Verwaltungsgericht Halle Urteil, 18. Mai 2016 - 5 A 54/16
Gericht
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten, das Bewerbungsverfahren für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst für den Polizeivollzugsdienst 2. Laufbahngruppe, 1. Einstiegsamt fortzusetzen und die Beklagte zu verpflichten, sie einzustellen.
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Die Klägerin bewarb sich für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst für den Polizeivollzugsdienst 2. Laufbahngruppe, 1. Einstiegsamt. Sie absolvierte die Tests und erhielt unter dem 12. Oktober 2015 eine vorläufige Einstellungszusage zum 1. März 2016. Diese vorläufige Einstellungszusage stand unter dem Vorbehalt, dass die Klägerin sämtliche Einstellungsvoraussetzungen erfülle, wozu insbesondere die noch zu prüfende Frage der Polizeidiensttauglichkeit und die der Tätowierungen gehörten.
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Ausweislich eines Schreibens vom 8. Januar 2016 kam das Polizeiärztliche Zentrum, ärztlicher Gutachterdienst der Landesverwaltung, zu dem Ergebnis, bei der Klägerin bestehe Polizeidiensttauglichkeit. Unter Bemerkungen ist aufgeführt, Tattoo, siehe medizinische Unterlagen.
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Die Beklagte beteiligte das Ministerium für Inneres und Sport. In dem am 11. Januar 2016 gesendeten Mail-Schreiben ist ausgeführt, bei der Klägerin seien Tätowierungen im Rahmen der Untersuchung im Polizeiärztlichen Zentrum festgestellt worden. Die Klägerin befinde sich im Moment auf Platz 4 für die LG 2. Welche Unterlagen dem Ministerium für Inneres und Sport zur Verfügung gestellt wurden, ergibt sich nicht aus den Verwaltungsvorgängen.
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Mit Mail-Schreiben vom 19. Januar 2016 teilte das Ministerium für Inneres und Sport mit, eine Einstellung der Klägerin in den Vorbereitungsdienst der Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes der Laufbahngruppe 2, 1. Einstiegsamt werde von Seiten des Ministeriums nicht befürwortet. Die Klägerin verfüge über insgesamt 4 Tätowierungen, wobei 3 durch Tragen der Dienstkleidung verdeckt würden, so dass sie nicht wahrnehmbar seien. Bei der 4. Tätowierung handele es sich um eine Tätowierung, die sich in den beim vorschriftsmäßigen Tragen der Uniform sichtbaren Bereich (Nacken und Hals) erstrecke. Diese Tätowierung im sichtbaren Bereich stehe im Widerspruch zu den Anforderungen an das Erscheinungsbild und die Neutralität eines Polizeivollzugsbeamten, insbesondere der durch die Uniform vorgegebenen und bezweckten Einheitlichkeit des äußeren Erscheinungsbildes der Polizeivollzugsbeamten und könne durch das vorschriftsmäßige Tragen der Uniformteile auch nicht verdeckt werden. Die Klägerin werde als persönlich ungeeignet für den Polizeivollzugsdienst und damit ihre Einstellung in den Vorbereitungsdienst als nicht vertretbar erachtet.
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Mit Bescheid vom 19. Januar 2016 stellte die Beklagte das Bewerbungsverfahren der Klägerin endgültig ein. Zur Begründung verwies sie auf die Tätowierungen.
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Die Klägerin erhob Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 4. Februar 2016 zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, das äußere Erscheinungsbild sei Bestandteil der persönlichen Eignung und damit Kriterium bei der Entscheidung über die Einstellung in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes. In Sachsen-Anhalt sei im Rahmen des Auswahlverfahrens bei Bewerberinnen, die sichtbare oder verdeckte, aber inhaltlich bedenkliche Tätowierungen tragen würden, im Einzelfall das MI zu beteiligen. Im Polizeibereich würden Tätowierungen akzeptiert, die nicht sichtbar seien oder durch das vorschriftsmäßige Tragen der Uniformteile verdeckt werden könnten. Vorhandene, auch nicht sichtbare, Tätowierungen dürften generell nicht gegen die Grundsätze der freiheitlich demokratischen Grundordnung verstoßen sowie keine sexuelle, diskriminierende, gewaltverherrlichende oder ähnliche Motive darstellen. Dabei sei schon im Einstellungsverfahren für den Polizeivollzugsdienst zu berücksichtigen, dass Polizeivollzugsbeamte Uniform tragen und dabei ein angemessenes Erscheinungsbild zu wahren hätten. Denn die Uniform sei ein sichtbares Zeichen dafür, dass die Individualität des Polizeivollzugsbeamten im Dienst hinter die Anforderungen des Amtes zurücktrete. Dieser durch die Uniform vermittelte Eindruck der Neutralität könne durch ein Erscheinungsbild uniformierter Polizeibeamter beeinträchtigt werden, das die Individualität übermäßig hervorhebe und aus dem Rahmen des Üblichen falle. Die Klägerin verfüge über insgesamt vier Tätowierungen, wovon drei durch das Tragen der Dienstkleidung verdeckt würden. Bei der 4. Tätowierung handelte es sich um eine Tätowierung, die sich in den auch beim vorschriftsmäßigen Tragen der Uniform sichtbaren Bereich erstrecke. Es handele sich um den oberen Teil eines Katzengesichts. Diese Tätowierung könne beim vorschriftsmäßigen Tragen der Dienstkleidung nicht vollständig verdeckt werden. Bei einer hinter der Klägerin stehenden Person mit Blickrichtung in Nackenhöhe entstehe zwangsläufig der – bei dieser Tätowierung wohl auch gewünschte Effekt – von einer Katze betrachtet zu werden. Die Tätowierung sei keinesfalls als dezenter und unauffälliger Körperschmuck anzusehen und stehe damit im Widerspruch zu den Anforderungen an das Erscheinungsbild und die Neutralität eines Polizeivollzugsbeamten. Auch der Vortrag, die Tätowierung werde durch die langen Haare der Klägerin verdeckt, rechtfertige kein anderes Ergebnis. Immer dann, wenn aus Sicherheitsgründen die Haare hochzustecken seien, werde die Tätowierung im Nackenbereich auch sichtbar sein. Im Übrigen könnte die Klägerin jederzeit ihre Haare auch kürzer tragen. Bei der Betrachtung sei daher allein darauf abzustellen, in welchem Umfang Tätowierungen durch die Dienstkleidung verdeckt werden können. Da diese Tätowierung im sichtbaren Bereich sowohl in ihrer Art als auch in ihrer Wirkung in Kontrast zu der durch die Uniform vorgegebenen bezweckten Einheitlichkeit des äußeren Erscheinungsbildes der Polizeivollzugsbeamten stehe, biete sie schon von daher in der Bevölkerung Ansatzpunkte für entsprechende Nachfragen oder zumindest für Diskussionen, die im Ergebnis dazu führen könnten, die betreffende Polizeivollzugsbeamtin wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes abzulehnen oder ihr zumindest mit Misstrauen zu begegnen. Folglich sei die Voraussetzung für die Einstellung in das Beamtenverhältnis gemäß § 4 Nr. 5 PolLVO LSA nicht erfüllt.
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Die Klägerin hat am 12. Februar 2016 beim erkennenden Gericht Klage erhoben und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.
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Sie trägt im Wesentlichen vor, sie erfülle die Voraussetzungen des § 4 Nr. 5 PolLVO LSA; insbesondere erscheine sie für die angestrebte Laufbahn geeignet. Dem stehe die im Nackenbereich vorhandene Tätowierung nicht entgegen. Die Tätowierung sei – wie auch die Antragsgegnerin nicht in Abrede stelle – inhaltlich nicht bedenklich. Ihr könne wegen dieser Tätowierung nicht die Eignung abgesprochen werden. Das greife in ihr Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein. Das sei nur dann mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar und könne die Ablehnung der Einstellung nur rechtfertigen, wenn die gestellten Anforderungen geeignet und aus dienstlichen Gründen erforderlich seien. Insbesondere müsste die mit der Uniformpflicht verfolgte Zielsetzung gefördert und die Grenzen der Zumutbarkeit für die Betroffenen gewahrt werden. Hieran fehle es, wenn das Erscheinungsbild den Rahmen des Üblichen in der pluralistischen Gesellschaft nicht überschreite. Dabei dürfe sich der Dienstherr auch einem Wandel der Anschauungen über die Äußerlichkeiten nicht verschließen. Lege man das zugrunde, so könne ihre Tätowierung nicht beanstandet werden.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2016 und deren Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Bewerbungsverfahren fortzusetzen und sie einzustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid. Regelungen über das äußere Erscheinungsbild seien allgemein durch einen nicht veröffentlichten Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport vom 1. Februar 2016 geregelt worden. Nach diesem Erlass, der überschrieben ist mit „Persönliches Erscheinungsbild der Polizeivollzugsbeamten des Landes Sachsen-Anhalt im Dienst“, sei die Tätowierung der Klägerin unzulässig. Die dementsprechende Regelung finde sich unter Nr. 4, wonach Körperschmuck, wozu Tätowierungen gehörten, im Bereich des Halses im Dienst nicht sichtbar sein dürften. Zudem müsste großflächiger Körperschmuck von der Uniform oder von ziviler Kleidung - außer im Dienstsport - vollständig verdeckt sein.
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Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung die Tätowierung der Klägerin in Augenschein genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange begründet.
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Die Klägerin verfügt über einen Anspruch auf Fortsetzung des Bewerbungsverfahrens. Die Ablehnung, sie einzustellen und die Beendigung des Bewerbungsverfahrens, hält gerichtlicher Prüfung nicht stand (dazu nachstehend 1.). Das Gericht ist aber noch nicht in der Lage, die Beklagte zur Einstellung zu verpflichten, weil noch nicht feststeht, dass alle Einstellungsvoraussetzungen zum Einstellungstermin gegeben sind (dazu nachstehend 2.).
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1. Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist Art. 33 Abs. 2 GG. Nach dieser Vorschrift hat jeder Deutsche nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung Zugang zu jedem öffentlichen Amt. An dieser Regelung ist auch die Einstellung in den Vorbereitungsdienst für den Polizeivollzugsdienst zu messen. Näher geregelt sind die Einstellungsvoraussetzungen in § 4 der Verordnung über die Laufbahnen im Polizeivollzugsdienst für das Land Sachsen-Anhalt vom 25. August 2010 (GVBl. LSA S. 468), zuletzt geändert durch Verordnung vom 30. März 2016 (GVBl. LSA S. 164) – PolLVO LSA -. Streitig zwischen den Beteiligten ist hier ausschließlich, ob die Klägerin § 4 Nr. 5 PolLVO LSA erfüllt, wonach in das Beamtenverhältnis eingestellt werden kann, wer nach der Gesamtpersönlichkeit für die angestrebte Laufbahn geeignet erscheint. Dieses Merkmal wird von der Beklagten allein aufgrund der im Nackenbereich der Klägerin vorhandenen Tätowierung verneint. Diese Beurteilung der Beklagten hält gerichtlicher Überprüfung nicht stand.
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a. Zwar besitzt der Dienstherr eine Beurteilungsermächtigung nach dem ihm und nicht den Verwaltungsgerichten die Eignungseinschätzung, d. h. die Beurteilung der Eignung eines Bewerbers für das von ihm angestrebte öffentliche Amt obliegt. Die Eignungseinschätzung kann von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt überprüft werden. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Zur Ablehnung der Einstellung genügen bereits berechtigte Zweifel des Dienstherrn daran, ob der Beamte die Eignung besitzt, die für die Ernennung notwendig ist (vgl. hierzu und zum Vorigen VGH Mannheim, Beschluss vom 27. Oktober 2015 – 4 S 1914/15 – juris Rn. 9 m.w.N.). Die Zweifel dürfen aber nicht auf Umstände gestützt werden, die einem bereits im Dienst befindlichen Beamten nicht zum Nachteil gereichen dürfen. Das bedeutet auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen, die Einstellung der Klägerin darf nicht aufgrund einer Tätowierung abgelehnt werden, die bei einem bereits ernannten Beamten vom Dienstherrn hingenommen würde oder hinzunehmen wäre.
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Zu den beamtenrechtlichen Kernpflichten gehört die Pflicht, dienstliche Anordnungen der Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen (§ 35 Satz 2 BeamtStG). Auf diese Norm kann allerdings die Beklagte die Beendigung des Bewerbungsverfahrens nicht stützen. Die Kammer muss dabei nicht der von der Klägerin aufgeworfenen Frage nachgehen, ob die Anforderungen aus der von der Beklagten angeführten Richtlinie vom 1. Februar 2016 auf die Klägerin tatsächlich anwendbar sind. Das ist durchaus zweifelhaft. Diese - während des Bewerbungsverfahrens erlassene - Richtlinie stellt erstmals Anforderungen an Tätowierungen von Polizeibeamten des Landes Sachsen-Anhalt. Aus ihr können Anforderungen folgen, die strenger sind als diejenigen, die zuvor gestellt wurden. Änderungen der Auswahlkriterien sind aber innerhalb eines Auswahlverfahrens grundsätzlich unzulässig. Welche Anforderungen der Dienstherr an ein ausgeschriebenes Amt stellt, hat er in der Ausschreibung zu konkretisieren. Dasselbe gilt auch, wenn eine Ausschreibung nicht erfolgt, aber Bewerbungen erbeten werden. Jedenfalls verpflichtet die Gehorsamspflicht einen Beamten nur dazu, bereits ergangene Weisungen zu beachten. Der Dienstherr darf umgekehrt keine Weisungen erlassen, die nur einzuhalten sind, wenn der Beamte ein bestimmtes - damals aber nicht durch eine Weisung gebotenes - Verhalten in der Vergangenheit an den Tag gelegt hat.
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Jedenfalls vermag die – angenommene – Weisung, kein Tattoo wie das der Klägerin zu tragen, gegenüber Polizeibeamten keine Bindungswirkung zu erzeugen. Eine solche Anordnung des Ministeriums für Inneres und Sport als vorgesetzte Behörde verletzt Beamte in ihrem Persönlichkeitsrecht und ist deshalb auch nicht bindend.
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b. Das Verbot des Tragens im Dienst sichtbarer Tätowierungen im Bereich des Halses in Nr. 4.1 und 4.2 des Erlasses des Ministeriums für Inneres und Sport vom 1. Februar 2016, Zeichen 23/25-01512, greift in das Recht der betroffenen Beamten auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG ein. Es beschränkt deren von Art. 2 Abs. 1 GG umfasstes Recht, über die Gestaltung der äußeren Erscheinung auch im Dienst eigenverantwortlich zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. März 2006 – BVerwG 2 C 3.05 – juris Rn. 15 m.w.N.). Das Grundrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 GG ist unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet. Daher kann es aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden, das den Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes entspricht und inhaltlich hinreichend bestimmt ist, wenn der Eingriff auf Gründe des Gemeinwohls gestützt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 17).
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An einer solchen Rechtsgrundlage fehlt es hier. Das Beamtengesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2009 (GVBl. LSA S. 648), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Juli 2015 (GVBl. LSA S. 314), – LBG LSA – enthält keine Ermächtigung an das Ministerium für Inneres und Sport, das äußere Erscheinungsbild der Polizeibeamten zu regeln. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit den Vorschriften über die Dienstkleidung. Mit der Dienstkleidung beschäftigten sich § 60, § 109 und § 110 LBG LSA. Keine dieser Vorschriften verschafft dem Ministerium für Inneres und Sport eine Regelungsbefugnis. § 60 LBG LSA, der mit Dienstkleidungsvorschriften überschrieben ist, sieht lediglich vor, dass Beamtinnen und Beamte verpflichtet sind, Dienstkleidung zu tragen, wenn dies bei der Ausübung des Dienstes üblich oder erforderlich ist. § 109 LBG LSA setzt die Pflicht, Dienstkleidung zu tragen, für Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte voraus und verpflichtet sie zudem, eine Dienstausrüstung zu tragen. Nach § 110 Abs. 1 LBG LSA erhalten Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte die Bekleidung und die Ausrüstung, die die besondere Art ihres Dienstes erfordert. Aus letzterer Vorschrift kann zwar noch abgeleitet werden, dass die von dem Dienstherrn zur Verfügung gestellte Dienstkleidung nach § 60 LBG LSA auch von einer Polizeivollzugsbeamtin zu tragen ist. Darüber hinausgehende Anforderungen an das äußere Erscheinungsbild ergeben sich hieraus aber nicht. Eine Regelungsbefugnis des Ministeriums für Inneres und Sport oder einer anderen Behörde hinsichtlich der Gestaltung der Dienstkleidung oder einer Uniformpflicht ist im Gesetz nicht enthalten. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage in Sachsen-Anhalt von der in anderen Bundesländern. Die Rechtsprechung zu diesen anderen Beamtengesetzen ist daher auch nicht auf das Land Sachsen-Anhalt übertragbar. In anderen Landesrechten ist eine ausdrückliche Ermächtigung enthalten, dass eine bestimmte Behörde nähere Vorschriften über die Dienstkleidung erlässt.
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Nach § 55 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes Baden-Württemberg vom 9. November 2010 (GBl. S. 793), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2015 (GBl. S. 1210), sind Beamtinnen und Beamte verpflichtet, nach näherer Bestimmung ihrer obersten Dienstbehörde Dienstkleidung und Dienstrangabzeichen zu tragen, wenn es ihr Amt erfordert. Für Beamtinnen und Beamte des Landes erlässt die jeweilige oberste Dienstbehörde im Einvernehmen mit dem Finanz- und Wirtschaftsministerium diese Bestimmungen. Nach § 45 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. April 2009 (GV.NRW. S. 244), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2015 (GV.NRW. S. 938), - LBG NRW - erlässt die Landesregierung die Bestimmungen über Dienstkleidung, die bei Ausübung des Amtes üblich oder erforderlich ist. Sie kann die Ausübung dieser Befugnis auf andere Stellen übertragen. § 113 Abs. 1 LBG NRW sieht vor, dass Polizeivollzugsbeamte Anspruch auf unentgeltliche Ausstattung mit der Bekleidung und Ausrüstung, die die besondere Art des Dienstes erfordert, haben. Das Nähere regelt das Innenministerium im Einvernehmen mit dem Finanzministerium. § 59 des Landesbeamtengesetzes Rheinland-Pfalz vom 20. Oktober 2010 (GVBl. S. 319), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Februar 2016 (GVBl. S. 37), verpflichtet Beamtinnen und Beamte, Dienstkleidung zu tragen, wenn es ihr Amt erfordert. Die näheren Vorschriften hierzu erlässt, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die oberste Dienstbehörde. Dasselbe galt nach § 84 des Landesbeamtengesetzes Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 14. Juli 1970, das mittlerweile aufgehoben ist.
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Die Regelungen durch Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Inneres und Sport vom 1. Februar 2016 können - so wie erlassen - auch auf keine andere Vorschrift des Beamtengesetzes gestützt werden. Das gilt jedenfalls soweit ihr das hier streitige Verbot der Tätowierung der Klägerin entnommen wird. Diese Tätowierung hat keinen Inhalt, der für sich bedenklich wäre. Zwar lässt sich das Verbot von Tätowierungen mit verfassungswidrigem Inhalt, die Zweifel an der Verfassungstreue eines (zukünftigen) Beamten erwecken würden, oder gewaltverherrlichender Abbildungen, die im deutlichen Gegensatz zu den Aufgaben eines Polizeibeamten stehen, durch andere Regelungen rechtfertigen. Das gilt aber nicht für die hier streitige Abbildung eines Katzengesichts. Dieser Abbildung schreibt auch die Beklagte keinen bedenklichen Inhalt zu.
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Die allgemeine Gehorsamspflicht ist nicht geeignet, als Rechtsgrundlage für den Erlass von Regelungen über Tätowierungen zu dienen. Das ergibt sich schon aus der Doppelnatur der Regelungen, die sich insoweit nicht darauf beschränkt, den Polizeibeamten Vorschriften für den Dienst zu machen, sondern auch in das Privatleben und die dort geschützte freie Entfaltung der Persönlichkeit übergreift. Das Verbot des Tragens von Körperschmuck, insbesondere einer Tätowierung, ist nicht nur auf den Dienst beschränkt. Eine Tätowierung ist dauerhaft; sie kann nicht während des Dienstes entfernt werden. Insofern unterscheiden sich Regelungen über Tätowierungen z.B. von einer Weisung, bestimmte Schmuckstücke während des Dienstes nicht zu tragen. Die Gehorsamspflicht des Beamten ist aber auf seine dienstliche Tätigkeit begrenzt. Außerdienstlich hat er nur die für alle geltenden allgemeinen Gesetze und solche spezifischen beamtenrechtlichen Regeln zu beachten, die gerade oder zumindest auch Pflichten im außerdienstlichen Bereich begründen.
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Im Übrigen wäre die gesetzliche Regelung der beamtenrechtlichen Gehorsamspflicht auch nicht in der Lage, den inhaltlichen Anforderungen des Gesetzesvorbehalts zu genügen. Nach dem Gesetzesvorbehalt ist der parlamentarische Gesetzgeber im Hinblick auf Rechtstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichtet, in grundlegenden, insbesondere grundrechtlich relevanten Bereichen, die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Vor diesem Maßstab lässt sich der Gehorsamspflicht kein Inhalt entnehmen, was ein Beamter zu tun oder zu lassen hat. Die Gehorsamspflicht wird aufgefüllt durch die Weisung des Vorgesetzten, deren Inhalt sich aber nicht selbst auf die Gehorsamspflicht, sondern auf dienstliche Notwendigkeiten oder andere Vorschriften zurückführen lässt. Die Entscheidung trifft damit der Vorgesetzte und nicht der Gesetzgeber.
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c. Selbst wenn man, entgegen dem vorher ausgeführten, eine Rechtsgrundlage für den Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport vom 1. Februar 2015 annehmen würde, wäre die Regelung, die zum Ausschluss der Klägerin im Bewerbungsverfahren führen würde, nicht wirksam. Eine Beschränkung des Erscheinungsbildes uniformierter Polizeibeamter ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, wenn sie geeignet und erforderlich ist, um dienstliche Erfordernisse, nämlich die mit der Uniformpflicht verfolgte Zielsetzung zu fördern und die Grenze der Zumutbarkeit für die Betroffenen wahrt. Auch bei dieser Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit steht der obersten Dienstbehörde ein gerichtlich nur begrenzt nachprüfbarer Einschätzungsspielraum zu, dessen inhaltliche Reichweite insbesondere von Schwere und Intensität des jeweiligen Eingriffs abhängt (vgl. BVerwG a.a.O., Rn. 21). Beschränkt sich die Vorgabe auf die Dienstzeit und hat sie keine Rückwirkungen auf das Erscheinungsbild außerhalb des Dienstes, ist der Eingriffsgehalt gering und die Einschätzung der obersten Dienstbehörde kann dann nur noch auf offensichtliche Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Anders ist es bei Regelungen, die auch die private Lebensführung beeinflussen. Hierzu gehört eine Regelung über den Körperschmuck, insbesondere über das Aussehen und die Lage von Tätowierungen. Sie nehmen den Beamten damit die Möglichkeit, eigenverantwortlich darüber zu bestimmen, wie sie als Privatperson wahrgenommen werden wollen. Der Zwang zu einem unerwünschten, vielleicht sogar innerlich abgelehnten Aussehen, kann das psychische und soziale Wohlbefinden beeinträchtigen. Zudem kann eine Tätowierung so getragen werden, dass sie anderen sofort ins Auge springt. Sie kann den Eindruck Dritter prägen und ihr Verhalten bestimmen, auch wenn das bei der hier zu prüfenden Tätowierung nicht in gleicher Weise zwangsläufig ist, wie bei der Haar- und Barttracht. In solchen Fällen muss die Einschätzung der obersten Dienstbehörde, Vorgaben für den Körperschmuck seien aus dienstlichen Gründen geeignet und erforderlich, auf plausible und nachvollziehbare Gründe gestützt sein (vgl. zur Haar- und Barttracht BVerwG a.a.O., Rn. 22). Nach diesem Maßstab hat das Ministerium für Inneres und Sport durch die Einführung der allgemeinen Regelung in 4.1 und 4.2 in dem Erlass vom 1. Februar 2016 die Grenzen seines Einschätzungsspielraums überschritten. Diese Regelung geht in dieser Allgemeinheit zu weit, um noch durch dienstliche Erfordernisse gerechtfertigt zu sein. Es liegt fern anzunehmen, das Verbot jeglicher Tätowierung im Bereich des Halses sei unabhängig von der jeweiligen Erscheinungsform als flankierende Maßnahme geboten, um die Akzeptanz polizeilicher Maßnahmen sowie das Ansehen und das Vertrauen, das die Polizei in der Bevölkerung genießt, zu unterstützen. Tatsächlich ist von folgendem auszugehen:
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Die Verpflichtung von Polizeivollzugsbeamten, im Dienst die vorgeschriebene Dienstkleidung (Uniform) zu tragen, ist vor allem durch das Erfordernis gerechtfertigt, die Legitimation der Beamten für polizeiliche Maßnahmen äußerlich kundzutun. Die Uniform ist insoweit sichtbares Zeichen für die Eigenschaft als Polizeivollzugsbeamter und für die damit verbundenen hoheitlichen Befugnisse. Dieser Zweck wird aber regelmäßig bereits vollumfänglich durch das Tragen der Uniform erreicht. Ein Verbot von Tätowierungen am Hals ist für sich genommen weder geeignet noch erforderlich, um diese Legitimationsfunktion der Uniform zu gewährleisten oder aufrechtzuerhalten. Zudem soll die Uniform die Neutralität ihrer Träger zum Ausdruck bringen. Sie soll sichtbares Zeichen dafür sein, dass die Individualität der Polizeibeamten im Dienst hinter die Anforderungen des Amtes zurücktritt. Polizeiliche Maßnahmen sollen losgelöst von der Person der handelnden Beamten als Maßnahmen des Staates empfunden werden. Dieser durch die Uniform vermittelte Anschein der Neutralität kann durch ein Erscheinungsbild uniformierter Polizeibeamter beeinträchtigt werden, das die Individualität übermäßig hervorhebt und daher aus dem Rahmen des Üblichen fällt. Solche Erscheinungsformen, die geeignet sind, die Neutralitätsfunktion der Uniform in Frage zu stellen, kann vom Dienstherrn – bei Vorliegen einer geeigneten Ermächtigungsgrundlage – durch generelle und einheitliche Vorgaben untersagt werden. Bei der danach gebotenen Ermittlung des Üblichen hat sich der Dienstherr an den Anschauungen zu orientieren, die in der heutigen pluralistischen Gesellschaft herrschen; er darf sich einem Wandel dieser Anschauungen nicht verschließen. Daher kann er ein gesellschaftlich weitgehend akzeptiertes Aussehen nicht schon deshalb untersagen, weil er es ungeachtet der veränderten Verhältnisse weiterhin für unpassend, unästhetisch oder nicht schicklich hält (vgl. BVerwG a.a.O., Rn. 25). Danach fallen Erscheinungsformen aus dem Rahmen des Üblichen und sind geeignet, die Neutralitätsfunktion der Polizeiuniform zu beeinträchtigen, die unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Anschauungen als unkorrekt oder unseriös anzusehen sind. Dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn sie die Mehrheit der Bevölkerung für die eigene Person ablehnt oder allgemein nicht für vorteilhaft hält. Vielmehr kann eine Erscheinungsform erst dann als unkorrekt oder unseriös gelten, wenn so auftretende Personen von weiten Kreisen der Bevölkerung ausgegrenzt werden oder ihnen durch Vorbehalte der Art begegnen, die erwarten lassen, dass sie bei der Amtsausübung nicht ernstgenommen werden oder ihnen das dabei erforderliche Vertrauen nicht entgegengebracht wird. Nur unter diesen Voraussetzungen können uniformierte Polizeibeamte verpflichtet werden, auf ein bestimmtes Erscheinungsbild zu verzichten (vgl. BVerwG a.a.O., Rn. 26).
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Es entspricht nicht allgemeinem Konsens, aus dem Vorhandensein von Tätowierungen Rückschlüsse auf gesellschaftliche Haltungen und Einstellungen schließen zu können. Tätowierungen haben sich in neuerer Zeit in allen Gesellschaftskreisen verbreitet. Während in den ersten Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg Tätowierungen auf bestimmte Bevölkerungskreise, insbesondere auf Seeleute und (ehemalige) Strafgefangene, begrenzt waren, ist die Tätowierung mittlerweile eine Modeerscheinung geworden. Die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen oder bestimmte Einstellungen werden insofern – wenn überhaupt – nicht mehr durch eine Tätowierung oder eine Tätowierung an bestimmten Stellen, sondern nur noch durch die gewählten Motive ausgedrückt. Der Bevölkerungsanteil der Tätowierten ist zwar je nach Altersgruppe unterschiedlich, die Zahl ist mittlerweile aber so groß, dass damit längst die "Mitte" der Gesellschaft erreicht ist. In der Altersgruppe der Klägerin (16 bis 29-jährige) sind etwa 24 % tätowiert, in Ostdeutschland beträgt der Anteil 41 % (vgl. Institut für Demoskopie Allensbach, Allensbacher Kurzbericht - 8. Juli 2014 „Tattoos und Piercings gefallen vor allem Jüngeren“ http://www.ifd-allensbach.de/uploads/tx_reportsndocs/PD_2014_12.pdf). Zu dieser Verbreitung haben auch Prominente wie Pop-Stars und Sportler beigetragen, die Tattoos nicht nur in den einschlägigen Zeitschriften vorführen, sondern auch so haben stechen lassen, dass diese bei der sportlichen oder künstlerischen Aktivität zur Geltung kommen. Eine allgemeine Ablehnung der Träger solcher Tattoos in der Bevölkerung ist nicht festzustellen, mit Ausnahme von solchen Tätowierungen, die das Gesicht oder den oberen Teil des Kopfes bedecken. Dass ein Großteil der älteren Bevölkerung für sich eine Tätowierung ablehnt, vermag an dem Befund nichts zu ändern. Die Häufigkeit von Tätowierungen korreliert mit dem Alter, wobei jüngere Personen typischerweise häufiger tätowiert sind (vgl. Institut für Demoskopie Allensbach a.aO.). Das Ergebnis des Instituts für Demoskopie Allensbach entspricht auch der Lebenserfahrung der Mitglieder der Kammer. Der Erstellung einer repräsentativen Studie unter Darlegung der Methodik bedarf es deshalb nicht. Aufgrund dieses Befundes muss die Kammer auch nicht mehr der Frage nachgehen, ob der Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport eine mittelbare Altersdiskriminierung bewirkt, weil Ältere weniger häufig tätowiert sind und deshalb auch deutlich weniger Probleme mit bereits vorhandenen Tätowierungen haben können.
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d. Die Ablehnung der Klägerin beruht zudem noch auf einer Interpretation des Erlasses vom 1. Februar 2016, die im Wortlaut keine Stütze findet. Obwohl es sich um eine Verwaltungsvorschrift handelt und auch eine Auslegung durch die erlassende Behörde, das Ministerium für Inneres und Sport vorgenommen worden ist, hat das Gericht das Ergebnis hier anhand der Verwaltungsvorschrift zu prüfen. Zwar unterliegen Verwaltungsvorschriften im Regelfall nicht der gerichtlichen Auslegung. Das Gericht hat vielmehr nur zu beurteilen, ob die Auslegung, die die letztlich entscheidende Verwaltungsbehörde gefunden hat, mit dem Gesetz vereinbar ist. Dieser Grundsatz gilt aber nur für ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften, bei denen das Gericht letztlich nach dem Maßstab des § 114 VwGO das Ermessensergebnis zu überprüfen hat. Anders ist es schon in Fällen der norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften, weil die Kompetenz zur bindenden Auslegung von Gesetzen den Gerichten und nicht der Verwaltung zugewiesen ist. In Fällen, in denen eine Verwaltungsvorschrift weder das Ermessen lenkt noch eine Norm interpretiert, sondern von einer durch Gesetz geschaffenen Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, Regelungen selbst zu schaffen, unterliegt die Verwaltungsvorschrift der gerichtlichen Interpretation. Denn in solchen Fällen wird schon der Maßstab des Verwaltungshandelns von ihr selbst bestimmt. Sie und nicht der Gesetzgeber regeln die Rechte und Pflichten sowohl der handelnden Behörde als auch des Betroffenen. Solche Regeln, die vom Gesetz abweichen oder eine Rechtsnorm ersetzen, müssen sich dann auch an den Grundsätzen für Rechtsnormen messen lassen. Der durch eine solche Verwaltungsvorschrift Betroffene muss aus ihr selbst entnehmen können, was gelten soll. Nur so kann er sein Verhalten darauf einrichten. Nr. 4.2 des Erlasses vom 1. Februar 2016 fordert nur, dass im Bereich des Halses Körperschmuck, wozu nach Nr. 4.1 des Erlasses vom 1. Februar 2016 auch Tätowierungen gehören, im Dienst nicht sichtbar sein darf. Eine Verdeckung durch die Uniform wird - anders als z.B. in Nr. 4.5 des Erlasses vom 1. Februar 2016 - dagegen nicht gefordert. Wie sich die Kammer in der mündlichen Verhandlung überzeugt hat, ist die Tätowierung der Klägerin aus keinem Blickwinkel sichtbar, wenn sie ihre Haare offen trägt. Das genügt zu einer vollständigen Bedeckung. Werden die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, ist von der Seite erkennbar, dass sich eine Tätowierung am Hals befindet, jedenfalls wenn die Klägerin sich nicht bewegt und der Betrachter Kenntnis von der Tätowierung hat. Das Motiv ist nicht erkennbar und vermag auch keinen Effekt – wie den im Bescheid beschriebenen – zu erzeugen.
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Soweit die Beklagte darauf verweist, dass die Tätowierung sichtbar werde, wenn die Klägerin entweder die Haare hochstecken oder sehr kurz schneiden lassen würde, kann sie sich nicht auf den Erlass vom 1. Februar 2016 berufen. Denn dieser stellt auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht auf Möglichkeiten ab. Bei Wirksamkeit des Erlasses läge es nämlich näher anzunehmen, der Klägerin wäre es im Dienst untersagt, die Haare hochzustecken und – soweit eine solche Einschränkung vor Art. 2 GG Bestand hätte – ihr wäre auch untersagt, die Haare so kurz zu tragen, dass sie keine Verdeckungswirkung mehr haben. Die Verdeckungswirkung der Polizeiuniform ist in Nr. 4.2 des Erlasses vom 1. Februar 2016 nicht angesprochen. Die Beklagte vermag auch nicht aufzuzeigen, welche Uniform für die Beurteilung der Frage heranzuziehen sein soll und warum das die maßgebliche für die Frage der Einstellung sein soll, zumal im Falle einer Einstellung bei einer unterstellten Dienstzeit der Klägerin bis zur Altersgrenze mit Änderungen der Uniform zu rechnen wäre.
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Auch wenn die Frage in der mündlichen Verhandlung nicht vollständig geklärt werden konnte, vermochte die Beklagte zudem kein realistisches Szenario aufzuzeigen, bei dem die Autorität einer Polizeibeamtin durch das Nackentattoo gefährdet wäre. Die Klägerin könnte zwar gezwungen sein, die Haare aufzustecken, um einen Schutzhelm zu tragen. Das ist eine besondere Situation, weil Polizeibeamte eine solche Ausrüstung voraussichtlich nur in geschlossenen Einsätzen benötigen. Die Schutzausrüstung wird benötigt, weil die Autorität der Polizei ohnehin schon stark in Zweifel gezogen wird, weshalb es entweder der Androhung oder dem Einsatz von unmittelbarem Zwang in erheblichem Umfang bedarf. Zudem spricht sehr wenig für eine Situation, in der aufgrund der Bedrohungslage ein Schutzhelm für die eingesetzten Polizeibeamten erforderlich ist, ein Nackenschutz dagegen nicht erforderlich erscheint. Das dementsprechende Vorbringen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erscheint eher ein theoretisches Szenario zu sein, mit dessen Eintreten aber ernstlich nicht gerechnet werden kann.
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2. Das Gericht vermochte eine Verpflichtung zur Einstellung der Klägerin nicht auszusprechen. Sie kann aufgrund des bisherigen Zeitablaufs – wie auch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat – nicht unmittelbar eingestellt und der Ausbildungskohorte März 2016 zugeteilt werden. Für diesen Einstellungstermin ist zwar noch mindestens eine Stelle für einen Widerrufsbeamten vorhanden. Die Beklagte hat nicht alle Stellen besetzt und musste deshalb auch kein Konkurrentenverfahren ermöglichen. Eine Einstellung zum jetzigen Zeitpunkt scheidet aber aus, weil der Zweck des Vorbereitungsdienstes – die ordnungsgemäße Ausbildung – nicht mehr erreichbar erscheint. Die Ausbildung ist nämlich mittlerweile zu weit fortgeschritten, um den Ausbildungsvorsprung der übrigen Anwärter noch einholen zu können und letztlich die Laufbahnprüfung zu bestehen.
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Bei Fortsetzung des Bewerbungsverfahrens kann die Klägerin aber zum nächsten Einstellungstermin, voraussichtlich dem 1. September 2016, eingestellt werden. Da die am 1. März 2016 ausgeschriebenen Stellen noch nicht vollständig besetzt sind, kann die Klägerin auf einer dieser Stellen eingestellt werden. Deshalb bedarf es auch keiner Entscheidung, welche Rechtsfolgen aus der rechtswidrigen Ablehnung sich im Übrigen ergeben würden und ob die Klägerin im nächsten Einstellungstermin im Rahmen der dort zu erstellenden Rangliste einen Platz erreichen würde, der zur Einstellung führt. Die Sache ist aber noch nicht spruchreif, weil zumindest theoretisch denkbar die bereits geprüften Einstellungsvoraussetzungen des § 4 Nr. 1 bis 3 PolLVO LSA bis zum Einstellungszeitpunkt entfallen könnten.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Das Unterliegen der Klägerin ist so geringfügig, dass sich eine Kostenauferlegung in vollem Umfang auf die Beklagte rechtfertigt. Der Anspruch auf Einstellung ist nur deshalb durch das Gericht abgelehnt worden, weil theoretisch bis zum nächsten Einstellungstermin geprüfte und bejahte Einstellungsvoraussetzungen noch wegfallen könnten. Für eine solche Situation gibt es aber bisher noch keine Anhaltspunkte.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
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(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.
(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Der Rechtsstreit ist zwischen dem Entschädigungsberechtigten und dem Bund zu führen. Dies gilt sinngemäß, wenn der Rechtsstreit eine Ausgleichszahlung betrifft.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.