Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Tatbestand

 
Die Kläger wenden sich gegen eine Baugenehmigung für die Nutzung eines ehemaligen Seniorenheims als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber.
Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks ...
Am 19.08.2014 schloss der Beklagte vertreten durch die untere Aufnahmebehörde beim Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis mit dem Beigeladenen einen Mietvertrag über das Gebäude ... ab. Das ca. fünf Jahre lang leerstehende Gebäude wurde über einen Zeitraum von 30 Jahren als Seniorenheim und zuvor 70 Jahre als Krankenhaus genutzt. Das zugehörige Grundstück grenzt unmittelbar an das Grundstück der Kläger an. Ein Bebauungsplan existiert für das maßgebliche Gebiet nicht.
Am 09.09.2014 beantragte der Beigeladene beim Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis die Erteilung einer Baugenehmigung für die beabsichtigte Nutzungsänderung des Gebäudes als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber. In dem Antrag war zunächst die Umnutzung des ehemaligen Seniorenheims zur Unterbringung von 120 Asylbewerbern vorgesehen. Mit Schreiben vom 17.09.2014 änderte der Beigeladene seinen Antrag auf Nutzungsänderung dahingehend ab, dass die Nutzung der künftigen Gemeinschaftsunterkunft auf eine maximale Unterbringung von 80 Asylbewerbern begrenzt wurde. Der Beklagte bat mit Schreiben vom 09.09.2014 die zuständige Gemeinde Waibstadt, eine Stellungnahme nach § 54 Abs. 3 Satz 1 LBO abzugeben und die erforderliche Nachbarbeteiligung durchzuführen. Den Angrenzern wurde am 19.09.2014 das Anhörungsschreiben zugestellt.
Ab dem 26.09.2014 wurden aufgrund der zunehmenden Flüchtlingszahlen zunächst ca. 50 Asylbewerber im ehemaligen Seniorenheim untergebracht.
Am 26.09.2014 stellten die Kläger beim Verwaltungsgericht Karlsruhe unter dem Az. 5 K 2792/14 einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz und beantragten zunächst, dem Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die im ehemaligen Altenheim in der ..., 74915 Waibstadt untergebrachten Personen in einer anderen Unterkunft unterzubringen.
Am 17.10.2014 erhoben die Kläger Einwendungen gegen die beantragte Baugenehmigung. Sie wendeten ein, dass sich das Vorhaben nicht in die nähere Umgebung einfüge. Sie befürchteten Lärm, Vandalismus, Diebstähle und Konflikte. Ihre Lebensqualität werde durch die Dauerbeobachtung, Dauerbeleuchtung und das unerlaubte Betreten ihres Grundstücks enorm eingeschränkt. Die Feuertreppe grenze an ihr Grundstück; ein Stahlträger stehe sogar auf ihrem Grundstück, sodass Abstandsflächen verletzt werden würden. Die Ableitung des Abwassers und Niederschlagswassers erfolge teilweise über ihr Grundstück.
Mit Bescheid vom 29.10.2014 erteilte das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis dem Beigeladenen die beantragte streitgegenständliche Baugenehmigung. Unter Nr. 4 der besonderen Hinweise, Auflagen und Bedingungen zur Baugenehmigung wurden u.a. die beigefügten Nebenbestimmungen des Brandschutzsachverständigen zum Bestandteil der Genehmigung gemacht. Gegen die Baugenehmigung legten die Kläger am 06.11.2014 Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 20.01.2015 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch zurück: Eine Verletzung subjektiver Rechte der Kläger sei nicht gegeben. Bauplanungsrechtlich sei das Vorhaben nach § 34 Abs. 2 BauGB zu beurteilen, da die Eigenart der näheren Umgebung einem Mischgebiet gemäß § 6 BauNVO entspreche. In einem Mischgebiet sei die Asylbewerberunterkunft als Anlage für soziale Zwecke allgemein zulässig. Selbst wenn die vorhandene Bebauung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung als allgemeines Wohngebiet zu klassifizieren sein sollte, käme es zu keinem anderen Ergebnis. Auch in einem allgemeinen Wohngebiet seien Anlagen für soziale Zwecke gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO zulässig. Ob mit der am Gebäude vorhandenen Feuertreppe ein Überbau auf dem Grundstück der Kläger einhergehe, sei unerheblich, denn die Baugenehmigung werde unbeschadet der Rechte privater Dritter gemäß § 58 Abs. 3 LBO erteilt. Nach Aktenlage könne zudem von einem Überbau nicht ausgegangen werden, denn die im Jahr 1987 genehmigte Fluchttreppe befinde sich laut Lageplan vom 11.03.1987 vollständig auf dem Baugrundstück; eine Veränderung der Feuertreppe sei auch nicht Gegenstand der Baugenehmigung gewesen. Die Erschließungsvorschriften dienten im Übrigen allein dem Allgemeininteresse und seien daher grundsätzlich nicht nachbarschützend. Ein Eingriff in schutzwürdige Rechte des Nachbarn sei allenfalls denkbar, wenn die fehlende Erschließung gerade zu besonderen, individuellen Beeinträchtigungen der Kläger führen würde. Hierfür sei jedoch nichts ersichtlich, zumal das Grundstück der Kläger durch die Feuertreppe nicht in Anspruch genommen werde. Im Übrigen wären irgendwie geartete baurechtliche Ansprüche der Kläger in Bezug auf die hier in Rede stehende Feuertreppe aufgrund Zeitablaufs bereits verwirkt, denn die Baugenehmigung für das Altenpflegeheim, dem die Feuertreppe diene, sei bereits im September 1987 erteilt worden.
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Mit Beschluss vom 02.02.2015 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab.
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Am 05.02.2015 haben die Kläger Klage erhoben. Sie beantragen,
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die Baugenehmigung des Beklagten vom 29.10.2014 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 20.01.2015 aufzuheben.
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Zur Begründung führen sie aus: Ihr Grundstück grenze unmittelbar an das streitgegenständliche Grundstück. Der tatsächliche Abstand zwischen den Gebäuden betrage ca. fünf Meter. Durch den Betrieb der Flüchtlingsunterkunft seit dem 26.09.2014 finde eine starke Beeinträchtigung ihres Eigentums statt. Auch sei durch die massive Zunahme der Bewohner auf dem Nachbargrundstück von 0 Bewohner seit über fünf Jahren auf bis zu 80 Bewohnern aus einem fremden Kulturkreis eine massive Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts zu befürchten. Sie seien rund um die Uhr den Blicken von 80 Nachbarn zuzüglich von Besuchern ausgesetzt. Dies führe zu einer erheblichen Beeinträchtigung ihres Befindens. Die Beeinträchtigung durch das ehemalige Seniorenheim sei deutlich geringer gewesen. Die damalige Baugenehmigung habe lediglich eine Nutzung durch 30 oder 39 Personen vorgesehen, wenngleich auch 57 Personen untergebracht gewesen seien. Die Nutzung eines Seniorenheims sei für die Nachbargrundstücke weit weniger belastend.
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Der Betrieb des streitgegenständlichen Gebäudes verstoße auch gegen drittschützende Normen des Baurechts. Es bestünden brandschutzrechtliche Bedenken. Die Baurechtsbehörde habe in einem internen Vermerk selbst ausgeführt, dass eine Nutzungsänderung erst nach Durchführung verschiedener, umfangreicher Brandschutzmaßnahmen genehmigungsfähig sei. Das Rücksichtnahmegebot werde verletzt, da die Genehmigung gegen den Gebietserhaltungsanspruch verstoße. Die Anzahl der Wohnungen habe als Ausdruck der Art der baulichen Nutzung bodenrechtliche Relevanz. Zwar sei ihr Grundstück vorbelastet. In der Umgebung befänden sich überwiegend Wohnbebauung, ein Getränkehandel, eine Bäckerei mit Café, eine Arztpraxis und eine Rechtsanwaltskanzlei. Diesen Nutzungsarten sei aber gemeinsam, dass die Immissionsbelastung auf die Geschäftszeiten beschränkt bleibe, während die ausländischen Bewohner der Flüchtlingsunterkunft gerade auch zu den Zeiten da seien, in denen sie sich selbst (die Kläger) in ihrem Wohnhaus aufhalten würden. Die Flüchtlingsfamilien könnten zudem auch aus Kleinkindern bestehen, gegen deren Emissionen zwar nicht polizeirechtlich vorgegangen werden könne, die aber eine beeinträchtigende Wirkung auf ihr Grundstück hätten.
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Das Verfahren zur Erteilung der Baugenehmigung leide an unheilbaren Verfahrensmängeln. Die Baugenehmigung sei für eine Nutzungsänderung beantragt worden. Erteilt worden sei sie jedoch als Genehmigung für einen Neubau. Jedenfalls enthalte sie Abschnitte, die lediglich bei einem Neubau sinnvoll seien. Exemplarisch werde auf die gesonderte Lagerung von Mutterboden hingewiesen. Bei einer Nutzungsänderung sei eine derartige Vorgehensweise nicht notwendig und die Nebenbestimmung zur Baugenehmigung daher sinnlos. Die lediglich für einen Neubau geltenden Nebenbestimmungen ergäben in ihrer Gesamtheit das Bild, dass das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis den Antrag gar nicht geprüft oder auch nur zur Kenntnis genommen, sondern einfach genehmigt habe. Der Landkreis Rhein-Neckar-Kreis habe ein selbständiges Interesse an der Genehmigung, weil er das Gebäude, bezüglich dessen die Nutzungsänderung beantragt worden sei, zur Unterbringung von Flüchtlingen angemietet habe. Der Beigeladene habe die Nutzungsänderung nicht für sich beantragt. Tatsächlicher Nutznießer der Genehmigung sei der Rhein-Neckar-Kreis, der selbst Genehmigungsbehörde sei. Diese Tatsache wiederum habe wenigstens eine Prüfung des Antrags auf Nutzungsänderung im ordentlichen („normalen") Verwaltungsverfahren erforderlich gemacht. Stattdessen dränge sich angesichts der offensichtlich fehlerhaften Vorstellung der Genehmigungsbehörde von der beantragten Maßnahme - Nutzungsänderung statt Neubau - der Eindruck auf, der Antrag sei einfach „durchgewunken" worden, ohne dass die Genehmigungsbehörde von seinem Inhalt auch nur in Grundzügen Kenntnis genommen habe. Demzufolge sei davon auszugehen, dass die Baugenehmigung rechtswidrig sei, weil sie ohne Sachprüfung erteilt worden sei. Hierbei handele es sich um einen Verfahrensfehler, der auch im Widerspruchsverfahren nicht heilbar sei. Durch das Widerspruchsverfahren könne grundsätzlich nur die unterbliebene Anhörung der Kläger geheilt werden. Die komplette Ersetzung des Verwaltungsverfahrens durch das Widerspruchsverfahren sei nicht zulässig.
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Dass das Genehmigungsverfahren nicht ergebnisoffen und daher nicht an Recht und Gesetz orientiert, sondern nur zum Schein geführt worden sei, um der Genehmigungsbehörde selbst die beabsichtigte Nutzung zu erlauben, ergebe sich auch aus dem Umstand, dass der Kläger die Nutzungsänderung mit Antrag vom 08.09.2014 beantragt habe. Der Antrag umfasse die ersten drei Blätter der Bauakte. Bereits das vierte Blatt der Bauakte sei die teilweise Rücknahme des Antrags auf Nutzungsänderung. Dort nehme der Kläger den Antrag auf Nutzungsänderung dahingehend zurück, dass die Nutzung des Gebäudes statt für 120 nur mehr für 80 Flüchtlinge/Asylbewerber beantragt werde. Es sei davon auszugehen, dass der Beigeladene von der Genehmigungsbehörde den Hinweis erhalten habe, den Antrag auf 80 Personen zu begrenzen, um eine Genehmigung zu erhalten. Die teilweise Rücknahme des Antrags auf Nutzungsänderung durch den Beigeladene im Schreiben vom 17.09.2014 sei ausschließlich durch einen - in der Bauakte nicht dokumentierten - Hinweis des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis motiviert gewesen. Ziel sei es gewesen, den öffentlichen Verlautbarungen des Rhein-Neckar-Kreises nicht zu widersprechen und eine erleichterte Genehmigung bei einer geringeren Zahl von Bewohnern zu erreichen. Der Beigeladene sei nur vorgeschoben worden, um den Anschein zu wahren, nicht der Rhein-Neckar-Kreis beantrage selbst die Genehmigung der Nutzungsänderung „bei sich selbst". Das Genehmigungsverfahren sei auch unter diesem Gesichtspunkt nicht gesetzmäßig erfolgt.
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Vorliegend sei die Erschließung nicht gesichert, weil die Feuertreppe des Gebäudes auf dem Vorhabengrundstück teilweise auf ihr Nachbargrundstück gebaut sei, ohne dass dieser Überbau auf gesicherter Rechtsgrundlage erfolgt wäre. Mit Schreiben vom 21.11.2014 habe der Beklagte selbst nach Vermessungen festgestellt, dass es sich um einen Überbau handele. Ihnen sei das Ergebnis dieser Messung aber verheimlicht worden. Die Baugenehmigung sei extra vorschnell erteilt worden, um das Ergebnis der Messung nicht mehr berücksichtigen zu müssen. Insbesondere sei auf ihrem Grundstück auch keine Dienstbarkeit eingetragen, die die dauerhafte Duldung der Feuertreppe auf ihrem Grundstück sichere. Dass die Feuertreppe selbst eine notwendige Erschließungsmaßnahme darstelle, ergebe sich bereits aus der schlichten Tatsache ihrer Existenz. Ein derartiges Bauwerk werde nicht errichtet, wenn es nicht notwendig sei. Die Abwasserbeseitigungsanlage verfüge nicht über einen eigenen Kanal, sondern werde über ihr Grundstück abgeleitet. Der Beklagte habe absichtlich nicht geprüft, ob die Erschließung gesichert sei, da er sonst das Gegenteil hätte feststellen müssen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist er auf den Vortrag im vorläufigen Rechtsschutzverfahren. Das Baugenehmigungsverfahren sei nicht nur zum Schein durchgeführt worden. Hinsichtlich der Feuertreppe sei zu berücksichtigen, dass die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt wird und ein Überbau deswegen unerheblich sei. Erschließungsvorschriften stünden allein im Allgemeininteresse und seien nicht nachbarschützend, das gelte auch für den Abwasserkanal.
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Der Beigeladene beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er führt aus: Der Überbau sei entschuldigt und würde ohnehin nur sehr geringfügig auf das klägerische Grundstück reichen. Es wäre zudem unproblematisch, die entsprechende Stahlstütze umzusetzen. Die Feuertreppe berühre außerdem nicht die Frage der Erschließung. Die Baugenehmigung sei ihm erteilt worden, nicht dem Beklagten selbst. Es sei nicht nachvollziehbar, inwiefern die Änderung des Bauantrags zu einem Verfahrensfehler führen sollte. Der Vollständigkeit halber sei den Ängsten der Kläger entgegen zu halten, dass die Flüchtlinge mittlerweile warmherzig aufgenommen und unterstützt worden seien.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, das Protokoll zur mündlichen Verhandlung, die Gerichtsakten in dem Verfahren 5 K 2792/14 und im Übrigen auf die vorgelegten Behördenakten (4 Hefte) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
I.
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Baugenehmigung vom 29.10.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren nachbarschützenden Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darf die von einem Nachbarn mit der Klage angefochtene Baugenehmigung nur aufgehoben werden, wenn dem genehmigten Vorhaben von der Baurechtsbehörde nach § 58 LBO zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen, die zumindest auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Auf Rechtsmittel des Nachbarn kann eine rechtswidrige Baugenehmigung daher nur dann aufgehoben werden, wenn sie den Nachbarn in seinen subjektiven Rechten verletzt (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 08.07.1998 - 4 B 64.98 -, BauR 1998, 1206, Urteil vom 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, NJW 1994, 1546, Urteil vom 19.09.1986 - 4 C 8.84 -, NVwZ 1987, 409, Beschluss vom 22.11.1984 - 4 B 244.84 -, BRS 42 Nr. 206; VGH Baden-Württemberg, Beschuss vom 11.11.1996 - 5 S 2595/96 -, juris, Urteil vom 11.02.1993 - 5 S 2313/92 -, juris, Beschluss vom 14.12.1990 - 8 S 2440/90 -, juris). Dass die Kläger durch die baurechtliche Entscheidung des Beklagten gerade in ihren eigenen subjektiven Rechtspositionen verletzt würden, weil die Baugenehmigung unter Verletzung ergebnisrelevanter drittschützender Verfahrensvorschriften zustande gekommen wäre (dazu 1.) oder weil dem genehmigten Bauvorhaben nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungs- (dazu 2.) oder Bauordnungsrechts (dazu 3.) entgegenstünden, lässt sich aber gerade nicht feststellen.
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Der Beklagte ist zu Recht für den Übergang der Nutzung von einem Seniorenheim zu einer Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber von einer sowohl bauplanungs- (§ 29 Abs. 1 BauGB) als auch bauordnungsrechtlich (§ 58 LBO) genehmigungspflichtigen Nutzungsänderung ausgegangen. Die neue Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft liegt nicht mehr in der Variationsbreite einer normalen Seniorenheimnutzung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.04.2014 - 8 S 1528/13 -, juris).
28 
1. Die Kläger können sich nicht mit Erfolg auf die Verletzung von baurechtlichen Verfahrensvorschriften berufen.
29 
Verfahrensvorschriften im Baurecht sind lediglich hinsichtlich der Bürgerbeteiligung bei der Bauleitplanung sowie der Nachbarbeteiligung am Baugenehmigungsverfahren drittschützend (vgl. hierzu: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.08.2003 - 5 S 1219/03 -; Ortloff, NJW 1983, S. 961, Dürr, DÖV 1994, S. 841, weitere Nachweise bei Dürr, Baurecht in Baden-Württemberg, 14. Auflage 2013, Rdnr. 299 f.) Eine entsprechende Verletzung haben die Kläger nicht geltend gemacht, diese ist auch nicht ersichtlich.
30 
Nur ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass nicht zu beanstanden ist, dass der Beigeladene als Bauherr im Sinne von § 42 LBO vorliegend den Bauantrag gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 LBO gestellt hat. Der Bauherr ist auch jederzeit berechtigt, seinen Bauantrag zu ändern, anzupassen oder zu ergänzen. Den Akten lässt sich darüber hinaus eindeutig entnehmen, dass der Grund für die Reduzierung der aufzunehmenden Anzahl an Flüchtlingen die ab dem 01.01.2016 geltende Regelung der §§ 8 Abs. 1, 23 FlüAG (Art. 1 des Gesetzes zur Neuordnung der Flüchtlingsaufnahme, über die Erstattung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 19.12.2013, GBl. 2013, Nr. 18, S. 493) ist, wonach jedem Flüchtling eine höhere Anzahl an Quadratmetern zur Verfügung stehen muss. Entgegen der Auffassung der Kläger ergibt sich auch nicht aus den der Baugenehmigung beigefügten „Allgemeinen Hinweisen zur Baugenehmigung“, dass der Beklagte keinerlei Prüfung durchgeführt habe. Aus den „Allgemeinen Hinweisen zur Baugenehmigung“, die über den konkreten Nutzungsänderungsantrag hinausgehen, ergibt sich auch nicht, dass vorliegend etwas genehmigt wurde, was nicht beantragt worden ist. Dass der Beklagte vor Erteilung der Baugenehmigung nicht das Ergebnis der Vermessung der Feuertreppe abgewartet hat, ist unschädlich, da der Überbau die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung ohnehin unberührt lässt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.03.1996 - 5 S 1798/95 -, NJW 1996, 3429; BayVGH, Beschluss vom 16.08.2010 - 2 ZB 10.134 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.10.2012 -2 L 149/11 -, Rn. 26, juris; Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 27.08.2008 - 5 K 1183/07 -, Rn. 73, juris).
31 
2. Eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften des Bauplanungsrechts ist nicht erkennbar.
32 
2.1 Dies gilt zunächst für den Gebietserhaltungsanspruch. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich ein von einem Bauvorhaben betroffener Nachbar auf den sogenannten Gebietserhaltungs- bzw. Gebietsgewährleistungsanspruch berufen, wenn in einem beplanten Gebiet ein gebietsuntypisches Vorhaben zugelassen wird. Er hat auf die Bewahrung der Gebietsart einen Anspruch auch dann, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.09.1984 - 4 B 147.84 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 61; Beschluss vom 09.10.1991 - 4 B 137.91 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 104; Beschluss vom 11.04.1996 - 4 B 51.96 -, NVwZ-RR 1997, 463).
33 
Derselbe Nachbarschutz wie im beplanten Gebiet kann auch im unbeplanten Innenbereich gegeben sein, wenn die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 BauGB vorliegen und die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht (BVerwG, Urteil vom 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151). Der Anspruch des Nachbarn auf die Bewahrung der Gebietsart wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsart unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird; dieser Anspruch geht in seiner Reichweite daher über das Rücksichtnahmegebot hinaus (BVerwG, Beschluss vom 11.04.1996 - 4 B 51.96 -, NVwZ-RR 1997, 463). Der Anspruch auf Bewahrung der Gebietsart besteht im unbeplanten Innenbereich jedoch nur dann, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 16.09.1993, a.a.O.).
34 
Nach § 34 Abs. 2 BauGB beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach Maßgabe der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der Baunutzungsverordnung bezeichnet sind, entspricht. Bei der Bestimmung der nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes gelegenen „näheren Umgebung“ ist darauf abzustellen, inwieweit sich einerseits das geplante Vorhaben auf die Umgebung und andererseits die Umgebung auf das Baugrundstück prägend auswirken kann (BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369). Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das Baugrundstück eingebettet ist. Dabei kann die Einheitlichkeit der Bau- und Nutzungsstruktur Auswirkungen auf die Abgrenzung der im Rahmen des Einfügungsgebotes maßgeblichen näheren Umgebung haben. Je einheitlicher sich die Bau- und Nutzungsstruktur darstellt, umso eher ist ggf. bei der Bestimmung der maßgeblichen Umgebung auf einen vergleichsweise geringeren Umfang abzustellen. Die Grenze der maßgeblichen näheren Umgebung kann auch so beschaffen sein, dass die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung dort zu ziehen ist, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedener Bau- und Nutzungsstruktur aneinander stoßen (BVerwG, Beschluss vom 28.08.2003 - 4 B 74/03 -, juris).
35 
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe und auf der Grundlage der im Verfahren vorgelegten Unterlagen geht das Gericht davon aus, dass das Gebiet, in dem die Grundstücke der Kläger und des Beigeladenen liegen, wenigstens einem allgemeinen Wohngebiet i.S.v. § 4 BauNVO entspricht. Dies ergibt sich für die Kammer aus dem Umstand, dass sich nach dem von dem Beklagten mit den Behördenakten vorgelegten Lageplan in der Nähe der Grundstücke der Kläger und des Beigeladenen überwiegend Wohngebäude und dazwischen u.a. ein Getränkehandel, eine Bäckerei mit Café, eine Arztpraxis, eine Schlosserei sowie eine Rechtsanwaltskanzlei befinden. Das Gericht war auch nicht gehalten, sich im Rahmen eines Ortstermins einen eigenen Eindruck der näheren Umgebung zu verschaffen. Aufgrund der genannten Nutzungsarten scheidet die Annahme eines reinen Wohngebiets, in dem eine derartige Anzahl von Nicht-Wohnnutzungen nicht typisch - bzw. hinsichtlich der Schlosserei auch nicht zulässig - wären, aus. Soweit es sich bei dem Gebiet sogar um ein Mischgebiet handeln sollte, könnten die Kläger daraus keine für sie günstigere Rechtslage herleiten.
36 
Unabhängig von der Einstufung von Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber als Wohnnutzung oder als Anlage für soziale Zwecke gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 3 BauNVO (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 04.06.1997 - 4 C 2.96 -, juris), ist diese Nutzung in jedem Fall nach der Art der baulichen Nutzung in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig.
37 
Die Nutzungsänderung als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber genügt auch dem ungeschriebenen Erfordernis der Gebietsverträglichkeit, das sich aus dem typisierenden Ansatz der Baugebietsvorschriften in der Baunutzungsverordnung rechtfertigt. Die vom Verordnungsgeber festgelegte typische Funktion der Baugebiete - ihr Gebietscharakter - schließt das Erfordernis der Gebietsverträglichkeit der in einem Baugebiet allgemein oder ausnahmsweise zulässigen Nutzungsarten mit ein (BVerwG, Beschluss vom 28.02.2008 - 4 B 60.07 -, NVwZ 2008, 787). Zwischen der Zweckbestimmung des Baugebiets und den jeweils zugeordneten Nutzungsarten besteht ein funktionaler Zusammenhang, der für die Auslegung und Anwendung jeder tatbestandlich normierten Nutzungsart maßgeblich ist.
38 
Ausgangspunkt und Gegenstand dieser typisierenden Betrachtungsweise ist das jeweils zur Genehmigung gestellte Vorhaben. Zu fragen ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, das Wohnen in einem allgemeinen Wohngebiet zu stören. Gegenstand dieser Betrachtung sind die Auswirkungen, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art ausgehen. Bei dem Kriterium der Gebietsverträglichkeit geht es um die Vermeidung als atypisch angesehener Nutzungen, die den Wohngebietscharakter als solchen stören. Im vorliegenden Fall ist eine Wohnnutzung bzw. wohnähnliche Nutzung im Rahmen einer Anlage für soziale Zwecke in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet genehmigt worden. Es ist nicht erkennbar, inwieweit die allgemein zulässige genehmigte Nutzung als „Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber“ bei einer typisierenden Betrachtungsweise aufgrund ihrer typischen Nutzungsweise - bezogen auf den (typischen) Gebietscharakter eines allgemeinen Wohngebiets - störend wirken könnte. Durch die streitgegenständliche Baugenehmigung wird auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Kläger, die Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft stammten „aus einem anderen Kulturkreis“, weder der typische Charakter eines allgemeinen Wohngebiets in Frage gestellt noch das Baugebiet durch das Vorhaben in Unruhe gebracht, so dass auch keine Umstrukturierung des faktischen allgemeinen Wohngebiets eingeleitet wird (vgl. BayVGH, Beschluss vom 04.11.2009 - 9 CS 09.2422 -, juris).
39 
2.2 Das streitgegenständliche Bauvorhaben widerspricht auch nicht dem in § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerten planungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme, soweit es dem Schutz der Kläger zu dienen bestimmt ist.
40 
Der Nachbarschutz nach § 15 Abs.1 Satz 2 BauNVO ist als Ausprägung des allgemeinen Rücksichtnahmegebots in Bezug auf Belästigungen und Störungen drittschützend und verleiht einem betroffenen Nachbarn im Fall der Verletzung ein Abwehrrecht gegen die Baugenehmigung (BVerwG, Urteil vom 25.01.2007 - 4 C 1.06 -, juris).
41 
Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG, Urteil vom 23.09.1999 - 4 C 6.98 -, BVerwGE 109, 314 und Urteil vom 18.11.2004 - 4 C 2.04 -, NVwZ 2005, 328). Entscheidend ist letztlich, ob eine für den Rücksichtnahmebegünstigten unzumutbare Beeinträchtigung entsteht.
42 
Nach diesen Maßstäben liegt eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zu Lasten der Kläger nicht vor.
43 
Die von dem Vorhaben in der nunmehr genehmigten Form - Belegung mit bis zu 80 Personen - ausgehenden Emissionen sind für die Kläger nicht unzumutbar. Von der Nutzung als Asylbewerberunterkunft gehen insbesondere keine Störungen mit bodenrechtlicher Relevanz aus. Auch der Vortrag der Kläger gibt insoweit keine näheren Anhaltspunkte.
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Ob und inwieweit sich Belästigungen oder Störungen auswirken können, ist nach objektiven Maßstäben unter Berücksichtigung der bestimmungsgemäßen Nutzung der Anlage und der sich daraus ergebenden Erwartung von Auswirkungen zu beurteilen. Bei der Bewertung von Gefahren und Beeinträchtigungen nachbarlicher Interessen können nur solche Störungen berücksichtigt werden, die typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung des Vorhabens auftreten und von bodenrechtlicher Relevanz sind (städtebauliche Gesichtspunkte). Anderen Gefahren kann im jeweiligen Einzelfall mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts begegnet werden (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 27.08.1992 - 10 B 3439/92 -, NVwZ 1993, 279). Bei möglichen Rechts- und Ordnungsverletzungen müssen primär bestimmte Personen als Verhaltensstörer zur Verantwortung gezogen werden (vgl. BayVGH, Urteil vom 13.09.2012 - 2 B 12.109 -, BayVBl 2013, 241).
45 
Insbesondere bei den zu erwartenden Geräuschimmissionen handelt es sich in dem hier vorliegenden faktischen allgemeinen Wohngebiet um typische grundsätzlich hinzunehmende Wohngeräusche, selbst wenn - wie die Kläger vortragen - sich der Lebensrhythmus und die Gewohnheiten der Asylbewerber von denen der Ortsansässigen unterscheiden sollte. Es ist kein im baurechtlichen Sinne schützenswerter Belang, bei einer Nutzung, die typischerweise Wohngeräusche verursacht, nach verschiedenen Personengruppen und deren sozialtypischen Verhaltensweisen zu differenzieren. Unterschiede in den Lebensgewohnheiten und im Wohnverhalten verschiedener Bevölkerungsgruppen sind baurechtlich ohne Relevanz (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 22.07.1991 - 7 B 1226/91 -, NVwZ 1991, 1003; VGH Kassel, Beschluss vom 29.11.1989 - 4 TG 3185/89 -, NJW 1990,1131).
46 
Baurechtliche Beachtung kann im Rahmen des Rücksichtnahmegebots allein die Belegungsdichte finden, von der die bodenrechtliche Relevanz abhängen kann. Mit einer Belegungsdichte von 80 Personen befinden sich in dem streitgegenständlichen Gebäude zwar deutlich mehr Personen als in einem normalen Wohnhaus. Auch eine intensivere Nutzung dieser Art muss in einem allgemeinen Wohngebiet jedoch grundsätzlich hingenommen werden (vgl. VG München, Beschluss vom 25.11.2014 - M 8 SN 14.4859 -, Rn. 30, juris für eine Belegungsdichte bis zu 250 Personen). Dies gilt erst recht im Hinblick darauf, dass das Gebiet und vor allem auch das Grundstück der Kläger durch die vorherige Nutzung des streitgegenständlichen Gebäudes als Seniorenheim und Krankenhaus erheblich vorbelastet war. Mit einer Belegungsdichte zwischen 30 und 57 Personen zuzüglich Pflege- und Versorgungspersonal wurde auch das Seniorenheim in einem erheblichen Umfang genutzt. Zwar haben die Kläger ihr Wohnhaus zu einem Zeitpunkt errichtet, zu dem das Nachbargebäude leer stand. Indes war die Nutzung insgesamt nur fünf Jahre unterbrochen, sodass sie nicht davon ausgehen konnten, dass zukünftig keine erneute Belegung des Gebäudes erfolgen würde. Das streitgegenständliche Gebäude prägt daher seinerseits die Umgebungsbebauung entsprechend weiter. Die Nutzung des Gebäudes war auch nicht auf die bereits genehmigte Nutzung als Seniorenheim beschränkt. Vielmehr bietet ein Gebäude dieser Größe eine Vielzahl von möglichen Nutzungsarten für soziale Zwecke, die nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO alle gleichermaßen im allgemeinen Wohngebiet zulässig sind. Eine erhebliche, zu einer Unzumutbarkeit führende Intensivierung durch die Unterbringung von nunmehr 80 Personen kann vor diesem Hintergrund nicht erkannt werden.
47 
2.3 Die in § 34 Abs. 1 BauGB genannten weiteren Einfügungsvoraussetzungen, insbesondere das Maß der baulichen Nutzung, sind für sich betrachtet nicht nachbarschützend (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.04.2004 - 4 C 10.03 -, NVwZ 2004, 1244). Allerdings enthält auch § 34 Abs. 1 BauGB mit dem Begriff des „Einfügens“ nach ständiger Rechtsprechung das Gebot der Rücksichtnahme. Die Anzahl der Wohnungen in einem Gebäude ist dabei kein Kriterium zur Beurteilung der Frage, ob sich ein Vorhaben im Sinne des § 34 Abs.1 BauGB einfügt (BVerwG, Beschluss vom 24.04.1989 - 4 B 72.89 -, NVwZ 1989,1060; BVerwG, Urteil vom 13.06.1980 - IV C 98.77 -, NJW 1981, 473). Die Kläger können sich somit auch nicht unter diesem Gesichtspunkt mit Erfolg auf die mit der erhöhten Belegungsdichte bei einer Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft einhergehenden Wohnnutzung in massierter Form berufen (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 06.02.2014 - AN 9 K 13.02098 -, juris).
48 
2.4 Auch die von den Klägern behauptete fehlende Erschließung, weil eine vorhandene Feuertreppe des Gebäudes auf dem Vorhabengrundstück sich teilweise auf ihrem Grundstück befinde, führt nicht zum Erfolg ihrer Klage. Bei dem Überbau handelt es sich um eine zivilrechtliche Frage, die das Erfordernis der Erschließung unberührt lässt.
49 
Sie können auch nicht mit dem Einwand der fehlenden Erschließung hinsichtlich der Abwasserentsorgung durchdringen. Zwar ist in ihrem Fall diesbezüglich ausnahmsweise Drittschutz anzunehmen, die Geltendmachung der mangelnden Erschließung ist jedoch aufgrund des langen Bestehens des streitgegenständlichen Gebäudes verwirkt.
50 
Das Erfordernis der gesicherten Erschließung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist grundsätzlich nicht nachbarschützend. Etwas anderes gilt zugunsten des Nachbarn nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, etwa wenn gerade durch die streitgegenständliche Baugenehmigung die Verpflichtung des Nachbarn zur Duldung eines zivilrechtlichen Notwegerechts wegen fehlender Erschließung des Baugrundstücks begründet wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.12.2001 - 8 S 274/01 -, juris). Diese ausnahmsweise eröffnete Rechtsschutzmöglichkeit des Nachbarn gilt auch für den Fall eines „Notleitungsrechts“ entsprechend (Bayerischer VGH, Beschluss vom 30.4.2007 - 1 CS 06.3335 -; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 03.02.2014 - 9 CS 13.1916 -, Rn. 14, juris). Das Erfordernis der ausreichenden Erschließung ist nicht nur bei der Errichtung, sondern auch der Nutzungsänderung eines schon bestehenden Gebäudes stets neu zu prüfen (VG München, Urteil vom 17.07.2014 - M 11 K 13.4052 - und - M 11 K M 11 K 13.4124 -, Rn. 25, juris ; VG Würzburg, Urteil vom 22.07.2014 - W 4 K 14.137 -, Rn. 23, juris; VG Berlin, Urteil vom 15.07.2015 - 19 K 273.14 -, Rn. 39, juris; VG Würzburg, Urteil vom 10.03.2015 - W 4 K 14.768 -, Rn. 28, juris).
51 
2.4.1 Das Vorhabengrundstück besitzt ausweislich des klägerischen, unbestrittenen Vortrags keinen eigenen Abwasserkanal, sondern wird ausschließlich über das Grundstück der Kläger entwässert. Die Benutzung des klägerischen Abwasserkanals ist auch nicht dinglich gesichert, sodass der Beigeladene derzeit lediglich ein Notwege- bzw. Notleitungsrecht gemäß § 917 BGB geltend machen kann. Dies ist der einzige Fall, in dem ein Nachbar die mangelnde Erschließung eines Bauvorhabens rügen kann, da er nicht auf die Geltendmachung seiner privaten, zivilrechtlichen Rechte gemäß § 58 Abs. 3 LBO verwiesen werden kann, weil die bestandskräftige Baugenehmigung zu einem Duldungsrecht und damit der Vereitlung des zivilrechtlichen Abwehranspruchs führen würde.
52 
2.4.2 Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Gebäude und die Erschließung über das klägerische Grundstück bereits seit über 100 Jahren bestehen. Die Kläger können deswegen die mangelnde Erschließung nicht mehr geltend machen.
53 
Die Verwirkung von Nachbarrechten setzt voraus, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Abwehrrechts eine längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die seine verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist der Fall, wenn erstens der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), zweitens der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt würde (Vertrauenstatbestand) und drittens er sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung). Bei öffentlich-rechtlichen Nachbarstreitigkeiten ist insoweit die Besonderheit zu beachten, dass sich der Abwehranspruch des von einem Bauvorhaben berührten Nachbarn zwar formell gegen die Behörde richtet, von der Rechtsausübung materiell betroffen aber der Bauherr ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.09.1991 - 3 S 2000/91 - VBlBW 1992, 103 m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.03.2014 - 8 S 1938/12 -, Rn. 45, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.06.2011 - 8 A 10196/11 -, Rn. 63, juris).
54 
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs haben die Kläger ihre materiell-rechtlichen Abwehransprüche verwirkt.
55 
Das Gebäude wurde unstreitig ca. 70 Jahre als Krankenhaus und danach 30 Jahre als Seniorenheim genutzt. In dieser Zeit wurde auch das Vertrauen in die Zulässigkeit der Abwasserentsorgung betätigt, indem das Gebäude unterhalten und umgebaut wurde. Die zuvor erteilten Baugenehmigungen wurden folglich im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit ausgenutzt. Der Verwirkung der materiellen Abwehrrechte steht auch nicht entgegen, dass die Erschließung von der Baurechtsbehörde bei der Nutzungsänderung erneut zu prüfen ist. Selbst wenn das Gebäude bisher ungenehmigt genutzt worden wäre, käme eine Verwirkung der materiellen - nicht der Verfahrensrechte - Abwehrrechte in Betracht (vgl. OVG Münster, Urteil vom 02.03.1999, - 10 A 2343/97 -, BRS 62 Nr. 194 (1999); VG Würzburg, Beschluss vom 06.02.2013 - W 5 S 13.62 -, Rn. 23, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 -, Rn. 15, juris). Daher kann die Verwirkung der Klage eines Nachbarn gegen eine Nutzungsänderungsgenehmigung erst recht entgegen gehalten werden.
56 
Der Einwand der mangelnden Erschließung kann auch verwirkt werden. Insbesondere steht die Annahme der Verwirkung nicht im Widerspruch zu den zivilrechtlichen Ansprüchen des Nachbarn auf Unterlassung. Soweit ein Notwegerecht nicht berechtigt und damit vom Nachbarn nicht zu dulden wäre, könnte sich der Nachbar gemäß § 1004 BGB analog gegen die Nutzung seines Grundstücks wehren. Auch dieser Anspruch unterliegt aber der Verjährung und erst recht der Verwirkung (vgl. Kohler/ Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 902 Rn. 5). Die durch den ausnahmsweise bestehenden Drittschutz bezweckte Parallelität der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung und der zivilrechtlichen Abwehransprüche des Nachbarn vor dem Hintergrund des § 917 BGB wird damit nicht umgangen, da die Verwirkung bzw. Verjährung in beiden Fällen zu berücksichtigen ist.
57 
Für die Verwirkung unerheblich ist auch, dass die Kläger nicht in den vollen vergangenen 100 Jahren Eigentümer des Grundstücks waren. Die jeweiligen Abwehrrechte sind dinglich, d.h. auf die beteiligten Grundstücke bezogen, so dass der neue Eigentümer in die Rechtsstellung des früheren einrückt (BVerwG, Beschluss vom 09.02.1989 - 4 NB 1/89 -, BayVBl. 1989, 665, juris). Es wäre im Übrigen einem Grundstückseigentümer nicht zumutbar, Rechtsnachteile gegenüber einem Nachbargrundstück allein auf Grund eines Eigentumswechsels auf diesem Grundstück hinnehmen zu müssen (Bayerischer VGH, Beschluss vom 28.03.1990 - 20 B 89.3055 -, Rn. 22, juris; VG Würzburg, Beschluss vom 06.02.2013 - W 5 S 13.62 -, Rn. 24, juris).
58 
3. Eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften des Bauordnungsrechts liegt hinsichtlich der nunmehr erteilten Baugenehmigung ebenfalls nicht vor.
59 
3.1 Soweit die Kläger darauf verweisen, die Behördenakten enthielten Angaben hinsichtlich zu erfüllender brandschutzrechtlicher Anforderungen für die beantragte Nutzungsänderung, sind die entsprechenden Anforderungen als Nebenbestimmungen auf Seite 4 der Baugenehmigung vom 29.10.2014 Bestandteil der Genehmigung geworden. Dies ist nicht zu beanstanden.
60 
3.2 Soweit die Kläger eine Verletzung von Abstandsflächen geltend machen, ist diese Rüge - unabhängig von ihrer baurechtlichen Beurteilung - ebenfalls verwirkt (vgl. dazu bereits oben 2.4.2; zur Verwirkung von Abwehrrechten hinsichtlich Abstandsflächen bei Nutzungsänderungen vgl. zudem Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 08.10.2014 - 5 K 808/13 -, Rn. 65, juris).
II.
61 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs.1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen. Er hat einen Antrag gestellt und ist daher ein Kostenrisiko eingegangen (vgl. § 154 Abs. 3 Halbs. 1 VwGO und VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.01.2011 - 8 S 2567/10 -, ESVGH 61, 159).
III.
62 
Gründe, aus denen das Verwaltungsgericht die Berufung zulassen kann, liegen nicht vor (§ 124 a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO).
63 
BESCHLUSS
64 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 7.500 EUR festgesetzt.
65 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
I.
25 
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Baugenehmigung vom 29.10.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren nachbarschützenden Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
26 
Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darf die von einem Nachbarn mit der Klage angefochtene Baugenehmigung nur aufgehoben werden, wenn dem genehmigten Vorhaben von der Baurechtsbehörde nach § 58 LBO zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen, die zumindest auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Auf Rechtsmittel des Nachbarn kann eine rechtswidrige Baugenehmigung daher nur dann aufgehoben werden, wenn sie den Nachbarn in seinen subjektiven Rechten verletzt (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 08.07.1998 - 4 B 64.98 -, BauR 1998, 1206, Urteil vom 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, NJW 1994, 1546, Urteil vom 19.09.1986 - 4 C 8.84 -, NVwZ 1987, 409, Beschluss vom 22.11.1984 - 4 B 244.84 -, BRS 42 Nr. 206; VGH Baden-Württemberg, Beschuss vom 11.11.1996 - 5 S 2595/96 -, juris, Urteil vom 11.02.1993 - 5 S 2313/92 -, juris, Beschluss vom 14.12.1990 - 8 S 2440/90 -, juris). Dass die Kläger durch die baurechtliche Entscheidung des Beklagten gerade in ihren eigenen subjektiven Rechtspositionen verletzt würden, weil die Baugenehmigung unter Verletzung ergebnisrelevanter drittschützender Verfahrensvorschriften zustande gekommen wäre (dazu 1.) oder weil dem genehmigten Bauvorhaben nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungs- (dazu 2.) oder Bauordnungsrechts (dazu 3.) entgegenstünden, lässt sich aber gerade nicht feststellen.
27 
Der Beklagte ist zu Recht für den Übergang der Nutzung von einem Seniorenheim zu einer Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber von einer sowohl bauplanungs- (§ 29 Abs. 1 BauGB) als auch bauordnungsrechtlich (§ 58 LBO) genehmigungspflichtigen Nutzungsänderung ausgegangen. Die neue Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft liegt nicht mehr in der Variationsbreite einer normalen Seniorenheimnutzung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.04.2014 - 8 S 1528/13 -, juris).
28 
1. Die Kläger können sich nicht mit Erfolg auf die Verletzung von baurechtlichen Verfahrensvorschriften berufen.
29 
Verfahrensvorschriften im Baurecht sind lediglich hinsichtlich der Bürgerbeteiligung bei der Bauleitplanung sowie der Nachbarbeteiligung am Baugenehmigungsverfahren drittschützend (vgl. hierzu: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.08.2003 - 5 S 1219/03 -; Ortloff, NJW 1983, S. 961, Dürr, DÖV 1994, S. 841, weitere Nachweise bei Dürr, Baurecht in Baden-Württemberg, 14. Auflage 2013, Rdnr. 299 f.) Eine entsprechende Verletzung haben die Kläger nicht geltend gemacht, diese ist auch nicht ersichtlich.
30 
Nur ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass nicht zu beanstanden ist, dass der Beigeladene als Bauherr im Sinne von § 42 LBO vorliegend den Bauantrag gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 LBO gestellt hat. Der Bauherr ist auch jederzeit berechtigt, seinen Bauantrag zu ändern, anzupassen oder zu ergänzen. Den Akten lässt sich darüber hinaus eindeutig entnehmen, dass der Grund für die Reduzierung der aufzunehmenden Anzahl an Flüchtlingen die ab dem 01.01.2016 geltende Regelung der §§ 8 Abs. 1, 23 FlüAG (Art. 1 des Gesetzes zur Neuordnung der Flüchtlingsaufnahme, über die Erstattung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 19.12.2013, GBl. 2013, Nr. 18, S. 493) ist, wonach jedem Flüchtling eine höhere Anzahl an Quadratmetern zur Verfügung stehen muss. Entgegen der Auffassung der Kläger ergibt sich auch nicht aus den der Baugenehmigung beigefügten „Allgemeinen Hinweisen zur Baugenehmigung“, dass der Beklagte keinerlei Prüfung durchgeführt habe. Aus den „Allgemeinen Hinweisen zur Baugenehmigung“, die über den konkreten Nutzungsänderungsantrag hinausgehen, ergibt sich auch nicht, dass vorliegend etwas genehmigt wurde, was nicht beantragt worden ist. Dass der Beklagte vor Erteilung der Baugenehmigung nicht das Ergebnis der Vermessung der Feuertreppe abgewartet hat, ist unschädlich, da der Überbau die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung ohnehin unberührt lässt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.03.1996 - 5 S 1798/95 -, NJW 1996, 3429; BayVGH, Beschluss vom 16.08.2010 - 2 ZB 10.134 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.10.2012 -2 L 149/11 -, Rn. 26, juris; Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 27.08.2008 - 5 K 1183/07 -, Rn. 73, juris).
31 
2. Eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften des Bauplanungsrechts ist nicht erkennbar.
32 
2.1 Dies gilt zunächst für den Gebietserhaltungsanspruch. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich ein von einem Bauvorhaben betroffener Nachbar auf den sogenannten Gebietserhaltungs- bzw. Gebietsgewährleistungsanspruch berufen, wenn in einem beplanten Gebiet ein gebietsuntypisches Vorhaben zugelassen wird. Er hat auf die Bewahrung der Gebietsart einen Anspruch auch dann, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.09.1984 - 4 B 147.84 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 61; Beschluss vom 09.10.1991 - 4 B 137.91 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 104; Beschluss vom 11.04.1996 - 4 B 51.96 -, NVwZ-RR 1997, 463).
33 
Derselbe Nachbarschutz wie im beplanten Gebiet kann auch im unbeplanten Innenbereich gegeben sein, wenn die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 BauGB vorliegen und die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht (BVerwG, Urteil vom 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151). Der Anspruch des Nachbarn auf die Bewahrung der Gebietsart wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsart unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird; dieser Anspruch geht in seiner Reichweite daher über das Rücksichtnahmegebot hinaus (BVerwG, Beschluss vom 11.04.1996 - 4 B 51.96 -, NVwZ-RR 1997, 463). Der Anspruch auf Bewahrung der Gebietsart besteht im unbeplanten Innenbereich jedoch nur dann, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 16.09.1993, a.a.O.).
34 
Nach § 34 Abs. 2 BauGB beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach Maßgabe der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der Baunutzungsverordnung bezeichnet sind, entspricht. Bei der Bestimmung der nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes gelegenen „näheren Umgebung“ ist darauf abzustellen, inwieweit sich einerseits das geplante Vorhaben auf die Umgebung und andererseits die Umgebung auf das Baugrundstück prägend auswirken kann (BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369). Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das Baugrundstück eingebettet ist. Dabei kann die Einheitlichkeit der Bau- und Nutzungsstruktur Auswirkungen auf die Abgrenzung der im Rahmen des Einfügungsgebotes maßgeblichen näheren Umgebung haben. Je einheitlicher sich die Bau- und Nutzungsstruktur darstellt, umso eher ist ggf. bei der Bestimmung der maßgeblichen Umgebung auf einen vergleichsweise geringeren Umfang abzustellen. Die Grenze der maßgeblichen näheren Umgebung kann auch so beschaffen sein, dass die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung dort zu ziehen ist, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedener Bau- und Nutzungsstruktur aneinander stoßen (BVerwG, Beschluss vom 28.08.2003 - 4 B 74/03 -, juris).
35 
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe und auf der Grundlage der im Verfahren vorgelegten Unterlagen geht das Gericht davon aus, dass das Gebiet, in dem die Grundstücke der Kläger und des Beigeladenen liegen, wenigstens einem allgemeinen Wohngebiet i.S.v. § 4 BauNVO entspricht. Dies ergibt sich für die Kammer aus dem Umstand, dass sich nach dem von dem Beklagten mit den Behördenakten vorgelegten Lageplan in der Nähe der Grundstücke der Kläger und des Beigeladenen überwiegend Wohngebäude und dazwischen u.a. ein Getränkehandel, eine Bäckerei mit Café, eine Arztpraxis, eine Schlosserei sowie eine Rechtsanwaltskanzlei befinden. Das Gericht war auch nicht gehalten, sich im Rahmen eines Ortstermins einen eigenen Eindruck der näheren Umgebung zu verschaffen. Aufgrund der genannten Nutzungsarten scheidet die Annahme eines reinen Wohngebiets, in dem eine derartige Anzahl von Nicht-Wohnnutzungen nicht typisch - bzw. hinsichtlich der Schlosserei auch nicht zulässig - wären, aus. Soweit es sich bei dem Gebiet sogar um ein Mischgebiet handeln sollte, könnten die Kläger daraus keine für sie günstigere Rechtslage herleiten.
36 
Unabhängig von der Einstufung von Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber als Wohnnutzung oder als Anlage für soziale Zwecke gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 3 BauNVO (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 04.06.1997 - 4 C 2.96 -, juris), ist diese Nutzung in jedem Fall nach der Art der baulichen Nutzung in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig.
37 
Die Nutzungsänderung als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber genügt auch dem ungeschriebenen Erfordernis der Gebietsverträglichkeit, das sich aus dem typisierenden Ansatz der Baugebietsvorschriften in der Baunutzungsverordnung rechtfertigt. Die vom Verordnungsgeber festgelegte typische Funktion der Baugebiete - ihr Gebietscharakter - schließt das Erfordernis der Gebietsverträglichkeit der in einem Baugebiet allgemein oder ausnahmsweise zulässigen Nutzungsarten mit ein (BVerwG, Beschluss vom 28.02.2008 - 4 B 60.07 -, NVwZ 2008, 787). Zwischen der Zweckbestimmung des Baugebiets und den jeweils zugeordneten Nutzungsarten besteht ein funktionaler Zusammenhang, der für die Auslegung und Anwendung jeder tatbestandlich normierten Nutzungsart maßgeblich ist.
38 
Ausgangspunkt und Gegenstand dieser typisierenden Betrachtungsweise ist das jeweils zur Genehmigung gestellte Vorhaben. Zu fragen ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, das Wohnen in einem allgemeinen Wohngebiet zu stören. Gegenstand dieser Betrachtung sind die Auswirkungen, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art ausgehen. Bei dem Kriterium der Gebietsverträglichkeit geht es um die Vermeidung als atypisch angesehener Nutzungen, die den Wohngebietscharakter als solchen stören. Im vorliegenden Fall ist eine Wohnnutzung bzw. wohnähnliche Nutzung im Rahmen einer Anlage für soziale Zwecke in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet genehmigt worden. Es ist nicht erkennbar, inwieweit die allgemein zulässige genehmigte Nutzung als „Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber“ bei einer typisierenden Betrachtungsweise aufgrund ihrer typischen Nutzungsweise - bezogen auf den (typischen) Gebietscharakter eines allgemeinen Wohngebiets - störend wirken könnte. Durch die streitgegenständliche Baugenehmigung wird auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Kläger, die Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft stammten „aus einem anderen Kulturkreis“, weder der typische Charakter eines allgemeinen Wohngebiets in Frage gestellt noch das Baugebiet durch das Vorhaben in Unruhe gebracht, so dass auch keine Umstrukturierung des faktischen allgemeinen Wohngebiets eingeleitet wird (vgl. BayVGH, Beschluss vom 04.11.2009 - 9 CS 09.2422 -, juris).
39 
2.2 Das streitgegenständliche Bauvorhaben widerspricht auch nicht dem in § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerten planungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme, soweit es dem Schutz der Kläger zu dienen bestimmt ist.
40 
Der Nachbarschutz nach § 15 Abs.1 Satz 2 BauNVO ist als Ausprägung des allgemeinen Rücksichtnahmegebots in Bezug auf Belästigungen und Störungen drittschützend und verleiht einem betroffenen Nachbarn im Fall der Verletzung ein Abwehrrecht gegen die Baugenehmigung (BVerwG, Urteil vom 25.01.2007 - 4 C 1.06 -, juris).
41 
Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG, Urteil vom 23.09.1999 - 4 C 6.98 -, BVerwGE 109, 314 und Urteil vom 18.11.2004 - 4 C 2.04 -, NVwZ 2005, 328). Entscheidend ist letztlich, ob eine für den Rücksichtnahmebegünstigten unzumutbare Beeinträchtigung entsteht.
42 
Nach diesen Maßstäben liegt eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zu Lasten der Kläger nicht vor.
43 
Die von dem Vorhaben in der nunmehr genehmigten Form - Belegung mit bis zu 80 Personen - ausgehenden Emissionen sind für die Kläger nicht unzumutbar. Von der Nutzung als Asylbewerberunterkunft gehen insbesondere keine Störungen mit bodenrechtlicher Relevanz aus. Auch der Vortrag der Kläger gibt insoweit keine näheren Anhaltspunkte.
44 
Ob und inwieweit sich Belästigungen oder Störungen auswirken können, ist nach objektiven Maßstäben unter Berücksichtigung der bestimmungsgemäßen Nutzung der Anlage und der sich daraus ergebenden Erwartung von Auswirkungen zu beurteilen. Bei der Bewertung von Gefahren und Beeinträchtigungen nachbarlicher Interessen können nur solche Störungen berücksichtigt werden, die typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung des Vorhabens auftreten und von bodenrechtlicher Relevanz sind (städtebauliche Gesichtspunkte). Anderen Gefahren kann im jeweiligen Einzelfall mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts begegnet werden (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 27.08.1992 - 10 B 3439/92 -, NVwZ 1993, 279). Bei möglichen Rechts- und Ordnungsverletzungen müssen primär bestimmte Personen als Verhaltensstörer zur Verantwortung gezogen werden (vgl. BayVGH, Urteil vom 13.09.2012 - 2 B 12.109 -, BayVBl 2013, 241).
45 
Insbesondere bei den zu erwartenden Geräuschimmissionen handelt es sich in dem hier vorliegenden faktischen allgemeinen Wohngebiet um typische grundsätzlich hinzunehmende Wohngeräusche, selbst wenn - wie die Kläger vortragen - sich der Lebensrhythmus und die Gewohnheiten der Asylbewerber von denen der Ortsansässigen unterscheiden sollte. Es ist kein im baurechtlichen Sinne schützenswerter Belang, bei einer Nutzung, die typischerweise Wohngeräusche verursacht, nach verschiedenen Personengruppen und deren sozialtypischen Verhaltensweisen zu differenzieren. Unterschiede in den Lebensgewohnheiten und im Wohnverhalten verschiedener Bevölkerungsgruppen sind baurechtlich ohne Relevanz (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 22.07.1991 - 7 B 1226/91 -, NVwZ 1991, 1003; VGH Kassel, Beschluss vom 29.11.1989 - 4 TG 3185/89 -, NJW 1990,1131).
46 
Baurechtliche Beachtung kann im Rahmen des Rücksichtnahmegebots allein die Belegungsdichte finden, von der die bodenrechtliche Relevanz abhängen kann. Mit einer Belegungsdichte von 80 Personen befinden sich in dem streitgegenständlichen Gebäude zwar deutlich mehr Personen als in einem normalen Wohnhaus. Auch eine intensivere Nutzung dieser Art muss in einem allgemeinen Wohngebiet jedoch grundsätzlich hingenommen werden (vgl. VG München, Beschluss vom 25.11.2014 - M 8 SN 14.4859 -, Rn. 30, juris für eine Belegungsdichte bis zu 250 Personen). Dies gilt erst recht im Hinblick darauf, dass das Gebiet und vor allem auch das Grundstück der Kläger durch die vorherige Nutzung des streitgegenständlichen Gebäudes als Seniorenheim und Krankenhaus erheblich vorbelastet war. Mit einer Belegungsdichte zwischen 30 und 57 Personen zuzüglich Pflege- und Versorgungspersonal wurde auch das Seniorenheim in einem erheblichen Umfang genutzt. Zwar haben die Kläger ihr Wohnhaus zu einem Zeitpunkt errichtet, zu dem das Nachbargebäude leer stand. Indes war die Nutzung insgesamt nur fünf Jahre unterbrochen, sodass sie nicht davon ausgehen konnten, dass zukünftig keine erneute Belegung des Gebäudes erfolgen würde. Das streitgegenständliche Gebäude prägt daher seinerseits die Umgebungsbebauung entsprechend weiter. Die Nutzung des Gebäudes war auch nicht auf die bereits genehmigte Nutzung als Seniorenheim beschränkt. Vielmehr bietet ein Gebäude dieser Größe eine Vielzahl von möglichen Nutzungsarten für soziale Zwecke, die nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO alle gleichermaßen im allgemeinen Wohngebiet zulässig sind. Eine erhebliche, zu einer Unzumutbarkeit führende Intensivierung durch die Unterbringung von nunmehr 80 Personen kann vor diesem Hintergrund nicht erkannt werden.
47 
2.3 Die in § 34 Abs. 1 BauGB genannten weiteren Einfügungsvoraussetzungen, insbesondere das Maß der baulichen Nutzung, sind für sich betrachtet nicht nachbarschützend (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.04.2004 - 4 C 10.03 -, NVwZ 2004, 1244). Allerdings enthält auch § 34 Abs. 1 BauGB mit dem Begriff des „Einfügens“ nach ständiger Rechtsprechung das Gebot der Rücksichtnahme. Die Anzahl der Wohnungen in einem Gebäude ist dabei kein Kriterium zur Beurteilung der Frage, ob sich ein Vorhaben im Sinne des § 34 Abs.1 BauGB einfügt (BVerwG, Beschluss vom 24.04.1989 - 4 B 72.89 -, NVwZ 1989,1060; BVerwG, Urteil vom 13.06.1980 - IV C 98.77 -, NJW 1981, 473). Die Kläger können sich somit auch nicht unter diesem Gesichtspunkt mit Erfolg auf die mit der erhöhten Belegungsdichte bei einer Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft einhergehenden Wohnnutzung in massierter Form berufen (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 06.02.2014 - AN 9 K 13.02098 -, juris).
48 
2.4 Auch die von den Klägern behauptete fehlende Erschließung, weil eine vorhandene Feuertreppe des Gebäudes auf dem Vorhabengrundstück sich teilweise auf ihrem Grundstück befinde, führt nicht zum Erfolg ihrer Klage. Bei dem Überbau handelt es sich um eine zivilrechtliche Frage, die das Erfordernis der Erschließung unberührt lässt.
49 
Sie können auch nicht mit dem Einwand der fehlenden Erschließung hinsichtlich der Abwasserentsorgung durchdringen. Zwar ist in ihrem Fall diesbezüglich ausnahmsweise Drittschutz anzunehmen, die Geltendmachung der mangelnden Erschließung ist jedoch aufgrund des langen Bestehens des streitgegenständlichen Gebäudes verwirkt.
50 
Das Erfordernis der gesicherten Erschließung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist grundsätzlich nicht nachbarschützend. Etwas anderes gilt zugunsten des Nachbarn nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, etwa wenn gerade durch die streitgegenständliche Baugenehmigung die Verpflichtung des Nachbarn zur Duldung eines zivilrechtlichen Notwegerechts wegen fehlender Erschließung des Baugrundstücks begründet wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.12.2001 - 8 S 274/01 -, juris). Diese ausnahmsweise eröffnete Rechtsschutzmöglichkeit des Nachbarn gilt auch für den Fall eines „Notleitungsrechts“ entsprechend (Bayerischer VGH, Beschluss vom 30.4.2007 - 1 CS 06.3335 -; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 03.02.2014 - 9 CS 13.1916 -, Rn. 14, juris). Das Erfordernis der ausreichenden Erschließung ist nicht nur bei der Errichtung, sondern auch der Nutzungsänderung eines schon bestehenden Gebäudes stets neu zu prüfen (VG München, Urteil vom 17.07.2014 - M 11 K 13.4052 - und - M 11 K M 11 K 13.4124 -, Rn. 25, juris ; VG Würzburg, Urteil vom 22.07.2014 - W 4 K 14.137 -, Rn. 23, juris; VG Berlin, Urteil vom 15.07.2015 - 19 K 273.14 -, Rn. 39, juris; VG Würzburg, Urteil vom 10.03.2015 - W 4 K 14.768 -, Rn. 28, juris).
51 
2.4.1 Das Vorhabengrundstück besitzt ausweislich des klägerischen, unbestrittenen Vortrags keinen eigenen Abwasserkanal, sondern wird ausschließlich über das Grundstück der Kläger entwässert. Die Benutzung des klägerischen Abwasserkanals ist auch nicht dinglich gesichert, sodass der Beigeladene derzeit lediglich ein Notwege- bzw. Notleitungsrecht gemäß § 917 BGB geltend machen kann. Dies ist der einzige Fall, in dem ein Nachbar die mangelnde Erschließung eines Bauvorhabens rügen kann, da er nicht auf die Geltendmachung seiner privaten, zivilrechtlichen Rechte gemäß § 58 Abs. 3 LBO verwiesen werden kann, weil die bestandskräftige Baugenehmigung zu einem Duldungsrecht und damit der Vereitlung des zivilrechtlichen Abwehranspruchs führen würde.
52 
2.4.2 Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Gebäude und die Erschließung über das klägerische Grundstück bereits seit über 100 Jahren bestehen. Die Kläger können deswegen die mangelnde Erschließung nicht mehr geltend machen.
53 
Die Verwirkung von Nachbarrechten setzt voraus, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Abwehrrechts eine längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die seine verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist der Fall, wenn erstens der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), zweitens der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt würde (Vertrauenstatbestand) und drittens er sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung). Bei öffentlich-rechtlichen Nachbarstreitigkeiten ist insoweit die Besonderheit zu beachten, dass sich der Abwehranspruch des von einem Bauvorhaben berührten Nachbarn zwar formell gegen die Behörde richtet, von der Rechtsausübung materiell betroffen aber der Bauherr ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.09.1991 - 3 S 2000/91 - VBlBW 1992, 103 m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.03.2014 - 8 S 1938/12 -, Rn. 45, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.06.2011 - 8 A 10196/11 -, Rn. 63, juris).
54 
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs haben die Kläger ihre materiell-rechtlichen Abwehransprüche verwirkt.
55 
Das Gebäude wurde unstreitig ca. 70 Jahre als Krankenhaus und danach 30 Jahre als Seniorenheim genutzt. In dieser Zeit wurde auch das Vertrauen in die Zulässigkeit der Abwasserentsorgung betätigt, indem das Gebäude unterhalten und umgebaut wurde. Die zuvor erteilten Baugenehmigungen wurden folglich im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit ausgenutzt. Der Verwirkung der materiellen Abwehrrechte steht auch nicht entgegen, dass die Erschließung von der Baurechtsbehörde bei der Nutzungsänderung erneut zu prüfen ist. Selbst wenn das Gebäude bisher ungenehmigt genutzt worden wäre, käme eine Verwirkung der materiellen - nicht der Verfahrensrechte - Abwehrrechte in Betracht (vgl. OVG Münster, Urteil vom 02.03.1999, - 10 A 2343/97 -, BRS 62 Nr. 194 (1999); VG Würzburg, Beschluss vom 06.02.2013 - W 5 S 13.62 -, Rn. 23, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 -, Rn. 15, juris). Daher kann die Verwirkung der Klage eines Nachbarn gegen eine Nutzungsänderungsgenehmigung erst recht entgegen gehalten werden.
56 
Der Einwand der mangelnden Erschließung kann auch verwirkt werden. Insbesondere steht die Annahme der Verwirkung nicht im Widerspruch zu den zivilrechtlichen Ansprüchen des Nachbarn auf Unterlassung. Soweit ein Notwegerecht nicht berechtigt und damit vom Nachbarn nicht zu dulden wäre, könnte sich der Nachbar gemäß § 1004 BGB analog gegen die Nutzung seines Grundstücks wehren. Auch dieser Anspruch unterliegt aber der Verjährung und erst recht der Verwirkung (vgl. Kohler/ Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 902 Rn. 5). Die durch den ausnahmsweise bestehenden Drittschutz bezweckte Parallelität der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung und der zivilrechtlichen Abwehransprüche des Nachbarn vor dem Hintergrund des § 917 BGB wird damit nicht umgangen, da die Verwirkung bzw. Verjährung in beiden Fällen zu berücksichtigen ist.
57 
Für die Verwirkung unerheblich ist auch, dass die Kläger nicht in den vollen vergangenen 100 Jahren Eigentümer des Grundstücks waren. Die jeweiligen Abwehrrechte sind dinglich, d.h. auf die beteiligten Grundstücke bezogen, so dass der neue Eigentümer in die Rechtsstellung des früheren einrückt (BVerwG, Beschluss vom 09.02.1989 - 4 NB 1/89 -, BayVBl. 1989, 665, juris). Es wäre im Übrigen einem Grundstückseigentümer nicht zumutbar, Rechtsnachteile gegenüber einem Nachbargrundstück allein auf Grund eines Eigentumswechsels auf diesem Grundstück hinnehmen zu müssen (Bayerischer VGH, Beschluss vom 28.03.1990 - 20 B 89.3055 -, Rn. 22, juris; VG Würzburg, Beschluss vom 06.02.2013 - W 5 S 13.62 -, Rn. 24, juris).
58 
3. Eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften des Bauordnungsrechts liegt hinsichtlich der nunmehr erteilten Baugenehmigung ebenfalls nicht vor.
59 
3.1 Soweit die Kläger darauf verweisen, die Behördenakten enthielten Angaben hinsichtlich zu erfüllender brandschutzrechtlicher Anforderungen für die beantragte Nutzungsänderung, sind die entsprechenden Anforderungen als Nebenbestimmungen auf Seite 4 der Baugenehmigung vom 29.10.2014 Bestandteil der Genehmigung geworden. Dies ist nicht zu beanstanden.
60 
3.2 Soweit die Kläger eine Verletzung von Abstandsflächen geltend machen, ist diese Rüge - unabhängig von ihrer baurechtlichen Beurteilung - ebenfalls verwirkt (vgl. dazu bereits oben 2.4.2; zur Verwirkung von Abwehrrechten hinsichtlich Abstandsflächen bei Nutzungsänderungen vgl. zudem Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 08.10.2014 - 5 K 808/13 -, Rn. 65, juris).
II.
61 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs.1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen. Er hat einen Antrag gestellt und ist daher ein Kostenrisiko eingegangen (vgl. § 154 Abs. 3 Halbs. 1 VwGO und VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.01.2011 - 8 S 2567/10 -, ESVGH 61, 159).
III.
62 
Gründe, aus denen das Verwaltungsgericht die Berufung zulassen kann, liegen nicht vor (§ 124 a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO).
63 
BESCHLUSS
64 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 7.500 EUR festgesetzt.
65 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

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Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 02. Dez. 2015 - 5 K 350/15 zitiert 17 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch


(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 15 Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästi

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 4 Allgemeine Wohngebiete


(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen. (2) Zulässig sind 1. Wohngebäude,2. die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,3. Anlagen für kirchliche, kulture

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 6 Mischgebiete


(1) Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. (2) Zulässig sind 1. Wohngebäude,2. Geschäfts- und Bürogebäude,3. Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie B

Baugesetzbuch - BBauG | § 29 Begriff des Vorhabens; Geltung von Rechtsvorschriften


(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 917 Notweg


(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der

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Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 10. März 2015 - W 4 K 14.768

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu tragen. III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig voll

Verwaltungsgericht München Beschluss, 25. Nov. 2014 - M 8 SN 14.4859

bei uns veröffentlicht am 25.11.2014

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene hat ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen. III. Der Streitwert wird auf 3.750,-

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 03. Feb. 2014 - 9 CS 13.1916

bei uns veröffentlicht am 03.02.2014

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. III. Der Streitwert des Beschwerdeverfa

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 09. Apr. 2014 - 8 S 1528/13

bei uns veröffentlicht am 09.04.2014

Tenor Die Beschwerden der Antragsgegnerin und des Beigeladenen zu 1 gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 2. Juli 2013 - 11 K 1561/13 - werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Nutzung mit Wirkung zum 1. Juni 2014 zu unter

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 24. März 2014 - 8 S 1938/12

bei uns veröffentlicht am 24.03.2014

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. März 2012 - 2 K 1538/10 - geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Landratsamts Esslingen vom 3. Dezember 2008 und des Widerspruchsbes

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 19. Okt. 2012 - 2 L 149/11

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Gründe A. 1 Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. 2 Die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Solche Zweifel lie

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 01. Juni 2011 - 8 A 10196/11

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Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 23. August 2010 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beig

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 20. Jan. 2011 - 8 S 2567/10

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Tenor Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 27. Oktober 2010 - 5 K 1991/10 - wird zurückgewiesen.Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtliche

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 18. Dez. 2007 - 3 S 2107/07

bei uns veröffentlicht am 18.12.2007

Tenor Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 11. Juli 2007 - 6 K 2270/06 - wird zurückgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens ei

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(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Geschäfts- und Bürogebäude,
3.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
4.
sonstige Gewerbebetriebe,
5.
Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
6.
Gartenbaubetriebe,
7.
Tankstellen,
8.
Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind.

(3) Ausnahmsweise können Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 außerhalb der in Absatz 2 Nummer 8 bezeichneten Teile des Gebiets zugelassen werden.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30 bis 37.

(2) Die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

Tenor

Die Beschwerden der Antragsgegnerin und des Beigeladenen zu 1 gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 2. Juli 2013 - 11 K 1561/13 - werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Nutzung mit Wirkung zum 1. Juni 2014 zu untersagen ist.

Die Antragsgegnerin und der Beigeladene zu 1 tragen jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Beschwerdeverfahren. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren jeweils selbst.

Der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen auf jeweils 3.750,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässigen Beschwerden (§§ 146 f. VwGO) sind nicht begründet. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben zu einer Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts keinen Anlass (II.) Zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist es allerdings geboten, die Antragsgegnerin zum - umgehenden - Erlass einer erst ab dem 01.06.2014 wirksamen Nutzungsuntersagung zu verpflichten (III.).
I.
Der Senat kann trotz des Antrags der Antragsgegnerin vom 08.04.2014, zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits einen Erörterungstermin vor dem Berichterstatter durchzuführen (vgl. § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO), und ihrer Anregung, die Beteiligten auch gegen den Willen der Antragsteller an den Güterichter zu verweisen (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 278 Abs. 5 ZPO), über die Beschwerde entscheiden, insbesondere ohne zuvor und gesondert über diese Anträge und Anregungen zu entscheiden. Der Senat hält einen Verweis der Beteiligten an den Güterichter für eine Güteverhandlung sowie weitere Güteversuche darüber hinaus für nicht angebracht.
1. Der Antrag auf Durchführung eines Erörterungstermins ist rechtlich gesehen eine bloße Anregung an das Gericht, über die nicht förmlich entschieden werden muss (vgl. BFH, Beschluss vom 30.10.1997 - X B 12/97 - BFH/NV 1998, 599). Ebenso sind Anträge auf einen Verweis an den Güterichter zur Durchführung einer Güteverhandlung allein solche Anregungen (vgl. Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auf. 2013, § 278 Rn. 17), über die nicht förmlich zu entscheiden ist.
2. Auch wenn der Verweis der Beteiligten an den Güterichter zur Durchführung einer Güteverhandlung rechtlich wohl nicht das Einverständnis aller Beteiligter erfordern dürfte (Sächsisches OVG, Beschluss vom 28.01.2014 - 1 A 257/10 - juris Rn. 1), erscheint ein solcher Verweis hier ebenso wenig sinnvoll wie die Durchführung eines Erörterungstermins vor dem Berichterstatter. Denn die Antragsteller haben ausdrücklich erklärt, an der vorgeschlagenen Mediation kein Interesse mehr zu haben. Angesichts der insgesamt langen Dauer des Beschwerdeverfahrens (zu den Gründen unten unter III.) geriete ein Verweis an den Güterichter gegen den Willen der Antragsteller mit der aus Art. 19 Abs. 4 GG erwachsenden Verpflichtung des Senats, effektiven Rechtsschutz in angemessener Zeit zu gewähren (BVerfG, Beschluss vom 23.05.2012 - 2 BvR 610/12 - BVerfGK 19, 407 (412)), in Konflikt.
II.
Die mit den Beschwerden vorgebrachten Rügen gebieten keine Änderung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts.
1. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist mit dem Bauantrag des Beigeladenen zu 1 vom 11.06.2012 nicht allein die Aufstockung einer Wohnheimkapazität von 51 auf 68 Plätze zur Genehmigung gestellt und am 21.09.2012 von der Antragsgegnerin genehmigt worden. Vielmehr umfassen Bauantrag und Baugenehmigung die Änderung der Nutzung des ganzen Gebäudes als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber. Daher erfasst die vom Senat mit Beschluss vom 14.03.2013 - 8 S 2504/13 - angeordnete aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und zwischenzeitlich der ihm nachgefolgten Klage diesen gesamten Genehmigungsumfang.
a) Das Beschwerdevorbringen des Beigeladenen zu 1, das Baugenehmigungsverfahren sei wegen der zusätzlich erhöhten Nutzung von 51 auf 68 Unterbringungsplätze durchgeführt worden, liegt, wenn man es mit der Antragsgegnerin dahingehend verstehen will, dass die Baugenehmigung vom 21.09.2012 ausschließlich wegen der geplanten Erhöhung der Unterbringungskapazität bei gleichbleibender Nutzung als Wohnheim beantragt worden sei (Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 31.01.2014) und sie sich also nur auf 17 weitere Wohnheimplätze beziehe, offensichtlich neben der Sache. Denn der Beigeladene zu 1, dem als Bauherrn die inhaltliche Umschreibung und Umgrenzung des Vorhabens obliegt, dessen Durchführung begehrt wird (BVerwG, Urteil vom 04.07.1980 - 4 C 99.77 - NJW 1981, 776 (zu § 29 BauGB); Senatsbeschluss vom 11.05.2011 - 8 S 93/11 - NVwZ-RR 2011, 754 (756) (zu § 49 LBO); Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 29 Rn. 6), hat mit seinem Bauantrag von 11.06.2012 ausdrücklich die „Umnutzung bestehendes Wohn- und Bürogebäude mit Lagerräumen und Gemeinschaftsunterkünfte zur Unterbringung von Personen nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (Asylbewerber)“, also nicht etwa allein die Erhöhung der Anzahl von Wohnheimplätzen beantragt. Dem entsprechend wurde ihm durch die Antragsgegnerin - sprachlich aber nicht inhaltlich abweichend - eine Nutzungsänderung „Wohnheim mit Werkstatt und Schulungsräumen in Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber sowie Büros mit Lagerräumen“ genehmigt. Dass der Beigeladene zu 1 die beabsichtigte vollständig neue Nutzung seines Gebäudes zur Genehmigung gestellt hat, ergibt sich auch aus seinem Schriftsatz an die Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren vom 15.07.2013. Darin hat er eine Befreiung „ausdrücklich beantragt und zwar für die 68 Unterkünfte, hilfsweise für die 51 bereits bestehenden Unterkünfte“. Daher irrt der Beigeladene zu 1, wenn er behauptet, der Senatsbeschluss vom 14.03.2013 besage nichts zur zulässigen Nutzung mit 51 untergebrachten Asylsuchenden.
bb) Die entsprechende Rüge der Antragsgegnerin aus ihrem Schriftsatz vom 31.01.2014 ist überdies deshalb nicht berücksichtigungsfähig, weil sie nach Ablauf der Frist zur Beschwerdebegründung von einem Monat nach Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) erhoben worden ist, ohne dass zuvor vorgebracht worden wäre, dass die Baugenehmigung vom 21.09.2012 sich nur auf eine Kapazitätserhöhung bezogen hätte. Die Begründungsfrist war bereits mit Ablauf des 08.08.2013 abgelaufen, nachdem der erstinstanzliche Beschluss am 08.07.2013 zugestellt worden war.
2. Entgegen der Auffassung der Beschwerden hat das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden, dass die dem Beigeladenen zu 1 erteilten Baugenehmigungen vom 06.11.1975 und 18.05.1992 dem Anspruch der Antragsteller auf die beantragten Sicherungsmaßnahmen nach § 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 2 VwGO deshalb nicht entgegenstehen, weil sie die genehmigte und aufgenommene Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber nicht abdecken. Diese Nutzung ist also nicht - bezogen auf 51 Plätze - doppelt genehmigt. Denn die neue, aufgenommene Nutzung verlässt die Variationsbreite der ursprünglich genehmigten Nutzung und stellt sich damit als genehmigungspflichtige Nutzungsänderung im Sinne sowohl des Bauordnungsrechts (§ 49, 2 Abs. 12, 50 Abs. 2 LBO) als auch des Bauplanungsrechts (§ 29 Abs. 1 BauGB) dar. Die Baugenehmigungen vom 06.11.1975 und 18.05.1992 legalisieren die Nutzung des Gebäudes des Beigeladenen zu 1 als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber daher nicht, und zwar auch nicht teilweise.
10 
a) Eine Nutzungsänderung im bauordnungsrechtlichen Sinne liegt vor, wenn der Anlage - wenigstens teilweise - eine neue, d. h. andere Zweckbestimmung gegeben wird (Sauter, LBO, Stand: März 2010, § 2 Rn. 129). Der bauplanungsrechtliche Begriff der Nutzungsänderung hingegen erweist sich als enger, weil er bodenrechtlichen Bezug hat (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.09.2012 - 3 S 2236/11 - NVwZ-RR 2012, 919 (920 f.)). Eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB liegt mithin vor, wenn die Variationsbreite der genehmigten Nutzung verlassen wird und dadurch bodenrechtliche Belange neu berührt werden können (BVerwG, Urteile vom 18.05.1990 - 4 C 49.89 - NVwZ 1991, 264 und vom 18.11.2010 - 4 C 10.09 - NVwZ 2011, 269 ff.; Beschlüsse vom 14.04.2000 - 4 B 28.00 - juris Rn. 6 und vom 07.11.2002 - 4 B 64.02 - BRS 66 Nr. 70; Senatsbeschluss vom 25.10.2012 - 8 S 869/12 - ZfBR 2013, 60). Die Variationsbreite einer genehmigten Nutzung wird überschritten, wenn das bisher charakteristische Nutzungsspektrum erweitert wird (BVerwG, Urteil vom 27.08.1998 - 4 C 5.98 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 190 S. 64). Bodenrechtliche Belange können berührt sein, wenn der neuen Nutzung unter städtebaulichen Gesichtspunkten eine andere Qualität zukommt (BVerwG, Beschluss vom 14.04.2000, a.a.O.), für die neue Nutzung weitergehende bodenrechtliche Vorschriften gelten als für die alte oder wenn sich die Zulässigkeit der neuen Nutzung zwar nach derselben bodenrechtlichen Vorschrift bestimmt, nach dieser Vorschrift aber anders zu beurteilen sein kann als die frühere Nutzung (BVerwG, Urteil vom 14.01.1993 - 4 C 19.90 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 155), oder wenn die geänderte Nutzung für die Nachbarschaft erhöhte Belastungen mit sich bringt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.11.2002, a.a.O.). Keine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB ist die bloße Intensivierung der Nutzung durch Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ohne Einfluss des Bauherrn (BVerwG, Urteil vom 29.10.1998 - 4 C 9.97 - NVwZ 1999, 417 und Beschluss vom 11.07.2001 - 4 B 36.01 - BRS 64 Nr. 73).
11 
Der Regelungsumfang einer Baugenehmigung hinsichtlich der mit ihr zugelassenen Art der Nutzung einschließlich ihrer Variationsbreite bzw. ihrer Zweckbestimmung richtet sich nach der Bezeichnung des Vorhabens in der Genehmigung sowie den weiteren Regelungen im Genehmigungsbescheid, den Bauvorlagen und sonstigen in Bezug genommenen Unterlagen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.10.2002 - 5 S 1706/01 - juris Rn. 65; Bayerischer VGH, Beschluss vom 09.09.2013 - 14 ZB 12.1899 - BauR 2014, 233). Er kann damit wesentlich auch durch den Bauantrag mitbestimmt werden, insbesondere wenn der Bauherr selbst nur einen engen Rahmen zulässiger Nutzungen zur Genehmigung stellt und damit das Vorhaben eingrenzt.
12 
b) An diesen Maßstäben gemessen erweist sich die Nutzung des Gebäudes des Beigeladenen zu 1 als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber sowohl im bauordnungsrechtlichen wie auch im bauplanungsrechtlichen Sinne als eine Änderung der bislang genehmigten Nutzung als „Lehrlingswohnheim“ und ist diese deshalb auch genehmigungsbedürftig.
13 
aa) Die Variationsbreite der bisherigen, bestandskräftig genehmigten Nutzung wird mit der Nutzung des Gebäudes als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber überschritten. Es handelt sich um eine Nutzungsänderung im Sinne der Landesbauordnung, weil dem Gebäude eine relevante neue Zweckbestimmung gegeben wird. Denn es wird nicht mehr als das mit den Baugenehmigungen vom 06.11.1975 und 18.05.1992 genehmigte „Lehrlingswohnheim“ genutzt. Der Bereich der vom Bauherrn mit seinen Genehmigungsanträgen selbst vorgegebenen, bisherigen Zweckbestimmung wird verlassen. Den Baugenehmigungen ist nicht zu entnehmen, dass die Eingrenzung “internatsmäßiges Lehrlingswohnheim“ (Baugenehmigung vom 06.11.1975) bzw. „Lehrlingswohnheim“ (Baugenehmigung vom 18.05.1992) lediglich die damals konkret beabsichtigte Nutzung beschreiben, die zur Genehmigung gestellte Nutzungsart aber eine darüber hinausgehende Variationsbreite sonstiger Nutzungen umfassen sollte.
14 
bb) Es liegt auch eine Nutzungsänderung im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB vor. Denn die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der bisherigen Nutzung ist möglicherweise abweichend von der nunmehr zur Genehmigung gestellten Nutzung zu beurteilen, weil sie bodenrechtliche Belange neu berühren kann.
15 
(1) Ausgehend von der dem Beigeladenen zu 1 am 06.11.1974 erteilten Baugenehmigung ergibt sich die mögliche Berührung bodenrechtlicher Belange bereits daraus, dass das Vorhaben „Einrichtung einer Berufsfördermaßnahme durch den Caritas-Verband für Württemberg - Einbau eines internatsmäßigen Lehrlingsheims“ „unter Befreiung von § 30 BBauG i.V. mit § 8 BauNVO“ genehmigt worden ist. Denn eine - teilweise - neue Zweckbestimmung des Vorhabens, wie sie hier getroffen worden ist (siehe I. 2. b) aa)), ist immer geeignet, für die Ausübung des Befreiungsermessens aus § 31 Abs. 2 BauGB neue wesentliche Umstände aufzuwerfen. Dabei ist es ohne Belang, ob für das neue Vorhaben ein anderer Befreiungstatbestand (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BauGB) eingreift. Denn die von der Behörde geforderte Ermessensentscheidung unterscheidet sich deutlich von dem zu prüfenden Tatbestand (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.04.2008 - 4 B 16.08 - BRS 73 (208) Nr. 69 Rn. 7). Ebenso ist es unerheblich, ob die Rechtmäßigkeit einer Befreiung, die der Senat hinsichtlich der geplanten Nutzungsänderung sehr kritisch sieht (Senatsbeschluss vom 17.12.2013 - 8 S 2350/13), tatsächlich anders zu beantworten ist als bei der 1975 erteilten Befreiung. Denn eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB liegt bereits dann vor, wenn die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit möglicherweise abweichend zu beurteilen ist.
16 
(2) Aber auch unbeschadet der Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur zulässigen Nutzungsart unterscheidet sich die jetzt zur Genehmigung gestellte Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber bauplanungsrechtlich erheblich von der bislang genehmigten Nutzung als „Lehrlingswohnheim“.
17 
Für die Beurteilung, ob eine Anlage für soziale Zwecke im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1968 - um eine solche handelt es sich bei der 1975 genehmigten Einrichtung einer Berufsförderungsmaßnahme durch den Caritas-Verband mit dem Einbau eines internatsmäßigen Lehrlingsheims mit Werkstattgebäude - mit der allgemeinen Zweckbestimmung und der konkreten Eigenart des Gewerbegebiets vereinbar ist, kommt es darauf an, ob die Anlage eine Funktion im Zusammenhang mit oder für eine zulässige Hauptnutzungsart erfüllt (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Januar 2013, § 8 BauNVO Rn. 44). Dies ist bei einem Lehrlingswohnheim mit angeschlossener Werkstätte im Gewerbegebiet zu bejahen. Der erstrebte Zweck des Wohnens am Ort der Ausbildungswerkstätte führt zu einer engen funktionalen Verklammerung der wohnähnlichen Nutzung mit der typischen, allgemein im Gewerbegebiet zulässigen gewerblichen Hauptnutzung (vgl. § 8 Abs. 2 BauNVO). Hingegen fehlt eine solche Ausrichtung bei einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber - deren Einordnung als Anlage für soziale Zwecke einmal unterstellt (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 04.06.1997 - 4 C 2.96 - NVwZ 1998, 173 und Senatsbeschluss vom 14.03.2013 - 8 S 2504/12 - VBlBW 2013, 384) - offensichtlich. Daraus ergibt sich, dass die ursprünglichen Baugenehmigungen die Nutzung des Gebäudes als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber nicht legalisieren, sondern vielmehr mit der veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt sein können, so dass sich die Frage der Genehmigungsfähigkeit unter bodenrechtlichen Aspekten neu stellt.
18 
(3) Soweit der Beigeladene zu 1 geltend macht, dass die „Lehrlinge aus schwierigen familiären Verhältnissen stammten“, diese daher am Wochenende von der Möglichkeit, ihre Familien zu besuchen, nur eingeschränkt Gebrauch gemacht hätten und damit während der gesamten Ausbildungszeit grundsätzlich rund um die Uhr in dem Wohnheim untergebracht gewesen seien, vermag dies an der obigen Einschätzung nichts zu ändern. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass für die meisten der einer Gemeinschaftsunterkunft zugewiesenen Asylbewerber die Unterkunft faktisch für den gesamten Tag zum Lebensmittelpunkt wird, während bei der bislang genehmigten Nutzung werktäglich ein Bewohnen der Zimmer durch die Auszubildenden während der Arbeits- und Schulzeiten faktisch nachgerade ausgeschlossen gewesen ist. Unerheblich ist dabei, ob die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit tatsächlich abweichend zu beurteilen ist oder ob die ursprüngliche Genehmigung - die unter Befreiung von § 8 BauNVO erteilt worden ist - rechtmäßig ergangen ist. Denn für das Vorliegen einer Nutzungsänderung im bauplanungsrechtlichen Sinne kommt es nur auf den Umstand an, dass die bodenrechtlichen Fragen neu aufgeworfen sind. Die vom Beigeladenen zu 1 diskutierte Frage des Aufenthalts an den Wochenenden ist daher unerheblich. Ebenfalls unerheblich sind insoweit die im Zuge der Nutzungsänderung vorgenommenen baulichen Veränderungen und deren Genehmigungsbedürftigkeit.
19 
(4) Das dem Vortrag des Beigeladenen zu 1 entsprechende Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin ist aus den gleichen Gründen ebenfalls erfolglos. Soweit sie darüber hinaus rügt, dass sich die neue, umstrittene Nutzung innerhalb der Variationsbreite der genehmigten Wohnheimnutzung bewege, weil der Zweck, nämlich die wohnähnliche Nutzung, sowie der Umfang, nämlich entsprechend einer Mitteilung des Beigeladenen zu 2 51 Personen, vollständig gewahrt bleibe, gebietet auch dies keine andere rechtliche Beurteilung. Denn für das Vorliegen einer Nutzungsänderung - sowohl im bauplanungsrechtlichen wie auch bauordnungsrechtlichen Sinne - kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die bisherige und die beabsichtigte Nutzung unterschiedlichen Nutzungskategorien aus den Katalogen der Baunutzungsverordnung unterfallen (Lechner/Busse, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: Februar 2012, Art. 57 Rn. 413).
20 
(5) Auch soweit die Antragsgegnerin geltend macht, die etwaige unterschiedliche funktionale Ausrichtung des Lehrlingswohnheims einerseits und des Asylbewerberwohnheims andererseits rechtfertige schon deshalb keine unterschiedliche Behandlung, weil eine Anlage für soziale Zwecke, in der auch gewohnt werde, nur dann nicht im Widerspruch zur allgemeinen Zweckbestimmung des Gewerbegebiets stehe, wenn es sich um keine auf Dauer angelegte Unterbringung handele, so dass das Lehrlingswohnheim und das Asylbewerberwohnheim jedenfalls rechtlich gleich zu behandeln seien, vermag dies ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn selbst wenn die genehmigte Nutzung des Gebäudes des Beigeladenen zu 1 als „Lehrlingswohnheim“ materiell rechtswidrig (gewesen) sein sollte, weil jegliches Wohnheim in Gewerbegebieten unzulässig sein sollte (vgl. BVerwG. Urteil vom 25.11.1983 - 4 C 21.83 - BVerwGE 68, 213), könnte der funktionale Zusammenhang der Nutzung des Wohnheims mit der in unmittelbarer Nähe untergebrachten Ausbildungswerkstatt unter Umständen eine andere Bewertung der Zulässigkeit einer Befreiung nahelegen, was die (Nicht-)Berührung der Grundzüge der Planung (§ 31 Abs. 2 BauGB) angeht. Denn jedenfalls die ausdrücklich gewollte räumliche Verbindung von Wohnen und theoretischem sowie praktischem Unterricht, wie sie sich aus Seite 8 der Baugenehmigung vom 06.11.1975 ergibt, könnte dazu führen, dass diese Nutzungsform in Gestalt einer Anlage für soziale Zwecke allein in einem Gewerbegebiet realisiert werden könnte.
21 
3. Entgegen der Auffassung der Beschwerden hat das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden, dass die Missachtung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres eine Sicherungsmaßnahme rechtfertigt, ohne dass es hierfür auf eine Interessenabwägung ankommt.
22 
a) Soweit die Beschwerden geltend machen, dass die Voraussetzungen des § 65 Satz 2 LBO für eine Nutzungsuntersagung schon tatbestandlich nicht vorlägen, aber jedenfalls keine Ermessensreduzierung zugunsten der Antragsteller eingetreten sei, kann sie damit den erstinstanzlichen Beschluss nicht erfolgreich in Zweifel ziehen. Denn das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Erlass einer Sicherungsmaßnahme im Sinne des § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO nicht davon abhängt, ob die Voraussetzungen des § 65 Satz 2 LBO erfüllt sind. Denn § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist eine eigenständige verfahrensrechtliche Grundlage zum Schutz und zur realen Durchsetzung der aufschiebenden Wirkung (Funke-Kaiser, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2010, § 80a Rn. 21; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: August 2012, § 80a Rn. 40; Gersdorf, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 01.10.2013, § 80a Rn. 27; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 80a Rn. 10; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80a Rn. 14). Diese Regelungsmöglichkeit tritt gleichberechtigt neben die rechtsgebietsspezifischen behördlichen Anordnungsbefugnisse (BVerwG, Urteil vom 28.01.1992 - 7 C 22.91 - BVerwGE 89, 357 (362); vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 09.02.2012 - 9 VR 2.12 - NVwZ 2012, 570 Rn. 6).
23 
b) Die Rügen der Beschwerden, das Verwaltungsgericht habe unzutreffend die Erfolgsaussichten der Klagen der Antragsteller bei seiner Entscheidung über den Antrag nach § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO nicht in den Blick genommen, vermögen ebenfalls nicht zu verfangen. Denn diese sind im Verfahren zur Sicherung der Rechte der Antragsteller aus der von ihnen gerichtlich erstrittenen aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung ohne Belang.
24 
aa) § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO vermittelt einen von der materiell-rechtlichen Rechtslage unabhängigen verfahrensrechtlichen Schutz. Es steht hier die Durchsetzung der gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs, also die Sicherstellung der Effektivität des gewährten Rechtsschutzes, nicht aber die Realisierung eines materiellen verwaltungsrechtlichen Anspruchs inmitten. Einstweilige Sicherungsmaßnahmen gegenüber der Missachtung der aufschiebenden Wirkung dienen der Wahrung des mit Widerspruch bzw. Anfechtungsklage verfolgten Abwehrrechts z. B. gegen die erteilte Genehmigung, nicht jedoch der Durchsetzung eines materiell-rechtlichen Anspruch auf behördliches Einschreiten (Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: August 2012, § 80a Rn. 40). Der gegenteiligen Auffassung, die Sicherungsmaßnahmen nach § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO nur bei hinreichenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache für gerechtfertigt sieht (VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 03.08.1995 - 3 S 1078/95 - ESVGH 46, 29 und vom 22.10.2007 - 6 S 2237/07 - nicht veröffentlicht; OVG Berlin, Beschluss vom 26.02.1993 - 2 S 1/93 - NVwZ-RR 1993, 458; Thüringer OVG, Beschluss vom 28.07.1993 - 1 EO 1/93 - LKV 1994, 110 (113)), vermag sich der Senat jedenfalls für den Fall nicht anzuschließen, dass bereits eine gerichtliche Entscheidung über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs ergangen ist. Sie übersieht, dass hier die Rechte des Dritten zu schützen sind, die bei Nichtbeachtung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs bedroht sind (so auch: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.01.2000 - 10 B 2060/99 - NVwZ-RR 2001, 297), und dass die Missachtung der aufschiebenden Wirkung per se ein rechtswidriges Verhalten darstellt (Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 80a Rn. 36). Allein dies rechtfertigt eine auf die Effektuierung der aufschiebenden Wirkung gerichtete gerichtliche Anordnung (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.08.2013 - 8 B 829/13 - DÖV 2013, 952; vgl. auch Hessischer VGH, Beschluss vom 03.12.2002 - 8 TG 2177/02 - NVwZ-RR 2003, 345 (346)). Maßnahmen, die gegen eine umfassende gerichtliche Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit (hier nach § 212a Abs. 1 BauGB) verstoßen, sind zur Sicherung der Rechte des Rechtsbehelfsführers auf dessen Antrag hin grundsätzlich zu untersagen, ohne dass es darauf ankommen kann, ob ein gegenläufiges öffentliches Interesse besteht (vgl. Christ, jurisPR-BVerwG, 11/2012 Anm. 5 unter C.). Da die Gerichte bei der Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung eines Nachbarwiderspruch gegen eine Baugenehmigung anzuordnen ist, eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen haben, bei der sowohl die öffentlichen als auch die betroffenen privaten Interessen zu berücksichtigen sind und bei der die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs eine wesentliche Rolle spielen, ist es nicht gerechtfertigt, diese Interessenabwägung erneut vorzunehmen, wenn wegen der Nichtbeachtung der aufschiebenden Wirkung der Erlass einer einstweiligen Sicherungsmaßnahme anzuordnen ist. Die Änderung von Umständen, die eine abweichende Interessenabwägung zur aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs rechtfertigen könnten, ist nach den Vorgaben des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO geltend zu machen.
25 
bb) Daher kommt es für den Erlass einer Sicherungsmaßnahme nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO in der Regel allein auf die Frage an, ob dem Rechtsbehelf der Antragsteller aufschiebende Wirkung zukommt. Dies ist nach deren Anordnung durch den Senat mit Beschluss vom 14.03.2013 - 8 S 2504/12 - VBlBW 2013, 384 und der Ablehnung eines u.a mit der im Widerspruchsverfahren erteilten Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB begründeten Abänderungsantrags nach § 80 Abs. 7 Satz 2 (Senatsbeschluss vom 17.12.2013 - 8 S 2350/13) der Fall. Auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache kommt es nach den obigen Ausführungen nicht an. Die mit den Beschwerden geltend gemachte Unterbringungssituation für Asylbewerber im Gebiet des Beigeladenen zu 2 rechtfertigt keine davon ausnahmsweise abweichende Auslegung und kann allenfalls für die Ausgestaltung der Sicherungsmaßnahme erheblich sein (vgl. III.).
III.
26 
Da der Senat die Vollziehung des angegriffenen Beschlusses vom 02.07.2013 während des Beschwerdeverfahrens ausgesetzt hat (Senatsbeschluss vom 18.09.2013), das Beschwerdeverfahren vom 18.09.2013 bis zum 19.12.2013 im Hinblick auf das von der Antragsgegnerin betriebene Verfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ausgesetzt gewesen ist (Senatsbeschluss vom 18.09.2013), sodann auf Anregung des Senats bis zum 26.02.2014 zwischen den Beteiligten die Möglichkeit einer gütlichen Einigung, etwa unter Verweisung der Beteiligten an den Güterichter (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 278 Abs. 5 Satz 1 ZPO) erörtert worden ist und deshalb seit Ergehen des angegriffenen Beschlusses über neun Monate vergangen sind, ist die den Verwaltungsgerichten durch §§ 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO eingeräumte Gestaltungsbefugnis hinsichtlich der Auswahl von Art und Inhalt der Sicherungsmaßnahme durch den Senat zur Sicherstellung ihrer Verhältnismäßigkeit erneut auszuüben.
27 
1. Bei der Auswahl einstweiliger Sicherungsmaßnahmen nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO und ihrem konkreten Inhalt steht dem Verwaltungsgericht eine Gestaltungsbefugnis zu (zu § 123 Abs. 3 VwGO, § 938 ZPO: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.01.1992 - 6 S 2781/91 - FEVS 43, 410 (414); vgl. auch Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: August 2012, § 80a Rn. 41a und 55 sowie Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 123 Rn. 109). Bei ihrer Ausübung sind das Interesse desjenigen, dem die aufschiebende Wirkung seines Rechtsbehelfs zugutekommt, seine prozessuale Rechtsposition durchzusetzen, etwa davon abweichende öffentliche Interessen sowie das private Interesse des durch den - in seiner Vollziehung suspendierten - Verwaltungsakt Begünstigten, entgegen den prozessrechtlichen Vorgaben von dem Verwaltungsakt Gebrauch zu machen, in den Blick zu nehmen.
28 
a) Einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten, dessen Rechtsbehelf entweder aufgrund gesetzlicher (§ 80 Abs. 1 VwGO), behördlicher (§ 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO) oder gerichtlicher Anordnung (§ 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 2 VwGO) aufschiebende Wirkung hat, dienen der faktischen Durchsetzung der aufschiebenden Wirkung in der Lebenswirklichkeit gegenüber dem durch den Verwaltungsakt Begünstigten (Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: August 2012, § 80a Rn. 38). Das Verfahren zielt auf die Schaffung eines vollstreckungsfähigen Titels nach § 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.07.1996 - F 2 S 202/96 - juris; Pietzner/Möller, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juni 2011, § 168 Rn. 14; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 168 Rn. 2). Unbeschadet der Möglichkeit, im Vollstreckungsverfahren geltend zu machen, es sei unzumutbar, der gerichtlichen Entscheidung zu folgen, ist grundsätzlich auch bei einer Entscheidung über den Erlass von Sicherungsmaßnahmen eine mögliche Unzumutbarkeit einer solchen Maßnahme gegenüber der Behörde und eine mögliche Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme gegenüber dem von dem Verwaltungsakt Begünstigten oder weiteren, nicht am Verfahren beteiligten Grundrechtsberechtigten zu prüfen. Solche Umstände können dem Erlass von Sicherungsmaßnahmen allerdings nur in atypischen Ausnahmefällen entgegenstehen. Denn in aller Regel ist es nicht unzumutbar, die geltende Rechtslage - also hier die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs - zu akzeptieren. Vielmehr ist dies für die an einem Verfahren nach § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO beteiligte Behörde die aus ihrer Rechts- und Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) resultierende Pflicht. Auch dem gesetzesunterworfenen begünstigten Dritten wird die Akzeptanz der gerichtlichen Entscheidung zugemutet. Die Ausnutzung des ihn begünstigenden Verwaltungsakts vor dessen Bestandskraft erfolgt nämlich in jeder Hinsicht auf sein eigenes Risiko. Hingegen kann es zur Wahrung gegenläufiger öffentlicher Interessen geboten sein, einstweilige Sicherungsmaßnahmen nicht unmittelbar mit Erlass des gerichtlichen Beschlusses wirksam werden zu lassen, insbesondere um Rechte Dritter zu wahren, die am Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht beteiligt sind.
29 
b) Die von der Antragsgegnerin und dem Beigeladenen zu 1 mit ihren Beschwerden geltend gemachte „Unterbringungsnot“ für Asylbewerber im Rems-Murr-Kreis kann - jedenfalls derzeit - keinen atypischen Ausnahmefall begründen, der bereits dem Erlass der begehrten einstweiligen Maßnahme zur Sicherung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs der Antragsteller entgegenstehen oder die Einräumung einer langen Frist zum Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung rechtfertigen könnte. Daher braucht nicht entschieden zu werden, ob der Beigeladene zu 1 sich auf diese von ihm geltend gemachten öffentlichen Interessen überhaupt berufen kann. Sein wirtschaftliches Interesse an der weiteren Vermietbarkeit seines Gebäudes bis zu einem möglichen Wiedereintritt der Vollziehbarkeit der angegriffenen Baugenehmigung (vgl. § 80b VwGO) ist ersichtlich nicht geeignet, dem Erlass einstweiliger Sicherungsmaßnahmen entgegenzustehen.
30 
aa) Den Beschwerden kann nicht entnommen werden, dass die Möglichkeiten der Unterbringung in Behelfsunterkünften auf Grundstücken im Eigentum des Beigeladenen zu 2 oder kreisangehöriger Gemeinden hinreichend geprüft worden ist. So enthält die vom Beigeladenen zu 2 vorgelegte und von der Antragsgegnerin in Bezug genommene Übersicht „Unterkünfte für Asylbewerber“ einen Verweis auf einen ablehnenden Gemeinderatsbeschluss der Gemeinde Plüderhausen hinsichtlich einer Containerunterkunft für 50 - 60 Personen. Damit ist das Fehlen von Unterbringungsmöglichkeiten nicht hinreichend dargetan. Der Beigeladene zu 2 hat als Träger der unteren Aufnahmebehörde (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes über die Aufnahme von Flüchtlingen (Flüchtlingsaufnahmegesetz - FlüAG) vom 19.12.2013 (GBl. S. 493); §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 19 Abs. 1 Nr. 1 lit d) LVG) gegen die kreisangehörigen Gemeinden Anspruch auf Mitwirkung bei der Beschaffung geeigneter Grundstücke und Gebäude, wie dies jetzt auch ausdrücklich § 8 Abs. 3 Satz 4 FlüAG mit Wirkung vom 01.01.2014 bestimmt (Art. 5 des Gesetzes zur Neuordnung der Flüchtlingsaufnahme, über die Erstattung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 19.12.2013 (GBl. S. 493)). Ausgehend davon müsste dargetan werden, weshalb der Anspruch auf Mitwirkung insoweit erfüllt sein soll oder seine Durchsetzung nicht erfolgversprechend erscheint. Weiter ist die allgemeine Aussage „keine Einigung mit Eigentümer wegen überzogener Preisvorstellungen“ hinsichtlich eines Hotels im Stadtgebiet der Antragsgegnerin ebenfalls ungeeignet, um eine hinreichende Prüfung der Unterbringungsmöglichkeiten darzutun. Denn ein solcher pauschaler Hinweis kann es nicht rechtfertigen, die Effektivität des vorläufigen Rechtsschutzes zu beseitigen, den die Antragsteller mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs erreicht haben. Eine sparsame Haushaltsführung kann nicht zu Lasten der Antragsteller dergestalt gehen, dass die Antragsgegnerin und der Beigeladene zu 1 Gerichtsentscheidungen, die den Antragstellern vorläufigen Rechtsschutz gewähren, unbeachtet lassen.
31 
bb) Diese Aussagen gelten jedenfalls angesichts des jedenfalls nunmehr als beharrlich zu kennzeichnenden, rechtswidrigen Verhaltens des Beigeladenen zu 1, der die Entscheidung des Senats zur Anordnung der aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Klage in der Zeit vom 02.04.2013 (Datum der Zustellung des Senatsbeschlusses vom 14.03.2013 - 8 S 2504/12) bis zum 23.10.2013 (Datum der Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses nach § 80 Abs. 7 VwGO - 11 K 2941/13) und dann wieder vom 19.12.2013 (Datum der Zustellung des Senatsbeschlusses vom 17.12.2013 - 8 S 2350/13) bis zum heutigen Tage und damit insgesamt mehr als neun Monate ignoriert. Angesichts dieses erheblichen Zeitablaufs wäre es dem Beigeladenen zu 2 und der Antragsgegnerin möglich gewesen, andere Lösungen für die Unterbringung der Asylbewerber zu finden, die den vorläufigen Rechtsschutz der Antragsteller achten. Insbesondere wäre es erforderlich gewesen, nicht allein an die höhere Aufnahmebehörde heranzutreten, sondern auch an das Integrationsministerium als oberste Aufnahmebehörde unter Schilderung des vollständigen Sachverhalts heranzutreten, um nach weiteren Unterbringungsmöglichkeiten für die in dem Gebäude des Beigeladenen zu 1 wohnenden Personen zu suchen und nötigenfalls eine Verteilung - auch - auf andere Land- und Stadtkreise zu erreichen. Nur dann, wenn eine menschenwürdige Unterbringung für die Bewohner des Gebäudes des Beigeladenen zu 1 in Baden-Württemberg nicht erreichbar sein sollte, könnte vom Erlass einer Sicherungsmaßnahme abgesehen werden. Dies setzte voraus, dass keiner der Bewohner der Unterkunft nach dem 02.04.2013 - mit Ausnahme der Zeit vom 23.10.2013 bis zum 19.12.2013 - zugewiesen worden ist.
32 
2. Allerdings ist es zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegenüber den Bewohnern des Gebäudes des Beigeladenen zu 1 erforderlich, dem Beigeladenen zu 2 durch ein zeitlich begrenztes Hinausschieben der zu verfügenden Nutzungsuntersagung noch eine Möglichkeit zu eröffnen, als Träger der unteren Aufnahmebehörde im Zusammenwirken mit der kreisangehörigen Antragsgegnerin und gegebenenfalls mit der höheren und der obersten Aufnahmebehörde anderweitige Unterbringungsmöglichkeiten für die Bewohner der hier betroffenen Unterkunft zu finden oder zu schaffen. Eine Übergangsfrist bis Ende Mai 2014 ist hier angemessen, um die Rechte der Asylbewerber, um deren Schutz es bei dieser Maßgabe allein geht, zu wahren. Dies ändert nichts an der Tatsache, dass die Beteiligten auch weiterhin gehalten sind, die gerichtlich angeordnete aufschiebende Wirkung zu achten und die fortwährende Nutzung des Gebäudes als Asylbewerberunterkunft auch bis zum 31.05.2014 allein wegen der Missachtung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller rechtswidrig bleibt.
IV.
33 
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
34 
2. Die Streitwertfestsetzung und -abänderung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Der Streitwert für ein Verfahren gerichtet auf den Erlass von einstweiligen Sicherungsmaßnahmen zur faktischen Durchsetzung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen folgt dem Streitwert des Verfahrens auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, so dass hier ein Streitwert von 3.750,-- EUR festzusetzen ist.
35 
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

Gründe

A.

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

2

Die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Solche Zweifel liegen nur dann vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 –, NVwZ-RR 2011, 546, m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.

I.

3

Das Verwaltungsgericht hat zunächst zutreffend darauf hingewiesen, dass das Gericht auf die Klage oder den Widerspruch des Nachbarn gegen eine Baugenehmigung nicht deren objektive Rechtmäßigkeit, sondern nur zu prüfen hat, ob der Nachbar durch die Baugenehmigung in seinen subjektiven Rechten verletzt ist. Dies setzt voraus, dass die Baugenehmigung gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Eine solche Verletzung nachbarschützender Vorschriften hat das Verwaltungsgericht verneint.

4

Es hat angenommen, das Vorhaben der Beigeladenen, der Umbau einer ehemaligen Fabrikanlage zu einem Wohngebäude, füge sich gemäß § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein, die durch eine Gemengelage geprägt sei. Zu Gunsten der Kläger greife auch kein Gebietserhaltungsanspruch ein, da ein einheitlich gewerblicher Gebietscharakter schon durch die westlich gelegene Hinterliegerbebauung mit Mehrfamilienhäusern ausgeschlossen sei.

5

Die Kläger könnten sich auch nicht auf bauordnungsrechtliche Belange, insbesondere die Unterschreitung von Abstandsflächen berufen. Letzteres sei schon deshalb fraglich, weil die Änderung eines Gebäude, das den Mindestabstand nicht oder nur knapp einhalte, möglicherweise kein neues Abwehrrecht des Nachbarn begründe.

6

Selbst wenn dies anders zu beurteilen sein sollte, sei das Vorhaben jedenfalls aufgrund der erteilten Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften zulässig. Die für eine solche Abweichung erforderliche atypische Situation ergebe sich hier aus der Entstehungsgeschichte der Grundstücke, ihrer Lage zueinander in einem bebauten Gebiet, aus dem Interesse der Beigeladenen an einer sinnvollen Nutzung der Immobilie und dem Interesse des Denkmalschutzes am Erhalt derselben.

7

Zu berücksichtigen sei, dass die Abstandsflächenproblematik im Kern bereits bei Teilung des ursprünglichen, die Flurstücke der Kläger und der Beigeladenen umfassenden unvermessenen Geländes entstanden sei. Dabei hätten die Kläger bzw. ihre Rechtsvorgänger zu ihren Gunsten im Hinblick auf die Bebauung mit vergleichsweise flachen Lagerhallen recht großzügige Grundstücke und mithin Abstandsflächen erworben. Für das verbleibende Restgrundstück, das mit einer mehrgeschossigen, insgesamt gut 17 m hohen Fabrikanlage bebaut gewesen sei, sei nur noch ein Grundstücksstreifen rund um die Fabrik in einer Breite von 3 m belassen worden. Dies habe zwar unter der – schon damals zweifelhaften – Annahme eines Gewerbegebiets dem notwendigen Mindestmaß einer Abstandsfläche entsprochen. Gleichzeitig sei damals aber schon der Kern gelegt worden für Probleme bei jeder denkbaren Änderung des Gebäudes oder seiner Nutzung.

8

Auch wenn die Einhaltung der Abstandsflächen des umgenutzten Gebäudes im Rahmen des Genehmigungsverfahrens neu zu prüfen seien, sei zu beachten, dass es sich gleichwohl der Kubatur nach um ein Bestandsgebäude handele und keine erheblichen abstandsflächenrelevanten baulichen Veränderungen an der Außenhülle vorgenommen worden seien. Insbesondere die Balkonanlagen fielen unter das Abstandsflächenprivileg des § 6 Abs. 6 BauO LSA. Die nachbarschützenden Aspekte hätten sich hinsichtlich Belichtung, Belüftung und Besonnung durch die bloße Umnutzung nicht verändert. Lediglich ein Abriss hätte eine Verbesserung des Zustands für die Kläger bewirkt. Dies hätten sie aber nicht erwarten können, weil es sich bei dem ehemaligen Fabrikgebäude um ein Baudenkmal handele, dessen Erhalt auch im öffentlichen Interesse liege, das sich nicht notwendig auf dessen Funktion erstrecke.

9

Die Kläger könnten sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine mögliche spätere Nutzung ihrer derzeit noch mit Lagerhallen bebauten Grundstücke unzulässig verkürzt werde, weil nunmehr die Abstandsflächen des Gebäudes der Beigeladenen auf ihrem Grundstück zu liegen kämen. Die von der Beklagten zugelassenen Abweichungen hinderten die Kläger nicht an einer baurechtskonformen Ausnutzung ihrer eigenen Grundstücke unter Ausnutzung auch der Flächen, die mit den Abstandsflächen des Vorhabens der Beigeladenen „belastet“ seien.

10

Auch die Befreiung von der Vorschrift des § 29 BauO LSA hinsichtlich des Brandschutzes sei nicht zu beanstanden. Eine Brandwand sei schon deshalb nicht zu fordern, weil der Abstand zwischen der Gebäudeabschlusswand des Gebäudes der Beigeladenen und dem Bestandsgebäude des Klägers zu 1 mehr als die nach § 29 Abs. 2 Nr. 1 BauO LSA erforderlichen 5 m betrage und eine zukünftige bauliche Veränderung auf dem Flurstück der Kläger zu 1 nicht konkret absehbar sei, jedenfalls aber ein Wegerecht zu beachten hätte, so dass ein Abstand zum Gebäude von 6,50 m gesichert sei.

II.

11

Die vom Kläger hiergegen vorgebrachten Einwände sind nicht geeignet, diese tragenden Erwägungen in Frage zu stellen.

12

1. Dies gilt insbesondere für den Vortrag der Kläger, die nachbarschaftliche Vereinbarung vom 21.12.2006 über die wohnbauliche Nutzung des alten Fabrikgebäudes sei bis zum 30.06.2007 befristet gewesen. Sie legen nicht dar, inwieweit diese Vereinbarung für die Frage, ob die angefochtene Baugenehmigung oder die Abweichungsbescheide dem Schutz der Kläger dienende öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzen, von rechtlicher Bedeutung sein könnte. Dies erhellt sich auch nicht aus dem weiteren Vorbringen der Kläger, die Beigeladene habe nach Ablauf der Geltungsdauer „wider besseres Wissen“ den Bauantrag mit der Vereinbarung eingereicht und sich nicht um eine einvernehmliche Lösung bemüht, sondern Druck ausgeübt, u. a durch Erhebung einer Klage mit dem Ziel, die Errichtung eines Zauns zwischen beiden Grundstücken zu verhindern. Der Vortrag der Kläger, sie hätten in einem Gespräch im Bauordnungsamt der Beklagten Bedenken hinsichtlich der aus ihrer Sicht oberflächlichen Sanierung des ehemaligen Fabrikgebäudes geäußert, lässt ebenfalls nicht erkennen, inwieweit dies für eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften durch die Baugenehmigung von Belang sein könnte.

13

2. Die von den Klägern beanstandeten Baumängel (Nässeschäden, fehlende Rauchabzugsanlagen in den Treppenhäusern, Aufbringen von Kies und Erdreich, keine vertikale Sperrung der Wände) betreffen die tatsächliche Bauausführung und nicht die Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung. Zudem ist nicht dargelegt, inwieweit dadurch Nachbarrechte der Kläger verletzt werden. Auch der Einwand der Kläger, beim Bau der Stellplatzanlage sei die Oberkante des Geländes um bis zu 30 cm angehoben worden, so dass es zu nachteiligen Veränderungen beim Abfließen des Regenwassers komme, betrifft die tatsächliche Bauausführung. Die Anordnung der Stellplätze war im Übrigen bereits Gegenstand der Teilbaugenehmigung vom 23.10.2007, die die Kläger nicht angefochten haben.

14

3. Die Kläger machen geltend, die Balkonanlagen an der westlichen Gebäudeseite verstießen gegen § 6 BauO LSA, insbesondere fielen sie nicht unter das Abstandsflächenprivileg des § 6 Abs. 6 Nr. 2 BauO LSA. Die dafür gegebene Begründung, die Balkonanlagen hielten den Mindestabstand zur Grenze zum Grundstück des Klägers zu 2 von 2 m nicht ein und träten bis zu ca. 1,70 m vor die Gebäudewand, trifft indes nicht zu.

15

Gemäß § 6 Abs. 6 Nr. 2 BauO LSA bleiben bei der Berechnung der Abstandsflächen Vorbauten außer Betracht, wenn sie insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nehmen, nicht mehr als 1,50 m vor diese Außenwand vortreten und mindestens 2 m von der gegenüberliegenden Nachbargrenze entfernt bleiben. Diesen Vorgaben entsprechen die Balkone an der westlichen Außenwand im betroffenen südlichen Gebäudeteil gegenüber dem Grundstück des Klägers zu 2 (Flurstück 10364). Nach den genehmigten Bauvorlagen, insbesondere den Grundrisszeichnungen (Bl. 107 ff des Verwaltungsvorgangs) und den Ansichtszeichnungen (Bl. 111 des Verwaltungsvorgangs), die nach den darauf befindlichen Zugehörigkeitsvermerken Bestandteile der Baugenehmigung sind, sollen an dieser Außenwand im Erdgeschoss und in den beiden Obergeschossen jeweils zwei Balkone angebracht werden, die eine Breite von 3,10 m haben. Ihre Gesamtbreite von 6,20 m macht weniger als ein Drittel der Gesamtlänge dieser Außenwand von 18,75 m aus. Im Dachgeschoss sollen ein Balkon dieser Breite sowie ein 2,72 m breiter Rettungsbalkon angebracht werden. Entgegen der Annahme der Kläger treten diese Balkone nicht bis zu 1,70 m, sondern jeweils nur 1 m vor die Außenwand und halten, da der Abstand der Außenwand zur westlichen Grundstücksgrenze 3 m beträgt, einen Abstand von 2 m zu dieser Grenze ein.

16

Auch der Vortag, die Kubatur des Bauwerks sei u. a. durch die Balkone verändert worden, genügt nicht, um die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung in Frage zu stellen. Das Verwaltungsgericht hat seiner Ansicht, dass es sich um einen Bestandsbau ohne abstandsflächenrelevante bauliche Veränderungen handele, die Annahme zugrunde gelegt, dass die Balkone dem Abstandsflächenprivileg des § 6 Abs. 6 Nr. 2 BauO LSA unterfielen. Diese Annahme haben die Kläger allein mit der Begründung angegriffen, die in dieser Vorschrift vorgegebenen Maße seien nicht eingehalten. Dies trifft aber, wie oben bereits ausgeführt, nicht zu.

17

4. Die Kläger wenden weiter ein, am Gebäude der Beigeladenen seien – neben der Errichtung von Balkonen – weitere Veränderungen vorgenommen worden. So sei die Klinkerfassade an der westlichen Gebäudeseite mit einem ca. 4 cm dicken Putz versehen worden. Zudem seien Fensteröffnungen zugemauert, verändert oder – wie im Dachgeschoss des südlichen Treppenhauses – neu geschaffen worden. Dies verstoße gegen § 6 BauO LSA. Sie tragen weiter vor, im Dachgeschoss seien die Stahlkonstruktion, vorhandene Rundbögen und Gewölbedecken (teilweise) entfernt bzw. zugebaut worden. Auch sei der Treppenlauf im südlichen Treppenhaus verändert worden. Schließlich sei die Kubatur des Bauwerks auch durch den Abriss der Hallen im Hofbereich sowie der Laderampe erheblich verändert worden. Auch damit ist nicht dargetan, weshalb das Vorhaben unter Berücksichtigung des entsprechenden Abweichungsbescheides vom 06.02.2008 die Kläger in ihren Rechten verletzt.

18

Die westliche und die südliche Außenwand des südlichen Gebäudeteils halten die nach § 6 BauO LSA erforderlichen Abstandsflächen unstreitig nicht ein, und zwar unabhängig davon, ob auf diese Wand Putz aufgebracht wurde und die Fensteröffnungen in der dargestellten Form verändert wurden. Deshalb ließ die Beklagte mit den Bescheiden vom 06.02.2008 auf der Grundlage des § 66 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA Abweichungen von diesen Vorschriften zu. Die für eine Abweichung erforderliche atypische Situation hat das Verwaltungsgericht u. a. aus der Lage des Baugrundstücks zu den Grundstücken der Kläger, dem Interesse der Beigeladenen an einer sinnvollen Nutzung des früheren Fabrikgebäudes sowie dem öffentlichen Interesse an dessen Erhalt abgeleitet. Dass in einer solchen Konstellation Abweichungen zulässig sein können, haben die Kläger nicht in Frage gestellt. Die Vorinstanz hat ferner wesentlich darauf abgestellt, dass es sich um ein Bestandsgebäude handele, an dem keine erheblichen abstandsflächenrelevanten baulichen Veränderungen an der Außenhülle vorgenommen worden seien. Der Umstand, dass eine Putzschicht aufgebracht wurde und Fensteröffnungen verändert wurden, stellt dies nicht in Frage. Bei der Zulassung der Abweichungen hat sich die Beklagte von der Erwägung leiten lassen, dass sich bezüglich der Funktionen der Abstandsflächen, eine ausreichende Belichtung und Besonnung der sich gegenüberliegenden Gebäude zu gewährleisten, keine nachteiligen Auswirkungen ergeben und auch keine negativen Auswirkungen hinsichtlich des präventiven Brandschutzes zu befürchten seien, weil die Abstände zwischen den vorhandenen Gebäuden mit mehr als 5 m bzw. 11,60 m groß genug seien. Diese Einschätzung greifen die Kläger nicht substantiiert an. Insbesondere ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass das Aufbringen einer ca. 4 cm dicken Putzschicht und die geänderte Anordnung der Fensteröffnungen bauliche Änderungen solcher Art darstellen, dass dadurch spürbare Beeinträchtigungen der nachbarlichen Interessen der Kläger entstehen, die über die vom vorhandenen Fabrikgebäude ausgehenden Beeinträchtigungen hinausgehen. Insbesondere ist damit eine Einbuße an Belichtung, Besonnung und Belüftung ihrer Grundstücke nicht verbunden. Noch weniger ist ersichtlich, dass die Kläger durch Veränderungen im Inneren des Gebäudes oder den Abriss von Gebäuden oder Gebäudeteilen im nördlichen Grundstücksteil und der Laderampe zusätzlichen Beeinträchtigungen ausgesetzt sind. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob diese Änderungen denkmalschutzrechtlich notwendig sind oder nicht.

19

5. Die Kläger dringen auch nicht mit dem Einwand durch, das Vorhaben der Beigeladenen stehe in Widerspruch zu § 5 BauO LSA

20

5.1. Sie rügen zunächst einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA, weil am Südteil des Gebäudes keine den Anforderungen des § 5 Abs. 2 BauO LSA genügende Zu- oder Durchfahrt für die Feuerwehr vorhanden sei.

21

Zweifelhaft ist bereits, ob dieser Vorschrift nachbarschützende Funktion zukommt. Hierzu tragen die Kläger nichts vor. Gegen eine nachbarschützende Wirkung des § 5 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA spricht, dass die darin vorgeschriebene Schaffung einer Zu- oder Durchfahrt für Feuerwehrfahrzeuge zu Gebäuden, bei denen die Oberkante der Brüstung der zur Rettung über Geräte der Feuerwehr bestimmten Fenster oder Stellen mehr als 8 m über Gelände liegt, möglicherweise nur dem Schutz der im Gebäude sich aufhaltenden Menschen dient und nicht – wie bei einer Reihe anderer Vorschriften des vorbeugenden Brandschutzes – auch dazu, die Gefahr der Ausbreitung eines Feuers auf Nachbargrundstücke zu vermindern. Ein nachbarschützender Charakter scheidet bei solchen Vorschriften – insbesondere auch des Brandschutzes – aus, die ersichtlich nur die Bewohner bzw. Benutzer des jeweiligen Gebäudes schützen sollen; nachbarschützender Charakter kommt vielmehr nur den brandschutzbezogenen Regelungen zu, die auch das Übergreifen von Bränden über das Baugrundstück hinaus auf die Nachbarschaft verhindern sollen (vgl. OVG NW, Beschl. v. 29.07.2002 – 7 B 583/02 –, Juris). Andererseits könnte sich ein nachbarschützender Charakter der Vorschrift daraus ergeben, dass bei einer den Brandschutzanforderungen nicht genügenden Zugänglichkeit des Vorhabengrundstücks im Brandfall das Grundstück des Nachbarn in Anspruch genommen werden kann (vgl. SaarlOVG, Urt. v. 26.01.2006 – 2 R 9/05 –, AS RP-SL 33, 227). So sind nach § 26 Abs. 3 des Brandschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (BrSchG LSA) Eigentümer, sonstige Nutzungsberechtigte und Besitzer von Grundstücken verpflichtet, bei Bränden, Unglücksfällen und Notsituationen den Feuerwehren das Betreten und die Benutzung ihrer Grundstücke und Gebäude zur Brandbekämpfung oder Hilfeleistung zu gestatten und die vom Einsatzleiter der Feuerwehr im Zusammenhang mit diesen Arbeiten oder zur Verhütung einer Gefahrenausbreitung angeordneten Maßnahmen zu dulden, soweit dies zur wirkungsvollen Gefahrenabwehr erforderlich ist. Die Frage, ob § 5 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA nachbarschützende Wirkung hat, bedarf indes keiner abschließenden Entscheidung.

22

Jedenfalls lässt sich ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA nicht mit dem Vortrag der Kläger begründen, den darin genannten Anforderungen könne das Vorhaben der Beigeladenen schon deshalb nicht entsprechen, weil die Kläger über ein im Grundbuch eingetragenes unbeschränktes Wegerecht über das Grundstück der Beigeladenen in einer Breite von 3,50 m verfügten. Dieses Wegerecht zugunsten des jeweiligen Eigentümers des mit Kaufvertrag vom 16.10.2003 erworbenen Grundstücks wurde als Grunddienstbarkeit nach § 1018 BGB im Grundbuch eingetragen. Bei Bestellung einer Grunddienstbarkeit bleibt der Eigentümer neben dem Dienstbarkeitsberechtigten grundsätzlich nutzungsberechtigt; er darf nur das Recht des Dienstbarkeitsberechtigten nicht beeinträchtigen. Nur soweit dem Dienstbarkeitsberechtigten im zulässigen Umfang ein ausschließliches Nutzungsrecht ausdrücklich eingeräumt wurde, ist der Eigentümer von der Mitbenutzung ausgeschlossen (vgl. hierzu Grziwotz, in: Erman, BGB, 13. Aufl. § 1018 RdNr. 15). Letzteres ist hier nicht der Fall. Vielmehr ist in § 6 Nr. 3 des Grundstückskaufvertrags vom 16.10.2003 bestimmt, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks berechtigt ist, die Wegefläche mitzunutzen. Besteht aber ein solches Mitbenutzungsrecht, kann die Zufahrt im Brandfall durch Feuerwehrfahrzeuge ohne zusätzliche Beeinträchtigung der Rechte der Kläger genutzt werden.

23

5.2. Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand, „direkt vor dem Tor“ zum Grundstück des Klägers zu 2 sei eine Aufstellfläche für Feuerwehrfahrzeuge vorgesehen, so dass im Brandfall ein Verlassen des Grundstücks unmöglich sei.

24

Die Kläger legen auch insoweit nicht dar, welche nachbarschützende Vorschrift durch die genehmigte Anordnung von Aufstell- und Bewegungsflächen für Hubrettungsfahrzeuge verletzt sein soll. Die insoweit maßgebliche Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 3 BauO LSA bestimmt lediglich, dass Aufstell- und Bewegungsflächen für Hubrettungsfahrzeuge vorzusehen sind, wenn deren Einsatz für die Personenrettung erforderlich ist. Vorgaben, wo auf dem Baugrundstück oder gar in welchem Abstand zum Nachbargrundstück diese Flächen anzuordnen sind, enthält § 5 BauO LSA nicht. Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, weshalb ein Verlassen des Grundstücks des Klägers zu 2 (Flurstück 10364) über das Flurstück 10367 nicht möglich sein soll.

25

5.3. Nicht stichhaltig ist auch der Einwand der Kläger, bei einer Feuerwehrübung habe sich gezeigt, dass sich die „Bewegungsflächen“ der Drehleiter in unzulässiger Weise auf dem Luftraum über seinem Grundstück befinden. Ungeachtet der Frage, ob § 5 Abs. 1 Satz 3 BauO LSA nachbarschützende Wirkung hat, ist nicht erkennbar, dass diese Vorschrift dadurch verletzt sein kann, dass bei der nach den genehmigten Bauvorlagen vorgesehenen Anordnung der Aufstell- und Bewegungsflächen im Brandfall oder bei Feuerwehrübungen die ausgefahrene Drehleiter eines Hubrettungsfahrzeugs die in § 5 Abs. 1 Satz 3 BauO LSA vorgeschriebene Bewegungsfläche § 5 Abs. 1 Satz 3 BauO LSA im Luftraum überschreitet. Mit „Bewegungsfläche“ in § 5 Abs. 1 Satz 3 BauO LSA ist nicht die (kreisförmige) Fläche gemeint, über der sich die ausgefahrene Drehleiter eines Hubrettungsfahrzeugs bewegen kann. Vielmehr ist dies die Fläche, die benötigt wird, damit das Fahrzeug im Brandfall zum Einsatz gebracht werden kann. Mit der Verpflichtung nach § 5 Abs. 1 Satz 3 BauO LSA, für Hubrettungsfahrzeuge Aufstell- und Bewegungsflächen vorzusehen, wenn deren Einsatz für die Personenrettung erforderlich ist, soll gesichert werden, dass an dem Gebäude ausreichend Platz vorhanden ist, damit das Hubrettungsfahrzeug zum Einsatz gebracht werden kann (vgl. Jäde, in: Jäde/Dirnberger, Bauordnungsrecht Sachsen-Anhalt, § 5 RdNr. 24). Dies ergibt sich auch aus der lfd. Nr. 7.4 der Liste der technischen Baubestimmungen (Fassung März 2006), Anhang C (MBl LSA 2010 S. 213 [256]), wonach Bewegungsflächen für jedes Fahrzeug mindestens 7 m x 12 m groß sein müssen.

26

6. Die Kläger bemängeln weiter, der Umstand, dass auf die an der Grundstücksgrenze liegende Gebäudewand des Treppenhauses am südlichen Gebäudeteil neuer Putz aufgebracht worden sei, habe eine unzulässige Überbauung auf das Grundstück des Klägers zu 1 zur Folge. Dies könne auch nicht durch die Gewährung einer Abweichung genehmigt werden. Auch damit können die Kläger nicht durchdringen. Nach den genehmigten Bauvorlagen liegt schon kein Überbau vor; vielmehr befindet sich die südliche Außenwand des Treppenhauses auf der Grenze zum Grundstück des Klägers zu 1 (Flurstück 10367). Soweit mit der Aufbringung eines Putzes die Grenze um wenige Zentimeter überbaut werden sollte, betrifft dies nur die tatsächliche Bauausführung und nicht die Rechtsmäßigkeit der Baugenehmigung. Im Übrigen wäre zweifelhaft, ob mit einem Überbau die Verletzung eigener Rechte durch die Baugenehmigung schlüssig begründet werden kann. Die Zulässigkeit eines Überbaus richtet sich nach zivilrechtlichen Vorschriften (§ 912 BGB). Gemäß § 71 Abs. 1 BauO LSA wird in einem Baugenehmigungsverfahren aber nur die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften geprüft, und gemäß § 71 Abs. 4 BauO LSA wird die Baugenehmigung unbeschadet der Rechte Dritter erteilt. Dies bedeutet, dass die Baugenehmigung Privatrechtliches überhaupt nicht im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG „regelt" mit der Folge, dass selbst eine Baugenehmigung, deren Bauzeichnungen einen Überbau auf fremdes Privateigentum aufweisen, über die Zulässigkeit dieses Überbaus überhaupt keine Regelung im Rechtssinn treffen dürfte (VGH BW, Urt. v. 04.03.1996 – 5 S 1798/95 –, NJW 1996, 3429; BayVGH, Beschl. v. 16.08.2010 – 2 ZB 10.134 – Juris; vgl. auch Beschl. d. Senats v. 23.04.2010 – 2 L 148/09 –, Juris, RdNr. 5).

27

7. Zu Unrecht rügen die Kläger, die Änderung der Nutzungsart führe zu einer verminderten Bebaubarkeit ihrer Grundstücke, weil sich mit ihr die für Industriegebiete geltende Tiefe der Abstandsfläche von 0,2 H auf 0,4 H erhöht habe. Die Frage, ob das Gebäude der Beigeladenen gewerblich oder nicht gewerblich genutzt wird, war und ist für die Tiefe der Abstandsflächen unerheblich. Anderes folgt auch nicht aus § 6 Abs. 5 Satz 2 BauO LSA, der bestimmt, dass in Gewerbe- und Industriegebieten – abweichend von der Grundregel des § 6 Abs. 5 Satz 1 BauO LSA – eine Tiefe der Abstandsflächen von 0,2 H, mindestens, 3 m genügt. Bei Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 2 BauO LSA kommt es allein auf den jeweiligen Charakter des Baugebiets und nicht auf die Nutzung einzelner Gebäude an (Beschl. d. Senats v. 19.10.2011 – 2 M 129/11 –, NVwZ-RR 2012, 137, m.w.N.). Ergibt die planungsrechtliche Analyse für den unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB, dass der betrachtete Bereich keinem der in der BauNVO beschriebenen Baugebiete entspricht, also § 34 Abs. 1 BauGB zugrunde zu legen ist, bleibt es bei der Grundregel des § 6 Abs. 5 Satz 1 BauO LSA; die konkrete Nutzung der Gebäude kann auch in sog. Gemengelagen nicht herangezogen werden (vgl. Dirnberger, in Jäde/Dirnberger, Bauordnungsrecht Sachsen-Anhalt, § 6 RdNr. 146, m.w.N.). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die die Kläger nicht angegriffen haben, ist die Umgebung des Baugrundstücks als sog. Gemengelage zu charakterisieren (vgl. hierzu Urt. d. Senats v. 14.11.2006 – 2 L 504/02 –, Juris), die im nördlichen Teil des Gebiets einen eindeutigen Schwerpunkt in der Wohnbebauung aufweise.

28

8. Die Kläger können sich auch nicht darauf berufen, dass entgegen § 8 BauO LSA kein ausreichend großer Spielplatz angelegt werde oder in der näheren Umgebung vorhanden sei; denn diese Regelung ist nicht nachbarschützend. Wird einem Bauherrn abweichend von dieser Vorschrift die Errichtung eines Kinderspielplatzes nicht abverlangt, werden die Nachbarn nicht in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt. Dies folgt bereits daraus, dass ein Kinderspielplatz nur den Kindern zugute kommen soll, die auf dem Baugrundstück wohnen (Dirnberger, in Jäde/Dirnberger, a.a.O., § 8 RdNr. 10).

29

9. Ohne Erfolg wenden die Kläger ein, das Treppenhaus an der Südseite des Gebäudes sei ein eigenständiger Gebäudeteil, der nachträglich an das Hauptgebäude angebaut worden sei, so dass dessen Erhaltung denkmalrechtlich nicht geboten sei. Unabhängig davon, dass die Kläger keine konkreten Anhaltspunkte für eine nachträgliche Errichtung des Treppenhauses dargelegt haben, hat das Verwaltungsgericht das Interesse am Erhalt des Denkmals lediglich als einen von mehreren Gesichtspunkten angeführt, die die Gewährung einer Abweichung rechtfertigen. Es hat insbesondere auch das Interesse der Beigeladenen an einer sinnvollen Nutzung des Gesamtgebäudes als weiteren Grund angeführt. Der Umstand, dass das Treppenhaus nach den genehmigten Bauvorlagen Teil des ersten Rettungsweges für einen Teil der Nutzungseinheiten im 1. und 2. Obergeschoss ist, spricht dafür, dass es für eine sinnvolle Nutzung des bestehenden Gebäudes erforderlich ist.

30

10. Der Vortrag der Kläger, das Vorhaben der Beigeladenen entspreche nicht den Anforderungen des § 12 Abs. 1 BauO LSA an die Standsicherheit baulicher Anlagen, weil es zwischen dem Hauptgebäude und dem Treppenhaus bereits Risse gegeben habe und die beiden Gebäude(-teile) nur mit Zugankern verbunden seien, bleibt unsubstantiiert. Insbesondere ist nicht dargelegt, weshalb eine ausreichende Standsicherheit zulässigerweise nur ohne Zuganker hergestellt werden darf.

31

11. Die Kläger bemängeln auch ohne Erfolg eine Verletzung der brandschutzrechtlichen Vorschriften der §§ 14, 29 BauO LSA.

32

11.1. Soweit sie vortragen, eine effektive Rettung von Menschen und Tieren im südlichen Gebäudeteil sei nicht möglich, ist nicht ersichtlich, inwieweit sie dadurch in ihren Nachbarrechten verletzt sein können.

33

11.2. Der Vortrag der Kläger, durch die Fenster im Treppenhaus an der Südseite werde der vorbeugende Brandschutz verletzt, weil der Kläger zu 1 in diesem Bereich zukünftig Gebäude errichten könne, die sich auch auf der Grundstücksgrenze befinden könnten, ist unsubstantiiert. Gleiches gilt für den Einwand, es dürfte zu erheblichen nachbarlichen Spannungen kommen, weil den Klägern das Recht zustehen dürfte, ebenfalls ohne Einhaltung der Abstandsflächen zu bauen. Die Kläger legen schon nicht dar, woraus sich ein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung neuer Gebäude oder den Anbau an bestehende Gebäude ohne Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen ergeben soll. Allein der Umstand, dass die Beigeladene das vorhandene Gebäude gemäß der erteilten Baugenehmigung verändern darf, dürfte hierfür nicht genügen. Richtig ist zwar, dass ein Grundstücksnachbar Abwehrrechte gegen die Verletzung abstandsflächenrechtlicher Vorschriften durch ein Bauvorhaben grundsätzlich insoweit nicht geltend machen kann, als die Bebauung auf seinem Grundstück gegenüber dem Nachbargrundstück in vergleichbarem Umfang die nach dem geltenden Recht erforderlichen Abstandsflächen nicht einhält (vgl. Beschl. d. Senats v. 24.01.2012 – 2 M 157/11 –, Juris, m.w.N). Dies kann jedoch anders zu beurteilen sein, wenn der Bau des Nachbarn früherem (Abstandsflächen-)Recht entsprach und genehmigt wurde; in einem solchen Fall kann er sich u. U. auch dann auf die Einhaltung des nach neuem Recht gültigen Grenzabstands berufen, wenn er diesen jetzt im Verhältnis zum Nachbargrundstück nicht (mehr) einhält (vgl. Beschl. d. Senats v. 30.11.2000 – 2 M 319/00 –, Juris; Urt. v. 16.03.2000 – A 2 S 62/98 –, Juris). Im vorliegenden Fall spricht Überwiegendes jedenfalls dafür, dass die vorhandenen Gebäude auf den Grundstücken der Beigeladenen im Zeitpunkt ihrer Genehmigung und Errichtung früherem Abstandsflächenrecht entsprachen. Dies sehen offenbar auch die Kläger so (vgl. Nr. 22 der Zulassungsbegründung). Die im Hinblick auf die Abstandsflächen problematische Situation entstand hier erst durch die insoweit „verunglückte“ Grundstücksteilung, die ohne Rücksicht auf die Abstandsflächen durchgeführt wurde, die von den vorhandenen Gebäuden erzeugt werden. Im Übrigen hat der Umstand, dass ein Nachbar eine Verletzung von nachbarschützenden Vorschriften nach Treu und Glauben gegenüber dem Bauherrn nicht mehr geltend machen kann, nicht ohne weiteres zur Folge, dass die Baugenehmigungsbehörde ein Vorhaben, das dem geltenden Abstandsflächenrecht widerspricht, genehmigen muss. Nach alldem kann auch offen bleiben, ob – wie die Kläger weiter vortragen – das ihnen eingeräumte Wegerecht einer zukünftigen Bebauung ihrer Grundstücke nicht entgegensteht.

34

11.3. Zu Unrecht monieren die Kläger, die Luftbilder von „google“ ließen erkennen, dass die Brandwände entgegen § 29 Abs. 5 BauO LSA nicht 0,3 m über die Bedachung geführt oder in Höhe der Dachhaut mit einer beiderseits 0,5 m auskragenden feuerbeständigen Platte aus nicht brennbaren Stoffen abgeschlossen würden. Nach Nr. 8 des Brandschutzkonzepts vom 28.05.2007, das nach dem entsprechenden Zugehörigkeitsvermerk Bestandteil der Baugenehmigung ist, werden Gebäudeabschluss- oder Trennwände, die als Brandwände einzustufen sind, mindesten 30 cm über die Bedachung geführt oder nach den weiteren Festsetzungen des § 29 Abs. 5 BauO LSA ausgeführt. Nach den ebenfalls Bestandteil der Baugenehmigung bildenden Ansichtszeichnungen (Bl. 66 und 119 des Verwaltungsvorgangs) werden die Gebäudeabschlusswände des Hauptgebäudes, die gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 1 BauO LSA als Brandwände auszuführen sind, ca. 0,4 m über die Dachhaut geführt. Zudem enthalten sowohl die Teilbaugenehmigung vom 23.10.2007 als auch die angefochtene Baugenehmigung vom 11.02.2008 jeweils die Auflage (Nr. 2.1.4 bzw. Nr. 1.1), dass das Brandschutzkonzept vom 28.05.2007 einschließlich der Maßnahmen zur brandschutztechnischen Ertüchtigung einzuhalten und umzusetzen ist. Hinsichtlich des an die südliche Grundstücksgrenze gebauten Treppenturms erteilte die Beklagte mit dem Bescheid vom 06.02.2008 (Az: …) auch eine Abweichung von der Vorschrift des § 29 Abs. 2 Nr. 1 BauO LSA mit der Begründung, hinsichtlich des präventiven Brandschutzes seien wegen der fehlenden Ausbildung der Außenwand des Turms keine negativen Auswirkungen zu befürchten, weil der Abstand zwischen dem Turm und dem Lagerhaus auf dem Grundstück des Klägers zu 1 mindestens 11,60 m betrage, so dass kein Brandüberschlag möglich sei. Die Vorschriften über die Ausbildung einer inneren Brandwand bei ausgedehnten Gebäuden (§ 29 Abs. 2 Nr. 2 BauO LSA) dienen nicht dem Nachbarschutz; denn sie bezwecken die Abwehr einer erhöhten Brandausdehnungsgefahr innerhalb des Gebäudes und damit dem Schutz von Leben und Gesundheit der sich dort aufhaltenden Menschen, nicht aber auch den Schutz der Nachbarn (vgl. VGH BW, Urt. v. 26.02.1992 – 3 S 2947/91 –, Juris). Im Übrigen enthält die Teilbaugenehmigung vom 23.10.2007 die Auflage Nr. 2.1.5, nach der (auch) die Brandwand zwischen Gebäudeteil 1 und 2 entsprechend § 29 BauO LSA auszubilden ist. Unerheblich ist ob, die vorgeschriebene Bauausführung in – möglicherweise nicht mehr aktuellen – Luftbildern von „google-earth“ zu erkennen ist.

35

12. Die Kläger können eine mögliche Verletzung der Bestimmungen über den zweiten Rettungsweg (§ 32 Abs. 3 BauO LSA), notwendige Treppenhäuser (§ 34 Abs. 8 BauO LSA), Umwehrungen (§ 37 BauO LSA), Aufzüge (§ 38 BauO LSA) sowie barrierefreies Bauen (§ 49 BauO LSA) nicht mit Erfolg rügen. Diese Vorschriften dienen ersichtlich nur dem Schutz der Bewohner bzw. Benutzer des jeweiligen Gebäudes und nicht auch des Nachbarn (vgl. zu den Anforderungen an die Rettungswege: OVG NW, Beschl. v. 29.07.2002, a.a.O.). Im Übrigen ist nicht dargelegt, dass eine diesen Vorschriften möglicherweise widersprechende Bauausführung in der angefochtenen Baugenehmigung zugelassen wurde.

36

13. Auch der Einwand der Kläger, bei der Grundstücksteilung sei man entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts von einer weiteren gewerblichen Nutzung ausgegangen, so dass die Abstandsflächenproblematik nicht zur Diskussion gestanden habe, erweist sich als nicht stichhaltig. Soweit ersichtlich, wollen die Kläger mit diesem Einwand die Annahme des Verwaltungsgerichts in Zweifel ziehen, die für eine Abweichung erforderliche atypische Grundstückssituation ergebe sich hier u. a. aus der im Jahr 2003 vorgenommenen Grundstücksteilung, die in der zweifelhaften Annahme erfolgt sei, dass das Restgrundstück in einem Gewerbegebiet liege, die aber wegen des geringen Abstands der ehemaligen Fabrikgebäude zur neu gebildeten Grundstücksgrenze § 7 BauO LSA nicht entsprochen habe. Die Frage, ob das Gebäude der Beigeladenen gewerblich oder nicht gewerblich genutzt wird, war und ist jedoch für die Tiefe der Abstandsflächen unerheblich (siehe oben 7.). Die möglicherweise irrige Annahme des Rechtsvorgängers der Beigeladenen in Bezug auf die Einschätzung des Gebietscharakters und die daraus folgende Tiefe der Abstandsfläche vermag an der vom Verwaltungsgericht beschriebenen atypischen Situation nichts zu ändern.

37

14. Schließlich können die Kläger auch nicht mit dem Einwand durchdringen, durch die Änderung der Nutzung komme es zu einer wesentlichen Erhöhung des Fahrzeugverkehrs auf dem Grundstück der Beigeladenen und somit zu einer Beeinträchtigung des ihnen eingeräumten Wegerechts. Unabhängig davon, dass in einem Baugenehmigungsverfahren nur die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften geprüft und gemäß § 71 Abs. 4 BauO LSA die Baugenehmigung unbeschadet der Rechte Dritter erteilt wird, ist nichts Konkretes für eine solche Beeinträchtigung vorgetragen. Insbesondere ist nicht dargetan, dass den Klägern durch die Nutzung der Zufahrt zu den Stellplätzen im Hofbereich die Nutzung der Zufahrt zu ihrem Grundstück erschwert wird.

B.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat stellt bei der von ihm nach § 162 Abs. 3 VwGO zu treffenden Billigkeitsentscheidung in ständiger Rechtsprechung in erster Linie auf die Stellung des Beigeladenen in dem zur Entscheidung anstehenden Interessenskonflikt ab (vgl. Beschl. v. 07.10.1996 – A 2 S 397/96; auch BVerwG, Urt. v. 23.05.1962 – BVerwG V C 62.61 –, BVerwGE 14, 171). Er hält daher die Kosten des notwendig beigeladenen Bauherrn, unabhängig davon, ob er einen Antrag gestellt hat, in der Regel für erstattungsfähig, weil er ohne sein Zutun mit einem solchen Verfahren überzogen wird (vgl. Beschl. v. 07.10.1996, a. a. O.).

C.

39

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327, 1329).


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Beigeladene hat ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Wohnungseigentümergemeinschaft von in Sondereigentum stehenden Wohnungen des Grundstücks ... Straße 7 in ..., Fl. Nr. ..., Gemarkung ... Mit ihrem Antrag wendet sie sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen das von der Beigeladenen geplante Bauvorhaben mit Nutzungsänderung auf dem südlich an das Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft angrenzenden Grundstück ... Straße 9, Fl. Nr. ... Beide Grundstücke sind Teil einer langen geschlossenen Zeilenbebauung entlang der ... Straße.

Die Beigeladene beabsichtigt, das bereits bestehende Wohnheim statt mit bisher 104 nunmehr mit 250 Betten zur befristeten Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnungslosen (10 Jahre mit Verlängerungsoption um weitere 5 Jahre) zu nutzen und dafür Umbauten vorzunehmen, insbesondere den Anbau einer Außentreppe als 2. baulichen Rettungsweg sowie den Einbau einer Brandmeldeanlage.

Mit Bauantrag vom 17. Juli 2014 (PlNr. ...) beantragte die Beigeladene die Erteilung der streitgegenständlichen Baugenehmigung sowie die Erteilung von Abweichungen nach Art. 63 Abs. 1 BayBO und nannte als Betreiber des geplanten Wohnheimes das gemeinnützige... Hilfswerk ..., Tochtergesellschaft der ... Mission ... Das Gebäude verfüge über ca. 120 Appartements mit Sanitärbereichen und Singleküchen sowie Büros für 4 Mitarbeiter und Gemeinschaftsräume. Für den Betrieb sei eine täglich 24 Stunden besetzte Pforte vorgesehen und dazu 160 Stunden Sozialarbeit pro Woche von 8 bis 20 Uhr wochentags. Zielgruppe seien wohnungslose Familien mit Kindern, Personen, die akut ihre Wohnung verloren hätten oder solche, die in Pensionen und Notquartieren untergebracht wären. Alle Personen würden der Unterkunft von der Zentraleinheit Wohnen des Amtes für Wohnen und Migration der Antragsgegenrin zugewiesen. Mit Schreiben vom 24. Juli 2014 teilte das Amt für Wohnen und Migration mit, dass angesichts des dramatischen Mangels an Unterbringungsmöglichkeiten für Familien dringender Bedarf bestehe, das Objekt zeitnah in Betrieb zu nehmen.

Zur baulichen Situation auf den Grundstücken sowie zur Umgebungsbebauung siehe folgenden Lageplan 1:1.000. Der Plan ist aufgrund des Einscannens möglicherweise nicht mehr maßstabsgetreu.

Bild

Mit Bescheid vom ... September 2014 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung als Sonderbau befristet auf 10 Jahre bis zum 1. Oktober 2024 und eine Abweichung gem. Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken Fl.Nr. ..., ... und ... durch eine außenliegende Fluchttreppe. Diese als zweiter baulicher Rettungsweg sei erforderlich. Angesichts der vorgegebenen Grundstückssituation und im Hinblick auf die dicht bebaute Innenstadtlage sei dem nachbarschaftlichen Rücksichtnahmegebot ausreichend entsprochen. Für 14 nicht feuerhemmende Türen im Gebäudeinneren wurde eine Abweichung gem. Art. 63 Abs. 1 i. V. m. Art 33 Abs. 6 BayBO erteilt. Aufgrund der schnellen Alarmierung durch die Brandmeldeanlage und Rauchwarnmelder sowie des zweiten Rettungsweges in Gestalt der Außentreppe könne davon ausgegangen werden, dass die Bewohner schnell flüchten könnten. Die Fenster im Dachgeschoß seien entgegen Art. 35 Abs. 4 BayBO weiter als 1 m von der Traufkante entfernt, es bestünden aber wegen der in den Plänen dargestellten Anleiterung keine brandschutztechnischen Bedenken. Der Feuerwehrzugang zum Innenhof sei entgegen Art. 5 Abs. 1 BayBO teilweise schmaler als 1,25 m, mit dem Hauptzugang... Straße und der Durchfahrt/Zugang zum Souterrain sei aber noch ein weiterer Zugang vorhanden. Auch hier bestünden keine brandschutztechnischen Bedenken. Durch das Vorhaben werde kein zusätzlicher Kfz-Stellplatzbedarf ausgelöst. Die Art der Nutzung ändere sich nicht, es bleibe bei einer Wohnheimnutzung. Es handele sich um eine Anlage für soziale Zwecke, die in einem Allgemeinen Wohngebiet regelmäßig zulässig sei. Es gäbe keine Anhaltspunkte für eine Verletzung der Lärmrichtwerte. Der von dem Kinderspielplatz ausgehende Lärm sei nicht relevant, mit einem erhöhten Verkehrsaufkommen müsse nicht gerechnet werden, da die Bewohner in der Regel keine Autos besitzen würden. Von den Nachbarn befürchtete negative Auswirkungen würden sich durch die 24 Stunden täglich besetzte Pforte und die vorgesehene Sozialarbeit nicht einstellen. Angesichts der angespannten Wohnungssituation in ... läge das Vorhaben im besonderen öffentlichen Interesse, infolge der Betreuung und Beratung sei auch eine Belegung mit bis zu 250 Personen planungsrechtlich möglich.

Eine Nachbarausfertigung der Baugenehmigung vom ... September 2014 wurde der Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde am 1. Oktober 2014 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2014, bei Gericht am 24. Oktober 2014 eingegangen, beantragten die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin,

I.

Die Vollziehung der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom ...09.2014 zur Nutzungsintensivierung eines bestehenden Wohnheims von 104 auf 250 Betten, nebst Anbau einer Außentreppe als 2. baulichem Rettungsweg und Einbau einer Brandmeldeanlage zur befristeten Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnungslosen (10 Jahre) auszusetzen,

II.

der Antragsgegnerin aufzugeben, die Baustelle auf dem Grundstück ... Str.9, Fl.Nr. ..., Gemarkung ... stillzulegen.

Das Vorhaben verstoße gegen das Rücksichtnahmegebot und weitere nachbarschützende Normen. Da mit der Verwirklichung begonnen worden sei, wäre zur Verhinderung vollendeter Tatsachen die Einstellung geboten. Das streitgegenständliche Grundstück läge mitten in der Innenstadt in einer gehobenen Wohngegend mit Grundstückspreisen von 10.000 Euro pro Quadratmeter und aufwärts. In der näheren Umgebung gäbe es nur Wohn- und Gewerberaum. Die Nutzungsintensivierung auf 250 Betten für Flüchtlinge und Wohnungslose stehe daher in gravierendem Widerspruch mit der bisherigen Nutzung und füge sich in die gehobene und teure Wohnlage nicht ein. Der Antragsteller müsse befürchten, dass er die bisherigen gehobenen Mietpreise nicht mehr erzielen könne und der Wert seiner Immobilien fallen, zumindest aber stagnieren werde. Es sei mit erhöhtem Aggressionspotential und möglicherweise auch mit einer erhöhten Kriminalität zu rechnen, vor allem wenn man die bisher enormen Miet- und Kaufpreise in dieser Wohnlage beachte. Die Abweichung wegen Nichteinhaltung der Abstandsflächen hinsichtlich der Außentreppe dürfe nicht gestattet werden, denn diese sei nicht notwendig, wenn es bei der bisherigen Nutzung bliebe. Ein Rettungsweg könne auch im Inneren des Gebäudes geschaffen werden. Die Abweichung bezüglich der 14 Türen sei wegen brandschutztechnischer Bedenken nicht genehmigungsfähig. Auch die Abweichung wegen der Dachfenster dürfe nicht erteilt werden, da flüchtende Personen aufgrund der erhöhten Entfernung der Traufkante zum Fenster erheblich mehr gefährdet seien. Die Abweichung wegen des Feuerwehrzuganges sei ebenfalls nicht zu erteilen, weil die einzige Hauptzufahrt von der ... Straße nicht genügend Fluchtwege und Zugänge lasse. Der Stellplatzbedarf sei nicht gedeckt, es sei mit Lieferanten, Handwerkern, Bekannten oder Ähnlichem zu rechnen, für die gem. Art. 47 BayBO Stellplätze nachzuweisen seien. Durch die Verdoppelung der Belegung von 104 auf 250 Betten würden die Grenzen des Rücksichtnahmegebots überschritten. In angrenzenden Gebäuden würden auf derselben Fläche nur 1/10 dieser Personenzahl wohnen. Zugleich seien die zumutbaren Lärmgrenzwerte nicht zu halten, vor allem durch die Nutzung der 40 Balkone im Innenhof durch bis zu 100 Personen sowie dem Hofspielplatz durch 100 Kinder. Dies komme bereits einer Gastronomie mit Außensitzplätzen gleich. Die dichte Belegung mit zwei bis drei Personen auf 20 m2 Wohnfläche sei nicht menschenwürdig. Die Baugenehmigung sei daher wegen der Verletzung des Rücksichtnahmegebots, der Menschenwürde und der Sicherheit und Ordnung zum Nachteil der Bewohner und Anwohner sowie wegen erheblicher Vermögensnachteile der benachbarten Eigentümer aufzuheben.

Mit Schriftsatz vom 18. November 2014 beantragte die Antragsgegnerin,

den Antrag abzulehnen.

Es sei weder ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme noch eine Verletzung des Abstandsflächenrechts noch eine sonstige Verletzung von Nachbarrecht ersichtlich. Die vom Antragsteller angeführte Wertminderung bilde für sich keinen Maßstab, ob eine Beeinträchtigung des Rücksichtnahmegebots vorläge. Die weiteren vom Antragsteller vorgetragenen Gesichtspunkte spielten bei der Beurteilung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots keine Rolle. Aus § 15 Abs. 1 BauNVO ergäbe sich kein Milieuschutz. Es handele sich auch nicht um eine lärmintensive Nutzung, da das Hauptaugenmerk auf eine dem Wohnen ähnliche Nutzung ausgerichtet sei. Der Vergleich mit einer Freischankfläche bzw. Gaststättennutzung sei nicht nachvollziehbar. Lärmintensiver Verkehr sei nicht zu erwarten. Bezüglich des Kinderspielplatzes werde auf § 22 Abs. 1a BImSchG hingewiesen. Die erteilten Abweichungen wegen Nichteinhaltung von Abstandsflächen seien rechtmäßig, außerdem sei die Antragstellerin nicht betroffen, denn die Abweichungen beträfen die Fl.Nrn. ..., ... und ..., die Antragstellerin sei aber Eigentümerin der Fl.Nr. ... Die übrigen von der Antragstellerin vorgetragenen Abweichungen beträfen Vorschriften, die nicht nachbarschützend seien. Das gelte auch für den Stellplatznachweis.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte sowie auf das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten verwiesen.

II.

Der Antrag ist unbegründet, da die in der Hauptsache von der Antragstellerin erhobene Anfechtungsklage wird voraussichtlich ohne Erfolg sein wird.

1. Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen.

Der Antrag der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung ist daher gem. § 88 i. V. m. § 86 Abs. 3 VwGO bei verständiger Würdigung als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der mit Schriftsatz vom 24.10.2014 erhobenen Anfechtungsklage auszulegen.

Beim Antrag gem. § 80 a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind - die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 80 Rn. 146; Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2013, § 80 Rn. 71). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (Schmidt a. a. O., § 80 Rn. 73 f.). Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich erfolgreich sein, so wird im Regelfall die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Erweist sich der angefochtene Bescheid dagegen bei summarischer Prüfung als rechtmäßig, besteht ein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung.

2. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugelassene Bauvorhaben weder in bauplanungsrechtlicher noch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegen drittschützende Rechte der Antragstellerin verstößt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 60 BayBO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind und im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (BayVGH B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20).

3. Als nachbarschützende Rechte im Bauplanungsrecht kommen vorliegend der Anspruch auf Erhaltung der Gebietsart sowie der Anspruch auf Wahrung der gebotenen Rücksichtnahme in Betracht, die jedoch beide nicht durch die streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt worden sind.

3.1. Die Antragstellerin hat im vorliegenden Verfahren keinen Anspruch auf Bewahrung des Charakters als „teure und gehobene Wohnlage“.

Der Gebietserhaltungsanspruch des Nachbarn setzt voraus, dass das Grundstück in einem festgesetzten oder in einem faktischen Baugebiet liegt und ist im Ergebnis darauf gerichtet, Vorhaben zu verhindern, die nach Art der baulichen Nutzung weder regelmäßig noch ausnahmsweise in diesem Gebiet zulässig sind (vgl. BVerwG U. v. 16.9.1993 - 4 C 28/91, BVerwGE 94, 151 - juris Rn. 13).

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend hinsichtlich der gemäß § 173 Bundesbaugesetz (BBauG) übergeleiteten Baulinien nach § 30 Abs. 3 BauGB und im Übrigen nach § 34 Abs. 1 BauGB, wonach innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig ist, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Sofern die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht (sog. faktisches Baugebiet), beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art gemäß § 34 Abs. 2 BauGB allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre.

Als „nähere Umgebung“ ist dabei der umliegende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder beeinflusst (BVerwG U. v. 26.5.1978 - 4 C 9.77 - juris Rn. 33; B. v. 20.8.1998 - 4 B 79/98 - juris Rn. 7). Bei einem inmitten eines Wohngebiets gelegenen Vorhaben gilt in der Regel als Bereich gegenseitiger Prägung, der die maßgebliche nähere Umgebung eingrenzt, das Straßengeviert und die gegenüberliegende Straßenseite (BayVGH B. v. 1.12.2011 - 14 CS 11.2577 - juris Rn. 26; B. v. 27.9.2010 - 2 ZB 08.2775 - juris Rn. 4; U. v. 10.7.1998 - 2 B 96.2819 - juris Rn. 25). Dies gilt auch, wenn ein bestehendes Gebäude lediglich baulich oder in seiner Nutzung geändert wird. Der Baubestand bestimmt den Maßstab für die weitere Bebauung mit (vgl. BVerwG vom 27.8.1998 - 4 C 5/98 - NVwZ 1999, 523).

Im Rahmen des Hauptsachverfahrens wird die nähere Umgebung durch eine Beweiserhebung durch Inaugenscheinnahme zu bestimmen sein. Im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung kann die Einordnung der näheren Umgebung in ein Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. §§ 2 ff. BauNVO vorliegend jedoch dahin stehen, denn in Betracht kommt lediglich die Einordnung als allgemeines Wohngebiet nach § 4 BauNVO oder als Mischgebiet nach § 6 BauNVO oder als Gebiet sui generis, das keinem der in der BauNVO festgesetzten Gebietsarten eindeutig zugeordnet werden kann (sog. Gemengelage).

3.1.1 Als reines Wohngebiet i. S. v. § 3 BauNVO ist die nähere Umgebung selbst nach dem Vortrag der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin nicht einzustufen, da das Geviert nach den Angaben in der Antragsschrift auch von Gewerberaum geprägt ist. Darüber hinaus wäre die Gemeinschaftsunterkunft auch in einem reinen Wohngebiet als soziale Einrichtung, die dem Wohnen dient, ausnahmsweise zulässig, § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO.

3.1.2 Sollte die nähere Umgebung nach dem Ergebnis des Augenscheins im Hauptsacheverfahren als allgemeines Wohngebiet oder als Mischgebiet einzuordnen sein, sind Anlagen für soziale Zwecke gem. § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO und § 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO zulässig. Wohnheime für Flüchtlinge und Wohnungslose sind regelmäßig Anlagen für soziale Zwecke, die in einem weiten Sinn der sozialen Fürsorge und der öffentlichen Wohlfahrt dienen (vgl. zur Asylbewerberunterkunft: Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand 1.1.2012, § 4 BauNVO Rn. 92) und damit weder Wohngebäude noch Beherbergungsbetriebe (vgl. Stock, a. a. O., § 4 BauNVO Rn. 94; OVG Münster vom 4.11.2003 Az. 22 B 1345/03 − juris). Das Wohnheim für Flüchtlinge und Wohnungslose wäre daher sowohl im allgemeinen Wohngebiet wie auch im Mischgebiet grundsätzlich zulässig.

Es ist auch davon auszugehen, dass das Wohnheim für Flüchtlinge und Wohnungslose mit insgesamt maximal 250 Betten das ungeschriebene Erfordernis der Gebietsverträglichkeit des Vorhabens im Hinblick auf die Art der Nutzung wahrt (vgl. hierzu BVerwG B. v. 28.2.2008 - 4 B 60/07 - juris Rn. 5 f.). Bei der Prüfung der Gebietsverträglichkeit ist von einem typisierenden Ansatz auszugehen, wobei Ausgangspunkt und Gegenstand dieser Betrachtungsweise das jeweils zur Genehmigung gestellte Vorhaben ist. Maßgeblich ist danach auf die Auswirkungen abzustellen, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art ausgehen, insbesondere nach seinem räumlichen Umfang und der Größe seines Einzugsbereichs, der Art und Weise der Betriebsvorgänge, dem durch das Vorhaben bedingten An- und Abfahrtsverkehr sowie der zeitlichen Dauer dieser Auswirkungen und ihrer Verteilung auf die Tages- und Nachtzeiten. Dagegen kommt es bei der Prüfung der Gebietsverträglichkeit nicht auf die konkrete Bebauung in der Nachbarschaft an. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass in einem Baugebiet nach der Baunutzungsverordnung im Grunde auf jedem Baugrundstück die nach dem Katalog der Nutzungsarten der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung in Betracht kommen soll. Auf dieser Ebene der Zulässigkeitsprüfung stellt sich daher nicht schon die Frage, ob das Vorhaben mit den Anforderungen des § 15 Abs. 1 BauNVO einschließlich des darin verankerten Rücksichtnahmegebots vereinbar ist. Der Nachbarschutz nach § 15 Abs. 1 BauNVO knüpft an die konkreten örtlichen Gegebenheiten an. Bei dem Kriterium der Gebietsverträglichkeit geht es dagegen um die Vermeidung als atypisch angesehener Nutzungen, die den Gebietscharakter als solchen stören (BVerwG B. v. 28.2.2008 - 4 B 60/07 BauR 2008, 954 - juris Rn. 11).

Nach der für die Beurteilung dieser Frage notwendigen baugebietsbezogen typisierenden Betrachtungsweise ist das Bauvorhaben in einem allgemeinen Wohngebiet und in einem Mischgebiet gebietsverträglich. Allgemeine Wohngebiete dienen primär dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht stören, § 4 Abs. 1 BauNVO. Als atypisch und störend sind damit Nutzungen anzusehen, die nach ihren Auswirkungen, insbesondere im Hinblick auf die mit dem Vorhaben verbundenen Immissionen nach Art, Dauer und Intensität, mit der durch die überwiegende und vorrangige Wohnnutzung bestimmten Prägung eines solchen Gebiets nicht in Einklang zu bringen sind. Asylbewerberunterkünfte und damit erst Recht das vorliegende Wohnheim, dessen Hauptzielgruppe laut Projektskizze die „wohnungslose Familie mit Kindern“ ist, sind in einem allgemeinem Wohngebiet grundsätzlich als gebietsverträgliche Nutzung zu werten und daher zulässig, da es sich hierbei um eine Anlage für soziale Zwecke handelt (vgl. zur Asylbewerberunterkunft: Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand 1.1.2012, § 4 BauNVO Rn. 92) und vorliegend jedes Appartement mit einer Küchenzeile und einem eigenen Bad ausgestattet ist, Art. 46 Abs. 1 BayBO, so dass es auf eine dem Wohnen ähnliche Nutzung ausgerichtet ist, wenn es sich im Hinblick auf die langfristige Vermietung an die einzelnen Bewohner und die mit der Ausstattung der Räume ermöglichte auf Dauer angelegte Häuslichkeit und Eigenverantwortung der Haushaltsführung nicht ohnehin um eine Wohnnutzung handelt.

Dies gilt erst Recht, wenn sich nach dem Augenschein im Hauptsacheverfahren die nähere Umgebung als Mischgebiet i. S. v. § 6 BauNVO darstellt.

Damit hat ein nachbarlicher Abwehranspruch im Hinblick auf die Wahrung der Gebietsart keinen Erfolg, da dieser im Ergebnis darauf gerichtet ist, Vorhaben zu verhindern, die nach Art der baulichen Nutzung weder regelmäßig noch ausnahmsweise in diesem Gebiet zulässig sind (vgl. BVerwG U. v. 16.9.1993 - 4 C 28/91, BVerwGE 94, 151 - juris Rn. 13).

3.1.3 Gelangte man nach Durchführung des Augenscheins im Klageverfahren zu dem Ergebnis, dass vorliegend die maßgebliche nähere Umgebung des Bauvorhabens im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB weder eindeutig einem allgemeinem Wohngebiet noch einem Mischgebiet zugeordnete werden kann, weil das Geviert in seiner zufälligen Zusammensetzung keinen städtebaulichen Ordnungsvorstellungen i. S. der BauNVO entspricht, läge eine sog. Gemengelage vor, in der grundsätzlich kein Anspruch auf Erhaltung der Gebietsart besteht.

3.2. Das Vorhaben verletzt bei einer Belegungsobergrenze von 250 Betten auch nicht das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot.

Ein Vorhaben, dass sich wie das streitgegenständliche Vorhaben innerhalb des aus der Umgebung ableitbaren Rahmens hält, kann sich trotzdem nicht einfügen, wenn es die gebotene Rücksichtnahme auf die in der unmittelbaren Nachbarschaft vorhandene Bebauung vermissen lässt (vgl. BVerwG vom 6.12.1996 Az. 4 B 215/96 - juris; vom 27.8.1998 a. a. O.).

Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, den die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei der Interessengewichtung spielt es eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich - umgekehrt - um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (vgl. BVerwG B. v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 - juris Rn. 9 m. w. N.). Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist, an (vgl. BVerwG U. v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - juris Rn. 22; U. v. 29.11.2012 - 4 C 8/11 - juris Rn. 16; BayVGH B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4).

Wertminderungen, die etwa auch durch Mietminderungen der Mieter verursacht werden, als Folge der Ausnutzung der einem Dritten erteilten Baugenehmigung bilden für sich genommen keinen Maßstab dafür, ob Beeinträchtigungen im Sinn des Rücksichtnahmegebots zumutbar sind oder nicht, da sich jede Nachbarbebauung auf den Wert der umliegenden Grundstücke auswirken kann (vgl. BVerwG vom 23.8.1996 - 4 C 13.94 - juris Rn. 73 - NVwZ 1997, 384).

3.2.1 Nach diesen Maßstäben liegt eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zulasten der Antragstellerin, jedenfalls bei Einhaltung einer Belegungsobergrenze von 250 Betten, nicht vor. Die von dem Bauvorhaben in der genehmigten Form ausgehende Belästigung und die mit der Benutzung des Wohnheims für die nähere Umgebung verbundenen Auswirkungen sind ortsüblich und sozialadäquat und damit von den Nachbarn grundsätzlich hinzunehmen.

Wie bereits oben dargelegt, ist das Vorhaben in dem maßgeblichen Bereich seiner Art nach zulässig. Bei den Geräuschimmissionen, wie z. B. Gespräche, Zurufe, Abspielen von CD und Radio bei offenem Fenster, handelt es sich im allgemeinem Wohngebiet, im Mischgebiet und in der Gemengelage um grundsätzlich hinzunehmende Wohngeräusche (vgl. BayVGH U. v. 13.09.2012 - 2 B 12.109 - juris Rn. 38 bei Gemengelage). Derartige Wohnimmissionen sind selbst in Wohngebieten hinzunehmen, die durch eine andere homogen Wohnbevölkerung geprägt sind (vgl. BVerwG U. v. 23.08.1996 - 4 C 13/94 - juris Rn.72). Soweit auf die von der vorhandenen Wohnbevölkerung abweichenden Lebensgewohnheiten der künftigen Bewohner des Wohnheims hingewiesen wird, ist klarzustellen, dass das allgemeine Bauplanungsrecht keinen „Milieuschutz“ gewährleistet (vgl. BVerwG U. v. 23.08.1996 - 4 C 13/94 - juris Rn.72). Dies gilt auch für das Vorbringen, dass aufgrund der räumlichen Enge und im Hinblick auf die Anzahl der Unterzubringenden der Gemeinschaftsunterkunft mit ständigen Konfliktsituationen zu rechnen sei. Eine für Wohnheime übliche Belegungsdichte begründet für sich genommen keine bodenrechtlich relevanten Störungen, auch wenn sich Lebensrhythmus und Gewohnheiten der Untergebrachten von denen der Ortsansässigen abheben können (vgl. BVerwG vom 23.8.1996 a. a. O.). Derartige Auswirkungen - sollten sie überhaupt eintreten - sind in erster Linie mit den Mitteln des Sicherheitsrechts zu lösen. Bei möglichen Rechts- und Ordnungsverletzungen müssen primär die Verhaltensstörer zur Verantwortung gezogen werden (vgl. BayVGH U. v. 13.09.2012 - 2 B 12.109 - juris Rn. 38 mit Verweis auf VGH Bad.Württ. B. v. 25.6.1993 - 3 S 1227/93 - juris).

Im Rahmen der Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme ist weiter zu berücksichtigen, dass mit der Baugenehmigung vom ... Juli 1968 bereits ein Fremdenheim genehmigt worden ist, so dass das vorliegende Geviert schon seit über 45 Jahren von einem großen Fremdenwohnheim geprägt wird und damit die Schutzwürdigkeit der Antragstellerin gemindert ist. Das Grundstück der Antragstellerin ist ferner deshalb vorbelastet, weil die ...-straße 9 nicht weit vom Stadtzentrum entfernt ist, so dass - auch bedingt durch die gewerbliche und Büronutzung - dort täglich ein reger Geschäftsverkehr vorzufinden ist. Zahlreiche Fahrzeuge sind entlang der ...-straße geparkt und es herrscht ein für die Innenstadtlage typischer Pkw-Verkehr. Die Antragstellerin kann daher hier nicht die gleiche Schutzwürdigkeit beanspruchen, wie z. B. für ein Grundstück in einer ruhigen Anwohnerstraße. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot durch das Vorhaben ist mithin nicht festzustellen. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Baugenehmigung lediglich auf 10 Jahre befristet ist und mit einer Belegungsobergrenze versehen wurde, so dass auch insoweit die nachbarlichen Interessen berücksichtigt worden sind.

3.2.2 Auch der von der Antragstellerin befürchtete Kinderlärm durch die im Wohnheim mit ihren Familien zusammen untergebrachten Kinder verstößt nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme.

Was die Frage der Zumutbarkeit von Kinderlärm aus der Nutzung von Spielplätzen angeht, ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt ist, dass die mit einer solchen Nutzung für die nähere Umgebung unvermeidbar verbundenen Auswirkungen grundsätzlich von den Nachbarn hinzunehmen sind und nur in besonders gelagerten Einzelfällen eine andere Beurteilung in Betracht kommen kann. Kinderspielplätze mit üblicher Ausstattung gehören in die unmittelbare Nähe der Wohnbebauung. Nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayBO ist bei der Errichtung von Gebäuden mit mehr als drei Wohnungen auf dem Baugrundstück oder in unmittelbarer Nähe auf einem anderen geeigneten Grundstück ein ausreichend großer Kinderspielplatz anzulegen. Die mit der bestimmungsgemäßen Nutzung typischerweise verbundenen Geräusche sind, soweit sie Folge der natürlichen Lebensäußerungen von Kindern sind, als ortsüblich und sozialadäquat zu werten (vgl. BVerwG U. v. 12.12.1991 - 4 C 5/88 - BauR 1992, 338; NdsOVG, B. v. 29.6.2006 - 9 LA 113/04 - NVwZ 2006, 1199; VGH BW, B. v. 3.3.2008 - 8 S 2165/07 - DVBl 2008, 1001).

Auch nach § 22 Abs. 1a BImSchG sind Geräuscheinwirkungen, die von Kinderspielplätzen, Kindertagesstätten und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädlichen Umwelteinwirkungen. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und Richtwerte nicht herangezogen werden.

Regelungen zur selben Materie enthält auch das bayerische Gesetz über Anforderungen an den Lärmschutz bei Kinder- und Jugendspieleinrichtungen (KJG). Dieses regelt die Zulässigkeit von Kinder- und Jugendspieleinrichtungen in der Nachbarschaft von Wohnbebauung (Art. 1 Satz 1 KJG). Nach Art. 2 KJG sind die natürlichen Lebensäußerungen von Kindern, die Ausdruck natürlichen Spielens oder anderer kindlicher Verhaltensweisen sind, als sozialadäquat hinzunehmen.

Eine Abweichung von diesem Regelfall kann nur angenommen werden, wenn aufgrund besonderer Umstände wegen einer sensiblen Nutzung der Nachbarschaft ein besonderes Ruhebedürfnis besteht, wie z. B. bei Pflegeheimen oder Krankenhäusern. Dies ist hier nicht der Fall; nachbarrechtlich irrelevant ist auch eine eher unwahrscheinliche Beeinträchtigung des, etwa 400 m entfernten, auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindliche „Klinikum ... Straße“ durch den Kinderspielplatz im rückwärtigen Grundstückbereich.

Die zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen gehen vorliegend daher nicht über das hinaus, was bei der Nutzung eines Spielplatzes zu erwarten und als sozialadäquat hinzunehmen ist.

4. Bei dem Bauvorhaben handelt es sich um einen Sonderbau im Sinn des Art. 2 Abs. 4 Nr. 6 BayBO, so dass im Rahmen des Nachbarrechtsbehelfs auch die Vorschriften der Bayerischen Bauordnung zu prüfen sind. Als entscheidungserheblich kommen vorliegend allenfalls Vorschriften des Brandschutzes bzw. die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften in Betracht.

4.1 Bei dem gerügten Verstoß gegen brandschutzrechtliche Vorschriften der Art. 24 ff. BayBO ist von Seiten der Antragstellerin nicht hinreichend konkret vorgetragen, welche Brandschutzvorschriften hier nicht nur dem Schutz der Bewohner des Wohnheims, sondern gerade dem Schutz der Antragstellerin als Nachbarin zu dienen bestimmt sind und inwieweit hiervon zu ihren Lasten abgewichen wurde.

Nach Art. 62 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist die Einhaltung der Anforderungen an den Brandschutz nach Maßgabe der Verordnung über Bauvorlagen und bauaufsichtliche Anzeigen, Bauvorlagenverordnung - BauVorlV nachzuweisen. Die Anforderungen für einen ordnungsgemäßen Brandschutznachweis ergeben sich aus § 11 BauVorlV. Er kann gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 BauVorlV gesondert in Form eines objektbezogenen Brandschutzkonzeptes dargestellt werden. Nach Art. 62 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 BayBO muss dieser Brandschutznachweis durch einen Prüfsachverständigen bescheinigt oder bauaufsichtlich geprüft sein. Das vom Architektenbüro ... vorgelegte Brandschutzkonzept vom 09.09.2014 mit integriertem Brandschutznachweis nach § 11 Bauvorlagenverordnung wurde ausweislich des Stempels der Antragsgegnerin geprüft und ist Bestandteil der Baugenehmigung vom...09.2014. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin trotz dieses ausführlichen und bauaufsichtlich geprüften Brandschutzkonzeptes in Rechten verletzt ist, die auch ihrem Schutz zu dienen bestimmt sind (BayVGH B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20), wurden von der Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. Im Übrigen rügt die Antragstellerin allein die Verletzung von brandschutzrechtlichen Vorschriften, die dem Schutz der Bewohner des Wohnheims dienen sollen.

4.2 Auch eine Verletzung von Nachbarrechten der Antragstellerin wegen eines Verstoßes gegen bauordnungsrechtliche Abstandsflächenvorschriften ist zu verneinen.

Die neu zu errichtende außenliegende Rettungstreppe wirft keine Abstandsflächen auf das Grundstück der WEG, so dass eine Rechtsverletzung der Antragstellerin insoweit ausscheidet.

5. Der Antrag ist nach alldem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Es entspricht der Billigkeit, der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO), da diese keinen Antrag gestellt und sich somit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 154 Abs. 3 VwGO.

6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG und Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

III.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung. Der Antragsteller ist Eigentümer des bebauten Grundstücks Fl.Nr. 376/2, Gemarkung A. und wendet sich gegen den seitens des Beigeladenen geplanten Neubau auf dem Grundstück Fl.Nr. 343, Gemarkung A., das seinem Grundstück jenseits der H. Straße in nördlicher Richtung gegenüberliegt.

Mit Bescheid vom 25. Februar 2013 erteilte das Landratsamt die bauaufsichtliche Genehmigung für den „Neubau eines Wohnheims für 24 Menschen mit Behinderung“.

Der Antragsteller hat beim Verwaltungsgericht Ansbach gegen diese Baugenehmigung Klage erhoben und vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag nach § 80a Abs. 3 VwGO mit Beschluss vom 21. August 2013 abgelehnt. Die Baugenehmigung verletze keine Rechte des Antragstellers. Da sich die planungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 BauGB beurteile und das geplante Vorhaben sogar in einem reinen Wohngebiet gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 3 Abs. 4 BauNVO zulässig wäre, scheide die Verletzung eines etwaigen Gebietserhaltungsanspruchs des Antragstellers aus. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liege ebenfalls nicht vor: Anhaltspunkte für eine Überschreitung des zulässigen Maßes der Nutzung oder eine „erdrückende“ oder „abriegelnde“ Wirkung seien nicht ersichtlich. Das Erfordernis der (bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen) Erschließung des Grundstücks schütze im Grundsatz nicht die Interessen des Nachbarn, sondern diene ausschließlich dem Interesse der Allgemeinheit. Konkrete Umstände, die auf eine Unterdimensionierung des gemeindlichen Abwasserkanals schließen ließen, habe der Antragsteller nicht vorgetragen. Die genehmigte Ableitmenge von 3 l/s aus Rigolen begegne keinen Bedenken. Auch im Hinblick auf die geplante Versickerung sei keine Verletzung des Antragstellers in seinen Rechten erkennbar. Eine ausschließliche Versickerung über Rigolen finde nicht statt, vielmehr werde ein wesentlicher Teil des von den Dachflächen abgeleiteten Niederschlagswassers durch einen Anschluss der Rigolen an die Kanalisation mit 3 l/s entwässert und nicht mehr versickert, was im Vergleich zur derzeitigen Situation eine Verbesserung, zumindest keine Verschlechterung bedeute. Schließlich grenze das Grundstück des Antragstellers auch nicht unmittelbar an das streitgegenständliche Grundstück an, sondern liege auf der anderen Straßenseite. Auch deshalb sei nicht damit zu rechnen, dass große Mengen nicht auf dem Grundstück des Beigeladenen zu versickernden Wassers ungehindert und in unzumutbarer Weise auf das südlich gelegene Grundstück des Antragstellers gelangten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

Er beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 21. August 2013 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 25. Februar 2013 anzuordnen.

Er macht geltend, das Verwaltungsgericht habe den im streitgegenständlichen Fall vorliegenden Verstoß gegen den speziellen Gebietsprägungserhaltungsanspruch nicht geprüft und verkannt. Denn die mit einer Ausdehnung von 40 m bzw. 33 m geplanten beiden, T-förmig miteinander verbundenen Gebäudekomplexe erwiesen sich als generell gebietsunverträglich, weil sie der Zweckbestimmung des faktischen allgemeinen Wohngebiets mit seiner wesentlich kleiner dimensionierten und klein parzellierten Einfamilienhausbebauung widersprächen. Im Übrigen unterliege der Beschluss des Verwaltungsgerichts einer Fehleinschätzung hinsichtlich der ungelösten Entwässerungssituation des Bauvorhabens: Tatsächlich sei die bestehende gemeindliche Kanalisation „am Limit“, weswegen im Hinblick auf den bekanntermaßen überlasteten gemeindlichen Kanal ein rechnerisch zu führender hydraulischer Nachweis vorzulegen gewesen wäre. Keinesfalls werde es auf dem zu bebauenden Grundstück - wovon das Verwaltungsgericht jedoch zu Unrecht ausgehe - zu einer Verbesserung der Versickerungs- bzw. Entwässerungssituation kommen, vielmehr werde nur noch die Hälfte der Grundstücksflächen für die Versickerung zur Verfügung stehen, obwohl der Baugrund, wie sich auch aus Äußerungen von Sachverständigen ergebe, für eine Versickerung nicht geeignet sei. An dieser Situation änderten auch die geplanten Rigolen nichts. Schließlich sei das vorliegende Entwässerungskonzept in sich widersprüchlich, wenn es von einem Spitzendrosselabfluss von 6 l/s in die Kanalisation ausgehe, tatsächlich jedoch nur eine Ableitung von maximal 3 l/s zulasse. Insoweit handle es sich um Auflagen, die aus tatsächlichen Gründen nicht ausgeführt werden könnten und deshalb gemäß Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG nichtig seien.

Antragsgegner und Beigeladener beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen

und verteidigen den erstinstanzlichen Beschluss.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Akten des Landratsamts Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfenden Beschwerdegründe rechtfertigen keine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der vom Antragsteller gegen die Baugenehmigung vom 25. Februar 2013 erhobenen Klage. Nach der im vorliegenden Eilverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage verletzt die Genehmigung des geplanten Bauvorhabens keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte des Antragstellers.

1. Der Antragsteller macht zunächst geltend, das seiner Art der baulichen Nutzung nach zulässige geplante Bauvorhaben widerspreche gleichwohl allein aufgrund seines räumlichen Ausmaßes der Prägung des umliegenden Wohngebiets, die durch kleindimensionierte Einfamilienhäuser gekennzeichnet sei. Hierdurch werde der sog. spezielle Gebietsprägungserhaltungsanspruch verletzt.

Dieser vom Antragsteller angeführte spezielle Gebietsprägungserhaltungsanspruch (vgl. Decker, JA 2007, 55) ist, sofern ein solcher Anspruch überhaupt existiert (zweifelnd: BayVGH, B. v. 9.10.2012 - 2 ZB 11.2653 -), jedenfalls nicht berührt. Abgesehen davon, dass sich ein solcher Anspruch allein auf die Art der baulichen Nutzung im Sinn der Baunutzungsverordnung beziehen würde (BayVGH, B. v. 9.10.2012 - 2 ZB 11.2653 -; BVerwG, B. v. 13.5.2002 - 4 B 86/01 -), trifft die Aussage des Antragstellers, die Umgebungsbebauung bestehe ausschließlich aus kleiner dimensionierten Einfamilienhäusern, lediglich für den Bereich südlich der H. Straße, in dem sich das Grundstück des Antragstellers befindet, zu. Für das nördlich dieser Straße gelegene Gebiet, in dem sich das Baugrundstück befindet, gibt es eine derartige Prägung nicht: Wie aus dem Lageplan deutlich wird, existieren dort - etwa auf den Grundstücken Fl.Nrn. 344, 345 - bereits Gebäude, die ähnliche Ausmaße aufweisen wie der geplante Neubau.

2. Soweit der Antragsteller darüber hinaus auf die seiner Auffassung nach „ungelöste Entwässerungssituation“ des Bauvorhabens hinweist, verhilft dies seiner Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Der Senat weist die Beschwerde insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Lediglich ergänzend wird im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen noch folgendes ausgeführt: Der Antragsteller ist hinsichtlich der Entwässerungssituation des Baugrundstücks nicht in seinen Nachbarrechten verletzt. Er hält zwar zum einen die Kapazität des vorhandenen gemeindlichen Kanals für nicht ausreichend und fürchtet zum anderen eine mangelnde Versickerungsmöglichkeit des anfallenden Niederschlagswassers auf dem Baugrundstück aufgrund dessen Überbauung und der damit einhergehenden Grundstücksversiegelung. Das Erfordernis einer gesicherten Erschließung eines Bauvorhabens dient jedoch grundsätzlich nur öffentlichen Interessen; es hat keine nachbarschützende Funktion (allgemeine Meinung, so schon BayVGH, U. v. 17.11.1999 - 26 B 96.1268 -; B. v. 30.4.2007 -1 CS 06.3335 -; OVG NRW, U. v. 9.6.2011 - 7 A 1494.09 -; Strohäker in Simon/Busse, Kommentar zur BayBO, Art. 41, Rn. 3). Ein sich unmittelbar aus der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) ergebendes Abwehrrecht des Nachbarn ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (bezogen auf die straßenmäßige Erschließung) nur für den Fall anerkannt, dass „eine infolge Fehlens der Erschließung rechtswidrige Baugenehmigung für den Nachbarn eine unmittelbare Rechtsverschlechterung in Richtung auf die Duldung eines Notwegerechts, § 917 Abs. 1 BGB,“ bewirkt (BVerwG, B. v. 26.3.1976, BVerwGE 50, 282). Diese ausnahmsweise eröffnete Rechtsschutzmöglichkeit des Nachbarn gilt für den Fall eines „Notleitungsrechts“ entsprechend (BayVGH, B. v. 30.4.2007 - 1 CS 06.3335 -). Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller gezwungen sein könnte, ein derartiges Notleitungsrecht auf seinem jenseits der H. Straße liegenden Grundstück zu dulden, sind hier weder vorgetragen noch ersichtlich. Was im Übrigen die Frage einer ausreichenden Versickerungsmöglichkeit von Niederschlagswasser angeht, ist bereits nicht substantiiert dargelegt, inwieweit das Grundstück des Antragstellers durch eine eventuell mangelhafte Versickerung betroffen sein sollte: Der Hinweis, es drohten „ersichtlich und auf der Hand liegend“ Nachteile für das Grundstück des Antragstellers, legt angesichts des Umstands, dass das Grundstück des Antragstellers an das Baugrundstück nicht unmittelbar angrenzt, sondern durch die in westlicher Richtung abschüssig verlaufende H. Straße getrennt ist, eine derartige Betroffenheit gerade nicht dar. Ebenso wie das Verwaltungsgericht geht auch der erkennende Senat hier davon aus, dass deshalb nennenswerte Mengen eventuell nicht auf dem Baugrundstück versickernden Niederschlagwassers nicht auf das südlich gelegene Grundstück des Antragstellers gelangen können.

3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, § 154 Abs. 2 VwGO. Der Beigeladene hat im Beschwerdeverfahren einen Antrag gestellt und sich damit selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt (§ 154 Abs. 3 VwGO). Es entspricht deshalb der Billigkeit, dessen außergerichtliche Kosten ebenfalls dem Antragsteller aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertentscheidung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu tragen.

III.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines baurechtlichen Vorbescheids für die Umnutzung ehemaliger Forsthäuser zur allgemeinen Wohnnutzung.

1. Mit Kaufvertrag vom 13. März 2012 erwarb die Klägerin vom Freistaat Bayern das Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung R. Forst (Baugrundstück), das mit sechs in den Jahren 1957 bis 1961 errichteten Gebäuden, die zum ehemaligen Forsthof des Forstamts R. gehörten, bebaut ist.

Das Grundstück Fl.Nr. ... liegt außerhalb der geschlossenen Ortslage im Gemeindegebiet der Gemeinde W. (Beigeladene). Für das Baugrundstück besteht kein Bebauungsplan. Der Flächennutzungsplan der Beigeladenen stellt das Baugrundstück als „Grünfläche/Forstamt“ dar. Das Baugrundstück liegt an der Staatsstraße 2316 und in ca. 200 m Entfernung zur Bundesautobahn A3 und zur Autobahnraststätte S.-Süd.

Unter dem 9. Juli 2013 beantragte die Klägerin beim Landratsamt A. unter der Vorhabensbezeichnung „Umnutzung Forsthäuser zur allgemeinen Wohnnutzung“ die Erteilung eines baurechtlichen Vorbescheids für die Nutzungsänderung der auf dem Grundstück Fl.Nr. ... vorhandenen Gebäude zu Wohngebäuden.

2. Mit Bescheid vom 16. Juli 2014 entschied das Landratsamt A., dass für das Vorhaben der Klägerin eine Baugenehmigung nicht in Aussicht gestellt werde.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Das Baugrundstück liege im Außenbereich, die bauplanungsrechtliche Beurteilung richte sich daher nach § 35 BauGB. Die beabsichtigte bzw. bereits aufgenommene Wohnnutzung der zum ehemaligen Forsthof gehörenden Gebäude erfülle keinen Privilegierungstatbestand nach § 35 Abs. 1 BauGB und stelle daher ein sonstiges Vorhaben i. S. d. § 35 Abs. 2 BauGB dar. Das Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange, da es den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspreche (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) und die Verfestigung und Erweiterung einer Splittersiedlung begünstige (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB). Die Voraussetzungen für eine Teilprivilegierung des Vorhabens nach § 35 Abs. 4 BauGB lägen nicht vor. Im Übrigen sei die ausreichende Erschließung des Vorhabens im Hinblick auf die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung nicht dauerhaft gesichert. Schließlich habe auch die Beigeladene ihr gemeindliches Einvernehmen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise verweigert.

3. Mit Schriftsatz vom 13. August 2014, bei Gericht eingegangen am folgenden Tag, ließ die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 16. Juli 2014 erheben und (zuletzt) beantragen:

1. Der Vorbescheid des Landratsamts A. vom 16. Juli 2014 (91.3-6024-B 825/2013/0) wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Baugenehmigung in Aussicht zu stellen;

hilfsweise über den gestellten Antrag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Bei der Errichtung der früheren Forstgebäude seien diese als vollwertige Wohnhäuser mit den erforderlichen Leitungen für Wasser und Abwässer ausgeführt worden. Die Gebäude hätten dem Wohnen der Forstbediensteten und ihrer Familien gedient. Aktuell werde die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung durch den Anschluss an das Wasserleitungsnetz der nahe gelegenen Autobahnraststätte gewährleistet. Insoweit seien Wasserversorgung und Abwasserentsorgung durch unwiderrufliche Verträge mit dem Betreiber der Autobahnraststätte gesichert. Bei dem Planfeststellungsbeschluss über den Ausbau der nahe gelegenen Bundesautobahn A3 sei die Planfeststellungsbehörde davon ausgegangen, dass auf dem Baugrundstück Wohnnutzung stattfinde bzw. zulässig sei. Die Klägerin habe das Gelände des ehemaligen Forsthofs in dem Glauben darauf, dass dort Wohnnutzung zulässig sei, vom Freistaat Bayern erworben. Die Baugenehmigungsbehörde sei an die rechtliche Einschätzung der Planfeststellungsbehörde bzw. weiterer Beteiligter im Planfeststellungsverfahren, dass auf dem Baugrundstück Wohnnutzung zulässig sei, nach Treu und Glauben gebunden. Jedenfalls sei auf dem Baugrundstück Wohnnutzung unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes zulässig. Die Variationsbreite der bisherigen Nutzung der vorhandenen Gebäude werde durch die nunmehr von der Klägerin beabsichtigte Wohnnutzung nicht überschritten. Denn die auf dem Baugrundstück vorhandenen Gebäude seien auch vor Außerbetriebnahme des Forsthofs zum weit überwiegenden Teil als Wohnräume genutzt worden. Die von der Klägerin beabsichtigte Wohnnutzung unterscheide sich von der früheren Nutzung daher nur darin, dass weder die Klägerin noch ihre Angehörigen im Forstdienst stehen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die von der Klägerin beabsichtigte Nutzung die Frage der Genehmigungsfähigkeit neu aufwerfe, so genieße der vorhandene Gebäudebestand einschließlich der Art und Weise der Erschließung dennoch Bestandsschutz. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen einer Teilprivilegierung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB vor.

4. Das Landratsamt A. beantragte für den Beklagten,

die Klage abzuweisen.

Zwar sei davon auszugehen, dass die Forstgebäude als privilegierte Vorhaben rechtmäßig errichtet worden seien. Die Auflösung des Forstamts und der Wegzug der letzten Forstbediensteten im Jahre 1998 hätten jedoch zu einer Entprivilegierung geführt. Aus dem Planfeststellungsbeschluss über den Ausbau der Bundesautobahn A 3 könne die Zulässigkeit der Wohnnutzung nicht abgeleitet werden, da das Gelände des ehemaligen Forsthofs dort lediglich im Rahmen von Lärmschutzmaßnahmen behandelt worden sei. Dies könne eine baurechtliche Genehmigung keinesfalls ersetzen. Die Erschließung sei nicht gesichert; die privatrechtlichen Verträge der Klägerin mit dem Betreiber der nahe gelegenen Autobahnraststätte erfüllten nicht die Anforderungen an eine dauerhaft gesicherte Erschließung. Die Anwendung des § 35 Abs. 4 BauGB scheide aus, da es sich bei den ehemaligen Forstgebäuden, die in der Nachkriegszeit entstanden und nicht von historischer oder denkmalschutzwürdiger Relevanz seien, nicht um erhaltenswerte Bausubstanz handele.

5. Die Beigeladene beantragte ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

6. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts rechtmäßig und die Klägerin daher nicht in ihren Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheids noch auf erneute Verbescheidung ihrer Bauvoranfrage. Es kann dahinstehen, ob das Vorhaben der Klägerin unter einen Teilprivilegierungstatbestand gemäß § 35 Abs. 4 BauGB fällt (1.), weil jedenfalls die Erschließung i. S. d. § 35 Abs. 2 BauGB nicht gesichert ist (2.). Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf Bestands- bzw. Vertrauensschutz berufen (3.).

1. Es kann hier offen bleiben, ob das Landratsamt die Anwendung der Teilprivilegierungsregelung des § 35 Abs. 4 BauGB zu Recht abgelehnt hat. Zwar kommt die Anwendung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB vorliegend zumindest in Betracht. Denn die ehemaligen Forstgebäude dienten nach Auskunft des Bayer. Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht bloß der staatlichen Verwaltungstätigkeit, sondern waren offenbar auch in die Bewirtschaftung des Staatswaldes eingebunden (vgl. Bl. 97 der Behördenakte 825/13 V-II). Im Hinblick darauf spricht einiges dafür, dass die Forsthäuser vor Auflösung des Forstamts R. einem forstwirtschaftlichen Betrieb i. S. d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dienten. Auch die Bezugnahme auf eine „Hofstelle“ in § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e) BauGB spricht nicht zwingend gegen die Teilprivilegierung des Vorhabens der Klägerin, da mit dieser gesetzlichen Regelung nach Einschätzung der Kammer lediglich sichergestellt werden soll, dass ein räumlich-funktionaler Zusammenhang zwischen den einzelnen, dem forstwirtschaftlichen Betrieb dienenden Gebäuden besteht, was bei den räumlich eng beieinander liegenden und funktional eng verbundenen Forstgebäuden der Fall war. Ausreichend ist insoweit, dass die Hofstelle vor Aufgabe der privilegierten Nutzung bestanden hat; sie muss nicht zwingend noch aktuell vorhanden sein (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand November 2014, § 35 Rn. 144). Andererseits erscheint es nach dem Eindruck, den das Gericht durch Inaugenscheinnahme des Forsthofgeländes in einem anderen Verfahren (W 4 K 12.517) gewonnen hat, zumindest zweifelhaft, ob hinsichtlich aller auf dem Gelände vorhandenen Gebäude von einer „erhaltenswerten Bausubstanz“ i. S. d. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) gesprochen werden kann.

2. Diese Rechtsfragen bedürfen hier jedoch keiner abschließenden Klärung. Denn selbst wenn das Vorhaben nach den gesetzlichen Bestimmungen des § 35 Abs. 4 BauGB teilprivilegiert sein sollte, muss dennoch die Erschließung i. S. d. § 35 Abs. 2 BauGB gesichert sein. Durch eine Teilprivilegierung verliert ein Bauvorhaben nicht seine Eigenschaft als „sonstiges Vorhaben“ i. S. d. § 35 Abs. 2 BauGB (BayVGH, B.v. 16.9.2004 - 15 ZB 03.1475 - juris Rn. 3). Eine Teilprivilegierung nach § 35 Abs. 4 BauGB hat lediglich zur Folge, dass dem Vorhaben bestimmte öffentliche Belange nicht entgegengehalten werden können, führt jedoch nicht zu geringeren Anforderungen hinsichtlich des gesetzlichen Erfordernisses der gesicherten Erschließung (vgl. BVerwG, U.v. 31.10.1990 - 4 C 45/88 - juris Rn. 22; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielen-berg/Krautzberger, BauGB, § 35 Rn. 74). Daraus folgt auch, dass für das hier zu beurteilende Vorhaben die Erschließung in vollem Umfang gesichert sein muss und nicht - wie bei privilegierten Vorhaben i. S. d. § 35 Abs. 1 BauGB - eine „ausreichende“ Erschließung genügt (vgl. Söfker, a. a. O.).

Das gesetzliche Erfordernis der gesicherten Erschließung verlangt neben der Anbindung des Baugrundstücks an das öffentliche Wegenetz insbesondere auch, dass die Wasserversorgung sowie die Beseitigung der auf dem Grundstück anfallenden Abwässer gesichert sind. Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung müssen dabei nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich auf Dauer gesichert sein. Das ist regelmäßig der Fall, wenn das Baugrundstück an die Straße angrenzt, in der die Versorgungsleitung liegt, und die Versorgungsleitung zumindest bis auf Höhe der Grundstücksgrenze reicht (BayVGH, U.v. 3.12.2007 - 1 B 05.3080 - juris Rn. 48). Ist dies - wie hier - nicht der Fall, so kommt eine Herstellung der Erschließung über privatrechtliche Rechtsverhältnisse zwar in Betracht. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass schuldrechtliche Verträge allein keine rechtliche Sicherung der Erschließung begründen können; erforderlich ist vielmehr, dass die schuldrechtlichen Rechte in dinglicher Hinsicht gesichert sind (BVerwG, U.v. 3.5.1988 - 4 C 54/85 - juris Rn. 14; Wolf in Simon/Busse, BayBO, Stand Januar 2014, Art. 4 Rn. 244; Stüer, Hdb. des Bau- und Fachplanungsrechts, 4. Aufl. 2009, Teil C Rn. 2471). Diese vom BVerwG für die Frage der wegemäßigen Erschließung entwickelte Rechtsprechung ist nach Überzeugung der Kammer auch auf die hier in Streit stehende Erschließung hinsichtlich der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung anzuwenden. Es sind keinerlei Gründe ersichtlich, die dafür sprächen, insoweit geringere Anforderungen an die rechtliche Sicherung der Erschließung zu stellen.

Unter Berücksichtigung dessen genügt der zwischen der Klägerin und der Betreiberin der nahe gelegenen Autobahnraststätte bestehende schuldrechtliche Vertrag nicht, um die Erschließung hinsichtlich der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung dauerhaft zu sichern. Der Klägerbevollmächtigte kann insoweit auch nicht mit dem Vortrag durchdringen, es handele sich um einen „unwiderruflichen“ Vertrag. Abgesehen davon, dass auch ein „unwiderruflicher“ schuldrechtlicher Vertrag nicht von dem Erfordernis der dinglichen Sicherung entbindet, ist zu berücksichtigen, dass nach dem Vertragstext zwar das ordentliche Kündigungsrecht ausgeschlossen ist, jedoch das Recht zur außerordentlichen Kündigung besteht (Ziffer X des Vertrags, Bl. 18 der Behördenakte 825/13 V-II). Die Betreiberin der Autobahnraststätte hat im Übrigen darauf hingewiesen, dass die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung bezüglich des ehemaligen Forsthofgeländes nur so lange gewährleistet wird, wie die Betreiberin die Konzession für den Betrieb der Raststätte innehat (Bl. 160 der Behördenakte 9040/2012 S). Im Hinblick darauf sind Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung hier gerade nicht dauerhaft gesichert.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass das Landratsamt A. offenbar hinsichtlich des in der Nähe des ehemaligen Forsthofgeländes gelegenen Jagdschlosses von einer gesicherten Erschließung ausgegangen ist. Es erschließt sich dem Gericht zwar nicht ohne Weiteres, warum insoweit offenbar geringere Anforderungen an die Erschließung gestellt wurden, obwohl Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung auch dort lediglich durch schuldrechtliche Vereinbarungen geregelt sind. Auch die Anwendung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB hinsichtlich des Jagdschlosses mindert nach den obigen Ausführungen nicht die an die gesicherte Erschließung zu stellenden Anforderungen. Ungeachtet dessen ist Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren allein die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Wohnnutzung in den ehemaligen Forsthäusern. Die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 2 BauGB und insbesondere der rechtlichen Voraussetzungen der gesicherten Erschließung obliegt im gerichtlichen Verfahren allein dem Gericht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Frage der bauplanungsrechtlichen Zulassung eines Vorhabens nach § 35 Abs. 2 BauGB ungeachtet des Wortlauts („kann“) nach einhelliger Auffassung um eine gebundene Entscheidung handelt und der Baugenehmigungsbehörde insoweit durch das Gesetz kein Ermessen eingeräumt ist (vgl. Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 35 Rn. 66 m. w. N.). Dies zugrunde gelegt, ist die Kammer unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen zu der Überzeugung gelangt, dass die Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals „gesicherte Erschließung“ hier nicht gegeben sind. Unerheblich ist demgegenüber, ob das Landratsamt bei anderen Vorhaben in der Nähe des ehemaligen Forsthofs von einer gesicherten Erschließung ausgegangen ist. Insbesondere ist angesichts des fehlenden behördlichen Ermessens bei der Anwendung des § 35 Abs. 2 BauGB und der gerichtlichen Beurteilungskompetenz für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen kein Raum für den Einwand, das Landratsamt könne aus Gleichbehandlungsgründen die Frage der Erschließung bezüglich der ehemaligen Forsthäuser nicht anders beurteilen als bezüglich des nahe gelegenen Jagdschlosses.

3. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf Bestands- bzw. Vertrauensschutz berufen.

Hinsichtlich der Frage des Bestandsschutzes ist nach gefestigter Rechtsprechung zwischen dem sog. passiven und dem sog. aktiven Bestandsschutz zu unterscheiden. Passiver Bestandsschutz schützt allein den genehmigten bzw. nicht genehmigungsbedürftigen und materiell rechtmäßigen Bestand und beruht auf der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG (BVerfG, B.v. 15.12.1995 - 1 BvR 1713/92 - BayVBl. 1996, 240). Aktiver Bestandsschutz lässt demgegenüber gewisse Änderungen oder Erweiterungen des vorhandenen Bestands zu, besteht jedoch nur nach Maßgabe einfach-gesetzlicher Regelungen (grundlegend BVerwG, U.v. 12.3.1998 - 4 C 10/97 - NVwZ 1998, 842).

Zu den Regelungen des aktiven Bestandsschutzes zählt insbesondere der hier in Betracht zu ziehende § 35 Abs. 4 BauGB. Nach den obigen Ausführungen entbindet diese gesetzliche Regelung jedoch gerade nicht von dem Erfordernis der - hier nicht vorliegenden - gesicherten Erschließung.

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf passiven Bestandsschutz berufen. Bestandsschutz in diesem Sinne gewährleistet, dass sich die rechtmäßige Nutzung einer baulichen Anlage auch gegen neues entgegenstehendes Recht durchsetzt. Von ihm gedeckt ist aber nur die nach Art und Umfang unveränderte Nutzung. Wird ein Bauwerk, das bisher für einen nach § 35 Abs. 1 BauGB im Außenbereich privilegierten Zweck genutzt wurde, später für einen anderen Zweck genutzt, so ist hierin eine Nutzungs- und Funktionsänderung zu sehen, die zu einer Entprivilegierung führt. Damit erlischt der dem Gebäude zukommende Bestandsschutz. Eine Trennung von Nutzung und baulicher Substanz findet nicht statt (BVerwG, B.v. 9.9.2002 - 4 B 52/02 - juris Rn. 5). Ein solcher Fall liegt hier vor. Es ist zwar mit der insoweit übereinstimmenden Einschätzung der Beteiligten davon auszugehen, dass die zu dem ehemaligen Forsthof gehörenden Gebäude ursprünglich privilegiert i. S. d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 oder jedenfalls Nr. 4 BauGB genutzt wurden. Mit der Auflösung des Forstamts R. und dem Auszug der letzten Forstbediensteten Ende der 1990er Jahre wurde diese privilegierte Nutzung jedoch aufgegeben. Die Aufnahme der allgemeinen Wohnnutzung in den ehemaligen Forstgebäuden, die im Übrigen erst Jahre später stattfand, stellt eine Nutzungsänderung dar, die durch den zuvor für die privilegierte Nutzung bestehenden Bestandsschutz nicht gedeckt ist. Aufgrund der Entprivilegierung ist der Bestandsschutz erloschen. Durch die Nutzungsänderung aufgrund der allgemeinen Wohnnutzung wird die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit hinsichtlich der hier in Streit stehenden gesicherten Erschließung neu aufgeworfen und bedarf einer neuen rechtlichen Beurteilung.

Die Klägerin kann sich schließlich nicht darauf berufen, dass sie bei Erwerb des ehemaligen Forsthofs in rechtlich beachtlicher Weise auf die Zulässigkeit der allgemeinen Wohnnutzung auf dem erworbenen Anwesen vertraut habe. Eine rechtlich verbindliche Aussage über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit konnte nur das Landratsamt A. als zuständige Baugenehmigungsbehörde treffen. Eine solche Entscheidung des Landratsamts hat die Klägerin vor Erwerb des ehemaligen Forsthofs nicht herbeigeführt bzw. abgewartet. Vielmehr hat sie nach dem Vortrag ihres Bevollmächtigten zwar beim Landratsamt wegen der Zulässigkeit der allgemeinen Wohnnutzung angefragt, das Anwesen jedoch vor Erhalt einer Stellungnahme seitens des Landratsamts erworben (vgl. Bl. 36 und 57 der Behördenakte 825/2013 V-II). Von der Möglichkeit, bereits vor Erwerb des ehemaligen Forsthofs die bauplanungsrechtliche Rechtslage in einem Vorbescheids- oder Baugenehmigungsverfahren klären zu lassen, hat die Klägerin hingegen keinen Gebrauch gemacht. Auch für eine Zusicherung i. S. d. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG hinsichtlich der Zulassung der allgemeinen Wohnnutzung durch die Baugenehmigungsbehörde bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Schließlich kann die Klägerin auch nicht mit der Argumentation durchdringen, die Planfeststellungsbehörde sei im Planfeststellungsbeschluss über den Ausbau der nahe gelegenen Bundesautobahn A 3 von der Zulässigkeit der Wohnnutzung auf dem Gelände des ehemaligen Forsthofs ausgegangen. Die Planfeststellungsbehörde mag insoweit eine dort stattfindende Wohnnutzung in tatsächlicher Hinsicht berücksichtigt haben. Ein Eingriff in die Beurteilungskompetenz der für die Entscheidung über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Wohnnutzung allein zuständigen Baugenehmigungsbehörde war damit aber offensichtlich nicht verbunden. In keinem Fall können die Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss die gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO erforderliche Baugenehmigung ersetzen.

4. Nach alldem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Dabei entsprach es der Billigkeit, dass die Klägerin auch die außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu tragen hat, weil sich diese durch Antragstellung am Kostenrisiko beteiligt hat (§ 162 Abs. 3 i. V. m. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.

(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. März 2012 - 2 K 1538/10 - geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Landratsamts Esslingen vom 3. Dezember 2008 und des Widerspruchsbescheides Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25. März 2010 verpflichtet, gegenüber den Beigeladenen den Abbruch der Garage auf dem Grundstück Flst. Nr. 2775/33 der Gemarkung ... anzuordnen.

Die Beigeladenen als Gesamtschuldner und der Beklagte tragen jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Flst.Nr. 2775/10 der Gemarkung ... Das südöstlich abfallende Grundstück ist im unteren Teil mit einem 1994 errichteten Einfamilienhaus bebaut. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass dieses mit einer ca. 1 m tieferen Erdgeschoss-Fußbodenhöhe als genehmigt errichtet worden war, erteilte das Landratsamt Esslingen dem Kläger am 01.02.1995 für diese und andere Abweichungen eine weitere Baugenehmigung; beteiligte Eigentümer angrenzender Grundstücke hatten dagegen nichts eingewandt. Die Beigeladenen sind Eigentümer des etwas höher gelegenen Nachbargrundstücks Flst. Nr. 2775/33 (Baugrundstück). Dieses grenzt an den unteren Teil des Grundstücks des Klägers nordöstlich an und ist mit einem im Jahr 2005 errichten Wohnhaus bebaut.
Die Beigeladenen beantragten im November 2005 die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer Grenzgarage mit Walmdach und 50,9 m3 Bruttorauminhalt als Anbau an ihr Wohnhaus. Nach dem vom Vermessungstechniker F. gefertigten Lageplan sowie einer den Bauvorlagen beigefügten Ansicht “Süd West“ sollte die Garage 1,88 m von der Rückseite des Wohnhauses vorversetzt auf einer Sockelwand an der Grenze zum Grundstück des Klägers errichtet werden, und zwar mit 2,9 m Gesamthöhe von Garagen- und Sockelwand am höchsten Punkt der Geländeoberfläche. Der Kläger erhob keine Einwendungen. Das Landratsamt Esslingen erteilte die Baugenehmigung am 03.07.2006. Die Beigeladenen hatten tatsächlich schon zuvor an der Grundstücksgrenze eine Garage errichtet, jedoch weiter hangabwärts bündig zur Rückfront ihres Wohnhauses und mit Zeltdach. Die Gemeinde ... ... hatte dem Landratsamt im Zuge der Bauüberwachung für das Wohnhaus der Beigeladenen Ende Mai 2006 mitgeteilt, die Garage stehe schon.
Mit Schreiben vom 16.04.2007 bat der Kläger das Landratsamt um Überprüfung der Garage. Ihre Wand sei, gemessen vom natürlichen Gelände, über 4 m hoch. Er gehe davon aus, dass abweichend von der Baugenehmigung gebaut worden sei. Der Kreisbaumeister nahm am 23.05.2007 einen Augenschein ein und fertigte Lichtbilder, darunter dieses:
Am folgenden Tag vermerkte er u.a.: "Die Garage wurde bis zur Süd-Ost Seite zum Hausgrund gerichtet. L= 6,00 Höhe ab Gelände bis OK Traufe = vorne 4,10 hinten 3,90 Wandfläche = 24 m2. Das Gelände war schon so. Im Plan falsch dargestellt. ...". Das Landratsamt gab den Beigeladenen Gelegenheit, sich zu einem Rückbau der Garage auf 3 m Wandhöhe, gemessen vom höchsten Punkt der Geländeoberfläche an der Grenze, zu äußern. Ihr Architekt teilte mit, er habe die Pläne nach einer Geländeaufnahme vom September 2005 gefertigt; Abweichungen könnten nur durch eine nachträgliche Veränderung des Geländes auf dem Grundstück des Klägers aufgetreten sein.
Der Kläger bestritt solche Veränderungen und beantragte die Anordnung eines Rückbaus der Garage. Er habe auf seinem Grundstück zwar eine Terrassenplatte ersetzt, dabei das Höhenniveau aber nicht verändert. Zum Nachweis des Geländezustands vor und nach Errichtung der Garage legte er Lichtbilder vor. Die Beigeladenen legten dar, das Gelände auf dem Grundstück des Klägers sei bei den Bauarbeiten deutlich höher gewesen. Sie regten an, Vermessungstechniker F. dazu anzuhören.
Das Landratsamt lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 03.12.2008 ab. Zwar sei die Garage wegen ihres von der Baugenehmigung abweichenden Standortes und einer mehr als 3 m hohen Wand im Widerspruch zu § 6 Abs. 1 LBO errichtet worden. Auch lägen keine Gründe für eine Abweichung, Ausnahme oder Befreiung vor. Gleichwohl werde von einer nach § 64 Satz 1 LBO möglichen Abbruchanordnung aus besonderen Gründen abgesehen. Ein solcher Grund sei, dass der Geländeverlauf an der Grenze bei Errichtung der Garage wegen möglicher Veränderungen auf beiden Grundstücken nicht mehr zweifelsfrei zu ermitteln sei. Auf dem Grundstück des Klägers habe es solche Veränderungen im Zuge der Absenkung seines Einfamilienhauses im Jahr 1995 gegeben. Indiz dafür seien eine ca. 0,8 m hohe Stützmauer beim Kellerabgang und übereinander geschichtete Natursteine beim Hauszugang. Der Umfang dieser Geländeveränderung sei anhand der Bauakten nicht nachzuvollziehen. Aber auch auf dem Baugrundstück sei beim Bau der Sockelwand für die Garage möglicherweise bis auf das Niveau des Hauszugangs auf dem Grundstück des Klägers abgegraben worden. Allerdings müsse das Gelände wegen der 0,8 m hohen Stützmauer auf dem Grundstück des Klägers mindestens so hoch gewesen sein. Ausgehend davon wären Garagen- und Sockelwand um 0,3 m zu hoch. Es sei aber auch nicht auszuschließen, dass das Gelände zwischen Stützmauer und Grenze noch bis auf 1,2 m angestiegen sei. Dann wäre die Garage rechtmäßig errichtet. Ein weiterer besonderer Grund sei, dass Belichtung und Belüftung der Räume an der Nordostseite des Wohnhauses des Klägers nicht erheblich eingeschränkt seien. Ferner wäre ein Rückbau wegen enormer Kosten unverhältnismäßig. Schließlich sei ein Anspruch auf Einschreiten verwirkt. Der Kläger sei zum Bauantrag gehört worden und habe nichts eingewendet. Die Garage sei bereits im April 2006 errichtet gewesen. Der Kläger habe das Landratsamt aber erst ein Jahr später auf ihre über 4 m hohe Wand hingewiesen. Damals sei die Garage bis auf Verputz-Arbeiten fertiggestellt gewesen. Abweichungen von Baugenehmigungen oder eine illegale Bautätigkeit müssten in angemessener Frist von im Regelfall etwa einem Monat nach Kenntnisnahme angezeigt werden, um ein Recht auf Einschreiten nicht zu verwirken. Der Kläger habe jedoch zwölf Monate gewartet. Unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte überwiege das Interesse der Beigeladenen, die Garage unverändert zu belassen, das Interesse des Klägers am Rückbau.
Mit seinem Widerspruch brachte der Kläger vor, der frühere Geländeverlauf sei anhand seiner Lichtbilder und durch einen Sachverständigen feststellbar. Er habe erst nach Vollendung des Rohbaus der Garage mit eigener Recherche unter Zuhilfenahme sachkundiger Personen erkennen können, dass die Garage abweichend von der Baugenehmigung errichtet worden sei. Das Regierungspräsidium Stuttgart wies den Widerspruch mit Bescheid vom 25.03.2010, zugestellt am 29.03.2010, zurück.
Am 29.04.2010 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben, sein Vorbringen wiederholt und vertieft, Zeugen benannt sowie weitere Lichtbilder vorgelegt. Er hat beantragt, den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide zu verpflichten, gegenüber den Beigeladenen den Abbruch der Garage anzuordnen. Der Beklagte und die Beigeladenen haben Klageabweisung beantragt. Die Beigeladenen haben angeregt, Vermessungstechniker F. als Zeugen zu hören, und bestritten, die Garage als Schlachtraum zu nutzen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach Einnahme eines Augenscheins mit Urteil vom 12.03.2012 abgewiesen. Der Kläger könne weder den Erlass einer Abbruchanordnung noch eine erneute Bescheidung beanspruchen. Das Gericht folge den Begründungen der Bescheide und weise auf Folgendes hin: Die Garage sei wegen ihres anderen Standortes zwar nicht durch die Baugenehmigung vom 03.07.2006 gedeckt, jedoch nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 LBO ohne Abstandsfläche zulässig. Ihre Wand sei nicht mehr als 3 m hoch. Unterer Bezugspunkt dafür sei nach § 5 Abs. 4 Satz 2 LBO ihr Schnittpunkt mit der Geländeoberfläche. Sei die Garage - wie hier - auf eine Stützmauer aufgesetzt, sei die Unterkante des Garagenfundaments der untere Bezugspunkt. Die Stützmauer sei nicht anzurechnen, weil sie eine selbstständige bauliche Anlage sei und weil andernfalls Garagen, die für alle Autotypen tauglich seien, in erheblicher Zahl nicht errichtet werden könnten. Dass die Stützmauer öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspreche, sei nicht ersichtlich. Auch für eine missbräuchliche Gestaltung der Geländeoberfläche spreche nichts. Unabhängig davon läge wegen nicht mehr sicher feststellbarer Abgrabungen auf dem Grundstück des Klägers kein Verstoß gegen § 6 Abs. 1 LBO vor. Selbst bei einem solchen Verstoß sei das Ermessen der Behörde nicht zu einer Pflicht zum Einschreiten verdichtet. Der Kläger habe den im Genehmigungsverfahren beantragten Standort der Garage gekannt und bei Baubeginn oder spätestens Fertigstellung der Garage erkennen müssen, dass sie abweichend davon errichtet worden sei. Dass er dies fast ein Jahr nicht gerügt habe, bleibe unverständlich. Dies sei ungeachtet dessen, ob Verwirkung vorliege oder nicht, ein sachlicher Gesichtspunkt für die Ablehnung seines Antrags. Schließlich bewirke die Überschreitung der zulässigen Wandhöhe keine intensive Störung und gefährde keine wesentlichen Rechtsgüter.
Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung legt der Kläger dar: Das Verwaltungsgericht habe den Geländeverlauf nicht selbst ermittelt, sondern ungeprüft Angaben des Beklagten übernommen, die den vorgelegten Lichtbildern und weiteren Unterlagen widersprächen. Die Sockelwand unter der Garage sei anzurechnen, da sie mit der Garage eine bauliche Einheit bilde. Das Verwaltungsgericht habe auch nicht überprüft, ob die Wandfläche der Garage 25 m² überschreite. Auch die maximale Grenzbebauung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO sei nicht eingehalten. Außer der Garage befinde sich an der Grenze noch ein 3 m langer und 2,10 m hoher Hundezwinger und dazwischen stehe noch eine 1,8 m hohe und 6,25 m lange Palisadenwand, die zwar ca. 0,6 m von der Grenze zurückgesetzt sei, aber den Mindestabstand nicht einhalte und daher wie eine Grenzbebauung zu bewerten sei. Gleiches gelte für eine 5,1 m lange und 2,3 m hohe Palisadenwand hinter dem Hundezwinger. Ein Verstoß gegen Abstandsflächenvorschriften sei stets eine erhebliche und vom Nachbarn nicht hinzunehmende Beeinträchtigung. Raum für Ermessen bestehe insoweit nicht. Sein Anspruch sei nicht verwirkt, da er sofort nach Beginn der Baumaßnahmen bei der Gemeinde vorstellig geworden sei.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.03.2012 - 2 K 1538/10 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landratsamts Esslingen vom 03.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.03.2010 zu verpflichten, gegenüber den Beigeladenen den Abbruch der Garage auf dem Baugrundstück anzuordnen.
12 
Der Beklagte und die Beigeladenen verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen jeweils,
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die Berufung zurückzuweisen.
14 
Das ursprüngliche Geländeniveau sei nicht mehr sicher feststellbar. Der Kläger müsse sich den in den Bauanträgen für sein Einfamilienhaus dargestellten Geländeverlauf zurechnen lassen. Palisadenwände seien auf die zulässige Länge der Grenzbebauung nicht anzurechnen. Die Beigeladenen legen ferner dar, Vermessungstechniker F. habe das Geländeniveau auf dem Baugrundstück im September 2005 ermittelt. Er könne bestätigen, dass das Geländeniveau auf dem Grundstück des Klägers damals zwei bis drei Steinreihen höher als heute gewesen sei. Die Bauzeichnungen für die Garage seien auf der Grundlage seiner Feststellungen gefertigt worden.
15 
Der Senat hat in einer Berufungsverhandlung am 10.07.2013 das Grundstück des Klägers und dessen nähere Umgebung in Augenschein genommen sowie Vermessungstechniker F. und eine Tochter des Klägers als Zeugen vernommen. Der Kläger und die Beigeladenen haben hilfsweise die Vernehmung weiterer Zeugen beantragt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.07.2013 verwiesen.
16 
Der Senat hat anschließend die mündliche Verhandlung wiedereröffnet und ein Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für vermessungstechnische Ingenieurarbeiten P. eingeholt. Der Sachverständige hat die Garage und den topographischen Bestand vermessen und dokumentiert, Informationen über das frühere Gelände aus Baugesuchen, Lichtbildern und Daten einer landesweiten Laserscan-Befliegung des Landesamtes für Geoinformation und Landentwicklung eingeholt und bewertet und anhand dieser Informationen den Geländeverlauf an der Grundstücksgrenze vor Errichtung von Wohnhaus und Garage auf dem Baugrundstück rekonstruiert. Er stellt zusammenfassend u.a. fest: Die Garage habe ca. 56,3 m3 Bruttorauminhalt; ihre Wand sei an der Grundstücksgrenze 5,98 m lang und 2,97 m hoch; die Sockelwand darunter sei bis zum Schnittpunkt mit der heutigen Geländeoberfläche zwischen 1,14 m und 1,30 m hoch; der kürzeste Abstand von ihrem Schnittpunkt mit der heutigen Geländeoberfläche bis zur Dachhaut der Garage betrage derzeit 3,85 m und betrüge unter Berücksichtigung des rekonstruierten Geländeverlaufs vor Errichtung der Garage 3,70 m. Bei Höhenangaben zwischen festen Bauteilen und Gelände sei allerdings mit Abweichungen ± 0,05 m zu rechnen; wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 04.12.2013 mit Ergänzung vom 13.01.2014 verwiesen.
17 
Die Beteiligten haben sich zum Gutachten geäußert. Der Beklagte rügt unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Amtes für Geoinformation und Vermessung beim Landratsamt Esslingen vom 12.03.2014, der frühere Geländeverlauf könne aus Daten der landesweiten Laserscan-Befliegung nicht oder allenfalls mit einer Genauigkeit von ± 0,50 m abgeleitet werden.
18 
In der erneuten Berufungsverhandlung am 24.03.2014 hat der Senat nochmals den Zeugen F. vernommen und der Sachverständige P. hat sein Gutachten unter Berücksichtigung der Einwände des Beklagten erläutert; wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Dazu befragt, ob es bautechnisch möglich wäre, die Gesamthöhe von Garagen- und Sockelwand ohne vollständigen Abriss der Garage zu reduzieren, haben die Beigeladenen angegeben, dies wäre durch Wegnahme von allenfalls bis zu zwei Steinreihen der Garagenwand denkbar. Eine Verminderung der Gesamthöhe um mindestens 0,7 m erforderte die Wegnahme von noch mehr Steinreihen und ließe eine sinnvolle Nutzung des verbleibenden Garagenraumes nicht mehr zu.
19 
Dem Senat liegen mehrere Bände Bauakten des Landratsamts, die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart und die Gerichtsakten vor. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt dieser Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
A.
20 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Verpflichtungsklage zu Unrecht abgewiesen. Die Ablehnung des Beklagten, gegenüber den Beigeladenen den Abbruch der Garage anzuordnen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinem auf Erlass einer solchen Anordnung gerichteten Rechtsanspruch nach § 65 Satz 1 LBO.
21 
Nach § 65 Satz 1 LBO kann der teilweise oder vollständige Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Bei der Auslegung und Anwendung dieser Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums sind Bedeutung und Tragweite des Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG einschließlich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. BVerfG, 1. Kammer des 1. Senats, Beschluss vom 02.09.2004 - 1 BvR 1860/02 - NVwZ 2005, 203, juris Rn. 11). Demzufolge beantwortet sich die Frage, ob eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, nach dem Zeitpunkt ihrer - wesentlichen - Fertigstellung (vgl. BVerwG, Urteile vom 28.06.1956 - I C 93.54 - BVerwGE 3, 351 <353 f.> und vom 22.01.1971 - IV C 62.66 - NJW 1971, 1624, juris Rn. 23 m.w.N; Schlotterbeck in Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 6. Auflage, § 65 Rn. 6), wie auch der Wortlaut der Norm ("wurde") verdeutlicht. Für die Beurteilung, ob auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können, kommt es demgegenüber auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung oder - im Falle der behördlichen Ablehnung eines Einschreitens - der gerichtlichen Entscheidung an. Ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften i. S. des § 65 Satz 1 LBO kann durch die Erteilung einer Baugenehmigung allerdings - rückwirkend - unerheblich werden, wenn und solange die Baugenehmigung infolge ihrer Legalisierungswirkung die errichtete Anlage deckt (vgl. Schlotterbeck, a.a.O. § 65 Rn. 7 und § 47 Rn. 30 f.; Sauter, LBO, 3. Auflage, 31. Lfg. § 65 Rn. 25 ff. jeweils m.w.N., st. Rspr.).
22 
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat die zuständige Baurechtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 40 LVwVfG) unter Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange zu entscheiden (Senatsurteil vom 09.11.1990 - 8 S 1013/90 - BauR 1991, 185 m.w.N.). Zweck dieser Ermächtigung sind Bewahrung und Wiederherstellung der baurechtlichen Ordnung im öffentlichen Interesse. Drittschutz vermittelt sie insoweit nur ausnahmsweise, wenn und soweit eine vom Anwendungsbereich der Landesbauordnung erfasste Anlage gegen eine auch dem Schutz eines Dritten (Nachbarn) dienende öffentlich-rechtliche Vorschrift verstößt. In diesem Fall begründet § 65 Satz 1 LBO einen subjektiven öffentlich-rechtlichen Anspruch des Dritten, dass die Behörde über seinen Antrag, den teilweisen oder vollständigen Abbruch der Anlage anzuordnen, nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, das unter besonderen Voraussetzungen aber auch auf eine Pflicht zum Einschreiten i. S. eines Rechtsanspruchs des Dritten ("auf Null") reduziert sein kann (st. Rspr., vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 19.07.2007 - 3 S 1654/06 - VBlBW 2008, 184 und vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 - VBlBW 2003, 470; Senatsbeschluss vom 26.10.1994 - 8 S 2763/94 - ESVGH 45, 105; Sauter, a.a.O. § 65 Rn. 77; Schlotterbeck, a.a.O. § 65 Rn. 29 i.V.m. § 47 Rn. 109 ff. m.w.N.).
23 
Hiernach ist der Beklagte gegenüber dem Kläger verpflichtet, den vollständigen Abbruch der an der Grenze zum Grundstück des Klägers stehenden Garage anzuordnen. Denn diese Anlage wurde im Widerspruch zur Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO errichtet, die auch den Kläger als Eigentümer des angrenzenden Nachbargrundstücks schützt (I.), rechtmäßige Zustände können nicht auf andere Weise hergestellt werden (II.) und bei dieser Sachlage ist das Ermessen des Beklagten auf die Pflicht reduziert, zur Beseitigung der Nachbarrechtsverletzung des Klägers gegenüber den Beigeladenen den vollständigen Abbruch der Garage anzuordnen (III.). Ob die Errichtung der Garage weiteren drittschützenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften widersprach, ist danach nicht zu entscheiden.
I.
24 
Die Garage wurde, wie sich aus glaubhaften und auch von anderen Beteiligten nicht bestrittenen Angaben des Klägers, einzelnen Lichtbildern sowie der Mitteilung der Gemeinde ... an das Landratsamt vom 25.04.2006 (Blatt 70 der das Wohnhaus der Beigeladenen betreffenden Bauakten) ergibt, irgendwann zwischen Ende September 2005 und April 2006 im Wesentlichen fertiggestellt und damit i. S. des § 65 Satz 1 LBO errichtet. Dies widersprach § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO und damit zugleich dem Recht des Klägers auf Beachtung dieser auch sein Nachbargrundstück schützenden Vorschrift (1.). Diese Rechtsverletzung ist durch die Baugenehmigung vom 03.07.2006 nicht unerheblich geworden (2.).
25 
1. a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 LBO müssen vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen auf dem Baugrundstück liegen, die von oberirdischen baulichen Anlagen freizuhalten sind. Ihre Tiefe bemisst sich nach der Wandhöhe (§ 5 Abs. 4 Satz 1 LBO) und gegebenenfalls der Gebietsart (§ 5 Abs. 7 Satz 1 LBO). Sie darf jedoch bei Wänden über 5 m Breite 2,5 m nicht unterschreiten (vgl. § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO), was nach der bei Errichtung der Garage noch geltenden alten Fassung (a.F.) der Landesbauordnung vom 08.08.1995 (GBl. S. 617) vor Inkrafttreten des - insbesondere das Abstandsflächenrecht betreffenden - Änderungsgesetzes vom 17.11.2009 (GBl. S. 615) gemäß § 5 Abs. 7 Satz 3 Halbsatz 2 LBO a.F. zugleich das Minimum des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe markierte. Diese Anforderungen wurden bei Errichtung der Garage nicht beachtet. Denn die Garage wurde ohne die hiernach gebotene Abstandsfläche von mindestens 2,5 m Tiefe unmittelbar an der Grenze zum Nachbargrundstück des Klägers errichtet, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist.
26 
b) Entgegen der Auffassung des Beklagten und des Verwaltungsgerichts waren die Voraussetzungen für einen Sonderfall nach § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO a.F., bei dem eine Abstandsfläche nicht erforderlich war, nicht erfüllt.
27 
Nach dieser Vorschrift waren Abstandsflächen nicht erforderlich vor Außenwänden von Gebäuden oder Gebäudeteilen, die nur Garagen oder Nebenräume enthalten, der örtlichen Versorgung dienen oder sich auf öffentlichen Verkehrsflächen befinden, soweit die Wandhöhe nicht mehr als 3 m beträgt (Nr. 1) und die Wandfläche nicht größer als 25 m² ist (Nr. 2); die Grenzbebauung entlang den einzelnen Nachbargrenzen durfte 9 m und insgesamt 15 m nicht überschreiten (§ 6 Abs. 1 Satz 4 LBO a.F.). Hier fehlte es bereits an der Erfüllung der Voraussetzung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO a.F.. Denn die Wandhöhe der Garage (aa)) betrug bei ihrer Fertigstellung deutlich mehr als 3 m (bb)). Ob - wie der Kläger meint - auch weitere Voraussetzungen für einen Sonderfall nach § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO a.F. nicht erfüllt waren, bedarf folglich keiner Entscheidung.
28 
aa) Für die Berechnung der Wandhöhe i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO a.F. (jetzt § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO) gelten grundsätzlich die allgemeinen Regelungen (§ 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 sowie Abs. 5 LBO; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.07.2000 - 5 S 2324/99 - NVwZ-RR 2001, 501). Danach wird senkrecht zur Wand gemessen vom Schnittpunkt der Wand mit der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand, wobei die Höhe von Dächern und Giebelflächen gegebenenfalls (§ 5 Abs. 5 LBO) auf die Wandhöhe angerechnet wird. Bei einer unterschiedlichen Höhenlage der Geländeoberfläche wird jedoch abweichend von den allgemeinen Regelungen nicht auf die im Mittel gemessene Wandhöhe, sondern auf die Wandhöhe am höchsten Punkt der Geländeoberfläche abgestellt (§ 6 Abs. 1 Satz 3 LBO a.F.; jetzt § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO). Liegen auch Bau- und Nachbargrundstück unterschiedlich hoch, kommt es insoweit regelmäßig nur auf die Geländeoberfläche auf dem Baugrundstück an (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.10.1995 - 3 S 2418/95 - VBlBW 1996, 145; Busch in Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, a. a. O. § 6 Rn. 23 unter Bezugnahme auf VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.04.1992 - 3 S 2431/91 -). Veränderungen des Geländes im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben sind abstandsflächenrechtlich nur beachtlich, wenn es für sie einen rechtfertigenden Grund gibt; fehlt es daran, ist die Geländeveränderung unbeachtlich (st. Rspr., vgl. Senatsbeschlüsse vom 20.02.2004 - 8 S 336/04 - VBlBW 2004, 267 und vom 05.05.1998 - 8 S 864/98 - BRS Bd. 60 Nr. 108 m.w.N.; ebenso VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 07.02.2006 - 3 S 60/06 - VBlBW 2006, 240 und vom 29.11.2010 - 3 S 1019/09 - NVwZ-RR 2011, 272).
29 
Eine als Fundament einer Grenzgarage dienende grenzständige Sockelwand ist, soweit sie über der natürlichen Geländeoberfläche liegt, auf die Wandhöhe der Garage anzurechnen. Denn die Geländeoberfläche i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 3 LBO a.F. (jetzt § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO) ist in seinem solchen Fall nicht - wie das Verwaltungsgericht und ihm folgend wohl auch der Beklagte in seiner Berufungserwiderung meinen - die Oberkante einer solchen Sockelwand. Der Begriff "Geländeoberfläche" ist in der Landesbauordnung zwar nicht allgemein definiert. Jedoch verbietet schon der allgemeine Sprachgebrauch, ihn mit einer - künstlichen - "Sockelwand“ gleichzusetzen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 20.02.2004 - 8 S 336/04 - VBlBW 2004, 267). Der Einwand des Verwaltungsgerichts, die Höhe der Sockelwand sei deshalb nicht anzurechnen, weil die Sockelwand bei einer Terrassierung des Geländes als eigenständige Stützmauer verfahrensfrei an der Grenze errichtet werden könne und es keinen Unterschied mache, ob eine solche Anlage vor oder zusammen mit einer Grenzgarage errichtet werde, überzeugt nicht. Diese Überlegung verkennt, dass eine solche Stützmauer an der Grenze dann, wenn sie durch eine bauliche Änderung die Funktion als Fundament (Sockelwand) einer darauf gesetzten Garage übernähme, ihre bauliche Selbständigkeit aufgäbe. Denn als Fundament der Garage würde sie ein unselbständiger Bauteil derselben und bildete mit ihr eine bauliche Einheit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.04.1992 - 3 S 2431/91 - juris Rn. 25). Für die Anrechnung des über dem natürlichen Gelände liegenden Teils der Sockelwand sprechen nicht zuletzt Sinn und Zweck der Vorschriften über Abstandsflächen, Beeinträchtigungen der Belichtung, Belüftung und Besonnung eines Nachbargrundstücks durch grenznahe oder grenzständige bauliche Anlagen zu begrenzen. Dem Nachbarn soll eine auf seinem Grundstück über der Geländeoberfläche in Erscheinung tretende Wand von höchstens 3 m zugemutet werden. Höhere Wände und die damit einhergehende stärkere Verschattung und "Einmauerung" seines Grundstücks muss er im Regelfall nicht hinnehmen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.04.1992, a.a.O. zur Wandfläche von maximal 25 m2). Der über dem natürlichen - abfallenden - Gelände liegende Teil einer als Fundament einer Grenzgarage dienenden Sockelwand kann bei der Ermittlung der Wandhöhe demzufolge ebenso wenig als Geländeoberfläche angesehen werden wie eine einseitig angeschüttete Zufahrtsrampe (vgl. Sauter, a.a.O, § 6 Rn. 23a und Abb. 5). Die Sockelwand ist vielmehr als Teil der Garage anzusehen und daher auf deren Wandhöhe anzurechnen. Aus dem vom Beklagten zitierten Senatsbeschluss vom 27.09.1999 - 8 S 2049/99 - folgt nichts Anderes. Zwar hat der Senat darin zur Berechnung der Wandhöhe auf den Garagenboden abgestellt. Wie sich aus dem Kontext der Gründe dieses Beschlusses ergibt, beruhte dies jedoch darauf, dass das Höhenniveau des Garagenbodens demjenigen der natürlichen Geländeoberfläche entsprach.
30 
bb) Gemessen daran betrug die Wandhöhe bei Fertigstellung der Garage, gemessen vom höchsten Schnittpunkt ihrer als Fundament anzurechnenden (s.o.) Sockelwand mit der Geländeoberfläche (§ 6 Abs. 1 Satz 2 LBO a.F.) bis zur Dachhaut der Garage (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 2 LBO a.F.), mindestens 3,7 m ± 0,05 m, weil das Höhenniveau der Geländeoberfläche dort damals nahezu dem heutigen Höhenniveau des Geländes auf dem Grundstück des Klägers unmittelbar an der Grenze zum Baugrundstück entsprach. Davon ist der Senat aufgrund einiger Lichtbilder des Klägers, des Aktenvermerks des Kreisbaumeisters vom 24.07.2007 und des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen P. überzeugt; eine weitergehende Erforschung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht geboten.
31 
(1) Bereits einige der vom Kläger vorgelegten Lichtbilder über den Zustand des Geländes auf beiden Grundstücken nach dem Bau des Wohnhauses auf dem Grundstück des Klägers sowie unmittelbar vor und nach dem Bau von Wohnhaus und Garage der Beigeladenen belegen, dass der Geländeverlauf auf dem Baugrundstück an der Grenze zum Grundstück des Klägers vor dem Bau der Garage in etwa dem Höhenniveau des Geländes auf dem Grundstück des Klägers entsprach, wie es der Kreisbaumeister am 23.05.2007 festgestellt sowie bildlich (s.o.) dokumentiert und wie es auch der Senat beim Augenschein unverändert festgestellt hat. Das gilt zum einen für die Bilder "B5" vom 24.07.2005 und "B9" vom 26.08.2005 in der mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 06.08.2010 (S. 49 - 59 der VG-Akte) übersandten Lichtbilddokumentation. Denn auf diesen Lichtbildern ist das Gelände in der näheren Umgebung des späteren Standortes der streitigen Garage vor und während der Errichtung des Wohnhauses der Beigeladenen gut zu erkennen. Zum anderen gilt dies für mehrere Bilder in den mit Schriftsatz vom 18.07.2011 (S. 139 - 153 der VG-Akte) übermittelten Lichtbildanlagen, und zwar die ersten zwei Bilder der "Lichtbildanlage Nr. 10" aus dem Jahr 1994 und vom 04.07.2007, auf denen vom jeweils selben Standort am Eingang des Wohnhauses des Klägers mit Blick auf das Baugrundstück ein nahezu identisches Höhenniveau des Geländes an der Grenze auszumachen ist, sowie die Bilder in den "Lichtbildanlagen Nr. 11 und 12", auf denen das streitige Gelände in den Jahren 1994, 1999 und im Juli 2005 gut zu erkennen ist. Schon beim Vergleich dieser Aufnahmen mit dem heutigen Geländezustand erscheinen die Behauptungen der Beigeladenen, das Gelände auf dem Grundstück sei bei den Bauarbeiten deutlich höher gewesen und nach dem Bau der Garage verändert worden, nicht richtig. Dafür spricht auch die Feststellung des orts- und fachkundigen (vgl. § 46 Abs. 4 LBO) Kreisbaumeisters in seinem Aktenvermerk vom 24.07.2007: "Das Gelände war schon so." Dieser Aussage widerspricht allerdings die Darstellung des Geländeverlaufs in der von den Beigeladenen im vorangegangenen Baugenehmigungsverfahren für eine Garage vorgelegten Bauzeichnung "Ansicht Südwest" vom 05.10.2005. Denn darin ist der Verlauf des Geländes an der Grenze deutlich höher eingezeichnet. Insoweit haben auch die Angaben des sachverständigen Zeugen F. keine Klarheit erbracht. Der Zeuge hat zwar angegeben, die Bauzeichnung beruhe wohl auf seiner Vermessung des Geländes Anfang des Jahres 2005, er habe sie aber nicht selbst angefertigt. Auch konnte sich der Zeuge F. vor Ort nicht mehr an Details des Geländeverlaufs im Grenzbereich beider Grundstücke vor Errichtung von Wohnhaus und Garage auf dem Baugrundstück erinnern. Ähnliches gilt für die Aussage der Tochter des Klägers. Sie hat im Wesentlichen nur Angaben zur Höhe einer Natursteinmauer auf dem Grundstück des Klägers nahe der Grundstücksgrenze gemacht, konnte sich an den Verlauf des dahinter liegenden Geländes auf dem Baugrundstück aber nicht erinnern.
32 
(2) Hiernach verbliebene Zweifel am früheren Geländeverlauf sind durch das Gutachten des Sachverständigen P. ausgeräumt. Danach betrug die Wandhöhe der Garage einschließlich Sockelwand (s.o.) nach ihrer Fertigstellung, gemessen vom höchsten Schnittpunkt der Sockelwand mit der damaligen Geländeoberfläche bis zur Dachhaut der Garage, mindestens 3,7 m ± 0,05 m, was die sich aus den Lichtbildern ergebenden Indizien und die Feststellung des Kreisbaumeisters bestätigt.
33 
Der Sachverständige hat alle verfügbaren Informationen über den früheren Geländezustand gesichtet und bewertet. Er hat zunächst in einem ersten Schritt das Liegenschaftskataster Baden-Württemberg sowie topographische und bauleitplanerische Unterlagen der Gemeinde ... eingesehen. Er stellt fest, dass Informationen über den Bestand des Geländes vor Errichtung von Wohnhaus und Garage auf dem Baugrundstück nur in Baugesuchen für die Bauvorhaben des Klägers und der Beigeladenen enthalten seien (S. 2 bis 4 des Gutachtens vom 04.12.2013 unter Nr. 3.1). Sodann hat er in einem zweiten Schritt anhand dieser Bauvorlagen dargelegt, dass die zeichnerischen Darstellungen und Angaben über den Geländeverlauf in den Bauvorlagen des Klägers von 1993 und 1995 (Wohnhaus, Garage) sowie der Beigeladenen von 2005 und 2006 (Wohnhaus, Garage) keinen gesicherten Schluss auf den (Höhen-)Verlauf der Geländeoberfläche vor Errichtung von Wohnhaus und Garage auf dem Baugrundstück zuließen, weil sie mehrfach widersprüchlich seien und voneinander abwichen. Zudem ließen die vom Kläger vorgelegten Lichtbilder nicht den Schluss zu, dass das Gelände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze im Zuge der Bauaktivitäten aufgeschüttet worden sei (Gutachten S. 11 - 16 unter Nr. 5). Der Sachverständige hat sodann in einem dritten Schritt aus einer in den Jahren 2000 bis 2005 vom Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung (LGL) durchgeführten Laserscan-Befliegung des Landes Baden-Württemberg für das engere Gebiet des Baugrundstücks und umgebende Flächen eine im Jahr 2002 gewonnene "Punktwolke" mit hinterlegten Höhendaten des Geländes verwertet, deren Genauigkeit das LGL mit ± 0,20 m angibt. Der aus diesen Informationen ableitbare Geländeverlauf an der streitigen Südwestgrenze des Baugrundstücks entspreche in weiten Teilen dem aktuellen Geländeverlauf an der Mauer auf dem Nachbargrundstück des Klägers (Gutachten S. 16 - 19 unter Nr. 6.1). Die Tragfähigkeit dieser Schlussfolgerung wird sodann in einem abschließenden vierten Schritt anhand weiterer Erkenntnisse, insbesondere aus Lichtbildern über die Örtlichkeit zu verschiedenen Zeitpunkten, Plänen aus Baugesuchen und des vom Sachverständigen aufgenommenen aktuellen Geländezustands bestätigt. Aus der hiernach erstellten Planzeichnung Anlage 21 zum Gutachten ergibt sich zwischen dem höchsten Schnittpunkt der Sockelwand der Garage mit der unter Berücksichtigung der Daten der Laserscan-Befliegung des Jahres 2002 gewonnenen, als blaue Linie dargestellten Geländeoberfläche an der Grenze bis zur Dachhaut der Garage eine Höhe von 3,70 m. Der in den Unterlagen zum Bauantrag für eine Garage auf dem Baugrundstück dargestellte Geländeverlauf habe daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht den tatsächlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt des Bauantrags entsprochen (Gutachten S. 19 - 22 unter Nr. 6.2 und 6.3 und S. 25, dritter Absatz). Der Sachverständige weist abschließend darauf hin, dass bei den Höhenangaben zwischen festen Bauteilen und der Geländeoberfläche mit Abweichungen ± 0,05 m zu rechnen sei, weil Geländepunkte nicht eindeutig und klar definiert seien (Gutachten S. 25 letzter Absatz). Der Senat hält diese Feststellungen und Bewertungen für überzeugend. Mängel des Gutachtens, insbesondere was Methodik und Schlussfolgerungen angeht, sind nicht erkennbar; einzelne Unklarheiten hat der Sachverständige mit der Erläuterung des Gutachtens in der Verhandlung beseitigt. Die geltend gemachten Bedenken und Einwendungen des Beklagten und der Beigeladenen sind nicht begründet.
34 
Der Beklagte macht - nur - geltend, es bestünden erhebliche Zweifel an der Genauigkeit der Daten aus Laserscan-Befliegung des LGL. Die vom LGL mit ± 0,20 m angegebene Genauigkeit beziehe sich nur auf eindeutige Oberflächen. Das aus diesen Daten vom LGL erstellte Digitale Geländemodell (DGM) habe, weil es Flächen ohne Laserpunkte am Boden durch Interpolation schließe und die Modellierung eine leichte Glättung bewirke, nur eine durchschnittliche Genauigkeit von ± 0,50 m, da Qualität und Zuverlässigkeit des DGM von Bewuchs, Geländeform, Bebauung und anderen Faktoren abhängig. Derartige Besonderheiten bestünden auch hier, weil die Geländestruktur an der Grenze zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück des Klägers aufgrund von Mauern, Abstufungen und Bewuchs - wie die dem Gutachten beigefügten Fotos belegten - schwierig sei und es dort nur eine geringe Dichte von originären Laserpunkte gebe bzw. teilweise Messwerte fehlten. Diese Einwendungen greifen nicht durch. Der Sachverständige hat bei seiner Erläuterung des Gutachtens angegeben, ihm sei bekannt, dass die Daten aus der Laserscan-Befliegung mit Unsicherheiten behaftet seien und dass bei einem auf ihrer Grundlage erstellten digitalen Geländemodell in der Regel eine größere Abweichung anzunehmen sei. Hier habe jedoch die Besonderheit bestanden, dass die Höhendaten zahlreicher Laserpunkte mit seinen Messergebnissen vor Ort und den Erkenntnissen aus Lichtbildern überstimmten, was eine größere Genauigkeit rechtfertige. Er habe so viele Punkte in der Wirklichkeit gefunden, die seine Ergebnisse bestätigten, dass aus seiner Sicht daran keine durchgreifenden Zweifel bestünden. Zwar sei ein mathematisches Modell mit Laserpunkten in einem Gelände wie dem vorliegenden nicht sehr aussagekräftig. Er habe seine Ergebnisse jedoch nicht auf das DGM des LGL gestützt und aus Laserpunkten unkritisch hochgerechnet, sondern andere Umstände zur Interpretation herangezogen. Seine Ergebnisse stützten sich auch auf die durch einen relativ homogenen Geländeverlauf geprägten tatsächlichen Gegebenheiten und den Vergleich von Einzelpunkten. Selbst wenn er die Einwände des Beklagten berücksichtige, ergäbe sich nur eine Abweichung von 0,10 bis 0,20 m zu der von ihm rekonstruierten Geländehöhe. Der Senat hält diese Erläuterungen für plausibel und überzeugend. Die Einwendungen des Beklagten erscheinen danach schon deshalb unbegründet, weil sie außer Acht lassen, dass das Gutachten den früheren Geländeverlauf (blaue Linie in der Planzeichnung Anlage 21 zum Gutachten) nicht bloß anhand der Höhendaten aus der Laserscan-Befliegung abstrakt hochgerechnet, sondern unter Berücksichtigung weiterer Erkenntnisse über die Örtlichkeit, insbesondere aus Lichtbildern, Plänen in Baugesuchen und eigenen Messergebnissen des Sachverständigen vor Ort konkret rekonstruiert. Deshalb und weil das Gutachten insoweit auch die sich aus Lichtbildern ergebenden Indizien sowie die Feststellung des Kreisbaumeisters in seinem Aktenvermerk vom 24.07.2007 bestätigt ((1)), besteht auch kein Anlass, unter Berücksichtigung der Einwände des Beklagten eine zusätzliche Abweichung einzurechnen, die nach den ergänzenden Darlegungen des Sachverständigen ohnehin höchstens 0,10 - 0,20 m betrüge. Zu berücksichtigen ist allenfalls die Ungenauigkeitstoleranz ± 0,05 m, auf die der Sachverständige in seinem Gutachten abschließend hinweist.
35 
Die Beigeladenen haben lediglich auf Bedenken des Zeugen F., dem das Gutachten vorgelegt worden sei, verwiesen. Der Zeuge F. hat bei seiner nochmaligen Vernehmung indes nichts vorgebracht, was die Richtigkeit des Gutachtens in Frage stellen könnte. Auf Nachfrage hat er vielmehr der Aussage des Sachverständigen zugestimmt, dass die blaue Linie in der Planzeichnung Anlage 21 zum Gutachten am wahrscheinlichsten den damaligen Geländeverlauf darstelle. Er hat diese Aussage im Folgenden zwar dahin relativiert, er meine damit nicht die tatsächliche Höhe, sondern nur den geraden Verlauf der blauen Linie. Diese Einschränkung stellt die Richtigkeit des Gutachtens im Übrigen jedoch nicht in Frage. Auch die sonstigen Angaben des Zeugen F. zum früheren Geländeverlauf blieben bei seinen beiden Vernehmungen derart unsicher und vage, dass daraus keine Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens abzuleiten sind. Vielmehr bestätigen seine Einlassungen teilweise eher die Erkenntnisse des Gutachtens zum Höhenunterschied zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück des Klägers, wie der Sachverständige auf Vorhalt der Aussage des Zeugen F. in der Verhandlung am 24.03.2014 überzeugend dargelegt hat.
36 
(3) Eine weitere Erforschung des Sachverhalts ist nicht geboten. Die in der Berufungsverhandlung am 10.07.2013 gestellten Hilfsbeweisanträge haben sich durch die Wiederöffnung der mündlichen Verhandlung erledigt. In der erneuten Berufungsverhandlung am 24.03.2014 wurden keine weiteren (Hilfs-)Beweisanträge gestellt. Eine weitere Sachverhaltserforschung, insbesondere durch Vernehmung der benannten weiteren Zeugen, drängt sich auch nicht von Amts wegen auf. Die von den Beigeladenen mit ihrem in der Verhandlung am 10.07.2013 gestellten Hilfsbeweisantrag unter Beweis gestellte Tatsache, „dass das Stützbauwerk unterhalb der Garage auf dem Grundstück des Klägers gemessen ab der Bodenplatte ein Meter hoch war“, ist nicht entscheidungserheblich. Denn für die Berechnung der Wandhöhe kommt es - wie dargelegt - nur auf den Schnittpunkt der Sockelwand (“Stützbauwerk“) mit dem höchsten Punkt der Geländeoberfläche auf dem Baugrundstück, nicht aber auf Umstände auf dem Grundstück des Klägers an. Ungeachtet dessen ist nicht ansatzweise dargelegt oder sonst erkennbar, wann und unter welchen Umständen die von den Beigeladenen insoweit benannten Zeugen Kenntnis über die maßgenaue Höhe der tatsächlich ausgeführten Sockelwand erlangt haben könnten.
37 
2. Der Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO a.F. und die damit einhergehende Rechtsverletzung des Klägers sind durch die Baugenehmigung vom 03.07.2006 nicht unerheblich geworden. Denn diese Baugenehmigung deckt die errichtete Garage nicht. Die genehmigte und die tatsächlich errichtete Garage sind nicht identisch. Das folgt bereits aus ihren deutlich voneinander abweichenden Standorten. Zudem ist das Dach in geänderter Form und Größe ausgeführt worden und die tatsächlich errichtete Garage hat 5,7 m3 mehr Bruttorauminhalt.
II.
38 
Rechtmäßige Zustände können heute nicht auf andere Weise hergestellt werden. Die Erteilung einer Baugenehmigung (§ 58 Abs. 1 Satz 1 LBO) scheidet aus, weil der wegen ihres 40 m3 übersteigenden Bruttorauminhalts und der 3 m überschreitenden mittleren Wandhöhe nicht nach Nr. 1 a) oder b) des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO verfahrensfreien und damit genehmigungspflichtigen (§ 49 LBO) Garage weiterhin die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO entgegensteht und eine Abweichung davon nicht zugelassen werden kann.
39 
1. Die Voraussetzungen für einen § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO a.F. entsprechenden Sonderfall nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO, bei dem eine Abstandsfläche nicht erforderlich ist, sind nach wie vor nicht erfüllt, weil die Wandhöhe der Garage bzw. des Gebäudes einschließlich Sockelwand (s.o.) am höchsten Punkt der Geländeoberfläche (§ 6 Abs. 1 Satz 2 LBO) deutlich mehr als 3 m beträgt. Nach den Feststellungen des Sachverständigen P. beträgt sie ausgehend von den heute vor Ort feststellbaren Geländeverhältnissen an der Grenze zum Grundstück des Klägers sogar 3,85 m (vgl. Gutachten S. 24).
40 
2. Eine Abweichung von § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO kann nicht zugelassen werden.
41 
a) Die Voraussetzungen für die Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 LBO sind nicht erfüllt. Für einen Sonderfall nach Nr. 1 oder Nr. 3 dieser Vorschrift ist von vornherein nichts ersichtlich. Ein Sonderfall nach Nr. 2 scheidet jedenfalls deshalb aus, weil die Unterschreitung des Mindestmaßes der Abstandsflächentiefe nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO die nachbarlichen Belange des Klägers als Eigentümer des angrenzenden Grundstücks i. S. dieser Vorschrift erheblich beeinträchtigt.
42 
aa) Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs zur gleichlautenden Vorschrift des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO a.F. ist von der normativen Wertung auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig vorliegt, wenn der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe i. S. des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO a.F. unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist. Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsbeschluss vom 14.01.2010 - 8 S 1977/09 - NVwZ-RR 2010, 387 m.w.N.). An dieser Rechtsprechung ist nach dem Wegfall der gesetzlichen Unterscheidung zwischen nachbarschützenden und nicht nachbarschützenden Teilen der Abstandsflächentiefe durch das Änderungsgesetz vom 17.11.2009 (GBl. S. 615) jedenfalls für den hier gegebenen Fall einer Unterschreitung der Mindesttiefe der Abstandsfläche von 2,5 m nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO festzuhalten (Senatsurteil vom 06.04.2010 - 8 S 1529/08 - VBlBW 2011, 67). Das Interesse des Nachbarn deutlich mindernde oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassende Besonderheiten können sich aus den tatsächlichen Verhältnissen auf seinem Nachbargrundstück oder aus rechtlichen Besonderheiten ergeben, die beim Nachbargrundstück im Verhältnis zum Bauvorhaben vorliegen (Senatsbeschluss vom 14.01.2010, a.a.O. m.w.N.). Eine solche Besonderheit kann etwa darin bestehen, dass der Nachbar das Vorhaben in seiner grenznahen Lage schon seit langer Zeit in einer für den Bauherrn Vertrauen begründenden Weise hingenommen und sein materielles Abwehrrecht verwirkt hat (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 - VBlBW 2008, 190, juris Rn. 18). Bei der baulichen Änderung eines bestehenden grenznahen Gebäudes kann es aber auch ungeachtet von Besonderheiten auf dem Nachbargrundstück auf einen konkreten Vergleich zwischen vorhandenen und künftigen Beeinträchtigungen ankommen (Senatsbeschluss vom 27.11.2013 - 8 S 1813/13 - BauR 2014, 533, juris Rn. 20 und 23).
43 
bb) Im vorliegenden Fall gibt es weder solche Besonderheiten noch geht es um die bauliche Änderung eines grenznahen bestehenden Gebäudes.
44 
Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Nachbargrundstücks des Klägers wären insbesondere nicht deshalb gemindert, wenn das Gelände auf diesem Grundstück im Zuge der Errichtung des Einfamilienhauses in den 1990iger Jahren abgegraben worden sein sollte, um die tiefere Ausführung der Erdgeschoss-Fußbodenhöhe dieses Gebäudes zu ermöglichen. Die abstandsflächenrechtliche Schutzwürdigkeit des Grundstücks in Bezug auf Belichtung, Belüftung und Besonnung wäre dadurch schon deshalb nicht gemindert, weil eine solche Abgrabung, jedenfalls soweit sie das Gelände unterhalb der streitigen Garage bis zum Wohnhaus des Klägers beträfe, durch die weitere Baugenehmigung vom 01.02.1995, gegen die die beteiligten Eigentümer angrenzender Grundstücke damals keine Einwendungen erhoben haben, gedeckt würde. Zwar legalisiert diese Baugenehmigung ausdrücklich nur die um etwa 1 m tiefer ausgeführte Erdgeschoss-Fußbodenhöhe für das Einfamilienhaus. Diese Regelung schließt aber konkludent eine dazu gegebenenfalls notwendige Abgrabung des Geländes ein und erstreckt sich insoweit auch auf die zur bestimmungsgemäßen Benutzung des Einfamilienhauses notwendigen Flächen unmittelbar neben dem Gebäude, insbesondere für den Hauszugang an der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen. Ob das Gelände auf dem Grundstück des Klägers damals tatsächlich in diesem Umfang abgegraben worden ist, kann folglich offen bleiben.
45 
Der Kläger hat die Garage auch nicht seit langer Zeit in einer für die Beigeladenen Vertrauen begründenden Weise hingenommen und sein materielles Abwehrrecht verwirkt. Dies setzte voraus, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Abwehrrechts längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die seine verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist der Fall, wenn erstens der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), zweitens der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt würde (Vertrauenstatbestand) und drittens er sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung). Bei öffentlich-rechtlichen Nachbarstreitigkeiten ist insoweit die Besonderheit zu beachten, dass sich der Abwehranspruch des von einem Bauvorhaben berührten Nachbarn zwar formell gegen die Behörde richtet, von der Rechtsausübung materiell betroffen aber der Bauherr ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.09.1991 - 3 S 2000/91 - VBlBW 1992, 103 m.w.N.).
46 
Hier fehlt es bereits an einer Vertrauensgrundlage. Die Beigeladenen konnten im April 2007, als der Kläger gegenüber der zuständigen Baurechtsbehörde die zu hohe Garagen-/Sockelwand und eine von der Baugenehmigung abweichende Bauausführung der Garage rügte, nicht infolge eines bestimmten Verhaltens des Klägers darauf vertrauen, dass dieser sein Abwehrrecht nicht mehr geltend machen würde. Zwar war die Garage zu diesem Zeitpunkt bis auf Verputzarbeiten bereits über ein Jahr fertiggestellt. Allein dieser Zeitraum der Untätigkeit des Klägers begründete für die Beigeladenen jedoch keine Vertrauensgrundlage. Was die "lange Zeit" anbelangt, während der der Nachbar sein Recht nicht ausgeübt hat, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, gibt es keine allgemeingültigen Bemessungskriterien; maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182, juris Rn. 18 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.10.2012 - 2 B 1090/12 - juris Rn. 8). Wer sich gegen Rechtsverletzungen wehren will, muss dies aber in angemessener Zeit tun (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13.12.1999 - 4 B 101.99 - BRS Bd. 63 Nr. 203, juris Rn. 7, und vom 08.01.1997 - 4 B 228.96 - juris Rn. 5). Das gilt vor allem für den Nachbarn im Baurecht, weil das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis ihn verpflichtet, durch zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst gering zu halten (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294, juris Rn. 24). Aber auch eine längere Untätigkeit des Nachbarn führt dann nicht zum Verlust des Abwehrrechts durch Verwirkung, wenn der Bauherr das Bauvorhaben bereits sofort verwirklicht, ohne dazu durch das Verhalten des Nachbarn veranlasst worden zu sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991, a.a.O., Rn. 28).
47 
Gemessen daran war der seit den Baumaßnahmen für die Garage bis April 2007 verstrichene Zeitraum nach den Umständen dieses Einzelfalles nicht unangemessen lang. Insoweit fällt zu Lasten der Beigeladenen vor allem ins Gewicht, dass sie die - mit mehr als 40 m3 Brutto-Rauminhalt genehmigungspflichtige (§ 49 Abs. 1 LBO a.F.) - Garage abweichend von ihrem Bauantrag ohne Baugenehmigung sofort errichtet und damit vollendete Tatsachen geschaffen hatten. Sie konnten in der Zeit danach bis April 2007 nicht allein deshalb, weil der Kläger im Baugenehmigungsverfahren keine Einwendungen erhoben hatte, darauf vertrauen, er werde ein materielles Abwehrrecht gegen eine abweichend vom Bauantrag errichtete Garage nicht geltend machen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Kläger in Anbetracht der von Bauantrag und Baugenehmigung abweichenden Bauausführung sowie der unzutreffenden - irreführenden - Darstellung des Geländeverlaufs auf dem Baugrundstück in den Bauvorlagen für die Garage (siehe den Aktenvermerk des Kreisbaumeisters vom 24.05.2007 und das Gutachten des Sachverständigen P. vom 04.12.2013, S. 16) ein längerer Zeitraum zur Überprüfung zuzugestehen war. Bei dieser Sachlage bestand im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis kein begründeter Anlass, deutlich früher aktiv zu werden, um einen wirtschaftlichen Schaden für die Beigeladenen zu vermeiden oder ihren Vermögensverlust möglichst gering zu halten. Ungeachtet dessen ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beigeladenen in der Zeit nach Fertigstellung der Garage bis April 2007 tatsächlich darauf vertraut haben, der Kläger werde sein materielles Abwehrrecht nicht mehr ausüben (Vertrauenstatbestand), oder dass sie sich in diesem Zeitraum in ihren Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihnen durch die erst ab April 2007 betriebene Durchsetzung des materiellen Abwehrrechts des Klägers ein unzumutbarer Nachteil entsteht (Vertrauensbetätigung).
48 
b) Schließlich sind keine Anhaltspunkte dafür dargelegt oder erkennbar, dass eine der Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung, Ausnahme oder Befreiung nach § 56 Abs. 1 bis 5 LBO erfüllt sein könnte.
III.
49 
Unter diesen Voraussetzungen ist das Ermessen der Baurechtsbehörde auf die Pflicht reduziert, zur Beseitigung der Nachbarrechtsverletzung des Klägers gegenüber den Beigeladenen den vollständigen Abbruch der Garage (einschließlich Sockelwand) anzuordnen.
50 
1. Geht es um den Antrag eines Dritten, wegen der Verletzung einer ihn schützenden Vorschrift den Abbruch einer Anlage anzuordnen, ist das Entschließungsermessen der Baurechtsbehörde im Sinne einer Pflicht zum Einschreiten “auf Null“ reduziert, wenn der Rechtsverstoß besonders intensiv ist oder ein wesentliches Rechtsgut des Nachbarn gefährdet und sich nicht anders als durch einen (Teil-)Abbruch der Anlage beseitigen lässt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.09.1991 - 3 S 2000/91 - VBlBW 1992, 103). Das kann auch bei unzumutbaren Beeinträchtigungen des Nachbarn der Fall sein (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.12.1991 - 3 S 2358/91 - VBlBW 1992, 148 m.w.N.). Verstößt eine bauliche Anlage gegen eine drittschützende Vorschrift, die unzumutbare Beeinträchtigungen verbietet, ist die Baurechtsbehörde folglich in der Regel zum Einschreiten verpflichtet, es sei denn, es stünden ihr sachliche Gründe für eine Untätigkeit zur Seite (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 - VBlBW 2003, 470; Beschluss vom 13.12.1991, a.a.O.; Sauter, a.a.O: § 65 Rn. 79 f. m.w.N.). Ein danach gegebener Anspruch auf Einschreiten der Behörde kann allerdings nach Treu und Glauben (§ 242 BGB entspr.) ausgeschlossen, insbesondere verwirkt sein.
51 
Hiernach ist der Beklagte verpflichtet, den Abbruch der Garage (einschließlich Sockelwand) anzuordnen, weil die rechtswidrige Unterschreitung der nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO gebotenen Mindesttiefe der Abstandsfläche die durch diese Vorschrift geschützten nachbarlichen Belange des Klägers hinsichtlich der Belichtung, Belüftung und Besonnung seines Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt und diese Beeinträchtigung nur durch einen Abbruch der Garage zu beseitigen ist (a)), dem Beklagten keine sachlichen Gründe für eine Untätigkeit zur Seite stehen (b)) und der danach gegebene Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB entspr.) ausgeschlossen ist (c)).
52 
a) Bauordnungsrechtliche Abstandsflächenvorschriften gehören mit ihrem unmittelbaren räumlichen Bezug zu Nachbargrundstücken zum Kernbestand des öffentlichen Baunachbarrechts. Ihre nachbarschützende Wirkung besteht nach Sinn und Zweck der Abstandsflächenvorschriften grundsätzlich unabhängig von einer tatsächlich feststellbaren Beeinträchtigung des Nachbarn (Sauter, a.a.O. § 5 Rn. 10). Soweit sie Nachbarschutz vermitteln, indiziert bereits ihre Verletzung die Beeinträchtigung des Nachbarn in Belangen, deren Schutz die Abstandsflächenvorschriften dienen (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.10.1999 - 7 A 998/99 - NVwZ-RR 2000, 205, juris Rn. 30; HessVGH, Urteil vom 26.05.2008 - 4 UE 1626/06 - ESVGH 59, 8, juris Rn. 24; OVG Saarland, Urteil vom 23.04.2002 - 2 R 7/01 - BauR 2003, 1865, jeweils m.w.N.). Allerdings muss nicht jede derart indizierte Beeinträchtigung nachbarlicher Belange auch - im Sinne eines besonders intensiven oder ein wesentliches Rechtsgut des Nachbarn gefährdenden Rechtsverstoßes - stets unzumutbar sein. Für diese Bewertung könnte es vielmehr auch darauf ankommen, ob und inwieweit die bauliche Nutzbarkeit des Nachbargrundstücks im jeweiligen Einzelfall tatsächlich spürbar eingeschränkt wird (vgl. BayVGH; Beschluss vom 04.07.2011 - 15 ZB 09.1237 - juris Rn. 12; OVG Niedersachsen, Urteil vom 16.02.2012 - 1 LB 19/10 - NVwZ-RR, 2012, 427; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.10.2006 - 2 L 680/04 - juris Rn. 6). Einer solchen Einzelfallprüfung bedarf es jedoch nicht, wenn - wie hier - die Mindesttiefe der Abstandsfläche nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO unterschritten wird, kein Sonderfall i. S. des § 6 Abs. 1 LBO vorliegt, und weder eine geringere Tiefe der Abstandsfläche (§ 6 Abs. 3 LBO) noch eine Abweichung, Ausnahme oder Befreiung (§ 56 LBO) zugelassen werden kann. In einem solchen Fall ist dem Nachbarn die durch einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 LBO indizierte Beeinträchtigung seiner durch das Abstandsflächenrecht geschützten Belange grundsätzlich nicht zumutbar. Zwar mag in Bagatellfällen, bei denen es um Über- oder Unterschreitungen um wenige Zentimeter geht, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit oder des Schikaneverbots ausnahmsweise eine andere Bewertung angezeigt sein (vgl. HessVGH, Urteil vom 26.05.2008 - 4 UE 1626/06 - ESVGH 59, 8; OVG Niedersachsen, Urteil vom 29.10.1993 - 6 L 3295/91 - BauR 1994, 86 m.w.N.; ähnlich BayVGH, Beschluss vom 08.03.2007 - 1 ZB 06.898 - juris Rn. 16; a. A. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.03.2007 - 10 B 274/07 - BauR 2007, 1031). Das bedarf aus Anlass dieses Falles aber keiner Entscheidung. Denn ein solcher Bagatellfall liegt hier weder in Bezug auf die nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO gebotene Mindesttiefe der Abstandsfläche noch hinsichtlich der Wandhöhe nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO a.F. bzw. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO vor. Die grenzständige Garage unterschreitet die Mindesttiefe der Abstandsfläche von 2,5 m vollständig bis auf Null und ihre Wandhöhe übersteigt die bei Grenzbauten zulässige Höhe von 3 m um mindestens 0,7 m ± 0,05 m. Die damit indizierte unzumutbare Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange des Klägers ist nur durch die Anordnung eines Abbruchs zu beseitigen. Andere, die Bausubstanz gänzlich schonende Maßnahmen, insbesondere eine bloße Nutzungsuntersagung, genügen nicht.
53 
b) Sachliche Gründe für eine Untätigkeit stehen der Baurechtsbehörde nicht zur Seite. Die in den Begründungen der angegriffenen Bescheide hierzu dargelegten “besonderen Gründe“ tragen die Ablehnung eines baurechtlichen Einschreitens zur Beseitigung der Nachbarrechtsverletzung nicht. Die Erwägung des Landratsamts, der Geländeverlauf an der Grenze bei Errichtung der Garage sei nicht mehr zweifelsfrei zu ermitteln, ist unzutreffend, wie die durchgeführte Beweiserhebung belegt, die auch der Behörde möglich gewesen wäre (§ 24 Abs. 1 LVwVfG). Der die Ablehnung tragende weitere Gesichtspunkt, Belichtung und Belüftung der Räume an der Nordostseite des Wohnhauses des Klägers seien nicht erheblich eingeschränkt, ist kein sachlicher Grund, weil schon wegen der Unterschreitung der Mindesttiefe der Abstandsfläche nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO und mangels eines Bagatellfalles von einer unzumutbaren Beeinträchtigung der abstandsflächenrechtlich geschützten nachbarlichen Belange des Klägers auszugehen ist (s.o.). Schließlich ist ein Abbruch der Garage entgegen der Ansicht des Landratsamts auch nicht wegen - von der Behörde der Höhe nach nicht näher ermittelter - “enormer Kosten“ im engeren Sinne unverhältnismäßig. Die Beigeladenen haben die genehmigungspflichtige Garage vor Erteilung der Baugenehmigung abweichend von ihrem Bauantrag auf eigenes Risiko formell und materiell rechtswidrig errichtet. Der mit einem Abbruch dieser Anlage verbundene, zweifellos nicht unerhebliche finanzielle Aufwand ist im Verhältnis zum Gewicht des Nachbarrechtsverstoßes nicht unangemessen und den Beigeladenen zumutbar. Würde der in die (nachbar-)rechtswidrige Errichtung baulicher Anlagen investierte Kostenaufwand berücksichtigt, wäre dies geradezu eine Ermunterung, finanziell besonders aufwändige Vorhaben zunächst illegal zu realisieren, um anschließend die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände zu verhindern.
54 
c) Der danach gegebene Anspruch des Klägers auf Einschreiten der Baurechtsbehörde ist auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen, insbesondere nicht verwirkt. Insoweit gilt hier im Ergebnis nichts Anderes als für das materielle Abwehrrecht des Klägers (s.o.). Die im Bescheid des Landratsamts vertretene Ansicht, ein Nachbar müsse der Baurechtsbehörde Abweichungen von genehmigten Plänen oder eine illegale Bautätigkeit in der Regel “analog der Rechtsmittelfrist“ innerhalb eines Monats nach Kenntnisnahme des Bauvorhabens anzeigen, um das Recht auf ein Einschreiten der Behörde zu nicht zu verwirken, ist unzutreffend. Zwar ist bei der Verwirkung grundsätzlich zwischen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Rechtspositionen n zu unterscheiden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.03.1988 - 4 B 50.88 - NVwZ 1988, 730, juris Rn. 2 m.w.N.). Bei einer nicht genehmigten illegalen Bautätigkeit fehlt aber ein - auch das Vertrauen des Bauherrn begründender - verfahrensrechtlicher Anknüpfungspunkt, wie er etwa im Falle einer dem Nachbarn amtlich nicht bekannt gegebenen Baugenehmigung besteht, bei der nach Treu und Glauben eine Rechtsbehelfsfrist von einem Jahr ab - möglicher - Kenntnis der Baugenehmigung läuft (BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294).
55 
2. Das Auswahlermessen der Baurechtsbehörde ist ebenfalls dergestalt “auf Null“ reduziert, dass allein die Anordnung eines vollständigen Abbruchs der Garage gegenüber den Beigeladenen als bauordnungsrechtlich verantwortlichen Eigentümern und Bauherren der Garage (§ 7 PolG, §§ 41, 42 LBO) in Betracht kommt. Die Anordnung nur eines teilweisen Abbruchs (“Rückbau“) der Garage, etwa bis auf das gesetzlich zulässige Maß der Wandhöhe von 3 m, scheidet aus. Nach den insoweit maßgebenden heutigen Geländeverhältnissen beträgt die Wandhöhe - gemessen am höchsten Punkt der Geländeoberfläche auf dem Baugrundstück - 3,85 m (vgl. Gutachten S. 24). Sie wäre danach um 0,85 m zu reduzieren. Die Garage ist insoweit indes weder bautechnisch noch nach den Vorstellungen der beigeladenen Bauherren teilbar (vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.03.1997 - 10 A 853/93 - BRS Bd. 59 Nr. 209). Es ist grundsätzlich nicht Sache der einschreitenden Baurechtsbehörde, in eingehendere Überlegungen darüber einzutreten, ob dem rechtswidrigen Zustand durch irgendwelche baulichen Änderungen abgeholfen und damit ein vollständiger Abbruch vermieden werden könnte. Zur Wahrung der Interessen des Betroffenen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit reicht es aus, dass die Behörde am vollständigen Abbruch nicht festhalten darf, wenn der Betroffene ein von ihm als milder empfundenes, zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes ebenfalls geeignetes Mittel anbietet (st. Rspr. vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.06.1973 - IV B 58.72 - BRS Bd. 27 Nr. 151, juris Rn. 5 m.w.N.). Letzteres ist bislang nicht der Fall. Die Beigeladenen haben weder der Baurechtsbehörde noch dem Senat einen hinreichend konkreten Änderungsvorschlag unterbreitet. Ob in ihrem pauschalen Vortrag in der Berufungsverhandlung, es sei denkbar, die Gesamthöhe von Garagen- und Sockelwand durch Wegnahme von bis zu zwei Steinreihen der Garagenwand zu reduzieren, ein solches Angebot gesehen werden könnte, kann dahinstehen. Denn ausgehend von der derzeitigen Wandhöhe von 3,85 m wäre mit einer Wegnahme von bis zu zwei Steinreihen das gesetzlich zulässige Maß von 3 m nicht zu erreichen, wie die Vertreter des Beklagten und der Beigeladenen in der Verhandlung am 24.03.2014 eingeräumt haben. Zudem haben die Beigeladenen ausdrücklich vorgebracht, die Wegnahme von mehr als zwei Steinreihen der Garagenwand ließe eine sinnvolle Nutzung des danach verbleibenden Garagenraumes nicht mehr zu. Folglich steht dem Kläger ein Anspruch auf Anordnung des vollständigen Abbruchs der Garage einschließlich zugehöriger unselbständiger Bauteile, insbesondere der als Fundament dienenden Sockelwand zu. Allerdings bleibt es den Beigeladenen überlassen, auch nach Rechtskraft dieses Urteils als "milderes Mittel" eine nachbarrechtskonforme Garage unter Verwendung von Teilen des rechtswidrigen Bauwerks zur Genehmigung zu stellen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.01.1996 - 10 A 1464/92 - BRS Bd. 58 Nr. 115, juris Rn. 38 ff.) und - wie hier besonders zu betonen ist - auch dementsprechend auszuführen.
B.
56 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 25. März 2014
58 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 7.500,-- Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG, in Anlehnung an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs Fassung Juli 2004, NVwZ 2004, 1327; am Streitwertkatalog 2013 orientiert sich der Senat dem Rechtsgedanken des § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG folgend nur in Verfahren, die ab dem 01.01.2014 bei ihm anhängig geworden sind).
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
A.
20 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Verpflichtungsklage zu Unrecht abgewiesen. Die Ablehnung des Beklagten, gegenüber den Beigeladenen den Abbruch der Garage anzuordnen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinem auf Erlass einer solchen Anordnung gerichteten Rechtsanspruch nach § 65 Satz 1 LBO.
21 
Nach § 65 Satz 1 LBO kann der teilweise oder vollständige Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Bei der Auslegung und Anwendung dieser Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums sind Bedeutung und Tragweite des Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG einschließlich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. BVerfG, 1. Kammer des 1. Senats, Beschluss vom 02.09.2004 - 1 BvR 1860/02 - NVwZ 2005, 203, juris Rn. 11). Demzufolge beantwortet sich die Frage, ob eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, nach dem Zeitpunkt ihrer - wesentlichen - Fertigstellung (vgl. BVerwG, Urteile vom 28.06.1956 - I C 93.54 - BVerwGE 3, 351 <353 f.> und vom 22.01.1971 - IV C 62.66 - NJW 1971, 1624, juris Rn. 23 m.w.N; Schlotterbeck in Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 6. Auflage, § 65 Rn. 6), wie auch der Wortlaut der Norm ("wurde") verdeutlicht. Für die Beurteilung, ob auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können, kommt es demgegenüber auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung oder - im Falle der behördlichen Ablehnung eines Einschreitens - der gerichtlichen Entscheidung an. Ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften i. S. des § 65 Satz 1 LBO kann durch die Erteilung einer Baugenehmigung allerdings - rückwirkend - unerheblich werden, wenn und solange die Baugenehmigung infolge ihrer Legalisierungswirkung die errichtete Anlage deckt (vgl. Schlotterbeck, a.a.O. § 65 Rn. 7 und § 47 Rn. 30 f.; Sauter, LBO, 3. Auflage, 31. Lfg. § 65 Rn. 25 ff. jeweils m.w.N., st. Rspr.).
22 
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat die zuständige Baurechtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 40 LVwVfG) unter Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange zu entscheiden (Senatsurteil vom 09.11.1990 - 8 S 1013/90 - BauR 1991, 185 m.w.N.). Zweck dieser Ermächtigung sind Bewahrung und Wiederherstellung der baurechtlichen Ordnung im öffentlichen Interesse. Drittschutz vermittelt sie insoweit nur ausnahmsweise, wenn und soweit eine vom Anwendungsbereich der Landesbauordnung erfasste Anlage gegen eine auch dem Schutz eines Dritten (Nachbarn) dienende öffentlich-rechtliche Vorschrift verstößt. In diesem Fall begründet § 65 Satz 1 LBO einen subjektiven öffentlich-rechtlichen Anspruch des Dritten, dass die Behörde über seinen Antrag, den teilweisen oder vollständigen Abbruch der Anlage anzuordnen, nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, das unter besonderen Voraussetzungen aber auch auf eine Pflicht zum Einschreiten i. S. eines Rechtsanspruchs des Dritten ("auf Null") reduziert sein kann (st. Rspr., vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 19.07.2007 - 3 S 1654/06 - VBlBW 2008, 184 und vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 - VBlBW 2003, 470; Senatsbeschluss vom 26.10.1994 - 8 S 2763/94 - ESVGH 45, 105; Sauter, a.a.O. § 65 Rn. 77; Schlotterbeck, a.a.O. § 65 Rn. 29 i.V.m. § 47 Rn. 109 ff. m.w.N.).
23 
Hiernach ist der Beklagte gegenüber dem Kläger verpflichtet, den vollständigen Abbruch der an der Grenze zum Grundstück des Klägers stehenden Garage anzuordnen. Denn diese Anlage wurde im Widerspruch zur Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO errichtet, die auch den Kläger als Eigentümer des angrenzenden Nachbargrundstücks schützt (I.), rechtmäßige Zustände können nicht auf andere Weise hergestellt werden (II.) und bei dieser Sachlage ist das Ermessen des Beklagten auf die Pflicht reduziert, zur Beseitigung der Nachbarrechtsverletzung des Klägers gegenüber den Beigeladenen den vollständigen Abbruch der Garage anzuordnen (III.). Ob die Errichtung der Garage weiteren drittschützenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften widersprach, ist danach nicht zu entscheiden.
I.
24 
Die Garage wurde, wie sich aus glaubhaften und auch von anderen Beteiligten nicht bestrittenen Angaben des Klägers, einzelnen Lichtbildern sowie der Mitteilung der Gemeinde ... an das Landratsamt vom 25.04.2006 (Blatt 70 der das Wohnhaus der Beigeladenen betreffenden Bauakten) ergibt, irgendwann zwischen Ende September 2005 und April 2006 im Wesentlichen fertiggestellt und damit i. S. des § 65 Satz 1 LBO errichtet. Dies widersprach § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO und damit zugleich dem Recht des Klägers auf Beachtung dieser auch sein Nachbargrundstück schützenden Vorschrift (1.). Diese Rechtsverletzung ist durch die Baugenehmigung vom 03.07.2006 nicht unerheblich geworden (2.).
25 
1. a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 LBO müssen vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen auf dem Baugrundstück liegen, die von oberirdischen baulichen Anlagen freizuhalten sind. Ihre Tiefe bemisst sich nach der Wandhöhe (§ 5 Abs. 4 Satz 1 LBO) und gegebenenfalls der Gebietsart (§ 5 Abs. 7 Satz 1 LBO). Sie darf jedoch bei Wänden über 5 m Breite 2,5 m nicht unterschreiten (vgl. § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO), was nach der bei Errichtung der Garage noch geltenden alten Fassung (a.F.) der Landesbauordnung vom 08.08.1995 (GBl. S. 617) vor Inkrafttreten des - insbesondere das Abstandsflächenrecht betreffenden - Änderungsgesetzes vom 17.11.2009 (GBl. S. 615) gemäß § 5 Abs. 7 Satz 3 Halbsatz 2 LBO a.F. zugleich das Minimum des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe markierte. Diese Anforderungen wurden bei Errichtung der Garage nicht beachtet. Denn die Garage wurde ohne die hiernach gebotene Abstandsfläche von mindestens 2,5 m Tiefe unmittelbar an der Grenze zum Nachbargrundstück des Klägers errichtet, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist.
26 
b) Entgegen der Auffassung des Beklagten und des Verwaltungsgerichts waren die Voraussetzungen für einen Sonderfall nach § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO a.F., bei dem eine Abstandsfläche nicht erforderlich war, nicht erfüllt.
27 
Nach dieser Vorschrift waren Abstandsflächen nicht erforderlich vor Außenwänden von Gebäuden oder Gebäudeteilen, die nur Garagen oder Nebenräume enthalten, der örtlichen Versorgung dienen oder sich auf öffentlichen Verkehrsflächen befinden, soweit die Wandhöhe nicht mehr als 3 m beträgt (Nr. 1) und die Wandfläche nicht größer als 25 m² ist (Nr. 2); die Grenzbebauung entlang den einzelnen Nachbargrenzen durfte 9 m und insgesamt 15 m nicht überschreiten (§ 6 Abs. 1 Satz 4 LBO a.F.). Hier fehlte es bereits an der Erfüllung der Voraussetzung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO a.F.. Denn die Wandhöhe der Garage (aa)) betrug bei ihrer Fertigstellung deutlich mehr als 3 m (bb)). Ob - wie der Kläger meint - auch weitere Voraussetzungen für einen Sonderfall nach § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO a.F. nicht erfüllt waren, bedarf folglich keiner Entscheidung.
28 
aa) Für die Berechnung der Wandhöhe i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO a.F. (jetzt § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO) gelten grundsätzlich die allgemeinen Regelungen (§ 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 sowie Abs. 5 LBO; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.07.2000 - 5 S 2324/99 - NVwZ-RR 2001, 501). Danach wird senkrecht zur Wand gemessen vom Schnittpunkt der Wand mit der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand, wobei die Höhe von Dächern und Giebelflächen gegebenenfalls (§ 5 Abs. 5 LBO) auf die Wandhöhe angerechnet wird. Bei einer unterschiedlichen Höhenlage der Geländeoberfläche wird jedoch abweichend von den allgemeinen Regelungen nicht auf die im Mittel gemessene Wandhöhe, sondern auf die Wandhöhe am höchsten Punkt der Geländeoberfläche abgestellt (§ 6 Abs. 1 Satz 3 LBO a.F.; jetzt § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO). Liegen auch Bau- und Nachbargrundstück unterschiedlich hoch, kommt es insoweit regelmäßig nur auf die Geländeoberfläche auf dem Baugrundstück an (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.10.1995 - 3 S 2418/95 - VBlBW 1996, 145; Busch in Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, a. a. O. § 6 Rn. 23 unter Bezugnahme auf VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.04.1992 - 3 S 2431/91 -). Veränderungen des Geländes im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben sind abstandsflächenrechtlich nur beachtlich, wenn es für sie einen rechtfertigenden Grund gibt; fehlt es daran, ist die Geländeveränderung unbeachtlich (st. Rspr., vgl. Senatsbeschlüsse vom 20.02.2004 - 8 S 336/04 - VBlBW 2004, 267 und vom 05.05.1998 - 8 S 864/98 - BRS Bd. 60 Nr. 108 m.w.N.; ebenso VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 07.02.2006 - 3 S 60/06 - VBlBW 2006, 240 und vom 29.11.2010 - 3 S 1019/09 - NVwZ-RR 2011, 272).
29 
Eine als Fundament einer Grenzgarage dienende grenzständige Sockelwand ist, soweit sie über der natürlichen Geländeoberfläche liegt, auf die Wandhöhe der Garage anzurechnen. Denn die Geländeoberfläche i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 3 LBO a.F. (jetzt § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO) ist in seinem solchen Fall nicht - wie das Verwaltungsgericht und ihm folgend wohl auch der Beklagte in seiner Berufungserwiderung meinen - die Oberkante einer solchen Sockelwand. Der Begriff "Geländeoberfläche" ist in der Landesbauordnung zwar nicht allgemein definiert. Jedoch verbietet schon der allgemeine Sprachgebrauch, ihn mit einer - künstlichen - "Sockelwand“ gleichzusetzen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 20.02.2004 - 8 S 336/04 - VBlBW 2004, 267). Der Einwand des Verwaltungsgerichts, die Höhe der Sockelwand sei deshalb nicht anzurechnen, weil die Sockelwand bei einer Terrassierung des Geländes als eigenständige Stützmauer verfahrensfrei an der Grenze errichtet werden könne und es keinen Unterschied mache, ob eine solche Anlage vor oder zusammen mit einer Grenzgarage errichtet werde, überzeugt nicht. Diese Überlegung verkennt, dass eine solche Stützmauer an der Grenze dann, wenn sie durch eine bauliche Änderung die Funktion als Fundament (Sockelwand) einer darauf gesetzten Garage übernähme, ihre bauliche Selbständigkeit aufgäbe. Denn als Fundament der Garage würde sie ein unselbständiger Bauteil derselben und bildete mit ihr eine bauliche Einheit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.04.1992 - 3 S 2431/91 - juris Rn. 25). Für die Anrechnung des über dem natürlichen Gelände liegenden Teils der Sockelwand sprechen nicht zuletzt Sinn und Zweck der Vorschriften über Abstandsflächen, Beeinträchtigungen der Belichtung, Belüftung und Besonnung eines Nachbargrundstücks durch grenznahe oder grenzständige bauliche Anlagen zu begrenzen. Dem Nachbarn soll eine auf seinem Grundstück über der Geländeoberfläche in Erscheinung tretende Wand von höchstens 3 m zugemutet werden. Höhere Wände und die damit einhergehende stärkere Verschattung und "Einmauerung" seines Grundstücks muss er im Regelfall nicht hinnehmen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.04.1992, a.a.O. zur Wandfläche von maximal 25 m2). Der über dem natürlichen - abfallenden - Gelände liegende Teil einer als Fundament einer Grenzgarage dienenden Sockelwand kann bei der Ermittlung der Wandhöhe demzufolge ebenso wenig als Geländeoberfläche angesehen werden wie eine einseitig angeschüttete Zufahrtsrampe (vgl. Sauter, a.a.O, § 6 Rn. 23a und Abb. 5). Die Sockelwand ist vielmehr als Teil der Garage anzusehen und daher auf deren Wandhöhe anzurechnen. Aus dem vom Beklagten zitierten Senatsbeschluss vom 27.09.1999 - 8 S 2049/99 - folgt nichts Anderes. Zwar hat der Senat darin zur Berechnung der Wandhöhe auf den Garagenboden abgestellt. Wie sich aus dem Kontext der Gründe dieses Beschlusses ergibt, beruhte dies jedoch darauf, dass das Höhenniveau des Garagenbodens demjenigen der natürlichen Geländeoberfläche entsprach.
30 
bb) Gemessen daran betrug die Wandhöhe bei Fertigstellung der Garage, gemessen vom höchsten Schnittpunkt ihrer als Fundament anzurechnenden (s.o.) Sockelwand mit der Geländeoberfläche (§ 6 Abs. 1 Satz 2 LBO a.F.) bis zur Dachhaut der Garage (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 2 LBO a.F.), mindestens 3,7 m ± 0,05 m, weil das Höhenniveau der Geländeoberfläche dort damals nahezu dem heutigen Höhenniveau des Geländes auf dem Grundstück des Klägers unmittelbar an der Grenze zum Baugrundstück entsprach. Davon ist der Senat aufgrund einiger Lichtbilder des Klägers, des Aktenvermerks des Kreisbaumeisters vom 24.07.2007 und des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen P. überzeugt; eine weitergehende Erforschung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht geboten.
31 
(1) Bereits einige der vom Kläger vorgelegten Lichtbilder über den Zustand des Geländes auf beiden Grundstücken nach dem Bau des Wohnhauses auf dem Grundstück des Klägers sowie unmittelbar vor und nach dem Bau von Wohnhaus und Garage der Beigeladenen belegen, dass der Geländeverlauf auf dem Baugrundstück an der Grenze zum Grundstück des Klägers vor dem Bau der Garage in etwa dem Höhenniveau des Geländes auf dem Grundstück des Klägers entsprach, wie es der Kreisbaumeister am 23.05.2007 festgestellt sowie bildlich (s.o.) dokumentiert und wie es auch der Senat beim Augenschein unverändert festgestellt hat. Das gilt zum einen für die Bilder "B5" vom 24.07.2005 und "B9" vom 26.08.2005 in der mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 06.08.2010 (S. 49 - 59 der VG-Akte) übersandten Lichtbilddokumentation. Denn auf diesen Lichtbildern ist das Gelände in der näheren Umgebung des späteren Standortes der streitigen Garage vor und während der Errichtung des Wohnhauses der Beigeladenen gut zu erkennen. Zum anderen gilt dies für mehrere Bilder in den mit Schriftsatz vom 18.07.2011 (S. 139 - 153 der VG-Akte) übermittelten Lichtbildanlagen, und zwar die ersten zwei Bilder der "Lichtbildanlage Nr. 10" aus dem Jahr 1994 und vom 04.07.2007, auf denen vom jeweils selben Standort am Eingang des Wohnhauses des Klägers mit Blick auf das Baugrundstück ein nahezu identisches Höhenniveau des Geländes an der Grenze auszumachen ist, sowie die Bilder in den "Lichtbildanlagen Nr. 11 und 12", auf denen das streitige Gelände in den Jahren 1994, 1999 und im Juli 2005 gut zu erkennen ist. Schon beim Vergleich dieser Aufnahmen mit dem heutigen Geländezustand erscheinen die Behauptungen der Beigeladenen, das Gelände auf dem Grundstück sei bei den Bauarbeiten deutlich höher gewesen und nach dem Bau der Garage verändert worden, nicht richtig. Dafür spricht auch die Feststellung des orts- und fachkundigen (vgl. § 46 Abs. 4 LBO) Kreisbaumeisters in seinem Aktenvermerk vom 24.07.2007: "Das Gelände war schon so." Dieser Aussage widerspricht allerdings die Darstellung des Geländeverlaufs in der von den Beigeladenen im vorangegangenen Baugenehmigungsverfahren für eine Garage vorgelegten Bauzeichnung "Ansicht Südwest" vom 05.10.2005. Denn darin ist der Verlauf des Geländes an der Grenze deutlich höher eingezeichnet. Insoweit haben auch die Angaben des sachverständigen Zeugen F. keine Klarheit erbracht. Der Zeuge hat zwar angegeben, die Bauzeichnung beruhe wohl auf seiner Vermessung des Geländes Anfang des Jahres 2005, er habe sie aber nicht selbst angefertigt. Auch konnte sich der Zeuge F. vor Ort nicht mehr an Details des Geländeverlaufs im Grenzbereich beider Grundstücke vor Errichtung von Wohnhaus und Garage auf dem Baugrundstück erinnern. Ähnliches gilt für die Aussage der Tochter des Klägers. Sie hat im Wesentlichen nur Angaben zur Höhe einer Natursteinmauer auf dem Grundstück des Klägers nahe der Grundstücksgrenze gemacht, konnte sich an den Verlauf des dahinter liegenden Geländes auf dem Baugrundstück aber nicht erinnern.
32 
(2) Hiernach verbliebene Zweifel am früheren Geländeverlauf sind durch das Gutachten des Sachverständigen P. ausgeräumt. Danach betrug die Wandhöhe der Garage einschließlich Sockelwand (s.o.) nach ihrer Fertigstellung, gemessen vom höchsten Schnittpunkt der Sockelwand mit der damaligen Geländeoberfläche bis zur Dachhaut der Garage, mindestens 3,7 m ± 0,05 m, was die sich aus den Lichtbildern ergebenden Indizien und die Feststellung des Kreisbaumeisters bestätigt.
33 
Der Sachverständige hat alle verfügbaren Informationen über den früheren Geländezustand gesichtet und bewertet. Er hat zunächst in einem ersten Schritt das Liegenschaftskataster Baden-Württemberg sowie topographische und bauleitplanerische Unterlagen der Gemeinde ... eingesehen. Er stellt fest, dass Informationen über den Bestand des Geländes vor Errichtung von Wohnhaus und Garage auf dem Baugrundstück nur in Baugesuchen für die Bauvorhaben des Klägers und der Beigeladenen enthalten seien (S. 2 bis 4 des Gutachtens vom 04.12.2013 unter Nr. 3.1). Sodann hat er in einem zweiten Schritt anhand dieser Bauvorlagen dargelegt, dass die zeichnerischen Darstellungen und Angaben über den Geländeverlauf in den Bauvorlagen des Klägers von 1993 und 1995 (Wohnhaus, Garage) sowie der Beigeladenen von 2005 und 2006 (Wohnhaus, Garage) keinen gesicherten Schluss auf den (Höhen-)Verlauf der Geländeoberfläche vor Errichtung von Wohnhaus und Garage auf dem Baugrundstück zuließen, weil sie mehrfach widersprüchlich seien und voneinander abwichen. Zudem ließen die vom Kläger vorgelegten Lichtbilder nicht den Schluss zu, dass das Gelände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze im Zuge der Bauaktivitäten aufgeschüttet worden sei (Gutachten S. 11 - 16 unter Nr. 5). Der Sachverständige hat sodann in einem dritten Schritt aus einer in den Jahren 2000 bis 2005 vom Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung (LGL) durchgeführten Laserscan-Befliegung des Landes Baden-Württemberg für das engere Gebiet des Baugrundstücks und umgebende Flächen eine im Jahr 2002 gewonnene "Punktwolke" mit hinterlegten Höhendaten des Geländes verwertet, deren Genauigkeit das LGL mit ± 0,20 m angibt. Der aus diesen Informationen ableitbare Geländeverlauf an der streitigen Südwestgrenze des Baugrundstücks entspreche in weiten Teilen dem aktuellen Geländeverlauf an der Mauer auf dem Nachbargrundstück des Klägers (Gutachten S. 16 - 19 unter Nr. 6.1). Die Tragfähigkeit dieser Schlussfolgerung wird sodann in einem abschließenden vierten Schritt anhand weiterer Erkenntnisse, insbesondere aus Lichtbildern über die Örtlichkeit zu verschiedenen Zeitpunkten, Plänen aus Baugesuchen und des vom Sachverständigen aufgenommenen aktuellen Geländezustands bestätigt. Aus der hiernach erstellten Planzeichnung Anlage 21 zum Gutachten ergibt sich zwischen dem höchsten Schnittpunkt der Sockelwand der Garage mit der unter Berücksichtigung der Daten der Laserscan-Befliegung des Jahres 2002 gewonnenen, als blaue Linie dargestellten Geländeoberfläche an der Grenze bis zur Dachhaut der Garage eine Höhe von 3,70 m. Der in den Unterlagen zum Bauantrag für eine Garage auf dem Baugrundstück dargestellte Geländeverlauf habe daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht den tatsächlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt des Bauantrags entsprochen (Gutachten S. 19 - 22 unter Nr. 6.2 und 6.3 und S. 25, dritter Absatz). Der Sachverständige weist abschließend darauf hin, dass bei den Höhenangaben zwischen festen Bauteilen und der Geländeoberfläche mit Abweichungen ± 0,05 m zu rechnen sei, weil Geländepunkte nicht eindeutig und klar definiert seien (Gutachten S. 25 letzter Absatz). Der Senat hält diese Feststellungen und Bewertungen für überzeugend. Mängel des Gutachtens, insbesondere was Methodik und Schlussfolgerungen angeht, sind nicht erkennbar; einzelne Unklarheiten hat der Sachverständige mit der Erläuterung des Gutachtens in der Verhandlung beseitigt. Die geltend gemachten Bedenken und Einwendungen des Beklagten und der Beigeladenen sind nicht begründet.
34 
Der Beklagte macht - nur - geltend, es bestünden erhebliche Zweifel an der Genauigkeit der Daten aus Laserscan-Befliegung des LGL. Die vom LGL mit ± 0,20 m angegebene Genauigkeit beziehe sich nur auf eindeutige Oberflächen. Das aus diesen Daten vom LGL erstellte Digitale Geländemodell (DGM) habe, weil es Flächen ohne Laserpunkte am Boden durch Interpolation schließe und die Modellierung eine leichte Glättung bewirke, nur eine durchschnittliche Genauigkeit von ± 0,50 m, da Qualität und Zuverlässigkeit des DGM von Bewuchs, Geländeform, Bebauung und anderen Faktoren abhängig. Derartige Besonderheiten bestünden auch hier, weil die Geländestruktur an der Grenze zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück des Klägers aufgrund von Mauern, Abstufungen und Bewuchs - wie die dem Gutachten beigefügten Fotos belegten - schwierig sei und es dort nur eine geringe Dichte von originären Laserpunkte gebe bzw. teilweise Messwerte fehlten. Diese Einwendungen greifen nicht durch. Der Sachverständige hat bei seiner Erläuterung des Gutachtens angegeben, ihm sei bekannt, dass die Daten aus der Laserscan-Befliegung mit Unsicherheiten behaftet seien und dass bei einem auf ihrer Grundlage erstellten digitalen Geländemodell in der Regel eine größere Abweichung anzunehmen sei. Hier habe jedoch die Besonderheit bestanden, dass die Höhendaten zahlreicher Laserpunkte mit seinen Messergebnissen vor Ort und den Erkenntnissen aus Lichtbildern überstimmten, was eine größere Genauigkeit rechtfertige. Er habe so viele Punkte in der Wirklichkeit gefunden, die seine Ergebnisse bestätigten, dass aus seiner Sicht daran keine durchgreifenden Zweifel bestünden. Zwar sei ein mathematisches Modell mit Laserpunkten in einem Gelände wie dem vorliegenden nicht sehr aussagekräftig. Er habe seine Ergebnisse jedoch nicht auf das DGM des LGL gestützt und aus Laserpunkten unkritisch hochgerechnet, sondern andere Umstände zur Interpretation herangezogen. Seine Ergebnisse stützten sich auch auf die durch einen relativ homogenen Geländeverlauf geprägten tatsächlichen Gegebenheiten und den Vergleich von Einzelpunkten. Selbst wenn er die Einwände des Beklagten berücksichtige, ergäbe sich nur eine Abweichung von 0,10 bis 0,20 m zu der von ihm rekonstruierten Geländehöhe. Der Senat hält diese Erläuterungen für plausibel und überzeugend. Die Einwendungen des Beklagten erscheinen danach schon deshalb unbegründet, weil sie außer Acht lassen, dass das Gutachten den früheren Geländeverlauf (blaue Linie in der Planzeichnung Anlage 21 zum Gutachten) nicht bloß anhand der Höhendaten aus der Laserscan-Befliegung abstrakt hochgerechnet, sondern unter Berücksichtigung weiterer Erkenntnisse über die Örtlichkeit, insbesondere aus Lichtbildern, Plänen in Baugesuchen und eigenen Messergebnissen des Sachverständigen vor Ort konkret rekonstruiert. Deshalb und weil das Gutachten insoweit auch die sich aus Lichtbildern ergebenden Indizien sowie die Feststellung des Kreisbaumeisters in seinem Aktenvermerk vom 24.07.2007 bestätigt ((1)), besteht auch kein Anlass, unter Berücksichtigung der Einwände des Beklagten eine zusätzliche Abweichung einzurechnen, die nach den ergänzenden Darlegungen des Sachverständigen ohnehin höchstens 0,10 - 0,20 m betrüge. Zu berücksichtigen ist allenfalls die Ungenauigkeitstoleranz ± 0,05 m, auf die der Sachverständige in seinem Gutachten abschließend hinweist.
35 
Die Beigeladenen haben lediglich auf Bedenken des Zeugen F., dem das Gutachten vorgelegt worden sei, verwiesen. Der Zeuge F. hat bei seiner nochmaligen Vernehmung indes nichts vorgebracht, was die Richtigkeit des Gutachtens in Frage stellen könnte. Auf Nachfrage hat er vielmehr der Aussage des Sachverständigen zugestimmt, dass die blaue Linie in der Planzeichnung Anlage 21 zum Gutachten am wahrscheinlichsten den damaligen Geländeverlauf darstelle. Er hat diese Aussage im Folgenden zwar dahin relativiert, er meine damit nicht die tatsächliche Höhe, sondern nur den geraden Verlauf der blauen Linie. Diese Einschränkung stellt die Richtigkeit des Gutachtens im Übrigen jedoch nicht in Frage. Auch die sonstigen Angaben des Zeugen F. zum früheren Geländeverlauf blieben bei seinen beiden Vernehmungen derart unsicher und vage, dass daraus keine Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens abzuleiten sind. Vielmehr bestätigen seine Einlassungen teilweise eher die Erkenntnisse des Gutachtens zum Höhenunterschied zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück des Klägers, wie der Sachverständige auf Vorhalt der Aussage des Zeugen F. in der Verhandlung am 24.03.2014 überzeugend dargelegt hat.
36 
(3) Eine weitere Erforschung des Sachverhalts ist nicht geboten. Die in der Berufungsverhandlung am 10.07.2013 gestellten Hilfsbeweisanträge haben sich durch die Wiederöffnung der mündlichen Verhandlung erledigt. In der erneuten Berufungsverhandlung am 24.03.2014 wurden keine weiteren (Hilfs-)Beweisanträge gestellt. Eine weitere Sachverhaltserforschung, insbesondere durch Vernehmung der benannten weiteren Zeugen, drängt sich auch nicht von Amts wegen auf. Die von den Beigeladenen mit ihrem in der Verhandlung am 10.07.2013 gestellten Hilfsbeweisantrag unter Beweis gestellte Tatsache, „dass das Stützbauwerk unterhalb der Garage auf dem Grundstück des Klägers gemessen ab der Bodenplatte ein Meter hoch war“, ist nicht entscheidungserheblich. Denn für die Berechnung der Wandhöhe kommt es - wie dargelegt - nur auf den Schnittpunkt der Sockelwand (“Stützbauwerk“) mit dem höchsten Punkt der Geländeoberfläche auf dem Baugrundstück, nicht aber auf Umstände auf dem Grundstück des Klägers an. Ungeachtet dessen ist nicht ansatzweise dargelegt oder sonst erkennbar, wann und unter welchen Umständen die von den Beigeladenen insoweit benannten Zeugen Kenntnis über die maßgenaue Höhe der tatsächlich ausgeführten Sockelwand erlangt haben könnten.
37 
2. Der Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO a.F. und die damit einhergehende Rechtsverletzung des Klägers sind durch die Baugenehmigung vom 03.07.2006 nicht unerheblich geworden. Denn diese Baugenehmigung deckt die errichtete Garage nicht. Die genehmigte und die tatsächlich errichtete Garage sind nicht identisch. Das folgt bereits aus ihren deutlich voneinander abweichenden Standorten. Zudem ist das Dach in geänderter Form und Größe ausgeführt worden und die tatsächlich errichtete Garage hat 5,7 m3 mehr Bruttorauminhalt.
II.
38 
Rechtmäßige Zustände können heute nicht auf andere Weise hergestellt werden. Die Erteilung einer Baugenehmigung (§ 58 Abs. 1 Satz 1 LBO) scheidet aus, weil der wegen ihres 40 m3 übersteigenden Bruttorauminhalts und der 3 m überschreitenden mittleren Wandhöhe nicht nach Nr. 1 a) oder b) des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO verfahrensfreien und damit genehmigungspflichtigen (§ 49 LBO) Garage weiterhin die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO entgegensteht und eine Abweichung davon nicht zugelassen werden kann.
39 
1. Die Voraussetzungen für einen § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO a.F. entsprechenden Sonderfall nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO, bei dem eine Abstandsfläche nicht erforderlich ist, sind nach wie vor nicht erfüllt, weil die Wandhöhe der Garage bzw. des Gebäudes einschließlich Sockelwand (s.o.) am höchsten Punkt der Geländeoberfläche (§ 6 Abs. 1 Satz 2 LBO) deutlich mehr als 3 m beträgt. Nach den Feststellungen des Sachverständigen P. beträgt sie ausgehend von den heute vor Ort feststellbaren Geländeverhältnissen an der Grenze zum Grundstück des Klägers sogar 3,85 m (vgl. Gutachten S. 24).
40 
2. Eine Abweichung von § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO kann nicht zugelassen werden.
41 
a) Die Voraussetzungen für die Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 LBO sind nicht erfüllt. Für einen Sonderfall nach Nr. 1 oder Nr. 3 dieser Vorschrift ist von vornherein nichts ersichtlich. Ein Sonderfall nach Nr. 2 scheidet jedenfalls deshalb aus, weil die Unterschreitung des Mindestmaßes der Abstandsflächentiefe nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO die nachbarlichen Belange des Klägers als Eigentümer des angrenzenden Grundstücks i. S. dieser Vorschrift erheblich beeinträchtigt.
42 
aa) Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs zur gleichlautenden Vorschrift des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO a.F. ist von der normativen Wertung auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig vorliegt, wenn der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe i. S. des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO a.F. unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist. Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsbeschluss vom 14.01.2010 - 8 S 1977/09 - NVwZ-RR 2010, 387 m.w.N.). An dieser Rechtsprechung ist nach dem Wegfall der gesetzlichen Unterscheidung zwischen nachbarschützenden und nicht nachbarschützenden Teilen der Abstandsflächentiefe durch das Änderungsgesetz vom 17.11.2009 (GBl. S. 615) jedenfalls für den hier gegebenen Fall einer Unterschreitung der Mindesttiefe der Abstandsfläche von 2,5 m nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO festzuhalten (Senatsurteil vom 06.04.2010 - 8 S 1529/08 - VBlBW 2011, 67). Das Interesse des Nachbarn deutlich mindernde oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassende Besonderheiten können sich aus den tatsächlichen Verhältnissen auf seinem Nachbargrundstück oder aus rechtlichen Besonderheiten ergeben, die beim Nachbargrundstück im Verhältnis zum Bauvorhaben vorliegen (Senatsbeschluss vom 14.01.2010, a.a.O. m.w.N.). Eine solche Besonderheit kann etwa darin bestehen, dass der Nachbar das Vorhaben in seiner grenznahen Lage schon seit langer Zeit in einer für den Bauherrn Vertrauen begründenden Weise hingenommen und sein materielles Abwehrrecht verwirkt hat (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 - VBlBW 2008, 190, juris Rn. 18). Bei der baulichen Änderung eines bestehenden grenznahen Gebäudes kann es aber auch ungeachtet von Besonderheiten auf dem Nachbargrundstück auf einen konkreten Vergleich zwischen vorhandenen und künftigen Beeinträchtigungen ankommen (Senatsbeschluss vom 27.11.2013 - 8 S 1813/13 - BauR 2014, 533, juris Rn. 20 und 23).
43 
bb) Im vorliegenden Fall gibt es weder solche Besonderheiten noch geht es um die bauliche Änderung eines grenznahen bestehenden Gebäudes.
44 
Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Nachbargrundstücks des Klägers wären insbesondere nicht deshalb gemindert, wenn das Gelände auf diesem Grundstück im Zuge der Errichtung des Einfamilienhauses in den 1990iger Jahren abgegraben worden sein sollte, um die tiefere Ausführung der Erdgeschoss-Fußbodenhöhe dieses Gebäudes zu ermöglichen. Die abstandsflächenrechtliche Schutzwürdigkeit des Grundstücks in Bezug auf Belichtung, Belüftung und Besonnung wäre dadurch schon deshalb nicht gemindert, weil eine solche Abgrabung, jedenfalls soweit sie das Gelände unterhalb der streitigen Garage bis zum Wohnhaus des Klägers beträfe, durch die weitere Baugenehmigung vom 01.02.1995, gegen die die beteiligten Eigentümer angrenzender Grundstücke damals keine Einwendungen erhoben haben, gedeckt würde. Zwar legalisiert diese Baugenehmigung ausdrücklich nur die um etwa 1 m tiefer ausgeführte Erdgeschoss-Fußbodenhöhe für das Einfamilienhaus. Diese Regelung schließt aber konkludent eine dazu gegebenenfalls notwendige Abgrabung des Geländes ein und erstreckt sich insoweit auch auf die zur bestimmungsgemäßen Benutzung des Einfamilienhauses notwendigen Flächen unmittelbar neben dem Gebäude, insbesondere für den Hauszugang an der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen. Ob das Gelände auf dem Grundstück des Klägers damals tatsächlich in diesem Umfang abgegraben worden ist, kann folglich offen bleiben.
45 
Der Kläger hat die Garage auch nicht seit langer Zeit in einer für die Beigeladenen Vertrauen begründenden Weise hingenommen und sein materielles Abwehrrecht verwirkt. Dies setzte voraus, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Abwehrrechts längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die seine verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist der Fall, wenn erstens der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), zweitens der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt würde (Vertrauenstatbestand) und drittens er sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung). Bei öffentlich-rechtlichen Nachbarstreitigkeiten ist insoweit die Besonderheit zu beachten, dass sich der Abwehranspruch des von einem Bauvorhaben berührten Nachbarn zwar formell gegen die Behörde richtet, von der Rechtsausübung materiell betroffen aber der Bauherr ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.09.1991 - 3 S 2000/91 - VBlBW 1992, 103 m.w.N.).
46 
Hier fehlt es bereits an einer Vertrauensgrundlage. Die Beigeladenen konnten im April 2007, als der Kläger gegenüber der zuständigen Baurechtsbehörde die zu hohe Garagen-/Sockelwand und eine von der Baugenehmigung abweichende Bauausführung der Garage rügte, nicht infolge eines bestimmten Verhaltens des Klägers darauf vertrauen, dass dieser sein Abwehrrecht nicht mehr geltend machen würde. Zwar war die Garage zu diesem Zeitpunkt bis auf Verputzarbeiten bereits über ein Jahr fertiggestellt. Allein dieser Zeitraum der Untätigkeit des Klägers begründete für die Beigeladenen jedoch keine Vertrauensgrundlage. Was die "lange Zeit" anbelangt, während der der Nachbar sein Recht nicht ausgeübt hat, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, gibt es keine allgemeingültigen Bemessungskriterien; maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182, juris Rn. 18 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.10.2012 - 2 B 1090/12 - juris Rn. 8). Wer sich gegen Rechtsverletzungen wehren will, muss dies aber in angemessener Zeit tun (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13.12.1999 - 4 B 101.99 - BRS Bd. 63 Nr. 203, juris Rn. 7, und vom 08.01.1997 - 4 B 228.96 - juris Rn. 5). Das gilt vor allem für den Nachbarn im Baurecht, weil das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis ihn verpflichtet, durch zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst gering zu halten (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294, juris Rn. 24). Aber auch eine längere Untätigkeit des Nachbarn führt dann nicht zum Verlust des Abwehrrechts durch Verwirkung, wenn der Bauherr das Bauvorhaben bereits sofort verwirklicht, ohne dazu durch das Verhalten des Nachbarn veranlasst worden zu sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991, a.a.O., Rn. 28).
47 
Gemessen daran war der seit den Baumaßnahmen für die Garage bis April 2007 verstrichene Zeitraum nach den Umständen dieses Einzelfalles nicht unangemessen lang. Insoweit fällt zu Lasten der Beigeladenen vor allem ins Gewicht, dass sie die - mit mehr als 40 m3 Brutto-Rauminhalt genehmigungspflichtige (§ 49 Abs. 1 LBO a.F.) - Garage abweichend von ihrem Bauantrag ohne Baugenehmigung sofort errichtet und damit vollendete Tatsachen geschaffen hatten. Sie konnten in der Zeit danach bis April 2007 nicht allein deshalb, weil der Kläger im Baugenehmigungsverfahren keine Einwendungen erhoben hatte, darauf vertrauen, er werde ein materielles Abwehrrecht gegen eine abweichend vom Bauantrag errichtete Garage nicht geltend machen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Kläger in Anbetracht der von Bauantrag und Baugenehmigung abweichenden Bauausführung sowie der unzutreffenden - irreführenden - Darstellung des Geländeverlaufs auf dem Baugrundstück in den Bauvorlagen für die Garage (siehe den Aktenvermerk des Kreisbaumeisters vom 24.05.2007 und das Gutachten des Sachverständigen P. vom 04.12.2013, S. 16) ein längerer Zeitraum zur Überprüfung zuzugestehen war. Bei dieser Sachlage bestand im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis kein begründeter Anlass, deutlich früher aktiv zu werden, um einen wirtschaftlichen Schaden für die Beigeladenen zu vermeiden oder ihren Vermögensverlust möglichst gering zu halten. Ungeachtet dessen ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beigeladenen in der Zeit nach Fertigstellung der Garage bis April 2007 tatsächlich darauf vertraut haben, der Kläger werde sein materielles Abwehrrecht nicht mehr ausüben (Vertrauenstatbestand), oder dass sie sich in diesem Zeitraum in ihren Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihnen durch die erst ab April 2007 betriebene Durchsetzung des materiellen Abwehrrechts des Klägers ein unzumutbarer Nachteil entsteht (Vertrauensbetätigung).
48 
b) Schließlich sind keine Anhaltspunkte dafür dargelegt oder erkennbar, dass eine der Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung, Ausnahme oder Befreiung nach § 56 Abs. 1 bis 5 LBO erfüllt sein könnte.
III.
49 
Unter diesen Voraussetzungen ist das Ermessen der Baurechtsbehörde auf die Pflicht reduziert, zur Beseitigung der Nachbarrechtsverletzung des Klägers gegenüber den Beigeladenen den vollständigen Abbruch der Garage (einschließlich Sockelwand) anzuordnen.
50 
1. Geht es um den Antrag eines Dritten, wegen der Verletzung einer ihn schützenden Vorschrift den Abbruch einer Anlage anzuordnen, ist das Entschließungsermessen der Baurechtsbehörde im Sinne einer Pflicht zum Einschreiten “auf Null“ reduziert, wenn der Rechtsverstoß besonders intensiv ist oder ein wesentliches Rechtsgut des Nachbarn gefährdet und sich nicht anders als durch einen (Teil-)Abbruch der Anlage beseitigen lässt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.09.1991 - 3 S 2000/91 - VBlBW 1992, 103). Das kann auch bei unzumutbaren Beeinträchtigungen des Nachbarn der Fall sein (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.12.1991 - 3 S 2358/91 - VBlBW 1992, 148 m.w.N.). Verstößt eine bauliche Anlage gegen eine drittschützende Vorschrift, die unzumutbare Beeinträchtigungen verbietet, ist die Baurechtsbehörde folglich in der Regel zum Einschreiten verpflichtet, es sei denn, es stünden ihr sachliche Gründe für eine Untätigkeit zur Seite (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 - VBlBW 2003, 470; Beschluss vom 13.12.1991, a.a.O.; Sauter, a.a.O: § 65 Rn. 79 f. m.w.N.). Ein danach gegebener Anspruch auf Einschreiten der Behörde kann allerdings nach Treu und Glauben (§ 242 BGB entspr.) ausgeschlossen, insbesondere verwirkt sein.
51 
Hiernach ist der Beklagte verpflichtet, den Abbruch der Garage (einschließlich Sockelwand) anzuordnen, weil die rechtswidrige Unterschreitung der nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO gebotenen Mindesttiefe der Abstandsfläche die durch diese Vorschrift geschützten nachbarlichen Belange des Klägers hinsichtlich der Belichtung, Belüftung und Besonnung seines Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt und diese Beeinträchtigung nur durch einen Abbruch der Garage zu beseitigen ist (a)), dem Beklagten keine sachlichen Gründe für eine Untätigkeit zur Seite stehen (b)) und der danach gegebene Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB entspr.) ausgeschlossen ist (c)).
52 
a) Bauordnungsrechtliche Abstandsflächenvorschriften gehören mit ihrem unmittelbaren räumlichen Bezug zu Nachbargrundstücken zum Kernbestand des öffentlichen Baunachbarrechts. Ihre nachbarschützende Wirkung besteht nach Sinn und Zweck der Abstandsflächenvorschriften grundsätzlich unabhängig von einer tatsächlich feststellbaren Beeinträchtigung des Nachbarn (Sauter, a.a.O. § 5 Rn. 10). Soweit sie Nachbarschutz vermitteln, indiziert bereits ihre Verletzung die Beeinträchtigung des Nachbarn in Belangen, deren Schutz die Abstandsflächenvorschriften dienen (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.10.1999 - 7 A 998/99 - NVwZ-RR 2000, 205, juris Rn. 30; HessVGH, Urteil vom 26.05.2008 - 4 UE 1626/06 - ESVGH 59, 8, juris Rn. 24; OVG Saarland, Urteil vom 23.04.2002 - 2 R 7/01 - BauR 2003, 1865, jeweils m.w.N.). Allerdings muss nicht jede derart indizierte Beeinträchtigung nachbarlicher Belange auch - im Sinne eines besonders intensiven oder ein wesentliches Rechtsgut des Nachbarn gefährdenden Rechtsverstoßes - stets unzumutbar sein. Für diese Bewertung könnte es vielmehr auch darauf ankommen, ob und inwieweit die bauliche Nutzbarkeit des Nachbargrundstücks im jeweiligen Einzelfall tatsächlich spürbar eingeschränkt wird (vgl. BayVGH; Beschluss vom 04.07.2011 - 15 ZB 09.1237 - juris Rn. 12; OVG Niedersachsen, Urteil vom 16.02.2012 - 1 LB 19/10 - NVwZ-RR, 2012, 427; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.10.2006 - 2 L 680/04 - juris Rn. 6). Einer solchen Einzelfallprüfung bedarf es jedoch nicht, wenn - wie hier - die Mindesttiefe der Abstandsfläche nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO unterschritten wird, kein Sonderfall i. S. des § 6 Abs. 1 LBO vorliegt, und weder eine geringere Tiefe der Abstandsfläche (§ 6 Abs. 3 LBO) noch eine Abweichung, Ausnahme oder Befreiung (§ 56 LBO) zugelassen werden kann. In einem solchen Fall ist dem Nachbarn die durch einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 LBO indizierte Beeinträchtigung seiner durch das Abstandsflächenrecht geschützten Belange grundsätzlich nicht zumutbar. Zwar mag in Bagatellfällen, bei denen es um Über- oder Unterschreitungen um wenige Zentimeter geht, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit oder des Schikaneverbots ausnahmsweise eine andere Bewertung angezeigt sein (vgl. HessVGH, Urteil vom 26.05.2008 - 4 UE 1626/06 - ESVGH 59, 8; OVG Niedersachsen, Urteil vom 29.10.1993 - 6 L 3295/91 - BauR 1994, 86 m.w.N.; ähnlich BayVGH, Beschluss vom 08.03.2007 - 1 ZB 06.898 - juris Rn. 16; a. A. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.03.2007 - 10 B 274/07 - BauR 2007, 1031). Das bedarf aus Anlass dieses Falles aber keiner Entscheidung. Denn ein solcher Bagatellfall liegt hier weder in Bezug auf die nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO gebotene Mindesttiefe der Abstandsfläche noch hinsichtlich der Wandhöhe nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO a.F. bzw. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO vor. Die grenzständige Garage unterschreitet die Mindesttiefe der Abstandsfläche von 2,5 m vollständig bis auf Null und ihre Wandhöhe übersteigt die bei Grenzbauten zulässige Höhe von 3 m um mindestens 0,7 m ± 0,05 m. Die damit indizierte unzumutbare Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange des Klägers ist nur durch die Anordnung eines Abbruchs zu beseitigen. Andere, die Bausubstanz gänzlich schonende Maßnahmen, insbesondere eine bloße Nutzungsuntersagung, genügen nicht.
53 
b) Sachliche Gründe für eine Untätigkeit stehen der Baurechtsbehörde nicht zur Seite. Die in den Begründungen der angegriffenen Bescheide hierzu dargelegten “besonderen Gründe“ tragen die Ablehnung eines baurechtlichen Einschreitens zur Beseitigung der Nachbarrechtsverletzung nicht. Die Erwägung des Landratsamts, der Geländeverlauf an der Grenze bei Errichtung der Garage sei nicht mehr zweifelsfrei zu ermitteln, ist unzutreffend, wie die durchgeführte Beweiserhebung belegt, die auch der Behörde möglich gewesen wäre (§ 24 Abs. 1 LVwVfG). Der die Ablehnung tragende weitere Gesichtspunkt, Belichtung und Belüftung der Räume an der Nordostseite des Wohnhauses des Klägers seien nicht erheblich eingeschränkt, ist kein sachlicher Grund, weil schon wegen der Unterschreitung der Mindesttiefe der Abstandsfläche nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO und mangels eines Bagatellfalles von einer unzumutbaren Beeinträchtigung der abstandsflächenrechtlich geschützten nachbarlichen Belange des Klägers auszugehen ist (s.o.). Schließlich ist ein Abbruch der Garage entgegen der Ansicht des Landratsamts auch nicht wegen - von der Behörde der Höhe nach nicht näher ermittelter - “enormer Kosten“ im engeren Sinne unverhältnismäßig. Die Beigeladenen haben die genehmigungspflichtige Garage vor Erteilung der Baugenehmigung abweichend von ihrem Bauantrag auf eigenes Risiko formell und materiell rechtswidrig errichtet. Der mit einem Abbruch dieser Anlage verbundene, zweifellos nicht unerhebliche finanzielle Aufwand ist im Verhältnis zum Gewicht des Nachbarrechtsverstoßes nicht unangemessen und den Beigeladenen zumutbar. Würde der in die (nachbar-)rechtswidrige Errichtung baulicher Anlagen investierte Kostenaufwand berücksichtigt, wäre dies geradezu eine Ermunterung, finanziell besonders aufwändige Vorhaben zunächst illegal zu realisieren, um anschließend die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände zu verhindern.
54 
c) Der danach gegebene Anspruch des Klägers auf Einschreiten der Baurechtsbehörde ist auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen, insbesondere nicht verwirkt. Insoweit gilt hier im Ergebnis nichts Anderes als für das materielle Abwehrrecht des Klägers (s.o.). Die im Bescheid des Landratsamts vertretene Ansicht, ein Nachbar müsse der Baurechtsbehörde Abweichungen von genehmigten Plänen oder eine illegale Bautätigkeit in der Regel “analog der Rechtsmittelfrist“ innerhalb eines Monats nach Kenntnisnahme des Bauvorhabens anzeigen, um das Recht auf ein Einschreiten der Behörde zu nicht zu verwirken, ist unzutreffend. Zwar ist bei der Verwirkung grundsätzlich zwischen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Rechtspositionen n zu unterscheiden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.03.1988 - 4 B 50.88 - NVwZ 1988, 730, juris Rn. 2 m.w.N.). Bei einer nicht genehmigten illegalen Bautätigkeit fehlt aber ein - auch das Vertrauen des Bauherrn begründender - verfahrensrechtlicher Anknüpfungspunkt, wie er etwa im Falle einer dem Nachbarn amtlich nicht bekannt gegebenen Baugenehmigung besteht, bei der nach Treu und Glauben eine Rechtsbehelfsfrist von einem Jahr ab - möglicher - Kenntnis der Baugenehmigung läuft (BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294).
55 
2. Das Auswahlermessen der Baurechtsbehörde ist ebenfalls dergestalt “auf Null“ reduziert, dass allein die Anordnung eines vollständigen Abbruchs der Garage gegenüber den Beigeladenen als bauordnungsrechtlich verantwortlichen Eigentümern und Bauherren der Garage (§ 7 PolG, §§ 41, 42 LBO) in Betracht kommt. Die Anordnung nur eines teilweisen Abbruchs (“Rückbau“) der Garage, etwa bis auf das gesetzlich zulässige Maß der Wandhöhe von 3 m, scheidet aus. Nach den insoweit maßgebenden heutigen Geländeverhältnissen beträgt die Wandhöhe - gemessen am höchsten Punkt der Geländeoberfläche auf dem Baugrundstück - 3,85 m (vgl. Gutachten S. 24). Sie wäre danach um 0,85 m zu reduzieren. Die Garage ist insoweit indes weder bautechnisch noch nach den Vorstellungen der beigeladenen Bauherren teilbar (vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.03.1997 - 10 A 853/93 - BRS Bd. 59 Nr. 209). Es ist grundsätzlich nicht Sache der einschreitenden Baurechtsbehörde, in eingehendere Überlegungen darüber einzutreten, ob dem rechtswidrigen Zustand durch irgendwelche baulichen Änderungen abgeholfen und damit ein vollständiger Abbruch vermieden werden könnte. Zur Wahrung der Interessen des Betroffenen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit reicht es aus, dass die Behörde am vollständigen Abbruch nicht festhalten darf, wenn der Betroffene ein von ihm als milder empfundenes, zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes ebenfalls geeignetes Mittel anbietet (st. Rspr. vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.06.1973 - IV B 58.72 - BRS Bd. 27 Nr. 151, juris Rn. 5 m.w.N.). Letzteres ist bislang nicht der Fall. Die Beigeladenen haben weder der Baurechtsbehörde noch dem Senat einen hinreichend konkreten Änderungsvorschlag unterbreitet. Ob in ihrem pauschalen Vortrag in der Berufungsverhandlung, es sei denkbar, die Gesamthöhe von Garagen- und Sockelwand durch Wegnahme von bis zu zwei Steinreihen der Garagenwand zu reduzieren, ein solches Angebot gesehen werden könnte, kann dahinstehen. Denn ausgehend von der derzeitigen Wandhöhe von 3,85 m wäre mit einer Wegnahme von bis zu zwei Steinreihen das gesetzlich zulässige Maß von 3 m nicht zu erreichen, wie die Vertreter des Beklagten und der Beigeladenen in der Verhandlung am 24.03.2014 eingeräumt haben. Zudem haben die Beigeladenen ausdrücklich vorgebracht, die Wegnahme von mehr als zwei Steinreihen der Garagenwand ließe eine sinnvolle Nutzung des danach verbleibenden Garagenraumes nicht mehr zu. Folglich steht dem Kläger ein Anspruch auf Anordnung des vollständigen Abbruchs der Garage einschließlich zugehöriger unselbständiger Bauteile, insbesondere der als Fundament dienenden Sockelwand zu. Allerdings bleibt es den Beigeladenen überlassen, auch nach Rechtskraft dieses Urteils als "milderes Mittel" eine nachbarrechtskonforme Garage unter Verwendung von Teilen des rechtswidrigen Bauwerks zur Genehmigung zu stellen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.01.1996 - 10 A 1464/92 - BRS Bd. 58 Nr. 115, juris Rn. 38 ff.) und - wie hier besonders zu betonen ist - auch dementsprechend auszuführen.
B.
56 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 25. März 2014
58 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 7.500,-- Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG, in Anlehnung an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs Fassung Juli 2004, NVwZ 2004, 1327; am Streitwertkatalog 2013 orientiert sich der Senat dem Rechtsgedanken des § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG folgend nur in Verfahren, die ab dem 01.01.2014 bei ihm anhängig geworden sind).
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.


Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 23. August 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die übrigen Beteiligten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Widerspruchsbescheid des Stadtrechtsausschusses der Beklagten, mit dem eine ihm erteilte Baugenehmigung auf den Widerspruch der Beigeladenen hin aufgehoben wurde.

2

Der Kläger ist Betreiber der sog. „Musikwerkstatt“, die als Veranstaltungsort für Live-Konzerte, Mottoparties, Comedy- und Kleinkunstveranstaltungen dient. Nachdem das Lokal am 30. Januar 2009 an seinem ursprünglichen Standort in der L... Straße .. bis .. durch einen Brand zerstört worden war, fand der Kläger mit Unterstützung der Beklagten Anfang Februar 2009 einen Ersatzstandort in dem Gebäude der früheren Garnisonsbäckerei der ehemaligen Condé-Kaserne in der L... Straße ... Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Naulott Guckinsland III. Änderung“ der Beklagten, der für diesen Bereich ein eingeschränktes Gewerbegebiet ausweist; nach Ziffer 1.3.2 der Textfestsetzungen werden Ausnahmen gemäß § 8 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 BauNVO – also u. a. Vergnügungsstätten – nicht zugelassen. Hingegen kann in diesem Gewerbegebiet nach Ziffer 1.3.1 der Textfestsetzungen ausnahmsweise je Betrieb eine Wohnung für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen oder Betriebsinhaber und Betriebsleiter gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO zugelassen werden.

3

Am 9. März 2009 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Bauantrag auf Genehmigung der teilweisen Nutzungsänderung und des Umbaus des vorhandenen Gebäudes in der L... Straße .. zu einer Gaststätte mit regelmäßigen Musikveranstaltungen. Dem Bauantrag war ein Dekra-Gutachten vom 17. März 2009 über die Prognose von Schallimmissionen beigefügt. Ausweislich der darin enthaltenen Betriebsbeschreibung handelt es sich nicht um einen Diskothekenbetrieb, sondern um einen Veranstaltungsraum mit Live-Konzerten, Mottoparties, Comedy- und Kleinkunstveranstaltungen für 250 bis 300 Besucher. Auf dem Gelände seien 55 Stellplätze vorgesehen. Die Zu- und Abfahrten zum Parkplatz sollten von der L... Straße aus über eine ca. 150 m lange Stichstraße auf das ehemalige Kasernengelände erfolgen. Die Gaststätte solle wie im vorherigen Betrieb nur freitags und samstags sowie an Tagen vor Feiertagen in der Zeit von 22 bis 5 Uhr betrieben werden. Wie beim bisherigen Betrieb sei vorgesehen, dass für die Besucher kein Recht auf wiederholten Einlass an einem Veranstaltungsabend bestehe. Die schalltechnische Prognose gelangte zu dem Ergebnis, dass die einschlägigen Immissionsrichtwerte der TA Lärm für Gewerbegebiete an den nächstgelegenen Wohnnutzungen im Gewerbegebiet beim Betrieb der „Musikwerkstatt“ unterschritten werden.

4

Mit Bescheid vom 16. April 2009 erteilte die Beklagte dem Kläger einen „vorläufigen Bauschein“ zur Nutzungsänderung des Gebäudes in eine „Gaststätte mit regelmäßigen Musikveranstaltungen mit max. 300 Personen.“ Die „vorläufige Baugenehmigung“ wurde auf jederzeitigen Widerruf und unter zahlreichen Auflagen erteilt; u. a. seien die Voraussetzungen, Bedingungen, Vorgaben und Grenzwerte aus dem vorgelegten Dekra-Gutachten sowie in Bezug auf das nächstgelegene Wohnhaus bzw. die nächstgelegene Betriebswohnung die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für Gewerbegebiete einzuhalten; weitergehende Forderungen bezüglich des Lärmschutzes blieben vorbehalten. Außerdem wurden gewerbeaufsichtliche Auflagen der SGD Süd, die sich auf den Betrieb von Diskotheken beziehen, zum Gegenstand der Genehmigung gemacht.

5

Nach Wiedereröffnung der „Musikwerkstatt“ am 18. April 2009 wandten sich u. a. Anwohner der L... Straße mit Beschwerden über Lärmbelästigungen und Müllablagerungen durch Gäste der Musikwerkstatt an die Beklagte. Ein an den Leiter des Ordnungsamtes der Beklagten gerichtetes Beschwerdeschreiben vom 12. Mai 2009 wurde auch von den Beigeladenen zu 1) und 2) unterzeichnet. Diese sind Eigentümer des östlich der „Musikwerkstatt“ im Geltungsbereich desselben Bebauungsplans gelegenen Grundstücks „L... Straße …“ (Flurstück-Nr. 3641/31), auf dem sie ein Gerüstbauunternehmen betreiben und die im Dachgeschoss des Anwesens gelegene Betriebswohnung bewohnen. Ausweislich des Dekra-Gutachtens handelt es sich um die zur „Musikwerkstatt“ nächstgelegene Wohnung.

6

Mit Anwaltsschreiben vom 14. Juli 2009 wandten sich die Beigeladenen erneut mit Beschwerden über Ruhestörungen und Abfallablagerungen durch Gäste der Musikwerkstatt an die Beklagte und baten u. a. um Auskunft darüber, ob der einschlägige Bebauungsplan einen Diskothekenbetrieb wie die „Musikwerkstatt“ zulasse. Daraufhin wurden ihnen mit Schreiben der Beklagten vom 19. August 2009 Kopien des Bebauungsplans und der Baugenehmigung übersandt.

7

Mit Anwaltsschreiben vom 8. September 2009 legten die Beigeladenen gegen die Baugenehmigung vom 16. April 2009 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie u. a. geltend machten, die Musikwerkstatt sei in dem festgesetzten Gewerbegebiet unzulässig, da der Bebauungsplan Vergnügungsstätten ausschließe.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2010 gab der Stadtrechtsausschuss der Beklagten dem Widerspruch der Beigeladenen statt und hob die Baugenehmigung vom 16. April 2009 auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei der „Musikwerkstatt“ handele es sich um eine Vergnügungsstätte, da der Betrieb durch ständig wechselnde Unterhaltungsprogramme, insbesondere Tanz- und Musikdarbietungen sowie sog. Mottoparties geprägt werde. Deutliche Kennzeichen für eine Vergnügungsstätte in Gestalt einer Diskothek seien auch die Erhebung eines Eintrittsgeldes, die Öffnungszeiten ab 22.00 Uhr, der Umstand, dass es keine Küche gebe, sowie das Angebot eines Einwilligungsformulars für den Diskothekenbesuch von Jugendlichen unter 18 Jahren auf der Homepage des Betriebs. Als Vergnügungsstätte sei das Vorhaben wegen des diesbezüglichen Nutzungsausschlusses im Bebauungsplan unzulässig. Daraus ergebe sich eine Rechtsverletzung der Nachbarn, die sich auf einen Anspruch auf Bewahrung der Gebietsart berufen könnten.

9

Zur Begründung seiner beim Verwaltungsgericht erhobenen Klage hat der Kläger insbesondere vorgetragen: Die genehmigte Nutzungsänderung sei planungsrechtlich zulässig, da es sich nicht um eine Diskothek, sondern um einen Veranstaltungsort mit Live-Konzerten, Mottoparties, Comedy- und Kleinkunstveranstaltungen handele; es werde lediglich das bisherige Konzept der Musikwerkstatt an einem neuen, nur 200 m vom bisherigen Standort entfernten Standort fortgesetzt. Die Beklagte habe sein Vorhaben stets unterstützt. Da er das Vorhaben mittlerweile vollständig verwirklicht, insbesondere umfangreiche Schallschutzmaßnahmen getroffen habe, stehe ihm zumindest ein Befreiungsanspruch zur Seite. Es sei nicht ersichtlich, welche Gründe zum Ausschluss von Vergnügungsstätten in dem Gebiet geführt hätten. Das ursprüngliche Gebietskonzept sei durch neuere Entwicklungen überholt, nachdem in unmittelbarer Nähe zum Betrieb der Beigeladenen eine Lagerhalle genehmigt worden sei und es Pläne für die Errichtung eines Bahnhaltepunktes in dem Gebiet gebe, von dem zusätzlicher Lärm zu erwarten sei.

10

Im Übrigen hätten die Beigeladenen ihr Widerspruchsrecht verwirkt, da sie schon seit Februar 2009 über das Vorhaben informiert gewesen seien.

11

Der Kläger hat beantragt,

12

den Widerspruchsbescheid vom 15. März 2010 aufzuheben.

13

Die Beklagte hat auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen und beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Die Beigeladenen haben ebenfalls beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Sie haben zur Begründung auf ihr Widerspruchsvorbringen und den Widerspruchsbescheid verwiesen.

18

Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße hat die Klage durch Urteil vom 23. August 2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Widerspruchsbescheid habe die Baugenehmigung vom 16. April 2009 zu Recht aufgehoben, weil diese die Beigeladenen in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletze. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beigeladenen ihr nachbarliches Abwehrrecht ausnahmsweise vor Ablauf der ihnen grundsätzlich für die Einlegung des Widerspruchs zuzubilligenden Jahresfrist ab Kenntnis von der Erteilung der Baugenehmigung verwirkt haben könnten. Der Kläger habe selbst nicht vorgetragen, dass die Beigeladenen bereits früher eindeutig zu erkennen gegeben hätten, dass sie die Zulassung der Nutzungsänderung akzeptieren wollten. Auf den Umstand, dass über das Vorhaben bereits Anfang Februar 2009 und damit zwei Monate vor Erteilung der Baugenehmigung in der Presse berichtet worden sei, komme es insoweit nicht an. Die Baugenehmigung sei unter Verletzung der Nachbarrechte der Beigeladenen erteilt worden. Das Vorhaben des Klägers sei bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es nach der Art der Nutzung dem einschlägigen Bebauungsplan widerspreche. Ungeachtet der Bezeichnung als Nutzungsänderung in eine Gaststätte habe die Beklagte den Betrieb einer Vergnügungsstätte zugelassen. Dies ergebe sich aus dem Zusatz „mit regelmäßigen Musikveranstaltungen mit max. 300 Personen“ in der Nutzungsbestimmung, aber auch aus den genehmigten Plänen und den beigefügten Nebenbestimmungen. Da das Grundstück des Klägers in dem durch den Bebauungsplan, gegen dessen Rechtsverbindlichkeit keine Bedenken bestünden, ausgewiesenen Gewerbegebiet gelegen sei, könnten dort gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO Vergnügungsstätten nur ausnahmsweise zugelassen werden. Die Zulassung der „Musikwerkstatt“ auf der Grundlage der Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB komme jedoch nicht in Betracht, weil im Bebauungsplan die Erteilung von Ausnahmen nach § 8 Abs. 3 BauNVO durch Ziffer 1.3.2 der Textfestsetzungen ausdrücklich ausgeschlossen worden sei. Sei das Vorhaben in dem maßgeblichen Bebauungsplangebiet nach der Art der Nutzung unzulässig, so folge daraus bereits eine Verletzung der Nachbarrechte der Beigeladenen. Als Grundstückseigentümern im selben Baugebiet stehe ihnen der aus §§ 30 Abs. 1 BauGB, 8 BauNVO abzuleitende Schutzanspruch des Nachbarn auf Bewahrung der Gebietsart nach der BauNVO zu. Im Rahmen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses könne jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebietes unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern. Auf die Frage, ob vom Betrieb der „Musikwerkstatt“ unzumutbare Beeinträchtigungen des Grundstücks der Beigeladenen ausgingen, komme es daher nicht an. In diesem Zusammenhang sei auch nicht zu prüfen, ob der Kläger einen Anspruch auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB habe. Mit der Erteilung der angefochtenen Baugenehmigung sei keine konkludente Befreiungsgewährung zur Art der Nutzung des Vorhabens verbunden gewesen, da die Beklagte offenbar den Betrieb der „Musikwerkstatt“ nicht als Vergnügungsstätte angesehen und daher keine Notwendigkeit für eine Befreiungserteilung gesehen habe. Das bloße Vorliegen einer Befreiungslage genüge nicht, um die Baugenehmigung als rechtmäßig ansehen zu können. Vielmehr bedürfe es der tatsächlichen Befreiungserteilung, wenn nur dadurch ein bestimmtes Vorhaben in einem Baugebiet zugelassen werden könne.

19

Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Er halte daran fest, dass die ihm erteilte Baugenehmigung vom 16. April 2009 bestandskräftig sei. Hier liege ein Fall vor, in dem nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Nachbarrechte schon vor Ablauf der grundsätzlich bestehenden Jahresfrist verwirkt seien, weil der Nachbar durch sein Verhalten beim Bauherrn den berechtigten Eindruck erweckt habe, er werde keine Einwendungen gegen das Bauvorhaben erheben. Bereits am 4. Februar 2009 sei u. a. auf seine Veranlassung hin in der „Rheinpfalz“ berichtet worden, dass die „Musikwerkstatt“ innerhalb der nächsten 5 Wochen in den jetzigen Räumlichkeiten wieder eröffnet werden solle. Spätestens zu diesem Zeitpunkt seien auch die Beigeladenen über die konkret anstehende Nutzungsänderung in den Räumlichkeiten der Condé-Kaserne informiert gewesen. Nach Erhalt des Bauscheins vom 16. April 2009 habe er zu allen Anwohnern im Plangebiet, insbesondere auch zu den Beigeladenen persönlich Kontakt aufgenommen und sie über Details der anstehenden Bauarbeiten und Arbeitsabläufe, die geplanten Öffnungszeiten und dergleichen informiert und dabei deutlich gemacht, dass er persönlich im Falle von Beanstandungen als Ansprechpartner zur Verfügung stehe; hierzu habe er seine Kontaktdaten, einschließlich Mobilfunknummer, hinterlassen. Spätestens im März/April 2009 seien die Beigeladenen vollumfänglich über sämtliche Vorgänge sowie die grundlegende Konzeption der Musikwerkstatt informiert gewesen. Sie hätten ursprünglich auch ihre Kooperation zugesagt. Aus für ihn nicht nachvollziehbaren Gründen hätten die Beigeladenen jedoch mit Schreiben vom 9. September 2009 Widerspruch erhoben, ohne von seinem Angebot Gebrauch gemacht zu haben, ihn direkt zu kontaktieren und etwaige Beschwerden vorzubringen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Betrieb des Unternehmens bereits im Gange und die Arbeiten seien weitestgehend abgeschlossen gewesen, alle Auflagen aus dem Bauschein seien nahezu vollständig erfüllt worden. Die Beigeladenen hätten erstmals im Widerspruchsverfahren geltend gemacht, dass der Betrieb des Klägers am jetzigen Standort baurechtlich nicht zulässig sei.

20

Er habe im Vertrauen auf den Fortbestand der Baugenehmigung umfangreiche Investitionen und sonstige Arbeiten mit einem Volumen von 150.000 bis 170.000 € getätigt, die im Falle einer Schließung des Objekts nahezu vollständig dort verbleiben müssten. Die wesentlichen Umbau-, Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten hätten im Zeitraum von Februar bis August/September 2009 stattgefunden, wobei ein Großteil der Arbeiten in Eigenleistung zusammen mit seinen Mitarbeitern durchgeführt worden sei; die genaue zeitliche Abfolge der überwiegend ineinander übergehenden Arbeiten lasse sich nicht immer Tag genau wiedergeben. Im Einzelnen seien folgende Arbeiten und Investitionen vorgenommen worden, zu denen der Kläger ein Konvolut von Rechnungen und Kassenbons vorlegt:

21

- Februar 2009: Umfangreiche Abbruch- und Maurerarbeiten; reine Materialkosten ca. 4063,22 €, insgesamt 74 Arbeitsstunden

22

- Februar 2009: Weitere Mauer- und Verputzarbeiten, insgesamt rund 297 Arbeitsstunden

23

- Februar bis März 2009: Anbringung einer Brandschutzisolierung an der Dachkonstruktion, Materialkosten i. H. v. 2.614,10 €, 64 Arbeitsstunden

24

- März 2009: Bau der „zweiten Ebene“ der Musikwerkstatt, Materialeinsatz rund 7.204,00 €, rund 140 Arbeitsstunden

25

- März 2009: Bau nahezu aller Treppen, Materialeinsatz ca. 6.434,16 €, rund 90 Arbeitsstunden

26

- März 2009: Installation der jeweiligen Treppengeländer, Materialeinsatz rund 1.316,12 €, rund 96 Arbeitsstunden

27

- März 2009: Bau der vollständigen Toilettenanlage, rund 155 Arbeitsstunden

28

- März 2009: Installation der Lüftungs- und Entrauchungsanlage, Materialkosten ca. 1.351,08 €, rund 45 Arbeitsstunden

29

- März 2009: Setzen von Brandschutz-, Zwischen-, Notausgang-, Büro-, WC- und Lagertüren, Materialeinsatz etwa 2.935,92 €, rund 9 Arbeitsstunden

30

- März 2009: Installation der Heizungsanlage und der Wasserversorgung, rund 4.956,70 € Material und rund 75 Arbeitsstunden

31

- „In diesem Zuge“: Durchführung von Schallschutzmaßnahmen, Materialkosten i. H. v. 1.190,55 €, rund 154 Arbeitsstunden

32

- Von März/April 2009 bis August 2009: Umfangreiche Schreinerarbeiten im Bar- und Bühnenbereich, rund 4.910.72 € an Materialkosten, rund 189 Arbeitsstunden

33

- Mai 2009: Verlegung von Böden, insgesamt 1.793,77 € an Materialkosten, rund 57 Arbeitsstunden

34

- August 2009: Errichtung des Büros, rund 431,97 € Materialeinsatz, rund 16 Arbeitsstunden

35

- August/September 2009: Installation ortsunveränderlicher Deko-Elemente, insgesamt rund 698,53 € Materialkosten, etwa 45 Arbeitsstunden

36

- „Während des gesamten Zeitraums“: Installation der Elektrotechnik des gesamten Anwesens durch Firmen Zimmer und Grün; Investitionskosten rund 19.640,93 € (laut beigefügter Auflistung aber „Februar-März 2009“)

37

- „Quasi durchgängig bis September 2009“: Tätigung von Investitionen in Sound-, Licht- und Videoeffekte i. H. v. 5.258,17 €

38

- „Februar bis August 2009“: Investitionen für Planungen, Prüfungen und nicht zuzuordnende Materialien i. H. v. ca. 9.508,89 €.

39

Insgesamt sei es ihm nicht zumutbar, die vorgenommenen Investitionen abzuschreiben und die Räumlichkeiten aufzugeben. Zwar habe er sich entschlossen, am 11. März 2011 einen weiteren Betrieb in Haßloch zu eröffnen.

40

Jedoch erwirtschafte er allein mit der „Musikwerkstatt“ Gewinne; dieser Betrieb bilde zumindest derzeit die einzige Existenzgrundlage für ihn und eine große Anzahl seiner Mitarbeiter. Im Falle einer Schließung der „Musikwerkstatt“ werde eine erhebliche Zahl von Arbeitsplätzen wegfallen. Daher überwiege das Vertrauen des Klägers in den Fortbestand der ihm erteilten Baugenehmigung die Interessen der Beigeladenen und der Beklagten deutlich.

41

Der Kläger beantragt,

42

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 15. März 2010 aufzuheben.

43

Die Beklagte beantragt,

44

die Berufung zurückzuweisen.

45

Sie trägt noch ergänzend vor: Die vom Kläger vorgenommenen Aufstellungen und Aufgliederungen seien nicht aussagekräftig. Die vorgelegten Belege ließen sich nicht eindeutig dem Standort „Musikwerkstatt“ zuordnen, sondern könnten auch für die von ihm betriebene Gastwirtschaft „Lounge“ in Neustadt oder für private Zwecke entstanden sein. Aus den zu den jeweiligen Tätigkeitsbereichen benannten Arbeitsstunden seiner Mitarbeiter gehe nicht hervor, welche Mitarbeiter in welcher Zahl dort tätig gewesen und wie die angefallenen Arbeitsstunden aufgezeichnet und abgerechnet worden seien. Der Kläger habe im Übrigen vorzeitig mit dem Bau begonnen und keine Baubeginnanzeige erstattet. Auch Mitteilungen über abschließende Fertigstellung oder Teilfertigstellungen fehlten.

46

Ferner weist die Beklagte darauf hin, dass sie einen Antrag des Klägers auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans mit Bescheid vom 12. Januar 2011 abgelehnt hat, und reicht diesen Bescheid zu den Gerichtsakten.

47

Die Beigeladenen beantragen,

48

die Berufung zurückzuweisen.

49

Zur Begründung tragen sie insbesondere vor, der Kläger könne sich gegen die erfolgreiche Anfechtung der Baugenehmigung durch die Beigeladenen nicht mit dem Einwand des Vertrauensschutzes verteidigen. Die Baugenehmigung sei ihnen gegenüber nicht in Bestandskraft erwachsen. Zum einen hätten sie mit der Einlegung des Widerspruchs am 8. September 2009 gegen die ihnen erst am 28. August 2009 bekannt gegebene Baugenehmigung die Widerspruchsfrist von einem Monat eingehalten. Zum anderen hätten sie ihr Widerspruchsrecht auch nicht verwirkt. Zwar könne in besonders gelagerten Fällen auch eine kürzere Frist als die bei nicht förmlicher Bekanntgabe der Baugenehmigung ab dem Zeitpunkt zumutbarer Kenntnisnahme relevanter Bautätigkeiten laufende Jahresfrist gelten, wenn der Nachbar durch aktives Tun dem Bauherrn vermittelt habe, mit dem Vorhaben einverstanden zu sein, so dass der Bauherr nicht mehr mit einer Anfechtung der Baugenehmigung zu rechnen brauchte und auf den wirtschaftlichen Nutzen seiner Investitionen vertrauen durfte. Dies komme hier jedoch nicht zum Tragen. Weder hätten die Beigeladenen dem Kläger zu erkennen gegeben, mit dem Vorhaben einverstanden zu sein bzw. nicht dagegen vorgehen zu wollen, noch habe dieser nachgewiesen, im Vertrauen auf die erteilte Baugenehmigung schutzwürdige Investitionen in das Vorhaben getätigt zu haben.

50

Die Behauptung des Klägers, er habe sämtliche Anwohner spätestens im März/April 2009 vollumfänglich in sämtliche Vorgänge, die geplanten Umbauarbeiten und die grundlegende Konzeption der Musikwerkstatt eingeweiht, entspreche nicht den Tatsachen. Sie hätten erstmals Anfang April 2009 Kontakt mit dem Kläger gehabt, als dieser sich in ihrem Anwesen als Betreiber der „Musikwerkstatt“ vorgestellt und mitgeteilt habe, dass der Betrieb in der folgenden Woche eröffnet werde. Er habe ihnen unter Angabe seiner Mobilfunknummer angeboten, sich bei Beschwerden an ihn zu wenden. Tatsächlich hätten sie sich bereits in der Woche nach der Eröffnung am 17. April 2009 dreimal veranlasst gesehen, den Kläger unter seiner Mobilfunknummer anzurufen und sich über Lärmbelästigungen durch Besucher der Musikwerkstatt zu beschweren. Der Kläger habe jeweils mitgeteilt, dass er nur bis etwa 00:00 Uhr in der „Musikwerkstatt“ sei und der Lärm während seiner Abwesenheit entstehe. Dies seien die einzigen Kontakte zwischen dem Kläger und ihnen gewesen. Danach hätten sie sich ausschließlich an die Beklagte gewandt. Da sich an den vom Betrieb der „Musikwerkstatt“ ausgehenden nächtlichen Ruhestörungen und Belästigungen nichts geändert habe, hätten sie sich schließlich am 6. Juli 2009 an ihre Prozessbevollmächtigte gewandt, die sich mit dem Schreiben vom 14. Juli 2009 bei der Beklagten für sie bestellt und über die baurechtliche Situation erkundigt habe. Nach Übersendung eines Abdrucks der Baugenehmigung mit Schreiben der Beklagten vom 19. August 2009 hätten sie mit Schreiben vom 8. September 2009 und damit unverzüglich nach Kenntnisnahme von der Baugenehmigung Widerspruch eingelegt. Mithin hätten sie zu keiner Zeit und in keiner Weise zum Ausdruck gebracht, keine Einwendungen gegen das Vorhaben erheben zu wollen.

51

Zudem sei die Behauptung des Klägers, er habe aufgrund eines berechtigten Vertrauens auf den Fortbestand der Baugenehmigung erhebliche Investitionen in einem Umfang von rund 170.000 € unmittelbar nach Erteilung der Baugenehmigung getätigt, unzutreffend. Aus den jetzt vorgelegten Aufstellungen ergebe sich vielmehr, dass er bereits im Februar 2009 und damit noch vor Beantragung der Nutzungsänderungsgenehmigung mit seinen Sanierungs- und Umbauarbeiten begonnen habe. Insgesamt weise die vorgelegte Aufstellung nur einen Kostenaufwand von rund 80.800 € aus, wobei der überwiegende Anteil, nämlich rund 62.500 €, in den Monaten Februar und März 2009 und daher vor Erteilung des Bauscheins entstanden sei. Ein weiterer Teil der Arbeiten mit einem Kostenvolumen von rund 16.000 € sei für den Zeitraum Februar bzw. März bis August 2009 zusammengefasst, mithin teilweise ebenfalls noch vor Antragstellung bzw. Erteilung des Bauscheins durchgeführt worden. Da der Kläger die „Musikwerkstatt“ am 17. April 2009 eröffnet habe, sei davon auszugehen, dass an diesem Tage die wesentlichen Baumaßnahmen abgeschlossen gewesen seien. Auch von den insgesamt aufgelisteten 1.578 Arbeitsstunden seien bereits 1.272 in der Zeit von Februar bis März 2009, mithin vor Erteilung der Baugenehmigung aufgewendet worden. Zudem sei nicht nachvollziehbar, wie sich die behaupteten Arbeitsstunden auf die Eigenleistungen des Klägers bzw. seiner Mitarbeiter verteilt hätten, welche Mitarbeiter tätig gewesen seien und wie die Arbeitsstunden erfasst und abgerechnet worden seien. Auch die vorgelegten Rechnungsbelege und Kassenbons bewiesen nicht, dass die eingekaufte Ware tatsächlich für Zwecke der „Musikwerkstatt“ verwendet worden sei, zumal einige der Belege an die Privatanschrift des Klägers bzw. an die Anschrift seines weiteren Gaststättenbetriebs adressiert seien.

52

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und den beigezogenen Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

53

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

54

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 15. März 2010 zu Recht abgewiesen. Der Widerspruchsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weil sich der gegen die ihm erteilte Baugenehmigung für die „Musikwerkstatt“ gerichtete Widerspruch der Beigeladenen als zulässig und begründet erweist. Mithin ist die Baugenehmigung vom 16. April 2009 zu Recht aufgehoben worden.

55

1. Das Verwaltungsgericht hat zunächst zutreffend entschieden, dass die Baugenehmigung vom 16. April 2009 wegen Verstoßes gegen materielles Baurecht rechtswidrig ist. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das Vorhaben des Klägers zur Nutzungsänderung des Gebäudes der ehemaligen Garnisonsbäckerei in einen neuen Standort für die von ihm betriebene „Musikwerkstatt“ planungsrechtlich unzulässig ist, weil es den Festsetzungen des einschlägigen Bebauungsplans widerspricht. Auch der Senat hegt keinen Zweifel daran, dass es sich bei dem Vorhaben um eine „Vergnügungsstätte“ im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO handelt, auch wenn es sich nicht um eine „klassische“ Diskothek handeln mag (vgl. zum Begriff der Vergnügungsstätte Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 6, Rn. 42 ff. m.w.N.). Hierfür sprechen eindeutig die in den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts, aber auch bereits in der Begründung des Widerspruchsbescheides aufgeführten Kriterien, namentlich die den Charakter der Lokalität prägenden, weil an nahezu jedem der Öffnungstage stattfindenden Livekonzerte, Mottoparties und sonstigen Unterhaltungsprogramme, die Erhebung eines Eintrittsgelds von den Besuchern sowie die auf freitags, samstags und Tage vor Feiertagen sowie die Nachtzeit von 22:00 bis 5:00 Uhr beschränkten, diskothekentypischen Öffnungszeiten. Diese Einschätzung des Verwaltungsgerichts steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. insbesondere den Senatsbeschluss vom 9. März 2007 – 8 A 10066/07.OVG –, LKRZ 2007, 202).

56

Als Vergnügungsstätte ist das Vorhaben in dem hier festgesetzten Gewerbegebiet gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO nur ausnahmsweise zulässig; die Zulassung von Ausnahmen nach dieser Vorschrift ist indessen im Bebauungsplan mit der Textfestsetzung Ziffer 1.3.2 ausgeschlossen worden. Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans oder speziell dieser Festsetzung sind weder vom Kläger geltend gemacht worden noch für den Senat ersichtlich.

57

2. Das Verwaltungsgericht ist des Weiteren zu Recht davon ausgegangen, dass die angefochtene Baugenehmigung nachbarschützende Rechte der Beigeladenen verletzt.

58

Die Beigeladenen können sich als Grundstückseigentümer im selben Baugebiet auf den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten, aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis herzuleitenden Schutzanspruch des Nachbarn auf Bewahrung der (festgesetzten) Gebietsart nach der BauNVO berufen (sog. Gebietserhaltungsanspruch). Danach kann jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit eine schleichende Umwandlung des Baugebietscharakters verhindern, ohne dass es auf eine konkrete, tatsächlich spürbare oder nachweisbare Beeinträchtigung des Nachbarn durch das baugebietswidrige Vorhaben ankommt (st. Rspr.; vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 – 4 C 28.91 –, BVerwGE 94, 151 und juris, Rn. 23; Urteil vom 23. August 1996 – 4 C 13.94 –, BVerwGE 101, 364 und juris, Rn. 48 ff.; Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 4 B 55.07 –, NVwZ 2008, 427 und juris, Rn. 5).

59

Die hier in Rede stehende Festsetzung im Bebauungsplan „Naulott Guckinsland III. Änderung“ der Beklagten, der Ausschluss der Zulassung von Ausnahmen nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO, namentlich von Vergnügungsstätten, im Plangebiet, gibt insoweit keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Schutzzweck der Textfestsetzung Ziffer 1.3.2 ist – wie die Beklagte in der Begründung des Bescheides vom 17. Januar 2011, mit der der Befreiungsantrag des Klägers abgelehnt wurde, nochmals deutlich gemacht hat – ersichtlich, die in Rede stehenden Teilflächen des eingeschränkten Gewerbegebiets vornehmlich für „klassische“ Gewerbebetriebe zu reservieren und dabei dem besonderen Schutzbedürfnis von Betriebswohnungen im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO, die nach der Textfestsetzung Ziffer 1.3.1 ausnahmsweise zugelassen werden können, Rechnung zu tragen. Solche betriebsakzessorischen Wohnnutzungen sollen vor Immissionen und sonstigen Störungen, wie sie in klassischen Gewerbegebieten nicht zu erwarten, aber zum Beispiel für Vergnügungsstätten typisch sind, bewahrt werden. Hierzu zählen namentlich Geräuschimmissionen, wie sie vom Betrieb einer Vergnügungsstätte und von deren Besuchern beim Zu- und Abgang in den Nachtstunden zwischen 22:00 und 5:00 Uhr und damit zu einer Zeit verursacht werden, in der in einem klassischen Gewerbegebiet an sich nicht mit regelmäßigen Störungen der Nachtruhe gerechnet werden muss. Von daher besteht hier kein Anlass, am generell nachbarschützenden Charakter der einschlägigen Bebauungsplanfestsetzung zu zweifeln, so dass der Frage, inwieweit von dem Vorhaben des Klägers konkret nachweisbare, unzumutbare Beeinträchtigungen für das Grundstück der Beigeladenen ausgehen, nicht nachgegangen werden muss.

60

3. Dem Verwaltungsgericht ist auch darin zuzustimmen, dass sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen kann, er habe gemäß § 31 Abs. 2 BauGB Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von den nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts wird der Gebietserhaltungsanspruch eines Grundstückseigentümers im Baugebiet durch die Zulassung eines der Art der baulichen Nutzung nach dort nicht zulässigen Vorhabens nur dann nicht verletzt, wenn dem Bauherrn dazu eine Befreiung tatsächlich erteilt worden ist; das bloße Vorliegen einer Befreiungslage genügt hingegen nicht (vgl. OVG RP, Beschluss vom 5. Februar 2010 – 1 B 11356/09.OVG –, DVBl. 2010, 659 und juris, Rn. 4).

61

Im Übrigen hat die Beklagte inzwischen den Antrag des Klägers auf Befreiung mit Bescheid vom 12. Januar 2011 abgelehnt. Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides bestehen nicht. Der oben dargelegte Schutzzweck der nachbarschützenden Textfestsetzung, von der befreit werden sollte, stellt vielmehr ersichtlich einen Grundzug der Planung im Sinne von § 31 Abs. 2, 1. Halbsatz BauGB dar, was einer Befreiungserteilung hier von vornherein entgegensteht.

62

4. Die Beigeladenen haben schließlich ihr nachbarliches Abwehrrecht nicht verwirkt.

63

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedeutet Verwirkung (im materiell-rechtlichen Sinne) als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Rechts längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben, namentlich gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens, erscheinen lassen (vgl. insbesondere BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 – 4 C 4.89 –, NVwZ 1991, 1182 und juris, Rn. 22, m.w. Rechtsprechungsnachweisen). Danach setzt die Verwirkung einen gewissen Zeitablaut („Zeitmoment“) und als „Umstandsmoment“ jedenfalls eine Vertrauensgrundlage und einen Vertrauenstatbestand voraus (vgl. dazu auch de Vivie/Barsuhn, Baurecht 1995, S. 492, 494). Mithin kommt die Verwirkung des materiellen Abwehrrechts eines Nachbarn gegen ein genehmigtes Bauvorhaben in Betracht, wenn der Nachbar in Kenntnis der Erteilung einer Baugenehmigung oder im Falle des Kennenmüssens ihrer Erteilung über längere Zeit untätig geblieben ist, dieses Verhalten des Nachbarn Grundlage für die Entstehung des Vertrauens des Bauherrn in das Ausbleiben von Nachbareinwendungen ist und der Bauherr aufgrund dieses Vertrauens von der Baugenehmigung Gebrauch gemacht, namentlich vermögenswirksame Dispositionen getroffen hat, deren Rückgängigmachung oder Verlust ihm nicht zuzumuten ist (st. Rspr.; vgl. insbesondere BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 – IV C 2.72 –, BVerwGE 44, 294 und juris, Rn. 24 ff.; Beschluss vom 28. August 1987 – 4 N 3.86 –, BVerwGE 78, 85 und juris, Rn. 13 ff.; Urteil vom 16. Mai 1991, a.a.O., Rn. 21 ff.; Beschluss vom 16. März 2010 – 4 B 5.10 –, juris, Rn. 8; zusammenfassend in der Literatur: de Vivie/Barsuhn, a.a.O., 492 ff. und Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im öffentlichen Recht, 12. Aufl. 2010, § 33, Rn. 11 ff.).

64

Diese Voraussetzungen liegen hier indessen nicht vor.

65

a. Dabei kann zunächst offenbleiben, ob nicht bereits das „Zeitmoment“ hier nicht gegeben ist. Was die „längere Zeit“ angeht, während der ein Recht nicht ausgeübt worden ist, obwohl dies dem Berechtigten möglich gewesen wäre, steht aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls fest, dass der maßgebliche Zeitraum der Untätigkeit des Berechtigten deutlich länger zu bemessen ist als die Zeit, die dem Berechtigten gemäß den im Regelfall geltenden verfahrensrechtlichen Rechtsbehelfsfristen für die Geltendmachung seines Rechts eingeräumt ist; ein Abwehrrecht des Nachbarn gegen eine durch Erteilung einer Baugenehmigung zugelassene Nutzung eines benachbarten Grundstücks kann demnach nicht schon dann verwirkt sein, wenn der Nachbar nur während der regulären Monatsfrist für die Erhebung eines Widerspruchs gemäß §§ 70, 58 Abs. 1 VwGO, die ihm selbst bei ordnungsgemäßer Zustellung der Baugenehmigung mit Rechtsbehelfsbelehrung zustehen würde, seine Abwehrposition nicht gegenüber dem Bauherrn geltend gemacht hat; eine Verwirkung des materiellen Abwehrrechts kommt vielmehr in Fällen dieser Art erst dann in Betracht, wenn der Berechtigte deutlich länger als einen Monat untätig geblieben ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991, a.a.O., Rn. 22). Jedenfalls beginnt der Verwirkungszeitraum erst nach Erlangung zuverlässiger Kenntnis des Nachbarn von der (tatsächlich erfolgten) Erteilung der Baugenehmigung bzw. im Zeitpunkt des sich Aufdrängens der Kenntnis hiervon (vgl. de Vivie/Barsuhn, a.a.O., S. 494), so dass es auf die vom Kläger hervorgehobene Presseberichterstattung schon ab Februar 2009 über eine baldige Wiedereröffnung der „Musikwerkstatt“ am neuen Standort nicht ankommen kann.

66

Zwar ist vorliegend einerseits festzustellen, dass die Beigeladenen bis zur Einlegung ihres Widerspruchs mit Schreiben vom 8. September 2009 immerhin fast fünf Monate seit der Erteilung der Baugenehmigung vom 16. April 2009, über die sie wohl zeitnah Kenntnis hatten oder – schon wegen der Wiedereröffnung der „Musikwerkstatt“ bereits am 18. April 2009 – jedenfalls Kenntnis haben mussten, abgewartet haben. Andererseits sind die Beigeladenen in dieser Zeit nicht vollständig untätig geblieben. Sie haben sich vielmehr bereits wenige Wochen nach Erteilung der Baugenehmigung und Aufnahme des Betriebs der „Musikwerkstatt“ mit Beschwerden über unzuträgliche Auswirkungen des Betriebs auf ihre Wohnnutzung zunächst (telefonisch) an den Kläger persönlich, danach – im Rahmen einer Sammelbeschwerde mit Schreiben vom 12. Mai 2009 – an die Beklagte gewandt. Letztlich bedarf die Frage, ob angesichts der zwischenzeitlichen Beschwerden der Beigeladenen über störende Auswirkungen des Vorhabens noch von einer „längeren Zeit“ der Nichtausübung ihres Nachbarrechts ausgegangen werden kann, keiner Entscheidung, weil jedenfalls das Umstandsmoment als weitere Voraussetzung einer Verwirkung nicht vorliegt.

67

b. Zweifelhaft ist – wie sich im Grunde schon aus dem Vorstehenden ergibt – bereits das Bestehen einer hinreichenden Vertrauensgrundlage auf Seiten des Klägers.

68

Wie dargelegt, setzt die Verwirkung neben dem bloßen Zeitablauf als Umstandsmoment zunächst voraus, dass der Verpflichtete (Bauherr) aufgrund eines Verhaltens des Berechtigten (Nachbar) darauf vertrauen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. allgemein zur Verwirkung BVerwG, Urteil vom 22. August 2007 – 8 C 6.06 –, juris, Rn. 20; s.a. de Vivie/Barsuhn, a.a.O., S. 495). Aufgrund der besonderen Pflichten im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis kann bereits eine bloße Untätigkeit des Nachbarn genügen, wenn sie vom Bauherrn als eine dem aktiven Tun des Nachbarn (Zustimmung) gleichzusetzende Duldung des Vorhabens verstanden werden konnte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 1989 – 4 B 28.89 –, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 87). Der Nachbar muss, um seiner Verpflichtung aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis nachzukommen, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder einen Vermögensverlust möglichst niedrig zu halten, nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend machen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. März 1988 – 4 B 50.88 –, NVwZ 1988, 730 und juris, Rn. 4). Zwar bedarf es insoweit nicht der Einhaltung der Schriftform wie beim Widerspruch selbst; auch können Beschwerden gegenüber den zuständigen Behörden im Einzelfall genügen, wenn der Berechtigte davon ausgehen kann, dass sie gleichsam automatisch auch dem Verpflichteten bekannt werden; regelmäßig wird allerdings nur die Geltendmachung des Rechts unmittelbar gegenüber dem Verpflichteten den durch Untätigkeit des Berechtigten entstehenden Eindruck, dieser werde sein Recht nicht (mehr) geltend machen, ausreichend entgegenwirken (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991, a.a.O., Rn. 25).

69

Danach ergibt sich hier folgendes Bild: Zwar haben die Beigeladenen – nach eigenem, vom Kläger nicht ausdrücklich bestrittenen Bekunden – bereits im April 2009 diesem gegenüber telefonisch Beschwerden wegen nächtlicher Lärmbelästigungen vorgebracht. Danach haben sie sich mit weiteren Beschwerden allerdings nur noch an die Beklagte gewandt, wobei das von ihnen mitunterzeichnete Sammelbeschwerdeschreiben vom 12. Mai 2009 offenbar nicht unmittelbar dem Kläger zur Kenntnis gebracht wurde; dieser wurde aber immerhin mit Schreiben der Beklagten vom 19. Juni 2009 generell über das Vorliegen von Nachbarbeschwerden wegen Lärmbelästigungen informiert. Zwar haben die Beigeladenen mit ihren Beschwerden über bestimmte Auswirkungen des genehmigten Betriebs das Vorhaben nicht ausdrücklich grundsätzlich in Frage gestellt; dessen bauplanungsrechtliche Zulässigkeit haben sie erst mit dem anwaltlichen Schreiben vom 14. Juli 2009 an die Beklagte hinterfragt, über das aber offenbar der Kläger nicht informiert wurde. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die Beigeladenen mit ihren Beschwerden namentlich über das störende Verhalten von Gästen der „Musikwerkstatt“ beim nächtlichen Zu- und Abgang zu dieser Einrichtung Klage über nutzungsarttypische Belästigungen durch den Betrieb einer Vergnügungsstätte geführt haben. Danach spricht bereits viel dafür, dass bei dem Kläger schon aufgrund der nachhaltigen Geltendmachung von Beschwerden über solche störenden Auswirkungen des Vorhabens, die für die von ihm gewählte Nutzungsart typisch sind, keine Vertrauensgrundlage dahin entstehen konnte, dass die betroffenen Nachbarn keine nachbarlichen Abwehrrechte gegen das Vorhaben als solches mehr geltend machen würden.

70

c. Jedenfalls fehlt es aber auf Seiten des Klägers an einem Vertrauenstatbestand.

71

Schon aus seinen eigenen Einlassungen und den vorgelegten Aufstellungen und Rechnungsbelegen ergibt sich, dass er den weit überwiegenden Teil seiner Investitionen in das Vorhaben nicht aufgrund eines Vertrauens in das Ausbleiben von Nachbarwidersprüchen gegen die Baugenehmigung vom 16. April 2009 getätigt haben kann.

72

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Verwirkung des materiellen nachbarlichen Abwehrrechts neben dem Zeitmoment und dem Bestehen einer Vertrauensgrundlage weiter voraus, dass der Verpflichtete (Bauherr) tatsächlich darauf vertraut hat, dass der Berechtigte (Nachbar) sein Recht nicht mehr ausüben werde, und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. z.B. Urteil vom 16. Mai 1991, a.a.O., Rn. 28, m.w.N.). Die Verwirkung erfordert mithin eine kausale Verknüpfung zwischen der verzögerten Geltendmachung des Abwehrrechts durch den Nachbarn und bestimmten Maßnahmen bzw. vermögenswirksamen Dispositionen des Bauherrn (vgl. de Vivie/Barsuhn, a.a.O., S. 495; Pietzner/Ronellenfitsch, a.a.O., Rn. 15). Ist der Bauherr daher nicht durch die – längere Zeit andauernde – Untätigkeit des Nachbarn und im Hinblick auf ein dadurch geschaffenes Vertrauen zu seinen Baumaßnahmen veranlasst worden, sondern hat er unabhängig davon eine ihm erteilte Genehmigung von sich aus sofort in vollem Umfang ausgenutzt und weitgehende, mit erheblichem Kapitaleinsatz verbundene Schritte unternommen, so kann auch eine längere Untätigkeit des Nachbarn, die solchen Dispositionen des Bauherrn nachfolgt, nicht mehr zur Verwirkung der nachbarlichen Abwehrrechte führen; mithin scheidet eine spätere Verwirkung insbesondere dann aus, wenn zu einem Zeitpunkt, als die Untätigkeit des Nachbarn begann, die für eine Verwirkung erhebliche zeitliche Mindestdauer zu erreichen, der Bauherr sein Vorhaben im Wesentlichen schon verwirklicht hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991, a.a.O., Rn. 28).

73

Letzteres ist hier anzunehmen: Wie sich aus den vom Kläger vorgelegten Aufstellungen ergibt, hat er den – vom Volumen sowohl der angeführten Materialkosten als auch der aufgelisteten Arbeitsstunden her – weit überwiegenden Teil der Umbau-, Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen zur (durch die angefochtene Genehmigung ermöglichten) Wiedereröffnung der „Musikwerkstatt“ bereits in den Monaten Februar und März 2009, also vor Erteilung der Baugenehmigung vom 16. April 2009, zum Teil sogar vor Stellung seines Bauantrags vom 9. März 2009, kostenwirksam vorgenommen. Für einen weiteren, nicht unerheblichen Teil der aufgewendeten Materialkosten und Arbeitsstunden wird ohne nähere Differenzierung angegeben, sie seien im gesamten Zeitraum zwischen Februar bzw. März und August bzw. September 2009 angefallen; abgesehen davon, dass das Vorbringen des Klägers insoweit kaum den Mindestanforderungen an eine substantiierte Darlegung eines Vertrauenstatbestandes genügt, folgt auch aus diesen Zeitangaben, dass zumindest ein Teil dieser Aufwendungen bereits vor Bauantragstellung oder jedenfalls Baugenehmigung bzw. in einer Zeitphase getätigt wurde, in der die Untätigkeit der Beigeladenen noch in die ihnen mindestens zuzugestehende „Überlegungsfrist“ von einem Monat nach Kenntnis bzw. Kennenmüssen der Baugenehmigungserteilung fiel. Ebenfalls unerheblich für die Frage einer Verwirkung sind die für den Monat Mai 2009 angegebenen Aufwendungen für die „Verlegung von Böden“, da sie entweder vollständig oder jedenfalls ganz überwiegend innerhalb der Monatsfrist ab Kenntnis bzw. Kennenmüssen des Erlasses der Baugenehmigung vom 16. April 2009 getätigt wurden, vor deren Ablauf nach der genannten Rechtsprechung der Verwirkungszeitraum und damit die Zeitspanne, in der ein schutzwürdiges Vertrauen in die Nichtausübung eines Abwehrrechts überhaupt erst entstehen kann, noch nicht begonnen hatte. Es verbleiben danach lediglich die Aufwendungen in den Monaten August bzw. – nach Angaben des Klägers – „im August/September 2009“; diese sind jedoch schon vom Umfang her so geringfügig (1.130,50 € bzw. 61 Arbeitsstunden), dass sie lediglich ein weiteres Indiz dafür bilden, dass der Kläger das genehmigte Vorhaben vorher im Wesentlichen bereits verwirklicht hatte. Darüber hinaus ist von der Art der Maßnahmen her („Büroerrichtung“, „Installation ortsunveränderlicher Deko-Elemente“) nicht eindeutig, ob es sich insoweit nicht um Investitionen gehandelt hat, deren Rückgängigmachung dem Kläger zumutbar wäre, weil er die betreffenden Gegenstände in seinen weiteren Lokalitäten wieder verwenden könnte. Die in der allenfalls kritischen Zeitspanne ab Anfang Juni 2009 bis zur Widerspruchseinlegung im September 2009 getätigten, wie dargelegt relativ geringfügigen weiteren Investitionen sind daher nach Art und Umfang nicht geeignet, die förmliche Geltendmachung des materiellen Abwehrrechts mit dem Widerspruch vom 8. September 2009 als treuwidrig erscheinen zu lassen.

74

Bestätigt wird die Einschätzung, dass der Kläger sein Vorhaben im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung und damit ohne die erforderliche kausale Verknüpfung mit einem Verhalten der Beigeladenen im Wesentlichen bereits verwirklicht hatte, im Übrigen durch die Tatsache, dass er den Betrieb der „Musikwerkstatt“ bereits am 18. April 2009 am heutigen Standort wieder aufgenommen und in der Folgezeit offenbar ohne nennenswerte Einschränkungen durchgehend fortgeführt hat.

75

Steht danach fest, dass es zumindest an einem Vertrauenstatbestand für die Annahme einer Verwirkung des materiellen Abwehrrechts der Beigeladenen fehlt, so kommt es auf die weiteren Rügen der Beklagten und der Beigeladenen hinsichtlich einer unklaren Zuordnung von Kostenbelegen zu Investitionen für die „Musikwerkstatt“ und zur mangelnden Substantiierung der aufgelisteten Arbeitsstunden nach Grund, Höhe und Bewertung nicht entscheidungserheblich an. Der Senat brauchte somit den diesbezüglichen Beweisangeboten der Beigeladenen im Schriftsatz vom 19. Mai 2011 nicht nachzugehen.

76

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.

77

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus §§ 167 Abs. 2, 708, 711 ZPO.

78

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

79

Beschluss

80

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 50.000,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 1 GKG).

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 11. Juli 2007 - 6 K 2270/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nrn. 3 - 5 VwGO gestützte Antrag der Kläger gegen das Urteil vom 11.07.2007 ist statthaft. Der Antrag ist auch fristgerecht eingelegt und begründet worden (vgl. § 124 Abs. 4 Satz 1, 2 und 4 VwGO). Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 5 (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Verfahrensfehler durch Versagung rechtlichen Gehörs) sind schon nicht ausreichend dargelegt (§ 124 a Abs. 4 Satz 3 VwGO, dazu I. und II.), und die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, Divergenz) liegen nicht vor (§ 124 Abs. 5 Satz 2 VwGO, dazu III. und IV.).
I.
Grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn das erstrebte weitere Gerichtsverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechtsfragen oder im Bereich der Tatsachenfragen nicht geklärten Fragen mit über den Einzelfall hinausreichender Tragweite beitragen könnte, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts höher gerichtlicher Klärung bedürfen. Die Darlegung dieser Voraussetzungen verlangt vom Kläger, dass er unter Durchdringung des Streitstoffs eine diesen Vorgaben entsprechende konkrete, verallgemeinerungsfähige Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die sowohl für das Ausgangsgericht erheblich war als auch im Berufungsverfahren erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund gibt, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 05.06.1997 - 4 S 1050/97 -, VBlBW 1997, 420 m.w.N.).
Diesen Anforderungen entspricht die Antragsbegründung der Kläger nicht. Die von ihnen darin aufgeworfene Frage,
„ob eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange i.S.d. § 6 IV 1 Nr. 2 LBO dann verneint werden kann, wenn auf dem Grundstück der Kläger besondere topographische Verhältnisse nicht gegeben sind, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg die Annahme einer nicht erheblichen Beeinträchtigung nachbarlicher Belange rechtfertigen würden, der erforderliche Grenzabstand zwar um 1,1 m² überschritten wird, andererseits aber die Besonderheit besteht, dass eine Überlappung der Abstandsflächen des nicht den Grenzabstand einhaltenden Gebäudes und einer angenommenen maximalen Bebauung auf dem Grundstück der Kläger nahezu nicht vorhanden ist“,
ist ersichtlich und gezielt auf den individuellen Sachverhalt im vorliegenden Verfahren zugeschnitten und schon deswegen einer verallgemeinernden Klärung nicht zugänglich. Zudem war diese Frage für das Verwaltungsgericht auch nicht entscheidungserheblich, denn dieses hat die Frage, ob eine geringere Abstandsfläche in der nordwestlichen Ecke der Lagerhalle nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zuzulassen ist, gerade offen gelassen.
II.
Die geltend gemachte Verfahrensrüge nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht ausreichen dargelegt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist verletzt, wenn die seiner Gewährleistung dienenden Verfahrensvorschriften nicht beachtet oder Ausführungen oder Anträge der Prozessbeteiligten vom Gericht nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen worden sind. Die Darlegung erfordert die Darstellung des Sachverhalts, aus dem sich die Verletzung des Gehörsgewährgebots ergibt und die substantiierte Darstellung der Ausführungen und Anträge, die das Gericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat bzw. der Tatsachen- und Beweisergebnisse, zu denen das Gericht die Möglichkeit zur Äußerung verwehrt hat. Die Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt, erfordert darüber hinaus die substantiierte Darstellung dessen, was die Prozesspartei bei Ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1997 - 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328 ff. m.w.N.).
1. Das Vorbringen der Kläger genügt diesen Darlegungserfordernissen nicht. Die Kläger haben den Sachverhalt, auf den sie ihren Gehörsverstoß stützen, schon nicht hinreichend bezeichnet. Sie tragen vor, das Verwaltungsgericht habe „den anderen Prozessbeteiligten“ die von der Beklagten-Vertreterin übergebenen Darstellungen und Zeichnungen (betreffend das Verhältnis der Abstandsflächen der Lagerhalle und denen eines maximal zulässigen Gebäudes auf dem Grundstück der Kläger) nicht „ausführlich zur Überprüfung“ zur Verfügung gestellt, sondern sich diese Unterlagen „einfach übergeben lassen“. Dieses Vorbringen ist zu vage und unbestimmt. Zudem fehlt es an der erforderlichen substantiierten Darlegung dessen, was die Kläger nach der - vermissten - vertieften Überprüfung der Unterlagen gegen deren Richtigkeit vorgetragen hätten und inwiefern dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung des Verwaltungsgerichts hätte führen können, nachdem dieses eine Entscheidung über die Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO, für dessen Anwendung die Unterlagen bedeutsam sind, gerade offen gelassen hat.
2. Abgesehen davon könnten die Kläger den gerügten Gehörsverstoß auch nicht mehr erfolgreich geltend machen. Auf einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs kann sich nämlich nur berufen, wer zuvor alle prozessualen und faktisch zumutbaren Möglichkeiten wahrgenommen hat, um sich Gehör zu verschaffen (BVerwG, Beschluss vom 08.12.1988 - 9 B 388.88 -, NWZ 1989, 233 ff. und Urteil vom 11.04.1989 - 9 C 55.88 -, NVwZ 1989, 857 ff.). Das Mittel zur Verwirklichung des rechtlichen Gehörs stellt dabei die mündliche Verhandlung dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.04.1989, a.a.O.). Gemessen daran hätten die Kläger ihr Rügerecht gegen den erhobenen Gehörsverstoß in jedem Fall verloren. Denn sie haben es ausweislich des Sitzungsprotokolls (Bl. 247 der VG-Akten) in der mündlichen Verhandlung versäumt, ihr Begehren, die von der Beklagten ins Verfahren eingeführten Unterlagen in der mündlichen Verhandlung näher zu überprüfen, geltend zu machen, etwa durch den Antrag, ihnen ein Schriftsatzrecht für eine vertiefte Stellungnahme einzuräumen.
III.
Die von den Klägern - insofern ordnungsgemäß nach § 124 a Abs. 4 Satz 3 VwGO gerügten - ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils vom 11.07.2007 liegen nicht vor. Die Kläger haben keine erheblichen Gründe vorgebracht, die dafür sprechen, dass das ihre Nachbarklage abweisende Urteil sich jedenfalls, was erforderlich ist, im Ergebnis als fehlerhaft erweist (zu dieser ergebnisbezogenen Betrachtung des der Einzelfallgerechtigkeit dienenden Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004 - 7 AV 4.03 - sowie VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 21.04.1997 - 8 S 667/97 -, DVBl. 1997, 1327 und vom 15.05.2000 - 14 S 353/00 -; weitere Nachweise bei Bader, in: Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 124 Rn. 23).
10 
Gegenstand des Rechtsstreits sind zwei getrennte, funktional aber zusammenhängende Baugenehmigungen der Beklagten vom 11.05.2005 und vom 07.04.2006 (jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 09.08.2006). Die Baugenehmigung vom 11.05.2005 gestattet den Umbau (Erhöhung, Einbau zweiter Dachgaupen) sowie die Umnutzung (Einbau zweier Büros, einer Toilette und eines „Archivs“) der zum Schlossereibetrieb des Beigeladenen gehörenden Lagerhalle auf dem Grundstück Flst.-Nr. 1477. Die Baugenehmigung vom 07.04.2006 legitimiert den derzeitigen, von den Ursprungsplänen aus dem Jahre 1950 abweichenden Standort der Lagerhalle; im Dachgeschoss entfällt das bisherige „Archiv“, in dem die bisher dorthin führende Türöffnung geschlossen wird. Dabei sieht die Beklagte die von der westlichen Außenwand auf deren Nordseite teilweise nicht eingehaltene Abstandsfläche (1,66 m statt 2,50 m an der schmalsten Stelle, dadurch Abstandsflächenüberlappung auf das Nachbargrundstück von ca. 1,1 m²) als nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zulässig an. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen gegen beide Genehmigungen im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Genehmigung vom 11.05.2005 verletze weder bauplanungsrechtlich noch bauordnungsrechtlich nachbarliche Rechte der Kläger. Die wegen ihrer Größe abstandsflächenrechtlich nach § 5 Abs. 6 Satz 2 LBO erheblichen Dachgaupen hielten die Abstandsflächen ein, da sie auf der Nordseite um 2,50 m verkürzt seien. Es würden ferner keine unzumutbaren Einblicksmöglichkeiten auf das klägerische Grundstück geschaffen. Schließlich habe auch die Umnutzung des Dachgeschosses in Büros keine erhebliche Betriebserweiterung zur Folge und verstoße hinsichtlich der Auswirkungen dieser Umnutzung nicht zu Lasten der Kläger gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene Rücksichtnahmegebot. Ob die Überschreitung der Abstandsflächentiefe in der Nordwestecke der Lagerhalle durch § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO gerechtfertigt sei, wofür vieles spreche, könne dahinstehen. Denn jedenfalls hätten die Kläger, die sich bisher ebenso wie ihre Rechtsvorgänger weder gegen den Standort noch gegen die Nutzung der seit 1950 bestehenden Halle gewendet hätten, ihr materielles Abwehrrecht gegen dieses Vorhaben verwirkt. Die materielle Verwirkung des Abwehrrechts führe zugleich zur Unbegründetheit ihrer Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung.
11 
Dem halten die Kläger im Zulassungsverfahren zusammengefasst entgegen: Selbst für den Fall, dass ihr Anspruch auf materielles Einschreiten gegen die Halle verwirkt gewesen sein sollte, sei jedenfalls nach Erteilung der Baugenehmigung, die den bisherigen Zustand legalisiere und verschärfe, eine Zäsur entstanden. Sie könnten daher, wie das Bundesverwaltungsgericht 1991 entschieden habe, ihre materiellen Abwehrrechte gegen die Baugenehmigung vom 07.04.2006 in Stellung bringen. Diese Baugenehmigung sei aufzuheben, da die Halle die nachbarschützenden Abstandsflächen nicht einhalte und sie - die Kläger - dadurch „erheblich“ im Sinne von § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO in nachbarlichen Rechten verletzt würden. Die Baugenehmigung verstoße gegen das Rücksichtnahmegebot, da die entstehenden Büros zu einer Ausweitung des schon jetzt gerade noch hinnehmbaren Gewerbelärms des Schlossereibetriebs führe. Wegen weiterer Einzelheiten verweist der Senat auf die Schriftsätze der Kläger vom 01.10. und vom 11.12.2007.
12 
Das Vorbringen der Kläger ist nicht geeignet, das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis in Frage zu stellen. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zutreffend entschieden, dass beide Baugenehmigungen die Kläger nicht in ihren Rechten als Miteigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.-Nr. 1476 verletzen, weil beide Baugenehmigungen ersichtlich nicht gegen bauordnungs- oder bauplanungsrechtliche Vorschriften verstoßen, die (auch) dem Schutz der Kläger zu dienen bestimmt sind.
13 
1.a) Hinsichtlich der den Standort wie die Nutzung der Lagerhalle auf dem Flst.-Nr. 1477 legalisierenden Baugenehmigung vom 07.04.2006 ist dem Verwaltungsgericht zunächst darin zu folgen, dass die Kläger ihr materielles Abwehrrecht gegen dieses Vorhaben insofern verwirkt haben, als es um etwaige Ansprüche auf baupolizeiliches Einschreiten wegen der Lage und/oder der Nutzung dieses Gebäudes geht. Die Lagerhalle wurde bereits 1950 abweichend von den damaligen Plänen im Nordwesten nahe an die Grenze zum Grundstück Flst.-Nr. 1476 herangebaut. Der engste Abstand beträgt seither 1,66 m, womit das Gebäude die heute erforderliche Abstandsfläche von 2,50 m im nördlichsten Teil der westlichen Außenwand auf eine Länge von ca. 2 m nicht einhält mit der Folge, dass die Abstandsfläche zu ca. 1,1 m² auf dem Grundstück der Kläger liegt (vgl. dazu den Abstandsflächenplan sowie die Abstandsflächenberechnung, Bl. 27, 28 der Bauakte, Teil II). Es gibt jedoch, wie das Verwaltungsgericht ausführt und auch die Kläger nicht substantiiert bestreiten, keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger jemals und trotz anzunehmender Kenntnis vom Grenzverlauf bisher die Abstandsflächenüberschreitung gerügt haben. Entsprechende Einwendungen sind ersichtlich auch von den Rechtsvorgängen der Kläger nicht erhoben worden, deren Verhalten die Kläger sich zurechnen lassen müssen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.09.1991 - 3 S 2000/91 -). Die Kläger wie ihre Rechtsvorgänger haben darüber hinaus auch gegen die in der Vergangenheit mehrfach erfolgten Umnutzungen der Halle (vgl. dazu die Liste, Bl. 47 der Bauakte, Teil I) keine Einwendungen erhoben. Solche Einwendungen sind insbesondere auch nicht gegen die Nutzung der Halle als Lagerraum für Geräte der auf dem rückwärtigen Grundstück Flst.-Nr. 1477 und dem angrenzenden Flst.-Nr. 1475 liegenden Schlossereiwerkstatt des Beigeladenen vorgebracht worden. Diese Nutzung als Lagerhalle für die Schlosserei besteht nach dem nicht bestrittenen Vortrag des Beigeladenen aber mindestens schon seit 1997; in diesem Jahr erwarb der Beigeladene die Halle, nachdem er sie auch zuvor schon zu Lagerzwecken angemietet hatte.
14 
b) Vor diesem Hintergrund geht auch der Senat davon aus, dass die Kläger einen materiell-rechtlichen Abwehranspruch gegen die Lage und die Nutzung der Halle, sofern ein solcher - zudem gebundener - Anspruch überhaupt bestand, zwischenzeitlich verwirkt haben. Aufgrund des langjährigen passiven Verhaltens der Kläger und ihrer Rechtsvorgänger (Zeitmoment) durfte der Beigeladene darauf vertrauen, dass die Kläger dieses Recht - wegen der aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis erwachsenden Pflicht, Abwehrrechte zügig geltend zu machen - nach so langer Zeit nicht mehr ausüben würden, sondern dass sie die Halle hingenommen hätten (Vertrauenstatbestand); der Beigeladene hat dieses Vertrauen auch durch erhebliche wirtschaftliche Aufwendungen ins Werk gesetzt (Vertrauensbetätigung; zu diesen Verwirkungsvoraussetzungen vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 -, NVwZ 1991, 727; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.09.1991 - a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 21.03.1995 - 11 A 1089/91 -).
15 
An der Verwirkung des (unterstellten) materiellen Abwehrrechts und der damit verbundenen öffentlich-rechtlichen Hinnahme der bestehenden Halle hat auch die Erteilung der Baugenehmigung vom 07.04.2006 nichts geändert, mit der der bisherige teilweise ungenehmigte Zustand legalisiert worden ist. Denn das materielle Abwehrrecht eines Nachbarn kann unabhängig von einer Baugenehmigung verwirkt sein (BVerwG, Beschluss vom 18.03.1988 - 4 B 50.88 -, NVwZ 1988, 730). Allerdings führt die fortbestehende Verwirkung des materiellen Abwehrrechts entgegen dem Verwaltungsgericht nicht automatisch auch zur Unbegründetheit der Anfechtungsklage der Kläger. Vielmehr ist mit der neueren Rechtsprechung davon auszugehen, dass gegen eine ein bisher ungenehmigtes Vorhaben nachträglich legalisierende Baugenehmigung ein materielles Abwehrrecht auch dann besteht, wenn der eigentliche Abwehranspruch gegen das genehmigte Vorhaben selbst verwirkt ist. Begründet wird dies damit, dass die Baugenehmigung rechtlich eine Zäsur bilde (BVerwG, Urteil vom 16.05.1991, a.a.O.); ihre Wirkungen für den Rechtskreis der Nachbarn gingen über die Wirkungen einer vorherigen bloßen behördlichen Duldung hinaus, weil die Baugenehmigung die Zulässigkeit des Vorhabens auf Dauer und unabhängig von der Umgebungsbebauung und ihrer Entwicklung festschreibe (vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.03.1995, a.a.O.; ebenso im Ergebnis OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.09.2004 - 8 A 10664/04 -). Das materielle Abwehrrecht gegenüber der Baugenehmigung reicht aber nur so weit, als diese die Kläger zusätzlich beschwert. Bezüglich der Halle selbst bleibt ihr Abwehrrecht weiterhin kraft Verwirkung ausgeschlossen. Die Kläger könnten mit a.W. auch im Falle einer Aufhebung der Baugenehmigung vom 07.04.2006 bei ansonsten unveränderten Verhältnissen nach wie vor weder ein Einschreiten wegen des Abstandsflächenverstoßes noch etwa eine Untersagung der langjährigen Nutzung als Materiallager verlangen (so zutreffend auch OVG NRW, Urteil vom 21.03.1995, a.a.O.). Nur insoweit, als die Baugenehmigung den bisherigen Zustand ändert und weitergehende Maßnahmen zulässt, kann ein Nachbar - trotz Verwirkung im Übrigen - die Beseitigung dieses „überschießenden“ Teils verlangen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.09.2004 - 8 A 10664/04 -). Dies betrifft im vorliegenden Fall jedoch nur den Umbau und die Umnutzung des Dachgeschosses, die im Wesentlichen aber Gegenstand der Baugenehmigung vom 11.05.2005 ist (dazu unten 2.).
16 
c) Nach all dem lässt sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Klage gegen die Baugenehmigung vom 07.04.2006 sei bereits wegen Verwirkung der materiell-rechtlichen Abwehransprüche abzuweisen, nicht aufrecht erhalten. Dessen ungeachtet erweist sich das Urteil aber gleichwohl im Ergebnis als richtig. Der Senat folgt insofern den - wenn auch nicht tragenden - Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass die Baugenehmigung vom 07.04.2006 hinsichtlich der Lage der Halle nicht gegen nachbarschützendes Abstandsflächenrecht verstößt.
17 
Wie dargelegt, hält die Halle auf einem Teilstück der nördlichen Außenwand auf eine Länge von ca. 2 m die (bei einem Berechnungsfaktor von 0,4 wie von 0,6) objektiv-rechtlich erforderliche und im gleichen Umfang nachbarschützende Abstandsflächentiefe von 2,50 m nicht ein (vgl. § 5 Abs. 7 LBO). Das Abstandsflächendefizit fällt dabei schon bei einer isoliert-quantitativen Betrachtung nicht allzu gewichtig aus. Der Verstoß beschränkt sich auf eine Grundstückslänge von ca. 2 m, die fehlende Abstandsfläche verringert sich - innerhalb dieses Wandabschnitts wegen des nach Süden hin breiter werdenden Grundstücks - sukzessive von maximal (2,50 m - 1,66 m =) 0,84 m an der Nordwestecke bis auf Null. Insgesamt liegt dadurch auf ein ca. 1,1 m² großes Dreieck als Abstandsfläche auf dem Nachbargrundstück Flst.-Nr. 1476 der Kläger.
18 
d) Der Senat folgt der Beklagten und dem Verwaltungsgericht darin, dass diese Abstandsflächenunterschreitung durch § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO gerechtfertigt ist. Gründe des Brandschutzes stehen der geringen Abstandsflächentiefe nicht entgegen. Die genehmigte Unterschreitung der Abstandsfläche beeinträchtigt auch nachbarliche Belange der Kläger nicht „erheblich“ i.S.d. § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO. Zwar ist, worauf die Kläger zutreffend hinweisen, nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs von der gesetzgeberischen Wertung auszugehen, dass eine den nachbarschützenden Teil unterschreitende Abstandsflächentiefe regelmäßig eine erhebliche, vom betroffenen Nachbarn nicht hinzunehmende Beeinträchtigung darstellt, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder - wie hier - nur geringfügig ist. Nachbarliche Belange sind mithin nur dann nicht „erheblich“ beeinträchtigt, wenn auf dem Nachbargrundstück besondere Umstände vorliegen, die eine vom Regelfall abweichende Beurteilung rechtfertigen, weil die vorhandene Situation durch bestimmte Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbar an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsfläche deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 -, VBlBW 1997, 266 und vom 15.09.1999 - 3 S 1437/99 -, VGHBW-LS, Beil. 12, B 4 sowie Beschluss vom 08.10.1996 - 8 S 2566/96 -; kritisch hierzu Sauter, LBO § 6 Rn. 48b). Solche Besonderheiten können sich (und werden sich zumeist) aus den tatsächlichen Verhältnissen auf dem Nachbargrundstück ergeben. Hierzu können nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs etwa unterschiedliche Höhenlagen oder sonstige signifikanten topografischen Unterschiede gehören. Ferner kann ein ungewöhnlicher Zuschnitt des Nachbargrundstücks oder die Tatsache ausschlaggebend sein, dass die vorhandene oder die planungsrechtlich zulässige Bebauung auf dem Nachbargrundstück durch das in Rede stehende grenznahe Vorhaben nur unerheblich tangiert wird (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Sauter, LBO, Rn. 48c zu § 6 LBO). .Neben diesen besonderen tatsächlichen Gegebenheiten können auch rechtlich außergewöhnliche Umstände, die dem Nachbargrundstück im Verhältnis zu dem bekämpften Vorhaben anhaften, eine „erhebliche“ Beeinträchtigung nachbarlicher Interessen ausschließen. Eine solche Konstellation kann vorliegen, wenn der Nachbar das Vorhaben in seiner grenznahen Lage schon seit langer Zeit in einer für den Bauherrn Vertrauen begründenden Weise hingenommen und sein materielles Abwehrrecht verwirkt hat. Bei der zu treffenden Abwägung der Interessen von Nachbar und Bauherr (vgl. Sauter, a.a.O, § 6 Rn. 47a) ist sowohl die rechtliche Schutzwürdigkeit als auch die Schutzbedürftigkeit des Nachbarn dann deutlich geringer zu gewichten als im gesetzlichen Regelfall.
19 
Gemessen daran hat der Senat keinen Zweifel, dass auf Seiten der Kläger Besonderheiten in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht vorliegen, die ihre Schutzwürdigkeit gegenüber der Lagerhalle in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht deutlich mindern. Zunächst zeichnet sich das klägerische Grundstück in seinem Zuschnitt und der Gebäudeanordnung durch atypische Besonderheiten aus (zu diesem Gesichtspunkt vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.09.1999, a.a.O.). Die vorgeschobene Ostgrenze des Grundstücks Flst. Nr. 1476 ist nur in der untersten Ecke (innerhalb des 1,1 m² großen „überlappenden“ Dreiecks) abstandsflächenerheblich betroffen, danach springt die Grenze fast rechtwinklig weit nach Westen zurück. Das Wohnhaus der Kläger befindet sich zudem grenznah auf der gegenüber liegenden Westseite des Grundstücks; es liegt dadurch nahezu 20 m von der Ostgrenze und der Halle entfernt, so dass die durch die §§ 5 ff. LBO geschützten Belange (Belichtung, Besonnung, Belüftung und ggf. auch der Wohnfriede) wohl schon tatsächlich nicht nachteilig betroffen werden (zu den Dachgaupen, vgl. nachfolgend zu 2.). Zusätzlich ist dabei zu berücksichtigen, dass die Kläger entlang der Ostgrenze gegenüber der Halle eine dichte, den Blick auf die Hallenwand weitgehend verdeckende Hecke gepflanzt haben (vgl. dazu die Fotos Bl. 211 ff. der VG-Akte und Bl. 69 ff. der Bauakte Teil II). Wegen des außergewöhnlichen Zuschnitts wäre aber auch eine künftige Bebaubarkeit des klägerischen Grundstücks auf der Ostseite im (abstandsflächenbezogen) höchstzulässigen Ausmaß durch die bestehende Halle nur unerheblich eingeschränkt. Dies lässt sich aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Zeichnungen und Berechnung der Beklagten entnehmen, gegen deren Richtigkeit Bedenken weder substantiiert geltend gemacht noch ersichtlich sind. Danach würden sich selbst dann, wenn die Kläger im Osten ihres Grundstücks ein Gebäude mit dem geforderten Mindestabstand von 2,50 m errichteten, dessen Abstandsflächen mit denen der Hall nur auf einer Fläche von maximal 0,15 m² überschneiden. Schließlich ist die Schutzwürdigkeit der Kläger nochmals (in rechtlicher Hinsicht) dadurch in einer von der Regel abweichenden Weise gemindert, dass sie die Halle an ihrem jetzigen Standort seit langem unbeanstandet hingenommen, beim Beigeladenen Vertrauen auf diese Hinnahme begründet haben und einen Rückbau wegen Verwirkung ihrer lagespezifischen Abwehrrechte von der Beklagten daher nicht verlangen können.
20 
2. Auch durch den in der Baugenehmigung vom 11.05.2005 (modifiziert durch die Baugenehmigung vom 07.04.2006) genehmigten Dachgeschossumbau (Dacherhöhung mit je einer ca. 10,5 m langen Gaupe auf der West- und Ostseite) und durch die genehmigte Dachgeschossumnutzung (Einrichtung von zwei Büros mit WC) werden die Kläger nicht in nachbarlichen Rechten verletzt. Da die Baugenehmigung gegenüber dem bisherigen Bestand der Halle zusätzliche Maßnahmen legalisiert, haben die Kläger insofern ihre Abwehransprüche materiell nicht verwirkt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.09.2004 - 8 A 10664/04 -, BauR 2005, 77 ff.). Die Baugenehmigung verstößt diesbezüglich nicht gegen das (im Begriff des „Sich Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene) Gebot der Rücksichtnahme in seiner nachbarschützenden Ausprägung, da durch die Verlagerung der Büros der eigentliche Schlossereibetrieb nicht erweitert wird und eine Erhöhung des eigentlichen Betriebslärms daher nicht eintritt. Auch von einem nennenswerten oder gar unzumutbaren Störpotenzial der Bürobesucher kann nicht ausgegangen werden. Die erforderlichen (drei) Stellplätze sind nach der Baugenehmigung auf der den Klägern abgewandten Ostseite der Halle angeordnet und dürfen zudem nur von der L 38 aus angefahren werden (vgl. Auflage Nr. 1.38). Die Aufgangstreppe zu den genehmigten Büroräumen ist auf der Hallensüdseite angelegt; sie liegt damit ca. 35 m vom Wohnhaus der Kläger entfernt und wird diesem gegenüber zusätzlich noch durch das sich unmittelbar südlich anschließende Werkstattgebäude abgeschirmt. Auch von der Eröffnung unzumutbarer Einblicke von den Bürofenstern aus auf das Grundstück der Kläger kann nicht ausgegangen werden. Das Wohnhaus der Kläger liegt, wie dargelegt, ca. 20 m von der Grenze entfernt. Dass von den Bürofenstern aus zu „nicht in direkter Richtung“ (Feststellung des Verwaltungsgerichts) auf die Freifläche des Grundstücks geblickt werden kann, können die Kläger unter Berufung auf das Rücksichtnahmegebot nicht verhindern. Die Kläger werden durch die Dachgaupen auch abstandsflächenrechtlich nicht in ihren Rechten verletzt. Die Gaupe auf der ihrem Grundstück zugewandten Hallenwestseite ist aufgrund ihrer Länge zwar abstandsflächenrechtlich erheblich (§ 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO). Da die Gaupe aber 2,50 m von der Gebäudenordwand zurück bleibt, werden die erforderlichen Abstandsflächentiefen eingehalten (vgl. den Abstandsflächenplan und die Abstandsflächenberechnung in den Bauakten). Der abknickende Grundstücksverlauf zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück der Kläger führt dazu, dass die Abstandsfläche der Dachgaupe vollständig auf dem Baugrundstück liegt. Damit werden, wie im Widerspruchsbescheid zutreffend dargelegt, die Belange Belichtung, Belüftung und Besonnung durch den Dachausbau nicht in nachbarrechtlich relevanter Weise beeinträchtigt. Gleiches gilt für den Belang des Wohnfriedens, sofern dieser überhaupt zu den Schutzgütern der §§ 5 ff. LBO gehört (bejahend: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 -, VBlBW 1997, 266 und Beschluss vom 16.01.1992 - 3 S 2376/91 -; verneinend: Beschluss vom 10.09.1998 - 8 S 2137/98 -). Auch von der Nutzungsänderung des Dachgeschosses in zwei Büros mit Fenstern - die Abstandsflächenrelevanz dieser Nutzungsänderung einmal unterstellt (zu dieser Frage vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 15.05.1991 - 3 S 1200/91 - und vom 12.06.1991 - 3 S 1499/91 -, BWVPr. 1991, 259) - geht keine Verletzung der §§ 5 ff. LBO zu Lasten der Kläger aus. Denn die Gaupen halten sowohl die objektiv-rechtliche wie die nachbarschützende Abstandsflächentiefe ein, so dass auch insoweit die Kläger sich nicht auf eine Verletzung des nachbarlichen Wohnfriedens berufen könnten.
IV.
21 
Auch bezüglich des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) hat der Antrag der Kläger keinen Erfolg. Zwar haben die Kläger einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benannt und einem dieselbe Rechtsvorschrift betreffenden seinerseits entscheidungserheblichen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 - gegenübergestellt. Die Kläger haben auch ausreichend dargetan, worin nach ihrer Auffassung die - den Rechtssatz in Frage stellenden und nicht nur dessen fehlerhafte Anwendung betreffende - Abweichung durch das Verwaltungsgericht liegt und dass das Urteil des Verwaltungsgerichts auf dieser Abweichung zumindest beruhen kann (zu diesen Anforderungen vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1997, NJW 1997, 3328; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.03.1997 - 8 S 664/97 -, DVBl. 1997, 1326 m.w.N.). Voraussetzung der Rüge nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist es - ebenso wie bei der Grundsatzrüge nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, als deren Unterfall sie insoweit begriffen werden kann - jedoch weiterhin, dass die geltend gemachte Divergenz auch im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich zum Tragen kommen kann (vgl. Hopp in: Eyermann u.a., VwGO, 12. Aufl., § 124 Rn. 44). Denn Aufgabe des Berufungsverfahrens ist es nicht, rechtsgutachterlich die - im Ergebnis folgenlose - Abweichung der Ausgangsentscheidung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung festzustellen. An der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit fehlt es hier, da sich das angefochtene klagabweisende Urteil wie vorstehend im Einzelnen dargelegt, unabhängig von der Reichweite des verwirkten materiellen Abwehrrechts aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend darstellt.
22 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 3 und Abs. 1, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG.
23 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.

(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 27. Oktober 2010 - 5 K 1991/10 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 3.750,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Antrag abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 30.08.2010 zur Errichtung eines „Anbaus von Garagen mit PV-Anlage“ anzuordnen. Die Baugenehmigung verletzt auch nach Auffassung des Senats nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung keine Rechte des Antragstellers. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.
Der Antragsteller rügt, das Verwaltungsgericht gehe von falschen Sachverhaltsvoraussetzungen aus. Es bemesse die Begründetheit des Antrags ausschließlich daran, dass es sich um eine Garage handle, obwohl nach objektiven Kriterien von der Errichtung einer Werkstatt auszugehen sei. Für die Annahme einer Werkstatt sprächen, dass auf dem Grundstück des Beigeladenen bereits ausreichend Garagen vorhanden seien, der Beigeladene Kraftfahrzeugmechaniker sei und schon bisher auf dem Grundstück Fahrzeuge repariere, sowie die Dimension der Garage mit drei überdimensionierten Einfahrten. Wenn das Bauvorhaben richtigerweise daran bemessen werde, was tatsächlich errichtet werde, seien unzumutbare Immissionen durch den erheblichen An- und Abfahrtverkehr und durch den Werkstattbetrieb zu erwarten. Diese Rüge greift nicht durch.
Die vom Antragsteller befürchtete Nutzung der Garagen zu Reparatur- und Restaurierungszwecken und zur Durchführung von Reifenwechseln ist nicht Gegenstand der Baugenehmigung, um deren sofortige Vollziehung es im vorliegenden Verfahren geht. Selbst wenn der Beigeladene in Wahrheit eine andere als die genehmigte Nutzung des Gebäudes als Garagen anstreben sollte, wäre dies im vorliegenden Verfahren unbeachtlich, weil solche Absichten jedenfalls in der Baugenehmigung keinen Niederschlag gefunden haben. Die Baugenehmigung lässt einen Werkstattbetrieb eindeutig nicht zu. Raum für eine erweiterte Interpretation der Baugenehmigung, der solche Nutzungsmöglichkeiten offen ließe, besteht nicht. Weder der Genehmigungsbescheid selbst oder die ihm beigefügten Nebenbestimmungen noch die genehmigten Bauvorlagen enthalten Hinweise darauf, dass die Baubehörde mit der Genehmigung auch eine Nutzung der Garage als Werkstatt ermöglichen wollte oder objektiv zugelassen hat. Diese hat im Rahmen der Abweisung der Einwendungen des Antragstellers vielmehr zusätzlich und ausdrücklich klargestellt, dass zur Entscheidung lediglich der Neubau von privat genutzten Garagen mit einer “PV-Anlage“ stehe. Die Befürchtung des Antragstellers, der Beigeladene werde das genehmigte Gebäude entgegen dem genehmigten Nutzungszweck gleichwohl als Werkstatt benutzen, kann im vorliegenden Verfahren keine Berücksichtigung finden. Gegen eine Nutzungsänderung, die seine (Nachbar-)Rechte verletzt, könnte der Antragsteller jedoch gegebenenfalls ebenso (vorläufigen) Rechtsschutz einfordern.
Das Bauvorhaben verstößt auch nicht zu Lasten des Antragstellers gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 5 LBO über die erforderliche Abstandsflächentiefe. Der Antragsteller führt insoweit aus, dass das Bauvorhaben die erforderliche Abstandsflächentiefe gegenüber dem - nicht in seinem Eigentum stehenden - Grundstück Flst.Nr. ... nicht einhalte. Er macht sinngemäß geltend, darin liege ein Verstoß gegen eine nachbarschützende Vorschrift, auf den er sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch berufen könne, selbst wenn er subjektiv von dem Verstoß nicht betroffen sei, da die Vorschrift jedenfalls auch dem Schutz seiner Interessen diene. Hierzu reiche es aus, wenn gegen eine Vorschrift verstoßen werde, die dem Nachbarschutz diene. Auf eine spürbare tatsächliche Beeinträchtigung komme es in diesem Fall nicht an.
Diesem Vorbringen liegt ein unzutreffendes Verständnis des dogmatischen Gehalts nachbarschützender Vorschriften und insbesondere des Umfangs der nachbarschützenden Wirkung des § 5 LBO zugrunde. Es trifft zwar, worauf die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung bereits hingewiesen hat, zu, dass ein Nachbar bereits dann im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletzt ist, wenn die einem Dritten erteilte Baugenehmigung gegen Vorschriften verstößt, die zumindest auch seinen Schutz bezwecken, ohne dass es hierfür auf tatsächlicher Ebene noch einer konkreten Beeinträchtigung bedürfte. Der Antragssteller verkennt mit seiner Argumentation jedoch, dass dies nur für denjenigen gilt, zu dessen Lasten die nachbarschützende Vorschrift verletzt wird. Die nachbarschützende Wirkung der Abstandsvorschrift erstreckt sich aber nur auf die jeweils an die Abstandsfläche des Bauvorhabens angrenzenden Grundstücke und auf alle Nachbarn, deren Grundstücke dem Bauvorhaben gegenüberliegen (vgl. hierzu Sauter, LBO für Baden-Württemberg, Stand Juli 2009, § 5 RdNr. 7). Der Antragsteller kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Bauvorhaben die erforderliche Abstandsflächentiefe gegenüber dem Grundstück Flst.Nr. ..., also gegenüber einem fremden Grundstück nicht einhält. Dass die Abstandsflächentiefe auf der seinem Grundstück zugewandten Gebäudeseite nicht eingehalten wäre, macht der Antragsteller selbst nicht geltend.
II.
Der Antragsteller trägt als Beschwerdeführer die Kosten der ohne Erfolg eingelegten Beschwerde (§ 154 Abs. 2 VwGO). Insoweit sind ihm nach § 162 Abs. 3 VwGO auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, weil der Beigeladene mit seinem - näher begründeten - Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen, ein eigenes Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO) übernommen hat. Der Senat gibt damit seine - mit der Rechtsprechung der anderen Baurechtssenate des beschließenden Gerichtshofs übereinstimmende - bisherige Praxis, die einem notwendig beigeladenen Bauherrn entstandenen außergerichtlichen Kosten ungeachtet dessen aufzuerlegen, ob der Bauherr einen Sachantrag gestellt oder den Prozess wesentlich gefördert hat (Senatsbeschluss vom 01.09.1997 - 8 S 1958/97 - VBlBW 1998, 57 m.w.N.), nach Abstimmung mit den anderen Baurechtssenaten auf.
Nach § 162 Abs. 3 VwGO sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Der Billigkeit entspricht die Auferlegung von Kosten eines Beigeladenen im Regelfall nur dann, wenn er i. S. des § 154 Abs. 3 VwGO einen Antrag gestellt oder das Verfahren wesentlich gefördert hat. Für einen notwendig Beigeladenen gilt grundsätzlich nichts Anderes, auch nicht im Baunachbarstreit. Das folgt aus dem systematischen Zusammenhang des § 162 Abs. 3 VwGO mit § 154 Abs. 3 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.01.1987 - 6 C 55.83 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 21) und allgemeinen Grundsätzen des Kostenrechts, die sich am Maß der Beteiligung orientieren (Olbertz in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, § 162 Rn. 92, 93 m.w.N. aus Rspr. und Lit.). § 162 Abs. 3 VwGO unterscheidet zudem nicht zwischen einfacher und notwendiger Beiladung. Auch stellen weder diese Vorschrift noch § 154 Abs. 3 VwGO auf die materiell-rechtliche Betroffenheit oder die Zwangsläufigkeit der prozessualen Beteiligung des Beigeladenen ab; vielmehr knüpft § 154 Abs. 3 VwGO an das konkrete prozessuale Verhalten des Beigeladenen an (vgl. Olbertz, a.a.O. Rn. 96 m.w.N.). Demzufolge können die Gesichtspunkte, dass der Bauherr im Anfechtungsprozess eines Nachbarn zwangsläufig in eine gerichtliche Auseinandersetzung über die ihm erteilte Baugenehmigung gezogen wird und dass es sich dabei „im Grunde“ nur um eine Streitigkeit zwischen ihm und dem Nachbarn handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 01.09.1997, a.a.O.; im Anschluss ebenso bei notwendig beigeladenen Asylbewerbern BayVGH, Beschluss vom 08.11.1999 - 27 ZB 99.32026 - NVwZ-RR 2000, 333 jeweils m.w.N.), für sich genommen keine Billigkeitsentscheidung nach § 162 Abs. 3 VwGO rechtfertigen. Abgesehen davon stellen sie auch keine Besonderheit gerade des Baunachbarstreits dar. Allerdings setzt eine Billigkeitsentscheidung einen Sachantrag i. S. des § 154 Abs. 3 VwGO auch nicht voraus (Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Auflage § 162 Rn. 17 m.w.N.). Sie kommt auch ohne solchen Antrag in Betracht, etwa wenn der Beigeladene das Verfahren wesentlich gefördert hat oder ein anderer Billigkeitsgrund vorliegt (vgl. Olbertz, a.a.O. Rn. 93 und 95 ff. m.w.N.). Umgekehrt kann sie trotz eigener Antragstellung auch ausscheiden, etwa bei unnötiger vorbeugender Rechtsverteidigung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 07.06.1995 - 4 B 126.95 - NJW 1995, 2867 und vom 31.10.2000 - 4 KSt 2.00, 4 B 65.00 - NVwZ-RR 2001, 276), wenn in einem Schriftsatz ohne Begründung nur die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1993 - 4 C 16.92 - juris) oder wenn mit einem Sachantrag ausnahmsweise kein Kostenrisiko i. S. des § 154 Abs. 3 VwGO einhergeht (vgl. BayVGH, Beschluss vom 11.10.2001 - 8 ZB 01.1789 - NVwZ-RR 2002, 786).
Ausgehend davon ist hier eine Billigkeitsentscheidung i. S. des § 162 Abs. 3 VwGO gerechtfertigt, weil der Beigeladene mit seinem - näher begründeten - Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde ein Kostenrisiko i. S. des § 154 Abs. 3 VwGO übernommen hat und kein Sachverhalt vorliegt, der einer Billigkeitsentscheidung gleichwohl entgegensteht.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 39 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG.
10 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30 bis 37.

(2) Die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

Tenor

Die Beschwerden der Antragsgegnerin und des Beigeladenen zu 1 gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 2. Juli 2013 - 11 K 1561/13 - werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Nutzung mit Wirkung zum 1. Juni 2014 zu untersagen ist.

Die Antragsgegnerin und der Beigeladene zu 1 tragen jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Beschwerdeverfahren. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren jeweils selbst.

Der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen auf jeweils 3.750,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässigen Beschwerden (§§ 146 f. VwGO) sind nicht begründet. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben zu einer Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts keinen Anlass (II.) Zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist es allerdings geboten, die Antragsgegnerin zum - umgehenden - Erlass einer erst ab dem 01.06.2014 wirksamen Nutzungsuntersagung zu verpflichten (III.).
I.
Der Senat kann trotz des Antrags der Antragsgegnerin vom 08.04.2014, zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits einen Erörterungstermin vor dem Berichterstatter durchzuführen (vgl. § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO), und ihrer Anregung, die Beteiligten auch gegen den Willen der Antragsteller an den Güterichter zu verweisen (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 278 Abs. 5 ZPO), über die Beschwerde entscheiden, insbesondere ohne zuvor und gesondert über diese Anträge und Anregungen zu entscheiden. Der Senat hält einen Verweis der Beteiligten an den Güterichter für eine Güteverhandlung sowie weitere Güteversuche darüber hinaus für nicht angebracht.
1. Der Antrag auf Durchführung eines Erörterungstermins ist rechtlich gesehen eine bloße Anregung an das Gericht, über die nicht förmlich entschieden werden muss (vgl. BFH, Beschluss vom 30.10.1997 - X B 12/97 - BFH/NV 1998, 599). Ebenso sind Anträge auf einen Verweis an den Güterichter zur Durchführung einer Güteverhandlung allein solche Anregungen (vgl. Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auf. 2013, § 278 Rn. 17), über die nicht förmlich zu entscheiden ist.
2. Auch wenn der Verweis der Beteiligten an den Güterichter zur Durchführung einer Güteverhandlung rechtlich wohl nicht das Einverständnis aller Beteiligter erfordern dürfte (Sächsisches OVG, Beschluss vom 28.01.2014 - 1 A 257/10 - juris Rn. 1), erscheint ein solcher Verweis hier ebenso wenig sinnvoll wie die Durchführung eines Erörterungstermins vor dem Berichterstatter. Denn die Antragsteller haben ausdrücklich erklärt, an der vorgeschlagenen Mediation kein Interesse mehr zu haben. Angesichts der insgesamt langen Dauer des Beschwerdeverfahrens (zu den Gründen unten unter III.) geriete ein Verweis an den Güterichter gegen den Willen der Antragsteller mit der aus Art. 19 Abs. 4 GG erwachsenden Verpflichtung des Senats, effektiven Rechtsschutz in angemessener Zeit zu gewähren (BVerfG, Beschluss vom 23.05.2012 - 2 BvR 610/12 - BVerfGK 19, 407 (412)), in Konflikt.
II.
Die mit den Beschwerden vorgebrachten Rügen gebieten keine Änderung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts.
1. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist mit dem Bauantrag des Beigeladenen zu 1 vom 11.06.2012 nicht allein die Aufstockung einer Wohnheimkapazität von 51 auf 68 Plätze zur Genehmigung gestellt und am 21.09.2012 von der Antragsgegnerin genehmigt worden. Vielmehr umfassen Bauantrag und Baugenehmigung die Änderung der Nutzung des ganzen Gebäudes als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber. Daher erfasst die vom Senat mit Beschluss vom 14.03.2013 - 8 S 2504/13 - angeordnete aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und zwischenzeitlich der ihm nachgefolgten Klage diesen gesamten Genehmigungsumfang.
a) Das Beschwerdevorbringen des Beigeladenen zu 1, das Baugenehmigungsverfahren sei wegen der zusätzlich erhöhten Nutzung von 51 auf 68 Unterbringungsplätze durchgeführt worden, liegt, wenn man es mit der Antragsgegnerin dahingehend verstehen will, dass die Baugenehmigung vom 21.09.2012 ausschließlich wegen der geplanten Erhöhung der Unterbringungskapazität bei gleichbleibender Nutzung als Wohnheim beantragt worden sei (Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 31.01.2014) und sie sich also nur auf 17 weitere Wohnheimplätze beziehe, offensichtlich neben der Sache. Denn der Beigeladene zu 1, dem als Bauherrn die inhaltliche Umschreibung und Umgrenzung des Vorhabens obliegt, dessen Durchführung begehrt wird (BVerwG, Urteil vom 04.07.1980 - 4 C 99.77 - NJW 1981, 776 (zu § 29 BauGB); Senatsbeschluss vom 11.05.2011 - 8 S 93/11 - NVwZ-RR 2011, 754 (756) (zu § 49 LBO); Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 29 Rn. 6), hat mit seinem Bauantrag von 11.06.2012 ausdrücklich die „Umnutzung bestehendes Wohn- und Bürogebäude mit Lagerräumen und Gemeinschaftsunterkünfte zur Unterbringung von Personen nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (Asylbewerber)“, also nicht etwa allein die Erhöhung der Anzahl von Wohnheimplätzen beantragt. Dem entsprechend wurde ihm durch die Antragsgegnerin - sprachlich aber nicht inhaltlich abweichend - eine Nutzungsänderung „Wohnheim mit Werkstatt und Schulungsräumen in Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber sowie Büros mit Lagerräumen“ genehmigt. Dass der Beigeladene zu 1 die beabsichtigte vollständig neue Nutzung seines Gebäudes zur Genehmigung gestellt hat, ergibt sich auch aus seinem Schriftsatz an die Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren vom 15.07.2013. Darin hat er eine Befreiung „ausdrücklich beantragt und zwar für die 68 Unterkünfte, hilfsweise für die 51 bereits bestehenden Unterkünfte“. Daher irrt der Beigeladene zu 1, wenn er behauptet, der Senatsbeschluss vom 14.03.2013 besage nichts zur zulässigen Nutzung mit 51 untergebrachten Asylsuchenden.
bb) Die entsprechende Rüge der Antragsgegnerin aus ihrem Schriftsatz vom 31.01.2014 ist überdies deshalb nicht berücksichtigungsfähig, weil sie nach Ablauf der Frist zur Beschwerdebegründung von einem Monat nach Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) erhoben worden ist, ohne dass zuvor vorgebracht worden wäre, dass die Baugenehmigung vom 21.09.2012 sich nur auf eine Kapazitätserhöhung bezogen hätte. Die Begründungsfrist war bereits mit Ablauf des 08.08.2013 abgelaufen, nachdem der erstinstanzliche Beschluss am 08.07.2013 zugestellt worden war.
2. Entgegen der Auffassung der Beschwerden hat das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden, dass die dem Beigeladenen zu 1 erteilten Baugenehmigungen vom 06.11.1975 und 18.05.1992 dem Anspruch der Antragsteller auf die beantragten Sicherungsmaßnahmen nach § 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 2 VwGO deshalb nicht entgegenstehen, weil sie die genehmigte und aufgenommene Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber nicht abdecken. Diese Nutzung ist also nicht - bezogen auf 51 Plätze - doppelt genehmigt. Denn die neue, aufgenommene Nutzung verlässt die Variationsbreite der ursprünglich genehmigten Nutzung und stellt sich damit als genehmigungspflichtige Nutzungsänderung im Sinne sowohl des Bauordnungsrechts (§ 49, 2 Abs. 12, 50 Abs. 2 LBO) als auch des Bauplanungsrechts (§ 29 Abs. 1 BauGB) dar. Die Baugenehmigungen vom 06.11.1975 und 18.05.1992 legalisieren die Nutzung des Gebäudes des Beigeladenen zu 1 als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber daher nicht, und zwar auch nicht teilweise.
10 
a) Eine Nutzungsänderung im bauordnungsrechtlichen Sinne liegt vor, wenn der Anlage - wenigstens teilweise - eine neue, d. h. andere Zweckbestimmung gegeben wird (Sauter, LBO, Stand: März 2010, § 2 Rn. 129). Der bauplanungsrechtliche Begriff der Nutzungsänderung hingegen erweist sich als enger, weil er bodenrechtlichen Bezug hat (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.09.2012 - 3 S 2236/11 - NVwZ-RR 2012, 919 (920 f.)). Eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB liegt mithin vor, wenn die Variationsbreite der genehmigten Nutzung verlassen wird und dadurch bodenrechtliche Belange neu berührt werden können (BVerwG, Urteile vom 18.05.1990 - 4 C 49.89 - NVwZ 1991, 264 und vom 18.11.2010 - 4 C 10.09 - NVwZ 2011, 269 ff.; Beschlüsse vom 14.04.2000 - 4 B 28.00 - juris Rn. 6 und vom 07.11.2002 - 4 B 64.02 - BRS 66 Nr. 70; Senatsbeschluss vom 25.10.2012 - 8 S 869/12 - ZfBR 2013, 60). Die Variationsbreite einer genehmigten Nutzung wird überschritten, wenn das bisher charakteristische Nutzungsspektrum erweitert wird (BVerwG, Urteil vom 27.08.1998 - 4 C 5.98 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 190 S. 64). Bodenrechtliche Belange können berührt sein, wenn der neuen Nutzung unter städtebaulichen Gesichtspunkten eine andere Qualität zukommt (BVerwG, Beschluss vom 14.04.2000, a.a.O.), für die neue Nutzung weitergehende bodenrechtliche Vorschriften gelten als für die alte oder wenn sich die Zulässigkeit der neuen Nutzung zwar nach derselben bodenrechtlichen Vorschrift bestimmt, nach dieser Vorschrift aber anders zu beurteilen sein kann als die frühere Nutzung (BVerwG, Urteil vom 14.01.1993 - 4 C 19.90 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 155), oder wenn die geänderte Nutzung für die Nachbarschaft erhöhte Belastungen mit sich bringt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.11.2002, a.a.O.). Keine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB ist die bloße Intensivierung der Nutzung durch Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ohne Einfluss des Bauherrn (BVerwG, Urteil vom 29.10.1998 - 4 C 9.97 - NVwZ 1999, 417 und Beschluss vom 11.07.2001 - 4 B 36.01 - BRS 64 Nr. 73).
11 
Der Regelungsumfang einer Baugenehmigung hinsichtlich der mit ihr zugelassenen Art der Nutzung einschließlich ihrer Variationsbreite bzw. ihrer Zweckbestimmung richtet sich nach der Bezeichnung des Vorhabens in der Genehmigung sowie den weiteren Regelungen im Genehmigungsbescheid, den Bauvorlagen und sonstigen in Bezug genommenen Unterlagen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.10.2002 - 5 S 1706/01 - juris Rn. 65; Bayerischer VGH, Beschluss vom 09.09.2013 - 14 ZB 12.1899 - BauR 2014, 233). Er kann damit wesentlich auch durch den Bauantrag mitbestimmt werden, insbesondere wenn der Bauherr selbst nur einen engen Rahmen zulässiger Nutzungen zur Genehmigung stellt und damit das Vorhaben eingrenzt.
12 
b) An diesen Maßstäben gemessen erweist sich die Nutzung des Gebäudes des Beigeladenen zu 1 als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber sowohl im bauordnungsrechtlichen wie auch im bauplanungsrechtlichen Sinne als eine Änderung der bislang genehmigten Nutzung als „Lehrlingswohnheim“ und ist diese deshalb auch genehmigungsbedürftig.
13 
aa) Die Variationsbreite der bisherigen, bestandskräftig genehmigten Nutzung wird mit der Nutzung des Gebäudes als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber überschritten. Es handelt sich um eine Nutzungsänderung im Sinne der Landesbauordnung, weil dem Gebäude eine relevante neue Zweckbestimmung gegeben wird. Denn es wird nicht mehr als das mit den Baugenehmigungen vom 06.11.1975 und 18.05.1992 genehmigte „Lehrlingswohnheim“ genutzt. Der Bereich der vom Bauherrn mit seinen Genehmigungsanträgen selbst vorgegebenen, bisherigen Zweckbestimmung wird verlassen. Den Baugenehmigungen ist nicht zu entnehmen, dass die Eingrenzung “internatsmäßiges Lehrlingswohnheim“ (Baugenehmigung vom 06.11.1975) bzw. „Lehrlingswohnheim“ (Baugenehmigung vom 18.05.1992) lediglich die damals konkret beabsichtigte Nutzung beschreiben, die zur Genehmigung gestellte Nutzungsart aber eine darüber hinausgehende Variationsbreite sonstiger Nutzungen umfassen sollte.
14 
bb) Es liegt auch eine Nutzungsänderung im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB vor. Denn die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der bisherigen Nutzung ist möglicherweise abweichend von der nunmehr zur Genehmigung gestellten Nutzung zu beurteilen, weil sie bodenrechtliche Belange neu berühren kann.
15 
(1) Ausgehend von der dem Beigeladenen zu 1 am 06.11.1974 erteilten Baugenehmigung ergibt sich die mögliche Berührung bodenrechtlicher Belange bereits daraus, dass das Vorhaben „Einrichtung einer Berufsfördermaßnahme durch den Caritas-Verband für Württemberg - Einbau eines internatsmäßigen Lehrlingsheims“ „unter Befreiung von § 30 BBauG i.V. mit § 8 BauNVO“ genehmigt worden ist. Denn eine - teilweise - neue Zweckbestimmung des Vorhabens, wie sie hier getroffen worden ist (siehe I. 2. b) aa)), ist immer geeignet, für die Ausübung des Befreiungsermessens aus § 31 Abs. 2 BauGB neue wesentliche Umstände aufzuwerfen. Dabei ist es ohne Belang, ob für das neue Vorhaben ein anderer Befreiungstatbestand (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BauGB) eingreift. Denn die von der Behörde geforderte Ermessensentscheidung unterscheidet sich deutlich von dem zu prüfenden Tatbestand (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.04.2008 - 4 B 16.08 - BRS 73 (208) Nr. 69 Rn. 7). Ebenso ist es unerheblich, ob die Rechtmäßigkeit einer Befreiung, die der Senat hinsichtlich der geplanten Nutzungsänderung sehr kritisch sieht (Senatsbeschluss vom 17.12.2013 - 8 S 2350/13), tatsächlich anders zu beantworten ist als bei der 1975 erteilten Befreiung. Denn eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB liegt bereits dann vor, wenn die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit möglicherweise abweichend zu beurteilen ist.
16 
(2) Aber auch unbeschadet der Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur zulässigen Nutzungsart unterscheidet sich die jetzt zur Genehmigung gestellte Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber bauplanungsrechtlich erheblich von der bislang genehmigten Nutzung als „Lehrlingswohnheim“.
17 
Für die Beurteilung, ob eine Anlage für soziale Zwecke im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1968 - um eine solche handelt es sich bei der 1975 genehmigten Einrichtung einer Berufsförderungsmaßnahme durch den Caritas-Verband mit dem Einbau eines internatsmäßigen Lehrlingsheims mit Werkstattgebäude - mit der allgemeinen Zweckbestimmung und der konkreten Eigenart des Gewerbegebiets vereinbar ist, kommt es darauf an, ob die Anlage eine Funktion im Zusammenhang mit oder für eine zulässige Hauptnutzungsart erfüllt (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Januar 2013, § 8 BauNVO Rn. 44). Dies ist bei einem Lehrlingswohnheim mit angeschlossener Werkstätte im Gewerbegebiet zu bejahen. Der erstrebte Zweck des Wohnens am Ort der Ausbildungswerkstätte führt zu einer engen funktionalen Verklammerung der wohnähnlichen Nutzung mit der typischen, allgemein im Gewerbegebiet zulässigen gewerblichen Hauptnutzung (vgl. § 8 Abs. 2 BauNVO). Hingegen fehlt eine solche Ausrichtung bei einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber - deren Einordnung als Anlage für soziale Zwecke einmal unterstellt (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 04.06.1997 - 4 C 2.96 - NVwZ 1998, 173 und Senatsbeschluss vom 14.03.2013 - 8 S 2504/12 - VBlBW 2013, 384) - offensichtlich. Daraus ergibt sich, dass die ursprünglichen Baugenehmigungen die Nutzung des Gebäudes als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber nicht legalisieren, sondern vielmehr mit der veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt sein können, so dass sich die Frage der Genehmigungsfähigkeit unter bodenrechtlichen Aspekten neu stellt.
18 
(3) Soweit der Beigeladene zu 1 geltend macht, dass die „Lehrlinge aus schwierigen familiären Verhältnissen stammten“, diese daher am Wochenende von der Möglichkeit, ihre Familien zu besuchen, nur eingeschränkt Gebrauch gemacht hätten und damit während der gesamten Ausbildungszeit grundsätzlich rund um die Uhr in dem Wohnheim untergebracht gewesen seien, vermag dies an der obigen Einschätzung nichts zu ändern. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass für die meisten der einer Gemeinschaftsunterkunft zugewiesenen Asylbewerber die Unterkunft faktisch für den gesamten Tag zum Lebensmittelpunkt wird, während bei der bislang genehmigten Nutzung werktäglich ein Bewohnen der Zimmer durch die Auszubildenden während der Arbeits- und Schulzeiten faktisch nachgerade ausgeschlossen gewesen ist. Unerheblich ist dabei, ob die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit tatsächlich abweichend zu beurteilen ist oder ob die ursprüngliche Genehmigung - die unter Befreiung von § 8 BauNVO erteilt worden ist - rechtmäßig ergangen ist. Denn für das Vorliegen einer Nutzungsänderung im bauplanungsrechtlichen Sinne kommt es nur auf den Umstand an, dass die bodenrechtlichen Fragen neu aufgeworfen sind. Die vom Beigeladenen zu 1 diskutierte Frage des Aufenthalts an den Wochenenden ist daher unerheblich. Ebenfalls unerheblich sind insoweit die im Zuge der Nutzungsänderung vorgenommenen baulichen Veränderungen und deren Genehmigungsbedürftigkeit.
19 
(4) Das dem Vortrag des Beigeladenen zu 1 entsprechende Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin ist aus den gleichen Gründen ebenfalls erfolglos. Soweit sie darüber hinaus rügt, dass sich die neue, umstrittene Nutzung innerhalb der Variationsbreite der genehmigten Wohnheimnutzung bewege, weil der Zweck, nämlich die wohnähnliche Nutzung, sowie der Umfang, nämlich entsprechend einer Mitteilung des Beigeladenen zu 2 51 Personen, vollständig gewahrt bleibe, gebietet auch dies keine andere rechtliche Beurteilung. Denn für das Vorliegen einer Nutzungsänderung - sowohl im bauplanungsrechtlichen wie auch bauordnungsrechtlichen Sinne - kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die bisherige und die beabsichtigte Nutzung unterschiedlichen Nutzungskategorien aus den Katalogen der Baunutzungsverordnung unterfallen (Lechner/Busse, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: Februar 2012, Art. 57 Rn. 413).
20 
(5) Auch soweit die Antragsgegnerin geltend macht, die etwaige unterschiedliche funktionale Ausrichtung des Lehrlingswohnheims einerseits und des Asylbewerberwohnheims andererseits rechtfertige schon deshalb keine unterschiedliche Behandlung, weil eine Anlage für soziale Zwecke, in der auch gewohnt werde, nur dann nicht im Widerspruch zur allgemeinen Zweckbestimmung des Gewerbegebiets stehe, wenn es sich um keine auf Dauer angelegte Unterbringung handele, so dass das Lehrlingswohnheim und das Asylbewerberwohnheim jedenfalls rechtlich gleich zu behandeln seien, vermag dies ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn selbst wenn die genehmigte Nutzung des Gebäudes des Beigeladenen zu 1 als „Lehrlingswohnheim“ materiell rechtswidrig (gewesen) sein sollte, weil jegliches Wohnheim in Gewerbegebieten unzulässig sein sollte (vgl. BVerwG. Urteil vom 25.11.1983 - 4 C 21.83 - BVerwGE 68, 213), könnte der funktionale Zusammenhang der Nutzung des Wohnheims mit der in unmittelbarer Nähe untergebrachten Ausbildungswerkstatt unter Umständen eine andere Bewertung der Zulässigkeit einer Befreiung nahelegen, was die (Nicht-)Berührung der Grundzüge der Planung (§ 31 Abs. 2 BauGB) angeht. Denn jedenfalls die ausdrücklich gewollte räumliche Verbindung von Wohnen und theoretischem sowie praktischem Unterricht, wie sie sich aus Seite 8 der Baugenehmigung vom 06.11.1975 ergibt, könnte dazu führen, dass diese Nutzungsform in Gestalt einer Anlage für soziale Zwecke allein in einem Gewerbegebiet realisiert werden könnte.
21 
3. Entgegen der Auffassung der Beschwerden hat das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden, dass die Missachtung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres eine Sicherungsmaßnahme rechtfertigt, ohne dass es hierfür auf eine Interessenabwägung ankommt.
22 
a) Soweit die Beschwerden geltend machen, dass die Voraussetzungen des § 65 Satz 2 LBO für eine Nutzungsuntersagung schon tatbestandlich nicht vorlägen, aber jedenfalls keine Ermessensreduzierung zugunsten der Antragsteller eingetreten sei, kann sie damit den erstinstanzlichen Beschluss nicht erfolgreich in Zweifel ziehen. Denn das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Erlass einer Sicherungsmaßnahme im Sinne des § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO nicht davon abhängt, ob die Voraussetzungen des § 65 Satz 2 LBO erfüllt sind. Denn § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist eine eigenständige verfahrensrechtliche Grundlage zum Schutz und zur realen Durchsetzung der aufschiebenden Wirkung (Funke-Kaiser, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2010, § 80a Rn. 21; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: August 2012, § 80a Rn. 40; Gersdorf, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 01.10.2013, § 80a Rn. 27; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 80a Rn. 10; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80a Rn. 14). Diese Regelungsmöglichkeit tritt gleichberechtigt neben die rechtsgebietsspezifischen behördlichen Anordnungsbefugnisse (BVerwG, Urteil vom 28.01.1992 - 7 C 22.91 - BVerwGE 89, 357 (362); vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 09.02.2012 - 9 VR 2.12 - NVwZ 2012, 570 Rn. 6).
23 
b) Die Rügen der Beschwerden, das Verwaltungsgericht habe unzutreffend die Erfolgsaussichten der Klagen der Antragsteller bei seiner Entscheidung über den Antrag nach § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO nicht in den Blick genommen, vermögen ebenfalls nicht zu verfangen. Denn diese sind im Verfahren zur Sicherung der Rechte der Antragsteller aus der von ihnen gerichtlich erstrittenen aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung ohne Belang.
24 
aa) § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO vermittelt einen von der materiell-rechtlichen Rechtslage unabhängigen verfahrensrechtlichen Schutz. Es steht hier die Durchsetzung der gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs, also die Sicherstellung der Effektivität des gewährten Rechtsschutzes, nicht aber die Realisierung eines materiellen verwaltungsrechtlichen Anspruchs inmitten. Einstweilige Sicherungsmaßnahmen gegenüber der Missachtung der aufschiebenden Wirkung dienen der Wahrung des mit Widerspruch bzw. Anfechtungsklage verfolgten Abwehrrechts z. B. gegen die erteilte Genehmigung, nicht jedoch der Durchsetzung eines materiell-rechtlichen Anspruch auf behördliches Einschreiten (Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: August 2012, § 80a Rn. 40). Der gegenteiligen Auffassung, die Sicherungsmaßnahmen nach § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO nur bei hinreichenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache für gerechtfertigt sieht (VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 03.08.1995 - 3 S 1078/95 - ESVGH 46, 29 und vom 22.10.2007 - 6 S 2237/07 - nicht veröffentlicht; OVG Berlin, Beschluss vom 26.02.1993 - 2 S 1/93 - NVwZ-RR 1993, 458; Thüringer OVG, Beschluss vom 28.07.1993 - 1 EO 1/93 - LKV 1994, 110 (113)), vermag sich der Senat jedenfalls für den Fall nicht anzuschließen, dass bereits eine gerichtliche Entscheidung über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs ergangen ist. Sie übersieht, dass hier die Rechte des Dritten zu schützen sind, die bei Nichtbeachtung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs bedroht sind (so auch: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.01.2000 - 10 B 2060/99 - NVwZ-RR 2001, 297), und dass die Missachtung der aufschiebenden Wirkung per se ein rechtswidriges Verhalten darstellt (Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 80a Rn. 36). Allein dies rechtfertigt eine auf die Effektuierung der aufschiebenden Wirkung gerichtete gerichtliche Anordnung (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.08.2013 - 8 B 829/13 - DÖV 2013, 952; vgl. auch Hessischer VGH, Beschluss vom 03.12.2002 - 8 TG 2177/02 - NVwZ-RR 2003, 345 (346)). Maßnahmen, die gegen eine umfassende gerichtliche Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit (hier nach § 212a Abs. 1 BauGB) verstoßen, sind zur Sicherung der Rechte des Rechtsbehelfsführers auf dessen Antrag hin grundsätzlich zu untersagen, ohne dass es darauf ankommen kann, ob ein gegenläufiges öffentliches Interesse besteht (vgl. Christ, jurisPR-BVerwG, 11/2012 Anm. 5 unter C.). Da die Gerichte bei der Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung eines Nachbarwiderspruch gegen eine Baugenehmigung anzuordnen ist, eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen haben, bei der sowohl die öffentlichen als auch die betroffenen privaten Interessen zu berücksichtigen sind und bei der die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs eine wesentliche Rolle spielen, ist es nicht gerechtfertigt, diese Interessenabwägung erneut vorzunehmen, wenn wegen der Nichtbeachtung der aufschiebenden Wirkung der Erlass einer einstweiligen Sicherungsmaßnahme anzuordnen ist. Die Änderung von Umständen, die eine abweichende Interessenabwägung zur aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs rechtfertigen könnten, ist nach den Vorgaben des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO geltend zu machen.
25 
bb) Daher kommt es für den Erlass einer Sicherungsmaßnahme nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO in der Regel allein auf die Frage an, ob dem Rechtsbehelf der Antragsteller aufschiebende Wirkung zukommt. Dies ist nach deren Anordnung durch den Senat mit Beschluss vom 14.03.2013 - 8 S 2504/12 - VBlBW 2013, 384 und der Ablehnung eines u.a mit der im Widerspruchsverfahren erteilten Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB begründeten Abänderungsantrags nach § 80 Abs. 7 Satz 2 (Senatsbeschluss vom 17.12.2013 - 8 S 2350/13) der Fall. Auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache kommt es nach den obigen Ausführungen nicht an. Die mit den Beschwerden geltend gemachte Unterbringungssituation für Asylbewerber im Gebiet des Beigeladenen zu 2 rechtfertigt keine davon ausnahmsweise abweichende Auslegung und kann allenfalls für die Ausgestaltung der Sicherungsmaßnahme erheblich sein (vgl. III.).
III.
26 
Da der Senat die Vollziehung des angegriffenen Beschlusses vom 02.07.2013 während des Beschwerdeverfahrens ausgesetzt hat (Senatsbeschluss vom 18.09.2013), das Beschwerdeverfahren vom 18.09.2013 bis zum 19.12.2013 im Hinblick auf das von der Antragsgegnerin betriebene Verfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ausgesetzt gewesen ist (Senatsbeschluss vom 18.09.2013), sodann auf Anregung des Senats bis zum 26.02.2014 zwischen den Beteiligten die Möglichkeit einer gütlichen Einigung, etwa unter Verweisung der Beteiligten an den Güterichter (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 278 Abs. 5 Satz 1 ZPO) erörtert worden ist und deshalb seit Ergehen des angegriffenen Beschlusses über neun Monate vergangen sind, ist die den Verwaltungsgerichten durch §§ 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO eingeräumte Gestaltungsbefugnis hinsichtlich der Auswahl von Art und Inhalt der Sicherungsmaßnahme durch den Senat zur Sicherstellung ihrer Verhältnismäßigkeit erneut auszuüben.
27 
1. Bei der Auswahl einstweiliger Sicherungsmaßnahmen nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO und ihrem konkreten Inhalt steht dem Verwaltungsgericht eine Gestaltungsbefugnis zu (zu § 123 Abs. 3 VwGO, § 938 ZPO: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.01.1992 - 6 S 2781/91 - FEVS 43, 410 (414); vgl. auch Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: August 2012, § 80a Rn. 41a und 55 sowie Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 123 Rn. 109). Bei ihrer Ausübung sind das Interesse desjenigen, dem die aufschiebende Wirkung seines Rechtsbehelfs zugutekommt, seine prozessuale Rechtsposition durchzusetzen, etwa davon abweichende öffentliche Interessen sowie das private Interesse des durch den - in seiner Vollziehung suspendierten - Verwaltungsakt Begünstigten, entgegen den prozessrechtlichen Vorgaben von dem Verwaltungsakt Gebrauch zu machen, in den Blick zu nehmen.
28 
a) Einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten, dessen Rechtsbehelf entweder aufgrund gesetzlicher (§ 80 Abs. 1 VwGO), behördlicher (§ 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO) oder gerichtlicher Anordnung (§ 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 2 VwGO) aufschiebende Wirkung hat, dienen der faktischen Durchsetzung der aufschiebenden Wirkung in der Lebenswirklichkeit gegenüber dem durch den Verwaltungsakt Begünstigten (Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: August 2012, § 80a Rn. 38). Das Verfahren zielt auf die Schaffung eines vollstreckungsfähigen Titels nach § 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.07.1996 - F 2 S 202/96 - juris; Pietzner/Möller, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juni 2011, § 168 Rn. 14; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 168 Rn. 2). Unbeschadet der Möglichkeit, im Vollstreckungsverfahren geltend zu machen, es sei unzumutbar, der gerichtlichen Entscheidung zu folgen, ist grundsätzlich auch bei einer Entscheidung über den Erlass von Sicherungsmaßnahmen eine mögliche Unzumutbarkeit einer solchen Maßnahme gegenüber der Behörde und eine mögliche Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme gegenüber dem von dem Verwaltungsakt Begünstigten oder weiteren, nicht am Verfahren beteiligten Grundrechtsberechtigten zu prüfen. Solche Umstände können dem Erlass von Sicherungsmaßnahmen allerdings nur in atypischen Ausnahmefällen entgegenstehen. Denn in aller Regel ist es nicht unzumutbar, die geltende Rechtslage - also hier die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs - zu akzeptieren. Vielmehr ist dies für die an einem Verfahren nach § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO beteiligte Behörde die aus ihrer Rechts- und Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) resultierende Pflicht. Auch dem gesetzesunterworfenen begünstigten Dritten wird die Akzeptanz der gerichtlichen Entscheidung zugemutet. Die Ausnutzung des ihn begünstigenden Verwaltungsakts vor dessen Bestandskraft erfolgt nämlich in jeder Hinsicht auf sein eigenes Risiko. Hingegen kann es zur Wahrung gegenläufiger öffentlicher Interessen geboten sein, einstweilige Sicherungsmaßnahmen nicht unmittelbar mit Erlass des gerichtlichen Beschlusses wirksam werden zu lassen, insbesondere um Rechte Dritter zu wahren, die am Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht beteiligt sind.
29 
b) Die von der Antragsgegnerin und dem Beigeladenen zu 1 mit ihren Beschwerden geltend gemachte „Unterbringungsnot“ für Asylbewerber im Rems-Murr-Kreis kann - jedenfalls derzeit - keinen atypischen Ausnahmefall begründen, der bereits dem Erlass der begehrten einstweiligen Maßnahme zur Sicherung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs der Antragsteller entgegenstehen oder die Einräumung einer langen Frist zum Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung rechtfertigen könnte. Daher braucht nicht entschieden zu werden, ob der Beigeladene zu 1 sich auf diese von ihm geltend gemachten öffentlichen Interessen überhaupt berufen kann. Sein wirtschaftliches Interesse an der weiteren Vermietbarkeit seines Gebäudes bis zu einem möglichen Wiedereintritt der Vollziehbarkeit der angegriffenen Baugenehmigung (vgl. § 80b VwGO) ist ersichtlich nicht geeignet, dem Erlass einstweiliger Sicherungsmaßnahmen entgegenzustehen.
30 
aa) Den Beschwerden kann nicht entnommen werden, dass die Möglichkeiten der Unterbringung in Behelfsunterkünften auf Grundstücken im Eigentum des Beigeladenen zu 2 oder kreisangehöriger Gemeinden hinreichend geprüft worden ist. So enthält die vom Beigeladenen zu 2 vorgelegte und von der Antragsgegnerin in Bezug genommene Übersicht „Unterkünfte für Asylbewerber“ einen Verweis auf einen ablehnenden Gemeinderatsbeschluss der Gemeinde Plüderhausen hinsichtlich einer Containerunterkunft für 50 - 60 Personen. Damit ist das Fehlen von Unterbringungsmöglichkeiten nicht hinreichend dargetan. Der Beigeladene zu 2 hat als Träger der unteren Aufnahmebehörde (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes über die Aufnahme von Flüchtlingen (Flüchtlingsaufnahmegesetz - FlüAG) vom 19.12.2013 (GBl. S. 493); §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 19 Abs. 1 Nr. 1 lit d) LVG) gegen die kreisangehörigen Gemeinden Anspruch auf Mitwirkung bei der Beschaffung geeigneter Grundstücke und Gebäude, wie dies jetzt auch ausdrücklich § 8 Abs. 3 Satz 4 FlüAG mit Wirkung vom 01.01.2014 bestimmt (Art. 5 des Gesetzes zur Neuordnung der Flüchtlingsaufnahme, über die Erstattung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 19.12.2013 (GBl. S. 493)). Ausgehend davon müsste dargetan werden, weshalb der Anspruch auf Mitwirkung insoweit erfüllt sein soll oder seine Durchsetzung nicht erfolgversprechend erscheint. Weiter ist die allgemeine Aussage „keine Einigung mit Eigentümer wegen überzogener Preisvorstellungen“ hinsichtlich eines Hotels im Stadtgebiet der Antragsgegnerin ebenfalls ungeeignet, um eine hinreichende Prüfung der Unterbringungsmöglichkeiten darzutun. Denn ein solcher pauschaler Hinweis kann es nicht rechtfertigen, die Effektivität des vorläufigen Rechtsschutzes zu beseitigen, den die Antragsteller mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs erreicht haben. Eine sparsame Haushaltsführung kann nicht zu Lasten der Antragsteller dergestalt gehen, dass die Antragsgegnerin und der Beigeladene zu 1 Gerichtsentscheidungen, die den Antragstellern vorläufigen Rechtsschutz gewähren, unbeachtet lassen.
31 
bb) Diese Aussagen gelten jedenfalls angesichts des jedenfalls nunmehr als beharrlich zu kennzeichnenden, rechtswidrigen Verhaltens des Beigeladenen zu 1, der die Entscheidung des Senats zur Anordnung der aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Klage in der Zeit vom 02.04.2013 (Datum der Zustellung des Senatsbeschlusses vom 14.03.2013 - 8 S 2504/12) bis zum 23.10.2013 (Datum der Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses nach § 80 Abs. 7 VwGO - 11 K 2941/13) und dann wieder vom 19.12.2013 (Datum der Zustellung des Senatsbeschlusses vom 17.12.2013 - 8 S 2350/13) bis zum heutigen Tage und damit insgesamt mehr als neun Monate ignoriert. Angesichts dieses erheblichen Zeitablaufs wäre es dem Beigeladenen zu 2 und der Antragsgegnerin möglich gewesen, andere Lösungen für die Unterbringung der Asylbewerber zu finden, die den vorläufigen Rechtsschutz der Antragsteller achten. Insbesondere wäre es erforderlich gewesen, nicht allein an die höhere Aufnahmebehörde heranzutreten, sondern auch an das Integrationsministerium als oberste Aufnahmebehörde unter Schilderung des vollständigen Sachverhalts heranzutreten, um nach weiteren Unterbringungsmöglichkeiten für die in dem Gebäude des Beigeladenen zu 1 wohnenden Personen zu suchen und nötigenfalls eine Verteilung - auch - auf andere Land- und Stadtkreise zu erreichen. Nur dann, wenn eine menschenwürdige Unterbringung für die Bewohner des Gebäudes des Beigeladenen zu 1 in Baden-Württemberg nicht erreichbar sein sollte, könnte vom Erlass einer Sicherungsmaßnahme abgesehen werden. Dies setzte voraus, dass keiner der Bewohner der Unterkunft nach dem 02.04.2013 - mit Ausnahme der Zeit vom 23.10.2013 bis zum 19.12.2013 - zugewiesen worden ist.
32 
2. Allerdings ist es zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegenüber den Bewohnern des Gebäudes des Beigeladenen zu 1 erforderlich, dem Beigeladenen zu 2 durch ein zeitlich begrenztes Hinausschieben der zu verfügenden Nutzungsuntersagung noch eine Möglichkeit zu eröffnen, als Träger der unteren Aufnahmebehörde im Zusammenwirken mit der kreisangehörigen Antragsgegnerin und gegebenenfalls mit der höheren und der obersten Aufnahmebehörde anderweitige Unterbringungsmöglichkeiten für die Bewohner der hier betroffenen Unterkunft zu finden oder zu schaffen. Eine Übergangsfrist bis Ende Mai 2014 ist hier angemessen, um die Rechte der Asylbewerber, um deren Schutz es bei dieser Maßgabe allein geht, zu wahren. Dies ändert nichts an der Tatsache, dass die Beteiligten auch weiterhin gehalten sind, die gerichtlich angeordnete aufschiebende Wirkung zu achten und die fortwährende Nutzung des Gebäudes als Asylbewerberunterkunft auch bis zum 31.05.2014 allein wegen der Missachtung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller rechtswidrig bleibt.
IV.
33 
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
34 
2. Die Streitwertfestsetzung und -abänderung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Der Streitwert für ein Verfahren gerichtet auf den Erlass von einstweiligen Sicherungsmaßnahmen zur faktischen Durchsetzung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen folgt dem Streitwert des Verfahrens auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, so dass hier ein Streitwert von 3.750,-- EUR festzusetzen ist.
35 
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

Gründe

A.

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

2

Die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Solche Zweifel liegen nur dann vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 –, NVwZ-RR 2011, 546, m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.

I.

3

Das Verwaltungsgericht hat zunächst zutreffend darauf hingewiesen, dass das Gericht auf die Klage oder den Widerspruch des Nachbarn gegen eine Baugenehmigung nicht deren objektive Rechtmäßigkeit, sondern nur zu prüfen hat, ob der Nachbar durch die Baugenehmigung in seinen subjektiven Rechten verletzt ist. Dies setzt voraus, dass die Baugenehmigung gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Eine solche Verletzung nachbarschützender Vorschriften hat das Verwaltungsgericht verneint.

4

Es hat angenommen, das Vorhaben der Beigeladenen, der Umbau einer ehemaligen Fabrikanlage zu einem Wohngebäude, füge sich gemäß § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein, die durch eine Gemengelage geprägt sei. Zu Gunsten der Kläger greife auch kein Gebietserhaltungsanspruch ein, da ein einheitlich gewerblicher Gebietscharakter schon durch die westlich gelegene Hinterliegerbebauung mit Mehrfamilienhäusern ausgeschlossen sei.

5

Die Kläger könnten sich auch nicht auf bauordnungsrechtliche Belange, insbesondere die Unterschreitung von Abstandsflächen berufen. Letzteres sei schon deshalb fraglich, weil die Änderung eines Gebäude, das den Mindestabstand nicht oder nur knapp einhalte, möglicherweise kein neues Abwehrrecht des Nachbarn begründe.

6

Selbst wenn dies anders zu beurteilen sein sollte, sei das Vorhaben jedenfalls aufgrund der erteilten Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften zulässig. Die für eine solche Abweichung erforderliche atypische Situation ergebe sich hier aus der Entstehungsgeschichte der Grundstücke, ihrer Lage zueinander in einem bebauten Gebiet, aus dem Interesse der Beigeladenen an einer sinnvollen Nutzung der Immobilie und dem Interesse des Denkmalschutzes am Erhalt derselben.

7

Zu berücksichtigen sei, dass die Abstandsflächenproblematik im Kern bereits bei Teilung des ursprünglichen, die Flurstücke der Kläger und der Beigeladenen umfassenden unvermessenen Geländes entstanden sei. Dabei hätten die Kläger bzw. ihre Rechtsvorgänger zu ihren Gunsten im Hinblick auf die Bebauung mit vergleichsweise flachen Lagerhallen recht großzügige Grundstücke und mithin Abstandsflächen erworben. Für das verbleibende Restgrundstück, das mit einer mehrgeschossigen, insgesamt gut 17 m hohen Fabrikanlage bebaut gewesen sei, sei nur noch ein Grundstücksstreifen rund um die Fabrik in einer Breite von 3 m belassen worden. Dies habe zwar unter der – schon damals zweifelhaften – Annahme eines Gewerbegebiets dem notwendigen Mindestmaß einer Abstandsfläche entsprochen. Gleichzeitig sei damals aber schon der Kern gelegt worden für Probleme bei jeder denkbaren Änderung des Gebäudes oder seiner Nutzung.

8

Auch wenn die Einhaltung der Abstandsflächen des umgenutzten Gebäudes im Rahmen des Genehmigungsverfahrens neu zu prüfen seien, sei zu beachten, dass es sich gleichwohl der Kubatur nach um ein Bestandsgebäude handele und keine erheblichen abstandsflächenrelevanten baulichen Veränderungen an der Außenhülle vorgenommen worden seien. Insbesondere die Balkonanlagen fielen unter das Abstandsflächenprivileg des § 6 Abs. 6 BauO LSA. Die nachbarschützenden Aspekte hätten sich hinsichtlich Belichtung, Belüftung und Besonnung durch die bloße Umnutzung nicht verändert. Lediglich ein Abriss hätte eine Verbesserung des Zustands für die Kläger bewirkt. Dies hätten sie aber nicht erwarten können, weil es sich bei dem ehemaligen Fabrikgebäude um ein Baudenkmal handele, dessen Erhalt auch im öffentlichen Interesse liege, das sich nicht notwendig auf dessen Funktion erstrecke.

9

Die Kläger könnten sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine mögliche spätere Nutzung ihrer derzeit noch mit Lagerhallen bebauten Grundstücke unzulässig verkürzt werde, weil nunmehr die Abstandsflächen des Gebäudes der Beigeladenen auf ihrem Grundstück zu liegen kämen. Die von der Beklagten zugelassenen Abweichungen hinderten die Kläger nicht an einer baurechtskonformen Ausnutzung ihrer eigenen Grundstücke unter Ausnutzung auch der Flächen, die mit den Abstandsflächen des Vorhabens der Beigeladenen „belastet“ seien.

10

Auch die Befreiung von der Vorschrift des § 29 BauO LSA hinsichtlich des Brandschutzes sei nicht zu beanstanden. Eine Brandwand sei schon deshalb nicht zu fordern, weil der Abstand zwischen der Gebäudeabschlusswand des Gebäudes der Beigeladenen und dem Bestandsgebäude des Klägers zu 1 mehr als die nach § 29 Abs. 2 Nr. 1 BauO LSA erforderlichen 5 m betrage und eine zukünftige bauliche Veränderung auf dem Flurstück der Kläger zu 1 nicht konkret absehbar sei, jedenfalls aber ein Wegerecht zu beachten hätte, so dass ein Abstand zum Gebäude von 6,50 m gesichert sei.

II.

11

Die vom Kläger hiergegen vorgebrachten Einwände sind nicht geeignet, diese tragenden Erwägungen in Frage zu stellen.

12

1. Dies gilt insbesondere für den Vortrag der Kläger, die nachbarschaftliche Vereinbarung vom 21.12.2006 über die wohnbauliche Nutzung des alten Fabrikgebäudes sei bis zum 30.06.2007 befristet gewesen. Sie legen nicht dar, inwieweit diese Vereinbarung für die Frage, ob die angefochtene Baugenehmigung oder die Abweichungsbescheide dem Schutz der Kläger dienende öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzen, von rechtlicher Bedeutung sein könnte. Dies erhellt sich auch nicht aus dem weiteren Vorbringen der Kläger, die Beigeladene habe nach Ablauf der Geltungsdauer „wider besseres Wissen“ den Bauantrag mit der Vereinbarung eingereicht und sich nicht um eine einvernehmliche Lösung bemüht, sondern Druck ausgeübt, u. a durch Erhebung einer Klage mit dem Ziel, die Errichtung eines Zauns zwischen beiden Grundstücken zu verhindern. Der Vortrag der Kläger, sie hätten in einem Gespräch im Bauordnungsamt der Beklagten Bedenken hinsichtlich der aus ihrer Sicht oberflächlichen Sanierung des ehemaligen Fabrikgebäudes geäußert, lässt ebenfalls nicht erkennen, inwieweit dies für eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften durch die Baugenehmigung von Belang sein könnte.

13

2. Die von den Klägern beanstandeten Baumängel (Nässeschäden, fehlende Rauchabzugsanlagen in den Treppenhäusern, Aufbringen von Kies und Erdreich, keine vertikale Sperrung der Wände) betreffen die tatsächliche Bauausführung und nicht die Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung. Zudem ist nicht dargelegt, inwieweit dadurch Nachbarrechte der Kläger verletzt werden. Auch der Einwand der Kläger, beim Bau der Stellplatzanlage sei die Oberkante des Geländes um bis zu 30 cm angehoben worden, so dass es zu nachteiligen Veränderungen beim Abfließen des Regenwassers komme, betrifft die tatsächliche Bauausführung. Die Anordnung der Stellplätze war im Übrigen bereits Gegenstand der Teilbaugenehmigung vom 23.10.2007, die die Kläger nicht angefochten haben.

14

3. Die Kläger machen geltend, die Balkonanlagen an der westlichen Gebäudeseite verstießen gegen § 6 BauO LSA, insbesondere fielen sie nicht unter das Abstandsflächenprivileg des § 6 Abs. 6 Nr. 2 BauO LSA. Die dafür gegebene Begründung, die Balkonanlagen hielten den Mindestabstand zur Grenze zum Grundstück des Klägers zu 2 von 2 m nicht ein und träten bis zu ca. 1,70 m vor die Gebäudewand, trifft indes nicht zu.

15

Gemäß § 6 Abs. 6 Nr. 2 BauO LSA bleiben bei der Berechnung der Abstandsflächen Vorbauten außer Betracht, wenn sie insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nehmen, nicht mehr als 1,50 m vor diese Außenwand vortreten und mindestens 2 m von der gegenüberliegenden Nachbargrenze entfernt bleiben. Diesen Vorgaben entsprechen die Balkone an der westlichen Außenwand im betroffenen südlichen Gebäudeteil gegenüber dem Grundstück des Klägers zu 2 (Flurstück 10364). Nach den genehmigten Bauvorlagen, insbesondere den Grundrisszeichnungen (Bl. 107 ff des Verwaltungsvorgangs) und den Ansichtszeichnungen (Bl. 111 des Verwaltungsvorgangs), die nach den darauf befindlichen Zugehörigkeitsvermerken Bestandteile der Baugenehmigung sind, sollen an dieser Außenwand im Erdgeschoss und in den beiden Obergeschossen jeweils zwei Balkone angebracht werden, die eine Breite von 3,10 m haben. Ihre Gesamtbreite von 6,20 m macht weniger als ein Drittel der Gesamtlänge dieser Außenwand von 18,75 m aus. Im Dachgeschoss sollen ein Balkon dieser Breite sowie ein 2,72 m breiter Rettungsbalkon angebracht werden. Entgegen der Annahme der Kläger treten diese Balkone nicht bis zu 1,70 m, sondern jeweils nur 1 m vor die Außenwand und halten, da der Abstand der Außenwand zur westlichen Grundstücksgrenze 3 m beträgt, einen Abstand von 2 m zu dieser Grenze ein.

16

Auch der Vortag, die Kubatur des Bauwerks sei u. a. durch die Balkone verändert worden, genügt nicht, um die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung in Frage zu stellen. Das Verwaltungsgericht hat seiner Ansicht, dass es sich um einen Bestandsbau ohne abstandsflächenrelevante bauliche Veränderungen handele, die Annahme zugrunde gelegt, dass die Balkone dem Abstandsflächenprivileg des § 6 Abs. 6 Nr. 2 BauO LSA unterfielen. Diese Annahme haben die Kläger allein mit der Begründung angegriffen, die in dieser Vorschrift vorgegebenen Maße seien nicht eingehalten. Dies trifft aber, wie oben bereits ausgeführt, nicht zu.

17

4. Die Kläger wenden weiter ein, am Gebäude der Beigeladenen seien – neben der Errichtung von Balkonen – weitere Veränderungen vorgenommen worden. So sei die Klinkerfassade an der westlichen Gebäudeseite mit einem ca. 4 cm dicken Putz versehen worden. Zudem seien Fensteröffnungen zugemauert, verändert oder – wie im Dachgeschoss des südlichen Treppenhauses – neu geschaffen worden. Dies verstoße gegen § 6 BauO LSA. Sie tragen weiter vor, im Dachgeschoss seien die Stahlkonstruktion, vorhandene Rundbögen und Gewölbedecken (teilweise) entfernt bzw. zugebaut worden. Auch sei der Treppenlauf im südlichen Treppenhaus verändert worden. Schließlich sei die Kubatur des Bauwerks auch durch den Abriss der Hallen im Hofbereich sowie der Laderampe erheblich verändert worden. Auch damit ist nicht dargetan, weshalb das Vorhaben unter Berücksichtigung des entsprechenden Abweichungsbescheides vom 06.02.2008 die Kläger in ihren Rechten verletzt.

18

Die westliche und die südliche Außenwand des südlichen Gebäudeteils halten die nach § 6 BauO LSA erforderlichen Abstandsflächen unstreitig nicht ein, und zwar unabhängig davon, ob auf diese Wand Putz aufgebracht wurde und die Fensteröffnungen in der dargestellten Form verändert wurden. Deshalb ließ die Beklagte mit den Bescheiden vom 06.02.2008 auf der Grundlage des § 66 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA Abweichungen von diesen Vorschriften zu. Die für eine Abweichung erforderliche atypische Situation hat das Verwaltungsgericht u. a. aus der Lage des Baugrundstücks zu den Grundstücken der Kläger, dem Interesse der Beigeladenen an einer sinnvollen Nutzung des früheren Fabrikgebäudes sowie dem öffentlichen Interesse an dessen Erhalt abgeleitet. Dass in einer solchen Konstellation Abweichungen zulässig sein können, haben die Kläger nicht in Frage gestellt. Die Vorinstanz hat ferner wesentlich darauf abgestellt, dass es sich um ein Bestandsgebäude handele, an dem keine erheblichen abstandsflächenrelevanten baulichen Veränderungen an der Außenhülle vorgenommen worden seien. Der Umstand, dass eine Putzschicht aufgebracht wurde und Fensteröffnungen verändert wurden, stellt dies nicht in Frage. Bei der Zulassung der Abweichungen hat sich die Beklagte von der Erwägung leiten lassen, dass sich bezüglich der Funktionen der Abstandsflächen, eine ausreichende Belichtung und Besonnung der sich gegenüberliegenden Gebäude zu gewährleisten, keine nachteiligen Auswirkungen ergeben und auch keine negativen Auswirkungen hinsichtlich des präventiven Brandschutzes zu befürchten seien, weil die Abstände zwischen den vorhandenen Gebäuden mit mehr als 5 m bzw. 11,60 m groß genug seien. Diese Einschätzung greifen die Kläger nicht substantiiert an. Insbesondere ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass das Aufbringen einer ca. 4 cm dicken Putzschicht und die geänderte Anordnung der Fensteröffnungen bauliche Änderungen solcher Art darstellen, dass dadurch spürbare Beeinträchtigungen der nachbarlichen Interessen der Kläger entstehen, die über die vom vorhandenen Fabrikgebäude ausgehenden Beeinträchtigungen hinausgehen. Insbesondere ist damit eine Einbuße an Belichtung, Besonnung und Belüftung ihrer Grundstücke nicht verbunden. Noch weniger ist ersichtlich, dass die Kläger durch Veränderungen im Inneren des Gebäudes oder den Abriss von Gebäuden oder Gebäudeteilen im nördlichen Grundstücksteil und der Laderampe zusätzlichen Beeinträchtigungen ausgesetzt sind. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob diese Änderungen denkmalschutzrechtlich notwendig sind oder nicht.

19

5. Die Kläger dringen auch nicht mit dem Einwand durch, das Vorhaben der Beigeladenen stehe in Widerspruch zu § 5 BauO LSA

20

5.1. Sie rügen zunächst einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA, weil am Südteil des Gebäudes keine den Anforderungen des § 5 Abs. 2 BauO LSA genügende Zu- oder Durchfahrt für die Feuerwehr vorhanden sei.

21

Zweifelhaft ist bereits, ob dieser Vorschrift nachbarschützende Funktion zukommt. Hierzu tragen die Kläger nichts vor. Gegen eine nachbarschützende Wirkung des § 5 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA spricht, dass die darin vorgeschriebene Schaffung einer Zu- oder Durchfahrt für Feuerwehrfahrzeuge zu Gebäuden, bei denen die Oberkante der Brüstung der zur Rettung über Geräte der Feuerwehr bestimmten Fenster oder Stellen mehr als 8 m über Gelände liegt, möglicherweise nur dem Schutz der im Gebäude sich aufhaltenden Menschen dient und nicht – wie bei einer Reihe anderer Vorschriften des vorbeugenden Brandschutzes – auch dazu, die Gefahr der Ausbreitung eines Feuers auf Nachbargrundstücke zu vermindern. Ein nachbarschützender Charakter scheidet bei solchen Vorschriften – insbesondere auch des Brandschutzes – aus, die ersichtlich nur die Bewohner bzw. Benutzer des jeweiligen Gebäudes schützen sollen; nachbarschützender Charakter kommt vielmehr nur den brandschutzbezogenen Regelungen zu, die auch das Übergreifen von Bränden über das Baugrundstück hinaus auf die Nachbarschaft verhindern sollen (vgl. OVG NW, Beschl. v. 29.07.2002 – 7 B 583/02 –, Juris). Andererseits könnte sich ein nachbarschützender Charakter der Vorschrift daraus ergeben, dass bei einer den Brandschutzanforderungen nicht genügenden Zugänglichkeit des Vorhabengrundstücks im Brandfall das Grundstück des Nachbarn in Anspruch genommen werden kann (vgl. SaarlOVG, Urt. v. 26.01.2006 – 2 R 9/05 –, AS RP-SL 33, 227). So sind nach § 26 Abs. 3 des Brandschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (BrSchG LSA) Eigentümer, sonstige Nutzungsberechtigte und Besitzer von Grundstücken verpflichtet, bei Bränden, Unglücksfällen und Notsituationen den Feuerwehren das Betreten und die Benutzung ihrer Grundstücke und Gebäude zur Brandbekämpfung oder Hilfeleistung zu gestatten und die vom Einsatzleiter der Feuerwehr im Zusammenhang mit diesen Arbeiten oder zur Verhütung einer Gefahrenausbreitung angeordneten Maßnahmen zu dulden, soweit dies zur wirkungsvollen Gefahrenabwehr erforderlich ist. Die Frage, ob § 5 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA nachbarschützende Wirkung hat, bedarf indes keiner abschließenden Entscheidung.

22

Jedenfalls lässt sich ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA nicht mit dem Vortrag der Kläger begründen, den darin genannten Anforderungen könne das Vorhaben der Beigeladenen schon deshalb nicht entsprechen, weil die Kläger über ein im Grundbuch eingetragenes unbeschränktes Wegerecht über das Grundstück der Beigeladenen in einer Breite von 3,50 m verfügten. Dieses Wegerecht zugunsten des jeweiligen Eigentümers des mit Kaufvertrag vom 16.10.2003 erworbenen Grundstücks wurde als Grunddienstbarkeit nach § 1018 BGB im Grundbuch eingetragen. Bei Bestellung einer Grunddienstbarkeit bleibt der Eigentümer neben dem Dienstbarkeitsberechtigten grundsätzlich nutzungsberechtigt; er darf nur das Recht des Dienstbarkeitsberechtigten nicht beeinträchtigen. Nur soweit dem Dienstbarkeitsberechtigten im zulässigen Umfang ein ausschließliches Nutzungsrecht ausdrücklich eingeräumt wurde, ist der Eigentümer von der Mitbenutzung ausgeschlossen (vgl. hierzu Grziwotz, in: Erman, BGB, 13. Aufl. § 1018 RdNr. 15). Letzteres ist hier nicht der Fall. Vielmehr ist in § 6 Nr. 3 des Grundstückskaufvertrags vom 16.10.2003 bestimmt, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks berechtigt ist, die Wegefläche mitzunutzen. Besteht aber ein solches Mitbenutzungsrecht, kann die Zufahrt im Brandfall durch Feuerwehrfahrzeuge ohne zusätzliche Beeinträchtigung der Rechte der Kläger genutzt werden.

23

5.2. Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand, „direkt vor dem Tor“ zum Grundstück des Klägers zu 2 sei eine Aufstellfläche für Feuerwehrfahrzeuge vorgesehen, so dass im Brandfall ein Verlassen des Grundstücks unmöglich sei.

24

Die Kläger legen auch insoweit nicht dar, welche nachbarschützende Vorschrift durch die genehmigte Anordnung von Aufstell- und Bewegungsflächen für Hubrettungsfahrzeuge verletzt sein soll. Die insoweit maßgebliche Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 3 BauO LSA bestimmt lediglich, dass Aufstell- und Bewegungsflächen für Hubrettungsfahrzeuge vorzusehen sind, wenn deren Einsatz für die Personenrettung erforderlich ist. Vorgaben, wo auf dem Baugrundstück oder gar in welchem Abstand zum Nachbargrundstück diese Flächen anzuordnen sind, enthält § 5 BauO LSA nicht. Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, weshalb ein Verlassen des Grundstücks des Klägers zu 2 (Flurstück 10364) über das Flurstück 10367 nicht möglich sein soll.

25

5.3. Nicht stichhaltig ist auch der Einwand der Kläger, bei einer Feuerwehrübung habe sich gezeigt, dass sich die „Bewegungsflächen“ der Drehleiter in unzulässiger Weise auf dem Luftraum über seinem Grundstück befinden. Ungeachtet der Frage, ob § 5 Abs. 1 Satz 3 BauO LSA nachbarschützende Wirkung hat, ist nicht erkennbar, dass diese Vorschrift dadurch verletzt sein kann, dass bei der nach den genehmigten Bauvorlagen vorgesehenen Anordnung der Aufstell- und Bewegungsflächen im Brandfall oder bei Feuerwehrübungen die ausgefahrene Drehleiter eines Hubrettungsfahrzeugs die in § 5 Abs. 1 Satz 3 BauO LSA vorgeschriebene Bewegungsfläche § 5 Abs. 1 Satz 3 BauO LSA im Luftraum überschreitet. Mit „Bewegungsfläche“ in § 5 Abs. 1 Satz 3 BauO LSA ist nicht die (kreisförmige) Fläche gemeint, über der sich die ausgefahrene Drehleiter eines Hubrettungsfahrzeugs bewegen kann. Vielmehr ist dies die Fläche, die benötigt wird, damit das Fahrzeug im Brandfall zum Einsatz gebracht werden kann. Mit der Verpflichtung nach § 5 Abs. 1 Satz 3 BauO LSA, für Hubrettungsfahrzeuge Aufstell- und Bewegungsflächen vorzusehen, wenn deren Einsatz für die Personenrettung erforderlich ist, soll gesichert werden, dass an dem Gebäude ausreichend Platz vorhanden ist, damit das Hubrettungsfahrzeug zum Einsatz gebracht werden kann (vgl. Jäde, in: Jäde/Dirnberger, Bauordnungsrecht Sachsen-Anhalt, § 5 RdNr. 24). Dies ergibt sich auch aus der lfd. Nr. 7.4 der Liste der technischen Baubestimmungen (Fassung März 2006), Anhang C (MBl LSA 2010 S. 213 [256]), wonach Bewegungsflächen für jedes Fahrzeug mindestens 7 m x 12 m groß sein müssen.

26

6. Die Kläger bemängeln weiter, der Umstand, dass auf die an der Grundstücksgrenze liegende Gebäudewand des Treppenhauses am südlichen Gebäudeteil neuer Putz aufgebracht worden sei, habe eine unzulässige Überbauung auf das Grundstück des Klägers zu 1 zur Folge. Dies könne auch nicht durch die Gewährung einer Abweichung genehmigt werden. Auch damit können die Kläger nicht durchdringen. Nach den genehmigten Bauvorlagen liegt schon kein Überbau vor; vielmehr befindet sich die südliche Außenwand des Treppenhauses auf der Grenze zum Grundstück des Klägers zu 1 (Flurstück 10367). Soweit mit der Aufbringung eines Putzes die Grenze um wenige Zentimeter überbaut werden sollte, betrifft dies nur die tatsächliche Bauausführung und nicht die Rechtsmäßigkeit der Baugenehmigung. Im Übrigen wäre zweifelhaft, ob mit einem Überbau die Verletzung eigener Rechte durch die Baugenehmigung schlüssig begründet werden kann. Die Zulässigkeit eines Überbaus richtet sich nach zivilrechtlichen Vorschriften (§ 912 BGB). Gemäß § 71 Abs. 1 BauO LSA wird in einem Baugenehmigungsverfahren aber nur die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften geprüft, und gemäß § 71 Abs. 4 BauO LSA wird die Baugenehmigung unbeschadet der Rechte Dritter erteilt. Dies bedeutet, dass die Baugenehmigung Privatrechtliches überhaupt nicht im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG „regelt" mit der Folge, dass selbst eine Baugenehmigung, deren Bauzeichnungen einen Überbau auf fremdes Privateigentum aufweisen, über die Zulässigkeit dieses Überbaus überhaupt keine Regelung im Rechtssinn treffen dürfte (VGH BW, Urt. v. 04.03.1996 – 5 S 1798/95 –, NJW 1996, 3429; BayVGH, Beschl. v. 16.08.2010 – 2 ZB 10.134 – Juris; vgl. auch Beschl. d. Senats v. 23.04.2010 – 2 L 148/09 –, Juris, RdNr. 5).

27

7. Zu Unrecht rügen die Kläger, die Änderung der Nutzungsart führe zu einer verminderten Bebaubarkeit ihrer Grundstücke, weil sich mit ihr die für Industriegebiete geltende Tiefe der Abstandsfläche von 0,2 H auf 0,4 H erhöht habe. Die Frage, ob das Gebäude der Beigeladenen gewerblich oder nicht gewerblich genutzt wird, war und ist für die Tiefe der Abstandsflächen unerheblich. Anderes folgt auch nicht aus § 6 Abs. 5 Satz 2 BauO LSA, der bestimmt, dass in Gewerbe- und Industriegebieten – abweichend von der Grundregel des § 6 Abs. 5 Satz 1 BauO LSA – eine Tiefe der Abstandsflächen von 0,2 H, mindestens, 3 m genügt. Bei Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 2 BauO LSA kommt es allein auf den jeweiligen Charakter des Baugebiets und nicht auf die Nutzung einzelner Gebäude an (Beschl. d. Senats v. 19.10.2011 – 2 M 129/11 –, NVwZ-RR 2012, 137, m.w.N.). Ergibt die planungsrechtliche Analyse für den unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB, dass der betrachtete Bereich keinem der in der BauNVO beschriebenen Baugebiete entspricht, also § 34 Abs. 1 BauGB zugrunde zu legen ist, bleibt es bei der Grundregel des § 6 Abs. 5 Satz 1 BauO LSA; die konkrete Nutzung der Gebäude kann auch in sog. Gemengelagen nicht herangezogen werden (vgl. Dirnberger, in Jäde/Dirnberger, Bauordnungsrecht Sachsen-Anhalt, § 6 RdNr. 146, m.w.N.). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die die Kläger nicht angegriffen haben, ist die Umgebung des Baugrundstücks als sog. Gemengelage zu charakterisieren (vgl. hierzu Urt. d. Senats v. 14.11.2006 – 2 L 504/02 –, Juris), die im nördlichen Teil des Gebiets einen eindeutigen Schwerpunkt in der Wohnbebauung aufweise.

28

8. Die Kläger können sich auch nicht darauf berufen, dass entgegen § 8 BauO LSA kein ausreichend großer Spielplatz angelegt werde oder in der näheren Umgebung vorhanden sei; denn diese Regelung ist nicht nachbarschützend. Wird einem Bauherrn abweichend von dieser Vorschrift die Errichtung eines Kinderspielplatzes nicht abverlangt, werden die Nachbarn nicht in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt. Dies folgt bereits daraus, dass ein Kinderspielplatz nur den Kindern zugute kommen soll, die auf dem Baugrundstück wohnen (Dirnberger, in Jäde/Dirnberger, a.a.O., § 8 RdNr. 10).

29

9. Ohne Erfolg wenden die Kläger ein, das Treppenhaus an der Südseite des Gebäudes sei ein eigenständiger Gebäudeteil, der nachträglich an das Hauptgebäude angebaut worden sei, so dass dessen Erhaltung denkmalrechtlich nicht geboten sei. Unabhängig davon, dass die Kläger keine konkreten Anhaltspunkte für eine nachträgliche Errichtung des Treppenhauses dargelegt haben, hat das Verwaltungsgericht das Interesse am Erhalt des Denkmals lediglich als einen von mehreren Gesichtspunkten angeführt, die die Gewährung einer Abweichung rechtfertigen. Es hat insbesondere auch das Interesse der Beigeladenen an einer sinnvollen Nutzung des Gesamtgebäudes als weiteren Grund angeführt. Der Umstand, dass das Treppenhaus nach den genehmigten Bauvorlagen Teil des ersten Rettungsweges für einen Teil der Nutzungseinheiten im 1. und 2. Obergeschoss ist, spricht dafür, dass es für eine sinnvolle Nutzung des bestehenden Gebäudes erforderlich ist.

30

10. Der Vortrag der Kläger, das Vorhaben der Beigeladenen entspreche nicht den Anforderungen des § 12 Abs. 1 BauO LSA an die Standsicherheit baulicher Anlagen, weil es zwischen dem Hauptgebäude und dem Treppenhaus bereits Risse gegeben habe und die beiden Gebäude(-teile) nur mit Zugankern verbunden seien, bleibt unsubstantiiert. Insbesondere ist nicht dargelegt, weshalb eine ausreichende Standsicherheit zulässigerweise nur ohne Zuganker hergestellt werden darf.

31

11. Die Kläger bemängeln auch ohne Erfolg eine Verletzung der brandschutzrechtlichen Vorschriften der §§ 14, 29 BauO LSA.

32

11.1. Soweit sie vortragen, eine effektive Rettung von Menschen und Tieren im südlichen Gebäudeteil sei nicht möglich, ist nicht ersichtlich, inwieweit sie dadurch in ihren Nachbarrechten verletzt sein können.

33

11.2. Der Vortrag der Kläger, durch die Fenster im Treppenhaus an der Südseite werde der vorbeugende Brandschutz verletzt, weil der Kläger zu 1 in diesem Bereich zukünftig Gebäude errichten könne, die sich auch auf der Grundstücksgrenze befinden könnten, ist unsubstantiiert. Gleiches gilt für den Einwand, es dürfte zu erheblichen nachbarlichen Spannungen kommen, weil den Klägern das Recht zustehen dürfte, ebenfalls ohne Einhaltung der Abstandsflächen zu bauen. Die Kläger legen schon nicht dar, woraus sich ein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung neuer Gebäude oder den Anbau an bestehende Gebäude ohne Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen ergeben soll. Allein der Umstand, dass die Beigeladene das vorhandene Gebäude gemäß der erteilten Baugenehmigung verändern darf, dürfte hierfür nicht genügen. Richtig ist zwar, dass ein Grundstücksnachbar Abwehrrechte gegen die Verletzung abstandsflächenrechtlicher Vorschriften durch ein Bauvorhaben grundsätzlich insoweit nicht geltend machen kann, als die Bebauung auf seinem Grundstück gegenüber dem Nachbargrundstück in vergleichbarem Umfang die nach dem geltenden Recht erforderlichen Abstandsflächen nicht einhält (vgl. Beschl. d. Senats v. 24.01.2012 – 2 M 157/11 –, Juris, m.w.N). Dies kann jedoch anders zu beurteilen sein, wenn der Bau des Nachbarn früherem (Abstandsflächen-)Recht entsprach und genehmigt wurde; in einem solchen Fall kann er sich u. U. auch dann auf die Einhaltung des nach neuem Recht gültigen Grenzabstands berufen, wenn er diesen jetzt im Verhältnis zum Nachbargrundstück nicht (mehr) einhält (vgl. Beschl. d. Senats v. 30.11.2000 – 2 M 319/00 –, Juris; Urt. v. 16.03.2000 – A 2 S 62/98 –, Juris). Im vorliegenden Fall spricht Überwiegendes jedenfalls dafür, dass die vorhandenen Gebäude auf den Grundstücken der Beigeladenen im Zeitpunkt ihrer Genehmigung und Errichtung früherem Abstandsflächenrecht entsprachen. Dies sehen offenbar auch die Kläger so (vgl. Nr. 22 der Zulassungsbegründung). Die im Hinblick auf die Abstandsflächen problematische Situation entstand hier erst durch die insoweit „verunglückte“ Grundstücksteilung, die ohne Rücksicht auf die Abstandsflächen durchgeführt wurde, die von den vorhandenen Gebäuden erzeugt werden. Im Übrigen hat der Umstand, dass ein Nachbar eine Verletzung von nachbarschützenden Vorschriften nach Treu und Glauben gegenüber dem Bauherrn nicht mehr geltend machen kann, nicht ohne weiteres zur Folge, dass die Baugenehmigungsbehörde ein Vorhaben, das dem geltenden Abstandsflächenrecht widerspricht, genehmigen muss. Nach alldem kann auch offen bleiben, ob – wie die Kläger weiter vortragen – das ihnen eingeräumte Wegerecht einer zukünftigen Bebauung ihrer Grundstücke nicht entgegensteht.

34

11.3. Zu Unrecht monieren die Kläger, die Luftbilder von „google“ ließen erkennen, dass die Brandwände entgegen § 29 Abs. 5 BauO LSA nicht 0,3 m über die Bedachung geführt oder in Höhe der Dachhaut mit einer beiderseits 0,5 m auskragenden feuerbeständigen Platte aus nicht brennbaren Stoffen abgeschlossen würden. Nach Nr. 8 des Brandschutzkonzepts vom 28.05.2007, das nach dem entsprechenden Zugehörigkeitsvermerk Bestandteil der Baugenehmigung ist, werden Gebäudeabschluss- oder Trennwände, die als Brandwände einzustufen sind, mindesten 30 cm über die Bedachung geführt oder nach den weiteren Festsetzungen des § 29 Abs. 5 BauO LSA ausgeführt. Nach den ebenfalls Bestandteil der Baugenehmigung bildenden Ansichtszeichnungen (Bl. 66 und 119 des Verwaltungsvorgangs) werden die Gebäudeabschlusswände des Hauptgebäudes, die gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 1 BauO LSA als Brandwände auszuführen sind, ca. 0,4 m über die Dachhaut geführt. Zudem enthalten sowohl die Teilbaugenehmigung vom 23.10.2007 als auch die angefochtene Baugenehmigung vom 11.02.2008 jeweils die Auflage (Nr. 2.1.4 bzw. Nr. 1.1), dass das Brandschutzkonzept vom 28.05.2007 einschließlich der Maßnahmen zur brandschutztechnischen Ertüchtigung einzuhalten und umzusetzen ist. Hinsichtlich des an die südliche Grundstücksgrenze gebauten Treppenturms erteilte die Beklagte mit dem Bescheid vom 06.02.2008 (Az: …) auch eine Abweichung von der Vorschrift des § 29 Abs. 2 Nr. 1 BauO LSA mit der Begründung, hinsichtlich des präventiven Brandschutzes seien wegen der fehlenden Ausbildung der Außenwand des Turms keine negativen Auswirkungen zu befürchten, weil der Abstand zwischen dem Turm und dem Lagerhaus auf dem Grundstück des Klägers zu 1 mindestens 11,60 m betrage, so dass kein Brandüberschlag möglich sei. Die Vorschriften über die Ausbildung einer inneren Brandwand bei ausgedehnten Gebäuden (§ 29 Abs. 2 Nr. 2 BauO LSA) dienen nicht dem Nachbarschutz; denn sie bezwecken die Abwehr einer erhöhten Brandausdehnungsgefahr innerhalb des Gebäudes und damit dem Schutz von Leben und Gesundheit der sich dort aufhaltenden Menschen, nicht aber auch den Schutz der Nachbarn (vgl. VGH BW, Urt. v. 26.02.1992 – 3 S 2947/91 –, Juris). Im Übrigen enthält die Teilbaugenehmigung vom 23.10.2007 die Auflage Nr. 2.1.5, nach der (auch) die Brandwand zwischen Gebäudeteil 1 und 2 entsprechend § 29 BauO LSA auszubilden ist. Unerheblich ist ob, die vorgeschriebene Bauausführung in – möglicherweise nicht mehr aktuellen – Luftbildern von „google-earth“ zu erkennen ist.

35

12. Die Kläger können eine mögliche Verletzung der Bestimmungen über den zweiten Rettungsweg (§ 32 Abs. 3 BauO LSA), notwendige Treppenhäuser (§ 34 Abs. 8 BauO LSA), Umwehrungen (§ 37 BauO LSA), Aufzüge (§ 38 BauO LSA) sowie barrierefreies Bauen (§ 49 BauO LSA) nicht mit Erfolg rügen. Diese Vorschriften dienen ersichtlich nur dem Schutz der Bewohner bzw. Benutzer des jeweiligen Gebäudes und nicht auch des Nachbarn (vgl. zu den Anforderungen an die Rettungswege: OVG NW, Beschl. v. 29.07.2002, a.a.O.). Im Übrigen ist nicht dargelegt, dass eine diesen Vorschriften möglicherweise widersprechende Bauausführung in der angefochtenen Baugenehmigung zugelassen wurde.

36

13. Auch der Einwand der Kläger, bei der Grundstücksteilung sei man entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts von einer weiteren gewerblichen Nutzung ausgegangen, so dass die Abstandsflächenproblematik nicht zur Diskussion gestanden habe, erweist sich als nicht stichhaltig. Soweit ersichtlich, wollen die Kläger mit diesem Einwand die Annahme des Verwaltungsgerichts in Zweifel ziehen, die für eine Abweichung erforderliche atypische Grundstückssituation ergebe sich hier u. a. aus der im Jahr 2003 vorgenommenen Grundstücksteilung, die in der zweifelhaften Annahme erfolgt sei, dass das Restgrundstück in einem Gewerbegebiet liege, die aber wegen des geringen Abstands der ehemaligen Fabrikgebäude zur neu gebildeten Grundstücksgrenze § 7 BauO LSA nicht entsprochen habe. Die Frage, ob das Gebäude der Beigeladenen gewerblich oder nicht gewerblich genutzt wird, war und ist jedoch für die Tiefe der Abstandsflächen unerheblich (siehe oben 7.). Die möglicherweise irrige Annahme des Rechtsvorgängers der Beigeladenen in Bezug auf die Einschätzung des Gebietscharakters und die daraus folgende Tiefe der Abstandsfläche vermag an der vom Verwaltungsgericht beschriebenen atypischen Situation nichts zu ändern.

37

14. Schließlich können die Kläger auch nicht mit dem Einwand durchdringen, durch die Änderung der Nutzung komme es zu einer wesentlichen Erhöhung des Fahrzeugverkehrs auf dem Grundstück der Beigeladenen und somit zu einer Beeinträchtigung des ihnen eingeräumten Wegerechts. Unabhängig davon, dass in einem Baugenehmigungsverfahren nur die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften geprüft und gemäß § 71 Abs. 4 BauO LSA die Baugenehmigung unbeschadet der Rechte Dritter erteilt wird, ist nichts Konkretes für eine solche Beeinträchtigung vorgetragen. Insbesondere ist nicht dargetan, dass den Klägern durch die Nutzung der Zufahrt zu den Stellplätzen im Hofbereich die Nutzung der Zufahrt zu ihrem Grundstück erschwert wird.

B.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat stellt bei der von ihm nach § 162 Abs. 3 VwGO zu treffenden Billigkeitsentscheidung in ständiger Rechtsprechung in erster Linie auf die Stellung des Beigeladenen in dem zur Entscheidung anstehenden Interessenskonflikt ab (vgl. Beschl. v. 07.10.1996 – A 2 S 397/96; auch BVerwG, Urt. v. 23.05.1962 – BVerwG V C 62.61 –, BVerwGE 14, 171). Er hält daher die Kosten des notwendig beigeladenen Bauherrn, unabhängig davon, ob er einen Antrag gestellt hat, in der Regel für erstattungsfähig, weil er ohne sein Zutun mit einem solchen Verfahren überzogen wird (vgl. Beschl. v. 07.10.1996, a. a. O.).

C.

39

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327, 1329).


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Beigeladene hat ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Wohnungseigentümergemeinschaft von in Sondereigentum stehenden Wohnungen des Grundstücks ... Straße 7 in ..., Fl. Nr. ..., Gemarkung ... Mit ihrem Antrag wendet sie sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen das von der Beigeladenen geplante Bauvorhaben mit Nutzungsänderung auf dem südlich an das Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft angrenzenden Grundstück ... Straße 9, Fl. Nr. ... Beide Grundstücke sind Teil einer langen geschlossenen Zeilenbebauung entlang der ... Straße.

Die Beigeladene beabsichtigt, das bereits bestehende Wohnheim statt mit bisher 104 nunmehr mit 250 Betten zur befristeten Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnungslosen (10 Jahre mit Verlängerungsoption um weitere 5 Jahre) zu nutzen und dafür Umbauten vorzunehmen, insbesondere den Anbau einer Außentreppe als 2. baulichen Rettungsweg sowie den Einbau einer Brandmeldeanlage.

Mit Bauantrag vom 17. Juli 2014 (PlNr. ...) beantragte die Beigeladene die Erteilung der streitgegenständlichen Baugenehmigung sowie die Erteilung von Abweichungen nach Art. 63 Abs. 1 BayBO und nannte als Betreiber des geplanten Wohnheimes das gemeinnützige... Hilfswerk ..., Tochtergesellschaft der ... Mission ... Das Gebäude verfüge über ca. 120 Appartements mit Sanitärbereichen und Singleküchen sowie Büros für 4 Mitarbeiter und Gemeinschaftsräume. Für den Betrieb sei eine täglich 24 Stunden besetzte Pforte vorgesehen und dazu 160 Stunden Sozialarbeit pro Woche von 8 bis 20 Uhr wochentags. Zielgruppe seien wohnungslose Familien mit Kindern, Personen, die akut ihre Wohnung verloren hätten oder solche, die in Pensionen und Notquartieren untergebracht wären. Alle Personen würden der Unterkunft von der Zentraleinheit Wohnen des Amtes für Wohnen und Migration der Antragsgegenrin zugewiesen. Mit Schreiben vom 24. Juli 2014 teilte das Amt für Wohnen und Migration mit, dass angesichts des dramatischen Mangels an Unterbringungsmöglichkeiten für Familien dringender Bedarf bestehe, das Objekt zeitnah in Betrieb zu nehmen.

Zur baulichen Situation auf den Grundstücken sowie zur Umgebungsbebauung siehe folgenden Lageplan 1:1.000. Der Plan ist aufgrund des Einscannens möglicherweise nicht mehr maßstabsgetreu.

Bild

Mit Bescheid vom ... September 2014 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung als Sonderbau befristet auf 10 Jahre bis zum 1. Oktober 2024 und eine Abweichung gem. Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken Fl.Nr. ..., ... und ... durch eine außenliegende Fluchttreppe. Diese als zweiter baulicher Rettungsweg sei erforderlich. Angesichts der vorgegebenen Grundstückssituation und im Hinblick auf die dicht bebaute Innenstadtlage sei dem nachbarschaftlichen Rücksichtnahmegebot ausreichend entsprochen. Für 14 nicht feuerhemmende Türen im Gebäudeinneren wurde eine Abweichung gem. Art. 63 Abs. 1 i. V. m. Art 33 Abs. 6 BayBO erteilt. Aufgrund der schnellen Alarmierung durch die Brandmeldeanlage und Rauchwarnmelder sowie des zweiten Rettungsweges in Gestalt der Außentreppe könne davon ausgegangen werden, dass die Bewohner schnell flüchten könnten. Die Fenster im Dachgeschoß seien entgegen Art. 35 Abs. 4 BayBO weiter als 1 m von der Traufkante entfernt, es bestünden aber wegen der in den Plänen dargestellten Anleiterung keine brandschutztechnischen Bedenken. Der Feuerwehrzugang zum Innenhof sei entgegen Art. 5 Abs. 1 BayBO teilweise schmaler als 1,25 m, mit dem Hauptzugang... Straße und der Durchfahrt/Zugang zum Souterrain sei aber noch ein weiterer Zugang vorhanden. Auch hier bestünden keine brandschutztechnischen Bedenken. Durch das Vorhaben werde kein zusätzlicher Kfz-Stellplatzbedarf ausgelöst. Die Art der Nutzung ändere sich nicht, es bleibe bei einer Wohnheimnutzung. Es handele sich um eine Anlage für soziale Zwecke, die in einem Allgemeinen Wohngebiet regelmäßig zulässig sei. Es gäbe keine Anhaltspunkte für eine Verletzung der Lärmrichtwerte. Der von dem Kinderspielplatz ausgehende Lärm sei nicht relevant, mit einem erhöhten Verkehrsaufkommen müsse nicht gerechnet werden, da die Bewohner in der Regel keine Autos besitzen würden. Von den Nachbarn befürchtete negative Auswirkungen würden sich durch die 24 Stunden täglich besetzte Pforte und die vorgesehene Sozialarbeit nicht einstellen. Angesichts der angespannten Wohnungssituation in ... läge das Vorhaben im besonderen öffentlichen Interesse, infolge der Betreuung und Beratung sei auch eine Belegung mit bis zu 250 Personen planungsrechtlich möglich.

Eine Nachbarausfertigung der Baugenehmigung vom ... September 2014 wurde der Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde am 1. Oktober 2014 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2014, bei Gericht am 24. Oktober 2014 eingegangen, beantragten die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin,

I.

Die Vollziehung der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom ...09.2014 zur Nutzungsintensivierung eines bestehenden Wohnheims von 104 auf 250 Betten, nebst Anbau einer Außentreppe als 2. baulichem Rettungsweg und Einbau einer Brandmeldeanlage zur befristeten Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnungslosen (10 Jahre) auszusetzen,

II.

der Antragsgegnerin aufzugeben, die Baustelle auf dem Grundstück ... Str.9, Fl.Nr. ..., Gemarkung ... stillzulegen.

Das Vorhaben verstoße gegen das Rücksichtnahmegebot und weitere nachbarschützende Normen. Da mit der Verwirklichung begonnen worden sei, wäre zur Verhinderung vollendeter Tatsachen die Einstellung geboten. Das streitgegenständliche Grundstück läge mitten in der Innenstadt in einer gehobenen Wohngegend mit Grundstückspreisen von 10.000 Euro pro Quadratmeter und aufwärts. In der näheren Umgebung gäbe es nur Wohn- und Gewerberaum. Die Nutzungsintensivierung auf 250 Betten für Flüchtlinge und Wohnungslose stehe daher in gravierendem Widerspruch mit der bisherigen Nutzung und füge sich in die gehobene und teure Wohnlage nicht ein. Der Antragsteller müsse befürchten, dass er die bisherigen gehobenen Mietpreise nicht mehr erzielen könne und der Wert seiner Immobilien fallen, zumindest aber stagnieren werde. Es sei mit erhöhtem Aggressionspotential und möglicherweise auch mit einer erhöhten Kriminalität zu rechnen, vor allem wenn man die bisher enormen Miet- und Kaufpreise in dieser Wohnlage beachte. Die Abweichung wegen Nichteinhaltung der Abstandsflächen hinsichtlich der Außentreppe dürfe nicht gestattet werden, denn diese sei nicht notwendig, wenn es bei der bisherigen Nutzung bliebe. Ein Rettungsweg könne auch im Inneren des Gebäudes geschaffen werden. Die Abweichung bezüglich der 14 Türen sei wegen brandschutztechnischer Bedenken nicht genehmigungsfähig. Auch die Abweichung wegen der Dachfenster dürfe nicht erteilt werden, da flüchtende Personen aufgrund der erhöhten Entfernung der Traufkante zum Fenster erheblich mehr gefährdet seien. Die Abweichung wegen des Feuerwehrzuganges sei ebenfalls nicht zu erteilen, weil die einzige Hauptzufahrt von der ... Straße nicht genügend Fluchtwege und Zugänge lasse. Der Stellplatzbedarf sei nicht gedeckt, es sei mit Lieferanten, Handwerkern, Bekannten oder Ähnlichem zu rechnen, für die gem. Art. 47 BayBO Stellplätze nachzuweisen seien. Durch die Verdoppelung der Belegung von 104 auf 250 Betten würden die Grenzen des Rücksichtnahmegebots überschritten. In angrenzenden Gebäuden würden auf derselben Fläche nur 1/10 dieser Personenzahl wohnen. Zugleich seien die zumutbaren Lärmgrenzwerte nicht zu halten, vor allem durch die Nutzung der 40 Balkone im Innenhof durch bis zu 100 Personen sowie dem Hofspielplatz durch 100 Kinder. Dies komme bereits einer Gastronomie mit Außensitzplätzen gleich. Die dichte Belegung mit zwei bis drei Personen auf 20 m2 Wohnfläche sei nicht menschenwürdig. Die Baugenehmigung sei daher wegen der Verletzung des Rücksichtnahmegebots, der Menschenwürde und der Sicherheit und Ordnung zum Nachteil der Bewohner und Anwohner sowie wegen erheblicher Vermögensnachteile der benachbarten Eigentümer aufzuheben.

Mit Schriftsatz vom 18. November 2014 beantragte die Antragsgegnerin,

den Antrag abzulehnen.

Es sei weder ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme noch eine Verletzung des Abstandsflächenrechts noch eine sonstige Verletzung von Nachbarrecht ersichtlich. Die vom Antragsteller angeführte Wertminderung bilde für sich keinen Maßstab, ob eine Beeinträchtigung des Rücksichtnahmegebots vorläge. Die weiteren vom Antragsteller vorgetragenen Gesichtspunkte spielten bei der Beurteilung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots keine Rolle. Aus § 15 Abs. 1 BauNVO ergäbe sich kein Milieuschutz. Es handele sich auch nicht um eine lärmintensive Nutzung, da das Hauptaugenmerk auf eine dem Wohnen ähnliche Nutzung ausgerichtet sei. Der Vergleich mit einer Freischankfläche bzw. Gaststättennutzung sei nicht nachvollziehbar. Lärmintensiver Verkehr sei nicht zu erwarten. Bezüglich des Kinderspielplatzes werde auf § 22 Abs. 1a BImSchG hingewiesen. Die erteilten Abweichungen wegen Nichteinhaltung von Abstandsflächen seien rechtmäßig, außerdem sei die Antragstellerin nicht betroffen, denn die Abweichungen beträfen die Fl.Nrn. ..., ... und ..., die Antragstellerin sei aber Eigentümerin der Fl.Nr. ... Die übrigen von der Antragstellerin vorgetragenen Abweichungen beträfen Vorschriften, die nicht nachbarschützend seien. Das gelte auch für den Stellplatznachweis.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte sowie auf das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten verwiesen.

II.

Der Antrag ist unbegründet, da die in der Hauptsache von der Antragstellerin erhobene Anfechtungsklage wird voraussichtlich ohne Erfolg sein wird.

1. Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen.

Der Antrag der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung ist daher gem. § 88 i. V. m. § 86 Abs. 3 VwGO bei verständiger Würdigung als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der mit Schriftsatz vom 24.10.2014 erhobenen Anfechtungsklage auszulegen.

Beim Antrag gem. § 80 a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind - die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 80 Rn. 146; Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2013, § 80 Rn. 71). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (Schmidt a. a. O., § 80 Rn. 73 f.). Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich erfolgreich sein, so wird im Regelfall die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Erweist sich der angefochtene Bescheid dagegen bei summarischer Prüfung als rechtmäßig, besteht ein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung.

2. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugelassene Bauvorhaben weder in bauplanungsrechtlicher noch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegen drittschützende Rechte der Antragstellerin verstößt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 60 BayBO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind und im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (BayVGH B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20).

3. Als nachbarschützende Rechte im Bauplanungsrecht kommen vorliegend der Anspruch auf Erhaltung der Gebietsart sowie der Anspruch auf Wahrung der gebotenen Rücksichtnahme in Betracht, die jedoch beide nicht durch die streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt worden sind.

3.1. Die Antragstellerin hat im vorliegenden Verfahren keinen Anspruch auf Bewahrung des Charakters als „teure und gehobene Wohnlage“.

Der Gebietserhaltungsanspruch des Nachbarn setzt voraus, dass das Grundstück in einem festgesetzten oder in einem faktischen Baugebiet liegt und ist im Ergebnis darauf gerichtet, Vorhaben zu verhindern, die nach Art der baulichen Nutzung weder regelmäßig noch ausnahmsweise in diesem Gebiet zulässig sind (vgl. BVerwG U. v. 16.9.1993 - 4 C 28/91, BVerwGE 94, 151 - juris Rn. 13).

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend hinsichtlich der gemäß § 173 Bundesbaugesetz (BBauG) übergeleiteten Baulinien nach § 30 Abs. 3 BauGB und im Übrigen nach § 34 Abs. 1 BauGB, wonach innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig ist, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Sofern die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht (sog. faktisches Baugebiet), beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art gemäß § 34 Abs. 2 BauGB allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre.

Als „nähere Umgebung“ ist dabei der umliegende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder beeinflusst (BVerwG U. v. 26.5.1978 - 4 C 9.77 - juris Rn. 33; B. v. 20.8.1998 - 4 B 79/98 - juris Rn. 7). Bei einem inmitten eines Wohngebiets gelegenen Vorhaben gilt in der Regel als Bereich gegenseitiger Prägung, der die maßgebliche nähere Umgebung eingrenzt, das Straßengeviert und die gegenüberliegende Straßenseite (BayVGH B. v. 1.12.2011 - 14 CS 11.2577 - juris Rn. 26; B. v. 27.9.2010 - 2 ZB 08.2775 - juris Rn. 4; U. v. 10.7.1998 - 2 B 96.2819 - juris Rn. 25). Dies gilt auch, wenn ein bestehendes Gebäude lediglich baulich oder in seiner Nutzung geändert wird. Der Baubestand bestimmt den Maßstab für die weitere Bebauung mit (vgl. BVerwG vom 27.8.1998 - 4 C 5/98 - NVwZ 1999, 523).

Im Rahmen des Hauptsachverfahrens wird die nähere Umgebung durch eine Beweiserhebung durch Inaugenscheinnahme zu bestimmen sein. Im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung kann die Einordnung der näheren Umgebung in ein Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. §§ 2 ff. BauNVO vorliegend jedoch dahin stehen, denn in Betracht kommt lediglich die Einordnung als allgemeines Wohngebiet nach § 4 BauNVO oder als Mischgebiet nach § 6 BauNVO oder als Gebiet sui generis, das keinem der in der BauNVO festgesetzten Gebietsarten eindeutig zugeordnet werden kann (sog. Gemengelage).

3.1.1 Als reines Wohngebiet i. S. v. § 3 BauNVO ist die nähere Umgebung selbst nach dem Vortrag der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin nicht einzustufen, da das Geviert nach den Angaben in der Antragsschrift auch von Gewerberaum geprägt ist. Darüber hinaus wäre die Gemeinschaftsunterkunft auch in einem reinen Wohngebiet als soziale Einrichtung, die dem Wohnen dient, ausnahmsweise zulässig, § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO.

3.1.2 Sollte die nähere Umgebung nach dem Ergebnis des Augenscheins im Hauptsacheverfahren als allgemeines Wohngebiet oder als Mischgebiet einzuordnen sein, sind Anlagen für soziale Zwecke gem. § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO und § 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO zulässig. Wohnheime für Flüchtlinge und Wohnungslose sind regelmäßig Anlagen für soziale Zwecke, die in einem weiten Sinn der sozialen Fürsorge und der öffentlichen Wohlfahrt dienen (vgl. zur Asylbewerberunterkunft: Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand 1.1.2012, § 4 BauNVO Rn. 92) und damit weder Wohngebäude noch Beherbergungsbetriebe (vgl. Stock, a. a. O., § 4 BauNVO Rn. 94; OVG Münster vom 4.11.2003 Az. 22 B 1345/03 − juris). Das Wohnheim für Flüchtlinge und Wohnungslose wäre daher sowohl im allgemeinen Wohngebiet wie auch im Mischgebiet grundsätzlich zulässig.

Es ist auch davon auszugehen, dass das Wohnheim für Flüchtlinge und Wohnungslose mit insgesamt maximal 250 Betten das ungeschriebene Erfordernis der Gebietsverträglichkeit des Vorhabens im Hinblick auf die Art der Nutzung wahrt (vgl. hierzu BVerwG B. v. 28.2.2008 - 4 B 60/07 - juris Rn. 5 f.). Bei der Prüfung der Gebietsverträglichkeit ist von einem typisierenden Ansatz auszugehen, wobei Ausgangspunkt und Gegenstand dieser Betrachtungsweise das jeweils zur Genehmigung gestellte Vorhaben ist. Maßgeblich ist danach auf die Auswirkungen abzustellen, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art ausgehen, insbesondere nach seinem räumlichen Umfang und der Größe seines Einzugsbereichs, der Art und Weise der Betriebsvorgänge, dem durch das Vorhaben bedingten An- und Abfahrtsverkehr sowie der zeitlichen Dauer dieser Auswirkungen und ihrer Verteilung auf die Tages- und Nachtzeiten. Dagegen kommt es bei der Prüfung der Gebietsverträglichkeit nicht auf die konkrete Bebauung in der Nachbarschaft an. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass in einem Baugebiet nach der Baunutzungsverordnung im Grunde auf jedem Baugrundstück die nach dem Katalog der Nutzungsarten der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung in Betracht kommen soll. Auf dieser Ebene der Zulässigkeitsprüfung stellt sich daher nicht schon die Frage, ob das Vorhaben mit den Anforderungen des § 15 Abs. 1 BauNVO einschließlich des darin verankerten Rücksichtnahmegebots vereinbar ist. Der Nachbarschutz nach § 15 Abs. 1 BauNVO knüpft an die konkreten örtlichen Gegebenheiten an. Bei dem Kriterium der Gebietsverträglichkeit geht es dagegen um die Vermeidung als atypisch angesehener Nutzungen, die den Gebietscharakter als solchen stören (BVerwG B. v. 28.2.2008 - 4 B 60/07 BauR 2008, 954 - juris Rn. 11).

Nach der für die Beurteilung dieser Frage notwendigen baugebietsbezogen typisierenden Betrachtungsweise ist das Bauvorhaben in einem allgemeinen Wohngebiet und in einem Mischgebiet gebietsverträglich. Allgemeine Wohngebiete dienen primär dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht stören, § 4 Abs. 1 BauNVO. Als atypisch und störend sind damit Nutzungen anzusehen, die nach ihren Auswirkungen, insbesondere im Hinblick auf die mit dem Vorhaben verbundenen Immissionen nach Art, Dauer und Intensität, mit der durch die überwiegende und vorrangige Wohnnutzung bestimmten Prägung eines solchen Gebiets nicht in Einklang zu bringen sind. Asylbewerberunterkünfte und damit erst Recht das vorliegende Wohnheim, dessen Hauptzielgruppe laut Projektskizze die „wohnungslose Familie mit Kindern“ ist, sind in einem allgemeinem Wohngebiet grundsätzlich als gebietsverträgliche Nutzung zu werten und daher zulässig, da es sich hierbei um eine Anlage für soziale Zwecke handelt (vgl. zur Asylbewerberunterkunft: Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand 1.1.2012, § 4 BauNVO Rn. 92) und vorliegend jedes Appartement mit einer Küchenzeile und einem eigenen Bad ausgestattet ist, Art. 46 Abs. 1 BayBO, so dass es auf eine dem Wohnen ähnliche Nutzung ausgerichtet ist, wenn es sich im Hinblick auf die langfristige Vermietung an die einzelnen Bewohner und die mit der Ausstattung der Räume ermöglichte auf Dauer angelegte Häuslichkeit und Eigenverantwortung der Haushaltsführung nicht ohnehin um eine Wohnnutzung handelt.

Dies gilt erst Recht, wenn sich nach dem Augenschein im Hauptsacheverfahren die nähere Umgebung als Mischgebiet i. S. v. § 6 BauNVO darstellt.

Damit hat ein nachbarlicher Abwehranspruch im Hinblick auf die Wahrung der Gebietsart keinen Erfolg, da dieser im Ergebnis darauf gerichtet ist, Vorhaben zu verhindern, die nach Art der baulichen Nutzung weder regelmäßig noch ausnahmsweise in diesem Gebiet zulässig sind (vgl. BVerwG U. v. 16.9.1993 - 4 C 28/91, BVerwGE 94, 151 - juris Rn. 13).

3.1.3 Gelangte man nach Durchführung des Augenscheins im Klageverfahren zu dem Ergebnis, dass vorliegend die maßgebliche nähere Umgebung des Bauvorhabens im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB weder eindeutig einem allgemeinem Wohngebiet noch einem Mischgebiet zugeordnete werden kann, weil das Geviert in seiner zufälligen Zusammensetzung keinen städtebaulichen Ordnungsvorstellungen i. S. der BauNVO entspricht, läge eine sog. Gemengelage vor, in der grundsätzlich kein Anspruch auf Erhaltung der Gebietsart besteht.

3.2. Das Vorhaben verletzt bei einer Belegungsobergrenze von 250 Betten auch nicht das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot.

Ein Vorhaben, dass sich wie das streitgegenständliche Vorhaben innerhalb des aus der Umgebung ableitbaren Rahmens hält, kann sich trotzdem nicht einfügen, wenn es die gebotene Rücksichtnahme auf die in der unmittelbaren Nachbarschaft vorhandene Bebauung vermissen lässt (vgl. BVerwG vom 6.12.1996 Az. 4 B 215/96 - juris; vom 27.8.1998 a. a. O.).

Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, den die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei der Interessengewichtung spielt es eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich - umgekehrt - um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (vgl. BVerwG B. v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 - juris Rn. 9 m. w. N.). Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist, an (vgl. BVerwG U. v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - juris Rn. 22; U. v. 29.11.2012 - 4 C 8/11 - juris Rn. 16; BayVGH B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4).

Wertminderungen, die etwa auch durch Mietminderungen der Mieter verursacht werden, als Folge der Ausnutzung der einem Dritten erteilten Baugenehmigung bilden für sich genommen keinen Maßstab dafür, ob Beeinträchtigungen im Sinn des Rücksichtnahmegebots zumutbar sind oder nicht, da sich jede Nachbarbebauung auf den Wert der umliegenden Grundstücke auswirken kann (vgl. BVerwG vom 23.8.1996 - 4 C 13.94 - juris Rn. 73 - NVwZ 1997, 384).

3.2.1 Nach diesen Maßstäben liegt eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zulasten der Antragstellerin, jedenfalls bei Einhaltung einer Belegungsobergrenze von 250 Betten, nicht vor. Die von dem Bauvorhaben in der genehmigten Form ausgehende Belästigung und die mit der Benutzung des Wohnheims für die nähere Umgebung verbundenen Auswirkungen sind ortsüblich und sozialadäquat und damit von den Nachbarn grundsätzlich hinzunehmen.

Wie bereits oben dargelegt, ist das Vorhaben in dem maßgeblichen Bereich seiner Art nach zulässig. Bei den Geräuschimmissionen, wie z. B. Gespräche, Zurufe, Abspielen von CD und Radio bei offenem Fenster, handelt es sich im allgemeinem Wohngebiet, im Mischgebiet und in der Gemengelage um grundsätzlich hinzunehmende Wohngeräusche (vgl. BayVGH U. v. 13.09.2012 - 2 B 12.109 - juris Rn. 38 bei Gemengelage). Derartige Wohnimmissionen sind selbst in Wohngebieten hinzunehmen, die durch eine andere homogen Wohnbevölkerung geprägt sind (vgl. BVerwG U. v. 23.08.1996 - 4 C 13/94 - juris Rn.72). Soweit auf die von der vorhandenen Wohnbevölkerung abweichenden Lebensgewohnheiten der künftigen Bewohner des Wohnheims hingewiesen wird, ist klarzustellen, dass das allgemeine Bauplanungsrecht keinen „Milieuschutz“ gewährleistet (vgl. BVerwG U. v. 23.08.1996 - 4 C 13/94 - juris Rn.72). Dies gilt auch für das Vorbringen, dass aufgrund der räumlichen Enge und im Hinblick auf die Anzahl der Unterzubringenden der Gemeinschaftsunterkunft mit ständigen Konfliktsituationen zu rechnen sei. Eine für Wohnheime übliche Belegungsdichte begründet für sich genommen keine bodenrechtlich relevanten Störungen, auch wenn sich Lebensrhythmus und Gewohnheiten der Untergebrachten von denen der Ortsansässigen abheben können (vgl. BVerwG vom 23.8.1996 a. a. O.). Derartige Auswirkungen - sollten sie überhaupt eintreten - sind in erster Linie mit den Mitteln des Sicherheitsrechts zu lösen. Bei möglichen Rechts- und Ordnungsverletzungen müssen primär die Verhaltensstörer zur Verantwortung gezogen werden (vgl. BayVGH U. v. 13.09.2012 - 2 B 12.109 - juris Rn. 38 mit Verweis auf VGH Bad.Württ. B. v. 25.6.1993 - 3 S 1227/93 - juris).

Im Rahmen der Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme ist weiter zu berücksichtigen, dass mit der Baugenehmigung vom ... Juli 1968 bereits ein Fremdenheim genehmigt worden ist, so dass das vorliegende Geviert schon seit über 45 Jahren von einem großen Fremdenwohnheim geprägt wird und damit die Schutzwürdigkeit der Antragstellerin gemindert ist. Das Grundstück der Antragstellerin ist ferner deshalb vorbelastet, weil die ...-straße 9 nicht weit vom Stadtzentrum entfernt ist, so dass - auch bedingt durch die gewerbliche und Büronutzung - dort täglich ein reger Geschäftsverkehr vorzufinden ist. Zahlreiche Fahrzeuge sind entlang der ...-straße geparkt und es herrscht ein für die Innenstadtlage typischer Pkw-Verkehr. Die Antragstellerin kann daher hier nicht die gleiche Schutzwürdigkeit beanspruchen, wie z. B. für ein Grundstück in einer ruhigen Anwohnerstraße. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot durch das Vorhaben ist mithin nicht festzustellen. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Baugenehmigung lediglich auf 10 Jahre befristet ist und mit einer Belegungsobergrenze versehen wurde, so dass auch insoweit die nachbarlichen Interessen berücksichtigt worden sind.

3.2.2 Auch der von der Antragstellerin befürchtete Kinderlärm durch die im Wohnheim mit ihren Familien zusammen untergebrachten Kinder verstößt nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme.

Was die Frage der Zumutbarkeit von Kinderlärm aus der Nutzung von Spielplätzen angeht, ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt ist, dass die mit einer solchen Nutzung für die nähere Umgebung unvermeidbar verbundenen Auswirkungen grundsätzlich von den Nachbarn hinzunehmen sind und nur in besonders gelagerten Einzelfällen eine andere Beurteilung in Betracht kommen kann. Kinderspielplätze mit üblicher Ausstattung gehören in die unmittelbare Nähe der Wohnbebauung. Nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayBO ist bei der Errichtung von Gebäuden mit mehr als drei Wohnungen auf dem Baugrundstück oder in unmittelbarer Nähe auf einem anderen geeigneten Grundstück ein ausreichend großer Kinderspielplatz anzulegen. Die mit der bestimmungsgemäßen Nutzung typischerweise verbundenen Geräusche sind, soweit sie Folge der natürlichen Lebensäußerungen von Kindern sind, als ortsüblich und sozialadäquat zu werten (vgl. BVerwG U. v. 12.12.1991 - 4 C 5/88 - BauR 1992, 338; NdsOVG, B. v. 29.6.2006 - 9 LA 113/04 - NVwZ 2006, 1199; VGH BW, B. v. 3.3.2008 - 8 S 2165/07 - DVBl 2008, 1001).

Auch nach § 22 Abs. 1a BImSchG sind Geräuscheinwirkungen, die von Kinderspielplätzen, Kindertagesstätten und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädlichen Umwelteinwirkungen. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und Richtwerte nicht herangezogen werden.

Regelungen zur selben Materie enthält auch das bayerische Gesetz über Anforderungen an den Lärmschutz bei Kinder- und Jugendspieleinrichtungen (KJG). Dieses regelt die Zulässigkeit von Kinder- und Jugendspieleinrichtungen in der Nachbarschaft von Wohnbebauung (Art. 1 Satz 1 KJG). Nach Art. 2 KJG sind die natürlichen Lebensäußerungen von Kindern, die Ausdruck natürlichen Spielens oder anderer kindlicher Verhaltensweisen sind, als sozialadäquat hinzunehmen.

Eine Abweichung von diesem Regelfall kann nur angenommen werden, wenn aufgrund besonderer Umstände wegen einer sensiblen Nutzung der Nachbarschaft ein besonderes Ruhebedürfnis besteht, wie z. B. bei Pflegeheimen oder Krankenhäusern. Dies ist hier nicht der Fall; nachbarrechtlich irrelevant ist auch eine eher unwahrscheinliche Beeinträchtigung des, etwa 400 m entfernten, auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindliche „Klinikum ... Straße“ durch den Kinderspielplatz im rückwärtigen Grundstückbereich.

Die zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen gehen vorliegend daher nicht über das hinaus, was bei der Nutzung eines Spielplatzes zu erwarten und als sozialadäquat hinzunehmen ist.

4. Bei dem Bauvorhaben handelt es sich um einen Sonderbau im Sinn des Art. 2 Abs. 4 Nr. 6 BayBO, so dass im Rahmen des Nachbarrechtsbehelfs auch die Vorschriften der Bayerischen Bauordnung zu prüfen sind. Als entscheidungserheblich kommen vorliegend allenfalls Vorschriften des Brandschutzes bzw. die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften in Betracht.

4.1 Bei dem gerügten Verstoß gegen brandschutzrechtliche Vorschriften der Art. 24 ff. BayBO ist von Seiten der Antragstellerin nicht hinreichend konkret vorgetragen, welche Brandschutzvorschriften hier nicht nur dem Schutz der Bewohner des Wohnheims, sondern gerade dem Schutz der Antragstellerin als Nachbarin zu dienen bestimmt sind und inwieweit hiervon zu ihren Lasten abgewichen wurde.

Nach Art. 62 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist die Einhaltung der Anforderungen an den Brandschutz nach Maßgabe der Verordnung über Bauvorlagen und bauaufsichtliche Anzeigen, Bauvorlagenverordnung - BauVorlV nachzuweisen. Die Anforderungen für einen ordnungsgemäßen Brandschutznachweis ergeben sich aus § 11 BauVorlV. Er kann gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 BauVorlV gesondert in Form eines objektbezogenen Brandschutzkonzeptes dargestellt werden. Nach Art. 62 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 BayBO muss dieser Brandschutznachweis durch einen Prüfsachverständigen bescheinigt oder bauaufsichtlich geprüft sein. Das vom Architektenbüro ... vorgelegte Brandschutzkonzept vom 09.09.2014 mit integriertem Brandschutznachweis nach § 11 Bauvorlagenverordnung wurde ausweislich des Stempels der Antragsgegnerin geprüft und ist Bestandteil der Baugenehmigung vom...09.2014. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin trotz dieses ausführlichen und bauaufsichtlich geprüften Brandschutzkonzeptes in Rechten verletzt ist, die auch ihrem Schutz zu dienen bestimmt sind (BayVGH B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20), wurden von der Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. Im Übrigen rügt die Antragstellerin allein die Verletzung von brandschutzrechtlichen Vorschriften, die dem Schutz der Bewohner des Wohnheims dienen sollen.

4.2 Auch eine Verletzung von Nachbarrechten der Antragstellerin wegen eines Verstoßes gegen bauordnungsrechtliche Abstandsflächenvorschriften ist zu verneinen.

Die neu zu errichtende außenliegende Rettungstreppe wirft keine Abstandsflächen auf das Grundstück der WEG, so dass eine Rechtsverletzung der Antragstellerin insoweit ausscheidet.

5. Der Antrag ist nach alldem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Es entspricht der Billigkeit, der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO), da diese keinen Antrag gestellt und sich somit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 154 Abs. 3 VwGO.

6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG und Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

III.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung. Der Antragsteller ist Eigentümer des bebauten Grundstücks Fl.Nr. 376/2, Gemarkung A. und wendet sich gegen den seitens des Beigeladenen geplanten Neubau auf dem Grundstück Fl.Nr. 343, Gemarkung A., das seinem Grundstück jenseits der H. Straße in nördlicher Richtung gegenüberliegt.

Mit Bescheid vom 25. Februar 2013 erteilte das Landratsamt die bauaufsichtliche Genehmigung für den „Neubau eines Wohnheims für 24 Menschen mit Behinderung“.

Der Antragsteller hat beim Verwaltungsgericht Ansbach gegen diese Baugenehmigung Klage erhoben und vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag nach § 80a Abs. 3 VwGO mit Beschluss vom 21. August 2013 abgelehnt. Die Baugenehmigung verletze keine Rechte des Antragstellers. Da sich die planungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 BauGB beurteile und das geplante Vorhaben sogar in einem reinen Wohngebiet gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 3 Abs. 4 BauNVO zulässig wäre, scheide die Verletzung eines etwaigen Gebietserhaltungsanspruchs des Antragstellers aus. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liege ebenfalls nicht vor: Anhaltspunkte für eine Überschreitung des zulässigen Maßes der Nutzung oder eine „erdrückende“ oder „abriegelnde“ Wirkung seien nicht ersichtlich. Das Erfordernis der (bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen) Erschließung des Grundstücks schütze im Grundsatz nicht die Interessen des Nachbarn, sondern diene ausschließlich dem Interesse der Allgemeinheit. Konkrete Umstände, die auf eine Unterdimensionierung des gemeindlichen Abwasserkanals schließen ließen, habe der Antragsteller nicht vorgetragen. Die genehmigte Ableitmenge von 3 l/s aus Rigolen begegne keinen Bedenken. Auch im Hinblick auf die geplante Versickerung sei keine Verletzung des Antragstellers in seinen Rechten erkennbar. Eine ausschließliche Versickerung über Rigolen finde nicht statt, vielmehr werde ein wesentlicher Teil des von den Dachflächen abgeleiteten Niederschlagswassers durch einen Anschluss der Rigolen an die Kanalisation mit 3 l/s entwässert und nicht mehr versickert, was im Vergleich zur derzeitigen Situation eine Verbesserung, zumindest keine Verschlechterung bedeute. Schließlich grenze das Grundstück des Antragstellers auch nicht unmittelbar an das streitgegenständliche Grundstück an, sondern liege auf der anderen Straßenseite. Auch deshalb sei nicht damit zu rechnen, dass große Mengen nicht auf dem Grundstück des Beigeladenen zu versickernden Wassers ungehindert und in unzumutbarer Weise auf das südlich gelegene Grundstück des Antragstellers gelangten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

Er beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 21. August 2013 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 25. Februar 2013 anzuordnen.

Er macht geltend, das Verwaltungsgericht habe den im streitgegenständlichen Fall vorliegenden Verstoß gegen den speziellen Gebietsprägungserhaltungsanspruch nicht geprüft und verkannt. Denn die mit einer Ausdehnung von 40 m bzw. 33 m geplanten beiden, T-förmig miteinander verbundenen Gebäudekomplexe erwiesen sich als generell gebietsunverträglich, weil sie der Zweckbestimmung des faktischen allgemeinen Wohngebiets mit seiner wesentlich kleiner dimensionierten und klein parzellierten Einfamilienhausbebauung widersprächen. Im Übrigen unterliege der Beschluss des Verwaltungsgerichts einer Fehleinschätzung hinsichtlich der ungelösten Entwässerungssituation des Bauvorhabens: Tatsächlich sei die bestehende gemeindliche Kanalisation „am Limit“, weswegen im Hinblick auf den bekanntermaßen überlasteten gemeindlichen Kanal ein rechnerisch zu führender hydraulischer Nachweis vorzulegen gewesen wäre. Keinesfalls werde es auf dem zu bebauenden Grundstück - wovon das Verwaltungsgericht jedoch zu Unrecht ausgehe - zu einer Verbesserung der Versickerungs- bzw. Entwässerungssituation kommen, vielmehr werde nur noch die Hälfte der Grundstücksflächen für die Versickerung zur Verfügung stehen, obwohl der Baugrund, wie sich auch aus Äußerungen von Sachverständigen ergebe, für eine Versickerung nicht geeignet sei. An dieser Situation änderten auch die geplanten Rigolen nichts. Schließlich sei das vorliegende Entwässerungskonzept in sich widersprüchlich, wenn es von einem Spitzendrosselabfluss von 6 l/s in die Kanalisation ausgehe, tatsächlich jedoch nur eine Ableitung von maximal 3 l/s zulasse. Insoweit handle es sich um Auflagen, die aus tatsächlichen Gründen nicht ausgeführt werden könnten und deshalb gemäß Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG nichtig seien.

Antragsgegner und Beigeladener beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen

und verteidigen den erstinstanzlichen Beschluss.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Akten des Landratsamts Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfenden Beschwerdegründe rechtfertigen keine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der vom Antragsteller gegen die Baugenehmigung vom 25. Februar 2013 erhobenen Klage. Nach der im vorliegenden Eilverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage verletzt die Genehmigung des geplanten Bauvorhabens keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte des Antragstellers.

1. Der Antragsteller macht zunächst geltend, das seiner Art der baulichen Nutzung nach zulässige geplante Bauvorhaben widerspreche gleichwohl allein aufgrund seines räumlichen Ausmaßes der Prägung des umliegenden Wohngebiets, die durch kleindimensionierte Einfamilienhäuser gekennzeichnet sei. Hierdurch werde der sog. spezielle Gebietsprägungserhaltungsanspruch verletzt.

Dieser vom Antragsteller angeführte spezielle Gebietsprägungserhaltungsanspruch (vgl. Decker, JA 2007, 55) ist, sofern ein solcher Anspruch überhaupt existiert (zweifelnd: BayVGH, B. v. 9.10.2012 - 2 ZB 11.2653 -), jedenfalls nicht berührt. Abgesehen davon, dass sich ein solcher Anspruch allein auf die Art der baulichen Nutzung im Sinn der Baunutzungsverordnung beziehen würde (BayVGH, B. v. 9.10.2012 - 2 ZB 11.2653 -; BVerwG, B. v. 13.5.2002 - 4 B 86/01 -), trifft die Aussage des Antragstellers, die Umgebungsbebauung bestehe ausschließlich aus kleiner dimensionierten Einfamilienhäusern, lediglich für den Bereich südlich der H. Straße, in dem sich das Grundstück des Antragstellers befindet, zu. Für das nördlich dieser Straße gelegene Gebiet, in dem sich das Baugrundstück befindet, gibt es eine derartige Prägung nicht: Wie aus dem Lageplan deutlich wird, existieren dort - etwa auf den Grundstücken Fl.Nrn. 344, 345 - bereits Gebäude, die ähnliche Ausmaße aufweisen wie der geplante Neubau.

2. Soweit der Antragsteller darüber hinaus auf die seiner Auffassung nach „ungelöste Entwässerungssituation“ des Bauvorhabens hinweist, verhilft dies seiner Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Der Senat weist die Beschwerde insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Lediglich ergänzend wird im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen noch folgendes ausgeführt: Der Antragsteller ist hinsichtlich der Entwässerungssituation des Baugrundstücks nicht in seinen Nachbarrechten verletzt. Er hält zwar zum einen die Kapazität des vorhandenen gemeindlichen Kanals für nicht ausreichend und fürchtet zum anderen eine mangelnde Versickerungsmöglichkeit des anfallenden Niederschlagswassers auf dem Baugrundstück aufgrund dessen Überbauung und der damit einhergehenden Grundstücksversiegelung. Das Erfordernis einer gesicherten Erschließung eines Bauvorhabens dient jedoch grundsätzlich nur öffentlichen Interessen; es hat keine nachbarschützende Funktion (allgemeine Meinung, so schon BayVGH, U. v. 17.11.1999 - 26 B 96.1268 -; B. v. 30.4.2007 -1 CS 06.3335 -; OVG NRW, U. v. 9.6.2011 - 7 A 1494.09 -; Strohäker in Simon/Busse, Kommentar zur BayBO, Art. 41, Rn. 3). Ein sich unmittelbar aus der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) ergebendes Abwehrrecht des Nachbarn ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (bezogen auf die straßenmäßige Erschließung) nur für den Fall anerkannt, dass „eine infolge Fehlens der Erschließung rechtswidrige Baugenehmigung für den Nachbarn eine unmittelbare Rechtsverschlechterung in Richtung auf die Duldung eines Notwegerechts, § 917 Abs. 1 BGB,“ bewirkt (BVerwG, B. v. 26.3.1976, BVerwGE 50, 282). Diese ausnahmsweise eröffnete Rechtsschutzmöglichkeit des Nachbarn gilt für den Fall eines „Notleitungsrechts“ entsprechend (BayVGH, B. v. 30.4.2007 - 1 CS 06.3335 -). Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller gezwungen sein könnte, ein derartiges Notleitungsrecht auf seinem jenseits der H. Straße liegenden Grundstück zu dulden, sind hier weder vorgetragen noch ersichtlich. Was im Übrigen die Frage einer ausreichenden Versickerungsmöglichkeit von Niederschlagswasser angeht, ist bereits nicht substantiiert dargelegt, inwieweit das Grundstück des Antragstellers durch eine eventuell mangelhafte Versickerung betroffen sein sollte: Der Hinweis, es drohten „ersichtlich und auf der Hand liegend“ Nachteile für das Grundstück des Antragstellers, legt angesichts des Umstands, dass das Grundstück des Antragstellers an das Baugrundstück nicht unmittelbar angrenzt, sondern durch die in westlicher Richtung abschüssig verlaufende H. Straße getrennt ist, eine derartige Betroffenheit gerade nicht dar. Ebenso wie das Verwaltungsgericht geht auch der erkennende Senat hier davon aus, dass deshalb nennenswerte Mengen eventuell nicht auf dem Baugrundstück versickernden Niederschlagwassers nicht auf das südlich gelegene Grundstück des Antragstellers gelangen können.

3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, § 154 Abs. 2 VwGO. Der Beigeladene hat im Beschwerdeverfahren einen Antrag gestellt und sich damit selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt (§ 154 Abs. 3 VwGO). Es entspricht deshalb der Billigkeit, dessen außergerichtliche Kosten ebenfalls dem Antragsteller aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertentscheidung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu tragen.

III.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines baurechtlichen Vorbescheids für die Umnutzung ehemaliger Forsthäuser zur allgemeinen Wohnnutzung.

1. Mit Kaufvertrag vom 13. März 2012 erwarb die Klägerin vom Freistaat Bayern das Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung R. Forst (Baugrundstück), das mit sechs in den Jahren 1957 bis 1961 errichteten Gebäuden, die zum ehemaligen Forsthof des Forstamts R. gehörten, bebaut ist.

Das Grundstück Fl.Nr. ... liegt außerhalb der geschlossenen Ortslage im Gemeindegebiet der Gemeinde W. (Beigeladene). Für das Baugrundstück besteht kein Bebauungsplan. Der Flächennutzungsplan der Beigeladenen stellt das Baugrundstück als „Grünfläche/Forstamt“ dar. Das Baugrundstück liegt an der Staatsstraße 2316 und in ca. 200 m Entfernung zur Bundesautobahn A3 und zur Autobahnraststätte S.-Süd.

Unter dem 9. Juli 2013 beantragte die Klägerin beim Landratsamt A. unter der Vorhabensbezeichnung „Umnutzung Forsthäuser zur allgemeinen Wohnnutzung“ die Erteilung eines baurechtlichen Vorbescheids für die Nutzungsänderung der auf dem Grundstück Fl.Nr. ... vorhandenen Gebäude zu Wohngebäuden.

2. Mit Bescheid vom 16. Juli 2014 entschied das Landratsamt A., dass für das Vorhaben der Klägerin eine Baugenehmigung nicht in Aussicht gestellt werde.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Das Baugrundstück liege im Außenbereich, die bauplanungsrechtliche Beurteilung richte sich daher nach § 35 BauGB. Die beabsichtigte bzw. bereits aufgenommene Wohnnutzung der zum ehemaligen Forsthof gehörenden Gebäude erfülle keinen Privilegierungstatbestand nach § 35 Abs. 1 BauGB und stelle daher ein sonstiges Vorhaben i. S. d. § 35 Abs. 2 BauGB dar. Das Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange, da es den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspreche (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) und die Verfestigung und Erweiterung einer Splittersiedlung begünstige (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB). Die Voraussetzungen für eine Teilprivilegierung des Vorhabens nach § 35 Abs. 4 BauGB lägen nicht vor. Im Übrigen sei die ausreichende Erschließung des Vorhabens im Hinblick auf die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung nicht dauerhaft gesichert. Schließlich habe auch die Beigeladene ihr gemeindliches Einvernehmen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise verweigert.

3. Mit Schriftsatz vom 13. August 2014, bei Gericht eingegangen am folgenden Tag, ließ die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 16. Juli 2014 erheben und (zuletzt) beantragen:

1. Der Vorbescheid des Landratsamts A. vom 16. Juli 2014 (91.3-6024-B 825/2013/0) wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Baugenehmigung in Aussicht zu stellen;

hilfsweise über den gestellten Antrag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Bei der Errichtung der früheren Forstgebäude seien diese als vollwertige Wohnhäuser mit den erforderlichen Leitungen für Wasser und Abwässer ausgeführt worden. Die Gebäude hätten dem Wohnen der Forstbediensteten und ihrer Familien gedient. Aktuell werde die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung durch den Anschluss an das Wasserleitungsnetz der nahe gelegenen Autobahnraststätte gewährleistet. Insoweit seien Wasserversorgung und Abwasserentsorgung durch unwiderrufliche Verträge mit dem Betreiber der Autobahnraststätte gesichert. Bei dem Planfeststellungsbeschluss über den Ausbau der nahe gelegenen Bundesautobahn A3 sei die Planfeststellungsbehörde davon ausgegangen, dass auf dem Baugrundstück Wohnnutzung stattfinde bzw. zulässig sei. Die Klägerin habe das Gelände des ehemaligen Forsthofs in dem Glauben darauf, dass dort Wohnnutzung zulässig sei, vom Freistaat Bayern erworben. Die Baugenehmigungsbehörde sei an die rechtliche Einschätzung der Planfeststellungsbehörde bzw. weiterer Beteiligter im Planfeststellungsverfahren, dass auf dem Baugrundstück Wohnnutzung zulässig sei, nach Treu und Glauben gebunden. Jedenfalls sei auf dem Baugrundstück Wohnnutzung unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes zulässig. Die Variationsbreite der bisherigen Nutzung der vorhandenen Gebäude werde durch die nunmehr von der Klägerin beabsichtigte Wohnnutzung nicht überschritten. Denn die auf dem Baugrundstück vorhandenen Gebäude seien auch vor Außerbetriebnahme des Forsthofs zum weit überwiegenden Teil als Wohnräume genutzt worden. Die von der Klägerin beabsichtigte Wohnnutzung unterscheide sich von der früheren Nutzung daher nur darin, dass weder die Klägerin noch ihre Angehörigen im Forstdienst stehen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die von der Klägerin beabsichtigte Nutzung die Frage der Genehmigungsfähigkeit neu aufwerfe, so genieße der vorhandene Gebäudebestand einschließlich der Art und Weise der Erschließung dennoch Bestandsschutz. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen einer Teilprivilegierung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB vor.

4. Das Landratsamt A. beantragte für den Beklagten,

die Klage abzuweisen.

Zwar sei davon auszugehen, dass die Forstgebäude als privilegierte Vorhaben rechtmäßig errichtet worden seien. Die Auflösung des Forstamts und der Wegzug der letzten Forstbediensteten im Jahre 1998 hätten jedoch zu einer Entprivilegierung geführt. Aus dem Planfeststellungsbeschluss über den Ausbau der Bundesautobahn A 3 könne die Zulässigkeit der Wohnnutzung nicht abgeleitet werden, da das Gelände des ehemaligen Forsthofs dort lediglich im Rahmen von Lärmschutzmaßnahmen behandelt worden sei. Dies könne eine baurechtliche Genehmigung keinesfalls ersetzen. Die Erschließung sei nicht gesichert; die privatrechtlichen Verträge der Klägerin mit dem Betreiber der nahe gelegenen Autobahnraststätte erfüllten nicht die Anforderungen an eine dauerhaft gesicherte Erschließung. Die Anwendung des § 35 Abs. 4 BauGB scheide aus, da es sich bei den ehemaligen Forstgebäuden, die in der Nachkriegszeit entstanden und nicht von historischer oder denkmalschutzwürdiger Relevanz seien, nicht um erhaltenswerte Bausubstanz handele.

5. Die Beigeladene beantragte ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

6. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts rechtmäßig und die Klägerin daher nicht in ihren Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheids noch auf erneute Verbescheidung ihrer Bauvoranfrage. Es kann dahinstehen, ob das Vorhaben der Klägerin unter einen Teilprivilegierungstatbestand gemäß § 35 Abs. 4 BauGB fällt (1.), weil jedenfalls die Erschließung i. S. d. § 35 Abs. 2 BauGB nicht gesichert ist (2.). Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf Bestands- bzw. Vertrauensschutz berufen (3.).

1. Es kann hier offen bleiben, ob das Landratsamt die Anwendung der Teilprivilegierungsregelung des § 35 Abs. 4 BauGB zu Recht abgelehnt hat. Zwar kommt die Anwendung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB vorliegend zumindest in Betracht. Denn die ehemaligen Forstgebäude dienten nach Auskunft des Bayer. Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht bloß der staatlichen Verwaltungstätigkeit, sondern waren offenbar auch in die Bewirtschaftung des Staatswaldes eingebunden (vgl. Bl. 97 der Behördenakte 825/13 V-II). Im Hinblick darauf spricht einiges dafür, dass die Forsthäuser vor Auflösung des Forstamts R. einem forstwirtschaftlichen Betrieb i. S. d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dienten. Auch die Bezugnahme auf eine „Hofstelle“ in § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e) BauGB spricht nicht zwingend gegen die Teilprivilegierung des Vorhabens der Klägerin, da mit dieser gesetzlichen Regelung nach Einschätzung der Kammer lediglich sichergestellt werden soll, dass ein räumlich-funktionaler Zusammenhang zwischen den einzelnen, dem forstwirtschaftlichen Betrieb dienenden Gebäuden besteht, was bei den räumlich eng beieinander liegenden und funktional eng verbundenen Forstgebäuden der Fall war. Ausreichend ist insoweit, dass die Hofstelle vor Aufgabe der privilegierten Nutzung bestanden hat; sie muss nicht zwingend noch aktuell vorhanden sein (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand November 2014, § 35 Rn. 144). Andererseits erscheint es nach dem Eindruck, den das Gericht durch Inaugenscheinnahme des Forsthofgeländes in einem anderen Verfahren (W 4 K 12.517) gewonnen hat, zumindest zweifelhaft, ob hinsichtlich aller auf dem Gelände vorhandenen Gebäude von einer „erhaltenswerten Bausubstanz“ i. S. d. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) gesprochen werden kann.

2. Diese Rechtsfragen bedürfen hier jedoch keiner abschließenden Klärung. Denn selbst wenn das Vorhaben nach den gesetzlichen Bestimmungen des § 35 Abs. 4 BauGB teilprivilegiert sein sollte, muss dennoch die Erschließung i. S. d. § 35 Abs. 2 BauGB gesichert sein. Durch eine Teilprivilegierung verliert ein Bauvorhaben nicht seine Eigenschaft als „sonstiges Vorhaben“ i. S. d. § 35 Abs. 2 BauGB (BayVGH, B.v. 16.9.2004 - 15 ZB 03.1475 - juris Rn. 3). Eine Teilprivilegierung nach § 35 Abs. 4 BauGB hat lediglich zur Folge, dass dem Vorhaben bestimmte öffentliche Belange nicht entgegengehalten werden können, führt jedoch nicht zu geringeren Anforderungen hinsichtlich des gesetzlichen Erfordernisses der gesicherten Erschließung (vgl. BVerwG, U.v. 31.10.1990 - 4 C 45/88 - juris Rn. 22; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielen-berg/Krautzberger, BauGB, § 35 Rn. 74). Daraus folgt auch, dass für das hier zu beurteilende Vorhaben die Erschließung in vollem Umfang gesichert sein muss und nicht - wie bei privilegierten Vorhaben i. S. d. § 35 Abs. 1 BauGB - eine „ausreichende“ Erschließung genügt (vgl. Söfker, a. a. O.).

Das gesetzliche Erfordernis der gesicherten Erschließung verlangt neben der Anbindung des Baugrundstücks an das öffentliche Wegenetz insbesondere auch, dass die Wasserversorgung sowie die Beseitigung der auf dem Grundstück anfallenden Abwässer gesichert sind. Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung müssen dabei nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich auf Dauer gesichert sein. Das ist regelmäßig der Fall, wenn das Baugrundstück an die Straße angrenzt, in der die Versorgungsleitung liegt, und die Versorgungsleitung zumindest bis auf Höhe der Grundstücksgrenze reicht (BayVGH, U.v. 3.12.2007 - 1 B 05.3080 - juris Rn. 48). Ist dies - wie hier - nicht der Fall, so kommt eine Herstellung der Erschließung über privatrechtliche Rechtsverhältnisse zwar in Betracht. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass schuldrechtliche Verträge allein keine rechtliche Sicherung der Erschließung begründen können; erforderlich ist vielmehr, dass die schuldrechtlichen Rechte in dinglicher Hinsicht gesichert sind (BVerwG, U.v. 3.5.1988 - 4 C 54/85 - juris Rn. 14; Wolf in Simon/Busse, BayBO, Stand Januar 2014, Art. 4 Rn. 244; Stüer, Hdb. des Bau- und Fachplanungsrechts, 4. Aufl. 2009, Teil C Rn. 2471). Diese vom BVerwG für die Frage der wegemäßigen Erschließung entwickelte Rechtsprechung ist nach Überzeugung der Kammer auch auf die hier in Streit stehende Erschließung hinsichtlich der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung anzuwenden. Es sind keinerlei Gründe ersichtlich, die dafür sprächen, insoweit geringere Anforderungen an die rechtliche Sicherung der Erschließung zu stellen.

Unter Berücksichtigung dessen genügt der zwischen der Klägerin und der Betreiberin der nahe gelegenen Autobahnraststätte bestehende schuldrechtliche Vertrag nicht, um die Erschließung hinsichtlich der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung dauerhaft zu sichern. Der Klägerbevollmächtigte kann insoweit auch nicht mit dem Vortrag durchdringen, es handele sich um einen „unwiderruflichen“ Vertrag. Abgesehen davon, dass auch ein „unwiderruflicher“ schuldrechtlicher Vertrag nicht von dem Erfordernis der dinglichen Sicherung entbindet, ist zu berücksichtigen, dass nach dem Vertragstext zwar das ordentliche Kündigungsrecht ausgeschlossen ist, jedoch das Recht zur außerordentlichen Kündigung besteht (Ziffer X des Vertrags, Bl. 18 der Behördenakte 825/13 V-II). Die Betreiberin der Autobahnraststätte hat im Übrigen darauf hingewiesen, dass die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung bezüglich des ehemaligen Forsthofgeländes nur so lange gewährleistet wird, wie die Betreiberin die Konzession für den Betrieb der Raststätte innehat (Bl. 160 der Behördenakte 9040/2012 S). Im Hinblick darauf sind Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung hier gerade nicht dauerhaft gesichert.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass das Landratsamt A. offenbar hinsichtlich des in der Nähe des ehemaligen Forsthofgeländes gelegenen Jagdschlosses von einer gesicherten Erschließung ausgegangen ist. Es erschließt sich dem Gericht zwar nicht ohne Weiteres, warum insoweit offenbar geringere Anforderungen an die Erschließung gestellt wurden, obwohl Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung auch dort lediglich durch schuldrechtliche Vereinbarungen geregelt sind. Auch die Anwendung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB hinsichtlich des Jagdschlosses mindert nach den obigen Ausführungen nicht die an die gesicherte Erschließung zu stellenden Anforderungen. Ungeachtet dessen ist Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren allein die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Wohnnutzung in den ehemaligen Forsthäusern. Die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 2 BauGB und insbesondere der rechtlichen Voraussetzungen der gesicherten Erschließung obliegt im gerichtlichen Verfahren allein dem Gericht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Frage der bauplanungsrechtlichen Zulassung eines Vorhabens nach § 35 Abs. 2 BauGB ungeachtet des Wortlauts („kann“) nach einhelliger Auffassung um eine gebundene Entscheidung handelt und der Baugenehmigungsbehörde insoweit durch das Gesetz kein Ermessen eingeräumt ist (vgl. Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 35 Rn. 66 m. w. N.). Dies zugrunde gelegt, ist die Kammer unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen zu der Überzeugung gelangt, dass die Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals „gesicherte Erschließung“ hier nicht gegeben sind. Unerheblich ist demgegenüber, ob das Landratsamt bei anderen Vorhaben in der Nähe des ehemaligen Forsthofs von einer gesicherten Erschließung ausgegangen ist. Insbesondere ist angesichts des fehlenden behördlichen Ermessens bei der Anwendung des § 35 Abs. 2 BauGB und der gerichtlichen Beurteilungskompetenz für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen kein Raum für den Einwand, das Landratsamt könne aus Gleichbehandlungsgründen die Frage der Erschließung bezüglich der ehemaligen Forsthäuser nicht anders beurteilen als bezüglich des nahe gelegenen Jagdschlosses.

3. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf Bestands- bzw. Vertrauensschutz berufen.

Hinsichtlich der Frage des Bestandsschutzes ist nach gefestigter Rechtsprechung zwischen dem sog. passiven und dem sog. aktiven Bestandsschutz zu unterscheiden. Passiver Bestandsschutz schützt allein den genehmigten bzw. nicht genehmigungsbedürftigen und materiell rechtmäßigen Bestand und beruht auf der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG (BVerfG, B.v. 15.12.1995 - 1 BvR 1713/92 - BayVBl. 1996, 240). Aktiver Bestandsschutz lässt demgegenüber gewisse Änderungen oder Erweiterungen des vorhandenen Bestands zu, besteht jedoch nur nach Maßgabe einfach-gesetzlicher Regelungen (grundlegend BVerwG, U.v. 12.3.1998 - 4 C 10/97 - NVwZ 1998, 842).

Zu den Regelungen des aktiven Bestandsschutzes zählt insbesondere der hier in Betracht zu ziehende § 35 Abs. 4 BauGB. Nach den obigen Ausführungen entbindet diese gesetzliche Regelung jedoch gerade nicht von dem Erfordernis der - hier nicht vorliegenden - gesicherten Erschließung.

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf passiven Bestandsschutz berufen. Bestandsschutz in diesem Sinne gewährleistet, dass sich die rechtmäßige Nutzung einer baulichen Anlage auch gegen neues entgegenstehendes Recht durchsetzt. Von ihm gedeckt ist aber nur die nach Art und Umfang unveränderte Nutzung. Wird ein Bauwerk, das bisher für einen nach § 35 Abs. 1 BauGB im Außenbereich privilegierten Zweck genutzt wurde, später für einen anderen Zweck genutzt, so ist hierin eine Nutzungs- und Funktionsänderung zu sehen, die zu einer Entprivilegierung führt. Damit erlischt der dem Gebäude zukommende Bestandsschutz. Eine Trennung von Nutzung und baulicher Substanz findet nicht statt (BVerwG, B.v. 9.9.2002 - 4 B 52/02 - juris Rn. 5). Ein solcher Fall liegt hier vor. Es ist zwar mit der insoweit übereinstimmenden Einschätzung der Beteiligten davon auszugehen, dass die zu dem ehemaligen Forsthof gehörenden Gebäude ursprünglich privilegiert i. S. d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 oder jedenfalls Nr. 4 BauGB genutzt wurden. Mit der Auflösung des Forstamts R. und dem Auszug der letzten Forstbediensteten Ende der 1990er Jahre wurde diese privilegierte Nutzung jedoch aufgegeben. Die Aufnahme der allgemeinen Wohnnutzung in den ehemaligen Forstgebäuden, die im Übrigen erst Jahre später stattfand, stellt eine Nutzungsänderung dar, die durch den zuvor für die privilegierte Nutzung bestehenden Bestandsschutz nicht gedeckt ist. Aufgrund der Entprivilegierung ist der Bestandsschutz erloschen. Durch die Nutzungsänderung aufgrund der allgemeinen Wohnnutzung wird die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit hinsichtlich der hier in Streit stehenden gesicherten Erschließung neu aufgeworfen und bedarf einer neuen rechtlichen Beurteilung.

Die Klägerin kann sich schließlich nicht darauf berufen, dass sie bei Erwerb des ehemaligen Forsthofs in rechtlich beachtlicher Weise auf die Zulässigkeit der allgemeinen Wohnnutzung auf dem erworbenen Anwesen vertraut habe. Eine rechtlich verbindliche Aussage über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit konnte nur das Landratsamt A. als zuständige Baugenehmigungsbehörde treffen. Eine solche Entscheidung des Landratsamts hat die Klägerin vor Erwerb des ehemaligen Forsthofs nicht herbeigeführt bzw. abgewartet. Vielmehr hat sie nach dem Vortrag ihres Bevollmächtigten zwar beim Landratsamt wegen der Zulässigkeit der allgemeinen Wohnnutzung angefragt, das Anwesen jedoch vor Erhalt einer Stellungnahme seitens des Landratsamts erworben (vgl. Bl. 36 und 57 der Behördenakte 825/2013 V-II). Von der Möglichkeit, bereits vor Erwerb des ehemaligen Forsthofs die bauplanungsrechtliche Rechtslage in einem Vorbescheids- oder Baugenehmigungsverfahren klären zu lassen, hat die Klägerin hingegen keinen Gebrauch gemacht. Auch für eine Zusicherung i. S. d. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG hinsichtlich der Zulassung der allgemeinen Wohnnutzung durch die Baugenehmigungsbehörde bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Schließlich kann die Klägerin auch nicht mit der Argumentation durchdringen, die Planfeststellungsbehörde sei im Planfeststellungsbeschluss über den Ausbau der nahe gelegenen Bundesautobahn A 3 von der Zulässigkeit der Wohnnutzung auf dem Gelände des ehemaligen Forsthofs ausgegangen. Die Planfeststellungsbehörde mag insoweit eine dort stattfindende Wohnnutzung in tatsächlicher Hinsicht berücksichtigt haben. Ein Eingriff in die Beurteilungskompetenz der für die Entscheidung über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Wohnnutzung allein zuständigen Baugenehmigungsbehörde war damit aber offensichtlich nicht verbunden. In keinem Fall können die Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss die gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO erforderliche Baugenehmigung ersetzen.

4. Nach alldem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Dabei entsprach es der Billigkeit, dass die Klägerin auch die außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu tragen hat, weil sich diese durch Antragstellung am Kostenrisiko beteiligt hat (§ 162 Abs. 3 i. V. m. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.

(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. März 2012 - 2 K 1538/10 - geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Landratsamts Esslingen vom 3. Dezember 2008 und des Widerspruchsbescheides Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25. März 2010 verpflichtet, gegenüber den Beigeladenen den Abbruch der Garage auf dem Grundstück Flst. Nr. 2775/33 der Gemarkung ... anzuordnen.

Die Beigeladenen als Gesamtschuldner und der Beklagte tragen jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Flst.Nr. 2775/10 der Gemarkung ... Das südöstlich abfallende Grundstück ist im unteren Teil mit einem 1994 errichteten Einfamilienhaus bebaut. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass dieses mit einer ca. 1 m tieferen Erdgeschoss-Fußbodenhöhe als genehmigt errichtet worden war, erteilte das Landratsamt Esslingen dem Kläger am 01.02.1995 für diese und andere Abweichungen eine weitere Baugenehmigung; beteiligte Eigentümer angrenzender Grundstücke hatten dagegen nichts eingewandt. Die Beigeladenen sind Eigentümer des etwas höher gelegenen Nachbargrundstücks Flst. Nr. 2775/33 (Baugrundstück). Dieses grenzt an den unteren Teil des Grundstücks des Klägers nordöstlich an und ist mit einem im Jahr 2005 errichten Wohnhaus bebaut.
Die Beigeladenen beantragten im November 2005 die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer Grenzgarage mit Walmdach und 50,9 m3 Bruttorauminhalt als Anbau an ihr Wohnhaus. Nach dem vom Vermessungstechniker F. gefertigten Lageplan sowie einer den Bauvorlagen beigefügten Ansicht “Süd West“ sollte die Garage 1,88 m von der Rückseite des Wohnhauses vorversetzt auf einer Sockelwand an der Grenze zum Grundstück des Klägers errichtet werden, und zwar mit 2,9 m Gesamthöhe von Garagen- und Sockelwand am höchsten Punkt der Geländeoberfläche. Der Kläger erhob keine Einwendungen. Das Landratsamt Esslingen erteilte die Baugenehmigung am 03.07.2006. Die Beigeladenen hatten tatsächlich schon zuvor an der Grundstücksgrenze eine Garage errichtet, jedoch weiter hangabwärts bündig zur Rückfront ihres Wohnhauses und mit Zeltdach. Die Gemeinde ... ... hatte dem Landratsamt im Zuge der Bauüberwachung für das Wohnhaus der Beigeladenen Ende Mai 2006 mitgeteilt, die Garage stehe schon.
Mit Schreiben vom 16.04.2007 bat der Kläger das Landratsamt um Überprüfung der Garage. Ihre Wand sei, gemessen vom natürlichen Gelände, über 4 m hoch. Er gehe davon aus, dass abweichend von der Baugenehmigung gebaut worden sei. Der Kreisbaumeister nahm am 23.05.2007 einen Augenschein ein und fertigte Lichtbilder, darunter dieses:
Am folgenden Tag vermerkte er u.a.: "Die Garage wurde bis zur Süd-Ost Seite zum Hausgrund gerichtet. L= 6,00 Höhe ab Gelände bis OK Traufe = vorne 4,10 hinten 3,90 Wandfläche = 24 m2. Das Gelände war schon so. Im Plan falsch dargestellt. ...". Das Landratsamt gab den Beigeladenen Gelegenheit, sich zu einem Rückbau der Garage auf 3 m Wandhöhe, gemessen vom höchsten Punkt der Geländeoberfläche an der Grenze, zu äußern. Ihr Architekt teilte mit, er habe die Pläne nach einer Geländeaufnahme vom September 2005 gefertigt; Abweichungen könnten nur durch eine nachträgliche Veränderung des Geländes auf dem Grundstück des Klägers aufgetreten sein.
Der Kläger bestritt solche Veränderungen und beantragte die Anordnung eines Rückbaus der Garage. Er habe auf seinem Grundstück zwar eine Terrassenplatte ersetzt, dabei das Höhenniveau aber nicht verändert. Zum Nachweis des Geländezustands vor und nach Errichtung der Garage legte er Lichtbilder vor. Die Beigeladenen legten dar, das Gelände auf dem Grundstück des Klägers sei bei den Bauarbeiten deutlich höher gewesen. Sie regten an, Vermessungstechniker F. dazu anzuhören.
Das Landratsamt lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 03.12.2008 ab. Zwar sei die Garage wegen ihres von der Baugenehmigung abweichenden Standortes und einer mehr als 3 m hohen Wand im Widerspruch zu § 6 Abs. 1 LBO errichtet worden. Auch lägen keine Gründe für eine Abweichung, Ausnahme oder Befreiung vor. Gleichwohl werde von einer nach § 64 Satz 1 LBO möglichen Abbruchanordnung aus besonderen Gründen abgesehen. Ein solcher Grund sei, dass der Geländeverlauf an der Grenze bei Errichtung der Garage wegen möglicher Veränderungen auf beiden Grundstücken nicht mehr zweifelsfrei zu ermitteln sei. Auf dem Grundstück des Klägers habe es solche Veränderungen im Zuge der Absenkung seines Einfamilienhauses im Jahr 1995 gegeben. Indiz dafür seien eine ca. 0,8 m hohe Stützmauer beim Kellerabgang und übereinander geschichtete Natursteine beim Hauszugang. Der Umfang dieser Geländeveränderung sei anhand der Bauakten nicht nachzuvollziehen. Aber auch auf dem Baugrundstück sei beim Bau der Sockelwand für die Garage möglicherweise bis auf das Niveau des Hauszugangs auf dem Grundstück des Klägers abgegraben worden. Allerdings müsse das Gelände wegen der 0,8 m hohen Stützmauer auf dem Grundstück des Klägers mindestens so hoch gewesen sein. Ausgehend davon wären Garagen- und Sockelwand um 0,3 m zu hoch. Es sei aber auch nicht auszuschließen, dass das Gelände zwischen Stützmauer und Grenze noch bis auf 1,2 m angestiegen sei. Dann wäre die Garage rechtmäßig errichtet. Ein weiterer besonderer Grund sei, dass Belichtung und Belüftung der Räume an der Nordostseite des Wohnhauses des Klägers nicht erheblich eingeschränkt seien. Ferner wäre ein Rückbau wegen enormer Kosten unverhältnismäßig. Schließlich sei ein Anspruch auf Einschreiten verwirkt. Der Kläger sei zum Bauantrag gehört worden und habe nichts eingewendet. Die Garage sei bereits im April 2006 errichtet gewesen. Der Kläger habe das Landratsamt aber erst ein Jahr später auf ihre über 4 m hohe Wand hingewiesen. Damals sei die Garage bis auf Verputz-Arbeiten fertiggestellt gewesen. Abweichungen von Baugenehmigungen oder eine illegale Bautätigkeit müssten in angemessener Frist von im Regelfall etwa einem Monat nach Kenntnisnahme angezeigt werden, um ein Recht auf Einschreiten nicht zu verwirken. Der Kläger habe jedoch zwölf Monate gewartet. Unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte überwiege das Interesse der Beigeladenen, die Garage unverändert zu belassen, das Interesse des Klägers am Rückbau.
Mit seinem Widerspruch brachte der Kläger vor, der frühere Geländeverlauf sei anhand seiner Lichtbilder und durch einen Sachverständigen feststellbar. Er habe erst nach Vollendung des Rohbaus der Garage mit eigener Recherche unter Zuhilfenahme sachkundiger Personen erkennen können, dass die Garage abweichend von der Baugenehmigung errichtet worden sei. Das Regierungspräsidium Stuttgart wies den Widerspruch mit Bescheid vom 25.03.2010, zugestellt am 29.03.2010, zurück.
Am 29.04.2010 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben, sein Vorbringen wiederholt und vertieft, Zeugen benannt sowie weitere Lichtbilder vorgelegt. Er hat beantragt, den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide zu verpflichten, gegenüber den Beigeladenen den Abbruch der Garage anzuordnen. Der Beklagte und die Beigeladenen haben Klageabweisung beantragt. Die Beigeladenen haben angeregt, Vermessungstechniker F. als Zeugen zu hören, und bestritten, die Garage als Schlachtraum zu nutzen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach Einnahme eines Augenscheins mit Urteil vom 12.03.2012 abgewiesen. Der Kläger könne weder den Erlass einer Abbruchanordnung noch eine erneute Bescheidung beanspruchen. Das Gericht folge den Begründungen der Bescheide und weise auf Folgendes hin: Die Garage sei wegen ihres anderen Standortes zwar nicht durch die Baugenehmigung vom 03.07.2006 gedeckt, jedoch nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 LBO ohne Abstandsfläche zulässig. Ihre Wand sei nicht mehr als 3 m hoch. Unterer Bezugspunkt dafür sei nach § 5 Abs. 4 Satz 2 LBO ihr Schnittpunkt mit der Geländeoberfläche. Sei die Garage - wie hier - auf eine Stützmauer aufgesetzt, sei die Unterkante des Garagenfundaments der untere Bezugspunkt. Die Stützmauer sei nicht anzurechnen, weil sie eine selbstständige bauliche Anlage sei und weil andernfalls Garagen, die für alle Autotypen tauglich seien, in erheblicher Zahl nicht errichtet werden könnten. Dass die Stützmauer öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspreche, sei nicht ersichtlich. Auch für eine missbräuchliche Gestaltung der Geländeoberfläche spreche nichts. Unabhängig davon läge wegen nicht mehr sicher feststellbarer Abgrabungen auf dem Grundstück des Klägers kein Verstoß gegen § 6 Abs. 1 LBO vor. Selbst bei einem solchen Verstoß sei das Ermessen der Behörde nicht zu einer Pflicht zum Einschreiten verdichtet. Der Kläger habe den im Genehmigungsverfahren beantragten Standort der Garage gekannt und bei Baubeginn oder spätestens Fertigstellung der Garage erkennen müssen, dass sie abweichend davon errichtet worden sei. Dass er dies fast ein Jahr nicht gerügt habe, bleibe unverständlich. Dies sei ungeachtet dessen, ob Verwirkung vorliege oder nicht, ein sachlicher Gesichtspunkt für die Ablehnung seines Antrags. Schließlich bewirke die Überschreitung der zulässigen Wandhöhe keine intensive Störung und gefährde keine wesentlichen Rechtsgüter.
Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung legt der Kläger dar: Das Verwaltungsgericht habe den Geländeverlauf nicht selbst ermittelt, sondern ungeprüft Angaben des Beklagten übernommen, die den vorgelegten Lichtbildern und weiteren Unterlagen widersprächen. Die Sockelwand unter der Garage sei anzurechnen, da sie mit der Garage eine bauliche Einheit bilde. Das Verwaltungsgericht habe auch nicht überprüft, ob die Wandfläche der Garage 25 m² überschreite. Auch die maximale Grenzbebauung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO sei nicht eingehalten. Außer der Garage befinde sich an der Grenze noch ein 3 m langer und 2,10 m hoher Hundezwinger und dazwischen stehe noch eine 1,8 m hohe und 6,25 m lange Palisadenwand, die zwar ca. 0,6 m von der Grenze zurückgesetzt sei, aber den Mindestabstand nicht einhalte und daher wie eine Grenzbebauung zu bewerten sei. Gleiches gelte für eine 5,1 m lange und 2,3 m hohe Palisadenwand hinter dem Hundezwinger. Ein Verstoß gegen Abstandsflächenvorschriften sei stets eine erhebliche und vom Nachbarn nicht hinzunehmende Beeinträchtigung. Raum für Ermessen bestehe insoweit nicht. Sein Anspruch sei nicht verwirkt, da er sofort nach Beginn der Baumaßnahmen bei der Gemeinde vorstellig geworden sei.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.03.2012 - 2 K 1538/10 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landratsamts Esslingen vom 03.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.03.2010 zu verpflichten, gegenüber den Beigeladenen den Abbruch der Garage auf dem Baugrundstück anzuordnen.
12 
Der Beklagte und die Beigeladenen verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen jeweils,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Das ursprüngliche Geländeniveau sei nicht mehr sicher feststellbar. Der Kläger müsse sich den in den Bauanträgen für sein Einfamilienhaus dargestellten Geländeverlauf zurechnen lassen. Palisadenwände seien auf die zulässige Länge der Grenzbebauung nicht anzurechnen. Die Beigeladenen legen ferner dar, Vermessungstechniker F. habe das Geländeniveau auf dem Baugrundstück im September 2005 ermittelt. Er könne bestätigen, dass das Geländeniveau auf dem Grundstück des Klägers damals zwei bis drei Steinreihen höher als heute gewesen sei. Die Bauzeichnungen für die Garage seien auf der Grundlage seiner Feststellungen gefertigt worden.
15 
Der Senat hat in einer Berufungsverhandlung am 10.07.2013 das Grundstück des Klägers und dessen nähere Umgebung in Augenschein genommen sowie Vermessungstechniker F. und eine Tochter des Klägers als Zeugen vernommen. Der Kläger und die Beigeladenen haben hilfsweise die Vernehmung weiterer Zeugen beantragt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.07.2013 verwiesen.
16 
Der Senat hat anschließend die mündliche Verhandlung wiedereröffnet und ein Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für vermessungstechnische Ingenieurarbeiten P. eingeholt. Der Sachverständige hat die Garage und den topographischen Bestand vermessen und dokumentiert, Informationen über das frühere Gelände aus Baugesuchen, Lichtbildern und Daten einer landesweiten Laserscan-Befliegung des Landesamtes für Geoinformation und Landentwicklung eingeholt und bewertet und anhand dieser Informationen den Geländeverlauf an der Grundstücksgrenze vor Errichtung von Wohnhaus und Garage auf dem Baugrundstück rekonstruiert. Er stellt zusammenfassend u.a. fest: Die Garage habe ca. 56,3 m3 Bruttorauminhalt; ihre Wand sei an der Grundstücksgrenze 5,98 m lang und 2,97 m hoch; die Sockelwand darunter sei bis zum Schnittpunkt mit der heutigen Geländeoberfläche zwischen 1,14 m und 1,30 m hoch; der kürzeste Abstand von ihrem Schnittpunkt mit der heutigen Geländeoberfläche bis zur Dachhaut der Garage betrage derzeit 3,85 m und betrüge unter Berücksichtigung des rekonstruierten Geländeverlaufs vor Errichtung der Garage 3,70 m. Bei Höhenangaben zwischen festen Bauteilen und Gelände sei allerdings mit Abweichungen ± 0,05 m zu rechnen; wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 04.12.2013 mit Ergänzung vom 13.01.2014 verwiesen.
17 
Die Beteiligten haben sich zum Gutachten geäußert. Der Beklagte rügt unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Amtes für Geoinformation und Vermessung beim Landratsamt Esslingen vom 12.03.2014, der frühere Geländeverlauf könne aus Daten der landesweiten Laserscan-Befliegung nicht oder allenfalls mit einer Genauigkeit von ± 0,50 m abgeleitet werden.
18 
In der erneuten Berufungsverhandlung am 24.03.2014 hat der Senat nochmals den Zeugen F. vernommen und der Sachverständige P. hat sein Gutachten unter Berücksichtigung der Einwände des Beklagten erläutert; wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Dazu befragt, ob es bautechnisch möglich wäre, die Gesamthöhe von Garagen- und Sockelwand ohne vollständigen Abriss der Garage zu reduzieren, haben die Beigeladenen angegeben, dies wäre durch Wegnahme von allenfalls bis zu zwei Steinreihen der Garagenwand denkbar. Eine Verminderung der Gesamthöhe um mindestens 0,7 m erforderte die Wegnahme von noch mehr Steinreihen und ließe eine sinnvolle Nutzung des verbleibenden Garagenraumes nicht mehr zu.
19 
Dem Senat liegen mehrere Bände Bauakten des Landratsamts, die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart und die Gerichtsakten vor. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt dieser Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
A.
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Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Verpflichtungsklage zu Unrecht abgewiesen. Die Ablehnung des Beklagten, gegenüber den Beigeladenen den Abbruch der Garage anzuordnen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinem auf Erlass einer solchen Anordnung gerichteten Rechtsanspruch nach § 65 Satz 1 LBO.
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Nach § 65 Satz 1 LBO kann der teilweise oder vollständige Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Bei der Auslegung und Anwendung dieser Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums sind Bedeutung und Tragweite des Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG einschließlich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. BVerfG, 1. Kammer des 1. Senats, Beschluss vom 02.09.2004 - 1 BvR 1860/02 - NVwZ 2005, 203, juris Rn. 11). Demzufolge beantwortet sich die Frage, ob eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, nach dem Zeitpunkt ihrer - wesentlichen - Fertigstellung (vgl. BVerwG, Urteile vom 28.06.1956 - I C 93.54 - BVerwGE 3, 351 <353 f.> und vom 22.01.1971 - IV C 62.66 - NJW 1971, 1624, juris Rn. 23 m.w.N; Schlotterbeck in Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 6. Auflage, § 65 Rn. 6), wie auch der Wortlaut der Norm ("wurde") verdeutlicht. Für die Beurteilung, ob auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können, kommt es demgegenüber auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung oder - im Falle der behördlichen Ablehnung eines Einschreitens - der gerichtlichen Entscheidung an. Ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften i. S. des § 65 Satz 1 LBO kann durch die Erteilung einer Baugenehmigung allerdings - rückwirkend - unerheblich werden, wenn und solange die Baugenehmigung infolge ihrer Legalisierungswirkung die errichtete Anlage deckt (vgl. Schlotterbeck, a.a.O. § 65 Rn. 7 und § 47 Rn. 30 f.; Sauter, LBO, 3. Auflage, 31. Lfg. § 65 Rn. 25 ff. jeweils m.w.N., st. Rspr.).
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Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat die zuständige Baurechtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 40 LVwVfG) unter Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange zu entscheiden (Senatsurteil vom 09.11.1990 - 8 S 1013/90 - BauR 1991, 185 m.w.N.). Zweck dieser Ermächtigung sind Bewahrung und Wiederherstellung der baurechtlichen Ordnung im öffentlichen Interesse. Drittschutz vermittelt sie insoweit nur ausnahmsweise, wenn und soweit eine vom Anwendungsbereich der Landesbauordnung erfasste Anlage gegen eine auch dem Schutz eines Dritten (Nachbarn) dienende öffentlich-rechtliche Vorschrift verstößt. In diesem Fall begründet § 65 Satz 1 LBO einen subjektiven öffentlich-rechtlichen Anspruch des Dritten, dass die Behörde über seinen Antrag, den teilweisen oder vollständigen Abbruch der Anlage anzuordnen, nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, das unter besonderen Voraussetzungen aber auch auf eine Pflicht zum Einschreiten i. S. eines Rechtsanspruchs des Dritten ("auf Null") reduziert sein kann (st. Rspr., vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 19.07.2007 - 3 S 1654/06 - VBlBW 2008, 184 und vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 - VBlBW 2003, 470; Senatsbeschluss vom 26.10.1994 - 8 S 2763/94 - ESVGH 45, 105; Sauter, a.a.O. § 65 Rn. 77; Schlotterbeck, a.a.O. § 65 Rn. 29 i.V.m. § 47 Rn. 109 ff. m.w.N.).
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Hiernach ist der Beklagte gegenüber dem Kläger verpflichtet, den vollständigen Abbruch der an der Grenze zum Grundstück des Klägers stehenden Garage anzuordnen. Denn diese Anlage wurde im Widerspruch zur Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO errichtet, die auch den Kläger als Eigentümer des angrenzenden Nachbargrundstücks schützt (I.), rechtmäßige Zustände können nicht auf andere Weise hergestellt werden (II.) und bei dieser Sachlage ist das Ermessen des Beklagten auf die Pflicht reduziert, zur Beseitigung der Nachbarrechtsverletzung des Klägers gegenüber den Beigeladenen den vollständigen Abbruch der Garage anzuordnen (III.). Ob die Errichtung der Garage weiteren drittschützenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften widersprach, ist danach nicht zu entscheiden.
I.
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Die Garage wurde, wie sich aus glaubhaften und auch von anderen Beteiligten nicht bestrittenen Angaben des Klägers, einzelnen Lichtbildern sowie der Mitteilung der Gemeinde ... an das Landratsamt vom 25.04.2006 (Blatt 70 der das Wohnhaus der Beigeladenen betreffenden Bauakten) ergibt, irgendwann zwischen Ende September 2005 und April 2006 im Wesentlichen fertiggestellt und damit i. S. des § 65 Satz 1 LBO errichtet. Dies widersprach § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO und damit zugleich dem Recht des Klägers auf Beachtung dieser auch sein Nachbargrundstück schützenden Vorschrift (1.). Diese Rechtsverletzung ist durch die Baugenehmigung vom 03.07.2006 nicht unerheblich geworden (2.).
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1. a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 LBO müssen vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen auf dem Baugrundstück liegen, die von oberirdischen baulichen Anlagen freizuhalten sind. Ihre Tiefe bemisst sich nach der Wandhöhe (§ 5 Abs. 4 Satz 1 LBO) und gegebenenfalls der Gebietsart (§ 5 Abs. 7 Satz 1 LBO). Sie darf jedoch bei Wänden über 5 m Breite 2,5 m nicht unterschreiten (vgl. § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO), was nach der bei Errichtung der Garage noch geltenden alten Fassung (a.F.) der Landesbauordnung vom 08.08.1995 (GBl. S. 617) vor Inkrafttreten des - insbesondere das Abstandsflächenrecht betreffenden - Änderungsgesetzes vom 17.11.2009 (GBl. S. 615) gemäß § 5 Abs. 7 Satz 3 Halbsatz 2 LBO a.F. zugleich das Minimum des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe markierte. Diese Anforderungen wurden bei Errichtung der Garage nicht beachtet. Denn die Garage wurde ohne die hiernach gebotene Abstandsfläche von mindestens 2,5 m Tiefe unmittelbar an der Grenze zum Nachbargrundstück des Klägers errichtet, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist.
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b) Entgegen der Auffassung des Beklagten und des Verwaltungsgerichts waren die Voraussetzungen für einen Sonderfall nach § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO a.F., bei dem eine Abstandsfläche nicht erforderlich war, nicht erfüllt.
27 
Nach dieser Vorschrift waren Abstandsflächen nicht erforderlich vor Außenwänden von Gebäuden oder Gebäudeteilen, die nur Garagen oder Nebenräume enthalten, der örtlichen Versorgung dienen oder sich auf öffentlichen Verkehrsflächen befinden, soweit die Wandhöhe nicht mehr als 3 m beträgt (Nr. 1) und die Wandfläche nicht größer als 25 m² ist (Nr. 2); die Grenzbebauung entlang den einzelnen Nachbargrenzen durfte 9 m und insgesamt 15 m nicht überschreiten (§ 6 Abs. 1 Satz 4 LBO a.F.). Hier fehlte es bereits an der Erfüllung der Voraussetzung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO a.F.. Denn die Wandhöhe der Garage (aa)) betrug bei ihrer Fertigstellung deutlich mehr als 3 m (bb)). Ob - wie der Kläger meint - auch weitere Voraussetzungen für einen Sonderfall nach § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO a.F. nicht erfüllt waren, bedarf folglich keiner Entscheidung.
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aa) Für die Berechnung der Wandhöhe i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO a.F. (jetzt § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO) gelten grundsätzlich die allgemeinen Regelungen (§ 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 sowie Abs. 5 LBO; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.07.2000 - 5 S 2324/99 - NVwZ-RR 2001, 501). Danach wird senkrecht zur Wand gemessen vom Schnittpunkt der Wand mit der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand, wobei die Höhe von Dächern und Giebelflächen gegebenenfalls (§ 5 Abs. 5 LBO) auf die Wandhöhe angerechnet wird. Bei einer unterschiedlichen Höhenlage der Geländeoberfläche wird jedoch abweichend von den allgemeinen Regelungen nicht auf die im Mittel gemessene Wandhöhe, sondern auf die Wandhöhe am höchsten Punkt der Geländeoberfläche abgestellt (§ 6 Abs. 1 Satz 3 LBO a.F.; jetzt § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO). Liegen auch Bau- und Nachbargrundstück unterschiedlich hoch, kommt es insoweit regelmäßig nur auf die Geländeoberfläche auf dem Baugrundstück an (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.10.1995 - 3 S 2418/95 - VBlBW 1996, 145; Busch in Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, a. a. O. § 6 Rn. 23 unter Bezugnahme auf VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.04.1992 - 3 S 2431/91 -). Veränderungen des Geländes im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben sind abstandsflächenrechtlich nur beachtlich, wenn es für sie einen rechtfertigenden Grund gibt; fehlt es daran, ist die Geländeveränderung unbeachtlich (st. Rspr., vgl. Senatsbeschlüsse vom 20.02.2004 - 8 S 336/04 - VBlBW 2004, 267 und vom 05.05.1998 - 8 S 864/98 - BRS Bd. 60 Nr. 108 m.w.N.; ebenso VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 07.02.2006 - 3 S 60/06 - VBlBW 2006, 240 und vom 29.11.2010 - 3 S 1019/09 - NVwZ-RR 2011, 272).
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Eine als Fundament einer Grenzgarage dienende grenzständige Sockelwand ist, soweit sie über der natürlichen Geländeoberfläche liegt, auf die Wandhöhe der Garage anzurechnen. Denn die Geländeoberfläche i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 3 LBO a.F. (jetzt § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO) ist in seinem solchen Fall nicht - wie das Verwaltungsgericht und ihm folgend wohl auch der Beklagte in seiner Berufungserwiderung meinen - die Oberkante einer solchen Sockelwand. Der Begriff "Geländeoberfläche" ist in der Landesbauordnung zwar nicht allgemein definiert. Jedoch verbietet schon der allgemeine Sprachgebrauch, ihn mit einer - künstlichen - "Sockelwand“ gleichzusetzen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 20.02.2004 - 8 S 336/04 - VBlBW 2004, 267). Der Einwand des Verwaltungsgerichts, die Höhe der Sockelwand sei deshalb nicht anzurechnen, weil die Sockelwand bei einer Terrassierung des Geländes als eigenständige Stützmauer verfahrensfrei an der Grenze errichtet werden könne und es keinen Unterschied mache, ob eine solche Anlage vor oder zusammen mit einer Grenzgarage errichtet werde, überzeugt nicht. Diese Überlegung verkennt, dass eine solche Stützmauer an der Grenze dann, wenn sie durch eine bauliche Änderung die Funktion als Fundament (Sockelwand) einer darauf gesetzten Garage übernähme, ihre bauliche Selbständigkeit aufgäbe. Denn als Fundament der Garage würde sie ein unselbständiger Bauteil derselben und bildete mit ihr eine bauliche Einheit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.04.1992 - 3 S 2431/91 - juris Rn. 25). Für die Anrechnung des über dem natürlichen Gelände liegenden Teils der Sockelwand sprechen nicht zuletzt Sinn und Zweck der Vorschriften über Abstandsflächen, Beeinträchtigungen der Belichtung, Belüftung und Besonnung eines Nachbargrundstücks durch grenznahe oder grenzständige bauliche Anlagen zu begrenzen. Dem Nachbarn soll eine auf seinem Grundstück über der Geländeoberfläche in Erscheinung tretende Wand von höchstens 3 m zugemutet werden. Höhere Wände und die damit einhergehende stärkere Verschattung und "Einmauerung" seines Grundstücks muss er im Regelfall nicht hinnehmen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.04.1992, a.a.O. zur Wandfläche von maximal 25 m2). Der über dem natürlichen - abfallenden - Gelände liegende Teil einer als Fundament einer Grenzgarage dienenden Sockelwand kann bei der Ermittlung der Wandhöhe demzufolge ebenso wenig als Geländeoberfläche angesehen werden wie eine einseitig angeschüttete Zufahrtsrampe (vgl. Sauter, a.a.O, § 6 Rn. 23a und Abb. 5). Die Sockelwand ist vielmehr als Teil der Garage anzusehen und daher auf deren Wandhöhe anzurechnen. Aus dem vom Beklagten zitierten Senatsbeschluss vom 27.09.1999 - 8 S 2049/99 - folgt nichts Anderes. Zwar hat der Senat darin zur Berechnung der Wandhöhe auf den Garagenboden abgestellt. Wie sich aus dem Kontext der Gründe dieses Beschlusses ergibt, beruhte dies jedoch darauf, dass das Höhenniveau des Garagenbodens demjenigen der natürlichen Geländeoberfläche entsprach.
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bb) Gemessen daran betrug die Wandhöhe bei Fertigstellung der Garage, gemessen vom höchsten Schnittpunkt ihrer als Fundament anzurechnenden (s.o.) Sockelwand mit der Geländeoberfläche (§ 6 Abs. 1 Satz 2 LBO a.F.) bis zur Dachhaut der Garage (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 2 LBO a.F.), mindestens 3,7 m ± 0,05 m, weil das Höhenniveau der Geländeoberfläche dort damals nahezu dem heutigen Höhenniveau des Geländes auf dem Grundstück des Klägers unmittelbar an der Grenze zum Baugrundstück entsprach. Davon ist der Senat aufgrund einiger Lichtbilder des Klägers, des Aktenvermerks des Kreisbaumeisters vom 24.07.2007 und des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen P. überzeugt; eine weitergehende Erforschung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht geboten.
31 
(1) Bereits einige der vom Kläger vorgelegten Lichtbilder über den Zustand des Geländes auf beiden Grundstücken nach dem Bau des Wohnhauses auf dem Grundstück des Klägers sowie unmittelbar vor und nach dem Bau von Wohnhaus und Garage der Beigeladenen belegen, dass der Geländeverlauf auf dem Baugrundstück an der Grenze zum Grundstück des Klägers vor dem Bau der Garage in etwa dem Höhenniveau des Geländes auf dem Grundstück des Klägers entsprach, wie es der Kreisbaumeister am 23.05.2007 festgestellt sowie bildlich (s.o.) dokumentiert und wie es auch der Senat beim Augenschein unverändert festgestellt hat. Das gilt zum einen für die Bilder "B5" vom 24.07.2005 und "B9" vom 26.08.2005 in der mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 06.08.2010 (S. 49 - 59 der VG-Akte) übersandten Lichtbilddokumentation. Denn auf diesen Lichtbildern ist das Gelände in der näheren Umgebung des späteren Standortes der streitigen Garage vor und während der Errichtung des Wohnhauses der Beigeladenen gut zu erkennen. Zum anderen gilt dies für mehrere Bilder in den mit Schriftsatz vom 18.07.2011 (S. 139 - 153 der VG-Akte) übermittelten Lichtbildanlagen, und zwar die ersten zwei Bilder der "Lichtbildanlage Nr. 10" aus dem Jahr 1994 und vom 04.07.2007, auf denen vom jeweils selben Standort am Eingang des Wohnhauses des Klägers mit Blick auf das Baugrundstück ein nahezu identisches Höhenniveau des Geländes an der Grenze auszumachen ist, sowie die Bilder in den "Lichtbildanlagen Nr. 11 und 12", auf denen das streitige Gelände in den Jahren 1994, 1999 und im Juli 2005 gut zu erkennen ist. Schon beim Vergleich dieser Aufnahmen mit dem heutigen Geländezustand erscheinen die Behauptungen der Beigeladenen, das Gelände auf dem Grundstück sei bei den Bauarbeiten deutlich höher gewesen und nach dem Bau der Garage verändert worden, nicht richtig. Dafür spricht auch die Feststellung des orts- und fachkundigen (vgl. § 46 Abs. 4 LBO) Kreisbaumeisters in seinem Aktenvermerk vom 24.07.2007: "Das Gelände war schon so." Dieser Aussage widerspricht allerdings die Darstellung des Geländeverlaufs in der von den Beigeladenen im vorangegangenen Baugenehmigungsverfahren für eine Garage vorgelegten Bauzeichnung "Ansicht Südwest" vom 05.10.2005. Denn darin ist der Verlauf des Geländes an der Grenze deutlich höher eingezeichnet. Insoweit haben auch die Angaben des sachverständigen Zeugen F. keine Klarheit erbracht. Der Zeuge hat zwar angegeben, die Bauzeichnung beruhe wohl auf seiner Vermessung des Geländes Anfang des Jahres 2005, er habe sie aber nicht selbst angefertigt. Auch konnte sich der Zeuge F. vor Ort nicht mehr an Details des Geländeverlaufs im Grenzbereich beider Grundstücke vor Errichtung von Wohnhaus und Garage auf dem Baugrundstück erinnern. Ähnliches gilt für die Aussage der Tochter des Klägers. Sie hat im Wesentlichen nur Angaben zur Höhe einer Natursteinmauer auf dem Grundstück des Klägers nahe der Grundstücksgrenze gemacht, konnte sich an den Verlauf des dahinter liegenden Geländes auf dem Baugrundstück aber nicht erinnern.
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(2) Hiernach verbliebene Zweifel am früheren Geländeverlauf sind durch das Gutachten des Sachverständigen P. ausgeräumt. Danach betrug die Wandhöhe der Garage einschließlich Sockelwand (s.o.) nach ihrer Fertigstellung, gemessen vom höchsten Schnittpunkt der Sockelwand mit der damaligen Geländeoberfläche bis zur Dachhaut der Garage, mindestens 3,7 m ± 0,05 m, was die sich aus den Lichtbildern ergebenden Indizien und die Feststellung des Kreisbaumeisters bestätigt.
33 
Der Sachverständige hat alle verfügbaren Informationen über den früheren Geländezustand gesichtet und bewertet. Er hat zunächst in einem ersten Schritt das Liegenschaftskataster Baden-Württemberg sowie topographische und bauleitplanerische Unterlagen der Gemeinde ... eingesehen. Er stellt fest, dass Informationen über den Bestand des Geländes vor Errichtung von Wohnhaus und Garage auf dem Baugrundstück nur in Baugesuchen für die Bauvorhaben des Klägers und der Beigeladenen enthalten seien (S. 2 bis 4 des Gutachtens vom 04.12.2013 unter Nr. 3.1). Sodann hat er in einem zweiten Schritt anhand dieser Bauvorlagen dargelegt, dass die zeichnerischen Darstellungen und Angaben über den Geländeverlauf in den Bauvorlagen des Klägers von 1993 und 1995 (Wohnhaus, Garage) sowie der Beigeladenen von 2005 und 2006 (Wohnhaus, Garage) keinen gesicherten Schluss auf den (Höhen-)Verlauf der Geländeoberfläche vor Errichtung von Wohnhaus und Garage auf dem Baugrundstück zuließen, weil sie mehrfach widersprüchlich seien und voneinander abwichen. Zudem ließen die vom Kläger vorgelegten Lichtbilder nicht den Schluss zu, dass das Gelände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze im Zuge der Bauaktivitäten aufgeschüttet worden sei (Gutachten S. 11 - 16 unter Nr. 5). Der Sachverständige hat sodann in einem dritten Schritt aus einer in den Jahren 2000 bis 2005 vom Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung (LGL) durchgeführten Laserscan-Befliegung des Landes Baden-Württemberg für das engere Gebiet des Baugrundstücks und umgebende Flächen eine im Jahr 2002 gewonnene "Punktwolke" mit hinterlegten Höhendaten des Geländes verwertet, deren Genauigkeit das LGL mit ± 0,20 m angibt. Der aus diesen Informationen ableitbare Geländeverlauf an der streitigen Südwestgrenze des Baugrundstücks entspreche in weiten Teilen dem aktuellen Geländeverlauf an der Mauer auf dem Nachbargrundstück des Klägers (Gutachten S. 16 - 19 unter Nr. 6.1). Die Tragfähigkeit dieser Schlussfolgerung wird sodann in einem abschließenden vierten Schritt anhand weiterer Erkenntnisse, insbesondere aus Lichtbildern über die Örtlichkeit zu verschiedenen Zeitpunkten, Plänen aus Baugesuchen und des vom Sachverständigen aufgenommenen aktuellen Geländezustands bestätigt. Aus der hiernach erstellten Planzeichnung Anlage 21 zum Gutachten ergibt sich zwischen dem höchsten Schnittpunkt der Sockelwand der Garage mit der unter Berücksichtigung der Daten der Laserscan-Befliegung des Jahres 2002 gewonnenen, als blaue Linie dargestellten Geländeoberfläche an der Grenze bis zur Dachhaut der Garage eine Höhe von 3,70 m. Der in den Unterlagen zum Bauantrag für eine Garage auf dem Baugrundstück dargestellte Geländeverlauf habe daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht den tatsächlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt des Bauantrags entsprochen (Gutachten S. 19 - 22 unter Nr. 6.2 und 6.3 und S. 25, dritter Absatz). Der Sachverständige weist abschließend darauf hin, dass bei den Höhenangaben zwischen festen Bauteilen und der Geländeoberfläche mit Abweichungen ± 0,05 m zu rechnen sei, weil Geländepunkte nicht eindeutig und klar definiert seien (Gutachten S. 25 letzter Absatz). Der Senat hält diese Feststellungen und Bewertungen für überzeugend. Mängel des Gutachtens, insbesondere was Methodik und Schlussfolgerungen angeht, sind nicht erkennbar; einzelne Unklarheiten hat der Sachverständige mit der Erläuterung des Gutachtens in der Verhandlung beseitigt. Die geltend gemachten Bedenken und Einwendungen des Beklagten und der Beigeladenen sind nicht begründet.
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Der Beklagte macht - nur - geltend, es bestünden erhebliche Zweifel an der Genauigkeit der Daten aus Laserscan-Befliegung des LGL. Die vom LGL mit ± 0,20 m angegebene Genauigkeit beziehe sich nur auf eindeutige Oberflächen. Das aus diesen Daten vom LGL erstellte Digitale Geländemodell (DGM) habe, weil es Flächen ohne Laserpunkte am Boden durch Interpolation schließe und die Modellierung eine leichte Glättung bewirke, nur eine durchschnittliche Genauigkeit von ± 0,50 m, da Qualität und Zuverlässigkeit des DGM von Bewuchs, Geländeform, Bebauung und anderen Faktoren abhängig. Derartige Besonderheiten bestünden auch hier, weil die Geländestruktur an der Grenze zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück des Klägers aufgrund von Mauern, Abstufungen und Bewuchs - wie die dem Gutachten beigefügten Fotos belegten - schwierig sei und es dort nur eine geringe Dichte von originären Laserpunkte gebe bzw. teilweise Messwerte fehlten. Diese Einwendungen greifen nicht durch. Der Sachverständige hat bei seiner Erläuterung des Gutachtens angegeben, ihm sei bekannt, dass die Daten aus der Laserscan-Befliegung mit Unsicherheiten behaftet seien und dass bei einem auf ihrer Grundlage erstellten digitalen Geländemodell in der Regel eine größere Abweichung anzunehmen sei. Hier habe jedoch die Besonderheit bestanden, dass die Höhendaten zahlreicher Laserpunkte mit seinen Messergebnissen vor Ort und den Erkenntnissen aus Lichtbildern überstimmten, was eine größere Genauigkeit rechtfertige. Er habe so viele Punkte in der Wirklichkeit gefunden, die seine Ergebnisse bestätigten, dass aus seiner Sicht daran keine durchgreifenden Zweifel bestünden. Zwar sei ein mathematisches Modell mit Laserpunkten in einem Gelände wie dem vorliegenden nicht sehr aussagekräftig. Er habe seine Ergebnisse jedoch nicht auf das DGM des LGL gestützt und aus Laserpunkten unkritisch hochgerechnet, sondern andere Umstände zur Interpretation herangezogen. Seine Ergebnisse stützten sich auch auf die durch einen relativ homogenen Geländeverlauf geprägten tatsächlichen Gegebenheiten und den Vergleich von Einzelpunkten. Selbst wenn er die Einwände des Beklagten berücksichtige, ergäbe sich nur eine Abweichung von 0,10 bis 0,20 m zu der von ihm rekonstruierten Geländehöhe. Der Senat hält diese Erläuterungen für plausibel und überzeugend. Die Einwendungen des Beklagten erscheinen danach schon deshalb unbegründet, weil sie außer Acht lassen, dass das Gutachten den früheren Geländeverlauf (blaue Linie in der Planzeichnung Anlage 21 zum Gutachten) nicht bloß anhand der Höhendaten aus der Laserscan-Befliegung abstrakt hochgerechnet, sondern unter Berücksichtigung weiterer Erkenntnisse über die Örtlichkeit, insbesondere aus Lichtbildern, Plänen in Baugesuchen und eigenen Messergebnissen des Sachverständigen vor Ort konkret rekonstruiert. Deshalb und weil das Gutachten insoweit auch die sich aus Lichtbildern ergebenden Indizien sowie die Feststellung des Kreisbaumeisters in seinem Aktenvermerk vom 24.07.2007 bestätigt ((1)), besteht auch kein Anlass, unter Berücksichtigung der Einwände des Beklagten eine zusätzliche Abweichung einzurechnen, die nach den ergänzenden Darlegungen des Sachverständigen ohnehin höchstens 0,10 - 0,20 m betrüge. Zu berücksichtigen ist allenfalls die Ungenauigkeitstoleranz ± 0,05 m, auf die der Sachverständige in seinem Gutachten abschließend hinweist.
35 
Die Beigeladenen haben lediglich auf Bedenken des Zeugen F., dem das Gutachten vorgelegt worden sei, verwiesen. Der Zeuge F. hat bei seiner nochmaligen Vernehmung indes nichts vorgebracht, was die Richtigkeit des Gutachtens in Frage stellen könnte. Auf Nachfrage hat er vielmehr der Aussage des Sachverständigen zugestimmt, dass die blaue Linie in der Planzeichnung Anlage 21 zum Gutachten am wahrscheinlichsten den damaligen Geländeverlauf darstelle. Er hat diese Aussage im Folgenden zwar dahin relativiert, er meine damit nicht die tatsächliche Höhe, sondern nur den geraden Verlauf der blauen Linie. Diese Einschränkung stellt die Richtigkeit des Gutachtens im Übrigen jedoch nicht in Frage. Auch die sonstigen Angaben des Zeugen F. zum früheren Geländeverlauf blieben bei seinen beiden Vernehmungen derart unsicher und vage, dass daraus keine Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens abzuleiten sind. Vielmehr bestätigen seine Einlassungen teilweise eher die Erkenntnisse des Gutachtens zum Höhenunterschied zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück des Klägers, wie der Sachverständige auf Vorhalt der Aussage des Zeugen F. in der Verhandlung am 24.03.2014 überzeugend dargelegt hat.
36 
(3) Eine weitere Erforschung des Sachverhalts ist nicht geboten. Die in der Berufungsverhandlung am 10.07.2013 gestellten Hilfsbeweisanträge haben sich durch die Wiederöffnung der mündlichen Verhandlung erledigt. In der erneuten Berufungsverhandlung am 24.03.2014 wurden keine weiteren (Hilfs-)Beweisanträge gestellt. Eine weitere Sachverhaltserforschung, insbesondere durch Vernehmung der benannten weiteren Zeugen, drängt sich auch nicht von Amts wegen auf. Die von den Beigeladenen mit ihrem in der Verhandlung am 10.07.2013 gestellten Hilfsbeweisantrag unter Beweis gestellte Tatsache, „dass das Stützbauwerk unterhalb der Garage auf dem Grundstück des Klägers gemessen ab der Bodenplatte ein Meter hoch war“, ist nicht entscheidungserheblich. Denn für die Berechnung der Wandhöhe kommt es - wie dargelegt - nur auf den Schnittpunkt der Sockelwand (“Stützbauwerk“) mit dem höchsten Punkt der Geländeoberfläche auf dem Baugrundstück, nicht aber auf Umstände auf dem Grundstück des Klägers an. Ungeachtet dessen ist nicht ansatzweise dargelegt oder sonst erkennbar, wann und unter welchen Umständen die von den Beigeladenen insoweit benannten Zeugen Kenntnis über die maßgenaue Höhe der tatsächlich ausgeführten Sockelwand erlangt haben könnten.
37 
2. Der Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO a.F. und die damit einhergehende Rechtsverletzung des Klägers sind durch die Baugenehmigung vom 03.07.2006 nicht unerheblich geworden. Denn diese Baugenehmigung deckt die errichtete Garage nicht. Die genehmigte und die tatsächlich errichtete Garage sind nicht identisch. Das folgt bereits aus ihren deutlich voneinander abweichenden Standorten. Zudem ist das Dach in geänderter Form und Größe ausgeführt worden und die tatsächlich errichtete Garage hat 5,7 m3 mehr Bruttorauminhalt.
II.
38 
Rechtmäßige Zustände können heute nicht auf andere Weise hergestellt werden. Die Erteilung einer Baugenehmigung (§ 58 Abs. 1 Satz 1 LBO) scheidet aus, weil der wegen ihres 40 m3 übersteigenden Bruttorauminhalts und der 3 m überschreitenden mittleren Wandhöhe nicht nach Nr. 1 a) oder b) des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO verfahrensfreien und damit genehmigungspflichtigen (§ 49 LBO) Garage weiterhin die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO entgegensteht und eine Abweichung davon nicht zugelassen werden kann.
39 
1. Die Voraussetzungen für einen § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO a.F. entsprechenden Sonderfall nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO, bei dem eine Abstandsfläche nicht erforderlich ist, sind nach wie vor nicht erfüllt, weil die Wandhöhe der Garage bzw. des Gebäudes einschließlich Sockelwand (s.o.) am höchsten Punkt der Geländeoberfläche (§ 6 Abs. 1 Satz 2 LBO) deutlich mehr als 3 m beträgt. Nach den Feststellungen des Sachverständigen P. beträgt sie ausgehend von den heute vor Ort feststellbaren Geländeverhältnissen an der Grenze zum Grundstück des Klägers sogar 3,85 m (vgl. Gutachten S. 24).
40 
2. Eine Abweichung von § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO kann nicht zugelassen werden.
41 
a) Die Voraussetzungen für die Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 LBO sind nicht erfüllt. Für einen Sonderfall nach Nr. 1 oder Nr. 3 dieser Vorschrift ist von vornherein nichts ersichtlich. Ein Sonderfall nach Nr. 2 scheidet jedenfalls deshalb aus, weil die Unterschreitung des Mindestmaßes der Abstandsflächentiefe nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO die nachbarlichen Belange des Klägers als Eigentümer des angrenzenden Grundstücks i. S. dieser Vorschrift erheblich beeinträchtigt.
42 
aa) Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs zur gleichlautenden Vorschrift des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO a.F. ist von der normativen Wertung auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig vorliegt, wenn der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe i. S. des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO a.F. unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist. Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsbeschluss vom 14.01.2010 - 8 S 1977/09 - NVwZ-RR 2010, 387 m.w.N.). An dieser Rechtsprechung ist nach dem Wegfall der gesetzlichen Unterscheidung zwischen nachbarschützenden und nicht nachbarschützenden Teilen der Abstandsflächentiefe durch das Änderungsgesetz vom 17.11.2009 (GBl. S. 615) jedenfalls für den hier gegebenen Fall einer Unterschreitung der Mindesttiefe der Abstandsfläche von 2,5 m nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO festzuhalten (Senatsurteil vom 06.04.2010 - 8 S 1529/08 - VBlBW 2011, 67). Das Interesse des Nachbarn deutlich mindernde oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassende Besonderheiten können sich aus den tatsächlichen Verhältnissen auf seinem Nachbargrundstück oder aus rechtlichen Besonderheiten ergeben, die beim Nachbargrundstück im Verhältnis zum Bauvorhaben vorliegen (Senatsbeschluss vom 14.01.2010, a.a.O. m.w.N.). Eine solche Besonderheit kann etwa darin bestehen, dass der Nachbar das Vorhaben in seiner grenznahen Lage schon seit langer Zeit in einer für den Bauherrn Vertrauen begründenden Weise hingenommen und sein materielles Abwehrrecht verwirkt hat (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 - VBlBW 2008, 190, juris Rn. 18). Bei der baulichen Änderung eines bestehenden grenznahen Gebäudes kann es aber auch ungeachtet von Besonderheiten auf dem Nachbargrundstück auf einen konkreten Vergleich zwischen vorhandenen und künftigen Beeinträchtigungen ankommen (Senatsbeschluss vom 27.11.2013 - 8 S 1813/13 - BauR 2014, 533, juris Rn. 20 und 23).
43 
bb) Im vorliegenden Fall gibt es weder solche Besonderheiten noch geht es um die bauliche Änderung eines grenznahen bestehenden Gebäudes.
44 
Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Nachbargrundstücks des Klägers wären insbesondere nicht deshalb gemindert, wenn das Gelände auf diesem Grundstück im Zuge der Errichtung des Einfamilienhauses in den 1990iger Jahren abgegraben worden sein sollte, um die tiefere Ausführung der Erdgeschoss-Fußbodenhöhe dieses Gebäudes zu ermöglichen. Die abstandsflächenrechtliche Schutzwürdigkeit des Grundstücks in Bezug auf Belichtung, Belüftung und Besonnung wäre dadurch schon deshalb nicht gemindert, weil eine solche Abgrabung, jedenfalls soweit sie das Gelände unterhalb der streitigen Garage bis zum Wohnhaus des Klägers beträfe, durch die weitere Baugenehmigung vom 01.02.1995, gegen die die beteiligten Eigentümer angrenzender Grundstücke damals keine Einwendungen erhoben haben, gedeckt würde. Zwar legalisiert diese Baugenehmigung ausdrücklich nur die um etwa 1 m tiefer ausgeführte Erdgeschoss-Fußbodenhöhe für das Einfamilienhaus. Diese Regelung schließt aber konkludent eine dazu gegebenenfalls notwendige Abgrabung des Geländes ein und erstreckt sich insoweit auch auf die zur bestimmungsgemäßen Benutzung des Einfamilienhauses notwendigen Flächen unmittelbar neben dem Gebäude, insbesondere für den Hauszugang an der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen. Ob das Gelände auf dem Grundstück des Klägers damals tatsächlich in diesem Umfang abgegraben worden ist, kann folglich offen bleiben.
45 
Der Kläger hat die Garage auch nicht seit langer Zeit in einer für die Beigeladenen Vertrauen begründenden Weise hingenommen und sein materielles Abwehrrecht verwirkt. Dies setzte voraus, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Abwehrrechts längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die seine verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist der Fall, wenn erstens der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), zweitens der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt würde (Vertrauenstatbestand) und drittens er sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung). Bei öffentlich-rechtlichen Nachbarstreitigkeiten ist insoweit die Besonderheit zu beachten, dass sich der Abwehranspruch des von einem Bauvorhaben berührten Nachbarn zwar formell gegen die Behörde richtet, von der Rechtsausübung materiell betroffen aber der Bauherr ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.09.1991 - 3 S 2000/91 - VBlBW 1992, 103 m.w.N.).
46 
Hier fehlt es bereits an einer Vertrauensgrundlage. Die Beigeladenen konnten im April 2007, als der Kläger gegenüber der zuständigen Baurechtsbehörde die zu hohe Garagen-/Sockelwand und eine von der Baugenehmigung abweichende Bauausführung der Garage rügte, nicht infolge eines bestimmten Verhaltens des Klägers darauf vertrauen, dass dieser sein Abwehrrecht nicht mehr geltend machen würde. Zwar war die Garage zu diesem Zeitpunkt bis auf Verputzarbeiten bereits über ein Jahr fertiggestellt. Allein dieser Zeitraum der Untätigkeit des Klägers begründete für die Beigeladenen jedoch keine Vertrauensgrundlage. Was die "lange Zeit" anbelangt, während der der Nachbar sein Recht nicht ausgeübt hat, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, gibt es keine allgemeingültigen Bemessungskriterien; maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182, juris Rn. 18 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.10.2012 - 2 B 1090/12 - juris Rn. 8). Wer sich gegen Rechtsverletzungen wehren will, muss dies aber in angemessener Zeit tun (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13.12.1999 - 4 B 101.99 - BRS Bd. 63 Nr. 203, juris Rn. 7, und vom 08.01.1997 - 4 B 228.96 - juris Rn. 5). Das gilt vor allem für den Nachbarn im Baurecht, weil das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis ihn verpflichtet, durch zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst gering zu halten (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294, juris Rn. 24). Aber auch eine längere Untätigkeit des Nachbarn führt dann nicht zum Verlust des Abwehrrechts durch Verwirkung, wenn der Bauherr das Bauvorhaben bereits sofort verwirklicht, ohne dazu durch das Verhalten des Nachbarn veranlasst worden zu sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991, a.a.O., Rn. 28).
47 
Gemessen daran war der seit den Baumaßnahmen für die Garage bis April 2007 verstrichene Zeitraum nach den Umständen dieses Einzelfalles nicht unangemessen lang. Insoweit fällt zu Lasten der Beigeladenen vor allem ins Gewicht, dass sie die - mit mehr als 40 m3 Brutto-Rauminhalt genehmigungspflichtige (§ 49 Abs. 1 LBO a.F.) - Garage abweichend von ihrem Bauantrag ohne Baugenehmigung sofort errichtet und damit vollendete Tatsachen geschaffen hatten. Sie konnten in der Zeit danach bis April 2007 nicht allein deshalb, weil der Kläger im Baugenehmigungsverfahren keine Einwendungen erhoben hatte, darauf vertrauen, er werde ein materielles Abwehrrecht gegen eine abweichend vom Bauantrag errichtete Garage nicht geltend machen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Kläger in Anbetracht der von Bauantrag und Baugenehmigung abweichenden Bauausführung sowie der unzutreffenden - irreführenden - Darstellung des Geländeverlaufs auf dem Baugrundstück in den Bauvorlagen für die Garage (siehe den Aktenvermerk des Kreisbaumeisters vom 24.05.2007 und das Gutachten des Sachverständigen P. vom 04.12.2013, S. 16) ein längerer Zeitraum zur Überprüfung zuzugestehen war. Bei dieser Sachlage bestand im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis kein begründeter Anlass, deutlich früher aktiv zu werden, um einen wirtschaftlichen Schaden für die Beigeladenen zu vermeiden oder ihren Vermögensverlust möglichst gering zu halten. Ungeachtet dessen ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beigeladenen in der Zeit nach Fertigstellung der Garage bis April 2007 tatsächlich darauf vertraut haben, der Kläger werde sein materielles Abwehrrecht nicht mehr ausüben (Vertrauenstatbestand), oder dass sie sich in diesem Zeitraum in ihren Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihnen durch die erst ab April 2007 betriebene Durchsetzung des materiellen Abwehrrechts des Klägers ein unzumutbarer Nachteil entsteht (Vertrauensbetätigung).
48 
b) Schließlich sind keine Anhaltspunkte dafür dargelegt oder erkennbar, dass eine der Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung, Ausnahme oder Befreiung nach § 56 Abs. 1 bis 5 LBO erfüllt sein könnte.
III.
49 
Unter diesen Voraussetzungen ist das Ermessen der Baurechtsbehörde auf die Pflicht reduziert, zur Beseitigung der Nachbarrechtsverletzung des Klägers gegenüber den Beigeladenen den vollständigen Abbruch der Garage (einschließlich Sockelwand) anzuordnen.
50 
1. Geht es um den Antrag eines Dritten, wegen der Verletzung einer ihn schützenden Vorschrift den Abbruch einer Anlage anzuordnen, ist das Entschließungsermessen der Baurechtsbehörde im Sinne einer Pflicht zum Einschreiten “auf Null“ reduziert, wenn der Rechtsverstoß besonders intensiv ist oder ein wesentliches Rechtsgut des Nachbarn gefährdet und sich nicht anders als durch einen (Teil-)Abbruch der Anlage beseitigen lässt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.09.1991 - 3 S 2000/91 - VBlBW 1992, 103). Das kann auch bei unzumutbaren Beeinträchtigungen des Nachbarn der Fall sein (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.12.1991 - 3 S 2358/91 - VBlBW 1992, 148 m.w.N.). Verstößt eine bauliche Anlage gegen eine drittschützende Vorschrift, die unzumutbare Beeinträchtigungen verbietet, ist die Baurechtsbehörde folglich in der Regel zum Einschreiten verpflichtet, es sei denn, es stünden ihr sachliche Gründe für eine Untätigkeit zur Seite (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 - VBlBW 2003, 470; Beschluss vom 13.12.1991, a.a.O.; Sauter, a.a.O: § 65 Rn. 79 f. m.w.N.). Ein danach gegebener Anspruch auf Einschreiten der Behörde kann allerdings nach Treu und Glauben (§ 242 BGB entspr.) ausgeschlossen, insbesondere verwirkt sein.
51 
Hiernach ist der Beklagte verpflichtet, den Abbruch der Garage (einschließlich Sockelwand) anzuordnen, weil die rechtswidrige Unterschreitung der nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO gebotenen Mindesttiefe der Abstandsfläche die durch diese Vorschrift geschützten nachbarlichen Belange des Klägers hinsichtlich der Belichtung, Belüftung und Besonnung seines Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt und diese Beeinträchtigung nur durch einen Abbruch der Garage zu beseitigen ist (a)), dem Beklagten keine sachlichen Gründe für eine Untätigkeit zur Seite stehen (b)) und der danach gegebene Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB entspr.) ausgeschlossen ist (c)).
52 
a) Bauordnungsrechtliche Abstandsflächenvorschriften gehören mit ihrem unmittelbaren räumlichen Bezug zu Nachbargrundstücken zum Kernbestand des öffentlichen Baunachbarrechts. Ihre nachbarschützende Wirkung besteht nach Sinn und Zweck der Abstandsflächenvorschriften grundsätzlich unabhängig von einer tatsächlich feststellbaren Beeinträchtigung des Nachbarn (Sauter, a.a.O. § 5 Rn. 10). Soweit sie Nachbarschutz vermitteln, indiziert bereits ihre Verletzung die Beeinträchtigung des Nachbarn in Belangen, deren Schutz die Abstandsflächenvorschriften dienen (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.10.1999 - 7 A 998/99 - NVwZ-RR 2000, 205, juris Rn. 30; HessVGH, Urteil vom 26.05.2008 - 4 UE 1626/06 - ESVGH 59, 8, juris Rn. 24; OVG Saarland, Urteil vom 23.04.2002 - 2 R 7/01 - BauR 2003, 1865, jeweils m.w.N.). Allerdings muss nicht jede derart indizierte Beeinträchtigung nachbarlicher Belange auch - im Sinne eines besonders intensiven oder ein wesentliches Rechtsgut des Nachbarn gefährdenden Rechtsverstoßes - stets unzumutbar sein. Für diese Bewertung könnte es vielmehr auch darauf ankommen, ob und inwieweit die bauliche Nutzbarkeit des Nachbargrundstücks im jeweiligen Einzelfall tatsächlich spürbar eingeschränkt wird (vgl. BayVGH; Beschluss vom 04.07.2011 - 15 ZB 09.1237 - juris Rn. 12; OVG Niedersachsen, Urteil vom 16.02.2012 - 1 LB 19/10 - NVwZ-RR, 2012, 427; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.10.2006 - 2 L 680/04 - juris Rn. 6). Einer solchen Einzelfallprüfung bedarf es jedoch nicht, wenn - wie hier - die Mindesttiefe der Abstandsfläche nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO unterschritten wird, kein Sonderfall i. S. des § 6 Abs. 1 LBO vorliegt, und weder eine geringere Tiefe der Abstandsfläche (§ 6 Abs. 3 LBO) noch eine Abweichung, Ausnahme oder Befreiung (§ 56 LBO) zugelassen werden kann. In einem solchen Fall ist dem Nachbarn die durch einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 LBO indizierte Beeinträchtigung seiner durch das Abstandsflächenrecht geschützten Belange grundsätzlich nicht zumutbar. Zwar mag in Bagatellfällen, bei denen es um Über- oder Unterschreitungen um wenige Zentimeter geht, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit oder des Schikaneverbots ausnahmsweise eine andere Bewertung angezeigt sein (vgl. HessVGH, Urteil vom 26.05.2008 - 4 UE 1626/06 - ESVGH 59, 8; OVG Niedersachsen, Urteil vom 29.10.1993 - 6 L 3295/91 - BauR 1994, 86 m.w.N.; ähnlich BayVGH, Beschluss vom 08.03.2007 - 1 ZB 06.898 - juris Rn. 16; a. A. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.03.2007 - 10 B 274/07 - BauR 2007, 1031). Das bedarf aus Anlass dieses Falles aber keiner Entscheidung. Denn ein solcher Bagatellfall liegt hier weder in Bezug auf die nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO gebotene Mindesttiefe der Abstandsfläche noch hinsichtlich der Wandhöhe nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO a.F. bzw. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO vor. Die grenzständige Garage unterschreitet die Mindesttiefe der Abstandsfläche von 2,5 m vollständig bis auf Null und ihre Wandhöhe übersteigt die bei Grenzbauten zulässige Höhe von 3 m um mindestens 0,7 m ± 0,05 m. Die damit indizierte unzumutbare Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange des Klägers ist nur durch die Anordnung eines Abbruchs zu beseitigen. Andere, die Bausubstanz gänzlich schonende Maßnahmen, insbesondere eine bloße Nutzungsuntersagung, genügen nicht.
53 
b) Sachliche Gründe für eine Untätigkeit stehen der Baurechtsbehörde nicht zur Seite. Die in den Begründungen der angegriffenen Bescheide hierzu dargelegten “besonderen Gründe“ tragen die Ablehnung eines baurechtlichen Einschreitens zur Beseitigung der Nachbarrechtsverletzung nicht. Die Erwägung des Landratsamts, der Geländeverlauf an der Grenze bei Errichtung der Garage sei nicht mehr zweifelsfrei zu ermitteln, ist unzutreffend, wie die durchgeführte Beweiserhebung belegt, die auch der Behörde möglich gewesen wäre (§ 24 Abs. 1 LVwVfG). Der die Ablehnung tragende weitere Gesichtspunkt, Belichtung und Belüftung der Räume an der Nordostseite des Wohnhauses des Klägers seien nicht erheblich eingeschränkt, ist kein sachlicher Grund, weil schon wegen der Unterschreitung der Mindesttiefe der Abstandsfläche nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO und mangels eines Bagatellfalles von einer unzumutbaren Beeinträchtigung der abstandsflächenrechtlich geschützten nachbarlichen Belange des Klägers auszugehen ist (s.o.). Schließlich ist ein Abbruch der Garage entgegen der Ansicht des Landratsamts auch nicht wegen - von der Behörde der Höhe nach nicht näher ermittelter - “enormer Kosten“ im engeren Sinne unverhältnismäßig. Die Beigeladenen haben die genehmigungspflichtige Garage vor Erteilung der Baugenehmigung abweichend von ihrem Bauantrag auf eigenes Risiko formell und materiell rechtswidrig errichtet. Der mit einem Abbruch dieser Anlage verbundene, zweifellos nicht unerhebliche finanzielle Aufwand ist im Verhältnis zum Gewicht des Nachbarrechtsverstoßes nicht unangemessen und den Beigeladenen zumutbar. Würde der in die (nachbar-)rechtswidrige Errichtung baulicher Anlagen investierte Kostenaufwand berücksichtigt, wäre dies geradezu eine Ermunterung, finanziell besonders aufwändige Vorhaben zunächst illegal zu realisieren, um anschließend die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände zu verhindern.
54 
c) Der danach gegebene Anspruch des Klägers auf Einschreiten der Baurechtsbehörde ist auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen, insbesondere nicht verwirkt. Insoweit gilt hier im Ergebnis nichts Anderes als für das materielle Abwehrrecht des Klägers (s.o.). Die im Bescheid des Landratsamts vertretene Ansicht, ein Nachbar müsse der Baurechtsbehörde Abweichungen von genehmigten Plänen oder eine illegale Bautätigkeit in der Regel “analog der Rechtsmittelfrist“ innerhalb eines Monats nach Kenntnisnahme des Bauvorhabens anzeigen, um das Recht auf ein Einschreiten der Behörde zu nicht zu verwirken, ist unzutreffend. Zwar ist bei der Verwirkung grundsätzlich zwischen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Rechtspositionen n zu unterscheiden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.03.1988 - 4 B 50.88 - NVwZ 1988, 730, juris Rn. 2 m.w.N.). Bei einer nicht genehmigten illegalen Bautätigkeit fehlt aber ein - auch das Vertrauen des Bauherrn begründender - verfahrensrechtlicher Anknüpfungspunkt, wie er etwa im Falle einer dem Nachbarn amtlich nicht bekannt gegebenen Baugenehmigung besteht, bei der nach Treu und Glauben eine Rechtsbehelfsfrist von einem Jahr ab - möglicher - Kenntnis der Baugenehmigung läuft (BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294).
55 
2. Das Auswahlermessen der Baurechtsbehörde ist ebenfalls dergestalt “auf Null“ reduziert, dass allein die Anordnung eines vollständigen Abbruchs der Garage gegenüber den Beigeladenen als bauordnungsrechtlich verantwortlichen Eigentümern und Bauherren der Garage (§ 7 PolG, §§ 41, 42 LBO) in Betracht kommt. Die Anordnung nur eines teilweisen Abbruchs (“Rückbau“) der Garage, etwa bis auf das gesetzlich zulässige Maß der Wandhöhe von 3 m, scheidet aus. Nach den insoweit maßgebenden heutigen Geländeverhältnissen beträgt die Wandhöhe - gemessen am höchsten Punkt der Geländeoberfläche auf dem Baugrundstück - 3,85 m (vgl. Gutachten S. 24). Sie wäre danach um 0,85 m zu reduzieren. Die Garage ist insoweit indes weder bautechnisch noch nach den Vorstellungen der beigeladenen Bauherren teilbar (vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.03.1997 - 10 A 853/93 - BRS Bd. 59 Nr. 209). Es ist grundsätzlich nicht Sache der einschreitenden Baurechtsbehörde, in eingehendere Überlegungen darüber einzutreten, ob dem rechtswidrigen Zustand durch irgendwelche baulichen Änderungen abgeholfen und damit ein vollständiger Abbruch vermieden werden könnte. Zur Wahrung der Interessen des Betroffenen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit reicht es aus, dass die Behörde am vollständigen Abbruch nicht festhalten darf, wenn der Betroffene ein von ihm als milder empfundenes, zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes ebenfalls geeignetes Mittel anbietet (st. Rspr. vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.06.1973 - IV B 58.72 - BRS Bd. 27 Nr. 151, juris Rn. 5 m.w.N.). Letzteres ist bislang nicht der Fall. Die Beigeladenen haben weder der Baurechtsbehörde noch dem Senat einen hinreichend konkreten Änderungsvorschlag unterbreitet. Ob in ihrem pauschalen Vortrag in der Berufungsverhandlung, es sei denkbar, die Gesamthöhe von Garagen- und Sockelwand durch Wegnahme von bis zu zwei Steinreihen der Garagenwand zu reduzieren, ein solches Angebot gesehen werden könnte, kann dahinstehen. Denn ausgehend von der derzeitigen Wandhöhe von 3,85 m wäre mit einer Wegnahme von bis zu zwei Steinreihen das gesetzlich zulässige Maß von 3 m nicht zu erreichen, wie die Vertreter des Beklagten und der Beigeladenen in der Verhandlung am 24.03.2014 eingeräumt haben. Zudem haben die Beigeladenen ausdrücklich vorgebracht, die Wegnahme von mehr als zwei Steinreihen der Garagenwand ließe eine sinnvolle Nutzung des danach verbleibenden Garagenraumes nicht mehr zu. Folglich steht dem Kläger ein Anspruch auf Anordnung des vollständigen Abbruchs der Garage einschließlich zugehöriger unselbständiger Bauteile, insbesondere der als Fundament dienenden Sockelwand zu. Allerdings bleibt es den Beigeladenen überlassen, auch nach Rechtskraft dieses Urteils als "milderes Mittel" eine nachbarrechtskonforme Garage unter Verwendung von Teilen des rechtswidrigen Bauwerks zur Genehmigung zu stellen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.01.1996 - 10 A 1464/92 - BRS Bd. 58 Nr. 115, juris Rn. 38 ff.) und - wie hier besonders zu betonen ist - auch dementsprechend auszuführen.
B.
56 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 25. März 2014
58 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 7.500,-- Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG, in Anlehnung an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs Fassung Juli 2004, NVwZ 2004, 1327; am Streitwertkatalog 2013 orientiert sich der Senat dem Rechtsgedanken des § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG folgend nur in Verfahren, die ab dem 01.01.2014 bei ihm anhängig geworden sind).
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
A.
20 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Verpflichtungsklage zu Unrecht abgewiesen. Die Ablehnung des Beklagten, gegenüber den Beigeladenen den Abbruch der Garage anzuordnen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinem auf Erlass einer solchen Anordnung gerichteten Rechtsanspruch nach § 65 Satz 1 LBO.
21 
Nach § 65 Satz 1 LBO kann der teilweise oder vollständige Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Bei der Auslegung und Anwendung dieser Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums sind Bedeutung und Tragweite des Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG einschließlich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. BVerfG, 1. Kammer des 1. Senats, Beschluss vom 02.09.2004 - 1 BvR 1860/02 - NVwZ 2005, 203, juris Rn. 11). Demzufolge beantwortet sich die Frage, ob eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, nach dem Zeitpunkt ihrer - wesentlichen - Fertigstellung (vgl. BVerwG, Urteile vom 28.06.1956 - I C 93.54 - BVerwGE 3, 351 <353 f.> und vom 22.01.1971 - IV C 62.66 - NJW 1971, 1624, juris Rn. 23 m.w.N; Schlotterbeck in Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 6. Auflage, § 65 Rn. 6), wie auch der Wortlaut der Norm ("wurde") verdeutlicht. Für die Beurteilung, ob auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können, kommt es demgegenüber auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung oder - im Falle der behördlichen Ablehnung eines Einschreitens - der gerichtlichen Entscheidung an. Ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften i. S. des § 65 Satz 1 LBO kann durch die Erteilung einer Baugenehmigung allerdings - rückwirkend - unerheblich werden, wenn und solange die Baugenehmigung infolge ihrer Legalisierungswirkung die errichtete Anlage deckt (vgl. Schlotterbeck, a.a.O. § 65 Rn. 7 und § 47 Rn. 30 f.; Sauter, LBO, 3. Auflage, 31. Lfg. § 65 Rn. 25 ff. jeweils m.w.N., st. Rspr.).
22 
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat die zuständige Baurechtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 40 LVwVfG) unter Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange zu entscheiden (Senatsurteil vom 09.11.1990 - 8 S 1013/90 - BauR 1991, 185 m.w.N.). Zweck dieser Ermächtigung sind Bewahrung und Wiederherstellung der baurechtlichen Ordnung im öffentlichen Interesse. Drittschutz vermittelt sie insoweit nur ausnahmsweise, wenn und soweit eine vom Anwendungsbereich der Landesbauordnung erfasste Anlage gegen eine auch dem Schutz eines Dritten (Nachbarn) dienende öffentlich-rechtliche Vorschrift verstößt. In diesem Fall begründet § 65 Satz 1 LBO einen subjektiven öffentlich-rechtlichen Anspruch des Dritten, dass die Behörde über seinen Antrag, den teilweisen oder vollständigen Abbruch der Anlage anzuordnen, nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, das unter besonderen Voraussetzungen aber auch auf eine Pflicht zum Einschreiten i. S. eines Rechtsanspruchs des Dritten ("auf Null") reduziert sein kann (st. Rspr., vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 19.07.2007 - 3 S 1654/06 - VBlBW 2008, 184 und vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 - VBlBW 2003, 470; Senatsbeschluss vom 26.10.1994 - 8 S 2763/94 - ESVGH 45, 105; Sauter, a.a.O. § 65 Rn. 77; Schlotterbeck, a.a.O. § 65 Rn. 29 i.V.m. § 47 Rn. 109 ff. m.w.N.).
23 
Hiernach ist der Beklagte gegenüber dem Kläger verpflichtet, den vollständigen Abbruch der an der Grenze zum Grundstück des Klägers stehenden Garage anzuordnen. Denn diese Anlage wurde im Widerspruch zur Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO errichtet, die auch den Kläger als Eigentümer des angrenzenden Nachbargrundstücks schützt (I.), rechtmäßige Zustände können nicht auf andere Weise hergestellt werden (II.) und bei dieser Sachlage ist das Ermessen des Beklagten auf die Pflicht reduziert, zur Beseitigung der Nachbarrechtsverletzung des Klägers gegenüber den Beigeladenen den vollständigen Abbruch der Garage anzuordnen (III.). Ob die Errichtung der Garage weiteren drittschützenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften widersprach, ist danach nicht zu entscheiden.
I.
24 
Die Garage wurde, wie sich aus glaubhaften und auch von anderen Beteiligten nicht bestrittenen Angaben des Klägers, einzelnen Lichtbildern sowie der Mitteilung der Gemeinde ... an das Landratsamt vom 25.04.2006 (Blatt 70 der das Wohnhaus der Beigeladenen betreffenden Bauakten) ergibt, irgendwann zwischen Ende September 2005 und April 2006 im Wesentlichen fertiggestellt und damit i. S. des § 65 Satz 1 LBO errichtet. Dies widersprach § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO und damit zugleich dem Recht des Klägers auf Beachtung dieser auch sein Nachbargrundstück schützenden Vorschrift (1.). Diese Rechtsverletzung ist durch die Baugenehmigung vom 03.07.2006 nicht unerheblich geworden (2.).
25 
1. a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 LBO müssen vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen auf dem Baugrundstück liegen, die von oberirdischen baulichen Anlagen freizuhalten sind. Ihre Tiefe bemisst sich nach der Wandhöhe (§ 5 Abs. 4 Satz 1 LBO) und gegebenenfalls der Gebietsart (§ 5 Abs. 7 Satz 1 LBO). Sie darf jedoch bei Wänden über 5 m Breite 2,5 m nicht unterschreiten (vgl. § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO), was nach der bei Errichtung der Garage noch geltenden alten Fassung (a.F.) der Landesbauordnung vom 08.08.1995 (GBl. S. 617) vor Inkrafttreten des - insbesondere das Abstandsflächenrecht betreffenden - Änderungsgesetzes vom 17.11.2009 (GBl. S. 615) gemäß § 5 Abs. 7 Satz 3 Halbsatz 2 LBO a.F. zugleich das Minimum des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe markierte. Diese Anforderungen wurden bei Errichtung der Garage nicht beachtet. Denn die Garage wurde ohne die hiernach gebotene Abstandsfläche von mindestens 2,5 m Tiefe unmittelbar an der Grenze zum Nachbargrundstück des Klägers errichtet, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist.
26 
b) Entgegen der Auffassung des Beklagten und des Verwaltungsgerichts waren die Voraussetzungen für einen Sonderfall nach § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO a.F., bei dem eine Abstandsfläche nicht erforderlich war, nicht erfüllt.
27 
Nach dieser Vorschrift waren Abstandsflächen nicht erforderlich vor Außenwänden von Gebäuden oder Gebäudeteilen, die nur Garagen oder Nebenräume enthalten, der örtlichen Versorgung dienen oder sich auf öffentlichen Verkehrsflächen befinden, soweit die Wandhöhe nicht mehr als 3 m beträgt (Nr. 1) und die Wandfläche nicht größer als 25 m² ist (Nr. 2); die Grenzbebauung entlang den einzelnen Nachbargrenzen durfte 9 m und insgesamt 15 m nicht überschreiten (§ 6 Abs. 1 Satz 4 LBO a.F.). Hier fehlte es bereits an der Erfüllung der Voraussetzung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO a.F.. Denn die Wandhöhe der Garage (aa)) betrug bei ihrer Fertigstellung deutlich mehr als 3 m (bb)). Ob - wie der Kläger meint - auch weitere Voraussetzungen für einen Sonderfall nach § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO a.F. nicht erfüllt waren, bedarf folglich keiner Entscheidung.
28 
aa) Für die Berechnung der Wandhöhe i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO a.F. (jetzt § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO) gelten grundsätzlich die allgemeinen Regelungen (§ 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 sowie Abs. 5 LBO; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.07.2000 - 5 S 2324/99 - NVwZ-RR 2001, 501). Danach wird senkrecht zur Wand gemessen vom Schnittpunkt der Wand mit der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand, wobei die Höhe von Dächern und Giebelflächen gegebenenfalls (§ 5 Abs. 5 LBO) auf die Wandhöhe angerechnet wird. Bei einer unterschiedlichen Höhenlage der Geländeoberfläche wird jedoch abweichend von den allgemeinen Regelungen nicht auf die im Mittel gemessene Wandhöhe, sondern auf die Wandhöhe am höchsten Punkt der Geländeoberfläche abgestellt (§ 6 Abs. 1 Satz 3 LBO a.F.; jetzt § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO). Liegen auch Bau- und Nachbargrundstück unterschiedlich hoch, kommt es insoweit regelmäßig nur auf die Geländeoberfläche auf dem Baugrundstück an (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.10.1995 - 3 S 2418/95 - VBlBW 1996, 145; Busch in Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, a. a. O. § 6 Rn. 23 unter Bezugnahme auf VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.04.1992 - 3 S 2431/91 -). Veränderungen des Geländes im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben sind abstandsflächenrechtlich nur beachtlich, wenn es für sie einen rechtfertigenden Grund gibt; fehlt es daran, ist die Geländeveränderung unbeachtlich (st. Rspr., vgl. Senatsbeschlüsse vom 20.02.2004 - 8 S 336/04 - VBlBW 2004, 267 und vom 05.05.1998 - 8 S 864/98 - BRS Bd. 60 Nr. 108 m.w.N.; ebenso VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 07.02.2006 - 3 S 60/06 - VBlBW 2006, 240 und vom 29.11.2010 - 3 S 1019/09 - NVwZ-RR 2011, 272).
29 
Eine als Fundament einer Grenzgarage dienende grenzständige Sockelwand ist, soweit sie über der natürlichen Geländeoberfläche liegt, auf die Wandhöhe der Garage anzurechnen. Denn die Geländeoberfläche i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 3 LBO a.F. (jetzt § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO) ist in seinem solchen Fall nicht - wie das Verwaltungsgericht und ihm folgend wohl auch der Beklagte in seiner Berufungserwiderung meinen - die Oberkante einer solchen Sockelwand. Der Begriff "Geländeoberfläche" ist in der Landesbauordnung zwar nicht allgemein definiert. Jedoch verbietet schon der allgemeine Sprachgebrauch, ihn mit einer - künstlichen - "Sockelwand“ gleichzusetzen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 20.02.2004 - 8 S 336/04 - VBlBW 2004, 267). Der Einwand des Verwaltungsgerichts, die Höhe der Sockelwand sei deshalb nicht anzurechnen, weil die Sockelwand bei einer Terrassierung des Geländes als eigenständige Stützmauer verfahrensfrei an der Grenze errichtet werden könne und es keinen Unterschied mache, ob eine solche Anlage vor oder zusammen mit einer Grenzgarage errichtet werde, überzeugt nicht. Diese Überlegung verkennt, dass eine solche Stützmauer an der Grenze dann, wenn sie durch eine bauliche Änderung die Funktion als Fundament (Sockelwand) einer darauf gesetzten Garage übernähme, ihre bauliche Selbständigkeit aufgäbe. Denn als Fundament der Garage würde sie ein unselbständiger Bauteil derselben und bildete mit ihr eine bauliche Einheit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.04.1992 - 3 S 2431/91 - juris Rn. 25). Für die Anrechnung des über dem natürlichen Gelände liegenden Teils der Sockelwand sprechen nicht zuletzt Sinn und Zweck der Vorschriften über Abstandsflächen, Beeinträchtigungen der Belichtung, Belüftung und Besonnung eines Nachbargrundstücks durch grenznahe oder grenzständige bauliche Anlagen zu begrenzen. Dem Nachbarn soll eine auf seinem Grundstück über der Geländeoberfläche in Erscheinung tretende Wand von höchstens 3 m zugemutet werden. Höhere Wände und die damit einhergehende stärkere Verschattung und "Einmauerung" seines Grundstücks muss er im Regelfall nicht hinnehmen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.04.1992, a.a.O. zur Wandfläche von maximal 25 m2). Der über dem natürlichen - abfallenden - Gelände liegende Teil einer als Fundament einer Grenzgarage dienenden Sockelwand kann bei der Ermittlung der Wandhöhe demzufolge ebenso wenig als Geländeoberfläche angesehen werden wie eine einseitig angeschüttete Zufahrtsrampe (vgl. Sauter, a.a.O, § 6 Rn. 23a und Abb. 5). Die Sockelwand ist vielmehr als Teil der Garage anzusehen und daher auf deren Wandhöhe anzurechnen. Aus dem vom Beklagten zitierten Senatsbeschluss vom 27.09.1999 - 8 S 2049/99 - folgt nichts Anderes. Zwar hat der Senat darin zur Berechnung der Wandhöhe auf den Garagenboden abgestellt. Wie sich aus dem Kontext der Gründe dieses Beschlusses ergibt, beruhte dies jedoch darauf, dass das Höhenniveau des Garagenbodens demjenigen der natürlichen Geländeoberfläche entsprach.
30 
bb) Gemessen daran betrug die Wandhöhe bei Fertigstellung der Garage, gemessen vom höchsten Schnittpunkt ihrer als Fundament anzurechnenden (s.o.) Sockelwand mit der Geländeoberfläche (§ 6 Abs. 1 Satz 2 LBO a.F.) bis zur Dachhaut der Garage (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 2 LBO a.F.), mindestens 3,7 m ± 0,05 m, weil das Höhenniveau der Geländeoberfläche dort damals nahezu dem heutigen Höhenniveau des Geländes auf dem Grundstück des Klägers unmittelbar an der Grenze zum Baugrundstück entsprach. Davon ist der Senat aufgrund einiger Lichtbilder des Klägers, des Aktenvermerks des Kreisbaumeisters vom 24.07.2007 und des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen P. überzeugt; eine weitergehende Erforschung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht geboten.
31 
(1) Bereits einige der vom Kläger vorgelegten Lichtbilder über den Zustand des Geländes auf beiden Grundstücken nach dem Bau des Wohnhauses auf dem Grundstück des Klägers sowie unmittelbar vor und nach dem Bau von Wohnhaus und Garage der Beigeladenen belegen, dass der Geländeverlauf auf dem Baugrundstück an der Grenze zum Grundstück des Klägers vor dem Bau der Garage in etwa dem Höhenniveau des Geländes auf dem Grundstück des Klägers entsprach, wie es der Kreisbaumeister am 23.05.2007 festgestellt sowie bildlich (s.o.) dokumentiert und wie es auch der Senat beim Augenschein unverändert festgestellt hat. Das gilt zum einen für die Bilder "B5" vom 24.07.2005 und "B9" vom 26.08.2005 in der mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 06.08.2010 (S. 49 - 59 der VG-Akte) übersandten Lichtbilddokumentation. Denn auf diesen Lichtbildern ist das Gelände in der näheren Umgebung des späteren Standortes der streitigen Garage vor und während der Errichtung des Wohnhauses der Beigeladenen gut zu erkennen. Zum anderen gilt dies für mehrere Bilder in den mit Schriftsatz vom 18.07.2011 (S. 139 - 153 der VG-Akte) übermittelten Lichtbildanlagen, und zwar die ersten zwei Bilder der "Lichtbildanlage Nr. 10" aus dem Jahr 1994 und vom 04.07.2007, auf denen vom jeweils selben Standort am Eingang des Wohnhauses des Klägers mit Blick auf das Baugrundstück ein nahezu identisches Höhenniveau des Geländes an der Grenze auszumachen ist, sowie die Bilder in den "Lichtbildanlagen Nr. 11 und 12", auf denen das streitige Gelände in den Jahren 1994, 1999 und im Juli 2005 gut zu erkennen ist. Schon beim Vergleich dieser Aufnahmen mit dem heutigen Geländezustand erscheinen die Behauptungen der Beigeladenen, das Gelände auf dem Grundstück sei bei den Bauarbeiten deutlich höher gewesen und nach dem Bau der Garage verändert worden, nicht richtig. Dafür spricht auch die Feststellung des orts- und fachkundigen (vgl. § 46 Abs. 4 LBO) Kreisbaumeisters in seinem Aktenvermerk vom 24.07.2007: "Das Gelände war schon so." Dieser Aussage widerspricht allerdings die Darstellung des Geländeverlaufs in der von den Beigeladenen im vorangegangenen Baugenehmigungsverfahren für eine Garage vorgelegten Bauzeichnung "Ansicht Südwest" vom 05.10.2005. Denn darin ist der Verlauf des Geländes an der Grenze deutlich höher eingezeichnet. Insoweit haben auch die Angaben des sachverständigen Zeugen F. keine Klarheit erbracht. Der Zeuge hat zwar angegeben, die Bauzeichnung beruhe wohl auf seiner Vermessung des Geländes Anfang des Jahres 2005, er habe sie aber nicht selbst angefertigt. Auch konnte sich der Zeuge F. vor Ort nicht mehr an Details des Geländeverlaufs im Grenzbereich beider Grundstücke vor Errichtung von Wohnhaus und Garage auf dem Baugrundstück erinnern. Ähnliches gilt für die Aussage der Tochter des Klägers. Sie hat im Wesentlichen nur Angaben zur Höhe einer Natursteinmauer auf dem Grundstück des Klägers nahe der Grundstücksgrenze gemacht, konnte sich an den Verlauf des dahinter liegenden Geländes auf dem Baugrundstück aber nicht erinnern.
32 
(2) Hiernach verbliebene Zweifel am früheren Geländeverlauf sind durch das Gutachten des Sachverständigen P. ausgeräumt. Danach betrug die Wandhöhe der Garage einschließlich Sockelwand (s.o.) nach ihrer Fertigstellung, gemessen vom höchsten Schnittpunkt der Sockelwand mit der damaligen Geländeoberfläche bis zur Dachhaut der Garage, mindestens 3,7 m ± 0,05 m, was die sich aus den Lichtbildern ergebenden Indizien und die Feststellung des Kreisbaumeisters bestätigt.
33 
Der Sachverständige hat alle verfügbaren Informationen über den früheren Geländezustand gesichtet und bewertet. Er hat zunächst in einem ersten Schritt das Liegenschaftskataster Baden-Württemberg sowie topographische und bauleitplanerische Unterlagen der Gemeinde ... eingesehen. Er stellt fest, dass Informationen über den Bestand des Geländes vor Errichtung von Wohnhaus und Garage auf dem Baugrundstück nur in Baugesuchen für die Bauvorhaben des Klägers und der Beigeladenen enthalten seien (S. 2 bis 4 des Gutachtens vom 04.12.2013 unter Nr. 3.1). Sodann hat er in einem zweiten Schritt anhand dieser Bauvorlagen dargelegt, dass die zeichnerischen Darstellungen und Angaben über den Geländeverlauf in den Bauvorlagen des Klägers von 1993 und 1995 (Wohnhaus, Garage) sowie der Beigeladenen von 2005 und 2006 (Wohnhaus, Garage) keinen gesicherten Schluss auf den (Höhen-)Verlauf der Geländeoberfläche vor Errichtung von Wohnhaus und Garage auf dem Baugrundstück zuließen, weil sie mehrfach widersprüchlich seien und voneinander abwichen. Zudem ließen die vom Kläger vorgelegten Lichtbilder nicht den Schluss zu, dass das Gelände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze im Zuge der Bauaktivitäten aufgeschüttet worden sei (Gutachten S. 11 - 16 unter Nr. 5). Der Sachverständige hat sodann in einem dritten Schritt aus einer in den Jahren 2000 bis 2005 vom Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung (LGL) durchgeführten Laserscan-Befliegung des Landes Baden-Württemberg für das engere Gebiet des Baugrundstücks und umgebende Flächen eine im Jahr 2002 gewonnene "Punktwolke" mit hinterlegten Höhendaten des Geländes verwertet, deren Genauigkeit das LGL mit ± 0,20 m angibt. Der aus diesen Informationen ableitbare Geländeverlauf an der streitigen Südwestgrenze des Baugrundstücks entspreche in weiten Teilen dem aktuellen Geländeverlauf an der Mauer auf dem Nachbargrundstück des Klägers (Gutachten S. 16 - 19 unter Nr. 6.1). Die Tragfähigkeit dieser Schlussfolgerung wird sodann in einem abschließenden vierten Schritt anhand weiterer Erkenntnisse, insbesondere aus Lichtbildern über die Örtlichkeit zu verschiedenen Zeitpunkten, Plänen aus Baugesuchen und des vom Sachverständigen aufgenommenen aktuellen Geländezustands bestätigt. Aus der hiernach erstellten Planzeichnung Anlage 21 zum Gutachten ergibt sich zwischen dem höchsten Schnittpunkt der Sockelwand der Garage mit der unter Berücksichtigung der Daten der Laserscan-Befliegung des Jahres 2002 gewonnenen, als blaue Linie dargestellten Geländeoberfläche an der Grenze bis zur Dachhaut der Garage eine Höhe von 3,70 m. Der in den Unterlagen zum Bauantrag für eine Garage auf dem Baugrundstück dargestellte Geländeverlauf habe daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht den tatsächlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt des Bauantrags entsprochen (Gutachten S. 19 - 22 unter Nr. 6.2 und 6.3 und S. 25, dritter Absatz). Der Sachverständige weist abschließend darauf hin, dass bei den Höhenangaben zwischen festen Bauteilen und der Geländeoberfläche mit Abweichungen ± 0,05 m zu rechnen sei, weil Geländepunkte nicht eindeutig und klar definiert seien (Gutachten S. 25 letzter Absatz). Der Senat hält diese Feststellungen und Bewertungen für überzeugend. Mängel des Gutachtens, insbesondere was Methodik und Schlussfolgerungen angeht, sind nicht erkennbar; einzelne Unklarheiten hat der Sachverständige mit der Erläuterung des Gutachtens in der Verhandlung beseitigt. Die geltend gemachten Bedenken und Einwendungen des Beklagten und der Beigeladenen sind nicht begründet.
34 
Der Beklagte macht - nur - geltend, es bestünden erhebliche Zweifel an der Genauigkeit der Daten aus Laserscan-Befliegung des LGL. Die vom LGL mit ± 0,20 m angegebene Genauigkeit beziehe sich nur auf eindeutige Oberflächen. Das aus diesen Daten vom LGL erstellte Digitale Geländemodell (DGM) habe, weil es Flächen ohne Laserpunkte am Boden durch Interpolation schließe und die Modellierung eine leichte Glättung bewirke, nur eine durchschnittliche Genauigkeit von ± 0,50 m, da Qualität und Zuverlässigkeit des DGM von Bewuchs, Geländeform, Bebauung und anderen Faktoren abhängig. Derartige Besonderheiten bestünden auch hier, weil die Geländestruktur an der Grenze zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück des Klägers aufgrund von Mauern, Abstufungen und Bewuchs - wie die dem Gutachten beigefügten Fotos belegten - schwierig sei und es dort nur eine geringe Dichte von originären Laserpunkte gebe bzw. teilweise Messwerte fehlten. Diese Einwendungen greifen nicht durch. Der Sachverständige hat bei seiner Erläuterung des Gutachtens angegeben, ihm sei bekannt, dass die Daten aus der Laserscan-Befliegung mit Unsicherheiten behaftet seien und dass bei einem auf ihrer Grundlage erstellten digitalen Geländemodell in der Regel eine größere Abweichung anzunehmen sei. Hier habe jedoch die Besonderheit bestanden, dass die Höhendaten zahlreicher Laserpunkte mit seinen Messergebnissen vor Ort und den Erkenntnissen aus Lichtbildern überstimmten, was eine größere Genauigkeit rechtfertige. Er habe so viele Punkte in der Wirklichkeit gefunden, die seine Ergebnisse bestätigten, dass aus seiner Sicht daran keine durchgreifenden Zweifel bestünden. Zwar sei ein mathematisches Modell mit Laserpunkten in einem Gelände wie dem vorliegenden nicht sehr aussagekräftig. Er habe seine Ergebnisse jedoch nicht auf das DGM des LGL gestützt und aus Laserpunkten unkritisch hochgerechnet, sondern andere Umstände zur Interpretation herangezogen. Seine Ergebnisse stützten sich auch auf die durch einen relativ homogenen Geländeverlauf geprägten tatsächlichen Gegebenheiten und den Vergleich von Einzelpunkten. Selbst wenn er die Einwände des Beklagten berücksichtige, ergäbe sich nur eine Abweichung von 0,10 bis 0,20 m zu der von ihm rekonstruierten Geländehöhe. Der Senat hält diese Erläuterungen für plausibel und überzeugend. Die Einwendungen des Beklagten erscheinen danach schon deshalb unbegründet, weil sie außer Acht lassen, dass das Gutachten den früheren Geländeverlauf (blaue Linie in der Planzeichnung Anlage 21 zum Gutachten) nicht bloß anhand der Höhendaten aus der Laserscan-Befliegung abstrakt hochgerechnet, sondern unter Berücksichtigung weiterer Erkenntnisse über die Örtlichkeit, insbesondere aus Lichtbildern, Plänen in Baugesuchen und eigenen Messergebnissen des Sachverständigen vor Ort konkret rekonstruiert. Deshalb und weil das Gutachten insoweit auch die sich aus Lichtbildern ergebenden Indizien sowie die Feststellung des Kreisbaumeisters in seinem Aktenvermerk vom 24.07.2007 bestätigt ((1)), besteht auch kein Anlass, unter Berücksichtigung der Einwände des Beklagten eine zusätzliche Abweichung einzurechnen, die nach den ergänzenden Darlegungen des Sachverständigen ohnehin höchstens 0,10 - 0,20 m betrüge. Zu berücksichtigen ist allenfalls die Ungenauigkeitstoleranz ± 0,05 m, auf die der Sachverständige in seinem Gutachten abschließend hinweist.
35 
Die Beigeladenen haben lediglich auf Bedenken des Zeugen F., dem das Gutachten vorgelegt worden sei, verwiesen. Der Zeuge F. hat bei seiner nochmaligen Vernehmung indes nichts vorgebracht, was die Richtigkeit des Gutachtens in Frage stellen könnte. Auf Nachfrage hat er vielmehr der Aussage des Sachverständigen zugestimmt, dass die blaue Linie in der Planzeichnung Anlage 21 zum Gutachten am wahrscheinlichsten den damaligen Geländeverlauf darstelle. Er hat diese Aussage im Folgenden zwar dahin relativiert, er meine damit nicht die tatsächliche Höhe, sondern nur den geraden Verlauf der blauen Linie. Diese Einschränkung stellt die Richtigkeit des Gutachtens im Übrigen jedoch nicht in Frage. Auch die sonstigen Angaben des Zeugen F. zum früheren Geländeverlauf blieben bei seinen beiden Vernehmungen derart unsicher und vage, dass daraus keine Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens abzuleiten sind. Vielmehr bestätigen seine Einlassungen teilweise eher die Erkenntnisse des Gutachtens zum Höhenunterschied zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück des Klägers, wie der Sachverständige auf Vorhalt der Aussage des Zeugen F. in der Verhandlung am 24.03.2014 überzeugend dargelegt hat.
36 
(3) Eine weitere Erforschung des Sachverhalts ist nicht geboten. Die in der Berufungsverhandlung am 10.07.2013 gestellten Hilfsbeweisanträge haben sich durch die Wiederöffnung der mündlichen Verhandlung erledigt. In der erneuten Berufungsverhandlung am 24.03.2014 wurden keine weiteren (Hilfs-)Beweisanträge gestellt. Eine weitere Sachverhaltserforschung, insbesondere durch Vernehmung der benannten weiteren Zeugen, drängt sich auch nicht von Amts wegen auf. Die von den Beigeladenen mit ihrem in der Verhandlung am 10.07.2013 gestellten Hilfsbeweisantrag unter Beweis gestellte Tatsache, „dass das Stützbauwerk unterhalb der Garage auf dem Grundstück des Klägers gemessen ab der Bodenplatte ein Meter hoch war“, ist nicht entscheidungserheblich. Denn für die Berechnung der Wandhöhe kommt es - wie dargelegt - nur auf den Schnittpunkt der Sockelwand (“Stützbauwerk“) mit dem höchsten Punkt der Geländeoberfläche auf dem Baugrundstück, nicht aber auf Umstände auf dem Grundstück des Klägers an. Ungeachtet dessen ist nicht ansatzweise dargelegt oder sonst erkennbar, wann und unter welchen Umständen die von den Beigeladenen insoweit benannten Zeugen Kenntnis über die maßgenaue Höhe der tatsächlich ausgeführten Sockelwand erlangt haben könnten.
37 
2. Der Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO a.F. und die damit einhergehende Rechtsverletzung des Klägers sind durch die Baugenehmigung vom 03.07.2006 nicht unerheblich geworden. Denn diese Baugenehmigung deckt die errichtete Garage nicht. Die genehmigte und die tatsächlich errichtete Garage sind nicht identisch. Das folgt bereits aus ihren deutlich voneinander abweichenden Standorten. Zudem ist das Dach in geänderter Form und Größe ausgeführt worden und die tatsächlich errichtete Garage hat 5,7 m3 mehr Bruttorauminhalt.
II.
38 
Rechtmäßige Zustände können heute nicht auf andere Weise hergestellt werden. Die Erteilung einer Baugenehmigung (§ 58 Abs. 1 Satz 1 LBO) scheidet aus, weil der wegen ihres 40 m3 übersteigenden Bruttorauminhalts und der 3 m überschreitenden mittleren Wandhöhe nicht nach Nr. 1 a) oder b) des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO verfahrensfreien und damit genehmigungspflichtigen (§ 49 LBO) Garage weiterhin die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO entgegensteht und eine Abweichung davon nicht zugelassen werden kann.
39 
1. Die Voraussetzungen für einen § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO a.F. entsprechenden Sonderfall nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO, bei dem eine Abstandsfläche nicht erforderlich ist, sind nach wie vor nicht erfüllt, weil die Wandhöhe der Garage bzw. des Gebäudes einschließlich Sockelwand (s.o.) am höchsten Punkt der Geländeoberfläche (§ 6 Abs. 1 Satz 2 LBO) deutlich mehr als 3 m beträgt. Nach den Feststellungen des Sachverständigen P. beträgt sie ausgehend von den heute vor Ort feststellbaren Geländeverhältnissen an der Grenze zum Grundstück des Klägers sogar 3,85 m (vgl. Gutachten S. 24).
40 
2. Eine Abweichung von § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2 LBO kann nicht zugelassen werden.
41 
a) Die Voraussetzungen für die Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 LBO sind nicht erfüllt. Für einen Sonderfall nach Nr. 1 oder Nr. 3 dieser Vorschrift ist von vornherein nichts ersichtlich. Ein Sonderfall nach Nr. 2 scheidet jedenfalls deshalb aus, weil die Unterschreitung des Mindestmaßes der Abstandsflächentiefe nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO die nachbarlichen Belange des Klägers als Eigentümer des angrenzenden Grundstücks i. S. dieser Vorschrift erheblich beeinträchtigt.
42 
aa) Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs zur gleichlautenden Vorschrift des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO a.F. ist von der normativen Wertung auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig vorliegt, wenn der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe i. S. des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO a.F. unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist. Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsbeschluss vom 14.01.2010 - 8 S 1977/09 - NVwZ-RR 2010, 387 m.w.N.). An dieser Rechtsprechung ist nach dem Wegfall der gesetzlichen Unterscheidung zwischen nachbarschützenden und nicht nachbarschützenden Teilen der Abstandsflächentiefe durch das Änderungsgesetz vom 17.11.2009 (GBl. S. 615) jedenfalls für den hier gegebenen Fall einer Unterschreitung der Mindesttiefe der Abstandsfläche von 2,5 m nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO festzuhalten (Senatsurteil vom 06.04.2010 - 8 S 1529/08 - VBlBW 2011, 67). Das Interesse des Nachbarn deutlich mindernde oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassende Besonderheiten können sich aus den tatsächlichen Verhältnissen auf seinem Nachbargrundstück oder aus rechtlichen Besonderheiten ergeben, die beim Nachbargrundstück im Verhältnis zum Bauvorhaben vorliegen (Senatsbeschluss vom 14.01.2010, a.a.O. m.w.N.). Eine solche Besonderheit kann etwa darin bestehen, dass der Nachbar das Vorhaben in seiner grenznahen Lage schon seit langer Zeit in einer für den Bauherrn Vertrauen begründenden Weise hingenommen und sein materielles Abwehrrecht verwirkt hat (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 - VBlBW 2008, 190, juris Rn. 18). Bei der baulichen Änderung eines bestehenden grenznahen Gebäudes kann es aber auch ungeachtet von Besonderheiten auf dem Nachbargrundstück auf einen konkreten Vergleich zwischen vorhandenen und künftigen Beeinträchtigungen ankommen (Senatsbeschluss vom 27.11.2013 - 8 S 1813/13 - BauR 2014, 533, juris Rn. 20 und 23).
43 
bb) Im vorliegenden Fall gibt es weder solche Besonderheiten noch geht es um die bauliche Änderung eines grenznahen bestehenden Gebäudes.
44 
Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Nachbargrundstücks des Klägers wären insbesondere nicht deshalb gemindert, wenn das Gelände auf diesem Grundstück im Zuge der Errichtung des Einfamilienhauses in den 1990iger Jahren abgegraben worden sein sollte, um die tiefere Ausführung der Erdgeschoss-Fußbodenhöhe dieses Gebäudes zu ermöglichen. Die abstandsflächenrechtliche Schutzwürdigkeit des Grundstücks in Bezug auf Belichtung, Belüftung und Besonnung wäre dadurch schon deshalb nicht gemindert, weil eine solche Abgrabung, jedenfalls soweit sie das Gelände unterhalb der streitigen Garage bis zum Wohnhaus des Klägers beträfe, durch die weitere Baugenehmigung vom 01.02.1995, gegen die die beteiligten Eigentümer angrenzender Grundstücke damals keine Einwendungen erhoben haben, gedeckt würde. Zwar legalisiert diese Baugenehmigung ausdrücklich nur die um etwa 1 m tiefer ausgeführte Erdgeschoss-Fußbodenhöhe für das Einfamilienhaus. Diese Regelung schließt aber konkludent eine dazu gegebenenfalls notwendige Abgrabung des Geländes ein und erstreckt sich insoweit auch auf die zur bestimmungsgemäßen Benutzung des Einfamilienhauses notwendigen Flächen unmittelbar neben dem Gebäude, insbesondere für den Hauszugang an der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen. Ob das Gelände auf dem Grundstück des Klägers damals tatsächlich in diesem Umfang abgegraben worden ist, kann folglich offen bleiben.
45 
Der Kläger hat die Garage auch nicht seit langer Zeit in einer für die Beigeladenen Vertrauen begründenden Weise hingenommen und sein materielles Abwehrrecht verwirkt. Dies setzte voraus, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Abwehrrechts längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die seine verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist der Fall, wenn erstens der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), zweitens der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt würde (Vertrauenstatbestand) und drittens er sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung). Bei öffentlich-rechtlichen Nachbarstreitigkeiten ist insoweit die Besonderheit zu beachten, dass sich der Abwehranspruch des von einem Bauvorhaben berührten Nachbarn zwar formell gegen die Behörde richtet, von der Rechtsausübung materiell betroffen aber der Bauherr ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.09.1991 - 3 S 2000/91 - VBlBW 1992, 103 m.w.N.).
46 
Hier fehlt es bereits an einer Vertrauensgrundlage. Die Beigeladenen konnten im April 2007, als der Kläger gegenüber der zuständigen Baurechtsbehörde die zu hohe Garagen-/Sockelwand und eine von der Baugenehmigung abweichende Bauausführung der Garage rügte, nicht infolge eines bestimmten Verhaltens des Klägers darauf vertrauen, dass dieser sein Abwehrrecht nicht mehr geltend machen würde. Zwar war die Garage zu diesem Zeitpunkt bis auf Verputzarbeiten bereits über ein Jahr fertiggestellt. Allein dieser Zeitraum der Untätigkeit des Klägers begründete für die Beigeladenen jedoch keine Vertrauensgrundlage. Was die "lange Zeit" anbelangt, während der der Nachbar sein Recht nicht ausgeübt hat, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, gibt es keine allgemeingültigen Bemessungskriterien; maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182, juris Rn. 18 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.10.2012 - 2 B 1090/12 - juris Rn. 8). Wer sich gegen Rechtsverletzungen wehren will, muss dies aber in angemessener Zeit tun (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13.12.1999 - 4 B 101.99 - BRS Bd. 63 Nr. 203, juris Rn. 7, und vom 08.01.1997 - 4 B 228.96 - juris Rn. 5). Das gilt vor allem für den Nachbarn im Baurecht, weil das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis ihn verpflichtet, durch zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst gering zu halten (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294, juris Rn. 24). Aber auch eine längere Untätigkeit des Nachbarn führt dann nicht zum Verlust des Abwehrrechts durch Verwirkung, wenn der Bauherr das Bauvorhaben bereits sofort verwirklicht, ohne dazu durch das Verhalten des Nachbarn veranlasst worden zu sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991, a.a.O., Rn. 28).
47 
Gemessen daran war der seit den Baumaßnahmen für die Garage bis April 2007 verstrichene Zeitraum nach den Umständen dieses Einzelfalles nicht unangemessen lang. Insoweit fällt zu Lasten der Beigeladenen vor allem ins Gewicht, dass sie die - mit mehr als 40 m3 Brutto-Rauminhalt genehmigungspflichtige (§ 49 Abs. 1 LBO a.F.) - Garage abweichend von ihrem Bauantrag ohne Baugenehmigung sofort errichtet und damit vollendete Tatsachen geschaffen hatten. Sie konnten in der Zeit danach bis April 2007 nicht allein deshalb, weil der Kläger im Baugenehmigungsverfahren keine Einwendungen erhoben hatte, darauf vertrauen, er werde ein materielles Abwehrrecht gegen eine abweichend vom Bauantrag errichtete Garage nicht geltend machen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Kläger in Anbetracht der von Bauantrag und Baugenehmigung abweichenden Bauausführung sowie der unzutreffenden - irreführenden - Darstellung des Geländeverlaufs auf dem Baugrundstück in den Bauvorlagen für die Garage (siehe den Aktenvermerk des Kreisbaumeisters vom 24.05.2007 und das Gutachten des Sachverständigen P. vom 04.12.2013, S. 16) ein längerer Zeitraum zur Überprüfung zuzugestehen war. Bei dieser Sachlage bestand im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis kein begründeter Anlass, deutlich früher aktiv zu werden, um einen wirtschaftlichen Schaden für die Beigeladenen zu vermeiden oder ihren Vermögensverlust möglichst gering zu halten. Ungeachtet dessen ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beigeladenen in der Zeit nach Fertigstellung der Garage bis April 2007 tatsächlich darauf vertraut haben, der Kläger werde sein materielles Abwehrrecht nicht mehr ausüben (Vertrauenstatbestand), oder dass sie sich in diesem Zeitraum in ihren Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihnen durch die erst ab April 2007 betriebene Durchsetzung des materiellen Abwehrrechts des Klägers ein unzumutbarer Nachteil entsteht (Vertrauensbetätigung).
48 
b) Schließlich sind keine Anhaltspunkte dafür dargelegt oder erkennbar, dass eine der Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung, Ausnahme oder Befreiung nach § 56 Abs. 1 bis 5 LBO erfüllt sein könnte.
III.
49 
Unter diesen Voraussetzungen ist das Ermessen der Baurechtsbehörde auf die Pflicht reduziert, zur Beseitigung der Nachbarrechtsverletzung des Klägers gegenüber den Beigeladenen den vollständigen Abbruch der Garage (einschließlich Sockelwand) anzuordnen.
50 
1. Geht es um den Antrag eines Dritten, wegen der Verletzung einer ihn schützenden Vorschrift den Abbruch einer Anlage anzuordnen, ist das Entschließungsermessen der Baurechtsbehörde im Sinne einer Pflicht zum Einschreiten “auf Null“ reduziert, wenn der Rechtsverstoß besonders intensiv ist oder ein wesentliches Rechtsgut des Nachbarn gefährdet und sich nicht anders als durch einen (Teil-)Abbruch der Anlage beseitigen lässt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.09.1991 - 3 S 2000/91 - VBlBW 1992, 103). Das kann auch bei unzumutbaren Beeinträchtigungen des Nachbarn der Fall sein (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.12.1991 - 3 S 2358/91 - VBlBW 1992, 148 m.w.N.). Verstößt eine bauliche Anlage gegen eine drittschützende Vorschrift, die unzumutbare Beeinträchtigungen verbietet, ist die Baurechtsbehörde folglich in der Regel zum Einschreiten verpflichtet, es sei denn, es stünden ihr sachliche Gründe für eine Untätigkeit zur Seite (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 - VBlBW 2003, 470; Beschluss vom 13.12.1991, a.a.O.; Sauter, a.a.O: § 65 Rn. 79 f. m.w.N.). Ein danach gegebener Anspruch auf Einschreiten der Behörde kann allerdings nach Treu und Glauben (§ 242 BGB entspr.) ausgeschlossen, insbesondere verwirkt sein.
51 
Hiernach ist der Beklagte verpflichtet, den Abbruch der Garage (einschließlich Sockelwand) anzuordnen, weil die rechtswidrige Unterschreitung der nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO gebotenen Mindesttiefe der Abstandsfläche die durch diese Vorschrift geschützten nachbarlichen Belange des Klägers hinsichtlich der Belichtung, Belüftung und Besonnung seines Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt und diese Beeinträchtigung nur durch einen Abbruch der Garage zu beseitigen ist (a)), dem Beklagten keine sachlichen Gründe für eine Untätigkeit zur Seite stehen (b)) und der danach gegebene Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB entspr.) ausgeschlossen ist (c)).
52 
a) Bauordnungsrechtliche Abstandsflächenvorschriften gehören mit ihrem unmittelbaren räumlichen Bezug zu Nachbargrundstücken zum Kernbestand des öffentlichen Baunachbarrechts. Ihre nachbarschützende Wirkung besteht nach Sinn und Zweck der Abstandsflächenvorschriften grundsätzlich unabhängig von einer tatsächlich feststellbaren Beeinträchtigung des Nachbarn (Sauter, a.a.O. § 5 Rn. 10). Soweit sie Nachbarschutz vermitteln, indiziert bereits ihre Verletzung die Beeinträchtigung des Nachbarn in Belangen, deren Schutz die Abstandsflächenvorschriften dienen (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.10.1999 - 7 A 998/99 - NVwZ-RR 2000, 205, juris Rn. 30; HessVGH, Urteil vom 26.05.2008 - 4 UE 1626/06 - ESVGH 59, 8, juris Rn. 24; OVG Saarland, Urteil vom 23.04.2002 - 2 R 7/01 - BauR 2003, 1865, jeweils m.w.N.). Allerdings muss nicht jede derart indizierte Beeinträchtigung nachbarlicher Belange auch - im Sinne eines besonders intensiven oder ein wesentliches Rechtsgut des Nachbarn gefährdenden Rechtsverstoßes - stets unzumutbar sein. Für diese Bewertung könnte es vielmehr auch darauf ankommen, ob und inwieweit die bauliche Nutzbarkeit des Nachbargrundstücks im jeweiligen Einzelfall tatsächlich spürbar eingeschränkt wird (vgl. BayVGH; Beschluss vom 04.07.2011 - 15 ZB 09.1237 - juris Rn. 12; OVG Niedersachsen, Urteil vom 16.02.2012 - 1 LB 19/10 - NVwZ-RR, 2012, 427; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.10.2006 - 2 L 680/04 - juris Rn. 6). Einer solchen Einzelfallprüfung bedarf es jedoch nicht, wenn - wie hier - die Mindesttiefe der Abstandsfläche nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO unterschritten wird, kein Sonderfall i. S. des § 6 Abs. 1 LBO vorliegt, und weder eine geringere Tiefe der Abstandsfläche (§ 6 Abs. 3 LBO) noch eine Abweichung, Ausnahme oder Befreiung (§ 56 LBO) zugelassen werden kann. In einem solchen Fall ist dem Nachbarn die durch einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 LBO indizierte Beeinträchtigung seiner durch das Abstandsflächenrecht geschützten Belange grundsätzlich nicht zumutbar. Zwar mag in Bagatellfällen, bei denen es um Über- oder Unterschreitungen um wenige Zentimeter geht, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit oder des Schikaneverbots ausnahmsweise eine andere Bewertung angezeigt sein (vgl. HessVGH, Urteil vom 26.05.2008 - 4 UE 1626/06 - ESVGH 59, 8; OVG Niedersachsen, Urteil vom 29.10.1993 - 6 L 3295/91 - BauR 1994, 86 m.w.N.; ähnlich BayVGH, Beschluss vom 08.03.2007 - 1 ZB 06.898 - juris Rn. 16; a. A. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.03.2007 - 10 B 274/07 - BauR 2007, 1031). Das bedarf aus Anlass dieses Falles aber keiner Entscheidung. Denn ein solcher Bagatellfall liegt hier weder in Bezug auf die nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO gebotene Mindesttiefe der Abstandsfläche noch hinsichtlich der Wandhöhe nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO a.F. bzw. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO vor. Die grenzständige Garage unterschreitet die Mindesttiefe der Abstandsfläche von 2,5 m vollständig bis auf Null und ihre Wandhöhe übersteigt die bei Grenzbauten zulässige Höhe von 3 m um mindestens 0,7 m ± 0,05 m. Die damit indizierte unzumutbare Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange des Klägers ist nur durch die Anordnung eines Abbruchs zu beseitigen. Andere, die Bausubstanz gänzlich schonende Maßnahmen, insbesondere eine bloße Nutzungsuntersagung, genügen nicht.
53 
b) Sachliche Gründe für eine Untätigkeit stehen der Baurechtsbehörde nicht zur Seite. Die in den Begründungen der angegriffenen Bescheide hierzu dargelegten “besonderen Gründe“ tragen die Ablehnung eines baurechtlichen Einschreitens zur Beseitigung der Nachbarrechtsverletzung nicht. Die Erwägung des Landratsamts, der Geländeverlauf an der Grenze bei Errichtung der Garage sei nicht mehr zweifelsfrei zu ermitteln, ist unzutreffend, wie die durchgeführte Beweiserhebung belegt, die auch der Behörde möglich gewesen wäre (§ 24 Abs. 1 LVwVfG). Der die Ablehnung tragende weitere Gesichtspunkt, Belichtung und Belüftung der Räume an der Nordostseite des Wohnhauses des Klägers seien nicht erheblich eingeschränkt, ist kein sachlicher Grund, weil schon wegen der Unterschreitung der Mindesttiefe der Abstandsfläche nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO und mangels eines Bagatellfalles von einer unzumutbaren Beeinträchtigung der abstandsflächenrechtlich geschützten nachbarlichen Belange des Klägers auszugehen ist (s.o.). Schließlich ist ein Abbruch der Garage entgegen der Ansicht des Landratsamts auch nicht wegen - von der Behörde der Höhe nach nicht näher ermittelter - “enormer Kosten“ im engeren Sinne unverhältnismäßig. Die Beigeladenen haben die genehmigungspflichtige Garage vor Erteilung der Baugenehmigung abweichend von ihrem Bauantrag auf eigenes Risiko formell und materiell rechtswidrig errichtet. Der mit einem Abbruch dieser Anlage verbundene, zweifellos nicht unerhebliche finanzielle Aufwand ist im Verhältnis zum Gewicht des Nachbarrechtsverstoßes nicht unangemessen und den Beigeladenen zumutbar. Würde der in die (nachbar-)rechtswidrige Errichtung baulicher Anlagen investierte Kostenaufwand berücksichtigt, wäre dies geradezu eine Ermunterung, finanziell besonders aufwändige Vorhaben zunächst illegal zu realisieren, um anschließend die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände zu verhindern.
54 
c) Der danach gegebene Anspruch des Klägers auf Einschreiten der Baurechtsbehörde ist auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen, insbesondere nicht verwirkt. Insoweit gilt hier im Ergebnis nichts Anderes als für das materielle Abwehrrecht des Klägers (s.o.). Die im Bescheid des Landratsamts vertretene Ansicht, ein Nachbar müsse der Baurechtsbehörde Abweichungen von genehmigten Plänen oder eine illegale Bautätigkeit in der Regel “analog der Rechtsmittelfrist“ innerhalb eines Monats nach Kenntnisnahme des Bauvorhabens anzeigen, um das Recht auf ein Einschreiten der Behörde zu nicht zu verwirken, ist unzutreffend. Zwar ist bei der Verwirkung grundsätzlich zwischen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Rechtspositionen n zu unterscheiden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.03.1988 - 4 B 50.88 - NVwZ 1988, 730, juris Rn. 2 m.w.N.). Bei einer nicht genehmigten illegalen Bautätigkeit fehlt aber ein - auch das Vertrauen des Bauherrn begründender - verfahrensrechtlicher Anknüpfungspunkt, wie er etwa im Falle einer dem Nachbarn amtlich nicht bekannt gegebenen Baugenehmigung besteht, bei der nach Treu und Glauben eine Rechtsbehelfsfrist von einem Jahr ab - möglicher - Kenntnis der Baugenehmigung läuft (BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294).
55 
2. Das Auswahlermessen der Baurechtsbehörde ist ebenfalls dergestalt “auf Null“ reduziert, dass allein die Anordnung eines vollständigen Abbruchs der Garage gegenüber den Beigeladenen als bauordnungsrechtlich verantwortlichen Eigentümern und Bauherren der Garage (§ 7 PolG, §§ 41, 42 LBO) in Betracht kommt. Die Anordnung nur eines teilweisen Abbruchs (“Rückbau“) der Garage, etwa bis auf das gesetzlich zulässige Maß der Wandhöhe von 3 m, scheidet aus. Nach den insoweit maßgebenden heutigen Geländeverhältnissen beträgt die Wandhöhe - gemessen am höchsten Punkt der Geländeoberfläche auf dem Baugrundstück - 3,85 m (vgl. Gutachten S. 24). Sie wäre danach um 0,85 m zu reduzieren. Die Garage ist insoweit indes weder bautechnisch noch nach den Vorstellungen der beigeladenen Bauherren teilbar (vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.03.1997 - 10 A 853/93 - BRS Bd. 59 Nr. 209). Es ist grundsätzlich nicht Sache der einschreitenden Baurechtsbehörde, in eingehendere Überlegungen darüber einzutreten, ob dem rechtswidrigen Zustand durch irgendwelche baulichen Änderungen abgeholfen und damit ein vollständiger Abbruch vermieden werden könnte. Zur Wahrung der Interessen des Betroffenen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit reicht es aus, dass die Behörde am vollständigen Abbruch nicht festhalten darf, wenn der Betroffene ein von ihm als milder empfundenes, zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes ebenfalls geeignetes Mittel anbietet (st. Rspr. vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.06.1973 - IV B 58.72 - BRS Bd. 27 Nr. 151, juris Rn. 5 m.w.N.). Letzteres ist bislang nicht der Fall. Die Beigeladenen haben weder der Baurechtsbehörde noch dem Senat einen hinreichend konkreten Änderungsvorschlag unterbreitet. Ob in ihrem pauschalen Vortrag in der Berufungsverhandlung, es sei denkbar, die Gesamthöhe von Garagen- und Sockelwand durch Wegnahme von bis zu zwei Steinreihen der Garagenwand zu reduzieren, ein solches Angebot gesehen werden könnte, kann dahinstehen. Denn ausgehend von der derzeitigen Wandhöhe von 3,85 m wäre mit einer Wegnahme von bis zu zwei Steinreihen das gesetzlich zulässige Maß von 3 m nicht zu erreichen, wie die Vertreter des Beklagten und der Beigeladenen in der Verhandlung am 24.03.2014 eingeräumt haben. Zudem haben die Beigeladenen ausdrücklich vorgebracht, die Wegnahme von mehr als zwei Steinreihen der Garagenwand ließe eine sinnvolle Nutzung des danach verbleibenden Garagenraumes nicht mehr zu. Folglich steht dem Kläger ein Anspruch auf Anordnung des vollständigen Abbruchs der Garage einschließlich zugehöriger unselbständiger Bauteile, insbesondere der als Fundament dienenden Sockelwand zu. Allerdings bleibt es den Beigeladenen überlassen, auch nach Rechtskraft dieses Urteils als "milderes Mittel" eine nachbarrechtskonforme Garage unter Verwendung von Teilen des rechtswidrigen Bauwerks zur Genehmigung zu stellen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.01.1996 - 10 A 1464/92 - BRS Bd. 58 Nr. 115, juris Rn. 38 ff.) und - wie hier besonders zu betonen ist - auch dementsprechend auszuführen.
B.
56 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 25. März 2014
58 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 7.500,-- Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG, in Anlehnung an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs Fassung Juli 2004, NVwZ 2004, 1327; am Streitwertkatalog 2013 orientiert sich der Senat dem Rechtsgedanken des § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG folgend nur in Verfahren, die ab dem 01.01.2014 bei ihm anhängig geworden sind).
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.


Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 23. August 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die übrigen Beteiligten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Widerspruchsbescheid des Stadtrechtsausschusses der Beklagten, mit dem eine ihm erteilte Baugenehmigung auf den Widerspruch der Beigeladenen hin aufgehoben wurde.

2

Der Kläger ist Betreiber der sog. „Musikwerkstatt“, die als Veranstaltungsort für Live-Konzerte, Mottoparties, Comedy- und Kleinkunstveranstaltungen dient. Nachdem das Lokal am 30. Januar 2009 an seinem ursprünglichen Standort in der L... Straße .. bis .. durch einen Brand zerstört worden war, fand der Kläger mit Unterstützung der Beklagten Anfang Februar 2009 einen Ersatzstandort in dem Gebäude der früheren Garnisonsbäckerei der ehemaligen Condé-Kaserne in der L... Straße ... Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Naulott Guckinsland III. Änderung“ der Beklagten, der für diesen Bereich ein eingeschränktes Gewerbegebiet ausweist; nach Ziffer 1.3.2 der Textfestsetzungen werden Ausnahmen gemäß § 8 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 BauNVO – also u. a. Vergnügungsstätten – nicht zugelassen. Hingegen kann in diesem Gewerbegebiet nach Ziffer 1.3.1 der Textfestsetzungen ausnahmsweise je Betrieb eine Wohnung für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen oder Betriebsinhaber und Betriebsleiter gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO zugelassen werden.

3

Am 9. März 2009 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Bauantrag auf Genehmigung der teilweisen Nutzungsänderung und des Umbaus des vorhandenen Gebäudes in der L... Straße .. zu einer Gaststätte mit regelmäßigen Musikveranstaltungen. Dem Bauantrag war ein Dekra-Gutachten vom 17. März 2009 über die Prognose von Schallimmissionen beigefügt. Ausweislich der darin enthaltenen Betriebsbeschreibung handelt es sich nicht um einen Diskothekenbetrieb, sondern um einen Veranstaltungsraum mit Live-Konzerten, Mottoparties, Comedy- und Kleinkunstveranstaltungen für 250 bis 300 Besucher. Auf dem Gelände seien 55 Stellplätze vorgesehen. Die Zu- und Abfahrten zum Parkplatz sollten von der L... Straße aus über eine ca. 150 m lange Stichstraße auf das ehemalige Kasernengelände erfolgen. Die Gaststätte solle wie im vorherigen Betrieb nur freitags und samstags sowie an Tagen vor Feiertagen in der Zeit von 22 bis 5 Uhr betrieben werden. Wie beim bisherigen Betrieb sei vorgesehen, dass für die Besucher kein Recht auf wiederholten Einlass an einem Veranstaltungsabend bestehe. Die schalltechnische Prognose gelangte zu dem Ergebnis, dass die einschlägigen Immissionsrichtwerte der TA Lärm für Gewerbegebiete an den nächstgelegenen Wohnnutzungen im Gewerbegebiet beim Betrieb der „Musikwerkstatt“ unterschritten werden.

4

Mit Bescheid vom 16. April 2009 erteilte die Beklagte dem Kläger einen „vorläufigen Bauschein“ zur Nutzungsänderung des Gebäudes in eine „Gaststätte mit regelmäßigen Musikveranstaltungen mit max. 300 Personen.“ Die „vorläufige Baugenehmigung“ wurde auf jederzeitigen Widerruf und unter zahlreichen Auflagen erteilt; u. a. seien die Voraussetzungen, Bedingungen, Vorgaben und Grenzwerte aus dem vorgelegten Dekra-Gutachten sowie in Bezug auf das nächstgelegene Wohnhaus bzw. die nächstgelegene Betriebswohnung die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für Gewerbegebiete einzuhalten; weitergehende Forderungen bezüglich des Lärmschutzes blieben vorbehalten. Außerdem wurden gewerbeaufsichtliche Auflagen der SGD Süd, die sich auf den Betrieb von Diskotheken beziehen, zum Gegenstand der Genehmigung gemacht.

5

Nach Wiedereröffnung der „Musikwerkstatt“ am 18. April 2009 wandten sich u. a. Anwohner der L... Straße mit Beschwerden über Lärmbelästigungen und Müllablagerungen durch Gäste der Musikwerkstatt an die Beklagte. Ein an den Leiter des Ordnungsamtes der Beklagten gerichtetes Beschwerdeschreiben vom 12. Mai 2009 wurde auch von den Beigeladenen zu 1) und 2) unterzeichnet. Diese sind Eigentümer des östlich der „Musikwerkstatt“ im Geltungsbereich desselben Bebauungsplans gelegenen Grundstücks „L... Straße …“ (Flurstück-Nr. 3641/31), auf dem sie ein Gerüstbauunternehmen betreiben und die im Dachgeschoss des Anwesens gelegene Betriebswohnung bewohnen. Ausweislich des Dekra-Gutachtens handelt es sich um die zur „Musikwerkstatt“ nächstgelegene Wohnung.

6

Mit Anwaltsschreiben vom 14. Juli 2009 wandten sich die Beigeladenen erneut mit Beschwerden über Ruhestörungen und Abfallablagerungen durch Gäste der Musikwerkstatt an die Beklagte und baten u. a. um Auskunft darüber, ob der einschlägige Bebauungsplan einen Diskothekenbetrieb wie die „Musikwerkstatt“ zulasse. Daraufhin wurden ihnen mit Schreiben der Beklagten vom 19. August 2009 Kopien des Bebauungsplans und der Baugenehmigung übersandt.

7

Mit Anwaltsschreiben vom 8. September 2009 legten die Beigeladenen gegen die Baugenehmigung vom 16. April 2009 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie u. a. geltend machten, die Musikwerkstatt sei in dem festgesetzten Gewerbegebiet unzulässig, da der Bebauungsplan Vergnügungsstätten ausschließe.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2010 gab der Stadtrechtsausschuss der Beklagten dem Widerspruch der Beigeladenen statt und hob die Baugenehmigung vom 16. April 2009 auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei der „Musikwerkstatt“ handele es sich um eine Vergnügungsstätte, da der Betrieb durch ständig wechselnde Unterhaltungsprogramme, insbesondere Tanz- und Musikdarbietungen sowie sog. Mottoparties geprägt werde. Deutliche Kennzeichen für eine Vergnügungsstätte in Gestalt einer Diskothek seien auch die Erhebung eines Eintrittsgeldes, die Öffnungszeiten ab 22.00 Uhr, der Umstand, dass es keine Küche gebe, sowie das Angebot eines Einwilligungsformulars für den Diskothekenbesuch von Jugendlichen unter 18 Jahren auf der Homepage des Betriebs. Als Vergnügungsstätte sei das Vorhaben wegen des diesbezüglichen Nutzungsausschlusses im Bebauungsplan unzulässig. Daraus ergebe sich eine Rechtsverletzung der Nachbarn, die sich auf einen Anspruch auf Bewahrung der Gebietsart berufen könnten.

9

Zur Begründung seiner beim Verwaltungsgericht erhobenen Klage hat der Kläger insbesondere vorgetragen: Die genehmigte Nutzungsänderung sei planungsrechtlich zulässig, da es sich nicht um eine Diskothek, sondern um einen Veranstaltungsort mit Live-Konzerten, Mottoparties, Comedy- und Kleinkunstveranstaltungen handele; es werde lediglich das bisherige Konzept der Musikwerkstatt an einem neuen, nur 200 m vom bisherigen Standort entfernten Standort fortgesetzt. Die Beklagte habe sein Vorhaben stets unterstützt. Da er das Vorhaben mittlerweile vollständig verwirklicht, insbesondere umfangreiche Schallschutzmaßnahmen getroffen habe, stehe ihm zumindest ein Befreiungsanspruch zur Seite. Es sei nicht ersichtlich, welche Gründe zum Ausschluss von Vergnügungsstätten in dem Gebiet geführt hätten. Das ursprüngliche Gebietskonzept sei durch neuere Entwicklungen überholt, nachdem in unmittelbarer Nähe zum Betrieb der Beigeladenen eine Lagerhalle genehmigt worden sei und es Pläne für die Errichtung eines Bahnhaltepunktes in dem Gebiet gebe, von dem zusätzlicher Lärm zu erwarten sei.

10

Im Übrigen hätten die Beigeladenen ihr Widerspruchsrecht verwirkt, da sie schon seit Februar 2009 über das Vorhaben informiert gewesen seien.

11

Der Kläger hat beantragt,

12

den Widerspruchsbescheid vom 15. März 2010 aufzuheben.

13

Die Beklagte hat auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen und beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Die Beigeladenen haben ebenfalls beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Sie haben zur Begründung auf ihr Widerspruchsvorbringen und den Widerspruchsbescheid verwiesen.

18

Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße hat die Klage durch Urteil vom 23. August 2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Widerspruchsbescheid habe die Baugenehmigung vom 16. April 2009 zu Recht aufgehoben, weil diese die Beigeladenen in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletze. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beigeladenen ihr nachbarliches Abwehrrecht ausnahmsweise vor Ablauf der ihnen grundsätzlich für die Einlegung des Widerspruchs zuzubilligenden Jahresfrist ab Kenntnis von der Erteilung der Baugenehmigung verwirkt haben könnten. Der Kläger habe selbst nicht vorgetragen, dass die Beigeladenen bereits früher eindeutig zu erkennen gegeben hätten, dass sie die Zulassung der Nutzungsänderung akzeptieren wollten. Auf den Umstand, dass über das Vorhaben bereits Anfang Februar 2009 und damit zwei Monate vor Erteilung der Baugenehmigung in der Presse berichtet worden sei, komme es insoweit nicht an. Die Baugenehmigung sei unter Verletzung der Nachbarrechte der Beigeladenen erteilt worden. Das Vorhaben des Klägers sei bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es nach der Art der Nutzung dem einschlägigen Bebauungsplan widerspreche. Ungeachtet der Bezeichnung als Nutzungsänderung in eine Gaststätte habe die Beklagte den Betrieb einer Vergnügungsstätte zugelassen. Dies ergebe sich aus dem Zusatz „mit regelmäßigen Musikveranstaltungen mit max. 300 Personen“ in der Nutzungsbestimmung, aber auch aus den genehmigten Plänen und den beigefügten Nebenbestimmungen. Da das Grundstück des Klägers in dem durch den Bebauungsplan, gegen dessen Rechtsverbindlichkeit keine Bedenken bestünden, ausgewiesenen Gewerbegebiet gelegen sei, könnten dort gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO Vergnügungsstätten nur ausnahmsweise zugelassen werden. Die Zulassung der „Musikwerkstatt“ auf der Grundlage der Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB komme jedoch nicht in Betracht, weil im Bebauungsplan die Erteilung von Ausnahmen nach § 8 Abs. 3 BauNVO durch Ziffer 1.3.2 der Textfestsetzungen ausdrücklich ausgeschlossen worden sei. Sei das Vorhaben in dem maßgeblichen Bebauungsplangebiet nach der Art der Nutzung unzulässig, so folge daraus bereits eine Verletzung der Nachbarrechte der Beigeladenen. Als Grundstückseigentümern im selben Baugebiet stehe ihnen der aus §§ 30 Abs. 1 BauGB, 8 BauNVO abzuleitende Schutzanspruch des Nachbarn auf Bewahrung der Gebietsart nach der BauNVO zu. Im Rahmen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses könne jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebietes unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern. Auf die Frage, ob vom Betrieb der „Musikwerkstatt“ unzumutbare Beeinträchtigungen des Grundstücks der Beigeladenen ausgingen, komme es daher nicht an. In diesem Zusammenhang sei auch nicht zu prüfen, ob der Kläger einen Anspruch auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB habe. Mit der Erteilung der angefochtenen Baugenehmigung sei keine konkludente Befreiungsgewährung zur Art der Nutzung des Vorhabens verbunden gewesen, da die Beklagte offenbar den Betrieb der „Musikwerkstatt“ nicht als Vergnügungsstätte angesehen und daher keine Notwendigkeit für eine Befreiungserteilung gesehen habe. Das bloße Vorliegen einer Befreiungslage genüge nicht, um die Baugenehmigung als rechtmäßig ansehen zu können. Vielmehr bedürfe es der tatsächlichen Befreiungserteilung, wenn nur dadurch ein bestimmtes Vorhaben in einem Baugebiet zugelassen werden könne.

19

Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Er halte daran fest, dass die ihm erteilte Baugenehmigung vom 16. April 2009 bestandskräftig sei. Hier liege ein Fall vor, in dem nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Nachbarrechte schon vor Ablauf der grundsätzlich bestehenden Jahresfrist verwirkt seien, weil der Nachbar durch sein Verhalten beim Bauherrn den berechtigten Eindruck erweckt habe, er werde keine Einwendungen gegen das Bauvorhaben erheben. Bereits am 4. Februar 2009 sei u. a. auf seine Veranlassung hin in der „Rheinpfalz“ berichtet worden, dass die „Musikwerkstatt“ innerhalb der nächsten 5 Wochen in den jetzigen Räumlichkeiten wieder eröffnet werden solle. Spätestens zu diesem Zeitpunkt seien auch die Beigeladenen über die konkret anstehende Nutzungsänderung in den Räumlichkeiten der Condé-Kaserne informiert gewesen. Nach Erhalt des Bauscheins vom 16. April 2009 habe er zu allen Anwohnern im Plangebiet, insbesondere auch zu den Beigeladenen persönlich Kontakt aufgenommen und sie über Details der anstehenden Bauarbeiten und Arbeitsabläufe, die geplanten Öffnungszeiten und dergleichen informiert und dabei deutlich gemacht, dass er persönlich im Falle von Beanstandungen als Ansprechpartner zur Verfügung stehe; hierzu habe er seine Kontaktdaten, einschließlich Mobilfunknummer, hinterlassen. Spätestens im März/April 2009 seien die Beigeladenen vollumfänglich über sämtliche Vorgänge sowie die grundlegende Konzeption der Musikwerkstatt informiert gewesen. Sie hätten ursprünglich auch ihre Kooperation zugesagt. Aus für ihn nicht nachvollziehbaren Gründen hätten die Beigeladenen jedoch mit Schreiben vom 9. September 2009 Widerspruch erhoben, ohne von seinem Angebot Gebrauch gemacht zu haben, ihn direkt zu kontaktieren und etwaige Beschwerden vorzubringen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Betrieb des Unternehmens bereits im Gange und die Arbeiten seien weitestgehend abgeschlossen gewesen, alle Auflagen aus dem Bauschein seien nahezu vollständig erfüllt worden. Die Beigeladenen hätten erstmals im Widerspruchsverfahren geltend gemacht, dass der Betrieb des Klägers am jetzigen Standort baurechtlich nicht zulässig sei.

20

Er habe im Vertrauen auf den Fortbestand der Baugenehmigung umfangreiche Investitionen und sonstige Arbeiten mit einem Volumen von 150.000 bis 170.000 € getätigt, die im Falle einer Schließung des Objekts nahezu vollständig dort verbleiben müssten. Die wesentlichen Umbau-, Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten hätten im Zeitraum von Februar bis August/September 2009 stattgefunden, wobei ein Großteil der Arbeiten in Eigenleistung zusammen mit seinen Mitarbeitern durchgeführt worden sei; die genaue zeitliche Abfolge der überwiegend ineinander übergehenden Arbeiten lasse sich nicht immer Tag genau wiedergeben. Im Einzelnen seien folgende Arbeiten und Investitionen vorgenommen worden, zu denen der Kläger ein Konvolut von Rechnungen und Kassenbons vorlegt:

21

- Februar 2009: Umfangreiche Abbruch- und Maurerarbeiten; reine Materialkosten ca. 4063,22 €, insgesamt 74 Arbeitsstunden

22

- Februar 2009: Weitere Mauer- und Verputzarbeiten, insgesamt rund 297 Arbeitsstunden

23

- Februar bis März 2009: Anbringung einer Brandschutzisolierung an der Dachkonstruktion, Materialkosten i. H. v. 2.614,10 €, 64 Arbeitsstunden

24

- März 2009: Bau der „zweiten Ebene“ der Musikwerkstatt, Materialeinsatz rund 7.204,00 €, rund 140 Arbeitsstunden

25

- März 2009: Bau nahezu aller Treppen, Materialeinsatz ca. 6.434,16 €, rund 90 Arbeitsstunden

26

- März 2009: Installation der jeweiligen Treppengeländer, Materialeinsatz rund 1.316,12 €, rund 96 Arbeitsstunden

27

- März 2009: Bau der vollständigen Toilettenanlage, rund 155 Arbeitsstunden

28

- März 2009: Installation der Lüftungs- und Entrauchungsanlage, Materialkosten ca. 1.351,08 €, rund 45 Arbeitsstunden

29

- März 2009: Setzen von Brandschutz-, Zwischen-, Notausgang-, Büro-, WC- und Lagertüren, Materialeinsatz etwa 2.935,92 €, rund 9 Arbeitsstunden

30

- März 2009: Installation der Heizungsanlage und der Wasserversorgung, rund 4.956,70 € Material und rund 75 Arbeitsstunden

31

- „In diesem Zuge“: Durchführung von Schallschutzmaßnahmen, Materialkosten i. H. v. 1.190,55 €, rund 154 Arbeitsstunden

32

- Von März/April 2009 bis August 2009: Umfangreiche Schreinerarbeiten im Bar- und Bühnenbereich, rund 4.910.72 € an Materialkosten, rund 189 Arbeitsstunden

33

- Mai 2009: Verlegung von Böden, insgesamt 1.793,77 € an Materialkosten, rund 57 Arbeitsstunden

34

- August 2009: Errichtung des Büros, rund 431,97 € Materialeinsatz, rund 16 Arbeitsstunden

35

- August/September 2009: Installation ortsunveränderlicher Deko-Elemente, insgesamt rund 698,53 € Materialkosten, etwa 45 Arbeitsstunden

36

- „Während des gesamten Zeitraums“: Installation der Elektrotechnik des gesamten Anwesens durch Firmen Zimmer und Grün; Investitionskosten rund 19.640,93 € (laut beigefügter Auflistung aber „Februar-März 2009“)

37

- „Quasi durchgängig bis September 2009“: Tätigung von Investitionen in Sound-, Licht- und Videoeffekte i. H. v. 5.258,17 €

38

- „Februar bis August 2009“: Investitionen für Planungen, Prüfungen und nicht zuzuordnende Materialien i. H. v. ca. 9.508,89 €.

39

Insgesamt sei es ihm nicht zumutbar, die vorgenommenen Investitionen abzuschreiben und die Räumlichkeiten aufzugeben. Zwar habe er sich entschlossen, am 11. März 2011 einen weiteren Betrieb in Haßloch zu eröffnen.

40

Jedoch erwirtschafte er allein mit der „Musikwerkstatt“ Gewinne; dieser Betrieb bilde zumindest derzeit die einzige Existenzgrundlage für ihn und eine große Anzahl seiner Mitarbeiter. Im Falle einer Schließung der „Musikwerkstatt“ werde eine erhebliche Zahl von Arbeitsplätzen wegfallen. Daher überwiege das Vertrauen des Klägers in den Fortbestand der ihm erteilten Baugenehmigung die Interessen der Beigeladenen und der Beklagten deutlich.

41

Der Kläger beantragt,

42

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 15. März 2010 aufzuheben.

43

Die Beklagte beantragt,

44

die Berufung zurückzuweisen.

45

Sie trägt noch ergänzend vor: Die vom Kläger vorgenommenen Aufstellungen und Aufgliederungen seien nicht aussagekräftig. Die vorgelegten Belege ließen sich nicht eindeutig dem Standort „Musikwerkstatt“ zuordnen, sondern könnten auch für die von ihm betriebene Gastwirtschaft „Lounge“ in Neustadt oder für private Zwecke entstanden sein. Aus den zu den jeweiligen Tätigkeitsbereichen benannten Arbeitsstunden seiner Mitarbeiter gehe nicht hervor, welche Mitarbeiter in welcher Zahl dort tätig gewesen und wie die angefallenen Arbeitsstunden aufgezeichnet und abgerechnet worden seien. Der Kläger habe im Übrigen vorzeitig mit dem Bau begonnen und keine Baubeginnanzeige erstattet. Auch Mitteilungen über abschließende Fertigstellung oder Teilfertigstellungen fehlten.

46

Ferner weist die Beklagte darauf hin, dass sie einen Antrag des Klägers auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans mit Bescheid vom 12. Januar 2011 abgelehnt hat, und reicht diesen Bescheid zu den Gerichtsakten.

47

Die Beigeladenen beantragen,

48

die Berufung zurückzuweisen.

49

Zur Begründung tragen sie insbesondere vor, der Kläger könne sich gegen die erfolgreiche Anfechtung der Baugenehmigung durch die Beigeladenen nicht mit dem Einwand des Vertrauensschutzes verteidigen. Die Baugenehmigung sei ihnen gegenüber nicht in Bestandskraft erwachsen. Zum einen hätten sie mit der Einlegung des Widerspruchs am 8. September 2009 gegen die ihnen erst am 28. August 2009 bekannt gegebene Baugenehmigung die Widerspruchsfrist von einem Monat eingehalten. Zum anderen hätten sie ihr Widerspruchsrecht auch nicht verwirkt. Zwar könne in besonders gelagerten Fällen auch eine kürzere Frist als die bei nicht förmlicher Bekanntgabe der Baugenehmigung ab dem Zeitpunkt zumutbarer Kenntnisnahme relevanter Bautätigkeiten laufende Jahresfrist gelten, wenn der Nachbar durch aktives Tun dem Bauherrn vermittelt habe, mit dem Vorhaben einverstanden zu sein, so dass der Bauherr nicht mehr mit einer Anfechtung der Baugenehmigung zu rechnen brauchte und auf den wirtschaftlichen Nutzen seiner Investitionen vertrauen durfte. Dies komme hier jedoch nicht zum Tragen. Weder hätten die Beigeladenen dem Kläger zu erkennen gegeben, mit dem Vorhaben einverstanden zu sein bzw. nicht dagegen vorgehen zu wollen, noch habe dieser nachgewiesen, im Vertrauen auf die erteilte Baugenehmigung schutzwürdige Investitionen in das Vorhaben getätigt zu haben.

50

Die Behauptung des Klägers, er habe sämtliche Anwohner spätestens im März/April 2009 vollumfänglich in sämtliche Vorgänge, die geplanten Umbauarbeiten und die grundlegende Konzeption der Musikwerkstatt eingeweiht, entspreche nicht den Tatsachen. Sie hätten erstmals Anfang April 2009 Kontakt mit dem Kläger gehabt, als dieser sich in ihrem Anwesen als Betreiber der „Musikwerkstatt“ vorgestellt und mitgeteilt habe, dass der Betrieb in der folgenden Woche eröffnet werde. Er habe ihnen unter Angabe seiner Mobilfunknummer angeboten, sich bei Beschwerden an ihn zu wenden. Tatsächlich hätten sie sich bereits in der Woche nach der Eröffnung am 17. April 2009 dreimal veranlasst gesehen, den Kläger unter seiner Mobilfunknummer anzurufen und sich über Lärmbelästigungen durch Besucher der Musikwerkstatt zu beschweren. Der Kläger habe jeweils mitgeteilt, dass er nur bis etwa 00:00 Uhr in der „Musikwerkstatt“ sei und der Lärm während seiner Abwesenheit entstehe. Dies seien die einzigen Kontakte zwischen dem Kläger und ihnen gewesen. Danach hätten sie sich ausschließlich an die Beklagte gewandt. Da sich an den vom Betrieb der „Musikwerkstatt“ ausgehenden nächtlichen Ruhestörungen und Belästigungen nichts geändert habe, hätten sie sich schließlich am 6. Juli 2009 an ihre Prozessbevollmächtigte gewandt, die sich mit dem Schreiben vom 14. Juli 2009 bei der Beklagten für sie bestellt und über die baurechtliche Situation erkundigt habe. Nach Übersendung eines Abdrucks der Baugenehmigung mit Schreiben der Beklagten vom 19. August 2009 hätten sie mit Schreiben vom 8. September 2009 und damit unverzüglich nach Kenntnisnahme von der Baugenehmigung Widerspruch eingelegt. Mithin hätten sie zu keiner Zeit und in keiner Weise zum Ausdruck gebracht, keine Einwendungen gegen das Vorhaben erheben zu wollen.

51

Zudem sei die Behauptung des Klägers, er habe aufgrund eines berechtigten Vertrauens auf den Fortbestand der Baugenehmigung erhebliche Investitionen in einem Umfang von rund 170.000 € unmittelbar nach Erteilung der Baugenehmigung getätigt, unzutreffend. Aus den jetzt vorgelegten Aufstellungen ergebe sich vielmehr, dass er bereits im Februar 2009 und damit noch vor Beantragung der Nutzungsänderungsgenehmigung mit seinen Sanierungs- und Umbauarbeiten begonnen habe. Insgesamt weise die vorgelegte Aufstellung nur einen Kostenaufwand von rund 80.800 € aus, wobei der überwiegende Anteil, nämlich rund 62.500 €, in den Monaten Februar und März 2009 und daher vor Erteilung des Bauscheins entstanden sei. Ein weiterer Teil der Arbeiten mit einem Kostenvolumen von rund 16.000 € sei für den Zeitraum Februar bzw. März bis August 2009 zusammengefasst, mithin teilweise ebenfalls noch vor Antragstellung bzw. Erteilung des Bauscheins durchgeführt worden. Da der Kläger die „Musikwerkstatt“ am 17. April 2009 eröffnet habe, sei davon auszugehen, dass an diesem Tage die wesentlichen Baumaßnahmen abgeschlossen gewesen seien. Auch von den insgesamt aufgelisteten 1.578 Arbeitsstunden seien bereits 1.272 in der Zeit von Februar bis März 2009, mithin vor Erteilung der Baugenehmigung aufgewendet worden. Zudem sei nicht nachvollziehbar, wie sich die behaupteten Arbeitsstunden auf die Eigenleistungen des Klägers bzw. seiner Mitarbeiter verteilt hätten, welche Mitarbeiter tätig gewesen seien und wie die Arbeitsstunden erfasst und abgerechnet worden seien. Auch die vorgelegten Rechnungsbelege und Kassenbons bewiesen nicht, dass die eingekaufte Ware tatsächlich für Zwecke der „Musikwerkstatt“ verwendet worden sei, zumal einige der Belege an die Privatanschrift des Klägers bzw. an die Anschrift seines weiteren Gaststättenbetriebs adressiert seien.

52

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und den beigezogenen Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

53

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

54

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 15. März 2010 zu Recht abgewiesen. Der Widerspruchsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weil sich der gegen die ihm erteilte Baugenehmigung für die „Musikwerkstatt“ gerichtete Widerspruch der Beigeladenen als zulässig und begründet erweist. Mithin ist die Baugenehmigung vom 16. April 2009 zu Recht aufgehoben worden.

55

1. Das Verwaltungsgericht hat zunächst zutreffend entschieden, dass die Baugenehmigung vom 16. April 2009 wegen Verstoßes gegen materielles Baurecht rechtswidrig ist. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das Vorhaben des Klägers zur Nutzungsänderung des Gebäudes der ehemaligen Garnisonsbäckerei in einen neuen Standort für die von ihm betriebene „Musikwerkstatt“ planungsrechtlich unzulässig ist, weil es den Festsetzungen des einschlägigen Bebauungsplans widerspricht. Auch der Senat hegt keinen Zweifel daran, dass es sich bei dem Vorhaben um eine „Vergnügungsstätte“ im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO handelt, auch wenn es sich nicht um eine „klassische“ Diskothek handeln mag (vgl. zum Begriff der Vergnügungsstätte Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 6, Rn. 42 ff. m.w.N.). Hierfür sprechen eindeutig die in den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts, aber auch bereits in der Begründung des Widerspruchsbescheides aufgeführten Kriterien, namentlich die den Charakter der Lokalität prägenden, weil an nahezu jedem der Öffnungstage stattfindenden Livekonzerte, Mottoparties und sonstigen Unterhaltungsprogramme, die Erhebung eines Eintrittsgelds von den Besuchern sowie die auf freitags, samstags und Tage vor Feiertagen sowie die Nachtzeit von 22:00 bis 5:00 Uhr beschränkten, diskothekentypischen Öffnungszeiten. Diese Einschätzung des Verwaltungsgerichts steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. insbesondere den Senatsbeschluss vom 9. März 2007 – 8 A 10066/07.OVG –, LKRZ 2007, 202).

56

Als Vergnügungsstätte ist das Vorhaben in dem hier festgesetzten Gewerbegebiet gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO nur ausnahmsweise zulässig; die Zulassung von Ausnahmen nach dieser Vorschrift ist indessen im Bebauungsplan mit der Textfestsetzung Ziffer 1.3.2 ausgeschlossen worden. Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans oder speziell dieser Festsetzung sind weder vom Kläger geltend gemacht worden noch für den Senat ersichtlich.

57

2. Das Verwaltungsgericht ist des Weiteren zu Recht davon ausgegangen, dass die angefochtene Baugenehmigung nachbarschützende Rechte der Beigeladenen verletzt.

58

Die Beigeladenen können sich als Grundstückseigentümer im selben Baugebiet auf den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten, aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis herzuleitenden Schutzanspruch des Nachbarn auf Bewahrung der (festgesetzten) Gebietsart nach der BauNVO berufen (sog. Gebietserhaltungsanspruch). Danach kann jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit eine schleichende Umwandlung des Baugebietscharakters verhindern, ohne dass es auf eine konkrete, tatsächlich spürbare oder nachweisbare Beeinträchtigung des Nachbarn durch das baugebietswidrige Vorhaben ankommt (st. Rspr.; vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 – 4 C 28.91 –, BVerwGE 94, 151 und juris, Rn. 23; Urteil vom 23. August 1996 – 4 C 13.94 –, BVerwGE 101, 364 und juris, Rn. 48 ff.; Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 4 B 55.07 –, NVwZ 2008, 427 und juris, Rn. 5).

59

Die hier in Rede stehende Festsetzung im Bebauungsplan „Naulott Guckinsland III. Änderung“ der Beklagten, der Ausschluss der Zulassung von Ausnahmen nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO, namentlich von Vergnügungsstätten, im Plangebiet, gibt insoweit keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Schutzzweck der Textfestsetzung Ziffer 1.3.2 ist – wie die Beklagte in der Begründung des Bescheides vom 17. Januar 2011, mit der der Befreiungsantrag des Klägers abgelehnt wurde, nochmals deutlich gemacht hat – ersichtlich, die in Rede stehenden Teilflächen des eingeschränkten Gewerbegebiets vornehmlich für „klassische“ Gewerbebetriebe zu reservieren und dabei dem besonderen Schutzbedürfnis von Betriebswohnungen im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO, die nach der Textfestsetzung Ziffer 1.3.1 ausnahmsweise zugelassen werden können, Rechnung zu tragen. Solche betriebsakzessorischen Wohnnutzungen sollen vor Immissionen und sonstigen Störungen, wie sie in klassischen Gewerbegebieten nicht zu erwarten, aber zum Beispiel für Vergnügungsstätten typisch sind, bewahrt werden. Hierzu zählen namentlich Geräuschimmissionen, wie sie vom Betrieb einer Vergnügungsstätte und von deren Besuchern beim Zu- und Abgang in den Nachtstunden zwischen 22:00 und 5:00 Uhr und damit zu einer Zeit verursacht werden, in der in einem klassischen Gewerbegebiet an sich nicht mit regelmäßigen Störungen der Nachtruhe gerechnet werden muss. Von daher besteht hier kein Anlass, am generell nachbarschützenden Charakter der einschlägigen Bebauungsplanfestsetzung zu zweifeln, so dass der Frage, inwieweit von dem Vorhaben des Klägers konkret nachweisbare, unzumutbare Beeinträchtigungen für das Grundstück der Beigeladenen ausgehen, nicht nachgegangen werden muss.

60

3. Dem Verwaltungsgericht ist auch darin zuzustimmen, dass sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen kann, er habe gemäß § 31 Abs. 2 BauGB Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von den nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts wird der Gebietserhaltungsanspruch eines Grundstückseigentümers im Baugebiet durch die Zulassung eines der Art der baulichen Nutzung nach dort nicht zulässigen Vorhabens nur dann nicht verletzt, wenn dem Bauherrn dazu eine Befreiung tatsächlich erteilt worden ist; das bloße Vorliegen einer Befreiungslage genügt hingegen nicht (vgl. OVG RP, Beschluss vom 5. Februar 2010 – 1 B 11356/09.OVG –, DVBl. 2010, 659 und juris, Rn. 4).

61

Im Übrigen hat die Beklagte inzwischen den Antrag des Klägers auf Befreiung mit Bescheid vom 12. Januar 2011 abgelehnt. Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides bestehen nicht. Der oben dargelegte Schutzzweck der nachbarschützenden Textfestsetzung, von der befreit werden sollte, stellt vielmehr ersichtlich einen Grundzug der Planung im Sinne von § 31 Abs. 2, 1. Halbsatz BauGB dar, was einer Befreiungserteilung hier von vornherein entgegensteht.

62

4. Die Beigeladenen haben schließlich ihr nachbarliches Abwehrrecht nicht verwirkt.

63

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedeutet Verwirkung (im materiell-rechtlichen Sinne) als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Rechts längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben, namentlich gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens, erscheinen lassen (vgl. insbesondere BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 – 4 C 4.89 –, NVwZ 1991, 1182 und juris, Rn. 22, m.w. Rechtsprechungsnachweisen). Danach setzt die Verwirkung einen gewissen Zeitablaut („Zeitmoment“) und als „Umstandsmoment“ jedenfalls eine Vertrauensgrundlage und einen Vertrauenstatbestand voraus (vgl. dazu auch de Vivie/Barsuhn, Baurecht 1995, S. 492, 494). Mithin kommt die Verwirkung des materiellen Abwehrrechts eines Nachbarn gegen ein genehmigtes Bauvorhaben in Betracht, wenn der Nachbar in Kenntnis der Erteilung einer Baugenehmigung oder im Falle des Kennenmüssens ihrer Erteilung über längere Zeit untätig geblieben ist, dieses Verhalten des Nachbarn Grundlage für die Entstehung des Vertrauens des Bauherrn in das Ausbleiben von Nachbareinwendungen ist und der Bauherr aufgrund dieses Vertrauens von der Baugenehmigung Gebrauch gemacht, namentlich vermögenswirksame Dispositionen getroffen hat, deren Rückgängigmachung oder Verlust ihm nicht zuzumuten ist (st. Rspr.; vgl. insbesondere BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 – IV C 2.72 –, BVerwGE 44, 294 und juris, Rn. 24 ff.; Beschluss vom 28. August 1987 – 4 N 3.86 –, BVerwGE 78, 85 und juris, Rn. 13 ff.; Urteil vom 16. Mai 1991, a.a.O., Rn. 21 ff.; Beschluss vom 16. März 2010 – 4 B 5.10 –, juris, Rn. 8; zusammenfassend in der Literatur: de Vivie/Barsuhn, a.a.O., 492 ff. und Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im öffentlichen Recht, 12. Aufl. 2010, § 33, Rn. 11 ff.).

64

Diese Voraussetzungen liegen hier indessen nicht vor.

65

a. Dabei kann zunächst offenbleiben, ob nicht bereits das „Zeitmoment“ hier nicht gegeben ist. Was die „längere Zeit“ angeht, während der ein Recht nicht ausgeübt worden ist, obwohl dies dem Berechtigten möglich gewesen wäre, steht aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls fest, dass der maßgebliche Zeitraum der Untätigkeit des Berechtigten deutlich länger zu bemessen ist als die Zeit, die dem Berechtigten gemäß den im Regelfall geltenden verfahrensrechtlichen Rechtsbehelfsfristen für die Geltendmachung seines Rechts eingeräumt ist; ein Abwehrrecht des Nachbarn gegen eine durch Erteilung einer Baugenehmigung zugelassene Nutzung eines benachbarten Grundstücks kann demnach nicht schon dann verwirkt sein, wenn der Nachbar nur während der regulären Monatsfrist für die Erhebung eines Widerspruchs gemäß §§ 70, 58 Abs. 1 VwGO, die ihm selbst bei ordnungsgemäßer Zustellung der Baugenehmigung mit Rechtsbehelfsbelehrung zustehen würde, seine Abwehrposition nicht gegenüber dem Bauherrn geltend gemacht hat; eine Verwirkung des materiellen Abwehrrechts kommt vielmehr in Fällen dieser Art erst dann in Betracht, wenn der Berechtigte deutlich länger als einen Monat untätig geblieben ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991, a.a.O., Rn. 22). Jedenfalls beginnt der Verwirkungszeitraum erst nach Erlangung zuverlässiger Kenntnis des Nachbarn von der (tatsächlich erfolgten) Erteilung der Baugenehmigung bzw. im Zeitpunkt des sich Aufdrängens der Kenntnis hiervon (vgl. de Vivie/Barsuhn, a.a.O., S. 494), so dass es auf die vom Kläger hervorgehobene Presseberichterstattung schon ab Februar 2009 über eine baldige Wiedereröffnung der „Musikwerkstatt“ am neuen Standort nicht ankommen kann.

66

Zwar ist vorliegend einerseits festzustellen, dass die Beigeladenen bis zur Einlegung ihres Widerspruchs mit Schreiben vom 8. September 2009 immerhin fast fünf Monate seit der Erteilung der Baugenehmigung vom 16. April 2009, über die sie wohl zeitnah Kenntnis hatten oder – schon wegen der Wiedereröffnung der „Musikwerkstatt“ bereits am 18. April 2009 – jedenfalls Kenntnis haben mussten, abgewartet haben. Andererseits sind die Beigeladenen in dieser Zeit nicht vollständig untätig geblieben. Sie haben sich vielmehr bereits wenige Wochen nach Erteilung der Baugenehmigung und Aufnahme des Betriebs der „Musikwerkstatt“ mit Beschwerden über unzuträgliche Auswirkungen des Betriebs auf ihre Wohnnutzung zunächst (telefonisch) an den Kläger persönlich, danach – im Rahmen einer Sammelbeschwerde mit Schreiben vom 12. Mai 2009 – an die Beklagte gewandt. Letztlich bedarf die Frage, ob angesichts der zwischenzeitlichen Beschwerden der Beigeladenen über störende Auswirkungen des Vorhabens noch von einer „längeren Zeit“ der Nichtausübung ihres Nachbarrechts ausgegangen werden kann, keiner Entscheidung, weil jedenfalls das Umstandsmoment als weitere Voraussetzung einer Verwirkung nicht vorliegt.

67

b. Zweifelhaft ist – wie sich im Grunde schon aus dem Vorstehenden ergibt – bereits das Bestehen einer hinreichenden Vertrauensgrundlage auf Seiten des Klägers.

68

Wie dargelegt, setzt die Verwirkung neben dem bloßen Zeitablauf als Umstandsmoment zunächst voraus, dass der Verpflichtete (Bauherr) aufgrund eines Verhaltens des Berechtigten (Nachbar) darauf vertrauen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. allgemein zur Verwirkung BVerwG, Urteil vom 22. August 2007 – 8 C 6.06 –, juris, Rn. 20; s.a. de Vivie/Barsuhn, a.a.O., S. 495). Aufgrund der besonderen Pflichten im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis kann bereits eine bloße Untätigkeit des Nachbarn genügen, wenn sie vom Bauherrn als eine dem aktiven Tun des Nachbarn (Zustimmung) gleichzusetzende Duldung des Vorhabens verstanden werden konnte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 1989 – 4 B 28.89 –, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 87). Der Nachbar muss, um seiner Verpflichtung aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis nachzukommen, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder einen Vermögensverlust möglichst niedrig zu halten, nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend machen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. März 1988 – 4 B 50.88 –, NVwZ 1988, 730 und juris, Rn. 4). Zwar bedarf es insoweit nicht der Einhaltung der Schriftform wie beim Widerspruch selbst; auch können Beschwerden gegenüber den zuständigen Behörden im Einzelfall genügen, wenn der Berechtigte davon ausgehen kann, dass sie gleichsam automatisch auch dem Verpflichteten bekannt werden; regelmäßig wird allerdings nur die Geltendmachung des Rechts unmittelbar gegenüber dem Verpflichteten den durch Untätigkeit des Berechtigten entstehenden Eindruck, dieser werde sein Recht nicht (mehr) geltend machen, ausreichend entgegenwirken (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991, a.a.O., Rn. 25).

69

Danach ergibt sich hier folgendes Bild: Zwar haben die Beigeladenen – nach eigenem, vom Kläger nicht ausdrücklich bestrittenen Bekunden – bereits im April 2009 diesem gegenüber telefonisch Beschwerden wegen nächtlicher Lärmbelästigungen vorgebracht. Danach haben sie sich mit weiteren Beschwerden allerdings nur noch an die Beklagte gewandt, wobei das von ihnen mitunterzeichnete Sammelbeschwerdeschreiben vom 12. Mai 2009 offenbar nicht unmittelbar dem Kläger zur Kenntnis gebracht wurde; dieser wurde aber immerhin mit Schreiben der Beklagten vom 19. Juni 2009 generell über das Vorliegen von Nachbarbeschwerden wegen Lärmbelästigungen informiert. Zwar haben die Beigeladenen mit ihren Beschwerden über bestimmte Auswirkungen des genehmigten Betriebs das Vorhaben nicht ausdrücklich grundsätzlich in Frage gestellt; dessen bauplanungsrechtliche Zulässigkeit haben sie erst mit dem anwaltlichen Schreiben vom 14. Juli 2009 an die Beklagte hinterfragt, über das aber offenbar der Kläger nicht informiert wurde. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die Beigeladenen mit ihren Beschwerden namentlich über das störende Verhalten von Gästen der „Musikwerkstatt“ beim nächtlichen Zu- und Abgang zu dieser Einrichtung Klage über nutzungsarttypische Belästigungen durch den Betrieb einer Vergnügungsstätte geführt haben. Danach spricht bereits viel dafür, dass bei dem Kläger schon aufgrund der nachhaltigen Geltendmachung von Beschwerden über solche störenden Auswirkungen des Vorhabens, die für die von ihm gewählte Nutzungsart typisch sind, keine Vertrauensgrundlage dahin entstehen konnte, dass die betroffenen Nachbarn keine nachbarlichen Abwehrrechte gegen das Vorhaben als solches mehr geltend machen würden.

70

c. Jedenfalls fehlt es aber auf Seiten des Klägers an einem Vertrauenstatbestand.

71

Schon aus seinen eigenen Einlassungen und den vorgelegten Aufstellungen und Rechnungsbelegen ergibt sich, dass er den weit überwiegenden Teil seiner Investitionen in das Vorhaben nicht aufgrund eines Vertrauens in das Ausbleiben von Nachbarwidersprüchen gegen die Baugenehmigung vom 16. April 2009 getätigt haben kann.

72

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Verwirkung des materiellen nachbarlichen Abwehrrechts neben dem Zeitmoment und dem Bestehen einer Vertrauensgrundlage weiter voraus, dass der Verpflichtete (Bauherr) tatsächlich darauf vertraut hat, dass der Berechtigte (Nachbar) sein Recht nicht mehr ausüben werde, und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. z.B. Urteil vom 16. Mai 1991, a.a.O., Rn. 28, m.w.N.). Die Verwirkung erfordert mithin eine kausale Verknüpfung zwischen der verzögerten Geltendmachung des Abwehrrechts durch den Nachbarn und bestimmten Maßnahmen bzw. vermögenswirksamen Dispositionen des Bauherrn (vgl. de Vivie/Barsuhn, a.a.O., S. 495; Pietzner/Ronellenfitsch, a.a.O., Rn. 15). Ist der Bauherr daher nicht durch die – längere Zeit andauernde – Untätigkeit des Nachbarn und im Hinblick auf ein dadurch geschaffenes Vertrauen zu seinen Baumaßnahmen veranlasst worden, sondern hat er unabhängig davon eine ihm erteilte Genehmigung von sich aus sofort in vollem Umfang ausgenutzt und weitgehende, mit erheblichem Kapitaleinsatz verbundene Schritte unternommen, so kann auch eine längere Untätigkeit des Nachbarn, die solchen Dispositionen des Bauherrn nachfolgt, nicht mehr zur Verwirkung der nachbarlichen Abwehrrechte führen; mithin scheidet eine spätere Verwirkung insbesondere dann aus, wenn zu einem Zeitpunkt, als die Untätigkeit des Nachbarn begann, die für eine Verwirkung erhebliche zeitliche Mindestdauer zu erreichen, der Bauherr sein Vorhaben im Wesentlichen schon verwirklicht hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991, a.a.O., Rn. 28).

73

Letzteres ist hier anzunehmen: Wie sich aus den vom Kläger vorgelegten Aufstellungen ergibt, hat er den – vom Volumen sowohl der angeführten Materialkosten als auch der aufgelisteten Arbeitsstunden her – weit überwiegenden Teil der Umbau-, Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen zur (durch die angefochtene Genehmigung ermöglichten) Wiedereröffnung der „Musikwerkstatt“ bereits in den Monaten Februar und März 2009, also vor Erteilung der Baugenehmigung vom 16. April 2009, zum Teil sogar vor Stellung seines Bauantrags vom 9. März 2009, kostenwirksam vorgenommen. Für einen weiteren, nicht unerheblichen Teil der aufgewendeten Materialkosten und Arbeitsstunden wird ohne nähere Differenzierung angegeben, sie seien im gesamten Zeitraum zwischen Februar bzw. März und August bzw. September 2009 angefallen; abgesehen davon, dass das Vorbringen des Klägers insoweit kaum den Mindestanforderungen an eine substantiierte Darlegung eines Vertrauenstatbestandes genügt, folgt auch aus diesen Zeitangaben, dass zumindest ein Teil dieser Aufwendungen bereits vor Bauantragstellung oder jedenfalls Baugenehmigung bzw. in einer Zeitphase getätigt wurde, in der die Untätigkeit der Beigeladenen noch in die ihnen mindestens zuzugestehende „Überlegungsfrist“ von einem Monat nach Kenntnis bzw. Kennenmüssen der Baugenehmigungserteilung fiel. Ebenfalls unerheblich für die Frage einer Verwirkung sind die für den Monat Mai 2009 angegebenen Aufwendungen für die „Verlegung von Böden“, da sie entweder vollständig oder jedenfalls ganz überwiegend innerhalb der Monatsfrist ab Kenntnis bzw. Kennenmüssen des Erlasses der Baugenehmigung vom 16. April 2009 getätigt wurden, vor deren Ablauf nach der genannten Rechtsprechung der Verwirkungszeitraum und damit die Zeitspanne, in der ein schutzwürdiges Vertrauen in die Nichtausübung eines Abwehrrechts überhaupt erst entstehen kann, noch nicht begonnen hatte. Es verbleiben danach lediglich die Aufwendungen in den Monaten August bzw. – nach Angaben des Klägers – „im August/September 2009“; diese sind jedoch schon vom Umfang her so geringfügig (1.130,50 € bzw. 61 Arbeitsstunden), dass sie lediglich ein weiteres Indiz dafür bilden, dass der Kläger das genehmigte Vorhaben vorher im Wesentlichen bereits verwirklicht hatte. Darüber hinaus ist von der Art der Maßnahmen her („Büroerrichtung“, „Installation ortsunveränderlicher Deko-Elemente“) nicht eindeutig, ob es sich insoweit nicht um Investitionen gehandelt hat, deren Rückgängigmachung dem Kläger zumutbar wäre, weil er die betreffenden Gegenstände in seinen weiteren Lokalitäten wieder verwenden könnte. Die in der allenfalls kritischen Zeitspanne ab Anfang Juni 2009 bis zur Widerspruchseinlegung im September 2009 getätigten, wie dargelegt relativ geringfügigen weiteren Investitionen sind daher nach Art und Umfang nicht geeignet, die förmliche Geltendmachung des materiellen Abwehrrechts mit dem Widerspruch vom 8. September 2009 als treuwidrig erscheinen zu lassen.

74

Bestätigt wird die Einschätzung, dass der Kläger sein Vorhaben im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung und damit ohne die erforderliche kausale Verknüpfung mit einem Verhalten der Beigeladenen im Wesentlichen bereits verwirklicht hatte, im Übrigen durch die Tatsache, dass er den Betrieb der „Musikwerkstatt“ bereits am 18. April 2009 am heutigen Standort wieder aufgenommen und in der Folgezeit offenbar ohne nennenswerte Einschränkungen durchgehend fortgeführt hat.

75

Steht danach fest, dass es zumindest an einem Vertrauenstatbestand für die Annahme einer Verwirkung des materiellen Abwehrrechts der Beigeladenen fehlt, so kommt es auf die weiteren Rügen der Beklagten und der Beigeladenen hinsichtlich einer unklaren Zuordnung von Kostenbelegen zu Investitionen für die „Musikwerkstatt“ und zur mangelnden Substantiierung der aufgelisteten Arbeitsstunden nach Grund, Höhe und Bewertung nicht entscheidungserheblich an. Der Senat brauchte somit den diesbezüglichen Beweisangeboten der Beigeladenen im Schriftsatz vom 19. Mai 2011 nicht nachzugehen.

76

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.

77

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus §§ 167 Abs. 2, 708, 711 ZPO.

78

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

79

Beschluss

80

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 50.000,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 1 GKG).

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 11. Juli 2007 - 6 K 2270/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nrn. 3 - 5 VwGO gestützte Antrag der Kläger gegen das Urteil vom 11.07.2007 ist statthaft. Der Antrag ist auch fristgerecht eingelegt und begründet worden (vgl. § 124 Abs. 4 Satz 1, 2 und 4 VwGO). Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 5 (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Verfahrensfehler durch Versagung rechtlichen Gehörs) sind schon nicht ausreichend dargelegt (§ 124 a Abs. 4 Satz 3 VwGO, dazu I. und II.), und die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, Divergenz) liegen nicht vor (§ 124 Abs. 5 Satz 2 VwGO, dazu III. und IV.).
I.
Grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn das erstrebte weitere Gerichtsverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechtsfragen oder im Bereich der Tatsachenfragen nicht geklärten Fragen mit über den Einzelfall hinausreichender Tragweite beitragen könnte, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts höher gerichtlicher Klärung bedürfen. Die Darlegung dieser Voraussetzungen verlangt vom Kläger, dass er unter Durchdringung des Streitstoffs eine diesen Vorgaben entsprechende konkrete, verallgemeinerungsfähige Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die sowohl für das Ausgangsgericht erheblich war als auch im Berufungsverfahren erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund gibt, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 05.06.1997 - 4 S 1050/97 -, VBlBW 1997, 420 m.w.N.).
Diesen Anforderungen entspricht die Antragsbegründung der Kläger nicht. Die von ihnen darin aufgeworfene Frage,
„ob eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange i.S.d. § 6 IV 1 Nr. 2 LBO dann verneint werden kann, wenn auf dem Grundstück der Kläger besondere topographische Verhältnisse nicht gegeben sind, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg die Annahme einer nicht erheblichen Beeinträchtigung nachbarlicher Belange rechtfertigen würden, der erforderliche Grenzabstand zwar um 1,1 m² überschritten wird, andererseits aber die Besonderheit besteht, dass eine Überlappung der Abstandsflächen des nicht den Grenzabstand einhaltenden Gebäudes und einer angenommenen maximalen Bebauung auf dem Grundstück der Kläger nahezu nicht vorhanden ist“,
ist ersichtlich und gezielt auf den individuellen Sachverhalt im vorliegenden Verfahren zugeschnitten und schon deswegen einer verallgemeinernden Klärung nicht zugänglich. Zudem war diese Frage für das Verwaltungsgericht auch nicht entscheidungserheblich, denn dieses hat die Frage, ob eine geringere Abstandsfläche in der nordwestlichen Ecke der Lagerhalle nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zuzulassen ist, gerade offen gelassen.
II.
Die geltend gemachte Verfahrensrüge nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht ausreichen dargelegt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist verletzt, wenn die seiner Gewährleistung dienenden Verfahrensvorschriften nicht beachtet oder Ausführungen oder Anträge der Prozessbeteiligten vom Gericht nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen worden sind. Die Darlegung erfordert die Darstellung des Sachverhalts, aus dem sich die Verletzung des Gehörsgewährgebots ergibt und die substantiierte Darstellung der Ausführungen und Anträge, die das Gericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat bzw. der Tatsachen- und Beweisergebnisse, zu denen das Gericht die Möglichkeit zur Äußerung verwehrt hat. Die Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt, erfordert darüber hinaus die substantiierte Darstellung dessen, was die Prozesspartei bei Ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1997 - 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328 ff. m.w.N.).
1. Das Vorbringen der Kläger genügt diesen Darlegungserfordernissen nicht. Die Kläger haben den Sachverhalt, auf den sie ihren Gehörsverstoß stützen, schon nicht hinreichend bezeichnet. Sie tragen vor, das Verwaltungsgericht habe „den anderen Prozessbeteiligten“ die von der Beklagten-Vertreterin übergebenen Darstellungen und Zeichnungen (betreffend das Verhältnis der Abstandsflächen der Lagerhalle und denen eines maximal zulässigen Gebäudes auf dem Grundstück der Kläger) nicht „ausführlich zur Überprüfung“ zur Verfügung gestellt, sondern sich diese Unterlagen „einfach übergeben lassen“. Dieses Vorbringen ist zu vage und unbestimmt. Zudem fehlt es an der erforderlichen substantiierten Darlegung dessen, was die Kläger nach der - vermissten - vertieften Überprüfung der Unterlagen gegen deren Richtigkeit vorgetragen hätten und inwiefern dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung des Verwaltungsgerichts hätte führen können, nachdem dieses eine Entscheidung über die Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO, für dessen Anwendung die Unterlagen bedeutsam sind, gerade offen gelassen hat.
2. Abgesehen davon könnten die Kläger den gerügten Gehörsverstoß auch nicht mehr erfolgreich geltend machen. Auf einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs kann sich nämlich nur berufen, wer zuvor alle prozessualen und faktisch zumutbaren Möglichkeiten wahrgenommen hat, um sich Gehör zu verschaffen (BVerwG, Beschluss vom 08.12.1988 - 9 B 388.88 -, NWZ 1989, 233 ff. und Urteil vom 11.04.1989 - 9 C 55.88 -, NVwZ 1989, 857 ff.). Das Mittel zur Verwirklichung des rechtlichen Gehörs stellt dabei die mündliche Verhandlung dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.04.1989, a.a.O.). Gemessen daran hätten die Kläger ihr Rügerecht gegen den erhobenen Gehörsverstoß in jedem Fall verloren. Denn sie haben es ausweislich des Sitzungsprotokolls (Bl. 247 der VG-Akten) in der mündlichen Verhandlung versäumt, ihr Begehren, die von der Beklagten ins Verfahren eingeführten Unterlagen in der mündlichen Verhandlung näher zu überprüfen, geltend zu machen, etwa durch den Antrag, ihnen ein Schriftsatzrecht für eine vertiefte Stellungnahme einzuräumen.
III.
Die von den Klägern - insofern ordnungsgemäß nach § 124 a Abs. 4 Satz 3 VwGO gerügten - ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils vom 11.07.2007 liegen nicht vor. Die Kläger haben keine erheblichen Gründe vorgebracht, die dafür sprechen, dass das ihre Nachbarklage abweisende Urteil sich jedenfalls, was erforderlich ist, im Ergebnis als fehlerhaft erweist (zu dieser ergebnisbezogenen Betrachtung des der Einzelfallgerechtigkeit dienenden Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004 - 7 AV 4.03 - sowie VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 21.04.1997 - 8 S 667/97 -, DVBl. 1997, 1327 und vom 15.05.2000 - 14 S 353/00 -; weitere Nachweise bei Bader, in: Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 124 Rn. 23).
10 
Gegenstand des Rechtsstreits sind zwei getrennte, funktional aber zusammenhängende Baugenehmigungen der Beklagten vom 11.05.2005 und vom 07.04.2006 (jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 09.08.2006). Die Baugenehmigung vom 11.05.2005 gestattet den Umbau (Erhöhung, Einbau zweiter Dachgaupen) sowie die Umnutzung (Einbau zweier Büros, einer Toilette und eines „Archivs“) der zum Schlossereibetrieb des Beigeladenen gehörenden Lagerhalle auf dem Grundstück Flst.-Nr. 1477. Die Baugenehmigung vom 07.04.2006 legitimiert den derzeitigen, von den Ursprungsplänen aus dem Jahre 1950 abweichenden Standort der Lagerhalle; im Dachgeschoss entfällt das bisherige „Archiv“, in dem die bisher dorthin führende Türöffnung geschlossen wird. Dabei sieht die Beklagte die von der westlichen Außenwand auf deren Nordseite teilweise nicht eingehaltene Abstandsfläche (1,66 m statt 2,50 m an der schmalsten Stelle, dadurch Abstandsflächenüberlappung auf das Nachbargrundstück von ca. 1,1 m²) als nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zulässig an. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen gegen beide Genehmigungen im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Genehmigung vom 11.05.2005 verletze weder bauplanungsrechtlich noch bauordnungsrechtlich nachbarliche Rechte der Kläger. Die wegen ihrer Größe abstandsflächenrechtlich nach § 5 Abs. 6 Satz 2 LBO erheblichen Dachgaupen hielten die Abstandsflächen ein, da sie auf der Nordseite um 2,50 m verkürzt seien. Es würden ferner keine unzumutbaren Einblicksmöglichkeiten auf das klägerische Grundstück geschaffen. Schließlich habe auch die Umnutzung des Dachgeschosses in Büros keine erhebliche Betriebserweiterung zur Folge und verstoße hinsichtlich der Auswirkungen dieser Umnutzung nicht zu Lasten der Kläger gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene Rücksichtnahmegebot. Ob die Überschreitung der Abstandsflächentiefe in der Nordwestecke der Lagerhalle durch § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO gerechtfertigt sei, wofür vieles spreche, könne dahinstehen. Denn jedenfalls hätten die Kläger, die sich bisher ebenso wie ihre Rechtsvorgänger weder gegen den Standort noch gegen die Nutzung der seit 1950 bestehenden Halle gewendet hätten, ihr materielles Abwehrrecht gegen dieses Vorhaben verwirkt. Die materielle Verwirkung des Abwehrrechts führe zugleich zur Unbegründetheit ihrer Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung.
11 
Dem halten die Kläger im Zulassungsverfahren zusammengefasst entgegen: Selbst für den Fall, dass ihr Anspruch auf materielles Einschreiten gegen die Halle verwirkt gewesen sein sollte, sei jedenfalls nach Erteilung der Baugenehmigung, die den bisherigen Zustand legalisiere und verschärfe, eine Zäsur entstanden. Sie könnten daher, wie das Bundesverwaltungsgericht 1991 entschieden habe, ihre materiellen Abwehrrechte gegen die Baugenehmigung vom 07.04.2006 in Stellung bringen. Diese Baugenehmigung sei aufzuheben, da die Halle die nachbarschützenden Abstandsflächen nicht einhalte und sie - die Kläger - dadurch „erheblich“ im Sinne von § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO in nachbarlichen Rechten verletzt würden. Die Baugenehmigung verstoße gegen das Rücksichtnahmegebot, da die entstehenden Büros zu einer Ausweitung des schon jetzt gerade noch hinnehmbaren Gewerbelärms des Schlossereibetriebs führe. Wegen weiterer Einzelheiten verweist der Senat auf die Schriftsätze der Kläger vom 01.10. und vom 11.12.2007.
12 
Das Vorbringen der Kläger ist nicht geeignet, das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis in Frage zu stellen. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zutreffend entschieden, dass beide Baugenehmigungen die Kläger nicht in ihren Rechten als Miteigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.-Nr. 1476 verletzen, weil beide Baugenehmigungen ersichtlich nicht gegen bauordnungs- oder bauplanungsrechtliche Vorschriften verstoßen, die (auch) dem Schutz der Kläger zu dienen bestimmt sind.
13 
1.a) Hinsichtlich der den Standort wie die Nutzung der Lagerhalle auf dem Flst.-Nr. 1477 legalisierenden Baugenehmigung vom 07.04.2006 ist dem Verwaltungsgericht zunächst darin zu folgen, dass die Kläger ihr materielles Abwehrrecht gegen dieses Vorhaben insofern verwirkt haben, als es um etwaige Ansprüche auf baupolizeiliches Einschreiten wegen der Lage und/oder der Nutzung dieses Gebäudes geht. Die Lagerhalle wurde bereits 1950 abweichend von den damaligen Plänen im Nordwesten nahe an die Grenze zum Grundstück Flst.-Nr. 1476 herangebaut. Der engste Abstand beträgt seither 1,66 m, womit das Gebäude die heute erforderliche Abstandsfläche von 2,50 m im nördlichsten Teil der westlichen Außenwand auf eine Länge von ca. 2 m nicht einhält mit der Folge, dass die Abstandsfläche zu ca. 1,1 m² auf dem Grundstück der Kläger liegt (vgl. dazu den Abstandsflächenplan sowie die Abstandsflächenberechnung, Bl. 27, 28 der Bauakte, Teil II). Es gibt jedoch, wie das Verwaltungsgericht ausführt und auch die Kläger nicht substantiiert bestreiten, keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger jemals und trotz anzunehmender Kenntnis vom Grenzverlauf bisher die Abstandsflächenüberschreitung gerügt haben. Entsprechende Einwendungen sind ersichtlich auch von den Rechtsvorgängen der Kläger nicht erhoben worden, deren Verhalten die Kläger sich zurechnen lassen müssen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.09.1991 - 3 S 2000/91 -). Die Kläger wie ihre Rechtsvorgänger haben darüber hinaus auch gegen die in der Vergangenheit mehrfach erfolgten Umnutzungen der Halle (vgl. dazu die Liste, Bl. 47 der Bauakte, Teil I) keine Einwendungen erhoben. Solche Einwendungen sind insbesondere auch nicht gegen die Nutzung der Halle als Lagerraum für Geräte der auf dem rückwärtigen Grundstück Flst.-Nr. 1477 und dem angrenzenden Flst.-Nr. 1475 liegenden Schlossereiwerkstatt des Beigeladenen vorgebracht worden. Diese Nutzung als Lagerhalle für die Schlosserei besteht nach dem nicht bestrittenen Vortrag des Beigeladenen aber mindestens schon seit 1997; in diesem Jahr erwarb der Beigeladene die Halle, nachdem er sie auch zuvor schon zu Lagerzwecken angemietet hatte.
14 
b) Vor diesem Hintergrund geht auch der Senat davon aus, dass die Kläger einen materiell-rechtlichen Abwehranspruch gegen die Lage und die Nutzung der Halle, sofern ein solcher - zudem gebundener - Anspruch überhaupt bestand, zwischenzeitlich verwirkt haben. Aufgrund des langjährigen passiven Verhaltens der Kläger und ihrer Rechtsvorgänger (Zeitmoment) durfte der Beigeladene darauf vertrauen, dass die Kläger dieses Recht - wegen der aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis erwachsenden Pflicht, Abwehrrechte zügig geltend zu machen - nach so langer Zeit nicht mehr ausüben würden, sondern dass sie die Halle hingenommen hätten (Vertrauenstatbestand); der Beigeladene hat dieses Vertrauen auch durch erhebliche wirtschaftliche Aufwendungen ins Werk gesetzt (Vertrauensbetätigung; zu diesen Verwirkungsvoraussetzungen vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 -, NVwZ 1991, 727; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.09.1991 - a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 21.03.1995 - 11 A 1089/91 -).
15 
An der Verwirkung des (unterstellten) materiellen Abwehrrechts und der damit verbundenen öffentlich-rechtlichen Hinnahme der bestehenden Halle hat auch die Erteilung der Baugenehmigung vom 07.04.2006 nichts geändert, mit der der bisherige teilweise ungenehmigte Zustand legalisiert worden ist. Denn das materielle Abwehrrecht eines Nachbarn kann unabhängig von einer Baugenehmigung verwirkt sein (BVerwG, Beschluss vom 18.03.1988 - 4 B 50.88 -, NVwZ 1988, 730). Allerdings führt die fortbestehende Verwirkung des materiellen Abwehrrechts entgegen dem Verwaltungsgericht nicht automatisch auch zur Unbegründetheit der Anfechtungsklage der Kläger. Vielmehr ist mit der neueren Rechtsprechung davon auszugehen, dass gegen eine ein bisher ungenehmigtes Vorhaben nachträglich legalisierende Baugenehmigung ein materielles Abwehrrecht auch dann besteht, wenn der eigentliche Abwehranspruch gegen das genehmigte Vorhaben selbst verwirkt ist. Begründet wird dies damit, dass die Baugenehmigung rechtlich eine Zäsur bilde (BVerwG, Urteil vom 16.05.1991, a.a.O.); ihre Wirkungen für den Rechtskreis der Nachbarn gingen über die Wirkungen einer vorherigen bloßen behördlichen Duldung hinaus, weil die Baugenehmigung die Zulässigkeit des Vorhabens auf Dauer und unabhängig von der Umgebungsbebauung und ihrer Entwicklung festschreibe (vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.03.1995, a.a.O.; ebenso im Ergebnis OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.09.2004 - 8 A 10664/04 -). Das materielle Abwehrrecht gegenüber der Baugenehmigung reicht aber nur so weit, als diese die Kläger zusätzlich beschwert. Bezüglich der Halle selbst bleibt ihr Abwehrrecht weiterhin kraft Verwirkung ausgeschlossen. Die Kläger könnten mit a.W. auch im Falle einer Aufhebung der Baugenehmigung vom 07.04.2006 bei ansonsten unveränderten Verhältnissen nach wie vor weder ein Einschreiten wegen des Abstandsflächenverstoßes noch etwa eine Untersagung der langjährigen Nutzung als Materiallager verlangen (so zutreffend auch OVG NRW, Urteil vom 21.03.1995, a.a.O.). Nur insoweit, als die Baugenehmigung den bisherigen Zustand ändert und weitergehende Maßnahmen zulässt, kann ein Nachbar - trotz Verwirkung im Übrigen - die Beseitigung dieses „überschießenden“ Teils verlangen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.09.2004 - 8 A 10664/04 -). Dies betrifft im vorliegenden Fall jedoch nur den Umbau und die Umnutzung des Dachgeschosses, die im Wesentlichen aber Gegenstand der Baugenehmigung vom 11.05.2005 ist (dazu unten 2.).
16 
c) Nach all dem lässt sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Klage gegen die Baugenehmigung vom 07.04.2006 sei bereits wegen Verwirkung der materiell-rechtlichen Abwehransprüche abzuweisen, nicht aufrecht erhalten. Dessen ungeachtet erweist sich das Urteil aber gleichwohl im Ergebnis als richtig. Der Senat folgt insofern den - wenn auch nicht tragenden - Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass die Baugenehmigung vom 07.04.2006 hinsichtlich der Lage der Halle nicht gegen nachbarschützendes Abstandsflächenrecht verstößt.
17 
Wie dargelegt, hält die Halle auf einem Teilstück der nördlichen Außenwand auf eine Länge von ca. 2 m die (bei einem Berechnungsfaktor von 0,4 wie von 0,6) objektiv-rechtlich erforderliche und im gleichen Umfang nachbarschützende Abstandsflächentiefe von 2,50 m nicht ein (vgl. § 5 Abs. 7 LBO). Das Abstandsflächendefizit fällt dabei schon bei einer isoliert-quantitativen Betrachtung nicht allzu gewichtig aus. Der Verstoß beschränkt sich auf eine Grundstückslänge von ca. 2 m, die fehlende Abstandsfläche verringert sich - innerhalb dieses Wandabschnitts wegen des nach Süden hin breiter werdenden Grundstücks - sukzessive von maximal (2,50 m - 1,66 m =) 0,84 m an der Nordwestecke bis auf Null. Insgesamt liegt dadurch auf ein ca. 1,1 m² großes Dreieck als Abstandsfläche auf dem Nachbargrundstück Flst.-Nr. 1476 der Kläger.
18 
d) Der Senat folgt der Beklagten und dem Verwaltungsgericht darin, dass diese Abstandsflächenunterschreitung durch § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO gerechtfertigt ist. Gründe des Brandschutzes stehen der geringen Abstandsflächentiefe nicht entgegen. Die genehmigte Unterschreitung der Abstandsfläche beeinträchtigt auch nachbarliche Belange der Kläger nicht „erheblich“ i.S.d. § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO. Zwar ist, worauf die Kläger zutreffend hinweisen, nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs von der gesetzgeberischen Wertung auszugehen, dass eine den nachbarschützenden Teil unterschreitende Abstandsflächentiefe regelmäßig eine erhebliche, vom betroffenen Nachbarn nicht hinzunehmende Beeinträchtigung darstellt, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder - wie hier - nur geringfügig ist. Nachbarliche Belange sind mithin nur dann nicht „erheblich“ beeinträchtigt, wenn auf dem Nachbargrundstück besondere Umstände vorliegen, die eine vom Regelfall abweichende Beurteilung rechtfertigen, weil die vorhandene Situation durch bestimmte Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbar an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsfläche deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 -, VBlBW 1997, 266 und vom 15.09.1999 - 3 S 1437/99 -, VGHBW-LS, Beil. 12, B 4 sowie Beschluss vom 08.10.1996 - 8 S 2566/96 -; kritisch hierzu Sauter, LBO § 6 Rn. 48b). Solche Besonderheiten können sich (und werden sich zumeist) aus den tatsächlichen Verhältnissen auf dem Nachbargrundstück ergeben. Hierzu können nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs etwa unterschiedliche Höhenlagen oder sonstige signifikanten topografischen Unterschiede gehören. Ferner kann ein ungewöhnlicher Zuschnitt des Nachbargrundstücks oder die Tatsache ausschlaggebend sein, dass die vorhandene oder die planungsrechtlich zulässige Bebauung auf dem Nachbargrundstück durch das in Rede stehende grenznahe Vorhaben nur unerheblich tangiert wird (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Sauter, LBO, Rn. 48c zu § 6 LBO). .Neben diesen besonderen tatsächlichen Gegebenheiten können auch rechtlich außergewöhnliche Umstände, die dem Nachbargrundstück im Verhältnis zu dem bekämpften Vorhaben anhaften, eine „erhebliche“ Beeinträchtigung nachbarlicher Interessen ausschließen. Eine solche Konstellation kann vorliegen, wenn der Nachbar das Vorhaben in seiner grenznahen Lage schon seit langer Zeit in einer für den Bauherrn Vertrauen begründenden Weise hingenommen und sein materielles Abwehrrecht verwirkt hat. Bei der zu treffenden Abwägung der Interessen von Nachbar und Bauherr (vgl. Sauter, a.a.O, § 6 Rn. 47a) ist sowohl die rechtliche Schutzwürdigkeit als auch die Schutzbedürftigkeit des Nachbarn dann deutlich geringer zu gewichten als im gesetzlichen Regelfall.
19 
Gemessen daran hat der Senat keinen Zweifel, dass auf Seiten der Kläger Besonderheiten in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht vorliegen, die ihre Schutzwürdigkeit gegenüber der Lagerhalle in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht deutlich mindern. Zunächst zeichnet sich das klägerische Grundstück in seinem Zuschnitt und der Gebäudeanordnung durch atypische Besonderheiten aus (zu diesem Gesichtspunkt vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.09.1999, a.a.O.). Die vorgeschobene Ostgrenze des Grundstücks Flst. Nr. 1476 ist nur in der untersten Ecke (innerhalb des 1,1 m² großen „überlappenden“ Dreiecks) abstandsflächenerheblich betroffen, danach springt die Grenze fast rechtwinklig weit nach Westen zurück. Das Wohnhaus der Kläger befindet sich zudem grenznah auf der gegenüber liegenden Westseite des Grundstücks; es liegt dadurch nahezu 20 m von der Ostgrenze und der Halle entfernt, so dass die durch die §§ 5 ff. LBO geschützten Belange (Belichtung, Besonnung, Belüftung und ggf. auch der Wohnfriede) wohl schon tatsächlich nicht nachteilig betroffen werden (zu den Dachgaupen, vgl. nachfolgend zu 2.). Zusätzlich ist dabei zu berücksichtigen, dass die Kläger entlang der Ostgrenze gegenüber der Halle eine dichte, den Blick auf die Hallenwand weitgehend verdeckende Hecke gepflanzt haben (vgl. dazu die Fotos Bl. 211 ff. der VG-Akte und Bl. 69 ff. der Bauakte Teil II). Wegen des außergewöhnlichen Zuschnitts wäre aber auch eine künftige Bebaubarkeit des klägerischen Grundstücks auf der Ostseite im (abstandsflächenbezogen) höchstzulässigen Ausmaß durch die bestehende Halle nur unerheblich eingeschränkt. Dies lässt sich aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Zeichnungen und Berechnung der Beklagten entnehmen, gegen deren Richtigkeit Bedenken weder substantiiert geltend gemacht noch ersichtlich sind. Danach würden sich selbst dann, wenn die Kläger im Osten ihres Grundstücks ein Gebäude mit dem geforderten Mindestabstand von 2,50 m errichteten, dessen Abstandsflächen mit denen der Hall nur auf einer Fläche von maximal 0,15 m² überschneiden. Schließlich ist die Schutzwürdigkeit der Kläger nochmals (in rechtlicher Hinsicht) dadurch in einer von der Regel abweichenden Weise gemindert, dass sie die Halle an ihrem jetzigen Standort seit langem unbeanstandet hingenommen, beim Beigeladenen Vertrauen auf diese Hinnahme begründet haben und einen Rückbau wegen Verwirkung ihrer lagespezifischen Abwehrrechte von der Beklagten daher nicht verlangen können.
20 
2. Auch durch den in der Baugenehmigung vom 11.05.2005 (modifiziert durch die Baugenehmigung vom 07.04.2006) genehmigten Dachgeschossumbau (Dacherhöhung mit je einer ca. 10,5 m langen Gaupe auf der West- und Ostseite) und durch die genehmigte Dachgeschossumnutzung (Einrichtung von zwei Büros mit WC) werden die Kläger nicht in nachbarlichen Rechten verletzt. Da die Baugenehmigung gegenüber dem bisherigen Bestand der Halle zusätzliche Maßnahmen legalisiert, haben die Kläger insofern ihre Abwehransprüche materiell nicht verwirkt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.09.2004 - 8 A 10664/04 -, BauR 2005, 77 ff.). Die Baugenehmigung verstößt diesbezüglich nicht gegen das (im Begriff des „Sich Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene) Gebot der Rücksichtnahme in seiner nachbarschützenden Ausprägung, da durch die Verlagerung der Büros der eigentliche Schlossereibetrieb nicht erweitert wird und eine Erhöhung des eigentlichen Betriebslärms daher nicht eintritt. Auch von einem nennenswerten oder gar unzumutbaren Störpotenzial der Bürobesucher kann nicht ausgegangen werden. Die erforderlichen (drei) Stellplätze sind nach der Baugenehmigung auf der den Klägern abgewandten Ostseite der Halle angeordnet und dürfen zudem nur von der L 38 aus angefahren werden (vgl. Auflage Nr. 1.38). Die Aufgangstreppe zu den genehmigten Büroräumen ist auf der Hallensüdseite angelegt; sie liegt damit ca. 35 m vom Wohnhaus der Kläger entfernt und wird diesem gegenüber zusätzlich noch durch das sich unmittelbar südlich anschließende Werkstattgebäude abgeschirmt. Auch von der Eröffnung unzumutbarer Einblicke von den Bürofenstern aus auf das Grundstück der Kläger kann nicht ausgegangen werden. Das Wohnhaus der Kläger liegt, wie dargelegt, ca. 20 m von der Grenze entfernt. Dass von den Bürofenstern aus zu „nicht in direkter Richtung“ (Feststellung des Verwaltungsgerichts) auf die Freifläche des Grundstücks geblickt werden kann, können die Kläger unter Berufung auf das Rücksichtnahmegebot nicht verhindern. Die Kläger werden durch die Dachgaupen auch abstandsflächenrechtlich nicht in ihren Rechten verletzt. Die Gaupe auf der ihrem Grundstück zugewandten Hallenwestseite ist aufgrund ihrer Länge zwar abstandsflächenrechtlich erheblich (§ 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO). Da die Gaupe aber 2,50 m von der Gebäudenordwand zurück bleibt, werden die erforderlichen Abstandsflächentiefen eingehalten (vgl. den Abstandsflächenplan und die Abstandsflächenberechnung in den Bauakten). Der abknickende Grundstücksverlauf zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück der Kläger führt dazu, dass die Abstandsfläche der Dachgaupe vollständig auf dem Baugrundstück liegt. Damit werden, wie im Widerspruchsbescheid zutreffend dargelegt, die Belange Belichtung, Belüftung und Besonnung durch den Dachausbau nicht in nachbarrechtlich relevanter Weise beeinträchtigt. Gleiches gilt für den Belang des Wohnfriedens, sofern dieser überhaupt zu den Schutzgütern der §§ 5 ff. LBO gehört (bejahend: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 -, VBlBW 1997, 266 und Beschluss vom 16.01.1992 - 3 S 2376/91 -; verneinend: Beschluss vom 10.09.1998 - 8 S 2137/98 -). Auch von der Nutzungsänderung des Dachgeschosses in zwei Büros mit Fenstern - die Abstandsflächenrelevanz dieser Nutzungsänderung einmal unterstellt (zu dieser Frage vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 15.05.1991 - 3 S 1200/91 - und vom 12.06.1991 - 3 S 1499/91 -, BWVPr. 1991, 259) - geht keine Verletzung der §§ 5 ff. LBO zu Lasten der Kläger aus. Denn die Gaupen halten sowohl die objektiv-rechtliche wie die nachbarschützende Abstandsflächentiefe ein, so dass auch insoweit die Kläger sich nicht auf eine Verletzung des nachbarlichen Wohnfriedens berufen könnten.
IV.
21 
Auch bezüglich des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) hat der Antrag der Kläger keinen Erfolg. Zwar haben die Kläger einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benannt und einem dieselbe Rechtsvorschrift betreffenden seinerseits entscheidungserheblichen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 - gegenübergestellt. Die Kläger haben auch ausreichend dargetan, worin nach ihrer Auffassung die - den Rechtssatz in Frage stellenden und nicht nur dessen fehlerhafte Anwendung betreffende - Abweichung durch das Verwaltungsgericht liegt und dass das Urteil des Verwaltungsgerichts auf dieser Abweichung zumindest beruhen kann (zu diesen Anforderungen vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1997, NJW 1997, 3328; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.03.1997 - 8 S 664/97 -, DVBl. 1997, 1326 m.w.N.). Voraussetzung der Rüge nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist es - ebenso wie bei der Grundsatzrüge nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, als deren Unterfall sie insoweit begriffen werden kann - jedoch weiterhin, dass die geltend gemachte Divergenz auch im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich zum Tragen kommen kann (vgl. Hopp in: Eyermann u.a., VwGO, 12. Aufl., § 124 Rn. 44). Denn Aufgabe des Berufungsverfahrens ist es nicht, rechtsgutachterlich die - im Ergebnis folgenlose - Abweichung der Ausgangsentscheidung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung festzustellen. An der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit fehlt es hier, da sich das angefochtene klagabweisende Urteil wie vorstehend im Einzelnen dargelegt, unabhängig von der Reichweite des verwirkten materiellen Abwehrrechts aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend darstellt.
22 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 3 und Abs. 1, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG.
23 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.

(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 27. Oktober 2010 - 5 K 1991/10 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 3.750,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Antrag abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 30.08.2010 zur Errichtung eines „Anbaus von Garagen mit PV-Anlage“ anzuordnen. Die Baugenehmigung verletzt auch nach Auffassung des Senats nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung keine Rechte des Antragstellers. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.
Der Antragsteller rügt, das Verwaltungsgericht gehe von falschen Sachverhaltsvoraussetzungen aus. Es bemesse die Begründetheit des Antrags ausschließlich daran, dass es sich um eine Garage handle, obwohl nach objektiven Kriterien von der Errichtung einer Werkstatt auszugehen sei. Für die Annahme einer Werkstatt sprächen, dass auf dem Grundstück des Beigeladenen bereits ausreichend Garagen vorhanden seien, der Beigeladene Kraftfahrzeugmechaniker sei und schon bisher auf dem Grundstück Fahrzeuge repariere, sowie die Dimension der Garage mit drei überdimensionierten Einfahrten. Wenn das Bauvorhaben richtigerweise daran bemessen werde, was tatsächlich errichtet werde, seien unzumutbare Immissionen durch den erheblichen An- und Abfahrtverkehr und durch den Werkstattbetrieb zu erwarten. Diese Rüge greift nicht durch.
Die vom Antragsteller befürchtete Nutzung der Garagen zu Reparatur- und Restaurierungszwecken und zur Durchführung von Reifenwechseln ist nicht Gegenstand der Baugenehmigung, um deren sofortige Vollziehung es im vorliegenden Verfahren geht. Selbst wenn der Beigeladene in Wahrheit eine andere als die genehmigte Nutzung des Gebäudes als Garagen anstreben sollte, wäre dies im vorliegenden Verfahren unbeachtlich, weil solche Absichten jedenfalls in der Baugenehmigung keinen Niederschlag gefunden haben. Die Baugenehmigung lässt einen Werkstattbetrieb eindeutig nicht zu. Raum für eine erweiterte Interpretation der Baugenehmigung, der solche Nutzungsmöglichkeiten offen ließe, besteht nicht. Weder der Genehmigungsbescheid selbst oder die ihm beigefügten Nebenbestimmungen noch die genehmigten Bauvorlagen enthalten Hinweise darauf, dass die Baubehörde mit der Genehmigung auch eine Nutzung der Garage als Werkstatt ermöglichen wollte oder objektiv zugelassen hat. Diese hat im Rahmen der Abweisung der Einwendungen des Antragstellers vielmehr zusätzlich und ausdrücklich klargestellt, dass zur Entscheidung lediglich der Neubau von privat genutzten Garagen mit einer “PV-Anlage“ stehe. Die Befürchtung des Antragstellers, der Beigeladene werde das genehmigte Gebäude entgegen dem genehmigten Nutzungszweck gleichwohl als Werkstatt benutzen, kann im vorliegenden Verfahren keine Berücksichtigung finden. Gegen eine Nutzungsänderung, die seine (Nachbar-)Rechte verletzt, könnte der Antragsteller jedoch gegebenenfalls ebenso (vorläufigen) Rechtsschutz einfordern.
Das Bauvorhaben verstößt auch nicht zu Lasten des Antragstellers gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 5 LBO über die erforderliche Abstandsflächentiefe. Der Antragsteller führt insoweit aus, dass das Bauvorhaben die erforderliche Abstandsflächentiefe gegenüber dem - nicht in seinem Eigentum stehenden - Grundstück Flst.Nr. ... nicht einhalte. Er macht sinngemäß geltend, darin liege ein Verstoß gegen eine nachbarschützende Vorschrift, auf den er sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch berufen könne, selbst wenn er subjektiv von dem Verstoß nicht betroffen sei, da die Vorschrift jedenfalls auch dem Schutz seiner Interessen diene. Hierzu reiche es aus, wenn gegen eine Vorschrift verstoßen werde, die dem Nachbarschutz diene. Auf eine spürbare tatsächliche Beeinträchtigung komme es in diesem Fall nicht an.
Diesem Vorbringen liegt ein unzutreffendes Verständnis des dogmatischen Gehalts nachbarschützender Vorschriften und insbesondere des Umfangs der nachbarschützenden Wirkung des § 5 LBO zugrunde. Es trifft zwar, worauf die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung bereits hingewiesen hat, zu, dass ein Nachbar bereits dann im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletzt ist, wenn die einem Dritten erteilte Baugenehmigung gegen Vorschriften verstößt, die zumindest auch seinen Schutz bezwecken, ohne dass es hierfür auf tatsächlicher Ebene noch einer konkreten Beeinträchtigung bedürfte. Der Antragssteller verkennt mit seiner Argumentation jedoch, dass dies nur für denjenigen gilt, zu dessen Lasten die nachbarschützende Vorschrift verletzt wird. Die nachbarschützende Wirkung der Abstandsvorschrift erstreckt sich aber nur auf die jeweils an die Abstandsfläche des Bauvorhabens angrenzenden Grundstücke und auf alle Nachbarn, deren Grundstücke dem Bauvorhaben gegenüberliegen (vgl. hierzu Sauter, LBO für Baden-Württemberg, Stand Juli 2009, § 5 RdNr. 7). Der Antragsteller kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Bauvorhaben die erforderliche Abstandsflächentiefe gegenüber dem Grundstück Flst.Nr. ..., also gegenüber einem fremden Grundstück nicht einhält. Dass die Abstandsflächentiefe auf der seinem Grundstück zugewandten Gebäudeseite nicht eingehalten wäre, macht der Antragsteller selbst nicht geltend.
II.
Der Antragsteller trägt als Beschwerdeführer die Kosten der ohne Erfolg eingelegten Beschwerde (§ 154 Abs. 2 VwGO). Insoweit sind ihm nach § 162 Abs. 3 VwGO auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, weil der Beigeladene mit seinem - näher begründeten - Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen, ein eigenes Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO) übernommen hat. Der Senat gibt damit seine - mit der Rechtsprechung der anderen Baurechtssenate des beschließenden Gerichtshofs übereinstimmende - bisherige Praxis, die einem notwendig beigeladenen Bauherrn entstandenen außergerichtlichen Kosten ungeachtet dessen aufzuerlegen, ob der Bauherr einen Sachantrag gestellt oder den Prozess wesentlich gefördert hat (Senatsbeschluss vom 01.09.1997 - 8 S 1958/97 - VBlBW 1998, 57 m.w.N.), nach Abstimmung mit den anderen Baurechtssenaten auf.
Nach § 162 Abs. 3 VwGO sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Der Billigkeit entspricht die Auferlegung von Kosten eines Beigeladenen im Regelfall nur dann, wenn er i. S. des § 154 Abs. 3 VwGO einen Antrag gestellt oder das Verfahren wesentlich gefördert hat. Für einen notwendig Beigeladenen gilt grundsätzlich nichts Anderes, auch nicht im Baunachbarstreit. Das folgt aus dem systematischen Zusammenhang des § 162 Abs. 3 VwGO mit § 154 Abs. 3 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.01.1987 - 6 C 55.83 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 21) und allgemeinen Grundsätzen des Kostenrechts, die sich am Maß der Beteiligung orientieren (Olbertz in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, § 162 Rn. 92, 93 m.w.N. aus Rspr. und Lit.). § 162 Abs. 3 VwGO unterscheidet zudem nicht zwischen einfacher und notwendiger Beiladung. Auch stellen weder diese Vorschrift noch § 154 Abs. 3 VwGO auf die materiell-rechtliche Betroffenheit oder die Zwangsläufigkeit der prozessualen Beteiligung des Beigeladenen ab; vielmehr knüpft § 154 Abs. 3 VwGO an das konkrete prozessuale Verhalten des Beigeladenen an (vgl. Olbertz, a.a.O. Rn. 96 m.w.N.). Demzufolge können die Gesichtspunkte, dass der Bauherr im Anfechtungsprozess eines Nachbarn zwangsläufig in eine gerichtliche Auseinandersetzung über die ihm erteilte Baugenehmigung gezogen wird und dass es sich dabei „im Grunde“ nur um eine Streitigkeit zwischen ihm und dem Nachbarn handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 01.09.1997, a.a.O.; im Anschluss ebenso bei notwendig beigeladenen Asylbewerbern BayVGH, Beschluss vom 08.11.1999 - 27 ZB 99.32026 - NVwZ-RR 2000, 333 jeweils m.w.N.), für sich genommen keine Billigkeitsentscheidung nach § 162 Abs. 3 VwGO rechtfertigen. Abgesehen davon stellen sie auch keine Besonderheit gerade des Baunachbarstreits dar. Allerdings setzt eine Billigkeitsentscheidung einen Sachantrag i. S. des § 154 Abs. 3 VwGO auch nicht voraus (Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Auflage § 162 Rn. 17 m.w.N.). Sie kommt auch ohne solchen Antrag in Betracht, etwa wenn der Beigeladene das Verfahren wesentlich gefördert hat oder ein anderer Billigkeitsgrund vorliegt (vgl. Olbertz, a.a.O. Rn. 93 und 95 ff. m.w.N.). Umgekehrt kann sie trotz eigener Antragstellung auch ausscheiden, etwa bei unnötiger vorbeugender Rechtsverteidigung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 07.06.1995 - 4 B 126.95 - NJW 1995, 2867 und vom 31.10.2000 - 4 KSt 2.00, 4 B 65.00 - NVwZ-RR 2001, 276), wenn in einem Schriftsatz ohne Begründung nur die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1993 - 4 C 16.92 - juris) oder wenn mit einem Sachantrag ausnahmsweise kein Kostenrisiko i. S. des § 154 Abs. 3 VwGO einhergeht (vgl. BayVGH, Beschluss vom 11.10.2001 - 8 ZB 01.1789 - NVwZ-RR 2002, 786).
Ausgehend davon ist hier eine Billigkeitsentscheidung i. S. des § 162 Abs. 3 VwGO gerechtfertigt, weil der Beigeladene mit seinem - näher begründeten - Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde ein Kostenrisiko i. S. des § 154 Abs. 3 VwGO übernommen hat und kein Sachverhalt vorliegt, der einer Billigkeitsentscheidung gleichwohl entgegensteht.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 39 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG.
10 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.