist in § 9 Abs. 4 AG AbwAG mussten von Gesetzes wegen alle verfristeten weiteren Verrechnungserklärungen unberücksichtigt bleiben.

67

Bei der Frist in § 9 Abs. 4 AG AbwAG handelt es sich nach dem Gesetzeswortlaut und dem Willen des Gesetzgebers um eine gesetzliche Ausschlussfrist (vgl. ausdrücklich bestätigend in LT-Drs. 6/1423, S. 81). Rechtsfolge ist, dass bei deren Nichteinhaltung der Betreffende seine materielle Rechtsposition verliert, auch wenn ihn bezüglich der Fristversäumung kein Verschulden trifft (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.3.1996 – 7 C 28/95, VG Mainz, Urteil vom 14.8.2013 – 3 K 1733/12.MZ, beide zitiert in juris). Entgegen der klägerischen Auffassung kommt es daher auf die positive Kenntnis oder das Kennen müssen von Umständen als Voraussetzung für den Ablauf von materiell-rechtlichen Ausschlussfristen nicht an. Selbst eine Wiedereinsetzung ist in gesetzliche Ausschlussfristen aufgrund der materiell-rechtlichen Ausschlusswirkung nicht möglich (BVerwG, Urteil vom 18.4.1997 – 8 C 38/95 –, Rn. 12, zitiert in juris; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage, § 31 Rn. 31). Dass es hierbei vereinzelt zu Härtefallen kommen kann, begegnet keinen rechtsstaatlichen Bedenken (BVerwG, Beschluss vom 07. August 1980 – 3 B 11/80 –, Rn. 7, juris).

68

Gesetzliche Ausschlussfristen stehen anders – als behördliche Verfahrensfristen – nicht zur Disposition der Behörde (Kopp/Ramsauer: VwVfG, 16. Aufl. § 31, Rn 38 m.w.N). Infolge der gesetzlich normierten Präklusionswirkung von Ausschlussfristen können diese auch nur nach gesetzlich normierten Voraussetzungen verlängert werden (Kopp/Ramsauer: VwVfG, 16. Aufl. § 31, Rn 38 m.w.N.). In § 9 Abs. 5 Satz 2 AG AbwAG sieht das Gesetz zwar die Möglichkeit der Fristverlängerung vor, dies jedoch nur in besonderen Härtefällen und auch nur dann, wenn vor Fristablauf ein Fristverlängerungsantrag bei der oberen Wasserbehörde gestellt wird. Dies ist hier nicht geschehen.

69

Bei der nachträglich im Hinweisschreiben vom 22.4.2013 gesetzten Frist des Zu-Eigen-Machens handelt es sich um keine behördliche Verfahrensfrist, die zur Disposition der Beklagten steht, sondern faktisch um eine unzulässige Verlängerung der gesetzlichen Ausschlussfrist in § 9 Abs. 4 AG AbwAG. Die Erklärung über das Zu-Eigen-Machen der bereits abgegebenen Verrechnungserklärungen stellt gegenüber dem Beklagten die erstmals verbindliche Abgabe einer auf Verrechnung gerichteten Willenserklärung der nunmehr Abgabepflichtigen dar. Da es allein in der Entscheidungsmacht der Abgabepflichtigen steht, ob sie die Verrechnungserklärung abgibt oder nicht, ist die Zu-Eigen-Machens-Erklärung rechtlich wie eine erstmalige Verrechnungserklärung zu qualifizieren. Folglich hätte auch diese Erklärung innerhalb der Ausschlussfrist nach § 9 Abs. 4 AG AbwAG (vgl. Ziffer 2.1) erfolgen müssen.

70

Andernfalls könnte die Beklagte durch das Setzen einer Zu-Eigen-Machens-Frist, die dann als behördliche Verfahrensfrist einzustufen wäre, die materiell-rechtliche Präklusionswirkung aushebeln, da die verbindliche Erklärung über die Verrechnung in Form einer Zu-Eigen-Machen-Erklärung dann zeitlich unbefristet nachgeholt werden könnte. Dies würde jedoch die Abgabenerhebung erheblich beeinträchtigen und auch in bereits abgeschlossene Haushaltsjahre eingreifen. Das hat der Gesetzgeber mit der Bestimmung von Ausschlussfristen gerade nicht gewollt.

71

2.2.3. Die Klägerin kann sich hier auch nicht auf Umstände berufen, unter denen ausnahmsweise auch bei einer Ausschlussfrist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommen kann und die Verrechnungserklärung nachgereicht bzw. sich die bereits abgegebene Verrechnungserklärung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes zu Eigen gemacht werden konnte.

72

In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass sich Behörden unter bestimmten engen Voraussetzungen nicht auf den Ablauf einer die weitere Rechtsverfolgung abschneidenden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen dürfen (BVerwG, Urteil vom 28. März 1996 - 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39 <45>; VG Mainz, Urteil vom 14.08.2013 – 3 K 1733/12.MZ, zitiert in juris). Die Behörde hat dann "Nachsicht" in Form von Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu gewähren. Hierbei sind etwa Fälle anerkannt, in denen die Behörde zu einer Ausschlussfrist fehlerhaft eine Fristverlängerung gewährt hat, auf die der Betroffene vertraut hat, oder Fälle, in denen die Behörde eine objektiv unrichtige rechtswidrige behördliche Belehrung vorgenommen hat, die die Fristversäumung verursacht hat (VG Mainz, Urteil vom 14.08.2013 – 3 K 1733/12.MZ). Ebenfalls soll ein Anspruch auf Nachsichtgewährung und damit auf Wiedereinsetzung hergeleitet werden können, wenn die Fristversäumung auf "höherer Gewalt" beruht (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2013 – 8 C 25/12 –, Rn. 30 m.w.N., zitiert in juris). Der Begriff der "höheren Gewalt" ist hierbei enger zu verstehen als der in den Wiedereinsetzungsvorschriften gebrauchte Begriff "ohne Verschulden". Er entspricht inhaltlich "Naturereignissen oder anderen "unabwendbaren Zufällen" im Sinne des § 233 Abs. 1 ZPO a.F. Unter "höherer Gewalt" wird ein Ereignis verstanden, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte nach den Umständen des konkreten Falles vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe zu erwartenden zumutbaren Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Belehrung, die ursächlich für die Fristversäumnis war, oder für eine Fristversäumung aufgrund "höherer Gewalt" liegen hier jedoch nicht vor. Insbesondere stellt die Unkenntnis der Rechtslage seitens der Klägerin keinen Umstand dar, den diese vernünftigerweise unter Anlegung subjektiver Maßstäbe unter Berücksichtigung der zu von ihr zu erwartenden und zumutbaren Sorgfalt nicht hätte abwenden können. Eine Aufklärungspflicht seitens des Beklagten über die Änderung der Rechtslage sieht das Gericht hier nicht. Insbesondere lässt sich eine Aufklärungspflicht in Form einer Beratungspflicht nicht daraus herleiten, dass der Beklagte den Wasser- und Abwasserzweckverband ...zu einem früheren Zeitpunkt auf die Rechtsänderung hingewiesen hat.

73

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Beklagte auch nicht auf die Abgabe einer Verrechnungserklärung in seinem Hinweisschreiben vom 22.4.2013 verzichtet. Der Beklagte hat lediglich mitgeteilt, dass er anstelle der formgerechten Einreichung der Verrechnungserklärungen nach § 9 Abs. 4 und 7 AG AbwAG eine Erklärung über das Zu-Eigen-Machen erwarte. Nichts anderes ergibt sich aus der Formulierung im Hinweisschreiben vom 22.4.2013 unter Ziffer 5.3.1, wonach "die Festsetzungsbehörde … den Wechsel des Abgabepflichtigen von Amts wegen berücksichtigen [wird]. Eine auf den Wechsel der Abgabepflicht abzielende Verrechnungsvereinbarung ist für diesen Zeitraum nicht erforderlich." Nach dem ausdrücklichen Wortlaut hat die Beklagte lediglich mitgeteilt, dass eine Verrechnungsvereinbarung nicht erforderlich sei, nicht aber die Verrechnungserklärung bzw. die Erklärung über das Zu-Eigen-Machen. Überdies ist das Hinweisschreiben erst am 22.4.2013 versandt worden, d.h. nach Ablauf der Ausschlussfrist. Das Schreiben kann daher schon aus diesem Grund nicht ursächlich für eine Säumnis der Ausschlussfrist sein.

74

2.2.4. Selbst wenn man die von dem Beklagten nach Ablauf der Ausschlussfrist mit Hinweisschreiben vom 22.4.2013 gesetzte Zu-Eigen-Machens Frist als einen Fall der Nachsichtgewährung ansehen sollte – was die Kammer vorliegend ausdrücklich nicht annimmt – so hätte die Klägerin jedoch auch diese Frist ungenutzt verstreichen lassen. Die Klägerin hat sich die Verrechnungserklärungen gegenüber der Beklagten erst im Rahmen der Klagebegründungsschrift vom 24.11.2014 ausdrücklich "zu Eigen" gemacht. Ein vorheriges, innerhalb der gesetzten 3 Monatsfrist erklärtes Zu-Eigen-Machen der Klägerin kann auch nicht den Schreiben der … Wasser und Abwasser GmbH an die Beklagte vom 27.5.2014 und vom 28.5.2014 entnommen werden. Beide Schreiben sind über ein Jahr nach dem Rundschreiben vom 22.4.2013 versandt worden, d.h. erkennbar außerhalb der Drei-Monatsfrist. Überdies ist Absender beider Schreiben nicht die Klägerin, sondern die … Wasser und Abwasser GmbH. Anhaltspunkte für ein Handeln in Vertretungsmacht vorliegen nicht vor. Zudem sind beiden Schreiben keine rechtsverbindlichen Willenserklärungen zu entnehmen. Bei dem Schreiben vom 27.05.2014 handelt es sich lediglich um ein Übersendungsschreiben ohne eigenen Erklärungsinhalt ("…im Auftrag von Herrn […] sende ich Ihnen anbei den o.g. Nachtrag im Original"). Bei dem Schreiben vom 28.05.2014 handelt es sich um einen Fristverlängerungsantrag in Bezug auf die Anhörungsfrist zum beabsichtigten Abgabenabwasserbescheid. Sofern hierin Ausführungen zum 6. Nachtrag zum Betreibervertrag gemacht worden sind, können diese Ausführungen aus Sicht der Beklagten als Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Mai 2016 – I-16 U 72/15, 16 U 7216 U 72/15 –, Rn. 49, juris) lediglich als allgemeine Ausführungen zum Sachstand der Vertragsgestaltung zwischen der Klägerin und der Beklagten verstanden werden und nicht als rechtserhebliche Erklärung, die auf die konkrete Rechtsfolge "Verrechnung" gerichtet ist.

75

Ein Anspruch auf erneute Verlängerung der – im Übrigen angemessen langen und nicht willkürlich gesetzten – Zu-Eigen-Machens-Frist läge nicht vor. Die 3 Monatsfrist war unter Berücksichtigung dessen, dass lediglich eine Willenserklärung ohne weitere Dokumentation abzugeben war, nicht unangemessen kurz, und unter Berücksichtigung der drohenden Festsetzungsverjährung, auch nicht willkürlich.

76

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

77

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Abgabenordnung - AO 1977 | § 169 Festsetzungsfrist


(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf d

Wasserhaushaltsgesetz - WHG 2009 | § 3 Begriffsbestimmungen


Für dieses Gesetz gelten folgende Begriffsbestimmungen: 1. Oberirdische Gewässer das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser;2. Küstengewässer das Meer zwischen der Küstenlinie bei mittlerem

Abwasserabgabengesetz - AbwAG | § 10 Ausnahmen von der Abgabepflicht


(1) Nicht abgabepflichtig ist das Einleiten von 1. Schmutzwasser, das vor Gebrauch einem Gewässer entnommen worden ist und über die bei der Entnahme vorhandene Schädlichkeit im Sinne dieses Gesetzes hinaus keine weitere Schädlichkeit im Sinne dieses

Abwasserabgabengesetz - AbwAG | § 9 Abgabepflicht, Abgabesatz


(1) Abgabepflichtig ist, wer Abwasser einleitet (Einleiter). (2) Die Länder können bestimmen, dass an Stelle der Einleiter Körperschaften des öffentlichen Rechts abgabepflichtig sind. An Stelle von Einleitern, die weniger als acht Kubikmeter je T

Abwasserabgabengesetz - AbwAG | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Abwasser im Sinne dieses Gesetzes sind das durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderte und das bei Trockenwetter damit zusammen abfließende Wasser (Schmutzwasser) sowie das von N

Abwasserabgabengesetz - AbwAG | § 1 Grundsatz


Für das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer im Sinne von § 3 Nummer 1 bis 3 des Wasserhaushaltsgesetzes ist eine Abgabe zu entrichten (Abwasserabgabe). Sie wird durch die Länder erhoben.

Abwasserabgabengesetz - AbwAG | § 8 Pauschalierung bei Kleineinleitungen von Schmutzwasser aus Haushaltungen und ähnlichem Schmutzwasser


(1) Die Zahl der Schadeinheiten von Schmutzwasser aus Haushaltungen und ähnlichem Schmutzwasser, für das eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach § 9 Abs. 2 Satz 2 abgabepflichtig ist, beträgt die Hälfte der Zahl der nicht an die Kanalisation a

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 10. Dez. 2013 - 8 C 25/12

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Tatbestand 1 Die Klägerin betreibt eine Eisengießerei. Sie begehrt eine Begrenzung der nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) an sie weiterzuleitenden Strommenge für

Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 14. Aug. 2013 - 3 K 1733/12.MZ

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Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand 1 Der Kläger betreibt in M. eine Kläranlage zur Reinigung von Mischwasser aus 24

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(1) Die Zahl der Schadeinheiten von Schmutzwasser aus Haushaltungen und ähnlichem Schmutzwasser, für das eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach § 9 Abs. 2 Satz 2 abgabepflichtig ist, beträgt die Hälfte der Zahl der nicht an die Kanalisation angeschlossenen Einwohner, soweit die Länder nichts anderes bestimmen. Ist die Zahl der Einwohner nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu ermitteln, kann sie geschätzt werden.

(2) Die Länder können bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Einleitung abgabefrei bleibt. Die Einleitung ist abgabefrei, wenn der Bau der Abwasserbehandlungsanlage mindestens den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht und die ordnungsgemäße Schlammbeseitigung sichergestellt ist.

(1) Nicht abgabepflichtig ist das Einleiten von

1.
Schmutzwasser, das vor Gebrauch einem Gewässer entnommen worden ist und über die bei der Entnahme vorhandene Schädlichkeit im Sinne dieses Gesetzes hinaus keine weitere Schädlichkeit im Sinne dieses Gesetzes aufweist,
2.
Schmutzwasser in ein beim Abbau von mineralischen Rohstoffen entstandenes oberirdisches Gewässer, sofern das Wasser nur zum Waschen der dort gewonnenen Erzeugnisse gebraucht wird und keine anderen schädlichen Stoffe als die abgebauten enthält und soweit gewährleistet ist, dass keine schädlichen Stoffe in andere Gewässer gelangen,
3.
Schmutzwasser von Wasserfahrzeugen, das auf ihnen anfällt,
4.
Niederschlagswasser von bis zu drei Hektar großen befestigten gewerblichen Flächen und von Schienenwegen der Eisenbahnen, wenn es nicht über eine öffentliche Kanalisation vorgenommen wird.

(2) Die Länder können bestimmen, dass das Einleiten von Abwasser in Untergrundschichten, in denen das Grundwasser wegen seiner natürlichen Beschaffenheit für eine Trinkwassergewinnung mit den herkömmlichen Aufbereitungsverfahren nicht geeignet ist, nicht abgabepflichtig ist.

(3) Werden Abwasserbehandlungsanlagen errichtet oder erweitert, deren Betrieb eine Minderung der Fracht einer der bewerteten Schadstoffe und Schadstoffgruppen in einem zu behandelnden Abwasserstrom um mindestens 20 vom Hundert sowie eine Minderung der Gesamtschadstofffracht beim Einleiten in das Gewässer erwarten lässt, so können die für die Errichtung oder Erweiterung der Anlage entstandenen Aufwendungen mit der für die in den drei Jahren vor der vorgesehenen Inbetriebnahme der Anlage insgesamt für diese Einleitung geschuldeten Abgabe verrechnet werden. Dies gilt nicht für den nach § 4 Abs. 4 erhöhten Teil der Abgabe. Ist die Abgabe bereits gezahlt, besteht ein entsprechender Rückzahlungsanspruch; dieser Anspruch ist nicht zu verzinsen. Die Abgabe ist nachzuerheben, wenn die Anlage nicht in Betrieb genommen wird oder eine Minderung um mindestens 20 vom Hundert nicht erreicht wird. Die nacherhobene Abgabe ist rückwirkend vom Zeitpunkt der Fälligkeit an entsprechend § 238 der Abgabenordnung zu verzinsen.

(4) Für Anlagen, die das Abwasser vorhandener Einleitungen einer Abwasserbehandlungsanlage zuführen, die den Anforderungen des § 60 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes entspricht oder angepasst wird, gilt Absatz 3 entsprechend mit der Maßgabe, dass bei den Einleitungen insgesamt eine Minderung der Schadstofffracht zu erwarten ist.

(5) Werden in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet Abwasseranlagen errichtet oder erweitert, deren Aufwendungen nach Absatz 3 oder 4 verrechnungsfähig sind, so können die Aufwendungen oder Leistungen hierzu nach Maßgabe der Absätze 3 und 4 auch mit Abwasserabgaben verrechnet werden, die der Abgabepflichtige für andere Einleitungen in diesem Gebiet bis zum Veranlagungsjahr 2005 schuldet.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Abgabepflichtig ist, wer Abwasser einleitet (Einleiter).

(2) Die Länder können bestimmen, dass an Stelle der Einleiter Körperschaften des öffentlichen Rechts abgabepflichtig sind. An Stelle von Einleitern, die weniger als acht Kubikmeter je Tag Schmutzwasser aus Haushaltungen und ähnliches Schmutzwasser einleiten, sind von den Ländern zu bestimmende Körperschaften des öffentlichen Rechts abgabepflichtig. Die Länder regeln die Abwälzbarkeit der Abgabe.

(3) Wird das Wasser eines Gewässers in einer Flusskläranlage gereinigt, können die Länder bestimmen, dass an Stelle der Einleiter eines festzulegenden Einzugsbereichs der Betreiber der Flusskläranlage abgabepflichtig ist. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Die Abgabepflicht entsteht bis zum 31. Dezember 1980 nicht. Der Abgabesatz beträgt für jede Schadeinheit

- ab 1. Januar 198112 DM,
- ab 1. Januar 198218 DM,
- ab 1. Januar 198324 DM,
- ab 1. Januar 198430 DM,
- ab 1. Januar 198536 DM,
- ab 1. Januar 198640 DM,
- ab 1. Januar 199150 DM,
- ab 1. Januar 199360 DM,
- ab 1. Januar 199770 DM,
- ab 1. Januar 200235,79 Euro

im Jahr.

(5) Der Abgabesatz nach Absatz 4 ermäßigt sich außer bei Niederschlagswasser (§ 7) und bei Kleineinleitungen (§ 8) um 75 vom Hundert, vom Veranlagungsjahr 1999 an um die Hälfte für die Schadeinheiten, die nicht vermieden werden, obwohl

1.
der Inhalt des Bescheides nach § 4 Absatz 1 oder die Erklärung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 mindestens den in einer Rechtsverordnung nach § 7a des Wasserhaushaltsgesetzes in der am 28. Februar 2010 geltenden Fassung oder § 23 Absatz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 57 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes festgelegten Anforderungen entspricht und
2.
die in einer Rechtsverordnung nach Nummer 1 festgelegten Anforderungen im Veranlagungszeitraum eingehalten werden.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn für die im Bescheid nach § 4 Absatz 1 festgesetzten oder die nach § 6 Absatz 1 Satz 1 erklärten Überwachungswerte in einer Rechtsverordnung nach Satz 1 Nummer 1 keine Anforderungen festgelegt sind.

(6) Im Falle einer Erklärung nach § 4 Abs. 5 berechnet sich die Ermäßigung nach dem erklärten Wert, wenn der Bescheid im Anschluss an die Erklärung an den erklärten Wert angepasst wird und dieser die Voraussetzungen des Absatzes 5 erfüllt.

Für dieses Gesetz gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1.
Oberirdische Gewässer
das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser;
2.
Küstengewässer
das Meer zwischen der Küstenlinie bei mittlerem Hochwasser oder zwischen der seewärtigen Begrenzung der oberirdischen Gewässer und der seewärtigen Begrenzung des Küstenmeeres; die seewärtige Begrenzung von oberirdischen Gewässern, die nicht Binnenwasserstraßen des Bundes sind, richtet sich nach den landesrechtlichen Vorschriften;
2a.
Meeresgewässer
die Küstengewässer sowie die Gewässer im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels, jeweils einschließlich des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes;
3.
Grundwasser
das unterirdische Wasser in der Sättigungszone, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht;
4.
Künstliche Gewässer
von Menschen geschaffene oberirdische Gewässer oder Küstengewässer;
5.
Erheblich veränderte Gewässer
durch den Menschen in ihrem Wesen physikalisch erheblich veränderte oberirdische Gewässer oder Küstengewässer;
6.
Wasserkörper
einheitliche und bedeutende Abschnitte eines oberirdischen Gewässers oder Küstengewässers (Oberflächenwasserkörper) sowie abgegrenzte Grundwasservolumen innerhalb eines oder mehrerer Grundwasserleiter (Grundwasserkörper);
7.
Gewässereigenschaften
die auf die Wasserbeschaffenheit, die Wassermenge, die Gewässerökologie und die Hydromorphologie bezogenen Eigenschaften von Gewässern und Gewässerteilen;
8.
Gewässerzustand
die auf Wasserkörper bezogenen Gewässereigenschaften als ökologischer, chemischer oder mengenmäßiger Zustand eines Gewässers; bei als künstlich oder erheblich verändert eingestuften Gewässern tritt an die Stelle des ökologischen Zustands das ökologische Potenzial;
9.
Wasserbeschaffenheit
die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers eines oberirdischen Gewässers oder Küstengewässers sowie des Grundwassers;
10.
Schädliche Gewässerveränderungen
Veränderungen von Gewässereigenschaften, die das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die öffentliche Wasserversorgung, beeinträchtigen oder die nicht den Anforderungen entsprechen, die sich aus diesem Gesetz, aus auf Grund dieses Gesetzes erlassenen oder aus sonstigen wasserrechtlichen Vorschriften ergeben;
11.
Stand der Technik
der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt; bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage 1 aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen;
12.
EMAS-Standort
diejenige Einheit einer Organisation, die nach § 32 Absatz 1 Satz 1 des Umweltauditgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. September 2002 (BGBl. I S. 3490), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2509) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung in das EMAS-Register eingetragen ist;
13.
Einzugsgebiet
ein Gebiet, aus dem über oberirdische Gewässer der gesamte Oberflächenabfluss an einer einzigen Flussmündung, einem Ästuar oder einem Delta ins Meer gelangt;
14.
Teileinzugsgebiet
ein Gebiet, aus dem über oberirdische Gewässer der gesamte Oberflächenabfluss an einem bestimmten Punkt in ein oberirdisches Gewässer gelangt;
15.
Flussgebietseinheit
ein als Haupteinheit für die Bewirtschaftung von Einzugsgebieten festgelegtes Land- oder Meeresgebiet, das aus einem oder mehreren benachbarten Einzugsgebieten, dem ihnen zugeordneten Grundwasser und den ihnen zugeordneten Küstengewässern im Sinne des § 7 Absatz 5 Satz 2 besteht;
16.
Wasserdienstleistungen sind folgende Dienstleistungen für Haushalte, öffentliche Einrichtungen oder wirtschaftliche Tätigkeiten jeder Art:
a)
Entnahme, Aufstauung, Speicherung, Behandlung und Verteilung von Wasser aus einem Gewässer;
b)
Sammlung und Behandlung von Abwasser in Abwasseranlagen, die anschließend in oberirdische Gewässer einleiten;
17.
Wassernutzungen sind alle Wasserdienstleistungen sowie andere Handlungen mit Auswirkungen auf den Zustand eines Gewässers, die im Hinblick auf die Bewirtschaftungsziele nach den §§ 27 bis 31, 44 und 47 signifikant sind.

(1) Abgabepflichtig ist, wer Abwasser einleitet (Einleiter).

(2) Die Länder können bestimmen, dass an Stelle der Einleiter Körperschaften des öffentlichen Rechts abgabepflichtig sind. An Stelle von Einleitern, die weniger als acht Kubikmeter je Tag Schmutzwasser aus Haushaltungen und ähnliches Schmutzwasser einleiten, sind von den Ländern zu bestimmende Körperschaften des öffentlichen Rechts abgabepflichtig. Die Länder regeln die Abwälzbarkeit der Abgabe.

(3) Wird das Wasser eines Gewässers in einer Flusskläranlage gereinigt, können die Länder bestimmen, dass an Stelle der Einleiter eines festzulegenden Einzugsbereichs der Betreiber der Flusskläranlage abgabepflichtig ist. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Die Abgabepflicht entsteht bis zum 31. Dezember 1980 nicht. Der Abgabesatz beträgt für jede Schadeinheit

- ab 1. Januar 198112 DM,
- ab 1. Januar 198218 DM,
- ab 1. Januar 198324 DM,
- ab 1. Januar 198430 DM,
- ab 1. Januar 198536 DM,
- ab 1. Januar 198640 DM,
- ab 1. Januar 199150 DM,
- ab 1. Januar 199360 DM,
- ab 1. Januar 199770 DM,
- ab 1. Januar 200235,79 Euro

im Jahr.

(5) Der Abgabesatz nach Absatz 4 ermäßigt sich außer bei Niederschlagswasser (§ 7) und bei Kleineinleitungen (§ 8) um 75 vom Hundert, vom Veranlagungsjahr 1999 an um die Hälfte für die Schadeinheiten, die nicht vermieden werden, obwohl

1.
der Inhalt des Bescheides nach § 4 Absatz 1 oder die Erklärung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 mindestens den in einer Rechtsverordnung nach § 7a des Wasserhaushaltsgesetzes in der am 28. Februar 2010 geltenden Fassung oder § 23 Absatz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 57 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes festgelegten Anforderungen entspricht und
2.
die in einer Rechtsverordnung nach Nummer 1 festgelegten Anforderungen im Veranlagungszeitraum eingehalten werden.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn für die im Bescheid nach § 4 Absatz 1 festgesetzten oder die nach § 6 Absatz 1 Satz 1 erklärten Überwachungswerte in einer Rechtsverordnung nach Satz 1 Nummer 1 keine Anforderungen festgelegt sind.

(6) Im Falle einer Erklärung nach § 4 Abs. 5 berechnet sich die Ermäßigung nach dem erklärten Wert, wenn der Bescheid im Anschluss an die Erklärung an den erklärten Wert angepasst wird und dieser die Voraussetzungen des Absatzes 5 erfüllt.

(1) Abwasser im Sinne dieses Gesetzes sind das durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderte und das bei Trockenwetter damit zusammen abfließende Wasser (Schmutzwasser) sowie das von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen abfließende und gesammelte Wasser (Niederschlagswasser). Als Schmutzwasser gelten auch die aus Anlagen zum Behandeln, Lagern und Ablagern von Abfällen austretenden und gesammelten Flüssigkeiten.

(2) Einleiten im Sinne dieses Gesetzes ist das unmittelbare Verbringen des Abwassers in ein Gewässer; das Verbringen in den Untergrund gilt als Einleiten in ein Gewässer, ausgenommen hiervon ist das Verbringen im Rahmen landbaulicher Bodenbehandlung.

(3) Abwasserbehandlungsanlage im Sinne dieses Gesetzes ist eine Einrichtung, die dazu dient, die Schädlichkeit des Abwassers zu vermindern oder zu beseitigen; ihr steht eine Einrichtung gleich, die dazu dient, die Entstehung von Abwasser ganz oder teilweise zu verhindern.

(1) Nicht abgabepflichtig ist das Einleiten von

1.
Schmutzwasser, das vor Gebrauch einem Gewässer entnommen worden ist und über die bei der Entnahme vorhandene Schädlichkeit im Sinne dieses Gesetzes hinaus keine weitere Schädlichkeit im Sinne dieses Gesetzes aufweist,
2.
Schmutzwasser in ein beim Abbau von mineralischen Rohstoffen entstandenes oberirdisches Gewässer, sofern das Wasser nur zum Waschen der dort gewonnenen Erzeugnisse gebraucht wird und keine anderen schädlichen Stoffe als die abgebauten enthält und soweit gewährleistet ist, dass keine schädlichen Stoffe in andere Gewässer gelangen,
3.
Schmutzwasser von Wasserfahrzeugen, das auf ihnen anfällt,
4.
Niederschlagswasser von bis zu drei Hektar großen befestigten gewerblichen Flächen und von Schienenwegen der Eisenbahnen, wenn es nicht über eine öffentliche Kanalisation vorgenommen wird.

(2) Die Länder können bestimmen, dass das Einleiten von Abwasser in Untergrundschichten, in denen das Grundwasser wegen seiner natürlichen Beschaffenheit für eine Trinkwassergewinnung mit den herkömmlichen Aufbereitungsverfahren nicht geeignet ist, nicht abgabepflichtig ist.

(3) Werden Abwasserbehandlungsanlagen errichtet oder erweitert, deren Betrieb eine Minderung der Fracht einer der bewerteten Schadstoffe und Schadstoffgruppen in einem zu behandelnden Abwasserstrom um mindestens 20 vom Hundert sowie eine Minderung der Gesamtschadstofffracht beim Einleiten in das Gewässer erwarten lässt, so können die für die Errichtung oder Erweiterung der Anlage entstandenen Aufwendungen mit der für die in den drei Jahren vor der vorgesehenen Inbetriebnahme der Anlage insgesamt für diese Einleitung geschuldeten Abgabe verrechnet werden. Dies gilt nicht für den nach § 4 Abs. 4 erhöhten Teil der Abgabe. Ist die Abgabe bereits gezahlt, besteht ein entsprechender Rückzahlungsanspruch; dieser Anspruch ist nicht zu verzinsen. Die Abgabe ist nachzuerheben, wenn die Anlage nicht in Betrieb genommen wird oder eine Minderung um mindestens 20 vom Hundert nicht erreicht wird. Die nacherhobene Abgabe ist rückwirkend vom Zeitpunkt der Fälligkeit an entsprechend § 238 der Abgabenordnung zu verzinsen.

(4) Für Anlagen, die das Abwasser vorhandener Einleitungen einer Abwasserbehandlungsanlage zuführen, die den Anforderungen des § 60 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes entspricht oder angepasst wird, gilt Absatz 3 entsprechend mit der Maßgabe, dass bei den Einleitungen insgesamt eine Minderung der Schadstofffracht zu erwarten ist.

(5) Werden in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet Abwasseranlagen errichtet oder erweitert, deren Aufwendungen nach Absatz 3 oder 4 verrechnungsfähig sind, so können die Aufwendungen oder Leistungen hierzu nach Maßgabe der Absätze 3 und 4 auch mit Abwasserabgaben verrechnet werden, die der Abgabepflichtige für andere Einleitungen in diesem Gebiet bis zum Veranlagungsjahr 2005 schuldet.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger betreibt in M. eine Kläranlage zur Reinigung von Mischwasser aus 24 Ortsgemeinden der Verbandsgemeinden G., K. und M.. Er begehrt die Verrechnung bereits geleisteter Abwasserabgaben mit einem Zuschuss zu Investitionsaufwendungen für den erstmaligen Anschluss der Annexe Füllenweide mittels Pumpstation und Druckleitung an seine Kläranlage.

2

In den Jahren 2002 bis 2004 schlossen die Verbandsgemeindewerke G. die zur Ortsgemeinde G. gehörende Annexe Füllenweide mittels Pumpstation und Druckleitung erstmalig an den Verbindungssammler und damit an die Kläranlage des Klägers an. Die Maßnahme wurde am 23. Juli 2004 in Betrieb genommen.

3

Am 17. November 2004 gab der Kläger Verrechnungserklärungen gemäß § 10 Abs. 3 und 4 AbwAG für die Veranlagungsjahre 2001 bis 2004 ab. In den Erklärungen bezifferte er die voraussichtlichen Kosten der Baumaßnahme mit 590.469,00 €.

4

Mit Schreiben vom 6. Januar 2005 teilte der Beklagte dem Kläger u.a. mit, dass wegen fehlender Identität zwischen Maßnahmenträger und Abgabeschuldner eine Verrechnung der Investitionskosten mit der Abwasserabgabe nicht in Betracht komme.

5

In einer internen E-Mail vom 11. Mai 2005 wies der Beklagte auf die Möglichkeit der Verrechnung durch den Kläger für den Fall hin, dass dieser dem Maßnahmenträger einen Zuschuss zahlt.

6

Zwischen dem Kläger und dem Beklagten fand am 23. Mai 2005 ein Gespräch statt, dessen Gegenstand u.a. die Möglichkeit der Verrechnung der hier in Rede stehenden Investitionen mit Abwasserabgaben war. Ausweislich eines seitens des Beklagten hierüber angefertigten Vermerks wurde bei diesem Gespräch über das Verfahren zur Verrechnung von Aufwendungen Dritter sowie über die Verjährung des Rückzahlungsanspruchs gesprochen.

7

Im April 2006 fragte der Beklagte beim Kläger an, ob dieser zwischenzeitlich einen Baukostenzuschuss zu den von den Verbandsgemeindewerken G. getätigten Investitionen geleistet habe. Dies wurde verneint.

8

Am 5. April 2011 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass den Verbandsgemeindewerken G. am 16. Februar 2011 ein Betrag in Höhe von 440.000,00 € als Baukostenzuschuss u.a. für die in Rede stehende Baumaßnahme überwiesen worden sei und bat um Bearbeitung der Verrechnungserklärungen vom November 2004.

9

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22. Mai 2012 eine Verrechnung des Investitionskostenzuschusses für den erstmaligen Anschluss der Anwesen „B. Hof“ und „Haus L.“ in Z. an die Kläranlage M. mit der Schmutzwasserabgabe ab. Zur Begründung führte er aus, von einer wirksamen Verrechnungserklärung sei erst mit der Zuschusszahlung im Februar 2011 auszugehen. Da in diesem Zeitpunkt die Abwasserabgabe bereits gezahlt gewesen sei, komme nur eine Rückzahlungsanforderung nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AbwAG in Betracht. Diese sei nach § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG nur bis zum Ende des zweiten Jahres nach dem Jahr zu berücksichtigen, in welchem dem Maßnahmenträger die Aufwendungen entstanden seien. Eine wirksame Verrechnungserklärung erst im Februar 2011 sei verspätet.

10

Mit seinem am 1. Juni 2012 erhobenen Widerspruch trug der Kläger vor: § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG stehe der Verrechnung nicht entgegen. Soweit in dieser Vorschrift von Aufwendungen die Rede sei, seien damit in Fällen der Nichtidentität von Maßnahmenträger und Abgabeschuldner diejenigen Aufwendungen gemeint, die der Abgabenpflichtige an den Maßnahmenträger – etwa in Gestalt eines verlorenen Baukostenzuschusses – geleistet habe. Da der Kläger den Zuschuss an die Verbandsgemeindewerke erst im Februar 2011 gezahlt habe, habe erst ab diesem Datum die Frist zu laufen begonnen. Eine vor Zuschussgewährung abgegebene Verrechnungserklärung werde zwar erst mit dem Zuschuss wirksam, sei aber kein rechtliches Nullum, denn sie zeige dem Abgabegläubiger, dass eine Verrechnungslage herbeigeführt werden solle, auch wenn die Verrechnungslage erst später entstehe. Es seien in einem solchen Sachverhalt zwei Zeitpunkte zu beachten: Zunächst müsse innerhalb der Frist des § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG betreffend die Aufwendungen des Maßnahmenträgers eine Verrechnungserklärung erfolgt sein; nach Entstehen des Aufwandes beim Abgabenschuldner sei dann in der Frist des § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG der Rückzahlungsanspruch geltend zu machen. Die Frist laufe somit zweimal. Dass eine in der Frist des § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG abgegebene Verrechnungserklärung erst nach Zahlung des Baukostenzuschusses ihre Wirksamkeit als Rückforderungserklärung entfalte, sei unbedenklich. Vorliegend sei die Verrechnungserklärung innerhalb von zwei Jahren nach Inbetriebnahme der Abwasseranlage erklärt worden. Sie sei lediglich mit Zahlung des Zuschusses im Februar 2011 wirksam geworden. Der Rückforderungsanspruch sei unstreitig auch innerhalb von zwei Jahren nach Entstehen der Aufwendungen beim Kläger geltend gemacht worden.

11

Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 15. November 2012 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Rückzahlung der Schmutzwasserabgabe für den Zeitraum 1. Januar 2001 bis 23. Juli 2004 sei zu Recht versagt worden. Zwar lägen die Verrechnungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 4 AbwAG vor. Die Rückzahlung scheitere jedoch an § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG.

12

Am 14. Dezember 2012 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens ergänzend vor: Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 AbwAG lägen vor, denn vor dem Anschluss der Annexe Füllenweide an die Kanalisation seien Abwassergruben mit Überläufen in den Vorfluter betrieben worden, die nach dem Anschluss an die Kläranlage hätten aufgegeben werden können. § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG stehe der Verrechnung nicht entgegen. In den Verrechnungserklärungen vom 17. November 2004 könne keine reine Absichtserklärung gesehen werden, einen Baukostenzuschuss zu leisten. Er habe verrechnen wollen, um die Abwasserabgabe zurückfordern zu können. Der Beklagte verkenne, dass der Sinn und Zweck von § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG lediglich darin bestehe, den Abgabengläubiger davon zu schützen, eine bereits gezahlte und verplante Abwasserabgabe nach Ablauf der Zweijahresfrist zurückzahlen zu müssen, wenn er damit habe rechnen können, die vereinnahmte Abgabe endgültig behalten zu dürfen. Im vorliegenden Fall habe der Beklagte jedoch gewusst, dass eine Verrechnungslage bestehe und der Kläger verrechnen wolle. Letztlich sei ihm jedenfalls Wiedereinsetzung in die Frist des § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG zu gewähren, denn er sei ohne Verschulden gehindert gewesen, diese Frist einzuhalten. Der Beklagte habe ihn von einer rechtzeitigen Baukostenzuschussgewährung abgehalten. In dem Gespräch am 23. Mai 2005 habe ihm der Beklagte erklärt, unabhängig von einer Baukostenzuschussgewährung könne dem Verrechnungsantrag wegen der fehlenden Identität von Abgabeschuldner und Maßnahmenträger nicht entsprochen werden. Im Widerspruchsbescheid habe der Beklagte dann aber zu erkennen gegeben, dass die fehlende Identität nicht entgegenstehe. Soweit der Beklagte unter Hinweis auf den Gesprächsvermerk vom 6. Juni 2005 darauf hinweise, ihm – dem Kläger – sei das Verfahren zur Verrechnung von Aufwendungen Dritter bekannt gewesen, sei dem entgegen zu halten, dass der Vermerk das Gespräch unrichtig wiedergebe. Vielmehr sei in dem Gespräch eine Zuschussgewährung als untauglich abgetan worden. Der Beklagte habe ihm auch keine Empfehlung gegeben, wie er vorgehen solle, um eine Verrechnung zu erreichen. Der Vermerk stelle keine öffentliche Urkunde dar. Jedenfalls in der Mitteilung über die Zuschussgewährung sei auch ein konkludenter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu sehen. Bei der Frist des § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG handele es sich nicht um eine Ausschlussfrist. Ungeachtet dessen wäre jedoch auch bei Vorliegen einer Ausschlussfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig, da dem Versäumnis staatliches Fehlverhalten vorausgegangen sei.

13

Der Kläger beantragt,

14

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2012 zu verurteilen, an ihn die geleistete Abwasserabgabe in Höhe von 341.357,00 € zurückzuzahlen.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Er bezieht sich auf die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen und trägt ergänzend vor: Im Zeitpunkt der Besprechung vom 23. Mai 2005 habe eine Vorgabe des zuständigen Ministeriums bestanden, nach der eine Verrechnung in Fällen fehlender Identität von Maßnahmenträger und Abgabeschuldner auch dann nicht möglich sei, wenn letzterer einen Zuschuss zu den Aufwendungen leiste. Auf diese Vorgaben des Ministeriums sei der Kläger in dem Gespräch hingewiesen worden. Man habe ihn aber ausdrücklich auf die Möglichkeit verwiesen, einen Zuschuss an den Maßnahmenträger zu leisten und nach Ablehnung eines Verrechnungsantrags den Klageweg zu beschreiten. In diesem Zusammenhang sei der Kläger auch auf § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG hingewiesen worden. Keineswegs habe man ihn von der Gewährung eines Zuschusses abhalten wollen oder dies als ohnehin aussichtslos hingestellt. Dem Kläger sei vielmehr das Verfahren verdeutlicht worden. Bei dem Vermerk über das Gespräch vom 23. Mai 2005 handele es sich um eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 415 Abs. 1 ZPO. Der Verrechnung stehe § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG entgegen. Dem Gesetz lasse sich nicht entnehmen, dass bei der Verrechnung von Aufwendungen Dritter zwei Verrechnungserklärungen abzugeben seien, die sich jeweils an der Zweijahresfrist zu orientieren hätten. Soweit in § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG von Aufwendungen die Rede sei, seien im Falle der Verrechnung von Aufwendungen an einen Dritten die Aufwendungen des Dritten gemeint. Durch den Austausch des Verrechnenden solle es nicht zu einer Änderung der maßgeblichen Rechtslage kommen. Sinn des § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG sei es zu verhindern, dass durch Rückzahlungsansprüche für weit zurück liegende, abgeschlossene Haushaltsjahre nachträglich noch Belastungen entstünden. Letztlich habe der Kläger den Zuschuss auch innerhalb der Frist des § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG leisten können. Ebenso wenig sei von einer „schwebenden Unwirksamkeit“ der Verrechnungserklärung bis zur Zuschussleistung auszugehen. § 10 Abs. 1 Satz 1 LAbwAG statuiere einen Zeitpunkt, ab dem eine Verrechnungserklärung wirksam abgegeben werden könne. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheide aus, da es sich bei § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG um eine Ausschlussfrist handele und behördliches Fehlverhalten nicht gegeben sei.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten in den Gerichtsakten verwiesen. Die Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten liegen der Kammer vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

19

Die auf Rückzahlung bereits geleisteter Abwasserabgaben gerichtete Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft (vgl. OVG RP, Urteile vom 25. April 2003 – 12 A 11670/02.OVG –, ZfW 2004, 250 = juris Rn. 15, und 28. Oktober 1998 – 12 A 10896/98.OVG –, juris Rn. 13) und auch ansonsten zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung bereits geleisteter Abwasserabgaben. Er hat jedenfalls seinen Rückzahlungsanspruch außerhalb der Frist des § 10 Abs. 2 Satz 2 des Landesabwasserabgabengesetzes – LAbwAG – und damit verspätet geltend gemacht mit der Folge, dass eine Rückzahlungsanforderung nicht mehr nachträglich zu berücksichtigen ist.

20

Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 des AbwasserabgabengesetzesAbwAG – können für den Fall, dass Abwasserbehandlungsanlagen errichtet oder erweitert werden, deren Betrieb eine Minderung der Fracht einer der bewerteten Schadstoffe und Schadstoffgruppen in einem zu behandelnden Abwasserstrom um mindestens 20 vom Hundert sowie eine Minderung der Gesamtschadstofffracht beim Einleiten in das Gewässer erwarten lässt, die für die Errichtung oder Erweiterung der Anlage entstandenen Aufwendungen mit der für die in den drei Jahren vor der vorgesehenen Inbetriebnahme der Anlage insgesamt für diese Einleitung geschuldeten Abgabe verrechnet werden. Gleiches gilt nach § 10 Abs. 4 AbwAG für Anlagen, die Abwasser vorhandener Einleitungen einer näher geregelten Abwasserbehandlungsanlage zuführen. Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AbwAG besteht ein der geschilderten Verrechnungsmöglichkeit entsprechender Rückzahlungsanspruch, wenn die Abwasserabgabe bereits gezahlt ist. Die geschilderten Alternativenbeschreiben zwei rechtlich selbständige und voneinander unabhängige Ansprüche, die allerdings in übereinstimmenden Lebenssachverhalten wurzeln und deren Eingreifen bei Vorliegen der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen nur davon abhängen, ob der jeweilige Anspruch vor oder nach bereits erfolgter Entrichtung der Abwasserabgabe geltend gemacht wird (vgl. OVG RP, Urteile vom 28. Oktober 1998, a.a.O. juris Rn. 13, und vom 10. Juni 1998 – 12 A 10550/98.OVG –, ESRIA).

21

Ausgehend von diesen Voraussetzungen kann zunächst offenbleiben, ob der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch schon daran scheitert, dass es an einer unwiderruflichen Bestätigung der Verbandsgemeinde im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 2 LAbwAG fehlt. Der Kläger kann eine Rückzahlung jedenfalls deshalb nicht beanspruchen, weil er den Rückzahlungsanspruch nicht innerhalb des Zweijahreszeitraums des § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG geltend gemacht hat (1) und ihm auch keine Wiedereinsetzung zu gewähren ist (2).

22

(1) Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG ist eine Rückzahlungsanforderung nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AbwAG bis zum Ende des zweiten Jahres nach dem Jahr nachträglich zu berücksichtigen, in dem die Aufwendungen entstanden sind. Die Vorschrift verfolgt den Zweck, nachträgliche Verrechnungen (Rückforderungen) mit bereits gezahlten Abwasserabgaben im Sinne einer abschließenden Regelung zeitlich zu begrenzen (vgl. OVG RP, Urteil vom 10. Juni 1998, a.a.O.; VG Neustadt/Wstr., Urteil vom 7. August 2008 – 4 K 411/08.NW –, juris Rn. 20 unter Verweis auf die amtliche Gesetzesbegründung in LT-Drs 12/3087, S. 12). Hintergrund der Vorschrift ist, dass der Abgabengläubiger nicht zeitlich unbefristet einer nachträglichen Verrechnung ausgesetzt sein soll, sondern einen gesetzlich normierten Vertrauensschutz dahingehend genießt, nach Ablauf des Zweijahreszeitraums bereits gezahlte Abwasserabgaben behalten zu dürfen. Damit soll nicht zuletzt auch verhindert werden, dass zeitlich unbegrenzt nachträglich in bereits abgeschlossene Haushaltsjahre eingegriffen wird.

23

Während die Anwendung von § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG in den Fällen der Identität von Maßnahmenträger und Abgabepflichtigen weniger Probleme bereitet, ist sie in den Fällen, in denen der Abgabenpflichtige Aufwendungen geltend macht, die er an einen Dritten zur Durchführung von Aufwendungen nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AbWAG geleistet hat, wie folgt anzuwenden: Für das Entstehen der Aufwendungen ist der Zeitpunkt maßgeblich, an dem der Dritte – vorliegend die Verbandsgemeindewerke G. als Maßnahmenträger – seinerseits seine Aufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG getätigt hat. Hierfür spricht maßgeblich, dass auch für den Dritten die Rechtslage zu diesem Zeitpunkt entscheidend wäre, wenn er selbst mit den ihm entstandenen Aufwendungen eine Verrechnung mit einer Abwasserabgabenschuld vornehmen wollte. Die maßgebliche Rechtslage kann sich aber nicht dadurch ändern, dass ein anderer – hier: der Kläger – die Position des Dritten durch die Leistung eines Aufwendungsersatzes einnimmt. Die in diesem Vorgang liegende bloße Auswechslung des Verrechnenden lässt die maßgebliche Rechtslage unberührt. Hierfür spricht ferner die Überlegung, dass andernfalls der Verrechnungszeitpunkt durch eine möglichst späte Aufwendungserstattung gegenüber dem Dritten unabsehbar hinausgeschoben werden kann (vgl. OVG RP, Urteil vom 28. Oktober 1998, a.a.O. juris Rn. 14). Damit hätte es der Abgabenpflichtige in der Hand, beliebig lange nach Tätigung der Aufwendungen eine Verrechnungslage und damit einen Rückzahlungsanspruch zu begründen mit der Folge, dass nachträglich in längst abgeschlossene Haushaltsjahre eingegriffen müsste. Hingegen kommt es für das Bestehen einer Verrechnungslage – ohne die ein Rückzahlungsanspruch nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AbwAG nicht möglich wäre – auf den Zeitpunkt an, an dem der Abgabenpflichtige seine Leistungen an den Dritten getätigt hat (vgl. OVG RP, a.a.O. juris Rn. 14). Dies lässt sich auch der Ratio des § 10 Abs. 1 Satz 1 LAbwAG entnehmen, wonach der Abgabenpflichtige die Verrechnung (erst) erklären kann, sobald ihm Aufwendungen im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG entstanden sind.

24

Hieraus ergibt sich, dass nach der Konzeption von § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG in den Fällen des § 10 Abs. 1 Satz 2 LAbwAG – der auch die vorliegende Fallkonstellation umfasst – eine Rückerstattung bereits gezahlter Abwasserabgaben nur dann zulässig ist, wenn der Abgabenpflichtige bis zum Ende des zweiten Jahres nach dem Jahr, in dem dem Dritten die Aufwendungen entstanden sind, seinerseits durch Zahlung etwa eines Baukostenzuschusses an den Dritten Aufwendungen tätigt. Nur diese Auslegung wird der Zielrichtung von § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG gerecht, die nachträgliche Verrechnung mit bereits gezahlten Abwasserabgaben zeitlich zu begrenzen.

25

Ausgehend von dem Vorgesagten fehlt es an den Voraussetzungen für eine Rückzahlung bereits gezahlter Abwasserabgaben durch den Kläger. Wie sich den Verwaltungsakten entnehmen lässt, haben die Verbandsgemeindewerke G. in den Jahren 2002 bis 2004 Aufwendungen für den Anschluss der Annexe Füllenweide an das Kanalnetz der Verbandsgemeinde und damit an die Abwasserbehandlungsanlage des Klägers erbracht. Damit hätte der Kläger bis spätestens 31. Dezember 2006 seinerseits Aufwendungen an den Maßnahmenträger tätigen müssen, damit diese im Rahmen eines Rückzahlungsanspruchs berücksichtigungsfähig wären. Er hat jedoch am erst 12. Februar 2011 mit der Überweisung des Baukostenzuschusses in Höhe von 440.000,00 € an die Verbandsgemeindewerke G. und damit lange nach Ablauf des in § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG genannten Zeitraums die Voraussetzungen für eine Rückzahlung herbeigeführt mit der Folge, dass eine Rückzahlung bereits geleisteter Abwasserabgaben ausscheidet.

26

Soweit demgegenüber der Kläger § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG dahingehend verstehen will, dass in Fällen, in denen der Abgabenpflichtige Aufwendungen an den Dritten zur Errichtung oder Erweiterung von Abwasserbehandlungsanlagen geleistet hat, einmal innerhalb der 2-Jahres-Frist betreffend die Aufwendungen des Maßnahmenträger eine Verrechnungserklärung und dann erneut in der 2-Jahres-Frist nach Entstehen des Aufwands beim Abgabepflichtigen dessen Rückforderungserklärung erfolgen müsse, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Gegen eine doppelte Anwendung der Frist spricht bereits der Wortlaut von § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG, der nur eine Frist – und zwar nach Entstehen der Aufwendungen (beim Maßnahmenträger) – kennt. Hätte der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der durch § 10 Abs. 1 Satz 2 LAbwAG ermöglichten Übernahme von Aufwendungen eines Dritten durch den Abgabepflichtigen einen zweifachen Fristenlauf zur Abwendung bringen wollen, hätte eine normative Klarstellung nahegelegen. Die Auslegung von § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG im Sinne der klägerischen Vorstellung würde Sinn und Zweck der Vorschrift in ihr Gegenteil verkehren. Die Anwendung zweier Fristenregelungen – nämlich auf das Entstehen der Aufwendungen beim Maßnahmenträger und das Entstehen des Rückforderungsanspruchs beim Abgabenpflichtigen – hätte zur Folge, dass eine Rückerstattung ohne zeitliche Begrenzung möglich wäre, denn der Abgabenpflichtige könnte sich nahezu unbegrenzt Zeit mit der Herbeiführung der Verrechnungslage lassen, ohne den Verlust des Rückzahlungsanspruchs befürchten zu müssen. Dies widerspricht der Intention des Gesetzes, die gerade die nachträgliche Verrechnung mit bereits gezahlten Abwasserabgaben zeitlich begrenzen will (vgl. LT-Drs 12/3087, a.a.O.). Der Kläger hat auch kein – aus Sicht des an einen Dritten leistenden Abgabenpflichtigen – relevantes Interesse benennen können, das eine zeitlich unbeschränkte Zuschusszahlung erforderlich machen oder gar gebieten könnte. Dieser Sicht kann der Kläger auch nicht unter Hinweis auf den Verrechnungsgegenstand (3 Jahre vor Inbetriebnahme der Anlage geschuldete Abgaben, § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG) entgegentreten. § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG legt lediglich fest, dass eine Verrechnung mit der Abwasserabgabe möglich ist, die in den 3 Jahren vor Inbetriebnahme der Einrichtung entstanden ist.

27

Auch der Einwand des Klägers, einem Ausschluss seines Rückforderungsanspruchs nach § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG stehe die fehlende Schutzwürdigkeit des Beklagten entgegen, der aufgrund der am 17. November 2004 abgegebenen Verrechnungserklärungen von einer beabsichtigten Verrechnung bzw. Rückerstattung Kenntnis erlangt habe und sogar darauf hätte hinwirken müssen, die Verrechnungslage herbeizuführen, greift nicht durch. Abgesehen davon, dass es keine Verpflichtung der Behörde gibt, einen Antragsteller vor den Folgen zögerlichen oder nachlässigen Verhaltens zu bewahren (vgl. Hess.VGH, Urteil vom 25. Februar 1985 – VIII OE 30/82 –, NVwZ 1985, 915), führt allein die Abgabe einer „formalen“ Verrechnungserklärung ohne Bestehen einer Verrechnungslage nicht dazu, dass das Vertrauen des Abgabengläubigers auf das Behaltendürfen der Abwasserabgabe nach Verstreichen des in § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG genannten Zeitraums entfällt. Die Abgabe einer „formalen“ Verrechnungserklärung ohne Bestehen einer Verrechnungslage stellt allenfalls eine bloße Absichtserklärung ohne jede weitere Rechtswirkung dar und sagt für sich genommen gar nichts darüber aus, ob überhaupt bzw. wann eine Verrechnungslage als Voraussetzung für einen Rückerstattungsanspruch geschaffen werden soll. Auch in dieser Fallkonstellation darf der Abgabengläubiger berechtigterweise darauf vertrauen, dass nach Ablauf der Frist in § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG mit einem Rückerstattungsbegehren nicht mehr zu rechnen ist. Auch in diesem Zusammenhang hat der Kläger nicht dargetan, welches schutzwürdige Interesse denn auf seiner Seite bestanden hat, die Zuschusszahlung an den Maßnahmenträger über Jahre hinauszuzögern. Wenn es um die Betrachtung schutzwürdiger Interessen geht, darf diese nicht einseitig bleiben.

28

(2) Der Kläger kann auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 32 VwVfG gewährt werden. Diese scheidet ungeachtet des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen bereits deshalb aus, weil es sich bei der in § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG geregelten Frist um eine Ausschlussfrist handelt, in die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich ist (a). Ferner liegen auch die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise eine Wiedereinsetzung in eine Ausschlussfrist in Betracht kommt, nicht vor (b).

29

(a) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Antragsteller ohne Verschulden verhindert ist, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Vorliegend kann offenbleiben, ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift überhaupt vorliegen (Versäumung einer gesetzlichen Frist, durch verspätetes rechtsgeschäftliches Handeln Wahrung der Ausschlussfrist nach § 32 Abs. 3 VwVfG?), denn nach § 32 Abs. 5 VwVfG ist eine Wiedereinsetzung unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist.Dies ist der Fall bei einer Ausschlussfrist, deren Versäumung zur Folge hat, dass der Betreffende seine materielle Rechtsposition verliert, auch wenn ihn insoweit kein Verschulden trifft(vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. April 2013 – 8 B 81/12 –, juris Rn. 12; Urteil vom 23. März 1996 – 7 C 28/95 –, BVerwGE 101, 39 = juris Rn. 13). So liegt es hier. Die Frist des § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG stellt eine materielle Ausschlussfrist dar.

30

Eine Ausschlussfrist liegt vor, wenn entweder der Ausschluss der Wiedereinsetzung ausdrücklich in der gesetzlichen Fristenregelung bestimmt ist oder deren Auslegung nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte, Gesetzesmaterialien und Sinn und Zweck der Regelung unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen - einerseits dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Frist, andererseits dem Interesse des Einzelnen an ihrer nachträglichen Wiedereröffnung bei unverschuldeter Fristversäumung - ergibt, dass der materielle Anspruch mit der Einhaltung der Frist “steht und fällt“, ein verspäteter Antragsteller also materiell-rechtlich seine Anspruchsberechtigung endgültig verlieren soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 – 8 C 38/95 –, NJW 1997, 2966 = juris Rn. 12; OVG Niedersachsen, Urteil vom 14. März 2007 – 4 LC 16/05 –, DVBl. 2007, 703 = juris Rn. 24). Übertragen auf die in § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG enthaltene Frist von zwei Jahren ist festzustellen, dass mit ihr der Zweck, die Möglichkeit einer Rückerstattung bereits gezahlter Abwasserabgaben zeitlich zu begrenzen, steht und fällt. Die Frist ist somit das zentrale Element der Regelung; von ihrer Einhaltung hängt ab, ob ein Rückzahlungsanspruch zu berücksichtigen ist oder nicht.

31

Stellt § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG mithin eine Ausschlussfrist dar, so ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich ausgeschlossen, wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt (§ 32 Abs. 5 VwVfG). Ein solcher Ausschluss kann ausdrücklich oder in anderer Weise erfolgen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997, a.a.O. = juris Rn. 12; OVG NW, Urteil vom 30. November 1990 – 5 A 2561/88 –, NVwZ 1992, 183, 184). Im Hinblick auf die durch § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG statuierte zeitliche Beschränkung eines Rückzahlungsanspruchs ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Frist ausschließen wollte.

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(b) Der Kläger kann sich auch nicht auf Umstände berufen, unter denen ausnahmsweise auch bei einer Ausschlussfrist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommen kann. Insbesondere kann er sich nicht mit Erfolg auf ein behördliches Fehlverhalten des Beklagten berufen.

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Auch wenn bei Ausschlussfristen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich ausgeschlossen ist, ist eine Durchbrechung dieses Grundsatzes in sehr engen Ausnahmefällen möglich, etwa in Fällen, in denen die Behörde zu einer Ausschlussfrist fehlerhaft eine Fristverlängerung gewährt hat, auf die der Betroffene vertraut hat oder wenn die Fristversäumung auf falscher Auskunft durch eine Behörde beruht (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, § 31 Rn. 10 m.w.N.).Eine objektiv unrichtige rechtswidrige behördliche Belehrung, die eine Versäumung der Frist verursacht, ist als unabweisbarer Zufall und damit – auch aus verfassungsrechtlichen Gründen – als ein Ereignis aus dem Bereich der höheren Gewalt im Sinne der Wiedereinsetzungsvorschriften anzusehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997, a.a.O. = juris Rn. 16). Allerdings gelten diese Ausnahmen nicht generell, sondern sind abhängig von der Funktion der jeweiligen Ausschlussfrist. Maßgebend ist mithin, dass der Antragsteller aufgrund des behördlichen Fehlverhaltens außerstande war, seine Rechte zu wahren, und zudem durch die Berücksichtigung des verspäteten Antrages der Zweck der Frist nicht verfehlt würde (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O. Rn. 10).

34

Vorliegend fehlt es bereits an einem staatlichen Fehlverhalten. Soweit der Kläger ein solches Fehlverhalten damit begründet, der Beklagte habe ihn von der Leistung eines Baukostenzuschusses abgehalten, indem er anlässlich einer Besprechung vom 23. Mai 2005 ausgeführt habe, er müsse wegen fehlender Identität von Maßnahmenträger und Abgabepflichtigen einen Verrechnungsantrag auch dann ablehnen, wenn er – der Kläger – einen Baukostenzuschuss an den Maßnahmenträger leiste, vermag die Kammer hierhin kein Fehlverhalten des Beklagten – insbesondere nicht im Sinne von § 25 Abs. 1 und 2 VwVfG – erkennen, welches eine Ausnahme von der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Frist des § 10 Abs. 2 Satz 2 LAbwAG rechtfertigen würde. Der Beklagte hat hierzu ausgeführt, bei dem Gespräch am 23. Mai 2005 habe er aufgrund einer damals bestehenden Vorgabe des Umweltministeriums auf die zwingende Erforderlichkeit der Identität von Maßnahmenträger und Abgabepflichtigen für eine Verrechnung hingewiesen, weshalb auch bei Zahlung eines Zuschusses an den Maßnahmenträger einem Verrechnungsantrag nicht stattgegeben werden könne. Er habe zugleich aber ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen, einen Zuschuss an den Maßnahmenträger zu zahlen und nach erfolgter Ablehnung den Rechtsweg zu beschreiten. Diese Darstellung hat der Kläger nicht bestritten; er hat sie vielmehr sogar bestätigt (vgl. Niederschrift über die Sitzung des Werksausschusses des Abwasserzweckverbandes M. P. am 30. Juni 2005). In Anbetracht dieser Sachlage beschloss der Werksausschuss des Klägers sogar die Einholung externen Rates beim Gemeinde- und Städtebund (vgl. die Niederschrift über die Sitzung des Werksausschusses, a.a.O. S. 3). Angesichts dieser vom Kläger selbst zugestandenen Sachlage kann nicht davon die Rede sein, dass der Kläger aufgrund der Auskunft des Beklagten, einem Verrechnungsantrag auch im Falle der Zuschussgewährung nicht stattzugeben, in eine Lage versetzt wurde, die ihn außerstande gesetzt hat, sein Begehren rechtlich weiter zu verfolgen. Der Beklagte zeigte dem Kläger ungeachtet seiner geäußerten Rechtsansicht mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes einen Weg auf, um sein Verrechnungsbegehren verfolgen zu können. Insoweit lag es alleine in der freien Entscheidung des Klägers, dies aufzugreifen, um gegebenenfalls gerichtlich klären zu lassen, ob die vom Beklagten vertretene Auffassung rechtlich zutreffend ist oder nicht. Dass die Konsultation des Gemeinde- und Städtebundes durch den Kläger letztlich erfolglos blieb, ändert nichts daran, dass dieser letztlich eigenverantwortlich die Entscheidung treffen konnte, wie er mit der rechtlichen Situation umgeht. Vor diesem Hintergrund war auch eine weitere Sachaufklärung durch Vernehmung der vom Kläger benannten Zeugen nicht veranlasst, so dass der hierauf gerichtete Beweisantrag abgelehnt werden konnte.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

36

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

37

Beschluss der 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz vom 14. August 2013

38

Der Streitwert wird auf 341.357,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).

Tatbestand

1

Die Klägerin betreibt eine Eisengießerei. Sie begehrt eine Begrenzung der nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) an sie weiterzuleitenden Strommenge für den Begrenzungszeitraum 2009.

2

Bei dem Betrieb der Klägerin handelt es sich um ein so genanntes stromintensives Unternehmen, das im Jahre 2007 durch die Beigeladene mit Strom versorgt wurde. Nach dem EEG ist die Klägerin zur Abnahme und Vergütung des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms verpflichtet. Die damit verbundene Erhöhung der Stromendverbrauchspreise wird über einen bundesweiten Ausgleich der EEG-Strommengen unter den Übertragungsnetzbetreibern proportional zum Stromverbrauch im jeweiligen Bereich auf die Energieversorgungsunternehmen umgelegt und kann von diesen an die Letztverbraucher weitergegeben werden. Zur Entlastung so genannter stromintensiver Unternehmen des produzierenden Gewerbes sieht eine besondere Ausgleichsregelung im EEG einen Anspruch solcher Unternehmen auf Begrenzung des von ihnen abzunehmenden und zu vergütenden Strommengenanteils aus erneuerbaren Energien vor. Das Gesetz begründet einen Begrenzungsanspruch für das jeweils folgende Kalenderjahr, wenn das betreffende Unternehmen bis zum 30. Juni des laufenden Jahres einen Stromverbrauch von über 10 Gigawattstunden (GWh) jährlich und ein Verhältnis der Stromkosten zur Bruttowertschöpfung von über 15 % anhand bestimmter Wirtschaftsdaten und Unterlagen für das letzte abgelaufene Geschäftsjahr nachweist.

3

Am 19. Mai 2008 beantragte die Klägerin beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (im Folgenden: Bundesamt) die Begrenzung der nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG vom 21. Juli 2004 (BGBl I S.1918) i.d.F. des Gesetzes vom 7. November 2006 (BGBl I S. 2550) - im Folgenden: EEG 2004 - weitergeleiteten Strommenge für den Begrenzungszeitraum 2009. Der Antrag ging beim Bundesamt am 26. Mai 2008 ein.

4

Mit Schreiben vom 2. Juni 2008 wurde die Klägerin durch das Bundesamt darauf hingewiesen, dass die Antragsunterlagen noch nicht vollständig seien. Unter anderem fehle noch die von dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen zu erbringende Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers bzw. vereidigten Buchprüfers mit den entsprechenden Angaben über die Höhe der nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 anteilig weitergeleiteten Strommenge sowie der Differenzkosten des Elektrizitätsversorgungsunternehmens im Sinne von § 15 Abs. 1 EEG 2004. Ferner wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass es in ihrer Verantwortung liege, die erforderliche Bescheinigung vollständig bis zum 30. Juni des laufenden Jahres (Ausschlussfrist) beim Bundesamt einzureichen. Eine Fristverlängerung sei nicht möglich.

5

Mit Schreiben vom 27. Juni 2008 reichte die Beigeladene beim Bundesamt das gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 erforderliche Testat für das Antragsjahr 2009 ein. Das Testat trägt das Datum vom 19. Juni 2008 und ging zusammen mit dem Schreiben der Beigeladenen beim Bundesamt am 1. Juli 2008 ein. Mit Schreiben vom 18. Juli 2008 machte das Bundesamt die Klägerin darauf aufmerksam, dass die erforderlichen Unterlagen für ihren Antrag erst nach Ablauf der Antragsfrist eingegangen seien, und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme.

6

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2008 lehnte das Bundesamt den Antrag der Klägerin auf Begrenzung des Anteils der weitergereichten Strommenge nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 für ihre Abnahmestelle ab. Die Klägerin habe die erforderliche Antragsfrist versäumt. Hierbei handele es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist. Eine Wiedereinsetzung scheide aus. Bei dem Antragsverfahren nach § 16 EEG 2004 handele es sich um ein jährlich einmaliges, zwischenzeitlich ausreichend bekanntes Verfahren von erheblicher finanzieller Bedeutung für die Unternehmen. Bezüglich des Verfahrens habe das Bundesamt auf seiner Homepage ausführliche Merkblätter mit entsprechenden Informationen veröffentlicht. Da es sich um eine jährlich einmalige Antragstellung von herausgehobener Bedeutung handele, die erhebliche und schwierige Vorbereitungen erfordere, könne sich die Antragstellerin bzw. ihr Elektrizitätsversorgungsunternehmen nicht darauf berufen, dass in ihrem Falle die Bescheinigung am 27. Juni 2008 in die Post gegeben worden sei. Die wegen der Bedeutung der Antragstellung gebotene besondere Sorgfalt sei nicht schon dadurch gewahrt, dass das Elektrizitätsversorgungsunternehmen als Bevollmächtigte die Bescheinigung am 27. Juni 2008 gegen 12:30 Uhr in den Postausgang gegeben habe und davon ausgegangen sei, dass die Bescheinigung am 30. Juni 2008 beim Bundesamt eingehen würde.

7

Nach erfolglosem Widerspruch hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und begehrt, den Bescheid des Bundesamtes vom 17. Dezember 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2009 aufzuheben und das Bundesamt zu verpflichten, über ihren Antrag auf Strommengenbegrenzung für das Jahr 2009 unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Form der Nachsichtgewährung zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe für den geltend gemachten Zeitraum keinen Anspruch auf Begrenzung der Strommenge, weil ihr Antrag verspätet gestellt worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, weil es sich bei der Frist des § 16 Abs. 6 EEG 2004 um eine materielle Ausschlussfrist handele. Eine ausnahmsweise Nachsichtgewährung komme nur bei einem unabwendbaren Zufall in Betracht, der vorliegend nicht gegeben sei. Es wäre der Klägerin ohne Weiteres möglich gewesen, die verspätete Zusendung abzuwenden.

8

Auf die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert, die streitgegenständlichen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag der Klägerin zu entscheiden. Die allein auf die Nichteinhaltung der Frist gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 gestützte Ablehnung des Ausgleichsantrags der Klägerin halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 regele allerdings eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, so dass mit ihrem Verstreichen der Verlust der mit dem Antrag verfolgten materiellen Rechtsposition eintrete. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestünden nicht. Die Frist sei im Gesetz ausdrücklich als Ausschlussfrist bestimmt und es lägen hinreichend gewichtige Gründe vor, die es rechtfertigten, das antragstellende Unternehmen bei Versäumung dieser Frist vom Begrenzungsanspruch auszuschließen. Die Ausschlussfrist diene dem Zweck, dem Bundesamt zu ermöglichen, die Begrenzungsbescheide vor Jahresende abzuarbeiten, damit sie dann in den weiteren Ausgleich einbezogen und bei den Prognosen und Lieferentscheidungen der Elektrizitätswirtschaft berücksichtigt werden könnten. Zu diesem Zeitpunkt sollten alle Anträge auf derselben Datenbasis entschieden werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle antragstellenden Unternehmen in Bezug auf die Entlastungen durch die besondere Ausgleichsregelung sicherzustellen. Den Übertragungsnetzbetreibern und Elektrizitätsversorgungsunternehmen solle Sicherheit über die vom besonderen Ausgleichsmechanismus umfassten Strommengen gegeben und Rechtssicherheit hergestellt werden. Unternehmen, die die besondere Ausgleichsregel in Anspruch nähmen, würden gegenüber den sonstigen nichtprivilegierten Stromkunden bevorzugt. Dies rechtfertige es, diese Unternehmen in besonderem Maße mit dem Risiko eines Rechtsverlusts bei jeglicher Art der Fristversäumung zu belasten. Im vorliegenden Falle beruhe die Fristversäumung jedoch auf einer außergewöhnlichen Verzögerung der postalischen Beförderung der erforderlichen Bescheinigung und damit auf höherer Gewalt. In derartigen Fällen müsse das Bundesamt den Antrag so behandeln, als wäre er innerhalb der Frist gestellt worden. Dass die Postsendung erst am Dienstag, dem 1. Juli 2008, beim Bundesamt eingehen würde, sei für die Klägerin und die Beigeladene selbst bei Anlegung eines strengen Sorgfaltsmaßstabs nicht vorhersehbar und vermeidbar gewesen. Der Absender könne darauf vertrauen, dass ein von ihm ordnungsgemäß adressierter und frankierter, bei der Deutschen Post AG oder einem anderen Postuniversaldienstleistungsunternehmen als einfache Sendung aufgegebener Brief zumindest an dem zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag zugehe. Von dem Absender könne nicht verlangt werden, dass er den normalen Weg der Briefbeförderung verlasse und die Möglichkeiten einer Eil- oder Expresszustellung wähle oder die Sendung selbst zum Empfänger bringe.

9

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte, dass § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 keine Ausnahme für den Fall höherer Gewalt vorsehe. Die Ausschlussfrist zum 30. Juni eines Antragsjahres sei sachgerecht, weil die Beklagte alle Anträge bis zum 31. Dezember des Antragsjahres bewilligen müsse. Eine Nachsichtgewährung scheide nach Sinn und Zweck der Ausschlussfrist aus. Das diene der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Diese Prinzipien verböten es grundsätzlich, im Falle der Versäumung der Ausschlussfrist Ausnahmen zuzulassen. Auch die Voraussetzungen der höheren Gewalt seien nicht gegeben. Die Klägerin hätte noch am 30. Juni 2008 dafür sorgen können, dass der Beklagten eine Ausfertigung der Bescheinigung per Boten übermittelt werde.

10

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Mai 2012 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 9. September 2010 zurückzuweisen.

11

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

13

Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt das Revisionsvorbringen, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse so behandelt werden, als habe sie ihren Antrag auf Strommengenbegrenzung für das Kalenderjahr 2009 fristgerecht gestellt, beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 regelt eine materielle Ausschlussfrist (1.). Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen (2.). Eine Nachsichtgewährung wegen des Eingreifens höherer Gewalt kommt vorliegend nicht in Betracht (3.).

15

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens der Klägerin ist die Rechtslage, die zum Zeitpunkt des Ablaufs der Ausschlussfrist am 30. Juni 2008 bestand, und nicht die während des Begrenzungszeitraums 2009 bestehende Rechtslage. Abzustellen ist damit auf § 16 Abs. 6 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 21. Juli 2004 (BGBl I S. 1918) i.d.F. des Ersten Änderungsgesetzes vom 7. November 2006 (BGBl I S. 2550) - EEG 2004 - und nicht auf § 43 EEG i.d.F. des Neuregelungsgesetzes vom 25. Oktober 2008 (BGBl I S. 2074) - EEG 2009 -. Das folgt aus dem materiellen Recht; denn die Entscheidung bezüglich einer Strommengenbegrenzung hat spätestens zum Jahresende des Jahres der Antragstellung zu erfolgen und ist für alle Antragsteller auf der Grundlage der zum Stichtag vorzulegenden Nachweise zu treffen; sie wird zum 1. Januar des Folgejahres mit einer Geltungsdauer von einem Jahr wirksam (vgl. § 16 Abs. 6 Satz 3 EEG 2004). Entscheidend ist damit der Zeitpunkt der Antragstellung und nicht derjenige des Ablaufs der Begrenzungsperiode.

16

1. Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass es sich bei der in Rede stehenden Frist um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist handelt, die nach dem Gesetzeswortlaut für den Antrag und sämtliche Antragsunterlagen nach § 16 Abs. 2 EEG 2004 gilt, die bei dem Bundesamt einzureichen sind, also auch für die Angaben des Energieversorgungsunternehmens und des regelverantwortlichen Übertragungsnetzbetreibers gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004. Eine Eingrenzung der Fristbestimmung auf diejenigen Unterlagen, die nur von Antragstellerseite vorzulegen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht nicht vorgenommen.

17

Gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 ist der Antrag auf Begrenzung der Strommenge aus erneuerbaren Energien (§ 16 Abs. 1 EEG 2004) einschließlich der vollständigen Unterlagen nach Absatz 2 jeweils zum 30. Juni des laufenden Jahres zu stellen. Die Begrenzung darf bei einem Unternehmen des produzierenden Gewerbes nur erfolgen, soweit es nachweist, dass und inwieweit im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr die Strommenge nach § 14 Abs. 3 Satz 1 anteilig an das Unternehmen weitergereicht und von diesem selbst verbraucht worden ist und das Unternehmen hierfür Differenzkosten im Sinne von § 15 Abs. 1 entrichtet hat (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004). Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen sind auf Antrag des Unternehmens verpflichtet, dem Bundesamt unverzüglich die anteilig weitergereichte Strommenge und die Differenzkosten einschließlich der für die Berechnung der Differenzkosten zugrunde gelegten Daten durch Vorlage einer Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr nachzuweisen. Der Nachweis der Voraussetzungen von Satz 1 Nr. 3 sowie der Differenzkosten erfolgt durch Vorlage der Bescheinigung (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 EEG 2004).

18

a) Bei der in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 geregelten Frist handelt es sich um eine materielle Ausschlussfrist. Daraus folgt, dass der Antrag auf Strommengenbegrenzung nach ihrem Ablauf nicht mehr wirksam gestellt oder vervollständigt werden kann, weil ein eventueller Anspruch erloschen ist. Dies ergibt sich aus dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes, den Gesetzesmaterialien sowie Sinn und Zweck der Regelung. Der Klammerzusatz "Ausschlussfrist" in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 verdeutlicht diese materielle Präklusion. Von der Einhaltung der Frist gibt es keine Ausnahmen. Die Behörde soll weder die Frist verlängern noch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren können (vgl. BTDrucks 15/2864 S. 52 und 16/8148 S. 67). Die Ausschlussfrist soll es dem Bundesamt ermöglichen, die Begrenzungsbescheide vor Jahresende abzuarbeiten und vor ihrem Inkrafttreten zu Jahresbeginn zu versenden, damit sie dann in den weiteren Ausgleich gemäß § 16 Abs. 8 i.V.m. § 14 Abs. 2 EEG 2004 einbezogen und bei den Prognosen und Lieferentscheidungen der Elektrizitätswirtschaft berücksichtigt werden können. Damit soll den Übertragungsnetzbetreibern und Elektrizitätsversorgungsunternehmen Sicherheit über die vom besonderen Ausgleichsmechanismus umfassten Strommengen gegeben und Rechtssicherheit hergestellt werden (vgl. BTDrucks 16/8148 S. 67 zur inhaltsgleichen Nachfolgeregelung des § 43 Abs. 1 EEG 2009). Alle Anträge sollen zum selben Zeitpunkt auf derselben Datenbasis beschieden werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle antragstellenden Unternehmen in Bezug auf die Entlastungen durch die besondere Ausgleichsregel sicherzustellen.

19

Sinn und Zweck der Vorschrift sind auch nicht mit der Aufhebung der so genannten Deckelungsregelung in § 16 Abs. 5 EEG 2004 durch das Erste Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 7. November 2006 zum 1. Dezember 2006 entfallen. Auch wenn die EEG-Kosten im nichtprivilegierten Bereich seither um mehr als 10 % steigen durften (vgl. BTDrucks 16/7119 S. 99), muss gemäß § 16 Abs. 1 EEG 2004 weiter sichergestellt sein, dass die Begrenzung die Ziele des EEG nicht gefährdet und mit den Interessen der Gesamtheit der Stromverbraucher vereinbar ist (vgl. § 40 Abs. 1 EEG 2009). Erforderlich ist damit nach wie vor eine Gesamtbetrachtung der Auswirkungen der Gesamtheit aller Begrenzungsentscheidungen auf der Grundlage einer einheitlichen Datenbasis. Das ist nur mit einer materiellrechtlichen Ausschlussfrist erreichbar, in die keine Wiedereinsetzung wegen Fristversäumung möglich ist.

20

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin erfasst die Ausschlussfrist auch die von dem Energieversorgungsunternehmen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004 vorzulegenden Nachweise für die nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 anteilig an das Unternehmen weitergereichte und von diesem selbstverbrauchte Strommenge und die hierfür entrichteten Differenzkosten im Sinne von § 15 Abs. 1 EEG 2004, die durch die Vorlage einer Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers zu erbringen sind. Zur Erfüllung der Nachweispflicht des antragstellenden Unternehmens gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 EEG 2004 ist das Energieversorgungsunternehmen verpflichtet, unverzüglich dem Bundesamt die Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004 vorzulegen. Der Gesetzgeber differenziert damit zwischen der fristgebundenen Nachweispflicht des antragstellenden Unternehmens einerseits und der Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens zur unverzüglichen Vorlage andererseits. Diese Letztere besteht nur dem antragstellenden Unternehmen, nicht jedoch dem Bundesamt gegenüber (vgl. BTDrucks 15/2864 S. 51). Gehen die Nachweise aber verspätet ein, ist dies dem Antragsteller zuzurechnen.

21

Dass die Ausschlussfrist sämtliche Antragsunterlagen erfasst, wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschriften über die Nachweisführung bestätigt. Die Vorgängerregelung in § 11a Abs. 2 Satz 2 Erstes Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 16. Juli 2003 (BGBl I S. 1459) verpflichtete die Energieversorgungsunternehmen, den erforderlichen Nachweis gegenüber dem antragstellenden Unternehmen zu erbringen. Diese Verpflichtung wurde mit der Neuregelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004 durch die Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens ersetzt, die erforderliche Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers unmittelbar an das Bundesamt weiterzuleiten. Damit sollte die Nachweispflicht nicht auf die Elektrizitätsunternehmen verlagert, sondern nur verhindert werden, dass das antragstellende Unternehmen anhand der Bescheinigung Einblick in die Kalkulationsunterlagen des Energieversorgungsunternehmens erhält und dieses Geschäftsgeheimnisse preisgeben muss (vgl. Altrock/Oschmann/Theobald, EEG, Aufl. 2006, § 16 Rn. 123; Posser/Altenschmidt, in: Frenz/Müggenberg (Hrsg.), EEG, Aufl. 2010, § 43 Rn. 5).

22

2. Die Ausgestaltung des § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 als materielle Ausschlussfrist ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Davon ist der Verwaltungsgerichtshof zu Recht ausgegangen. Die Norm verstößt nicht gegen die Berufs- und die Wettbewerbsfreiheit (Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG), auf die sich die Klägerin als juristische Person des Privatrechts im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit nach Art. 19 Abs. 3 GG berufen kann. Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt.

23

a) Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisten die Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen. Sie schützen weder gegen rechtliche Regeln, die diese Bedingungen herstellen, ausgestalten und sichern, noch gegen Beeinflussung wettbewerbsrelevanter Faktoren. Zwar kann ein Eingriff mit objektiv berufsregelnder Tendenz vorliegen, wenn eine Regelung die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs zu Lasten bestimmter am Wettbewerb teilnehmender Adressaten verändert und dadurch deren berufliche Betätigung erheblich beeinträchtigt (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 - BVerfGE 105, 252 <265>; Urteile vom 17. Dezember 2001 - 1 BvL 28, 29, 30/95 - BVerfGE 106, 275 <298 f., 303 f.> und vom 20. April 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00 - BVerfGE 110, 274 <288>; BVerwG, Urteil vom 18. April 1985 - BVerwG 3 C 34.84 - BVerwGE 71, 183 <193> = Buchholz 418.32 AMG Nr. 11). Das trifft auf § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 aber nicht zu. Die materielle Ausschlussfrist definiert Rahmenbedingungen des Wettbewerbs, indem sie die Privilegierung stromintensiv produzierender Unternehmen gegenüber den sonstigen Endverbrauchern an verfahrensrechtliche Voraussetzungen knüpft. Innerhalb der Gruppe der Privilegierten gewährleistet sie die Wettbewerbsneutralität der Begrenzungsentscheidungen.

24

b) Die Regelung der Ausschlussfrist ist auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Benachteiligung von Antragstellern, die die Frist versäumt haben, gegenüber Antragstellern, deren Anträge und Nachweise fristgerecht vollständig vorgelegt wurden, ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt und verhältnismäßig.

25

Die mit der materiellrechtlichen Ausschlussfrist einhergehende Benachteiligung von stromintensiven Unternehmen, die nicht innerhalb der Frist die erforderlichen Unterlagen einreichen, im Verhältnis zu denjenigen Antragstellern, denen außerhalb des Regelungsbereichs des Erneuerbare-Energien-Gesetzes bei Fristversäumnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird, ist wegen besonderer Gründe sachlich gerechtfertigt. Wie bereits (unter 1.a) dargelegt, soll die Ausschlussfrist gewährleisten, dass alle Anträge vor Jahresende auf einer einheitlichen Datenbasis bearbeitet werden. Damit werden gleiche Wettbewerbsbedingungen bezüglich der Entlastung durch die besondere Ausgleichsregelung geschaffen (vgl. BTDrucks 16/8148 S. 67) und für die Übertragungsnetzbetreiber und Energieversorgungsunternehmen Rechtssicherheit hergestellt. Zeitliche Verschiebungen, die infolge einer Prüfung von Wiedereinsetzungsanträgen aufträten, und spätere Begrenzungsentscheidungen hätten auch eine Beeinträchtigung des horizontalen Belastungsausgleichs der Übertragungsnetzbetreiber untereinander zur Folge (vgl. § 16 Abs. 8 i.V.m. § 14 Abs. 2 EEG 2004).

26

Die materiellrechtliche Ausschlussfrist ist geeignet und erforderlich, um die mit der Begrenzungsentscheidung verfolgten Ziele zu erreichen. Bei der Beurteilung der Geeignetheit und der Erforderlichkeit kommt dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zu, die nur überschritten ist, wenn seine Erwägungen nicht schlüssig sind und deswegen offensichtlich keine Grundlage für eine angegriffene Maßnahme sein können (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2004 - 1 BvL 3/98, 1 BvL 9/02, 1 BvL 2/03 - BVerfGE 111, 126 <255>; Kammerbeschluss vom 29. September 2010 - 1 BvR 1789/10 - juris Rn. 18, 21 m.w.N.). Ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers besteht insbesondere bei der Gewährung von Ansprüchen (BVerfG, Beschluss vom 11. November 2008 - 1 BvL 3/05, 1 BvL 4/05, 1 BvL 5/05, 1 BvL 6/05, 1 BvL 7/05 - BVerfGE 122, 151 <182>). Ein ebenso wirksames, weniger eingreifendes Mittel, die verfolgten Ziele zu erreichen, stand dem Gesetzgeber nicht zur Verfügung. Insbesondere musste er nicht davon ausgehen, eine zeitgerechte Bescheidung aller Anträge auf einheitlicher Datengrundlage und eine rechtzeitige Beurteilung der Folgen der Begrenzungen sei auch mit einer wiedereinsetzungsfähigen Verwaltungsfrist zu gewährleisten. Ließe man in den Fällen einer Fristversäumung die Wiedereinsetzung zu, würde dies zu zeitlichen Verzögerungen führen, die infolge der Prüfung der Wiedereinsetzungsanträge unausweichlich wären, und eine einheitliche Entscheidung zum Jahresende auf einer insgesamt gewonnenen Datenbasis wäre nicht möglich.

27

Die Ausschlussfrist in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 ist den privilegierten Unternehmen schließlich auch zumutbar. Zwar geht die materielle Rechtsposition infolge der versäumten Frist verloren, selbst wenn den Antragsteller kein Verschulden trifft. Da den Antragstellern ausreichend Zeit zur Verfügung steht - auch zur Beauftragung der vorlagepflichtigen Energieversorgungsunternehmen - ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber dem Erfordernis abschließender Entscheidung im Interesse der Verteilungsgerechtigkeit und Rechtssicherheit größeres Gewicht beigemessen hat.

28

3. Der Klägerin ist keine Nachsicht in Form von Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu gewähren. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, der verspätete Zugang der Bescheinigung der Beigeladenen vom 19./27. Juni 2008 beim Bundesamt am 1. Juli 2008 beruhe auf höherer Gewalt und könne der Klägerin nicht angelastet werden, teilt der Senat nicht.

29

a) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass sich Behörden unter bestimmten engen Voraussetzungen nicht auf den Ablauf einer die weitere Rechtsverfolgung abschneidenden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen dürfen. Diese Ausnahmen lassen sich nicht allgemeingültig, sondern nur in Einklang mit dem Regelungsbereich, in dem die Ausschlussfrist wirkt, und mit Blick auf ihre dortige Funktion bestimmen (BVerwG, Urteil vom 28. März 1996 - BVerwG 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39 <45> = Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 2). Für den Bereich des Vermögensrechts bei Versäumung der materiellen Ausschlussfristen des § 30a Abs. 1 VermG hat das Bundesverwaltungsgericht eine solche Ausnahme angenommen, wenn erstens die Versäumung der Anmeldefrist auf staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen ist, ohne deren korrekte Beachtung der Anmelder seine Rechte nicht wahren kann, und wenn zweitens durch die Berücksichtigung der verspäteten Anmeldung der Zweck des Gesetzes nicht verfehlt würde (Urteil vom 28. März 1996 a.a.O.). Ein behördliches Fehlverhalten der Beklagten ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Die Beklagte hat in dem der Klägerin bekannten Merkblatt auf die Ausschlussfrist und die Folgen einer Fristversäumung hingewiesen. Dieser Hinweis bezog sich auf sämtliche Unterlagen, also auch auf solche, die dem Antrag noch nicht beigefügt oder noch von dritter Seite beizubringen waren. Die Behörde macht zudem in ihrem Internetauftritt und in den Antragsformularen auf die Ausschlussfrist aufmerksam. Hinzu kommt, dass der Klägerin die Besonderheiten des Antragsverfahrens und die beizubringenden Unterlagen aus früheren Verfahren bekannt sein mussten und sie zudem mit Schreiben vom 2. Juni 2008 auf die noch fehlenden Unterlagen und die Folgen einer Fristversäumung ausdrücklich hingewiesen worden war.

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b) Die Klägerin kann einen Anspruch auf Nachsichtgewährung auch nicht aus der Rechtsprechung zur Fristversäumnis aufgrund "höherer Gewalt" herleiten (zu dieser vgl. Urteil vom 29. April 2004 - BVerwG 3 C 27.03 - BVerwGE 121, 10 <13> = Buchholz 451.90 Sonstiges Europäisches Recht Nr. 196; Beschluss vom 24. April 2013 - BVerwG 8 B 81.12 - juris Rn. 12; § 60 Abs. 3, § 58 Abs. 2 VwGO, § 32 Abs. 3 VwVfG). Der Begriff der "höheren Gewalt" ist enger zu verstehen als der in den Wiedereinsetzungsvorschriften gebrauchte Begriff "ohne Verschulden". Er entspricht inhaltlich "Naturereignissen oder anderen unabwendbaren Zufällen" im Sinne des § 233 Abs. 1 ZPO a.F. (vgl. Urteile vom 11. Juni 1961 - BVerwG 6 C 56.65 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 54, vom 24. Februar 1966 - BVerwG 2 C 45.64 - Buchholz 310 § 76 VwGO Nr. 1, vom 11. Mai 1979 - BVerwG 6 C 70.78 - BVerwGE 58, 100 = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 106 und vom 13. Januar 1987 - BVerwG 9 C 259.86 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 6). Unter "höherer Gewalt" wird ein Ereignis verstanden, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte nach den Umständen des konkreten Falles vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe - namentlich unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung - zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 2007 - 2 BvR 51/05 - NJW 2008, 429; BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - BVerwG 8 C 38.95 - Buchholz 454.71 § 27 WoGG Nr. 2). Diese Anforderungen sind hier nicht schon wegen der Verzögerung der üblichen Postlaufzeit um zwei Werktage erfüllt.

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Die Versendung der Nachweise mit einfachem, am 27. Juni 2008 zur Post gegebenen Brief wahrte nicht diejenige Sorgfalt, die wegen der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung der Begrenzungsentscheidung für die Klägerin und des unmittelbar bevorstehenden Ablaufs der Ausschlussfrist als äußerste Sorgfalt vernünftigerweise zu erwarten war. Bei der Konkretisierung der größten vernünftigerweise zu erwartenden Sorgfalt ist die Bedeutung der Fristwahrung für den Antragsteller in Rechnung zu stellen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Sorgfaltsanforderungen umso höher sind, je weiter eine Frist ausgenutzt wird (BGH, Urteil vom 18. März 1953 - II ZR 182/52 - BGHZ 9, 118 <120 ff.> = juris Rn. 11). Hier hatte die rechtzeitige Zustellung der Unterlagen für die Klägerin erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Bei Versäumen der Ausschlussfrist verlor sie einen etwaigen Anspruch auf Strommengenbegrenzung in sechsstelliger Höhe und erlitt schwerwiegende Wettbewerbsnachteile. Schon deshalb war von ihr bei größter Sorgfalt zu erwarten, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um einen fristgerechten Zugang der Nachweise sicherzustellen. Gleiches gilt für das Elektrizitätsversorgungsunternehmen und die Wirtschaftsprüfergesellschaft, die jeweils zur Erfüllung der Nachweispflicht der Klägerin handelten und deren Verhalten ihr insoweit zuzurechnen war (vgl. Salje, EEG, 4. Aufl. 2007, § 16 Rn. 137). Wegen der Bedeutung der Fristwahrung und wegen des gesetzlichen Ausschlusses einer Wiedereinsetzung waren bei Anwendung größter Sorgfalt Vorkehrungen dagegen zu erwarten, dass Hindernisse, mit denen nach Lage der Dinge zu rechnen war, die Fristwahrung vereitelten. Als Hindernisse waren auch mögliche Postlaufverzögerungen unmittelbar vor Fristablauf in Betracht zu ziehen, da zum Fristende - wie die Feststellungen der Vorinstanz zur unübersehbaren Menge der Eingänge bestätigen - mit einem Vielfachen des üblichen Postaufkommens bei der Beklagten zu rechnen war. Verzögerungen gegenüber der sonst üblichen Postlaufzeit um ein bis zwei Werktage waren unter diesen Umständen auch bei ordnungsgemäß adressierten und frankierten Sendungen nicht auszuschließen. Der Absender der Nachweise durfte sich deshalb nicht darauf verlassen, dass diese der Beklagten bei Versendung als einfacher Brief am Freitag, dem 27. Juni 2008, innerhalb der üblichen Postlaufzeiten von ein bis zwei Werktagen bis spätestens Montag, den 30. Juni 2008 zugehen würden.

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Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus § 2 Nr. 3 der Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV) vom 15. Dezember 1999 (BGBl I S. 2418) in der Fassung der Änderung durch Gesetz vom 7. Juli 2005 (BGBl I S. 1976), auf die sich die Klägerin beruft. § 2 Nr. 3 Satz 2 PUDLV verpflichtet die Universaldienstleister im Bereich der Briefbeförderung, von den an einem Werktag eingelieferten inländischen Briefsendungen - mit Ausnahme der Sendungen, die eine Mindesteinlieferungsmenge von 50 Stück je Einlieferungsvorgang voraussetzen - im Jahresdurchschnitt mindestens 80 % an dem ersten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag und 95 % bis zum zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag auszuliefern. Ein Restbestand von 5 % ist ausgenommen für - vom Dienstleister - nicht vorhersehbare und vermeidbare Verzögerungen des Postlaufs. Bei diesen Zielvorgaben handelt es sich schon wegen der Restquote von 5 % weder um eine Garantie, noch wird gegenüber dem Kunden ein Vertrauenstatbestand geschaffen.

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Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Postlaufverzögerungen betrifft keine materielle Ausschlussfrist und ist deshalb nicht einschlägig. Ob bei dem Verlust der Nachweise auf dem Postweg ein Fall höherer Gewalt vorläge (vgl. Beschluss vom 25. November 2002 - BVerwG 8 B 112.02 - Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 17), ist hier nicht zu entscheiden, da die Unterlagen der Beklagten zugegangen sind.

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Wären die nach den Umständen zu erwartenden Vorkehrungen gegen eine geringfügige Verzögerung der üblichen Postlaufzeit für einfache Schreiben getroffen worden, wäre die Fristversäumnis vermeidbar gewesen. So hätten die Nachweise ohne Weiteres per Expresssendung oder noch am 30. Juni 2008, als die Beklagte den rechtzeitigen Eingang nicht bestätigen konnte, vor Fristablauf per Boten übermittelt werden können. Bei keiner der beiden Alternativen standen die erforderlichen Aufwendungen außer Verhältnis zur Abwendung des drohenden Anspruchsverlusts und seiner wirtschaftlichen Folgen für die Klägerin.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.