Tenor

1. Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird der Bescheid des Beklagten vom 8. September 2011 aufgehoben. Ebenfalls unter Abweisung der Klage im Übrigen wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin den Betrag von 358.700,00 EUR zzgl. 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 24. Juli 2015 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten zu 16 v. H. und im Übrigen der Klägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Anschlussbeiträgen (Schmutz- und Niederschlagswasser).

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks G2 in einer Größe von 324.618 m². Das als Aus- und Fortbildungszentrum der Bundespolizei genutzte Grundstück befindet sich außerhalb der Ortslage von N. und ist mit etwa 20 massiv errichteten, mehrgeschossigen Funktions- und Unterkunftsgebäuden bebaut. Es ist an die von der Stadt N. betriebene zentrale Schmutz- und Niederschlagswasserbehandlungsanlage angeschlossen.

3

Mit Bescheiden vom 9. September 2011 zog der Beklagte die Klägerin zu Anschlussbeiträgen Schmutz- und Niederschlagswasser i.H.v. 1.874.160,96 EUR bzw. 358.735,10 EUR heran. Dabei stufte er das Grundstück als im unbeplanten Innenbereich i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB gelegen ein und brachte die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung zum Ansatz. Die Klägerin zahlte die festgesetzten Beiträge. Ihre gegen die Beitragsbescheide eingelegten Widersprüche vom 16. September 2011 sind vom Beklagen bisher nicht beschieden worden.

4

Am 14. Juli 2015 hat die Klägerin zu den Az. 3 A 619/15 und 3 A 620/15 Anfechtungsklagen in Form von Untätigkeitsklagen erhoben, die das Gericht mit Beschluss vom 28. März 2018 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des erstgenannten Verfahrens verbunden hat.

5

Die Klägerin ist der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Abwasserbeitragssatzung sei unwirksam. Die Maßstabsregelung zur Flächenermittlung bei Grundstücken im unbeplanten Innenbereich (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 AwBS) sei unwirksam. Die Normierung einer „schlichten“ Tiefenbegrenzung sei unzulässig. Zudem sei die Tiefenbegrenzungslinie von 50 m nicht auf Grundlage einer ordnungsgemäßen Datenermittlung festgelegt worden. Der Beklagte habe die ortsübliche Bebauungstiefe einheitlich ermittelt, obwohl sich die Entsorgungsgebiete Schmutz- und Niederschlagswasser unterschieden. Daher hätte es der Bildung unterschiedlicher „Grundstückspools“ bedurft.

6

Auch der für Außenbereichsflächen geltende Umgriffsflächenmaßstab (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 AwBS) sei unwirksam, weil die danach vorgesehene Multiplikation der Gebäudefläche mit dem Faktor 5 zu einer gewichteten Fläche führe, die größer sei als die tatsächliche Grundstücksfläche. Zudem fehle eine Regelung über die Zuordnung der Umgriffsfläche bei Grundstücken mit sich überschneidenden Umgriffsflächen.

7

Die nur für die Niederschlagswasserbeseitigung geltende Abschlagsregelung für die Flächenermittlung bei Grundstücken ohne bzw. mit nur untergeordneter Bebauung in § 5 Abs. 2 Nr. 1 führe zu vorteilswidrigen Ergebnissen.

8

Die Regelung über den Nutzungsfaktor für den Schmutzwasserbeitrag in § 6 AwBS sei nicht hinreichend bestimmt, weil sie teilweise den in der Satzung definierten Vollgeschossbegriff verwende, bei Grundstücken in unbeplanten Gebieten und bei bebauten Außenbereichsgrundstücken dagegen lediglich auf den Begriff „Geschoss“ abstelle. Gleiches gelte für die Regelung in § 6 Abs. 5 Satz 4 AwBS, die für im Außenbereich gelegene unbebaute Grundstücke, Stellplatzgrundstücke und Grundstücke mit untergeordneter Bebauung einschließlich Wochenendhäusern einen Nutzungsfaktor von 0,5 vorsehe. Ein unbebautes Grundstück im Außenbereich könne auch als der Regelung des § 6 Abs. 4 Nr. 2 AwBS (unbeplantes Gebiet) unterfallend angesehen werden.

9

Gleichfalls nicht hinreichend bestimmt bzw. trennscharf voneinander abgegrenzt seien die Regelungen über die Grundflächenzahl bei der Niederschlagswasserbeseitigung. Festplätze und Campingplätze im Außenbereich könnten sowohl der für sie geltenden Spezialregelung in § 7 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bzw. Nr. 3 AwBS als auch der Außenbereichsregelung in § 7 Abs. 1 Nr. 4 AwBS zugeordnet werden, was zu unterschiedlichen Grundflächenzahlen führe. Auch die Bestimmung der Grundflächenzahl für Sondergebiete nach § 11 BauNVO sei unzulässig. § 11 BauNVO definiere keine typisierte Nutzungsart. Die einheitliche Anwendung des Nutzungsfaktors 0,8 beispielsweise auf Sondergebiete für Einzelhandel und für Gartenhäuser sei vorteilswidrig.

10

Die Kalkulation des Niederschlagswasserbeitrags sei fehlerhaft, weil der Beklagte die nicht unerhebliche Fläche des klägerischen Grundstücks auf der Flächenseite der Beitragskalkulation nicht berücksichtigt habe. Dadurch hätte sich der Beitragssatz erhöht.

11

Die Rechtsanwendung durch den Beklagten sei ebenfalls fehlerhaft. Das klägerische Grundstück sei nicht als Innenbereichsfläche, sondern als Außenbereichsfläche einzustufen.

12

Die Klägerin beantragt,

13

die Bescheide des Beklagten vom 9. September 2011 aufzuheben und

14

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin die Beträge von 1.874.160,96 EUR und 358.735,10 zzgl. Zinsen auf die Beträge von 1.874.150,00 EUR bzw. 358.700,00 i.H.v. 0,5 Prozent für jeden vollen Monat ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Er verteidigt die angefochtenen Bescheide und weist darauf hin, dass in dem Verfahren 3 A 2209/16 hinsichtlich des Beitragssatzes für die Niederschlagswasserbeseitigung eine Fehlerheilung gemäß § 2 Abs. 3 KAG M-V erfolgt sei (VG Greifswald, Urt. v. 13.11.2017 – 3 A 2209/16 –, juris Rn. 22).

18

Mit Beschluss vom 28. März 2018 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die von dem Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge, die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Die als sog. Untätigkeitsklage i.S.d. § 75 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Klage ist teilweise begründet. Der angefochtene Niederschlagswasserbeitragsbescheid vom 9. September 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (1.). Daher ist auch der insoweit geltend gemachte Erstattungsanspruch begründet. Zinsen auf den Erstattungsanspruch kann die Klägerin dagegen nur in der im Tenor ersichtlichen Höhe verlangen (2.). Der Schmutzwasserbeitragsbescheid gleichen Datums ist dagegen nicht zu beanstanden sodass insoweit auch kein Erstattungsanspruch besteht. (3.).

21

1. Der Niederschlagswasserbeitragsbescheid kann nicht auf die Satzung über die Erhebung von Abwasserbeiträgen und Kostenersatz für weitere Grundstücksanschlüsse der Stadt N. (Abwasserbeitragssatzung - AwBS) vom 9. November 2009 gestützt werden, denn die Satzung weist für die Niederschlagswasserbeseitigung eine unvollständige Maßstabsregelung auf (a.). Zudem enthält die Maßstabsregel eine unzulässige Privilegierung bestimmter Nutzungen (b.).

22

a. Nach § 4 Abs. 2 AwBS gilt für den Niederschlagswasserbeitrag der sog. Versiegelungsflächenmaßstab, wonach die ansatzfähige Grundstücksfläche mit der der Grundflächenzahl multipliziert wird. Dies ist unter Vorteilsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Denn der zulässige Versiegelungsgrad eines Grundstücks ist ein zutreffender Indikator für die Niederschlagsmenge, die von dem Grundstück der zentralen Niederschlagswasserbeseitigung zugeführt wird. Auch die Bemessung des zulässigen Versiegelungsgrades nach der Grundflächenzahl ist unter Vorteilsgesichtspunkten nicht zu beanstanden, denn sie gibt an, wieviel Quadratmeter von baulichen Anlagen überdeckter Grundfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche zulässig sind (vgl. § 19 Abs. 1, Abs. 2 BaunutzungsverordnungBauNVO). Damit bildet die Grundflächenzahl den zulässigen Versiegelungsgrad eines Grundstücks hinreichend deutlich ab.

23

Dies erfordert aber, dass die Maßstabsregelung Kriterien zur Ermittlung der Grundflächenzahl für alle im Gebiet der beitragsberechtigten Körperschaft vorkommenden Anwendungsfälle enthält. Hieran fehlt es vorliegend. Die Maßstabsregelung ist unvollständig. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AwBS gilt als Grundflächenzahl die in einem Bebauungsplan festgesetzte Grundflächenzahl. Für bestimmte in der Baunutzungsverordnung normierte Gebietstypen werden in der Satzung in Anlehnung an § 17 Abs. 1 Spalte 2 BauNVO Grundflächen ausgewiesen (Buchst. b). Des Weiteren normiert § 7 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 3 bis 5 AwBS Grundflächenzahlen für bestimmte Nutzungen und Außenbereichsgrundstücke. § 7 Abs. 2 Nr. 2 AwBS bestimmt weiter, dass sich die Gebietseinordnung gemäß Abs. 1 für Grundstücke, die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen (§ 34 BauGB), nach der vorhandenen Bebauung in der näheren Umgebung richtet.

24

Von diesen Regelungen werden Grundstücke innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) nicht erfasst. Die Verweisung in § 7 Abs. 2 Nr. 2 AwBS auf § 7 Abs. 1 AwBS ist sinnvoll und zulässig, soweit sie Grundstücke betrifft, deren bodenrechtliche Einordnung sich nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. einem der in §§ 2 ff. BauNVO geregelten Gebietstypen richtet. Zusätzlich ist aber eine Regelung für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich erforderlich, bei denen eine Gebietseinordnung i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB wegen einer uneinheitlichen Nutzungsstruktur unanwendbar ist. Denkbar ist, dass sich in diesen Fällen die Grundflächenzahl nach dem Verhältnis von Grundfläche und Grundstücksfläche in der näheren Umgebung richtet. Eine solche Regelung fehlt jedoch. § 7 Abs. 2 Nr. 2 AwBS bestimmt lediglich, dass sich dieGebietseinordnung nach der vorhandenen Bebauung in der näheren Umgebung richtet.

25

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Zulässigkeit der Art der baulichen Nutzung im unbeplanten Innenbereich im Regelfall oder auch nur überwiegend nach § 34 Abs. 2 BauGB richtet, mit der Folge, dass es für die Fälle des § 34 Abs. 1 BauGB keiner Regelung bedarf. Denn die Anwendung des § 34 Abs. 2 BauGB darf nicht dazu führen, dass eine vorhandene Bebauung in Zielrichtung auf eine scharfe Trennung von Gebietscharakter und zulässiger Bebauung geradezu gewaltsam in eine der Alternativen des Gebietskatalogs in § 1 Abs. 2 BauNVO gepresst wird, um dann in einer zweiten Stufe mehr oder weniger schematisch die Zulässigkeitsregeln der §§ 2 ff. BauNVO anzuwenden (BVerwG, Urt. v. 23.04.1969 – VI C 12.67 –, BVerwGE 32, 31 <37>). Weist die nähere Umgebung z.B. die Merkmale zweier Baugebiete i.S. der Baunutzungsverordnung auf, findet § 34 Abs. 2 BauGB keine Anwendung. Die Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich in diesem Fall ausschließlich nach § 34 Abs. 1 BauGB (Mitschang/Reidt in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Auflage 2014, § 34 Rn. 60).

26

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das Fehlen einer auf die Fälle des § 34 Abs. 1 BauGB zugeschnittenen Regelung auch nicht nach dem Grundsatz der Typengerechtigkeit zulässig. Zwar gestattet es der Grundsatz der Typengerechtigkeit dem Ortsgesetzgeber zu verallgemeinern und zu pauschalieren. Anknüpfungspunkt muss dabei aber immer der Regelfall sein. Ein Anknüpfen an die Ausnahme ist unzulässig. Genau dies ist vorliegend aber der Fall: Die Verweisung in § 7 Abs. 2 Nr. 2 AwBS auf § 7 Abs. 1 AwBS führt dazu, dass das die bodenrechtliche Ausnahme – die Existenz faktischer Baugebiete i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. §§ 2 ff. BauNVO – zum Regelfall bestimmt wird. Als Folge davon war der Beklagte gezwungen, entgegen der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts alle Grundstücke im unbeplanten Innenbereich der Stadt N. schematisch einem der Gebietstypen der Baunutzungsverordnung zuzuordnen, um einen Faktor zur Ermittlung des zulässigen Versiegelungsgrades anwenden zu können.

27

Soweit der Beklagte weiter einwendet, eine mit § 7 AwBS weitgehend identische Maßstabsregelung sei in der Entscheidung des OVG Schleswig vom 24.11.1999 (– 2 K 19/97 –, juris Rn. 7 ff.) nicht beanstandet worden, trifft dies zwar zu. Es hilft ihm jedoch nicht weiter, denn der Antragsteller jenes Verfahrens hatte lediglich gerügt, durch die Maßstabsregel in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Vollständigkeit der Maßstabsregel ist daher nicht geprüft worden. Gleiches gilt für den vom Beklagten ebenfalls zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.01.1989 (– 8 B 117.88 –, juris).

28

b. Ebenfalls fehlerhaft ist die Maßstabsregel in § 5 Abs. 2 AwBS. Nach Nr. 1 der Vorschrift gilt bei der Niederschlagswasserbeseitigung als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die durch Bebauungsplan eine Nutzung als Fläche für die Landwirtschaft festgesetzt ist und bei Grundstücken, für die durch Bebauungsplan sonstige Nutzung ohne oder mit nur untergeordneter Bebauung festgesetzt ist oder die tatsächlich so genutzt werden (z.B. Schwimmbäder, Camping-, Sport- und Festplätze sowie Friedhöfe) 75% der Grundstücksfläche. Für alle anderen Grundstücke gilt nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 AwBS die für den Schmutzwasserbeitrag maßgebliche Flächenermittlung.

29

Ein Flächenabschlag für bestimmte bauliche Nutzungen ist im Bereich der Niederschlagswasserbeseitigung mit dem Vorteilsprinzip nicht zu vereinbaren. Richtig ist zwar, dass der Flächenabschlag im Bereich der Schmutzwasserbeseitigung seine Berechtigung hat, weil die in § 5 Abs. 2 Nr. 1 genannten Nutzungen (Schwimmbäder, Camping-, Sport- und Festplätze sowie Friedhöfe) in der Regel auf großflächigen Grundstücken mit einer nur untergeordneten Bebauung erfolgen (vgl. VG Greifswald, Beschl. v. 25.06.2001 – 3 B 2393/00 –, juris Rn. 4 m.w.N.; auch die vom Beklagten angegebenen Zitate betreffen ausschließlich den Schmutzwasserbeitrag)), so dass eine „strenge“ Anwendung des Vollgeschossmaßstabes in diesen Fällen zu vorteilswidrigen Ergebnissen führen würde. Die sonach notwendige Korrektur kann unter Geltung des Vollgeschossmaßstabes nur durch einen Flächenabschlag vorgenommen werden. Diese Erwägungen können jedoch auf die Niederschlagswasserbeseitigung nicht übertragen werden. Denn vor dem Hintergrund des hier geltenden Versiegelungsflächenmaßstabs kann es für die Vorteilsbemessung nicht auf die Art oder das Maß der baulichen Nutzung ankommen. Maßgeblich kann nur der tatsächliche oder zulässige Versiegelungsgrad der baulich nutzbaren Grundstücksfläche sein. Für einen gleichsam „vor die Klammer gezogenen“ Flächenabschlag ist dabei kein Raum.

30

c. Auf die weiteren Einwände der Klägerin gegen die Maßstabsregeln für die Niederschlagswasserbeseitigung kommt es nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich an. Es sei aber vorsorglich darauf hingewiesen, dass sie unbegründet sein dürften. Insbesondere ist die Bestimmung der für Sondergebiete i.S.d. § 11 BauNVO geltende Grundflächenzahl von 0,8 (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 AwBS) dann nicht zu beanstanden, wenn die im Gebiet der Stadt N. existierenden Sondergebiete einen Versiegelungsgrad aufweisen, der diesen Faktor rechtfertigt. Entsprechendes gilt für die Bestimmung in § 7 Abs. 1 Nr. 5 AwBS.

31

2. Der im Hinblick auf den Niederschlagswasserbeitrag geltend gemachte Erstattungsanspruch ist unter dem Gesichtspunkt der Vollzugsfolgenbeseitigung (§ 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO) gegeben. Allerdings kann die Klägerin nur Prozesszinsen auf den Erstattungsanspruch analog § 291 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verlangen (W.-R. Schenke in: Kopp, VwGO, 23. Auflage 2017, § 90 Rn. 22 m.w.N.). Der von der Klägerin geltend gemachte (höhere) Zinsanspruch nach § 236 Abgabenordnung (AO) besteht nicht, weil ein solcher Anspruch den Erlass eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO voraussetzt (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 29.06.2017 – 3 A 61/15 –, juris Rn. 15 m.w.N.).

32

3. Zweifel an der Wirksamkeit der die Erhebung des Schmutzwasserbeitrags betreffenden Bestimmungen der Abwasserbeitragssatzung vom 9. November 2009 bestehen nicht (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 02.10.2014 – 3 A 115/13 –, juris). Die Fehlerhaftigkeit der Maßstabsregeln für den Niederschlagswasserbeitrag führt nicht zur Gesamtnichtigkeit der Satzung. Vielmehr ist nach dem Rechtsgedanken aus § 139 BGB von einer bloßen Teilnichtigkeit auszugehen. Da die Stadt N. die Erhebung von Schmutz- und Niederschlagswasserbeiträgen auch in unterschiedlichen Satzungen regeln könnte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie bei Kenntnis der Fehlerhaftigkeit der Maßstabsregeln für den Niederschlagswasserbeitrag von einer Normierung der Rechtsgrundlagen für die Erhebung des Schmutzwasserbeitrags abgesehen hätte.

33

a. Die gegen die Wirksamkeit der den Schmutzwasserbeitrag betreffenden Bestimmungen erhobenen Einwände der Klägerin verfangen ebenfalls nicht.

34

aa. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Regelung zur Flächenermittlung bei Grundstücken im unbeplanten Innenbereich unbedenklich. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 AwBS gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen (§ 34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, höchsten jedoch die Fläche zwischen der jeweiligen Grundstücksgrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallele; reicht die bauliche und gewerbliche Nutzung über diese Begrenzung hinaus oder sind Flächen tatsächlich angeschlossen, so ist die Grundstückstiefe maßgebend, die durch die hintere Grenze bestimmt wird (…).

35

Die Bestimmung normiert eine so genannte „schlichte“ Tiefenbegrenzung, die von der „qualifizierten“ Tiefenbegrenzung zu unterscheiden ist. Die „schlichte“ Tiefenbegrenzung gilt – vorbehaltlich des Falles einer grenzübergreifenden Bebauung – „immer", d.h. die rückwärtige, jenseits der Begrenzung gelegene Fläche eines Baugrundstücks bleibt ungeachtet ihrer bauplanungsrechtlichen Einstufung bei der Ermittlung des Beitrags regelmäßig unberücksichtigt. Sie ist damit sowohl auf „übertiefe“ Grundstücke anwendbar, die mit ihrer Gesamtfläche im unbeplanten Innenbereich liegen („zentrale Grundstücke“), als auch auf solche, die vom unbeplanten Innenbereich in den Außenbereich übergehen („Randlagengrundstücke“). Demgegenüber ist der Anwendungsbereich der „qualifizierten“ Tiefenbegrenzung beschränkt: Sie greift nur in Fällen, in denen es sich bei der rückwärtigen Teilfläche eines Grundstücks um eine Außenbereichsfläche i.S.d. § 35 BauGB handelt bzw. es zweifelhaft ist, ob die rückwärtige Teilfläche dem Außenbereich zuzuordnen ist. Ihr Anwendungsbereich ist damit auf „Randlagengrundstücke“ zugeschnitten.

36

Im Anschlussbeitragsrecht dient die Tiefenbegrenzung in beiden Spielarten der Abgrenzung von bevorteilten und nicht bevorteilten Grundstücksflächen. Diese Abgrenzung ist erforderlich, weil nur Baugrundstücken – hierzu gehören neben Grundstücken im Geltungsbereich rechtsverbindlicher Bebauungspläne Grundstücke im unbeplanten Innenbereich – durch die beitragsfähige Einrichtung ein Vorteil geboten wird, Grundstücken bzw. Teilflächen von Grundstücken, die kein Bauland darstellen, dagegen nicht.

37

Die gegen § 5 Abs. 1 Nr. 3 AwBS erhobenen Einwände der Klägerin verfangen nicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin führt die Normierung einer „schlichten“ Tiefenbegrenzung nicht zu einer vorteils- oder gleichheitswidrigen Privilegierung „übertiefer“ zentraler Innenbereichsgrundstücke. Richtig ist zwar, dass „übertiefe“ zentrale Innenbereichsgrundstücke durch die Normierung einer „schlichten“ Tiefenbegrenzung insoweit begünstigt werden, als nicht die Gesamtfläche des Buchgrundstücks, sondern nur die Fläche bis zur Tiefenbegrenzungslinie in den Vorteilsausgleich einbezogen wird, obwohl auch deren „Restfläche“ – anders als bei Randlagengrundstücken – im unbeplanten Innenbereich liegt. Richtig ist auch, dass diese Begünstigung nach der früheren Rechtsprechung des OVG Greifswald nur hinzunehmen war, solange sie atypisch blieb und deshalb noch in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen der Typisierung stand (OVG Greifswald, Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00 –, juris Rn. 45; Beschl. v. 03.05.2005 – 1 L 268/03 –, n.v.). Nach der neueren Rechtsprechung des OVG Greifswald bedarf es jedoch keiner Rechtfertigung der „schlichten“ Tiefenbegrenzung mehr, denn nunmehr geht das Gericht davon aus, dass (auch) die rückwärtigen Teilflächen „übertiefer“ zentraler Innenbereichsgrundstücke nicht bevorteilt sind (OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –, juris Rn. 42). Denn die Tiefenbegrenzung hat nicht – jedenfalls nicht vornehmlich – die Funktion einer pauschalen Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsflächen, sondern dient der Abgrenzung von baulich nutzbaren von baulich nicht nutzbaren Flächen (OVG Greifswald, a.a.O., Rn. 39, 42). Da auch die rückwärtigen Teilflächen „übertiefer“ zentraler Innenbereichsgrundstücke in der Regel einer baulichen Nutzung entzogen sind, weil sich eine Bebauung in diesem Bereich nicht in die in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Kriterien einfügt, dürfen sie ebenso wenig in den Vorteilsausgleich einbezogen werden, wie die im Außenbereich gelegenen Restflächen übertiefer Randlagengrundstücke, bei denen sich die Unzulässigkeit der Bebauung aus ihrer Außenbereichslage ergibt.

38

Auch die konkrete Festlegung der Tiefenbegrenzung auf 50 m ist nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf die bisherige Rechtsprechung (VG Greifswald, Urt. v. 02.10.2014 – 3 A 115/13 –, juris Rn. 29 ff.) verwiesen. An dieser Auffassung hält die Kammer auch mit Blick auf die neuere Rechtsprechung des OVG Greifswald fest, wonach Daten, die zur Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe für den Entsorgungsbereich „Schmutzwasser“ zutreffend ermittelt und gewichtet worden sind, nicht auf den Entsorgungsbereich „Niederschlagswasser“ übertragen werden dürfen, wenn beide Entsorgungsbereiche nicht deckungsgleich sind (OVG Greifswald, Urt. v. 05.12.2016 – 1 K 9/13 –, juris Rn. 37). Hierauf zielen die Darlegungen der Klägerin zum Erfordernis der Bildung unterschiedlicher „Grundstückspools“ ab.

39

Die genannte Rechtsprechung des OVG Greifswald ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Auch ist die abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft bei einer fehlenden Deckungsgleichheit der Entsorgungsgebiete nicht zwingend zur Bildung unterschiedlicher Grundstückspools verpflichtet. Zwar sind die Entsorgungsbereiche der zentralen Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung auch hier nicht deckungsgleich. Anders als in dem vom OVG Greifswald entschiedenen Fall hat der Beklagte hier jedoch nicht die Daten für einen Entsorgungsbereich ermittelt und diese dann der Festlegung der Tiefenbegrenzung auch des anderen Entsorgungsbereichs zu Grunde gelegt. Vielmehr ergibt sich aus den Kalkulationsunterlagen (Anlage 3 zur Beschlussvorlage S 09/03-15), dass bei der Auswahl der repräsentativen Straßen berücksichtigt wurde, dass zumindest der überwiegende Teil der Grundstücke sowohl für die Schmutz- als auch für die Niederschlagswasserbeseitigung infrage kommt. Anders als bei den 448 erfassten Grundstücken in Straßen der Tabelle 2, die sowohl zum Entsorgungsbereich der zentralen Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung gehören, wurden nur bei den insgesamt nur 148 Randlagengrundstücken der Tabelle 1 auch Grundstücke berücksichtigt, bei denen teilweise lediglich ein Anschluss an die zentrale Schmutzwasserbeseitigung möglich ist. Diese Verfahrensweise ist jedenfalls bei den konkreten örtlichen Verhältnissen der Stadt N. zulässig, denn es wird gewährleistet, dass die ortsübliche Bebauungstiefe für beide Entsorgungsbereiche hinreichend deutlich abgebildet wird.

40

Bestätigt wird diese Auslegung durch die vom Beklagten vorgenommene Vergleichsbetrachtung. Würde man alle Straßen der Tabelle 1 streichen, in denen nur ein Anschluss an die zentrale Schmutzwasserbeseitigung möglich ist, so wiesen bei einer Zusammenschau beider Tabellen 57% aller Grundstücke eine Bebauungstiefe bis 50 m auf. Diese Zahl ist hinreichend groß und rechtfertigt die satzungsrechtliche Regelung.

41

Abschließend sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass wegen der Berücksichtigung von Grundstücken die nur an die zentrale Schmutzwasserbeseitigung angeschlossen sind oder angeschlossen werden können, allenfalls das Bild für die zentrale Niederschlagswasserbeseitigung verfälscht sein könnte. Auf diese Frage kommt es wegen der Fehlerhaftigkeit der in diesem Bereich geltenden Maßstabsregeln (s.o.) jedoch nicht entscheidungserheblich an.

42

bb. Auch die für Außenbereichsflächen geltende Umgriffsflächenregelung in § 5 Abs. 1 Nr. 5 AwBS ist nicht zu beanstanden. Sie führt dazu, dass bei an die Schmutz- oder Niederschlagswasserbeseitigungsanlage tatsächlich angeschlossenen (vgl. § 3 Abs. 3 AwBS) Außenbereichsgrundstücken nur die baulich und bauakzessorisch genutzte Teilfläche der Beitragserhebung unterliegt. Die Befürchtung der Klägerin, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 AwBS vorgesehen Division der Grundfläche der an die Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossenen Baulichkeiten durch den Divisor 0,2 (= Multiplikation der Grundfläche mit dem Faktor 5) könne zu einer gewichteten Fläche führen, die größer sei als die tatsächliche Grundstücksfläche, ist unbegründet. Zwar ist eine Flächenbegrenzung in § 5 Abs. 1 Nr. 5 AwBS – anders als in § 5 Abs. 1 Nr. 6 AwBS („höchstens die jedoch die tatsächliche Grundstücksgröße“) – nicht ausdrücklich normiert; die Kammer geht jedoch davon aus, dass das Fehlen einer ausdrücklichen Begrenzungsregel auf einem unschädlichen Redaktionsversehen beruht, so dass die Regelungslücke im Wege der Analogie zu § 5 Abs. 1 Nr. 6 AwBS geschlossen werden kann (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 14.08.2007 – 3 A 2017/05 –, S. 14 des Entscheidungsumdrucks; zum ähnlichen Fall des Fehlens einer sog. Umgriffs- oder Abgeltungsflächenregelung: OVG Greifswald, Urt. v. 24.03.2004 – 1 L 58/02 –, S. 24 des Entscheidungsumdrucks).

43

Der weitere Einwand der Klägerin, es fehle eine Regelung über die Zuordnung der Umgriffsfläche bei Grundstücken mit sich überschneidenden Umgriffsflächen, greift ebenfalls nicht durch. Zum einen kann das Problem der sich überlappenden Umgriffsflächen durch eine analoge Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 5 zweiter Halbsatz AwBS (Grundstücke mit Randlagenbebauung). Zum anderen würde auch eine – hier nur unterstellte – Fehlerhaftigkeit der Zuordnungsregelung nicht zur Fehlerhaftigkeit der Maßstabsregelung führen. Die Zuordnung der auf Grundlage der Umgriffsflächenregelung ermittelten Beitragseinheiten dient nicht der Ermittlung der auf das betreffende Grundstück entfallenden Beitragseinheiten, sondern soll mit Blick auf den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung lediglich gewährleisten, dass die Teilfläche des Grundstücks, für die ein Anschlussbeitrag erhoben wird, bei einer Beitragserhebung für die Restfläche – z.B. nach einer Überplanung des gesamten Grundstücks – nicht nochmal berücksichtigt wird (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 27.04.2009 – 2 LB 64/08 –, juris Rn. 33 ff.). Die Zuordnung gehört damit nicht zur eigentlichen Maßstabsregel und wird folglich auch nicht von der Regelung über den Mindestinhalt in § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V erfasst. Eine Fehlerhaftigkeit der Zuordnungsregelung kann sich daher erst bei einer weiteren Beitragserhebung für das betreffende Grundstück auswirken.

44

Ungeachtet dessen sei darauf hingewiesen, dass die Klägerin keinen Anwendungsfall dargelegt hat, in denen sich die angebliche Fehlerhaftigkeit des § 5 Abs. 1 Nr. 5 AwBS tatsächlich auswirkt. Das klägerische Grundstück ist – wie noch zu zeigen sein wird – nicht dem Außenbereich (§ 35 BauGB), sondern dem unbeplanten Innenbereich (§ 34 Abs. 1 BauGB) zuzuordnen. Anhaltspunkte dafür, dass es im Gebiet der Stadt N. überhaupt Außenbereichsgrundstücke mit einer derart verdichteten Bebauung gibt, dass die von der Klägerin gerügten Fehler auftreten, sind nicht erkennbar.

45

cc. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Regelung über den Nutzungsfaktor für den Schmutzwasserbeitrag in § 6 AwBS hinreichend bestimmt, obwohl in der Vorschrift teilweise von „Vollgeschossen“ (Abs. 2 und 3) und teilweise lediglich von „Geschossen“ (Abs. 4, 5 und 6) die Rede ist. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass die Begriffe „Vollgeschoss“ und „Geschoss“ in der Satzung synonym verwandt werden. Dies folgt aus § 6 Abs. 2 Satz 1 AwBS, wonach als zulässige Zahl der Geschosse die im Bebauungsplan festgesetzte Zahl der Vollgeschosse gilt. Der Begriff des Vollgeschosses ist in § 6 Abs. 8 AwBS in Anlehnung an die Bestimmung des § 2 Abs. 6 Landesbauordnung (LBauO M-V) definiert. Dagegen ist nichts zu erinnern. Auch die in § 6 Abs. 8 Satz 3 AwBS normierte Abweichung von der Mindesthöhe bei Geschossen von Altbauten begegnet keinen Bedenken (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 62 ff.).

46

dd. Weiter ist auch § 6 Abs. 5 Satz 4 AwBS nicht zu beanstanden. Die Vorschrift, die ebenfalls nur für an die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage tatsächlich angeschlossene Grundstücke gilt (vgl. § 3 Abs. 3 AwBS), sieht für unbebaute Grundstücke, Stellplatzgrundstücke und Grundstücken mit nur untergeordneter Bebauung einschließlich Wochenendhäusern den Nutzungsfaktor 0,5 vor. Dies ist nicht vorteilswidrig. Zwar ist ein Sondermaßstab für Wochenendhausgrundstücke nach der Rechtsprechung des VG Schwerin nicht geboten, wenn diese zu dauernden Wohnzwecken genutzt werden dürfen (Urt. vom 10.10.2011 – 8 A 560/10 –, juris Rn. 124). Damit ist zur Zulässigkeit des Sondermaßstabes für Wochenendhausgrundstücke, bei denen dies nicht der Fall ist, jedoch nichts gesagt. Wie in dem Verfahren 3 A 1413/16 gerichtsbekannt wurde, beruht die Bestimmung des gegenüber der Wohnnutzung abgesenkten Nutzungsfaktors 0,5 auf dem Umstand, dass Wochenendhäuser in der Regel nicht zu Dauerwohnzwecken genutzt werden dürfen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 19.02.2014 – 3 L 212/12 –, juris Rn. 38 f.). An diesen Umstand darf der Ortsgesetzgeber anknüpfen. Weil sich auf einem Wochenendhausgrundstück nur zeitweise Menschen aufhalten, fällt auch weniger Abwasser an als auf zu Wohnzwecken genutzten Grundstücken. Es ist daher vom ortsgesetzgeberischen Ermessen gedeckt, wenn die Satzung von einem gegenüber der Wohnnutzung geringeren Vorteil ausgeht.

47

Abgrenzungsprobleme gegenüber der Regelung in § 6 Abs. 4 Nr. 2 AwBS bestehen nicht. Die Vorschrift erfasst nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut Baugrundstücke, also Grundstücke im unbeplanten Innenbereich und im Geltungsbereich von Bebauungsplänen. Der Anwendungsbereich von § 6 Abs. 5 Satz 4 AwBS ist dagegen, wie sich insbesondere aus dem systematischen Zusammenhang (Einordnung der Vorschrift in den Absatz 5) ergibt, auf Außenbereichsgrundstücke beschränkt.

48

ee. Substantiierte Einwände gegen die Ordnungsgemäßheit der Beitragskalkulation hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Daher kann von Ausführungen hierzu abgesehen werden.

49

b. Die Rechtsanwendung durch den Beklagten begegnet ebenfalls keinen Bedenken.

50

aa. So ist die Ermittlung der auf das Grundstück entfallenden Beitragseinheiten entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu beanstanden. Die Flächenermittlung – die Ermittlung des Nutzungsfaktors nach § 6 AwBS wird von der Klägerin nicht angegriffen – richtet sich nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 AwBS. Danach gilt als Grundstücksfläche bei der Schmutzwasserbeseitigung, bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen (§ 34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen der jeweiligen Grundstücksgrenze und eiern im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen.

51

Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn das klägerische Grundstück liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB. Ein Bebauungszusammenhang i.S. des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist eine aufeinander folgende Bebauung, die trotz vorhandener Baulücken nach der Verkehrsanschauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt (BVerwG, Urt. v. 06.11.1968 – 4 C 2.66 –, BVerwGE 31, 20 <21 f.>). Maßstabsbildend sind im Regelfall nur bauliche Anlagen, die nach Art und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als Ortsteil mit bestimmtem städtebaulichen Charakter zu prägen (BVerwG, Urt. v. 14.09.1992 – 4 C 15.90 –, NVwZ 1993, 985), und zwar unabhängig davon, ob sie genehmigt oder nur zweifelsfrei geduldet sind (BVerwG, Urt. v. 06.11.1968 – IV C 31.66 –, BVerwGE 31, 22) oder ob sie einem bestimmten städtebaulichen Ordnungsbild entsprechen (BVerwG, Urt. v. 22.03.1972 – IV C 121.68 –, BauR 1972, 222). Das sind grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (BVerwG, Beschl. v. 02.03.2000 – 4 B 15.00 –, BauR 2000, 1310 m.w.N.). Diese Voraussetzung wird bei typischen Kasernenanlagen – zu denen auch das als „Polizeikaserne“ errichtete Fort- und Ausbildungszentrum der Bundespolizei gerechnet werden kann – mit mehr als fünf Bauten (Unterkünften, Hallen, Garagen usw.) regelmäßig vorliegen. Vorliegend ist von 20 mehrgeschossigen massiven Bauten auszugehen. Alles sind Zweckbauten, die von ihrer Bausubstanz her ein Gewicht aufweisen. Dabei spielt es keine Rolle, dass es sich um atypische Bauten handelt und dass die Gemeinde an der Entwicklung dieses Bereichs nicht beteiligt gewesen ist (vgl. Bell, LKV 2006, 102 <104>; Uechtritz, BauR 1996, 485 <488>; VGH Kassel, Urt. v. 19.03.1971 – IV OE 58/70 –, BRS 24, Nr. 28).

52

Weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 1 BauGB ist das Vorliegen einer organischen Siedlungsstruktur. Dem Bebauungszusammenhang muss eine „maßstabsbildende Kraft“ zukommen (BVerwG, Urt. v. 14.09.1992 – 4 C 15.90 –, juris Rn. 12). Denn nur dann ist gewährleistet, dass ein Bereich auch ohne eine örtliche Satzung anhand von gesicherten Maßstäben angemessen weiterentwickelt wird (BVerwG, Urt. v. 23.11.2016 – 4 CN 2/16 –, juris Rn. 17 m.w.N.; Bell, a.a.O.; Uechtritz a.a.O.). Auch dies ist bei einer im Betrieb befindlichen Kaserne oder – wie hier – Polizeieinrichtung regelmäßig der Fall, denn die Nutzung gibt den Rahmen für eine bauliche Weiterentwicklung des Ortsteils vor. Die prägende Kraft erlischt erst nach einer endgültigen Aufgabe der Nutzung (BVerwG, Urt. v. 23.11.2016, a.a.O.).

53

Auch die Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung ist nicht zu beanstanden. Maßgeblich ist nicht die 50-m-Grenze, sondern – wegen der grenzübergreifenden baulichen und gewerblichen Nutzung des Grundstücks – die hintere Grenze der baulichen bzw. gewerblichen Nutzung. Diese wird durch eine über die gesamte Grundstücksbreite verlaufende Parallele bestimmt, welche die von der der Straße zugewandten Grundstücksseite am weitesten entfernte Gebäudegrenze bzw. Grundstücksbefestigung tangiert (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 3 dritter Halbsatz AwBS). Gemessen an diesen Kriterien ist die vom Beklagten vorgenommene Flächenermittlung zutreffend. Es kommt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf die hintere Grenze des letzten aktuell vorhandenen Gebäudes, sondern auf die hintere Grenze der letzten zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht (dazu sogleich) vorhandenen Gebäudes an. Hier hat der Beklagte zutreffend auf das das zwischenzeitlich beseitigte Gebäude am Hubschrauberlandeplatz abgestellt.

54

bb. Wegen der Definition einer von der Entstehung der Beitragspflicht unabhängigen Festsetzungshöchstfrist in § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V hat sich die Möglichkeit der Beitragserhebung trotz der Altanschließersituation weder „verflüchtigt“, noch verstößt sie gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (OVG Greifswald, Urt. v. 06.09.2016 – 1 L 212/13 –, juris Rn. 68 ff.; rechtskräftig durch BVerwG, Beschl. v. 18.05.2017 – 9 B 71.16 –, juris).

55

cc. Schließlich ist der Beitragsanspruch nicht infolge Festsetzungsverjährung gemäß § 47 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V erloschen, obwohl das Grundstück bereits in den Jahren 1981 bis 1983 mit Gebäuden einer Volkpolizeischule der ehemaligen DDR bebaut und dabei an eine zentrale Abwasseranlage angeschlossen worden ist. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Anschlussbeiträge vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Die Entstehung der Beitragspflicht richtet sich nach § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V. Danach entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Damit konnte die Beitragspflicht trotz des wesentlich früher erfolgen Anschlusses des Grundstücks an eine zentrale Abwasserbehandlungsanlage erst mit dem Inkrafttreten der Abwasserbeitragssatzung vom 9. November 2009 entstehen. Diese Satzung ist die erste wirksame Satzung i.S.d. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V. Die zuvor Geltung beanspruchenden Abwasserbeitragssatzungen der Stadt N. sahen eine unzulässige Privilegierung altangeschlossener Grundstücke vor und waren damit wegen eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unwirksam (zuletzt VG Greifswald, Urt. v. 29.03.2006 – 3 A 1460/04 –, juris Rn. 19). Die Heranziehung der Klägerin im Jahre 2011 erfolgte damit innerhalb der Festsetzungsfrist.

56

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. 709 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.

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Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

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(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Als sonstige Sondergebiete sind solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 wesentlich unterscheiden.

(2) Für sonstige Sondergebiete sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Als sonstige Sondergebiete kommen insbesondere in Betracht
Gebiete für den Fremdenverkehr, wie Kurgebiete und Gebiete für die Fremdenbeherbergung, auch mit einer Mischung von Fremdenbeherbergung oder Ferienwohnen einerseits sowie Dauerwohnen andererseits,
Ladengebiete,
Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe,
Gebiete für Messen, Ausstellungen und Kongresse,
Hochschulgebiete,
Klinikgebiete,
Hafengebiete,
Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien, wie Windenergie und solare Strahlungsenergie, dienen.

(3)

1.
Einkaufszentren,
2.
großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können,
3.
sonstige großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf den Verkauf an letzte Verbraucher und auf die Auswirkungen den in Nummer 2 bezeichneten Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind,
sind außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Auswirkungen im Sinne des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sind insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich der in Satz 1 bezeichneten Betriebe, auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden, auf das Orts- und Landschaftsbild und auf den Naturhaushalt. Auswirkungen im Sinne des Satzes 2 sind bei Betrieben nach Satz 1 Nummer 2 und 3 in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche 1 200 m2überschreitet. Die Regel des Satzes 3 gilt nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Auswirkungen bereits bei weniger als 1 200 m2Geschossfläche vorliegen oder bei mehr als 1 200 m2Geschossfläche nicht vorliegen; dabei sind in Bezug auf die in Satz 2 bezeichneten Auswirkungen insbesondere die Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und das Warenangebot des Betriebs zu berücksichtigen.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Grundflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter Grundfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche im Sinne des Absatzes 3 zulässig sind.

(2) Zulässige Grundfläche ist der nach Absatz 1 errechnete Anteil des Baugrundstücks, der von baulichen Anlagen überdeckt werden darf.

(3) Für die Ermittlung der zulässigen Grundfläche ist die Fläche des Baugrundstücks maßgebend, die im Bauland und hinter der im Bebauungsplan festgesetzten Straßenbegrenzungslinie liegt. Ist eine Straßenbegrenzungslinie nicht festgesetzt, so ist die Fläche des Baugrundstücks maßgebend, die hinter der tatsächlichen Straßengrenze liegt oder die im Bebauungsplan als maßgebend für die Ermittlung der zulässigen Grundfläche festgesetzt ist.

(4) Bei der Ermittlung der Grundfläche sind die Grundflächen von

1.
Garagen und Stellplätzen mit ihren Zufahrten,
2.
Nebenanlagen im Sinne des § 14,
3.
baulichen Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche, durch die das Baugrundstück lediglich unterbaut wird,
mitzurechnen. Die zulässige Grundfläche darf durch die Grundflächen der in Satz 1 bezeichneten Anlagen bis zu 50 vom Hundert überschritten werden, höchstens jedoch bis zu einer Grundflächenzahl von 0,8; weitere Überschreitungen in geringfügigem Ausmaß können zugelassen werden. Im Bebauungsplan können von Satz 2 abweichende Bestimmungen getroffen werden. Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festsetzt, kann im Einzelfall von der Einhaltung der sich aus Satz 2 ergebenden Grenzen abgesehen werden
1.
bei Überschreitungen mit geringfügigen Auswirkungen auf die natürlichen Funktionen des Bodens oder
2.
wenn die Einhaltung der Grenzen zu einer wesentlichen Erschwerung der zweckentsprechenden Grundstücksnutzung führen würde.

(5) Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festsetzt, darf die zulässige Grundfläche in Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten durch die Grundflächen von Anlagen zur Erzeugung von Strom und Wärme aus solarer Strahlungsenergie und Windenergie überschritten werden.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Als sonstige Sondergebiete sind solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 wesentlich unterscheiden.

(2) Für sonstige Sondergebiete sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Als sonstige Sondergebiete kommen insbesondere in Betracht
Gebiete für den Fremdenverkehr, wie Kurgebiete und Gebiete für die Fremdenbeherbergung, auch mit einer Mischung von Fremdenbeherbergung oder Ferienwohnen einerseits sowie Dauerwohnen andererseits,
Ladengebiete,
Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe,
Gebiete für Messen, Ausstellungen und Kongresse,
Hochschulgebiete,
Klinikgebiete,
Hafengebiete,
Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien, wie Windenergie und solare Strahlungsenergie, dienen.

(3)

1.
Einkaufszentren,
2.
großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können,
3.
sonstige großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf den Verkauf an letzte Verbraucher und auf die Auswirkungen den in Nummer 2 bezeichneten Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind,
sind außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Auswirkungen im Sinne des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sind insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich der in Satz 1 bezeichneten Betriebe, auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden, auf das Orts- und Landschaftsbild und auf den Naturhaushalt. Auswirkungen im Sinne des Satzes 2 sind bei Betrieben nach Satz 1 Nummer 2 und 3 in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche 1 200 m2überschreitet. Die Regel des Satzes 3 gilt nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Auswirkungen bereits bei weniger als 1 200 m2Geschossfläche vorliegen oder bei mehr als 1 200 m2Geschossfläche nicht vorliegen; dabei sind in Bezug auf die in Satz 2 bezeichneten Auswirkungen insbesondere die Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und das Warenangebot des Betriebs zu berücksichtigen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

(1) Wird durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt, so ist der zu erstattende oder zu vergütende Betrag vorbehaltlich des Absatzes 3 vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. Ist der zu erstattende Betrag erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit entrichtet worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag der Zahlung.

(2) Absatz 1 ist entsprechend anzuwenden, wenn

1.
sich der Rechtsstreit durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch Erlass des beantragten Verwaltungsakts erledigt oder
2.
eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder ein unanfechtbarer Verwaltungsakt, durch den sich der Rechtsstreit erledigt hat,
a)
zur Herabsetzung der in einem Folgebescheid festgesetzten Steuer,
b)
zur Herabsetzung der Gewerbesteuer nach Änderung des Gewerbesteuermessbetrags
führt.

(3) Ein zu erstattender oder zu vergütender Betrag wird nicht verzinst, soweit dem Beteiligten die Kosten des Rechtsbehelfs nach § 137 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung auferlegt worden sind.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.

(1) Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) sind die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden; bei den Säumniszuschlägen genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands (§ 240). Die Steueranmeldungen (§ 168) stehen den Steuerbescheiden gleich.

(2) Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des Absatzes 1 betreffen, entscheidet die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2) betrifft.

(3) Wird eine Anrechnungsverfügung oder ein Abrechnungsbescheid auf Grund eines Rechtsbehelfs oder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder eines Dritten zurückgenommen und in dessen Folge ein für ihn günstigerer Verwaltungsakt erlassen, können nachträglich gegenüber dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person die entsprechenden steuerlichen Folgerungen gezogen werden. § 174 Absatz 4 und 5 gilt entsprechend.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten wegen einer Zinserstattung.

2

Die Klägerin ist infolge Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der Fa. R. Backwaren GmbH. Diese war vom Beklagten mit Bescheid vom 27. November 2008 zu einem Anschlussbeitragsbescheid (Schmutzwasser) i.H.v. 65.950,50 EUR herangezogen worden. Mit Urteil vom 5. April 2012 – 3 A 821/09 – hob das erkennende Gericht den Beitragsbescheid auf und führte zur Begründung aus, dass die sachliche Beitragspflicht wegen einer Unwirksamkeit der Beitragssatzung nicht entstehen konnte. Mit Beschluss vom 17. November 2014 – 1 L 59/12 – lehnte das OVG Greifswald den Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung ab.

3

In der Folgezeit zahlte der Beklagte die Beitragsforderung, die die Rechtsvorgängerin der Klägerin in vier Teilbeträgen am 29. Juni 2009 (16.489,50 EUR), am 22. Juli 2010 (16.487,00 EUR), am 27. Juni 2011 (16.487,00 EUR) und am 10. September 2012 (16.487,00 EUR) entrichtet hatte, zurück. Die mit Schreiben vom 4. Dezember 2014 beantragte Erstattung von Zinsen i.H.v. 15.386,05 EUR sowie von gezahlten Säumniszuschlägen und Vollstreckungskosten i.H.v. 493,50 EUR bzw. 95,65 EUR lehnt der Beklagte unter dem 16. Dezember 2014 formlos ab.

4

Am 21. Januar 2015 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, ihr stehe in entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 4 Satz 5 KAG M-V ein Anspruch auf Rückzahlung von 6 v.H. Zinsen p.a. auf die gezahlten Teilbeträge zu. Der geltend gemachte Anspruch könne auch auf den Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gestützt werden.

5

Die Klägerin beantragt,

6

den Beklagten zu verpflichten, die nachstehend aufgeführten Beträge an die Klägerin zu zahlen:

7

- 6 % Zinsen aus 16.489,50 EUR für die Zeit vom 29. Juni 2009 bis 3. Dezember 2014 i.H.v. 5.375,13 EUR und ab 4. Dezember 2014 kalendertäglich 2,71 EUR;
- 6 % Zinsen aus 16.487,00 EUR für die Zeit vom 22. Juli 2010 bis 3. Dezember 2014 i.H.v. 4.322,76 EUR und ab 4. Dezember 2014 kalendertäglich 2,71 EUR;
- 6 % Zinsen aus 16.487,00 EUR für die Zeit vom 27. Juni 2011 bis 3. Dezember 2014 i.H.v. 3.401,29 EUR und ab 4. Dezember 2014 kalendertäglich 2,71 EUR;
- 6 % Zinsen aus 17.076,15 EUR für die Zeit vom 10. September 2012 bis 3. Dezember 2014 i.H.v. 2.286,87 EUR und ab 4. Dezember 2014 kalendertäglich 2,81 EUR;
- 589,15 EUR Säumniszuschläge/Vollstreckungskosten/Mahngebühren;

8

hilfsweise,

9

den Beklagten zu verurteilen, die genannten Beträge an die Klägerin zu zahlen.

10

Der Beklagte beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Mit Beschluss vom 13. April 2016 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beigezogenen Akten des Verfahrens 3 A 821/09 vorgelegen.

Entscheidungsgründe

14

1. Die Klage ist im Hauptantrag unzulässig. Es fehlt an der Durchführung des nach §§ 68 ff. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erforderlichen Vorverfahrens.

15

Nach § 218 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 12 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) entscheidet die Abgabenbehörde über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen im Sinne des § 218 Abs. 1 AO betreffen, durch Abrechnungsbescheid. Hierbei handelt es sich um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO, so dass im Geltungsbereich des § 218 Abs. 1 AO nur die Erhebung einer Verpflichtungsklage statthaft ist (vgl. OVG Greifswald, Beschl. vom 13.09.2016 – 1 L 235/13 –, n.v.). Zu den von § 218 Abs. 1 AO erfassten Ansprüchen aus dem Abgabenschuldverhältnis gehören nach § 37 Abs. 1 AO auch die vorliegend streitigen abgabenrechtlichen Nebenleistungen Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten (vgl. § 3 Abs. 4 AO) und nach § 37 Abs. 2 Satz 2 AO Ansprüche, die infolge des späteren Wegfalls des Rechtsgrundes für eine erbrachte Leistung entstehen. Gleiches gilt für den von der Klägerin geltend gemachten Zinsanspruch analog § 7 Abs. 4 Satz 5 KAG M-V. Zwar wird dieser Anspruch in dem Katalog des § 3 Abs. 4 AO nicht erwähnt. Dies schließt den Anwendungsbereich des § 218 Abs. 2 Satz 1 AO jedoch nicht aus, denn die von § 12 Abs. 1 KAG M-V angeordnete „entsprechende Anwendung“ der Abgabenordnung ist so zu verstehen, dass auch über den Zinsanspruch nach § 7 Abs. 4 Satz 5 KAG M-V nach den Maßgaben der Abgabenordnung zu entscheiden ist.

16

Vor diesem Hintergrund hätte die Klägerin, nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 16. Dezember 2014 ihren Antrag abgelehnt hatte, innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO einen sog. Verpflichtungswiderspruch i.S.d. § 68 Abs. 2 VwGO einlegen müssen. Dies ist jedoch nicht erfolgt. Die Klägerin hat am 21. Januar 2015 sogleich Klage erhoben. Eine Wiedereinsetzung in die verstrichene Widerspruchsfrist ist nach § 60 Abs. 3 VwGO ausgeschlossen.

17

Auf das materiell-rechtliche Vorbringen der Klägerin kommt es daher entscheidungserheblich nicht an. Es sei aber darauf hingewiesen, dass die Klage im Falle ihrer Zulässigkeit unbegründet wäre.

18

Ist die Beitragspflicht sechs Jahre nach Erlass des Vorausleistungsbescheides noch nicht entstanden, kann die Vorausleistung nach § 7 Abs. 4 Satz 4 KAG M-V zurückverlangt werden. § 7 Abs. 4 Satz 5 KAG M-V bestimmt weiter, dass der Rückzahlungsanspruch ab Zahlung der Vorausleistung mit jährlich 6 vom Hundert zu verzinsen ist. Für eine analoge Anwendung dieses Anspruchs auf Fälle, in denen ein endgültiger Beitrag erhoben wurde und die sachliche Beitragspflicht innerhalb der Frist des § 7 Abs. 4 Satz 4 KAG M-V wegen einer Unwirksamkeit der Beitragssatzung nicht entstehen konnte (vgl. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V), besteht kein Raum. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke. Denn der Gesetzgeber hat das Verzinsungsproblem gesehen und nur für die Vorausleistung einen Anspruch normiert. Dies legt die Annahme nahe, dass im Übrigen nur die in der Abgabenordnung normierten Zinsansprüche gelten sollen. Nach der Rechtsprechung des VG Potsdam besteht zudem keine Verzinsungspflicht für eine vereinnahmte Vorausleistung, wenn die Anschlussmöglichkeit innerhalb der Sechs-Jahres-Frist geschaffen worden ist und die sachliche Beitragspflicht nur wegen einer unwirksamen Beitragssatzung nicht fristgemäß entstehen konnte (Urt. v. 25. 2. 2008 – 8 K 813/06 –, juris Rn. 43). Möglicherweise ist es sachnäher, diesen Gedanken auf den endgültigen Beitrag zu übertragen als die von der Klägerin favorisierte Anwendung des § 7 Abs. 4 Satz 5 KAG M-V.

19

Verwirkte Säumniszuschläge werden gemäß § 240 Abs. 1 Satz 4 AO von der Aufhebung des Abgabenbescheides nicht berührt. Eine Anspruchsgrundlage für die Erstattung der von der Rechtsvorgängerin der Klägerin gezahlten Vollstreckungskosten ist ebenfalls nicht erkennbar.

20

2. Im Hilfsantrag ist die Klage zulässig – für die allgemeine Leistungsklage besteht kein Erfordernis eines Vorverfahrens – aber unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu, denn der für die Erstattung abgabenrechtlicher Nebenleistungen allein in Betracht kommende Anspruch auf Erlass eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO verdrängt alle unmittelbar auf Zahlung gerichteten Anspruchsgrundlagen und damit auch den von der Klägerin geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (vgl. § 37 Abs. 2 AO).

21

Unter dem Gesichtspunkt der Vollzugsfolgenbeseitigung (§ 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO) hat die Klage im Hilfsantrag schließlich ebenfalls keinen Erfolg. Ein Zinsanspruch der Klägerin nach § 236 Abs. 1 und 2 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V besteht nicht, weil der Beklagte den von der Rechtsvorgängerin der Klägerin gezahlten Beitrag vor Rechtshängigkeit des vorliegenden Verfahrens hat (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 15.12.2009 – 1 L 167/08 –, juris Rn. 37) an die Klägerin erstattet hat. Ob der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin wegen der laufenden Inanspruchnahme von Bankkrediten ein im Rahmen der Vollzugsfolgenbeseitigung auszugleichender Zinsschaden entstanden ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da die Klägerin dies nicht geltend macht.

22

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.

Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. September 2011 – 3 A 402/10 – wie folgt geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldnerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin zu Anschlussbeiträgen (Trinkwasser).

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flurstück .../..., Flur ..., Gemarkung ... mit einer Größe von 1.777 m², welches an die öffentliche Wasserversorgungsanlage des Wasserzweckverbandes Strelitz angeschlossen ist.

3

Mit Bescheid vom 01. Dezember 2008 zog der Beklagte, ausgehend von einer beitragspflichtigen Grundstücksfläche von 1.263 m² und einem Vollgeschoss, die Klägerin zu einem Anschlussbeitrag in Höhe von 736,46 EUR heran. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 22. Juli 2009 reduzierte der Beklagte die Beitragsforderung aufgrund einer Änderung des bislang zugrunde gelegten Mehrwertsteuersatzes von 19 % auf 7 % auf 662,19 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2010, zugestellt am 26. März 2010, wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.

4

Die Klägerin hat am 26. April 2010 Klage erhoben.

5

Sie hat vorgetragen, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Wasserabgabensatzung sei unter Beachtung der neuesten Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern unwirksam, da der Tiefenbegrenzungslinie gemäß Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B c) der Satzung nicht die tatsächlichen Verhältnissen zugrunde gelegt worden seien. Fehlerhaft sei auch die Ermittlung der beitragspflichtigen Grundstücksfläche. Es könne lediglich die Fläche herangezogen werden, die an die Straße angrenze. Beitragspflichtig sei damit eine Fläche von 586 m², so dass sich ein Beitrag von 307,24 EUR errechne. Der Beklagte gehe satzungswidrig von einer Grundstücksfläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksgrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen aus. Selbst bei Anwendung der Tiefenbegrenzung würde die Fläche nur 939,39 m² betragen, da sich die Parallele am Verlauf der Straße orientieren müsse. Die Klägerin hat insoweit zur Erläuterung auf einen von ihr an den Beklagten übermittelten Flurkartenausschnitt verwiesen; für die weiteren Einzelheiten wird dazu auf den bei den Verwaltungsvorgängen (Beiakte B, Bl. 3) befindlichen Flurkartenausschnitt verwiesen.

6

Die Klägerin hat beantragt,

7

den Bescheid des Beklagten vom 01. Dezember 2008 – Az. 1620006 – in Gestalt des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2010 insoweit aufzuheben, als ein Beitrag von mehr als 307,24 EUR festgesetzt wird.

8

Der Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er hat vorgetragen, dass die in der Verbandsversammlung am 10. August 2011 beschlossene Wasserabgabensatzung eine ordnungsgemäß ermittelte Tiefenbegrenzungsregelung aufweise, und dies unter Vorlage der die Ermittlung und Festlegung der Tiefenbegrenzung betreffenden Dokumente erläutert; für die weiteren Einzelheiten wird auf diese Dokumente, die sich bei der Gerichtsakte befinden, verwiesen. Im Übrigen liege das klägerische Grundstück im unbeplanten Innenbereich und die Grundstücksfläche betrage bei Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung 1.263 m².

11

Während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hat der Wasserzweckverband Strelitz am 10. August 2011 seine Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung – WAgS) beschlossen, die am 17. August 2011 ausgefertigt worden ist. Die Satzung ist nach ihrem § 24 Satz 1 rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft getreten.

12

Mit dem angefochtenem Urteil vom 07. September 2011, Az. 3 A 402/10, hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Beklagten vom 01. Dezember 2008 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2010 aufgehoben, soweit darin ein Beitrag von mehr als 307,24 EUR festgesetzt worden ist. Die zulässige Klage sei begründet. Dem angegriffenen Bescheid fehle die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage. Die am 10. August 2011 beschlossene Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung – WAgS) sei unwirksam. Die in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B c) Wasserabgabensatzung geregelte Tiefenbegrenzung verstoße, soweit eine Tiefenbegrenzung von 50 m normiert werde, gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG bzw. das darin normierte Vorteilsprinzip. Dieser Verstoß führe zur Unwirksamkeit der Verteilungsregelung und damit zur Unwirksamkeit der Wasserabgabensatzung insgesamt. Die Bestimmung normiere eine „schlichte“ Tiefenbegrenzung. Ihr Anwendungsbereich beschränke sich nicht auf Grundstücke, die mit ihrer vorderen, straßennahen Teilfläche im unbeplanten Innenbereich i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB und mit ihrer rückwärtigen Teilfläche im Außenbereich lägen (sog. „Randlagengrundstücke“). Die Bestimmung finde vielmehr auch auf solche Grundstücke Anwendung, die vollständig, d.h. auch mit ihren rückwärtigen Teilflächen, im unbeplanten Innenbereich lägen (sog. „zentrale Innenbereichsgrundstücke“). Eine „schlichte“ Tiefenbegrenzung sei im Anschlussbeitragsrecht zulässig. Sie habe sich zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfinde, stelle die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung stehe dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses ordnungsgemäß ausüben zu können, müsse er die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes sowohl für die ortsübliche Bebauungstiefe als auch für die ggf. einzubeziehende bauakzessorische Nutzung ermitteln. Nach diesen Kriterien entspreche die in der Wasserabgabensatzung festgesetzte Tiefenbegrenzungslinie von 50 m nicht den örtlichen Verhältnissen. So sei bereits die Ermittlung der üblichen Bebauungstiefe methodisch fehlerhaft. Der Wasserzweckverband Strelitz habe bei den vorliegenden Messdaten zur Ermittlung der ortspezifischen Bebauungstiefe sowohl „zentrale Innenbereichsgrundstücke“ als auch „Randlagengrundstücke“ berücksichtigt. Dies sei fehlerhaft, denn es widerspreche der Funktion der Tiefenbegrenzung. Auch die „schlichte“ Tiefenbegrenzung diene der Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsflächen. Daher könnten nur „Randlagengrundstücke“ für die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe herangezogen werden, denn nur diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie vom Innenbereich in den Außenbereich übergehen. „Zentrale Innenbereichsgrundstücke“ gäben für diese Frage dagegen nichts her, da sie vollständig im unbeplanten Innenbereich lägen. Der Fehler sei nicht „ergebnisneutral“. Vielmehr begründe die Berücksichtigung von „zentralen Innenbereichsgrundstücken“ bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe die Gefahr einer unrealistischen Abbildung der tatsächlich bestehenden Außenbereichsgrenzen. Im Gebiet des Wasserzweckverbandes Strelitz lägen drei Kleinstädte. Angesichts der dort vorhandenen eher kleinteiligen Bebauungsstruktur habe die Berücksichtigung zentraler Innenbereichsgrundstücke die Folge, dass die Zahl der eher weniger tief bebauten Grundstücke zunehme und damit das Gesamtergebnis der Untersuchung dergestalt beeinflusse, dass die metrische Festlegung der Tiefenbegrenzung kleiner ausfalle, als bei einer ausschließlichen Berücksichtigung von „Randlagengrundstücken“. Sinke aber die metrische Festlegung der Tiefenbegrenzung, so steige bei dieser Sachlage die Anzahl der Grundstücke im zentralen Innenbereich bedenklich, die von der Tiefenbegrenzungsregelung profitierten.

13

Etwas anderes ergebe sich auch dann nicht, wenn man den vorstehenden Ausführungen nicht folge und von einer methodisch fehlerfreien Ermittlung der Bebauungstiefe in den einzelnen Messreihen ausginge. Denn in diesem Fall habe der Beklagte die vorliegenden Messergebnisse nicht ermessensfehlerfrei gewichtet. Bei der Festlegung der Tiefenbegrenzung habe eine wertende Betrachtung zu erfolgen. Der Beklagte habe vorliegend die ortspezifische Grundstückstiefe anhand von 14 repräsentativen Messreihen ermittelt und – unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Tiefe der bauakzessorischen Nutzung von 15 m – die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m festgelegt, d.h. er sei grundsätzlich von einer üblichen Bebauungstiefe in seinem Verbandsgebiet von 35 m ausgegangen. Soweit dem die Überlegung zugrunde liege, die durchschnittliche Bebauungstiefe aller untersuchten Grundstücke betrage 31,59 m, sei dies fehlerhaft. Denn eine Durchschnittsbildung sei mit der erforderlichen Gewichtung nicht zu vereinbaren, weil in den Durchschnittswert regelmäßig auch „Ausreißer“, also Grundstücke mit einer außergewöhnlich großen bzw. geringen Bebauungstiefe einfließen würden, die gerade nicht die „übliche“ Bebauungstiefe widerspiegelten. Zur Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe könne entgegen der Beschlussvorlage vom 11. August 2011 auch nicht darauf abgestellt werden, dass 70,09 % aller Grundstücke im Verbandsgebiet bis zu einer Tiefe von 35 m bebaut worden seien. Denn die reine Addition der Vom-Hundert-Sätze der Bebauungstiefen der ermittelten Messreihen gebe regelmäßig keine Auskunft darüber, welche Messreihen eine hinreichend große Gruppe von Grundstücken abbildeten, die eine in etwa gleiche Bebauungstiefe aufwiesen. Die Kammer verkenne nicht, dass die Bewertung der Messreihen im Ermessen des Beklagten stehe, und wolle dieses Ermessen nicht selbst ausüben. Es sei aber kein plausibler Grund für die vom Beklagten vorgenommene Bewertung erkennbar: Entweder man stütze sich auf die Messreihen mit den „zweistelligen“ Vom-Hundert-Sätzen (Messreihen 2 bis 5), dann sei eine Bebauungstiefe von bis zu 30 m ortsüblich, was unter Berücksichtigung der vom Beklagten festgestellten Tiefe der bauakzessorischen Nutzung (15 m) eine Tiefenbegrenzung von 45 m rechtfertigen würde. Oder aber man ziehe den Kreis der berücksichtigungsfähigen Messreihen weiter und berücksichtige zusätzlich die zahlenmäßig etwa gleichstarken Messreihen 6 (31 bis 35 m) und 7 (36 bis 40 m), die 8,93 % bzw. 9,69 % aller Grundstücke beträfen. Dann läge die ortsübliche Bebauungstiefe bei 40 m, was unter Berücksichtigung der Tiefe der bauakzessorischen Nutzung eine Tiefenbegrenzung von 55 m rechtfertigen würde. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil die Berufung wegen grundsätzliche Bedeutung der Rechtsache zugelassen.

14

Das Urteil ist dem Beklagten am 30. September 2011 zugestellt worden. Am 21. Oktober 2011 hat er Berufung eingelegt.

15

Der Beklagte trägt im Wesentlichen vor,

16

bei der in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B c) Wasserabgabensatzung normierten Tiefenbegrenzungsregelung handele es sich um eine sog. „undifferenzierte“ Tiefenbegrenzungsregelung, die sämtliche Grundstücke im unbeplanten Innenbereich, unabhängig von ihrer Qualität als „Randlagengrundstück“ im Übergangsbereich zwischen Innen- und Außenbereich, betreffe. Das Verwaltungsgericht sei offensichtlich der Auffassung, dass die Tiefenbegrenzungslinie dort zu ziehen sei, wo sich die Bebauung im Sinne einer signifikanten Häufigkeit konzentriere. Diese Erwägung überzeuge nicht. Der Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts, auch bei der undifferenzierten Tiefenbegrenzung käme es ausschließlich darauf an, festzustellen, wann der Innenbereich in den Außenbereich übergehe, sei unzutreffend. Der Unterschied zwischen der „undifferenzierten“ und der sog. „qualifizierten“ Tiefenbegrenzung liege gerade darin, dass von der undifferenzierten Tiefenbegrenzung auch die Grundstücke betroffen seien, die sich vollständig im Innenbereich befinden. Würde man der Auffassung des Verwaltungsgerichts folgen und annehmen, dass es auch bei der „undifferenzierten“ Tiefenbegrenzung ausschließlich um die typisierte Abgrenzung von Innen- und Außenbereich gehe, würden alle Grundstücke, die von der Tiefenbegrenzung betroffen seien, „Randlagengrundstücke“ sein, mit der Folge, dass es einen Unterschied zwischen qualifizierter und undifferenzierten Tiefenbegrenzung nicht gebe. Bei der undifferenzierten Tiefenbegrenzung sei daher nicht die Frage zu beantworten, wann der Innenbereich in den Außenbereich übergehe, sondern wie sich die ortstypische bauliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke am Maßstab der Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB darstelle. Der Beklagte stütze sich dabei auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 01. September 2004 – 9 C 15.03 –, wonach maßgeblich gerade auf die bauliche Ausnutzbarkeit unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB abgestellt werde. Folgerichtig gehe es bei der „undifferenzierten“ Tiefenbegrenzungsregelung auch darum zu erkennen, dass der Erschließungsvorteil, dessen Umfang von der zulässigen baulichen Nutzung (Ausnutzbarkeit) abhänge, bei übergroßen Grundstücken im Innenbereich regelmäßig nicht größer sei, als bei den durchschnittlich tiefen Grundstücken eines Abrechnungsgebietes. Hinsichtlich dieses Kriteriums besäßen aber auch die zentral gelegenen Innenbereichsgrundstücke, auch soweit sie vollständig dem Innenbereich zuzuordnen seien, durchaus Aussagepotenzial hinsichtlich der typischen baulichen Ausnutzbarkeit von Innenbereichsgrundstücken. Aber selbst wenn man dieser Auffassung nicht folge und mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung sei, dass es auch bei der „undifferenzierten“ Tiefenbegrenzungsregelung um eine Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich gehe, erweise sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts, man dürfe methodisch nur die „Randlagengrundstücke“ berücksichtigen, als unzutreffend. Die entsprechende Ermittlung der örtlichen Verhältnisse dürfte dann aber gerade auch dazu dienen, festzustellen, ab wann überhaupt von einem „Randlagengrundstück“ gesprochen werden könne. Wenn die Tiefenbegrenzungslinie den Übergang zwischen dem Innen- und Außenbereich markiere, dann stehe vor Feststellung der örtlichen Verhältnisse noch überhaupt nicht fest, bei welchen Grundstücken in einer Ortslage der Innenbereich in den Außenbereich übergehe. Ohne die erforderlichen Ermittlungen sei daher noch nicht bekannt, welche Grundstücke sogenannte „Randlagengrundstücke“ seien. Es sei schlechterdings nicht möglich, bei der Ermittlung der ortsüblichen Verhältnisse zur Festsetzung einer Tiefenbegrenzungslinie ausschließlich „Randlagengrundstücke“ zu berücksichtigen, weil die Randlage erst das Ergebnis der Ermittlungstätigkeit sei.

17

Soweit das Verwaltungsgericht meint, es sei unzulässig, die Tiefenbegrenzungslinie auf Grundlage eines ermittelten Durchschnittwertes der ortsüblichen Bebauung sowie durch eine Addition der Vom-Hundert-Sätze der Bebauungstiefe der ermittelten Messreihen festzusetzen, sei dies ebenfalls nicht überzeugend. Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass der beklagte Zweckverband seine Entscheidung, die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m unter Berücksichtigung einer bauakzessorischen Nutzung von 15 m anzunehmen, nicht alleine auf die ermittelte durchschnittliche Bebauungstiefe gestützt habe. Vielmehr habe die durchschnittliche Bebauungstiefe dazu gedient, festzustellen, ob sich die Abweichungen beiderseits der beabsichtigten Tiefenbegrenzungslinie in etwa die Waage hielten, d.h. also, ob die Anzahl der Grundstücke, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit diesseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, der Anzahl der Grundstücke in etwa entspreche, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende. Für diese Ausgewogenheit habe die durchschnittliche Bebauungstiefe Aussagekraft. Immerhin habe auch das Bundesverwaltungsgericht in der bereits erwähnten Entscheidung hinsichtlich der Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie maßgeblich darauf abgestellt, dass bei Innenbereichsgrundstücken die bauliche Ausnutzbarkeit regelmäßig nicht größer sei als bei den „durchschnittlich“ tiefen Grundstücke eines Abrechnungsgebietes. Um festzustellen, ab wann eine bauliche Nutzbarkeit der betroffenen Grundstücke typischerweise nicht mehr gegeben sei, sei es zudem erforderlich gewesen, gewissermaßen von unten kommend, sämtliche Vom-Hundert-Sätze der Bebauungstiefen zu summieren, und so festzustellen, ab wann eine Bebauung nur noch ausnahmsweise stattfinde. Zur Vorteilsgerechtigkeit gehöre, ausreichend Flächen heranzuziehen, um den Beitragssatz möglichst gering zu halten. Vor diesem Hintergrund halte es der Beklagte eben gerade nicht für vorteilsgerecht, beispielsweise die Tiefenbegrenzungslinie im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung bei 45 m zu ziehen, weil hier immerhin noch bei 40 % der untersuchten Fälle eine Bebauung jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende. Ein Verhältnis von 60 zu 40 stelle noch kein Regel-Ausnahme-Verhältnis dar. Demgegenüber erfasse die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung 70,09 % der untersuchten Grundstücke mit der Folge, dass lediglich bei 30 % der untersuchten Fälle die bauliche Nutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende. Hierin habe der beklagte Zweckverband unter Ausnutzung des ihm zustehenden weiten Ermessens angenommen, dass an dieser Stelle ein Regel-Ausnahmeverhältnis durchaus angemessen sei und angenommen werden könne. Darin liege auch der sachliche Grund, die Tiefenbegrenzungslinie bei der Messreihe 6 zu ziehen.

18

Der Beklagte beantragt,

19

die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 01. Dezember 2008, Az. 1620006, in Gestalt des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2010 unter Aufhebung des Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. September 2011, Az. 3 A 402/10, abzuweisen.

20

Die Klägerin beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei im Ergebnis richtig. Selbst bei ermessenfehlerfreier Festsetzung der Tiefenbegrenzungsregelung und damit wirksamer Satzungsgrundlage hätte es der Klage stattgeben müssen, da auch dann die streitgegenständlichen Bescheide in dem angefochtenen Umfang rechtswidrig gewesen wären. In Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung habe die Klägerin aufgrund der nur teilweisen Anfechtung des Beitragsbescheides den Beitrag bereits vollständig entrichtet. Darüber hinaus bestehe keine Beitragspflicht der Klägerin. Hätte der Beklagte auch die Grundstücksfläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksgrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen zur Beitragspflicht unterwerfen wollen, hätte es hierzu einer entsprechenden Satzungsregelung bedurft, wie sie in zahlreichen anderen Beitragssatzungen und der Mustersatzung des Städte- und Gemeindetages M-V e.V. und des Innenministeriums M-V zu finden sei.

23

Das Verfahren ist in der mündlichen Verhandlung mit dem Verfahren Az. 1 L 27/09 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden worden.

24

Für die weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakten samt der zu diesen gereichten Behördenakten und auf die beigezogenen Akten des Verfahrens Az. 1 M 91/09 (VG Greifswald Az. 3 B 249/09) nebst Behördenakten, die jeweils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

25

Die zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg.

26

Die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin ist unbegründet; das verwaltungsgerichtliche Urteil war entsprechend abzuändern und die Klage abzuweisen.

27

Der angefochtene Anschlussbeitragsbescheid des Beklagten vom 01. Dezember 2008 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin folglich nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er kann auf eine wirksame Rechtsgrundlage gestützt werden (1.); auch die Rechtsanwendung ist nicht zu beanstanden (2.).

28

1. Der angefochtene Bescheid ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht mangels wirksamer, gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KG M-V aber erforderlicher Rechtsgrundlage rechtwidrig. Die am 10. August 2011 beschlossene, am 17. August 2011 ausgefertigte und nach ihrem § 24 Satz 1 rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft getretene Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung – WAgS) ist wirksam und damit Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides.

29

Die in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B c) Wasserabgabensatzung geregelte Tiefenbegrenzung von 50 m verstößt entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG bzw. das darin normierte Vorteilsprinzip.

30

Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS bestimmt:

31

Als Grundstücksfläche gilt: bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen (§ 34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen; bei Grundstücken, die nicht an eine Straße angrenzen oder nur durch einen zum Grundstück gehörenden Weg mit einer Straße verbunden sind, die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Im Falle eines Eckgrundstückes ist die Tiefenbegrenzungsregelung in jede Richtung der vorhandenen Anbaustraßen aus zu ziehen.

32

Die in der Vorschrift enthaltene Festlegung der Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m ist nicht zu beanstanden.

33

Eine Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht grundsätzlich zulässig. Die Tiefenbegrenzung ist eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks Bauland ist. Die damit verbundene und im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen allgemein als zulässig angesehene Pauschalierung wirkt sich in Einzelfällen mehr oder weniger zu Lasten einzelner Beitragspflichtiger aus. Eine Tiefenbegrenzung findet gerade im Anschlussbeitragsrecht ihre Rechtfertigung darin, dass im Rahmen der Beitragskalkulation die Ermittlung der Gesamtbeitragsfläche erforderlich ist, die auf metrische Festlegungen angewiesen ist. Dadurch gewinnt der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und -vereinfachung besondere Bedeutung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegender unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs angestellt werden. Die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität stehen im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V). Danach sind die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden. Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem – wie in Anlage 1 1. A Abs. 1 WAgS geregelten – kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab zu bemessen. Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist im Prinzip der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Denn läge bei exakter Betrachtung des einzelnen Grundstückes die Grenze des baurechtlichen Innenbereiches (§ 34 Abs. 1 BauGB) vor (straßenseits) der Tiefenbegrenzungslinie, so würde der Eigentümer des Grundstückes – aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität grundsätzlich zulässigerweise – höher belastet als es ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung der Fall wäre. Gleichermaßen würde derjenige Grundstückseigentümer, dessen Grundstück ohne die Vermutung der Tiefenbegrenzung erst jenseits der Tiefenlinie in den Außenbereich überginge, besser gestellt als ohne Geltung der Tiefenbegrenzungslinie.

34

Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt – wenn eine solche ermittelbar ist – die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Es ist darauf abzustellen, ob sich die gewählte Tiefenlinie als ortsangemessen darstellt bzw. den örtlichen Verhältnissen entspricht. Dies stimmt mit den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erschließungsbeitragsrecht an die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung überein. Danach muss die gewählte Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegeln und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren (BVerwG, 01.09.2004 – 9 C 15.03 –, BVerwGE 121, 365, 369). Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln. Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden. Das Gericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen.

35

Bei der Ermittlung der örtlichen Verhältnisse ist eine Begrenzung auf repräsentativ ausgewählten Ortslagen zulässig. Müsste der Ortsgesetzgeber die tatsächlichen Bebauungstiefen in allen Ortslagen des Verbandsgebietes untersuchen, verlöre die Tiefenbegrenzung als Instrument zur Verwaltungsvereinfachung ihre Berechtigung, denn dann würden die Grundstücksdaten, die aufgrund der Tiefenbegrenzungsregel nicht sollen erhoben werden müssen, schon für die Bildung der Regel benötigt. Auf welche Weise der Satzungsgeber die ortsüblichen Verhältnisse zu ermitteln hat, ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Auch dies liegt in seinem Ermessen. Ortsüblich ist die Bebauungstiefe, die im zu betrachtenden Gebiet üblich i. S. v. normal, geläufig, verbreitet oder in der Mehrzahl der ermittelten Fälle anzutreffen ist. Die Begriffe "ortsüblich" und "orientieren" bringen mit der ihnen inbegriffenen Unschärfe zum Ausdruck, dass es nicht um die Ermittlung einer exakt zu berechnenden Größe geht, von der nur zu bestimmten Prozentanteilen abgewichen werden darf. Das Erfordernis der Üblichkeit einer Bebauungstiefe setzt vielmehr schon voraus, dass es daneben eine nicht nur geringe Anzahl von Grundstücken mit im Gebiet nicht üblichen Bebauungstiefen geben muss, die nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen muss. Aus all dem folgt, dass für die Annahme der Ortsüblichkeit ausreichend eine zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken ist, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, so dass von einer üblichen Tiefe gesprochen werden kann. Der Bebauungszusammenhang nach § 34 Abs. 1 BauGB muss nicht unbedingt mit der Außenwand der letzten Baulichkeit enden, sondern kann je nach den örtlichen Gegebenheiten etwa noch einen Hausgarten einschließen (bauakzessorische Nutzung); auch topographische Verhältnisse können dabei eine prägende Rolle spielen (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris; Urt. v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –, juris; jeweils m. w. N.).

36

Nach Maßgabe dieses Maßstabes liegt der streitgegenständlichen Tiefenbegrenzungsregelung weder eine methodisch fehlerhafte Ermittlung der üblichen Bebauungstiefe bzw. der diesbezüglichen örtlichen Verhältnisse im Gebiet des Zweckverbandes zugrunde (a) noch hat das satzungsgebende Organ des Wasserzweckverbandes die betreffenden Ermittlungsergebnisse bei seiner Festlegung im Übrigen ermessensfehlerhaft bewertet und gewichtet (b).

37

a) Das Verwaltungsgericht meint, es sei methodisch fehlerhaft gewesen, dass der Wasserzweckverband Strelitz zur Ermittlung der ortspezifischen Bebauungstiefe sowohl „zentrale Innenbereichsgrundstücke“ als auch „Randlagengrundstücke“ berücksichtigt habe. Dies sei zu beanstanden, weil es der Funktion der Tiefenbegrenzung – der Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsflächen – widerspreche. Daher könnten auch nur Randlagengrundstücke für die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe herangezogen werden, denn nur diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie vom Innenbereich in den Außenbereich übergingen. Diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

38

aa) Das Verwaltungsgericht führt zunächst (S. 5 des Urteils) aus, der Anwendungsbereich der Regelung in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS beschränke sich nicht auf Grundstücke, die mit ihrer vorderen, straßennahen Teilfläche im unbeplanten Innenbereich i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB und mit ihrer rückwärtigen Teilfläche im Außenbereich lägen („Randlagengrundstücke“), vielmehr seien „auch“ solche Grundstücke erfasst, die vollständig, d.h. auch mit ihren rückwärtigen Teilflächen, im unbeplanten Innenbereich lägen ( „zentrale Innenbereichsgrundstücke“). Von diesem grundsätzlichen Normverständnis ausgehend entwickelt es dann seinen Rechtsstandpunkt, nur die von ihm so bezeichneten Randlagengrundstücke dürften in die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe einbezogen werden.

39

Diesem Rechtsstandpunkt scheint damit eine grundlegende Fehldeutung des Regelungsgehalts der Bestimmung in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS zugrunde zu liegen: Anlage 1 Ziff. 1.3 B. c) WAgS findet nicht „auch“, sondern nach seinem klaren Wortlaut („Grundstücken, … die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen“) entweder nur oder jedenfalls vor allem auf solche Grundstücke Anwendung, die vollständig, d.h. auch mit ihren rückwärtigen Teilflächen, „innerhalb“ des unbeplanten Innenbereichs liegen, daneben allenfalls „auch“ auf Grundstücke, die mit ihrer vorderen Teilfläche im unbeplanten Innenbereich und mit ihrer rückwärtigen Teilfläche im Außenbereich lägen („Randlagengrundstücke“). Das Verwaltungsgericht hat demzufolge in seinem grundsätzlichen Normverständnis den Regelungsgehalt der Bestimmung gewissermaßen in sein Gegenteil verkehrt. Seine methodische Kritik, es könnten nur „Randlagengrundstücke“ für die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe herangezogen werden, denn nur diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie vom Innen- in den Außenbereich übergingen, verliert den Regelungsgehalt von Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS aus den Augen. Bei zutreffendem Verständnis der Norm betrachtet der Senat daher die Annahme, obwohl sie sich zumindest in erster Linie auf vollständig im Innenbereich belegene Grundstücke bezieht, dürften gerade diese Grundstücke für die Ermittlung der für sie vorgesehenen Tiefenbegrenzungsregelung nicht berücksichtigt werden, als unschlüssig.

40

Bleibt man im Übrigen eng am Wortlaut („Grundstücke, … die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen“), folgt daraus ohne Weiteres, dass es definitionsgemäß nach Maßgabe von Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS keine „Randlagengrundstücke“ und/oder „zentrale Innenbereichsgrundstücke“ geben kann, sondern eben ausschließlich nur innerhalb des Innenbereichs liegende Grundstücke, auf die die Tiefenbegrenzungsregelung Anwendung findet. Entsprechende Regelungen waren ohne Beanstandung insoweit bereits Gegenstand von Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschl. v. 03.05.2005 – 1 L 268/03 – und Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00 – sowie v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –). Auch dort beschäftigte sich insbesondere der 4. Senat mit den „insgesamt im Innenbereich gelegenen Grundstücken“.

41

bb) Die Erwägungen des Verwaltungsgerichts stehen im Widerspruch zur Senatsrechtsprechung und zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 03. Mai 2005 – 1 L 268/03 – darauf hingewiesen, dass eine satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung, die die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegele, auch auf „zentrale“ Grundstücke des unbeplanten Innenbereichs anwendbar sei. Der Senat hat sich dabei auf die erschließungsbeitragsrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 01.09.2004 – 9 C 15.03 –, BVerwGE 121, 365 – zitiert nach juris) bezogen, wonach es keinen tragfähigen Grund gebe, die entwickelten Grundsätze für eine Tiefenbegrenzung auf einen wie auch immer gearteten „Randbereich“ des unbeplanten Innenbereichs im Übergang zum Außenbereich zu beschränken oder – im Gegenteil – auf diesen Randbereich für unanwendbar zu halten. Wegen entsprechender örtlicher Verhältnisse könne danach die Anwendbarkeit einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung auch auf „zentrale“ Grundstücke mit § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB in Einklang stehen. Dann ist es grundsätzlich nicht gerechtfertigt, die „zentralen“ Grundstücke bei der Ermittlung der örtlichen Verhältnisse „außen vor zu lassen“.

42

cc) Mit der in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS geregelten Tiefenbegrenzung soll nach dem zutreffenden Vortrag des Beklagten in erster Linie die Frage beantwortet werden, wie sich die ortsübliche bauliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke am Maßstab der Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB darstellt bzw. ab welcher Linie typischerweise „übertiefe“ Grundstücke in ihrem hinteren Teil weder bebaut noch bauakzessorisch genutzt werden können; daneben mag es in Innenbereichsrandlagen auch um die Klärung gehen, ab wo der Innenbereich in den Außenbereich übergeht. Bezogen auf die Frage des beitragsrechtlichen Vorteils können nicht baulich nutzbare – jenseits der ortsüblichen Bebauungstiefe bzw. der hierauf gegründeten Tiefenbegrenzungslinie liegende – Teilflächen „übertiefer“, vollständig im Innenbereich liegender Grundstücke den Außenbereichsteilflächen „übertiefer“ Grundstücke, die vom Innen- in den Außenbereich übergehen, gleichstehen. Entsprechend hat das Oberverwaltungsgericht in den vorstehend in Bezug genommenen Entscheidungen formuliert, die Tiefenbegrenzung sei eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks „Bauland“ ist und jenseits eine bauliche Nutzung nicht mehr stattfinde, damit also das Kriterium der baulichen Nutzbarkeit unterstrichen. Wenn eine satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegelt, verstößt es folglich nicht gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitenden Grundsatz der Abgabengerechtigkeit und das in § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V normierte Vorteilsprinzip, bei vollständig im unbeplanten Innenbereich liegenden Grundstücken den die Tiefengrenze überschreitenden Grundstücksteilen, soweit sie nicht tatsächlich baulich oder gewerblich genutzt werden (können), keinen beitragsrechtlichen Vorteil beizumessen (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2004 – 9 C 15.03 –, a. a. O.). Insoweit sind die zentral gelegenen Innenbereichsgrundstücke, auch soweit sie vollständig dem Innenbereich zuzuordnen sind, bei der Ermittlung der ortsüblichen bzw. typischen baulichen Ausnutzbarkeit von Innenbereichsgrundstücken heranzuziehen.

43

dd) Vor Feststellung der örtlichen Verhältnisse steht zudem überhaupt noch nicht fest, bei welchen Grundstücken in einer Ortslage im Gebiet des Wasserzweckverbandes der Innenbereich in den Außenbereich überginge. Die Tiefenbegrenzungslinie soll in der Sichtweise des Verwaltungsgerichts gerade erst „vertypt“ die Grenze bestimmen, ab der dies der Fall wäre. Die „Randlage“ wird jedenfalls bei den betreffenden Grundstücken erst durch Ermittlung der ortsüblichen bzw. typischen Bebauungstiefe konkretisiert. Der Beklagte weist insoweit zutreffend darauf hin, dass es schlechterdings nicht möglich sei, bei der Ermittlung der ortsüblichen Verhältnisse zur Festlegung einer Tiefenbegrenzungslinie ausschließlich Randlagengrundstücke zu berücksichtigen, weil die Randlage der Grundstücke im konkreten Einzelfall erst das Ergebnis der Ermittlungstätigkeit sei. Wollte das Verwaltungsgericht verlangen, unabhängig von einer Tiefenbegrenzungslinie sei im Vorfeld der eigentlichen Ermittlung derselben zunächst für jedes einzelne Grundstück eine Differenzierung nach zentralen Innenbereichs- und Randlagengrundstücken zu fordern, um dann anschließend nur unter Berücksichtigung der letzteren die tatsächlichen Grundlagen zu ermitteln und die Tiefenbegrenzungslinie festzulegen, ginge im Übrigen jeder Vereinfachungsvorteil derselben verloren.

44

ee) Wenn das Verwaltungsgericht meint, die Berücksichtigung von zentralen Innenbereichsgrundstücken begründe bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe die „Gefahr“ einer unrealistischen Abbildung der tatsächlich bestehenden Außenbereichsgrenzen, verkennt dies den skizzierten Regelungsgehalt der konkret in Rede stehenden Tiefenbegrenzungsregelung und erscheint dies zudem spekulativ. Eine „Gefahr“ einer unrealistischen Abbildung der tatsächlich bestehenden Außenbereichsgrenzen ist noch keine Feststellung einer solchen und vermag daher die gerichtliche Verwerfung einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzungsfestlegung nicht zu tragen. Auch der weitere Hinweis darauf, dass im Gebiet des Wasserzweckverbandes Strelitz drei Kleinstädte lägen und angesichts der dort vorhandenen „eher“ kleinteiligen Bebauungsstruktur die Berücksichtigung zentraler Innenbereichsgrundstücke die Folge habe, dass die Zahl der „eher“ weniger tief bebauten Grundstücke zunehme und damit das Gesamtergebnis der Untersuchung dergestalt beeinflusse, dass die metrische Festlegung der Tiefenbegrenzung kleiner ausfalle als bei einer ausschließlichen Berücksichtigung von Randlagengrundstücken, liegt zum einen mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen neben der Sache und lässt zum anderen bereits eine hinreichende Tatsachenbasis und eine hinreichend konkrete Betrachtung der Verhältnisse im Verbandsgebiet bzw. der vorliegenden Ermittlungsergebnisse vermissen. Hierzu bestünde für die Gerichte im Übrigen grundsätzlich auch nur dann Anlass, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen oder geltend gemacht werden, die unter diesem Blickwinkel zur Annahme einer fehlerhaft zusammengestellten Tatsachenbasis für die Ermessensentscheidung führen könnten.

45

b) Der Wasserzweckverband hat – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – die Ergebnisse seiner Ermittlung der ortsüblichen Verhältnisse bei seiner Festlegung der Tiefenbegrenzung auf 50 m im Übrigen ermessensfehlerfrei bewertet und gewichtet.

46

Er ist bei der Festlegung der Tiefenbegrenzung auf 50 m wie folgt vorgegangen: Er hat ein Referenz-/Untersuchungsgebiet mit 964 km² Fläche der ländlich geprägten Gesamtverbandsgröße von 984 km² zugrunde gelegt. Ausgewertet wurden insgesamt 5.038 Grundstücke im unbeplanten Innenbereich in drei von drei Kleinstädten sowie 86 von 103 Dörfern. Komplett erfasst wurden 17 von 18 Gemeinden und sechs Ortslagen der Gemeinde Feldberger Seenlandschaft. Hieraus resultiert die Übersicht „Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie / Zusammenfassung Bebauungstiefe im unbeplanten Innenbereich“, die die Zahl der Grundstücke mit einer bestimmten Bebauungstiefe, gestaffelt in 5 m-Schritten, darstellt. Die ermittelte Bebauungstiefe stellt dabei auf das Ende der tatsächlichen Bebauung ab. Die durchschnittliche Bebauungstiefe wurde mit 31,58 m ermittelt. Unter Einbeziehung einer bauakzessorischen Nutzung von 15 m wurde die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m festgelegt; dabei wurden insgesamt 70,09 % der Grundstücke in dem Sinne erfasst, dass ihre bauliche Nutzung bis an diese Grenze endet. In der Begründung der Beschlussvorlage VB/15/11 ist ausgeführt, dass neben der Bebauungstiefe die sogenannte bauakzessorische Nutzung (Garten, Terrasse, etc.) untersucht und im Verbandsgebiet mit 15 m als ortsüblich festgestellt worden sei. Weiter heißt es:

47

„Unter Berücksichtigung einer der größten Gruppen entsprechenden Bebauungstiefe bis 20 m ergäbe sich unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung eine Tiefenbegrenzungslinie von 35 m. Bei dieser Tiefenbegrenzungslinie würden allerdings lediglich 34,16 % aller Grundstücke erfasst werden. Dies ist eine noch nicht hinreichend große Anzahl von Grundstücken, die unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vorteilsgerechtigkeit noch eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zulässige Typisierung durch eine Tiefenbegrenzungslinie ermöglichen würde.

48

Die Gruppe der Grundstücke, die unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung des Grundstücks von 15 m eine bauliche Nutzung zwischen 45 und 50 Metern aufweist, beträgt 8,93 %. Zieht man unter Einbeziehung dieser Gruppe die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 Metern, wären 70,09 % aller Grundstücke erfasst. Dies ist eine Zahl, die unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vorteilsgerechtigkeit noch eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zulässige Typisierung durch eine Tiefenbegrenzungslinie zulässt. Dafür spricht zudem die Tatsache, dass die durchschnittliche bauliche Nutzung der Grundstücke unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung in dieser Gruppe liegt (46,58 %).“

49

Auf der Basis der Ermittlungen der Bebauungstiefe und der vorstehenden Erwägungen des Wasserzweckverbandes ist ein justitiabler Ermessensfehler bei der Festlegung der Tiefenbegrenzungslinie auf 50 m nicht feststellbar.

50

Wie bereits ausgeführt geht es bei der Frage der Ortsüblichkeit nicht um die Ermittlung einer exakt berechenbaren Größe. Da es zwangsläufig auch Grundstücke mit nicht üblichen Bebauungstiefen gibt, die also nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen, kann für die Annahme der Ortsüblichkeit eine zahlenmäßig ausreichend große Gruppe von Grundstücken maßgeblich sein, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen.

51

Betrachtet man hiervon ausgehend und auf der Grundlage der Übersicht „Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie / Zusammenfassung Bebauungstiefe im unbeplanten Innenbereich“ einen Korridor der tatsächlichen Bebauungstiefe von 21 bis 50 m bzw. – nach Addition der ortsüblichen bauakzessorischen Nutzung – von 36 bis 65 m, also etwa 15 m unter- und oberhalb der normierten Tiefenbegrenzungslinie, lässt sich feststellen, dass mit diesem Korridor eine Gruppe von knapp 56 % aller Grundstücke erfasst ist. Es erscheint nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Wasserzweckverband in diesem Bereich eine im vorstehenden Sinne zahlenmäßig ausreichend große Gruppe von Grundstücken, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, verortet hat. Das gilt insbesondere mit Blick auf das ihm für die Festsetzung der Tiefenbegrenzung zustehende normgeberische und weit zu verstehende Ermessen.

52

Auch die Begründung der Beschlussvorlage benennt Kriterien, die entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts geeignet sind, die konkret bei 50 m festgelegte Tiefenbegrenzung ermessensfehlerfrei abzusichern. Insbesondere durfte der Wasserzweckverband auch die durchschnittliche Bebauungstiefe berücksichtigen, die er im Ergebnis seiner Untersuchungen festgestellt hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Berechnung einer solchen durchschnittlichen Bebauungstiefe – wie vorliegend mit 5.038 Grundstücken – eine hinreichend große Zahl von Grundstücken zugrunde liegt. Denn damit werden jedenfalls „Ausreißer“ weitgehend nivelliert. Dass die durchschnittliche Bebauungstiefe einen Bezug zur ortsüblichen Bebauungstiefe aufweist, ist aus Sicht des Senats offensichtlich: Je mehr Grundstücke in einem Bereich bebaut sind, der als ortsüblich qualifiziert werden kann, umso eher wird auch die durchschnittliche Bebauungstiefe in diesem Bereich liegen, jedenfalls dann, wenn eine hinreichend große Zahl von Grundstücken in die Betrachtung einbezogen wird. Nicht unplausibel ist auch der diesbezügliche Vortrag des Beklagten, die durchschnittliche Bebauungstiefe erlaube die Kontrolle, ob sich die Abweichungen beiderseits der beabsichtigten Tiefenbegrenzungslinie in etwa die Waage hielten, d.h. also, ob die Anzahl der Grundstücke, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit diesseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, der Anzahl der Grundstücke in etwa entspreche, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende. Für diese Ausgewogenheit habe die durchschnittliche Bebauungstiefe Aussagekraft. Die durchschnittliche Bebauungstiefe kennzeichne nämlich die Linie, bei der sich die Anzahl der Grundstücke, deren bauliche Ausnutzbarkeit diesseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, mit der Anzahl der Grundstücke, deren bauliche Ausnutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, decke. Insoweit sei – zumindest als Kontrollüberlegung – eine Bezugnahme auf die durchschnittliche Bebauungstiefe durchaus zulässig. Schließlich hat auch der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 14. September 2010 – 4 K 12/07 – (juris, vgl. Rn. 83) den Gesichtspunkt der durchschnittlichen Bebauungstiefe im Kontext des Erfordernisses der Üblichkeit der Bebauungstiefe als relevant erwähnt.

53

Ebenfalls als nicht ermessensfehlerhaft erweist sich die Berücksichtigung des Umstandes, dass mit der Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m immerhin 70,09 % aller Grundstücke – in dem Sinne, dass dort ihre Bebauung spätestens endet – erfasst würden und dies eine Zahl sei, die unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vorteilsgerechtigkeit noch eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zulässige Typisierung durch eine Tiefenbegrenzungslinie zulasse. Auch dieser Aspekt ist im vorerwähnten Urteil des 4. Senats des Oberverwaltungsgerichts angesprochen worden. Er wird dem Umstand gerecht, dass aus einer ortsüblichen Bebauungstiefe als Basis der Festlegung der Tiefenbegrenzungslinie zugleich folgt, dass das Eingreifen der Tiefenbegrenzungsregelung nicht der Regelfall sein kann. Wäre dies anders, läge darin ein Anhaltspunkt dafür, dass die ortsübliche Bebauungstiefe nicht korrekt ermittelt worden ist. In diese Richtung zielt auch das Vorbringen des Beklagten, zur Vorteilsgerechtigkeit gehöre, ausreichend Flächen heranzuziehen, um den Beitragssatz möglichst gering zu halten. Vor diesem Hintergrund halte er es für vorteilsgerecht, wenn die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung 70,09 % der untersuchten Grundstücke mit der Folge erfasse, dass lediglich bei 30 % der untersuchten Fälle die bauliche Nutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, und habe unter Ausnutzung des ihm zustehenden weiten Ermessens angenommen, dass an dieser Stelle ein Regel-Ausnahmeverhältnis durchaus angemessen sei und angenommen werden könne. Auch diese Erwägungen erscheinen jedenfalls nicht unplausibel.

54

Das Verwaltungsgericht kann seinerseits nicht überzeugend darlegen, warum die 50 m-Linie ermessensfehlerhaft sein soll. Ihm ist zuzugeben, dass die Tiefenbegrenzungslinie möglicherweise auch anders, z. B. bei 45 m hätte gezogen werden können. Selbst wenn man aber unterstellen wollte, dies wäre „richtiger“ gewesen, könnte dies nicht ohne weiteres damit gleichgesetzt werden, dass die 50 m-Linie vom Zweckverband ermessensfehlerhaft bzw. handgreiflich „falsch“ festgelegt worden wäre. Mit seinen Überlegungen zur Berücksichtigungsfähigkeit einzelner Messreihen beachtet das Verwaltungsgericht den diesbezüglich weiten Ermessensspielraum des Wasserzweckverbandes nicht im ausreichenden Maße.

55

2. Soweit die Klägerin weiter geltend macht, fehlerhaft sei auch die Ermittlung der beitragspflichtigen Grundstücksfläche, liegt auch kein Rechtsanwendungsfehler vor.

56

Die Klägerin meint, es könne lediglich die Fläche herangezogen werden, die an die Straße angrenze. Der Beklagte gehe demgegenüber fehlerhaft von einer Grundstücksfläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksgrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallele aus. Selbst bei Anwendung der Tiefenbegrenzung würde die Fläche nur 939,39 m² betragen, da sich die Parallele an dem Verlauf der Straße orientieren müsse, die an der Ecke zum Nachbarflurstück 45/5 abknicke.

57

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung satzungskonform. Der Wortlaut der Bestimmung gemäß Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die berücksichtigungsfähige Fläche – auch – durch eine vom Endpunkt der Grundstücksstraßengrenze ausgehenden gedachten Senkrechten zur Straße zu begrenzen wäre. Der Wortlaut – „die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen“ – führt vielmehr zwanglos auf das Normverständnis des Beklagten, die gesamte Grundstücksfläche zwischen diesen Parallelen zu berücksichtigen, auch wenn im rückwärtigen Bereich Flächen erfasst werden, die ihrerseits nicht mehr „auf der Höhe“ der Grundstücksgrenze bzw. zwischen den beiden Endpunkten der Grundstücksstraßengrenze lägen sich also das Grundstück im rückwärtigen Bereich verbreitert. Systematisch wird das Normverständnis des Beklagten auch dadurch gestützt, dass nach der Tiefenbegrenzungsregelung bei Grundstücken, die nur durch einen zum Grundstück gehörenden Weg mit einer Straße verbunden sind, die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen als Grundstücksfläche gilt. Auch dort ist offensichtlich die berücksichtigungsfähige Fläche nicht auf die Breite des betreffenden Weges beschränkt. Schließlich erschiene es vorteilswidrig, dergleichen rückwärtige Flächen unberücksichtigt zu lassen, wenn ihre bauliche Nutzung gerade ortsüblich ist. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, einen Unterschied zwischen der auf der einen und der auf der anderen Seite der gedachten Senkrechten liegenden Fläche zu machen. Die hilfsweise Argumentation der Klägerin, jedenfalls müsse sich die Parallele auf der gesamten Breite ihres Grundstücks am Verlauf der Straße orientieren, überzeugt ebenfalls nicht. Auch insoweit ist der Wortlaut der Bestimmung eindeutig, wonach die Parallele zur jeweiligen Straßengrenze zu ziehen ist. Die Parallele wird folglich nur zu der konkret vorhandenen Straßengrenze gezogen. Soweit das Grundstück der Klägerin im rückwärtigen Bereich über diese konkrete Grenze hinaus eine der Straße zugewandte Grundstücksseite aufweist, grenzt es gerade nicht an die Straße an. Die weitere Regelungsalternative der Tiefenbegrenzungsbestimmung – „bei Grundstücken, die nicht an eine Straße angrenzen“ – ist jedenfalls im Hinblick auf das Grundstück der Klägerin nicht einschlägig, ebenso wenig die Regelung für Eckgrundstücke. Soweit der Abwasserbeseitigungszweckverband Tollensesee möglicherweise einer gleichlautenden Bestimmung ein anderes Normverständnis zugrunde legt, ist dies vorliegend rechtlich nicht von Bedeutung.

58

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

59

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

60

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag (Schmutz- und Niederschlagswasser).

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks G1 in einer Größe von 931 m². Das mit einem Mehrfamilienhaus bebaute Grundstück ist an die von der Stadt A-Stadt betriebene Abwasseranlage angeschlossen.

3

Mit Bescheiden vom 3. Mai 2010 zog der Beklagte die Klägerin für das Grundstück zu einem Schmutzwasserbeitrag i.H.v. 3.338,57 EUR und einem Niederschlagswasserbeitrag i.H.v. 580,94 EUR heran. Ihren hiergegen gerichteten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2010 zurück.

4

Am 14. Oktober 2010 hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Sie ist der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die der Beitragserhebung zu Grunde liegende Abwasserbeitragssatzung (AwBS) sei fehlerhaft und damit nichtig.

5

Die Bestimmung des Beitragsschuldners in § 9 AwBS sei fehlerhaft. Die Satzung normiere in den §§ 10 Abs. 1 und 3 Abs. 2 widersprüchliche Entstehenszeitpunkte der sachlichen Beitragspflicht.

6

Für den Schmutzwasserbeitrag fehle eine Maßstabsregelung für Grundstücke im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich. § 5 Abs. 1 Nr. 3 AwBS erfasse nur „reine“ Innenbereichsgrundstücke, § 5 Abs. 1 Nr. 5 AwBS nur „reine“ Außenbereichsgrundstücke. Die Tiefenbegrenzung von 50 m in § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 AwBS sei fehlerhaft. Bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe habe der Beklagte zu Unrecht neben Randlagengrundstücken auch zentrale Innenbereichsgrundstücke berücksichtigt. Dies widerspreche der Funktion der Tiefenbegrenzung. Zudem habe er vermeintliche Randlagengrundstücke berücksichtigt, bei denen es sich tatsächlich um zentrale Innenbereichsgrundstücke handele. Weiter sei unklar, aus welchen Gründen die untersuchten Straßenzüge für das Stadtgebiet repräsentativ seien. Fehlerhaft sei auch, dass die Tiefenbegrenzung auf Grundlage eines Durchschnittswerts ermittelt worden sei. Denn dabei seien auch atypische und daher gerade nicht zu berücksichtigende Bebauungssituationen in die Ermittlung eingeflossen. Die Vorrangregelung in § 5 Abs. 1 Nr. 4 AwBS sei fehlerhaft, da sie zu einer unzulässige Privilegierung übertiefer zentraler Innenbereichsgrundstücke gegenüber Randlagengrundstücken im Geltungsbereich von Abrundungssatzungen führe. In der Bestimmung in § 5 Abs. 1 Nr. 2 AwBS, wonach als Grundstücksfläche bei Grundstücken, die über die Grenzen des Bebauungsplanes hinausreichten, auch die Fläche außerhalb des Plangebietes gelte, soweit diese Fläche baulich oder gewerblich genutzt werden könne, liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber bebauten Außenbereichsgrundstücken. Die Ausnahme von der Mindesthöhenregelung für Altbauten in § 6 Abs. 8 AwBS verstoße ebenfalls gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz.

7

Auch die Beitragskalkulation sei fehlerhaft. Sie sei mit dem Abwasserbeseitigungskonzept der Stadt A-Stadt nicht zu vereinbaren. Zudem seien Einnahmen aus der Beitragserhebung in den 1990er Jahren nicht aufwandsmindernd berücksichtigt. Gleiches gelte für einen Teil der von der Stadt A-Stadt vereinnahmten Fördermittel und Ausschüttungen aus der Liquidation der Neubrandenburger Wasser AG i.L.

8

Jedenfalls sei die Beitragspflicht wegen Festsetzungsverjährung erloschen.

9

Die Klägerin beantragt,

10

die Bescheide des Beklagen vom 3. Mai 2010 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 22. September 2010 aufzuheben.

11

Der Beklagte verteidigt die angegriffenen Bescheide und beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Mit Beschluss vom 23. Juni 2014 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

16

1. Sie finden ihre gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Abwasserbeiträgen und Kostenersatz für weitere Grundstücksanschlüsse der Stadt A-Stadt (Abwasserbeitragssatzung – AwBS) vom 9. November 2009.

17

Die Satzung ist nach gegenwärtiger Erkenntnis wirksam. Formell-rechtliche Fehler werden von der Klägerin weder geltend gemacht, noch drängt sich ihr Vorliegen auf. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist die Satzung nicht zu beanstanden.

18

a. So entspricht die Bestimmung des Beitragspflichtigen in § 9 Satz 1 AwBS den Maßgaben des § 7 Abs. 2 Satz 1 erste Var. KAG M-V, wonach beitragspflichtig ist, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des bevorteilten Grundstücks ist. Soweit die Klägerin rügt, zu Unrecht werde neben dem Grundstückseigentümer der an dem Grundstück dinglich Berechtigte zum Beitragspflichtigen bestimmt, trifft dies ersichtlich nicht zu. Dinglich Berechtigte werden in § 9 Satz 1 AwBS nicht erwähnt.

19

b. Entgegen der Auffassung der Klägerin enthält die Abwasserbeseitigungssatzung auch keine widersprüchlichen Bestimmungen über die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht. Die Regelungen in § 10 Abs. 1 und 2 AwBS definieren den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht. Demgegenüber definiert § 3 Abs. 1 und 2 AwBS, welche Grundstücke der sachlichen Beitragspflicht unterliegen, wobei sich § 3 Abs. 1 AwBS auf Grundstücke im Geltungsbereich von Bebauungsplänen (§ 30 BaugesetzbuchBauGB) sowie im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) und § 3 Abs. 2 AwBS auf Außenbereichsgrundstücke (§ 35 BauGB) bezieht. Da bei bebauten Außenbereichsgrundstücken – anders als bei Grundstücken im Geltungsbereich von Bebauungsplänen und im unbeplanten Innenbereich – die Vorteilslage erst gegeben ist, wenn das Grundstück an die zentrale Abwasseranlage tatsächlich angeschlossen ist (OVG Greifswald, Urt. v. 15.04.2009 – 1 L 205/07 –, juris Rn. 43), enthält § 3 Abs. 2 AwBS einen entsprechenden Vorbehalt. Dies kann dazu führen, dass beim Anschluss eines (bebauten) Außenbereichsgrundstücks an die Abwasserbeseitigungsanlage der Zeitpunkt, in dem das Grundstück der Beitragspflicht unterfällt (§ 3 Abs. 2 AwBS), und der Zeitpunkt, in dem für das Grundstück die sachliche Beitragspflicht entsteht (§ 10 Abs. 2 AwBS), zusammenfallen. Dies ändert aber nichts an dem Umstand, dass die genannten Vorschriften unterschiedliche Regelungsgehalte haben und die Annahme ihrer Widersprüchlichkeit daher ausscheidet.

20

Gegenteiliges folgt nicht aus § 3 Abs. 3 AwBS. Auch diese Bestimmung normiert, welche Außenbereichsgrundstücke der Beitragspflicht unterfallen. Dabei deckt sich ihr Regelungsgehalt mit dem des § 3 Abs. 2 AwBS. Der Unterschied besteht lediglich in der Formulierungstechnik: Während in § 3 Abs. 3 AwBS Außenbereichsgrundstücke ausdrücklich erwähnt werden, ergibt sich die entsprechende Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 3 Abs. 2 AwBS im Umkehrschluss aus § 3 Abs. 1 AwBS. Der Sache nach handelt es sich bei § 3 Abs. 3 AwBS um eine überflüssige (aber unschädliche) Wiederholung.

21

c. Die Maßstabsregelungen zur Ermittlung des Schmutzwasserbeitrags – insoweit gilt ein abgestufter Vollgeschossmaßstab, vgl. § 6 Abs. 1 AwBS – und zur Ermittlung des Niederschlagswasserbeitrags – Maßstab ist hier die mögliche Versiegelung der Grundstücksfläche, ausgedrückt durch die Grundflächenzahl (GRZ), vgl. § 7 Abs. 1 AwBS – sind nicht zu beanstanden.

22

aa. Die Regelungen über die Flächenermittlung – die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich ausdrücklich nur auf die Flächenermittlung für die Schmutzwasserbeitrag, gelten wegen der Verweisung in § 7 Abs. 1 AwBS aber auch für die Flächenermittlung für den Niederschlagswasserbeitrag – sind ebenfalls nicht zu beanstanden.

23

(1) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Regelung zur Flächenermittlung bei Grundstücken im unbeplanten Innenbereich unbedenklich. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 AwBS gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen (§ 34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, höchsten jedoch die Fläche zwischen der jeweiligen Grundstücksgrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallele; reicht die bauliche und gewerbliche Nutzung über diese Begrenzung hinaus, oder sind Flächen tatsächlich angeschlossen, so ist die Grundstückstiefe maßgebend, die durch die hintere Grenze bestimmt wird (…).

24

Die Bestimmung normiert eine so genannte „schlichte“ Tiefenbegrenzung, die von der „qualifizierten“ Tiefenbegrenzung zu unterscheiden ist. Die „schlichte“ Tiefenbegrenzung gilt – vorbehaltlich des Falles einer grenzübergreifenden Bebauung – „immer", d.h. die rückwärtige, jenseits der Begrenzung gelegene Fläche eines Baugrundstücks bleibt ungeachtet ihrer bauplanungsrechtlichen Einstufung bei der Ermittlung des Beitrags regelmäßig unberücksichtigt. Sie ist damit sowohl auf „übertiefe“ Grundstücke anwendbar, die mit ihrer Gesamtfläche im unbeplanten Innenbereich liegen („zentrale Grundstücke“), als auch auf solche, die vom unbeplanten Innenbereich in den Außenbereich übergehen („Randlagengrundstücke“). Demgegenüber ist der Anwendungsbereich der „qualifizierten" Tiefenbegrenzung beschränkt: Sie greift nur in Fällen, in denen es sich bei der rückwärtigen Teilfläche eines Grundstücks um eine Außenbereichsfläche i.S.d. § 35 BauGB handelt bzw. es zweifelhaft ist, ob die rückwärtige Teilfläche dem Außenbereich zuzuordnen ist. Ihr Anwendungsbereich ist damit auf „Randlagengrundstücke“ beschränkt.

25

Im Anschlussbeitragsrecht dient die Tiefenbegrenzung in beiden Spielarten der Abgrenzung von bevorteilten und nicht bevorteilten Grundstücksflächen. Diese Abgrenzung ist erforderlich, weil nur Baugrundstücken – hierzu gehören neben Grundstücken im Geltungsbereich rechtsverbindlicher Bebauungspläne Grundstücke im unbeplanten Innenbereich – durch die beitragsfähige Einrichtung ein Vorteil geboten wird, Grundstücken bzw. Teilflächen von Grundstücken, die kein Bauland darstellen, dagegen nicht.

26

Die gegen § 5 Abs. 1 Nr. 3 AwBS erhobenen Einwände der Klägerin verfangen nicht.

27

(a) So ist die Regelung nicht unvollständig. Insbesondere erfasst sie auch Randlagengrundstücke, also Grundstücke, die teilweise im unbeplanten Innenbereich und teilweise im Außenbereich liegen. Richtig ist zwar, dass die von der Stadt A-Stadt gewählte Tiefenbegrenzung nicht zwischen zentralen Innenbereichsgrundstücken und Randlagengrundstücken unterscheidet. Dies muss sie aber auch nicht. Weil es sich bei § 5 Abs. 1 Nr. 3 AwBS um eine „schlichte“ Tiefenbegrenzung handelt, ist es irrelevant, ob die Fläche jenseits der Tiefenbegrenzungslinie zum Innenbereich oder zum Außenbereich gehört. Die Flächenbegrenzung greift damit sowohl bei zentralen Grundstücken als auch bei Randlagengrundstücken. Eine Regelung speziell für Randlagengrundstücke ist nur bei der Normierung einer „qualifizierten“ Tiefenbegrenzung erforderlich. Um eine solche handelt es sich bei § 5 Abs. 1 Nr. 3 AwBS aber – wie dargelegt – nicht.

28

(b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Normierung einer „schlichten“ Tiefenbegrenzung nicht nur dann zulässig, wenn die im Verbands- oder Gemeindegebiet vorhandenen „übertiefen“ zentralen Innenbereichsgrundstücke zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallen. Daher kann die Frage, in welches zahlenmäßigen Verhältnis zwischen „übertiefen“ zentralen Grundstücken und Randlagengrundstücken besteht, auf sich beruhen. Richtig ist zwar, dass „übertiefe“ zentrale Innenbereichsgrundstücke durch die Normierung einer „schlichten“ Tiefenbegrenzung insoweit begünstigt werden, als nicht die Gesamtfläche des Buchgrundstücks, sondern nur die Fläche bis zur Tiefenbegrenzungslinie in den Vorteilsausgleich einbezogen wird. Richtig ist auch, dass diese Begünstigung nach der früheren Rechtsprechung des OVG Greifswald nur hinzunehmen war, solange sie atypisch blieb und deshalb noch in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen der Typisierung stand (OVG Greifswald, Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00 –, juris Rn. 45; Beschl. v. 03.05.2005 – 1 L 268/03 –, n.v.). Nach der neueren Rechtsprechung des OVG Greifswald bedarf es jedoch keiner Rechtfertigung der „schlichten“ Tiefenbegrenzung (mehr), denn nunmehr geht das Gericht davon aus, dass die rückwärtigen Teilflächen „übertiefer“ zentraler Innenbereichsgrundstücke nicht bevorteilt sind (OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –, juris Rn. 42). Denn die Tiefenbegrenzung hat nicht – jedenfalls nicht vornehmlich – die Funktion einer pauschalen Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsflächen, sondern dient der Abgrenzung von baulich nutzbaren von baulich nicht nutzbaren Flächen (OVG Greifswald, a.a.O. Rn. 39, 42). Da die rückwärtigen Teilflächen „übertiefer“ zentraler Innenbereichsgrundstücke in der Regel einer baulichen Nutzung entzogen sind, dürfen sie auch nicht in den Vorteilsausgleich einbezogen werden.

29

(c) Auch die konkrete Festlegung der Tiefenbegrenzung auf 50 m ist nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des OVG Greifswald hat sich die Tiefenbegrenzungslinie zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt - wenn eine solche ermittelbar ist - die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Die gewählte Tiefenbegrenzung muss die typischen örtlichen Verhältnisse widerspiegeln und sich an der ortsüblichen Nutzung orientieren. Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln, wobei eine Ermittlung der örtlichen Verhältnisse begrenzt auf repräsentativ ausgewählte Ortslagen zulässig ist. Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden (OVG Greifswald, Urt. v. 14.12.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 77).

30

Diesen rechtlichen Maßstäben wird die metrische Festlegung der Tiefenbegrenzung gerecht. Grundlage der Entscheidung war eine Auswahl der Bebauung repräsentativer Straßenzüge im Stadtgebiet. Dass die Ermittlung der örtlichen Verhältnisse auf repräsentative Ortslagen zulässig ist, wurde bereits dargelegt. Bei der Untersuchung wurden zwei Gruppen gebildet: Grundstücke im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich (Tabelle 1 der Anlage 3 zur Beschlussvorlage S 09/03-015) und im zentralen Innenbereich (Tabelle 2 der genannten Anlage). Ausgewählt wurden Straßenzüge, die aufgrund ihrer Größe eine höhere Anzahl von anliegenden Grundstücken und damit eine größere Aussagekraft haben. Zudem sind die ausgewählten Straßenzüge im gesamten Veranlagungsgebiet (z.B. Innenstadt, Alt-Strelitz, Kiefernheide, Zierke, Fürstensee) verteilt.

31

Dies genügt den Maßgaben der Rechtsprechung. Im Rahmen der Ermittlung der ortsüblichen Tiefe der baulichen Nutzung zur Normierung einer „schlichten“ Tiefenbegrenzung ist die Berücksichtigung der Bebauungstiefe von Randlagengrundstücke und von Grundstücken im zentralen Innenbereich zumindest zulässig (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –, juris Rn. 39), wenn nicht gar geboten. Die Stadt A-Stadt hat das ihr auch in Bezug auf die Auswahl der Untersuchungsgebiete zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Der Einwand der Klägerin, die Repräsentativität der ausgewählten Straßenzüge sei vom Beklagten nicht hinreichend dargelegt, trifft nicht zu. Die Auswahl erfolgte nach der Größe der Straßenzüge und ihrer Verteilung im Stadtgebiet. Dies ist ausreichend. Die in der Tiefenbegrenzung liegende pauschalierte Abgrenzung von bevorteilten und nicht bevorteilten Grundstücksflächen erfolgt aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität. Hiermit wäre es unvereinbar, wenn bereits die Repräsentativität der Untersuchungsgebiete nach einem bestimmten rechnerischen oder sonstigen Modell zu ermitteln wäre. Auch ist der Beklagte entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verpflichtet, die Bebauungstiefe der nicht untersuchten Straßenzüge darzustellen. Wollte man dies fordern, so liefe dies darauf hinaus, die Tiefenbegrenzung zwingend anhand der Bebauungstiefe des gesamten Veranlagungsgebietes zu ermitteln. Dies wäre mit der zitierten Rechtsprechung des OVG Greifswald nicht zu vereinbaren und liefe auch dem Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität zuwider.

32

Ebenfalls unzutreffend ist der Einwand, die Grundstücke der Tabellen 1 und 2 seien fehlerhaft zugeordnet. Soweit die Klägerin dies anhand der Zuordnung des Straßenzuges Tannenhof zur Tabelle 1 (Randlagengrundstücke) belegen will, kann dem nicht gefolgt werden. Richtig ist zwar, dass auf den von der Klägerin vorgelegten Lichtbildern bei einigen Grundstücken östlich der straßennahen Bebauung eine Bebauung in der zweiten Reihe erkennbar ist. Es ist aber nicht erkennbar, ob es sich hierbei um eigenständige Grundstücke handelt. Offen ist auch, ob die in der zweiten Reihe vorhandene Bebauung noch dem Innenbereich oder bereits dem Außenbereich zugehörig ist. Handelt es sich bei den in der zweiten Reihe bebauten Flächen nicht um eigenständige Grundstücke, ist die bodenrechtliche Einstufung durch den Beklagten zutreffend. Gleiches gilt, wenn die Bebauung in der zweiten Reihe nicht mehr dem unbeplanten Innenbereich zuzuordnen ist. Damit wäre der klägerische Einwand bereits im Ansatz unzutreffend.

33

Dies bedarf jedoch keiner Vertiefung. Denn die Zuordnung zu einer der beiden Tabellen erfolgte ersichtlich nicht grundstücks- sondern straßenbezogen. Der Beklagte hat die Bebauungsstruktur im Veranlagungsgebiet nicht untersucht, indem er jeweils ausschließlich Randlagen- bzw. zentrale Innenbereichsgrundstücke ermittelt und bewertet hat, sondern hat die Bebauungsstruktur anhand ganzer Straßenzüge in den Blick genommen. Da die Bebauungsstruktur von Grundstücken außerhalb von Bebauungsplangebieten oftmals inhomogen ist, wird es kaum Straßenzüge geben, die durchgehend dieselbe Bebauungsstruktur aufweisen. Daher ist es bei der vom Beklagten gewählten Vorgehensweise unvermeidlich, dass in einem Straßenzug, der vornehmlich Randlagengrundstücke erschließt, auch (einzelne) zentrale Innenbereichsgrundstücke gelegen sind. Dies schließt jedoch weder die Repräsentativität des Straßenzuges noch die Berücksichtigung der von ihm erschlossenen Grundstücke aus.

34

Die vom Beklagten vorgenommene Bewertung ist ebenfalls frei von Fehlern. Zunächst ist es unschädlich, dass er in der bereits benannten Anlage 3 auf die durchschnittliche Bebauungstiefe der untersuchten Grundstücke abgestellt hat. Denn eine Durchschnittsbildung ist im Rahmen der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe nicht ausgeschlossen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Berechnung eine hinreichend große Zahl von Grundstücken zugrunde liegt. In diesem Fall werden „Ausreißer“ weitgehend nivelliert. Je mehr Grundstücke in einem Bereich bebaut sind, der als ortsüblich qualifiziert werden kann, umso eher wird auch die durchschnittliche Bebauungstiefe in diesem Bereich liegen, jedenfalls dann, wenn eine hinreichend große Zahl von Grundstücken in die Betrachtung einbezogen wird (OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –, juris Rn. 52). Diese Erwägungen sind auf den vorliegenden Fall übertragbar. Untersucht wurde die Bebauungstiefe von 596 Grundstücken. Hierbei handelt es sich um eine hinreichend große Zahl von Grundstücken. Dem steht nicht entgegen, dass der genannten Entscheidung Messergebnisse für insgesamt 5.038 Grundstücke zugrunde lagen. Da das Verteilungsgebiet der Stadt A-Stadt erheblich kleiner ist als das Verbandsgebiet des Beklagten jenes Verfahrens, erlaubt die erheblich höhere Anzahl der untersuchten Grundstücke keinen Rückschluss darauf, dass die Anzahl der im Gebiet der Stadt A-Stadt untersuchten Grundstücke nicht hinreichend groß ist.

35

Auch aus den Einzelaufstellungen folgen keine Hinweise auf eine Fehlerhaftigkeit der Bewertung. Danach weisen ca. 56 v.H. der Grundstücke der Tabelle 1 und ca. 63 v.H. der Grundstücke der Tabelle 2 eine Bebauungstiefe bis zu 50 m. Bezogen auf alle untersuchten Grundstücke sind es ca. 58 v.H. Bei diesen Grundstücken handelt es sich um eine hinreichend große Gruppe (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 83), die einen Schluss auf die Ortsüblichkeit der Bebauungstiefe erlaubt. Die dagegen gerichteten Einwände der Klägerin verfangen nicht. Denn sie erschöpfen sich im Wesentlichen darin, der Bewertung durch die Stadt A-Stadt eigene Bewertungen entgegen zu halten. Dass dies mit dem der Stadt A-Stadt eröffneten Ermessen nicht zu vereinbaren ist, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Darlegung.

36

(2) Die Vorrangregelung für Satzungen nach § 34 Abs. 4 und § 35 Abs. 6 BauGB in § 5 Abs. 1 Nr. 4 AwBS führt ebenfalls nicht zur Fehlerhaftigkeit der Maßstabsregelung. Zwar begegnet die Vorrangregelung nach wie vor Bedenken (vgl. VG Greifswald, Beschl. v. 20.07.2011 – 3 B 615/11 –, S. 3 f. des Entscheidungsumdrucks [n.v.]). Diese Frage bedarf jedoch keiner Vertiefung, denn nach der Rechtsprechung des OVG Greifswald (Beschl. v. 07.02.2013 – 1 M 136/11 –, S. 4 des Entscheidungsumdrucks [n.v.], der sich das erkennende Gericht anschließt, führt eine Fehlerhaftigkeit der Vorrangregelung allenfalls zu einer Teilnichtigkeit der Satzung. Von der Vorrangregelung werden nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten lediglich 10 Grundstücke betroffen. Bei einer Unwirksamkeit der Bestimmung wäre auf diese Grundstücke die Tiefenbegrenzungsregel des § 5 Abs. 1 Nr. 3 AwBS anzuwenden; die Gesamtzahl der Beitragseinheiten würde sich lediglich im Promillebereich verändern. Dies kann sich wegen des abgesenkten Beitragssatzes – angestrebt wird ein Deckungsgrad von 80 v.H. des höchstzulässigen Beitragssatzes – nicht auf die Beitragsberechnung auswirken.

37

(3) Entgegen der Auffassung der Klägerin entspricht auch die Bestimmung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AwBS dem Vorteilsprinzip. Hiernach gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, die über die Grenzen des Bebauungsplanes hinausreichen, auch die Fläche außerhalb des Plangebietes, die baulich oder gewerblich genutzt werden kann. Die Vorschrift erfasst Grundstücke, die teilweise im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes und teilweise – mit ihrer Restfläche – im unbeplanten Innenbereich liegen. Auch wenn die Bestimmung nicht ausdrücklich auf § 34 Abs. 1 BauGB verweist, folgt dies aus der Wendung „ … soweit diese Fläche baulich oder gewerblich genutzt werden kann …“. Damit stellt die Bestimmung nicht auf die tatsächliche bauliche oder gewerbliche Nutzung, sondern auf die zulässige ab. Außerhalb von Gebieten im Geltungsbereich von Bebauungsplänen ist eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nur noch im unbeplanten Innenbereich zulässig; bei Außenbereichsflächen scheidet sie regelmäßig aus (vgl. § 35 Abs. 2 BauGB). Da es sich sowohl bei Grundstücksflächen im Geltungsbereich von Bebauungsplänen als auch im unbeplanten Innenbereich um Bauland handelt, das von der Schaffung der Anschlussmöglichkeit an die zentrale Abwasserbehandlungsanlage bevorteilt wird, ist eine Einbeziehung der im unbeplanten Innenbereich gelegenen Teilfläche in den Vorteilsausgleich geboten.

38

(a) Soweit die Klägerin die Bestimmung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AwBS beanstandet, weil sie für die baulich oder gewerblich nutzbaren Restflächen von teilweise im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes gelegenen Grundstücken keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Tiefenbegrenzung (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 AwBS) enthält, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar trifft es zu, dass es mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Grundgesetz – GG) nicht zu vereinbaren ist, die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung für Grundstücke zu normieren, die vollständig im unbeplanten Innenbereich gelegen sind, nicht aber für Grundstücke, die teilweise im Gebiet eines Bebauungsplans und teilweise im unbeplanten Innenbereich liegen (VG Schwerin, Urt. v. 21.02.2012 – 4 A 1072/09 –, juris Rn. 72). Daher muss auch die Flächenermittlung auch bei „übertiefen“ Restflächen solcher Grundstücke begrenzt werden. Eine ausdrückliche Regelung fehlt tatsächlich.

39

Daraus folgt jedoch zunächst nur, dass insoweit eine Regelungslücke besteht. Eine Nichtigkeit der Maßstabsregelung kann aber erst angenommen werden, wenn die bestehende Regelungslücke nicht im Wege einer Analogie geschlossen werden kann. Dies ist vorliegend jedoch möglich. Anhaltspunkte dafür, dass die vollständige Einbeziehung auch „übertiefer“ Restflächen in den Vorteilsausgleich vom Ortsgesetzgeber gewollt war, sind nicht erkennbar. Dies wird von der Klägerin auch nicht behauptet. Auch eine analogiefähige Vorschrift existiert: Wie bereits dargelegt, ist in § 5 Abs. 1 Nr. 3 AwBS für „reine“ Innenbereichsgrundstücke in nicht zu beanstandender Weise eine satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung normiert worden. Mit Blick auf den Grundsatz der Normerhaltung ist es nach Auffassung des Gerichts geboten, diese für den Grundfall geschaffene Vorschrift auch auf den in § 5 Abs. 1 Nr. 2 AwBS geregelten Ausnahmefall anzuwenden (vgl. für die unvollständige Definition der sog. Umgriffsfläche bei bebauten Außenbereichsgrundstücken: OVG Greifswald, Urt. v. 24.03.2004 – 1 L 58/02 –, juris Rn. 165).

40

Aus diesem Grunde kann dahinstehen, ob es die von der Klägerin angesprochene Fallkonstellation im Veranlagungsgebiet der Stadt A-Stadt überhaupt auftritt.

41

(b) Soweit die Klägerin in der Bestimmung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AwBS eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Verhältnis zu Grundstücken im Außenbereich erblickt, interpretiert das Gericht diesen Einwand dahin, dass sie eine Einbeziehung auch solcher Teilflächen von Grundstücken fordert, die teilweise im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes und teilweise im Außenbereich liegen, wenn die im Außenbereich gelegene Teilfläche baulich genutzt wird. Dem kann ebenfalls nicht gefolgt werden.

42

Es wurde bereits dargelegt, dass im Geltungsbereich von Bebauungsplänen gelegene Grundstücke bereits dann der Beitragspflicht unterliegen, wenn die Möglichkeit des Anschlusses an die zentrale Abwasserbehandlungsanlage besteht (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AwBS), während dies bei Außenbereichsgrundstücken erst dann zutrifft, wenn sie tatsächlich angeschlossen sind (§ 3 Abs. 2, Abs. 3 AwBS). Dies gilt nicht nur bei „reinen“ Außenbereichsgrundstücken, sondern auch solchen Grundstücken, die nur teilweise im Geltungsbereich von Bebauungsplänen und im Übrigen im Außenbereich liegen. Würde man die baulich genutzten Restflächen solcher Grundstücke in den Vorteilsausgleich einbeziehen, so wäre dies jedenfalls dann nicht mit dem Vorteilsprinzip vereinbar, wenn das Grundstück an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen werden kann, aber nicht angeschlossen ist.

43

Offen bleiben kann, ob eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung in den Fällen vorliegt, in denen eine im Außenbereich gelegene baulich genutzte Restfläche eines teilweise im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes gelegenen Grundstücks betroffen ist, das an die zentrale öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage tatsächlich angeschlossen ist. Denn nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten existieren solche Grundstücke im Veranlagungsgebiet nicht. Eine etwaige Fehlerhaftigkeit (Unvollständigkeit) der Maßstabsregelung führt daher mit Blick auf den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit nicht zu Unwirksamkeit der Satzung.

44

bb. Die Bestimmungen zur Ermittlung des Nutzungsfaktors für den Schmutzwasserbeitrag (§ 6 AwBS) sind nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die in § 6 Abs. 8 Satz 3 AwBS für Altbauten angeordnete Abweichung von den nach § 6 Abs. 8 Satz 1 AwBS geltenden Mindesthöhen für Vollgeschosse nicht nur zulässig, sondern geboten (eingehend: OVG Greifwald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 60 ff.).

45

d. Die Beitragskalkulation begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht die Kalkulation nicht im Widerspruch zum Abwasserbeseitigungskonzept der Stadt A-Stadt. Dies bereits deshalb nicht, weil das Konzept keinen Endtermin für die Herstellung der Abwasserbehandlungsanlage vorsieht und auch nicht vorsehen muss. Dies folgt aus seiner Funktion: Es legt fest, welche Investitionen vorgesehen sind und hat insoweit Auswirkung auf die Beitragskalkulation, da nur die vom Abwasserbeseitigungskonzept vorgesehen Investitionen aufwandserhöhend berücksichtigt werden dürfen. In zeitlicher Hinsicht fehlt diese Bindungswirkung aber. Zwar spricht die Bezeichnung „Globalkalkulation“ dafür, dass nach dem Abwasserbeseitigungskonzept eine endgültige Herstellung der Abwasserbeseitigungsanlage bis 2019 geplant ist. Sollte sich aber herausstellen, dass diese zeitliche Vorgabe nicht eingehalten werden kann – etwa weil es an den erforderlichen Haushaltsmitteln fehlt –, steht es der Stadt A-Stadt frei, den Herstellungstermin zu verschieben, ohne dass dies Auswirkungen auf die Kalkulation hat. Zwar decken sich in diesem Fall Kalkulationszeitraum und Herstellungstermin nicht. Dies führt jedoch lediglich dazu, dass die Kalkulation – wenn sie dem veränderten Konzept nicht angepasst wird – nicht mehr als Globalkalkulation, sondern als Rechnungsperiodenkalkulation anzusehen ist, die nach § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V gleichermaßen zulässig ist.

46

Zuordnungsprobleme bestehen auch im Hinblick auf frühere Rechnungsperiodenkalkulationen nicht. Eine genaue Zuordnung von Investitionen nach Kalkulationszeiträumen (Rechnungsperioden) ist nur dann erforderlich, wenn die entsprechenden Beitragssatzungen wirksam sind und in den Geltungszeiträumen der Beitragssatzungen sachliche Beitragspflichten entstehen. Nur dann besteht bei einer fehlerhaften Zuordnung die Gefahr einer unzulässigen Aufwandsüberdeckung. Vorliegend ist aber zu beachten, dass die früheren Rechnungsperiodenkalkulationen der Stadt A-Stadt und die darauf basierenden Beitragssatzungen – wie noch zu zeigen sein wird – allesamt fehlerhaft sind. Daher tritt die vorliegende Globalkalkulation zwangsläufig an deren Stelle. Die Gefahr einer Aufwandsüberdeckung besteht nicht.

47

Auch methodisch ist die Kalkulation nicht zu beanstanden. Soweit die Klägerin fordert, in den 1990er Jahren vereinnahmte Abwasserbeiträge aufwandsmindernd zu berücksichtigen, kann dem nicht gefolgt werden. Abgehen von dem – hier nicht gegebenen Fall – des Wechsels von einem privatrechtlichen Entgeltsystem zu einem öffentlich-rechtlichen Beitrags- und Gebührensystem findet eine Berücksichtigung von Erlösen in der Beitragskalkulation nicht statt, weil dies von § 9 Abs. 2 KAG M-V nicht vorgesehen ist (OVG Greifswald, Urt. v. 24.04.2013 – 4 K 1/10 –, juris Rn. 62).

48

Ebenfalls keinen Bedenken unterliegt die Berücksichtigung von Fördermitteln. Dem Einwand der Klägerin, der Beklagte habe nicht alle Fördermittel aufwandsmindernd berücksichtigt, ist der Beklagte mit dem Hinweis entgegen getreten, er habe abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG M-V lediglich die Fördermittel kalkulatorisch nicht berücksichtigt, die nur bestimmten Beitragspflichtigen oder bestimmten Gruppen von Beitragspflichtigen zu Gute kommen sollen. Diese Fördermittel seien erst bei der Heranziehung der betroffenen Beitragsschuldner auf die Beitragsforderung angerechnet worden. Diese Verfahrensweise entspricht der Rechtsprechung des OVG Greifswald zu § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG 1993 (Beschl. v. 06.12.2001 – 1 M 73/01 –, juris Rn. 28; Beschl. v. 22.09.2004 – 1 M 166/04 –, juris Rn. 11) und ist nunmehr in § 9 Abs. 2 Sätze 5 und 6 KAG M-V ausdrücklich kodifiziert. Da die Klägerin ihre diesbezüglichen Einwände nicht weiter substantiiert hat, kann von weiteren Darlegungen abgesehen werden.

49

Unzutreffend ist die erstmals in der mündlichen Verhandlung – und ohne jedweden Beleg – aufgestellte Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe es unterlassen, Ausschüttungen aus der Liquidation der Neubrandenburger Wasser AG i.L. aufwandsmindernd zu berücksichtigen. Der Beklagte ist der Behauptung unter Hinweis auf einen Vermerk seines Amtsleiters für Hoch- und Tiefbau entgegen getreten. Darin ist ausgeführt, dass von den insgesamt für die Kläranlage ausgereichten Fördermitteln i.H.v. 10.206.580,00 EUR unternehmensbezogene (s.o.) Fördermittel i.H.v. 4.848.555,00 EUR abgezogen worden sind. Der sich ergebende Differenzbetrag von 5.385.025,00 EUR ist um „Rückzahlungen SW“ aus den Jahren 2000, 2007 und 2009 i.H.v. 331.861,00 EUR, 64.906,00 EUR und 7.722,00 EUR auf 5.762.514,00 EUR erhöht worden. Exakt dieser Betrag ist im Anhang 1 der Beitragskalkulation (Kostenaufstellung Abwasserbeseitigung) in der lfd. Nr. 114 „Kläranlage (Rudower Straße)“ als Einnahme und damit aufwandsmindernd ausgewiesen. Aus dem vom Beklagten weiter vorgelegten Schriftwechsel zwischen der Stadtwerke A-Stadt GmbH und dem Beklagten sowie der Neubrandenburger Wasser Aktiengesellschaft i.L. und der Stadtwerke A-Stadt GmbH folgt weiter, dass es sich bei den „Rückzahlungen SW“ um Abschlagszahlungen auf die genannten Ausschüttungen handelt.

50

Dem Schreiben der Stadtwerke A-Stadt GmbH vom 1. April 2008 kann überdies entnommen werden, dass die Ausschüttungen 73,59 v.H. der Gesamtsumme ausmachen, was dem Schmutzwasseranteil entspricht (die Trinkwasserversorgung erfolgt durch die Stadtwerke A-Stadt GmbH). Dies steht der ebenfalls erst in der mündlichen Verhandlung und ohne Beleg erhobenen Behauptung der Klägerin entgegen, lediglich 50 v.H. der Ausschüttungen seien aufwandsmindernd berücksichtigt worden. Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht daher auch insoweit nicht.

51

2. Fehler bei der Anwendung der Abwasserbeitragssatzung sind nicht erkennbar. Das Gericht wertet den Hinweis der Klägerin auf die Wirksamkeit der Beitragssatzung 1995 als Geltendmachung des Einwandes der Festsetzungsverjährung. Auch dieser Einwand greift nicht durch.

52

Der Beitragsanspruch ist nicht infolge Festsetzungsverjährung gemäß § 47 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V erloschen. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Anschlussbeiträge vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Die Beitragspflicht ist nicht bereits mit dem Anschluss des Grundstücks an die Anlage, sondern gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V mit dem Inkrafttreten der Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung vom 21. Juni 2012 entstanden. Nach dieser Bestimmung, an deren Verfassungsgemäßheit auch mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (– 1 BvR 2457/08 –) keine Zweifel bestehen (eingehend: OVG Greifswald, Urt. v. 01.04.2014 – 1 L 142/13 –, S. 22 ff. des Entscheidungsumdrucks), entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Die Vorschrift gibt damit keine bestimmte zeitliche Reihenfolge für das Vorliegen der Entstehungsvoraussetzungen der sachlichen Beitragspflicht vor. Ausreichend – aber auch erforderlich – ist das Vorliegen eines Anschlusses bzw. einer Anschlussmöglichkeit des Grundstücks und die Existenz einer wirksamen Beitragssatzung. Liegen beide Voraussetzungen vor, so entsteht ungeachtet der zeitlichen Reihenfolge ihres Eintritts die sachliche Beitragspflicht. Daraus folgt, dass bei Grundstücken, die – wie hier – vor dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung an die Anlage angeschlossen worden sind, die sachliche Betragspflicht gleichwohl erst mit dem Inkrafttreten dieser Satzung entsteht.

53

Die am 1. Januar 2010 in Kraft getretene Abwasserbeitragssatzung vom 9. November 2009 die erste wirksame Beitragssatzung der Stadt A-Stadt. Zu einem früheren Zeitpunkt konnten sachliche Beitragspflichten nicht entstehen und damit auch die Festsetzungsfrist nicht ablaufen, denn die davor Geltung beanspruchende Beitragssatzung – die Abwasserbeitragssatzung vom 9. November 1995 i.d.F. der Änderungssatzung vom 6. November 1998 – ist unwirksam. Sie bezweckt die unzulässige Freistellung sog. altangeschlossener Grundstücke und verstößt gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 (VG Greifswald, Urt. v. 10.01.2001 – 3 A 801/00 –, juris Rn. 17; Urt. v. 29.03.2006 – 3 A 1460/04 –, juris Rn. 16).

54

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung. Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht erkennbar.

Tenor

Die Niederschlagswasserbeitragssatzung zur Abwasserbeseitigungssatzung – Zentrale Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung – des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Grimmen (ZWAG) vom 12. Dezember 2012 wird mit Ausnahme ihres § 14 für unwirksam erklärt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Beitragssatzung für die Niederschlagswasserbeseitigung.

2

Der Antragsgegner betreibt in der Stadt Grimmen eine öffentliche Einrichtung zur zentralen Niederschlagswasserbeseitigung. Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in Grimmen, welches an die öffentliche Einrichtung zur zentralen Niederschlagswasserbeseitigung des Antragsgegners angeschlossen ist. Für diese zog er das Grundstück der Antragstellerin zu einem Niederschlagswasserbeseitigungsbeitrag im Jahr 2013 heran. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Widerspruch ein, über den bisher noch nicht entschieden ist.

3

Die Verbandsversammlung des Antragsgegners beschloss bereits am 12. Dezember 2012 die Niederschlagswasserbeitragssatzung zur Abwasserbeseitigungssatzung – Zentrale Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung – des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Grimmen (nachfolgend: Beitragssatzung). Diese wurde im Amtsblatt des Antragsgegners vom 31. Januar 2013 bekannt gemacht.

4

Am 28. März 2013 hat die Antragstellerin Normenkontrollantrag gegen die Beitragssatzung gestellt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:

5

Die Satzung sei schon deshalb unwirksam, weil bei dem Beschluss über die Satzung nicht alle wesentlichen Unterlagen vorgelegen hätten. Dies gelte insbesondere für die Unterlagen über die Ermittlung der Tiefenbegrenzung.

6

Unter Beachtung der Satzung über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentlichen Abwasseranlagen – Abwasserbeseitigungssatzung – des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Grimmen (ZWAG) (nachfolgend: Abwasserbeseitigungssatzung) vom 6. Februar 2003 in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 30. Juni 2010 sei der Umfang der öffentlichen Einrichtung nicht hinreichend bestimmt. Zwar finde sich in § 1 Abwasserbeseitigungssatzung die grundsätzlich zulässige Entscheidung, getrennte öffentliche Einrichtungen für die Schmutzwasserbeseitigung und die Niederschlagswasserbeseitigung zu betreiben. Allerdings sei die Bestimmung des Umfangs der jeweiligen öffentlichen Einrichtung widersprüchlich. § 2 Abs. 4 Abwasserbeseitigungssatzung bestimme, was zu der öffentlichen Einrichtung gehöre. Grundstücksanschlüsse seien nicht Bestandteil der öffentlichen Einrichtung. § 3 Abs. 3 Nr. 4 Abwasserbeseitigungssatzung regele, was unter Grundstücksanschlüsse zu verstehen sei: nämlich Leitungen vom Kanal bis zum Kontrollschacht an der Grenze des Grundstücks bzw. bis zur Grundstücksgrenze, wenn der Kontrollschacht nicht direkt an der Grenze des Grundstücks gesetzt werden könne einschließlich der Pumpen- und Vakuumschächte bei Druck- und Unterdruckentwässerung. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Abwasserbeseitigungssatzung seien dagegen die Schächte der Druck- oder Unterdruckentwässerung Bestandteil der öffentlichen Einrichtung. Es fehle daher an einem hinreichend bestimmten Abgabentatbestand, so dass die Beitragssatzung unwirksam sei.

7

Unstimmigkeiten bestünden auch im Hinblick auf die „anteiligen Mischwasserkanäle“, die nach der Abwasserbeseitigungssatzung Bestandteil der öffentlichen Einrichtung seien, nach der Beitragssatzung jedoch nicht.

8

Weiterhin sei für den Beitragspflichtigen anhand der Regelung des § 4 Beitragssatzung nicht erkennbar, ob der Erlass der aktuellen Beitragssatzung ausreichend oder noch der Erlass einer weiteren Satzung erforderlich sei, um die Beitragspflicht entstehen zu lassen. Schließlich sei die Regelung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –) mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit unvereinbar. Die Anknüpfung an die erste wirksame Satzung führe letztlich zu einer zeitlich unbegrenzten Heranziehungsmöglichkeit der Grundstückseigentümer.

9

Die Maßstabsregelung des § 5 Abs. 3 Beitragssatzung sei unvollständig, da sie keine Regelung für Grundstücke enthalte, die sowohl im Bebauungsplan als auch im unbeplanten Innenbereich lägen.

10

Die Maßstabsregelung des § 5 Abs. 3 Buchst. d) Beitragssatzung, die eine qualifizierte Tiefenbegrenzung normiere, sei unwirksam. Die Tiefenbegrenzung sei methodisch fehlerhaft ermittelt worden, nicht vorteilsgerecht und entspreche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Angesichts der geringen Zahl der von der Tiefenbegrenzung betroffenen Grundstücke, hätte der Antragsgegner alle 84 Grundstücke konkret untersuchen können und müssen. Das ausgewählte Gebiet sei auch nicht repräsentativ. Dies vor allem deswegen, weil im Bereich des gewählten Gebiets (Z...) im Schmutzwasserbereich 45 Grundstücke untersucht worden seien. Vorliegend seien jedoch nur die Grundstücke untersucht worden, die an die Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung angeschlossen seien bzw. werden sollten. Im Schmutzwasserbereich habe sich ergeben, dass 20 der 45 untersuchten Grundstücke eine Bebauungstiefe von bis zu 35 m aufwiesen. Dies spreche dafür, dass für die Ermittlung der Bebauungstiefe alle bebauten Grundstücke und nicht nur die, die einen Anlagenbezug aufwiesen, heranzuziehen seien.

11

Zweifelhaft sei, ob die zugrunde gelegte Kalkulation hinreichend aktuell sei. Deutlich werde dies bei den Grundstücken C...-Straße ...-... und ...-..., welche eine geringere Fläche aufwiesen als in der Kalkulation veranschlagt. Es sei daher davon auszugehen, dass die Flächenermittlung für vorhandene Grundstücke nicht aktualisiert worden sei.

12

Die zulässige Bebaubarkeit innerstädtischer Grundstücke sei nicht ordnungsgemäß ermittelt worden. Es fänden sich entsprechende Fehler in den nachfolgenden Flächenermittlungsgebieten der Kalkulation, wo nicht die nach der Beitragssatzung höchstzulässige Grundflächenzahl zugrunde gelegt worden sei, sondern die tatsächliche Grundflächenzahl. Dies betreffe den Bereich Altstadt, die Bahnhofsvorstadt, die S...-Straße und die Triebseer Vorstadt.

13

Die Antragstellerin beantragt,

14

die Niederschlagswasserbeitragssatzung zur Abwasserbeseitigungssatzung – Zentrale Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung – des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Grimmen (ZWAG) vom 12. Dezember 2012 mit Ausnahme der Regelungen über die Ordnungswidrigkeit (§ 14) für unwirksam zu erklären.

15

Der Antragsgegner beantragt,

16

den Antrag abzuweisen.

17

Er verteidigt die angegriffene Satzung und tritt der Antragsbegründung im Einzelnen entgegen.

18

Die Unterlagen zur Ermittlung der Tiefenbegrenzung hätten der Verbandsversammlung am 12. Dezember 2012 mit den übrigen Kalkulationsunterlagen vorgelegen, auch wenn dies in der Niederschrift der Verbandsversammlung nicht gesondert erwähnt werde.

19

Der von der Antragstellerin angeführte Widerspruch zwischen § 3 Abs. 3 Nr. 4 Abwasserbeseitigungssatzung und § 14 Abs. 2 Satz 2 Abwasserbeseitigungssatzung liege tatsächlich nur auf dem Papier vor, da es im Verbandsgebiet keinerlei Druck- oder Vakuumentwässerung gebe. In der mündlichen Verhandlung hat der Antragsgegner seinen Vortrag dahingehend konkretisiert, dass es im Verbandsgebiet zwar keine Vakuumentwässerung gebe, Druckentwässerung dagegen schon. Ein Widerspruch liege allerdings auch bei der Druckentwässerung mit den Pumpenschächten nicht vor. Denn beide Normen würden unterschiedliche Fallgruppen erfassen, wobei § 14 Abs. 2 Satz 2 Abwasserbeseitigungssatzung nur in den Fällen des § 14 Abs. 8 Abwasserbeseitigungsatzung anwendbar sei, d.h. wenn das Abwasser mehrerer Grundstücke durch eine Druckentwässerung entsorgt werde, sei diese Pumpenstation Bestandteil der öffentlichen Einrichtung.

20

Eventuelle Unklarheiten bei den Mischwasserkanälen würden sich nicht auswirken, da es keine Mischwasserkanäle im Verbandsgebiet mehr gebe.

21

Die Regelung des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht entspreche dem Wortlaut des Gesetzes in § 9 Abs. 3 KAG M-V und sei nicht missverständlich.

22

Die Maßstabsregelung sei nicht unvollständig. Es gebe eine Regelung für Grundstücke in Bebauungsplangebieten und eine Regelung für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 BauGB. Auf Grundstücke, die teilweise im Bebauungsplan lägen und teilweise im unbeplanten Innenbereich, wende man beide Satzungsregelungen nebeneinander an und komme so in jedem Fall zu einer vorteilsgerechten Beitragsbemessung. Selbst wenn dem nicht gefolgt werden würde und für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich § 5 Abs. 3 b) Beitragssatzung Anwendung fände, würde sich die vorteilswidrige Regelung mangels Anwendungsbereich nicht auf den kalkulierten Beitragssatz auswirken. Es gebe im gesamten Niederschlagswasserentsorgungsgebiet keine Grundstücke, die nur teilweise im Bebauungsplan und teilweise im unbeplanten Innenbereich lägen.

23

Die Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie sei rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gelte auch im Hinblick darauf, dass nur Grundstücke berücksichtigt worden seien, bei denen ein Anschluss an die zentrale Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung in Betracht komme. Zu berücksichtigen sei, dass der Antragsgegner nur in der Stadt Grimmen eine Niederschlagswassereinrichtung betreibe. Es gebe daher nur wenige Grundstücke, die an die Einrichtung angeschlossen seien und vom Innenbereich in den Außenbereich übergingen. Der Antragsgegner habe sich bei der Ermittlung auf einen repräsentativen Straßenzug gestützt, dessen Bebauung er für die Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie bei der Schmutzwasserentsorgung bereits ermittelt habe. Auch dies sei rechtlich unbedenklich.

24

Richtig sei zwar, dass der Antragsgegner für das Grundstück in der C...-Straße 132 m² zu viel beitragspflichtige Fläche in die Kalkulation eingestellt habe. Dies führe jedoch nicht zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulation des Beitragssatzes. Ein „zuviel“ an Fläche führe stets zu einer Verminderung des Beitragssatzes. Ein Verstoß gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot könne nicht vorliegen.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 2016 sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte und der übersandten Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

26

Der Normenkontrollantrag ist zulässig (I.) und begründet (II.). Die Niederschlagswasserbeitragssatzung zur Abwasserbeseitigungssatzung – Zentrale Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung – des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Grimmen (ZWAG) (nachfolgend: Beitragssatzung) vom 12. Dezember 2012 ist im Umfang des gestellten Antrags unwirksam.

27

I. Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie kann geltend machen, durch die Anwendung der streitgegenständlichen Satzung in absehbarer Zeit in ihren Rechten verletzt zu werden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO), da der aufgrund dieser Satzung gegen sie ergangene Beitragsbescheid noch nicht bestandskräftig ist (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 03.07.2002 – 4 K 35/01 –, juris Rn. 11). Da ohne eine wirksame Satzung gemeindliche Abgaben gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) nicht erhoben werden dürfen, hängt der Bestand des Beitragsbescheides von der Wirksamkeit der zur Normenkontrolle gestellten Niederschlagswasserbeitragssatzung ab. Die Antragsfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist eingehalten, der Normenkontrollantrag wurde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift gestellt.

28

II. Der Normenkontrollantrag ist begründet. Die Beitragssatzung verstößt, soweit sie Gegenstand dieses Verfahrens geworden ist, gegen höherrangiges Recht, das der Prüfung des Oberverwaltungsgerichts unterliegt. Im Ergebnis ist die Satzung nicht nur hinsichtlich einzelner Bestimmungen, sondern insgesamt unwirksam. Sie ist deshalb im beantragten Umfang gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären.

29

Die streitbefangene Beitragssatzung weist nicht den durch § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V vorgeschriebenen Mindestinhalt einer Abgabensatzung auf. Die Regelung der Tiefenbegrenzung in § 5 Abs. 3 Buchst. d) Beitragssatzung verstößt gegen die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und den aus dem Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) folgenden Grundsatz der Abgabengerechtigkeit und ist daher unwirksam (1.). Die daraus folgende Satzungslücke führt zur Gesamtunwirksamkeit der Beitragssatzung (2.). Auf die sonstigen Einwendungen der Antragstellerin gegen die Wirksamkeit der Satzung kommt es deshalb nicht mehr an.

30

1. § 5 Abs. 3 Buchst. d) Beitragssatzung verstößt gegen höherrangiges Recht, soweit die hier geregelte Tiefenbegrenzungslinie bei grundsätzlich 40 m gezogen wird. Dieser Verstoß führt zur Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung und damit zur Unwirksamkeit der gesamten Beitragssatzung.

31

Nach der Norm gilt als (bevorteilte) Grundstücksfläche bei Grundstücken, die vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) übergehen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksgrenze und einer im Abstand von 40 m dazu verlaufenden Parallelen; liegt das Grundstück an mehreren Straßen, so ist die Tiefenbegrenzungslinie von jeder Grundstücksseite, die einer Straße zugewandt ist, zu ermitteln; gemeinsame Schnittflächen werden nur einmal berücksichtigt. Die Vorschrift regelt eine sogenannte qualifizierte Tiefenbegrenzung. Sie gilt ausschließlich für Grundstücke, die planungsrechtlich im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich liegen, und anders als die sogenannte schlichte Tiefenbegrenzung nicht auch für vollständig im Innenbereich liegende Grundstücke.

32

Die Regelung einer Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich zulässig (vgl. nur OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 75 m.w.N.). Sie dient insbesondere der Verwaltungspraktikabilität und Verwaltungsvereinfachung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegenden unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs zum Außenbereich angestellt werden. Allerdings stehen die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V). Danach sind die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden. Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem – wie hier in § 5 Abs. 1 Beitragssatzung geregelten – kombinierten Grundstücksflächen- und Grundflächenzahlmaßstab zu bemessen.

33

Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt – wenn eine solche ermittelbar ist – die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei ermitteln. Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden. Das Normenkontrollgericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen (so grundlegend OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010, a.a.O., juris Rn. 75 ff. m.w.N., daran anschließend OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –, juris Rn. 33 f.; Urt. v. 21.04.2015 – 1 K 47/11 –, juris Rn. 48).

34

Unter Beachtung dieser Maßstäbe stellt sich die Ermittlung der örtlichen Verhältnisse schon als methodisch fehlerhaft dar.

35

Es ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, auf welche Weise der Satzungsgeber die ortsüblichen Verhältnisse zu ermitteln hat. Dies liegt in seinem Ermessen. Der Senat hat mehrfach entschieden, dass der Satzungsgeber bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe seine Untersuchung der örtlichen Verhältnisse auf repräsentativ ausgewählte Ortslagen beschränken darf (vgl. vgl. etwa OVG Greifswald, Urt. v. 30.04.2014 – 1 L 80/12 –, juris Rn. 20, im Anschluss an OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010, a.a.O., juris Rn. 78). Vorliegend hat der Antragsgegner jedoch ausweislich der Dokumentation „Ermittlung der Tiefenbegrenzung“ die Ermittlung der örtlichen Verhältnisse anhand repräsentativ ausgewählter Ortslagen selbst als „nicht sinnvoll“ erachtet. Gestützt werde die festgesetzte Tiefenbegrenzungslinie von 40 m allerdings durch die Ermittlungen der ortsüblichen Tiefe der baulichen Nutzung für die zentrale öffentliche Einrichtung A der Schmutzwasserbeseitigung. Die dort ermittelte Tiefenbegrenzungslinie von 40 m sei auch für die zentrale Einrichtung zur Niederschlagswasserbeseitigung maßgeblich, da das Stadtgebiet von Grimmen einen Teil der öffentlichen Einrichtung A der Schmutzwasserbeseitigung darstelle.

36

Dies ist auch unter Beachtung des dem Satzungsgeber grundsätzlich zustehenden Ermessens bei der Ermittlung der ortsüblichen Verhältnisse methodisch fehlerhaft. Zwar ist dem Antragsgegner zuzustimmen, dass eine Auswahl von repräsentativen Ortslagen mit geeigneten und typischen Fallgruppen bei einer Einrichtung mit nur 84 Übergangsgrundstücken in 9 Straßenzügen nicht sinnvoll ist. Nach Ansicht des Senats dürfte es auch schon allein aufgrund der geringen Anzahl der betroffenen Grundstücke nahezu ausgeschlossen sein, unter diesen „repräsentative“ Übergangsgrundstücke zu finden, die die örtlichen Verhältnisse zutreffend wiederspiegeln und so Grundlage einer ordnungsgemäßen Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie sein können. Möglicherweise sind bei einem Entsorgungsgebiet mit so wenigen Übergangsgrundstücken sämtliche Übergangsgrundstücke zu betrachten, um die ortsüblichen Verhältnisse rechtfehlerfrei zu ermitteln. Letztlich bedarf dies keiner abschließenden Klärung.

37

Vorliegend ist jedenfalls der Rückgriff auf die für die öffentliche Einrichtung A der Schmutzwasserbeseitigung ermittelte örtliche Bebauungstiefe zur Begründung der Tiefenbegrenzungslinie für die Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung rechtsfehlerhaft. Dies ergibt sich schon daraus, dass für die Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie im Schmutzwasserbereich nur Grundstücke in Ortslagen bzw. Orten berücksichtigt wurden, die einen Anlagenbezug aufweisen, d.h. die an die öffentliche Einrichtung A zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung angeschlossen sind bzw. in der Herstellungsphase angeschlossen werden sollen. Diese ausgewählten Grundstücke weisen aber nicht zwangsläufig auch einen Anlagenbezug im Hinblick auf die Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung auf. Die Entsorgungsbereiche beider Einrichtungen sind nicht deckungsgleich. Der Entsorgungsbereich der öffentlichen Einrichtung der zentralen Niederschlagswasserbeseitigung ist wesentlich kleiner als der Entsorgungsbereich der Einrichtung A der zentralen Schmutzwasserbeseitigung. Er beschränkt sich nur auf die Stadt Grimmen. Soweit der Antragsgegner anführt, bei der Ermittlung seien nur Grundstücke betrachtet worden, die einen Anlagenbezug zur Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung aufweisen, ist dies unzutreffend.

38

Darüber hinaus sind die im Rahmen der Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie für die Schmutzwasserbeseitigung betrachteten Grundstücke auch nicht zur Ermittlung der örtlichen Verhältnisse der üblichen Bebauungstiefe in der Stadt Grimmen – nur für diesen Bereich gilt die Niederschlagswasserbeitragssatzung – geeignet. Denn ein überwiegender Teil der Grundstücke in den repräsentativen Ortslagen, die bei der Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie Schmutzwasser eingeflossen sind, stammen nicht aus der Stadt Grimmen, sondern aus dem ländlich geprägten Umland und sind mit der städtischen Bebauungsstruktur der Stadt Grimmen nicht vergleichbar. Erfahrungsgemäß weisen Übergangsgrundstücke im ländlichen Raum eine tiefere Bebauung auf als Grundstücke im städtischen Bereich mit einer typischerweise kleinteiligeren Bebauung. Bei der Ermittlung der örtlichen Bebauungstiefe für den Bereich der Stadt Grimmen sind diese Grundstücke daher nicht heranzuziehen, da sie die maßgebliche örtliche Bebauungstiefe nicht wiederspiegeln.

39

Auch die vorliegende Dokumentation „Ermittlung der Tiefenbegrenzung“ rechtfertigt nicht die Annahme einer ortsüblichen Bebauungstiefe für den Geltungsbereich der Niederschlagswasserbeitragssatzung von 40 m. Soweit der Antragsgegner in der Dokumentation beispielhaft auf den Z...damm in der Stadt Grimmen zur Bestätigung der 40 m Tiefenbegrenzungslinie Bezug nimmt, sind die dort betrachteten 15 Übergangsgrundstücke nicht geeignet, die Tiefenbegrenzungslinie zu rechtfertigen. Denn aus der eingereichten Dokumentation geht hervor, dass abweichend vom Z...damm etwa alle 33 in der K...allee in Grimmen gelegenen Grundstücke eine deutlich geringe Bebauung als 40 Meter – wohl ca. 30 Meter – aufweisen. Ähnliches gilt für die zwölf in der G...straße in Grimmen gelegenen Grundstücke. Auch diese weisen überwiegend eine deutlich geringe Bebauung als 40 Meter auf. Die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung liegt damit nach der vorliegenden Dokumentation bei ca. 45 der 84 Übergangsgrundstücke bei deutlich weniger als 40 Meter, so dass diese Grundstücke nicht der Fallgruppe 36 m bis 40 m zugeordnet werden können. Vor diesem Hintergrund kann nach Ansicht des Senats nicht von einer ortsüblichen Bebauungstiefe von 40 m in der Stadt Grimmen ausgegangen werden.

40

2. Die Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung in § 5 Abs. 3 Buchst. d) Beitragssatzung hat die Unwirksamkeit der gesamten angegriffenen Beitragssatzung zur Folge. Die Ungültigkeit eines Teils einer kommunalen Satzungsbestimmung führt nur dann nicht zu ihrer Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Teile auch ohne den ungültigen Teil sinnvoll bleiben (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers) (BVerwG, Urt. v. 27.01.1978 – VII C 44.76 –, DVBl. 1978, 536, 537). Vorliegend sind beide Voraussetzungen nicht gegeben.

41

Zwar muss eine Tiefenbegrenzungsregelung in einer Beitragssatzung nicht notwendig vorhanden sein. Es ist jedoch nicht mit Sicherheit anzunehmen, dass der Antragsgegner im Falle des Wissens um die Unwirksamkeit der gewählten Tiefenbegrenzungsregelung die Satzung trotz des kleinen Einzugsbereiches ohne eine solche erlassen hätte. Nach den vorliegenden Unterlagen aus der Verbandsversammlung wollte diese eine Tiefenbegrenzungsregelung – wohl zur Vermeidung von der ansonsten erforderlichen einzelfallbezogenen Abgrenzung von Innenbereichs- und Außenbereichsflächen – in der Satzung vorsehen.

42

Eine isolierte Nichtigkeit der Regelung des § 5 Abs. 3 Buchst. d) Beitragssatzung scheidet auch deshalb aus, weil dem Beitragsmaßstab dann eine Regelung über die anrechenbare Grundstücksfläche von Grundstücken im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich fehlen würde. Da im Geltungsbereich der Beitragssatzung 84 Grundstücke dieser Art existieren, wäre die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V unabdingbare Bestimmung des Beitragsmaßstabes wegen des im Anschlussbeitragsrecht geltenden Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 30.06.2004 – 4 K 34/02 –, juris Rn. 91) zu beanstanden.

43

3. Unabhängig von der bereits festgestellten Unwirksamkeit der Beitragsatzung hat der Senat Bedenken an der hinreichenden Bestimmtheit der Definition der öffentlichen Einrichtung der zentralen Niederschlagswasserbeseitigung. Insoweit wird auf die Gründe der Entscheidung des Senats zur Schmutzwasserbeitragssatzung in dem Verfahren 1 K 8/13 Bezug genommen. Die dort maßgeblichen Bestimmungen der Satzung über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentlichen Abwasseranlagen – Abwasserbeseitigungssatzung – des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Grimmen (ZWAG) vom 6. Februar 2003 i.d.F. der 3. Änderungssatzung vom 30. Juni 2010 gelten auch für die zentrale Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung. Auch bei dieser ist der Grundstücksanschluss nach der Regelung des § 2 Abs. 4 Satz 2 Abwasserbeseitigungssatzung nicht Bestandteil der öffentlichen Einrichtung, wobei § 3 Abs. 3 Nr. 4 Abwasserbeseitigungseinrichtung den Grundstücksanschluss definiert. Dies steht im Widerspruch zu § 14 Abs. 2 Satz 2 Abwasserbeseitigungssatzung.

44

4. Die Übrigen Einwendungen der Antragstellerin greifen nicht durch. Soweit diese bereits Gegenstand des Verfahrens (Az. 1 K 8/13) gegen die Wirksamkeit der Schmutzwasserbeitragssatzung für die Einrichtung A waren, wird auf die Gründe dieser Entscheidung Bezug genommen. Ergänzend wird darauf verwiesen, dass die Antragstellerin zwar zu Recht angeführt hat, dass nach § 2 Abs. 4 der Abwasserbeseitigungssatzung die „anteiligen Mischwasserkanäle“ Bestandteil der zentralen öffentlichen Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung seien, nach der Regelung in § 2 Abs. 2 Beitragssatzung jedoch nicht. Dieser Widerspruch wirkt sich bei der Anwendung der Normen allerdings nicht aus, da es nach den unwidersprochenen Angaben des Antragsgegners im Verbandsgebiet keine Mischwasserkanäle mehr gibt.

45

Auch die Maßstabsregelung des § 5 Abs. 3 Beitragssatzung ist im Hinblick auf die Veranlagung von Grundstücken, die teilweise im Bebauungsplan liegen und in den unbeplanten Innenbereich bzw. in den Außenbereich übergehen, mangels Anwendungsfälle nicht unvollständig bzw. vorteilswidrig. Nach den Angaben des Antragsgegners gibt es im Gebiet der Stadt Grimmen keinen Bebauungsplan mit Grundstücken, die nur zum Teil in diesem liegen.

46

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Grundlage des Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 23. Dezember 2009 wird für unwirksam erklärt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem eingeschossigen Wohnhaus bebauten Grundstücks A-Straße in A-Stadt (Gemarkung A-Stadt, Flur 1, Flurstück 48) mit einer Größe von 11.000 qm. Er ist für sein im Bereich des beklagten Verbandes liegendes Grundstück bisher nicht zu Anschlussbeiträgen herangezogen worden.

2

Die Verbandsversammlung des Antragsgegners beschloss am 4. Dezember 2006 die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz (TBS). Die Satzung wurde am 14. Dezember 2006 von der Verbandsvorsteherin ausgefertigt und am 6. Januar 2007 öffentlich bekanntgemacht. Am 5. November 2007 beschloss die Verbandsversammlung die Erste Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz. Diese Satzung wurde am 15. November 2007 ausgefertigt. Sie ändert die in § 4 d) TBS enthaltene Regelung über die Tiefenbegrenzung von im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich liegenden Grundstücken. Der dem Satzungsbeschluss zugrundeliegenden Vorlage (Nr. 09-1/2007) beigefügt war eine fünfseitige "Dokumentation der Ermessenserwägungen bezüglich Auswahl, Ermittlung und Festsetzung einer qualifizierten Tiefenbegrenzung von 50 Metern". Mit der am 21. Dezember 2009 beschlossenen und am 23. Dezember 2009 ausgefertigten Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung wurde § 5 TBS dahingehend geändert, dass der Beitragssatz je Quadratmeter bevorteilter Grundstücksfläche nicht mehr wie zuvor 6,- Euro einschließlich Umsatzsteuer, sondern nunmehr 5,04 Euro zuzüglich gesetzlich geltender Umsatzsteuer beträgt.

3

Der Antragsteller hat am 15. Juni 2007 einen Normenkontrollantrag gegen die Schmutzwasserbeitrags- und die Trinkwasserbeitragssatzung des Antragsgegners gestellt (4 K 10/07). Mit Beschluss vom 10. Juli 2007 hat der Senat das Verfahren gegen die Trinkwasserbeitragssatzung abgetrennt und unter dem vorliegenden Aktenzeichen weitergeführt.

4

Zur Begründung trägt der Antragsteller vor:

5

Die Kalkulation des in § 5 TBS bestimmten Beitragssatzes sei zu beanstanden. Der der Beitragsbemessung zugrundeliegende Zeitraum der Globalkalkulation sei nicht mit dem Zeitraum des Trinkwasserversorgungskonzeptes identisch. In der Kalkulation fänden sich unterschiedliche Abzugsbeträge über kostenlos übernommenes Vermögen. Nicht nur 14.267.518,75 €, sondern 16.283.771,09 € hätten in Abzug gebracht werden müssen. Es sei zu bezweifeln, dass die in der Kalkulation aufgeführten übernommenen Darlehen in dem einbezogenen Umfang der jeweiligen Einrichtung zuzurechnen seien. Unterlagen hierzu seien den Beitragsunterlagen nicht zu entnehmen. Auch der Umfang der Gesamtinvestitionen von 18.081.197,- € sei nicht nachvollziehbar. Es sei unklar, inwieweit es sich um Nettobeträge handele. Der Anlagespiegel sei nicht nachvollziehbar. Es gebe begründete Anhaltspunkte dafür, dass Aufwand für Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten in die Kalkulation einbezogen worden sei. Beispielhaft werde auf die Positionen 60721950022, 6072192002 und 0560110 hingewiesen. Fraglich sei, ob der Aufwand für früher hergestellte Hausanschlüsse zu Recht in die Beitragskalkulation eingestellt worden sei. Die zur Beschlussfassung vorgelegten Kalkulationsunterlagen enthielten unterschiedliche Aussagen zum Zeitraum der Globalkalkulation. Die korrekte Berechnung der beitragsfähigen Flächen werde bestritten. Den Vertretern in der Verbandsversammlung hätten zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 4. Dezember 2006 die Kalkulationsunterlagen nicht zur Kenntnis vorgelegen. Anderes könne weder der Ladung zur Verbandsversammlung noch den weiteren Unterlagen, insbesondere nicht dem Protokoll entnommen werden. Gleiches gelte für die Beschlussfassung über den geänderten Beitragssatz in der Verbandsversammlung vom 21. Dezember 2009. Der an diesem Tage beschlossenen Änderung (§ 5 TBS) hätte aufgrund verschiedener mittlerweile eingetretener Veränderungen auf der Flächenseite eine neue bzw. überarbeitete Kalkulation, die auch eine Überprüfung der Aufwandsseite erfordert hätte, zugrundegelegt werden müssen. Verschiedene Bestimmungen der Trinkwasserbeitragssatzung seien unwirksam. Den Kreis der Beitragsschuldner erstrecke § 6 Abs. 1 TBS im Widerspruch zu § 7 KAG auf "dinglich Berechtigte". Dies führe zur Unwirksamkeit der gesamten Beitragssatzung. Nach § 2 Abs. 1 TBS unterlägen auch Außenbereichsgrundstücke, die bebaut seien und nur angeschlossen werden könnten, ohne bereits angeschlossen zu sein, der Beitragspflicht. Im Außenbereich reiche aber die Bebauung des Grundstücks allein nicht aus, um die Beitragspflicht entstehen zu lassen. Die in § 4 Abs. 2 d) TBS normierte Tiefenbegrenzung von 50 m sei methodisch fehlerhaft ermittelt worden. Die durchschnittliche Bebauungstiefe beruhe auf einer fehlerhaften arithmetischen Mittelung der tatsächlichen Bebauung. Die Tiefenbegrenzung entspreche außerdem nicht den örtlichen Gegebenheiten. § 4 Abs. 2 d) TBS leide außerdem darunter, dass danach im Falle einer Zuwegung zum Grundstück die Grundstücksfläche beginnend vom Ende der Zuwegung bis zu einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen zu messen sei und die Zuwegung somit flächenmäßig unberücksichtigt bliebe. Nach § 4 Abs. 2 b) TBS würden die Grundstücke, die im Plangebiet liegen und in den Außenbereich übergehen, gegenüber vollständig im Außenbereich liegenden Grundstücken ungerechtfertigt bessergestellt. Nach § 4 Abs. 2 g) TBS komme auf privaten Grünflächen und Parkplätzen trotz bauakzessorischer Nutzung eine Beitragserhebung nicht in Betracht. Dies sei nicht vorteilsgerecht. § 4 Abs. 5 TBS sei gleichheitswidrig, weil danach für Bauten, die vor dem 30. April 1994 errichtet worden seien, keine konkrete Regelung zur Geschosshöhe bestehe. Eine derartige Unterscheidung zwischen vor und nach dem 30. April 1994 errichteten Bauten sei nur dann zulässig, wenn Altbauten auch mit geringerer Deckenhöhe als gemäß der Vollgeschossregelung für Neubauten generell weitgehender nutzbar wären. Das sei aber nicht der Fall. Insbesondere Dachgeschosse von Neubauten mit Dachschrägen könnten baurechtlich ebenfalls zu Wohn- und gewerblichen Zwecken genutzt werden, ohne dass sie beitragsrechtlich als Vollgeschosse zu werten seien. Abweichend von anderen Beitragssatzungen enthalte § 4 Abs. 5 TBS keinerlei Einschränkungen bezüglich der Anrechenbarkeit bei Dachschrägen und einer geringeren Geschosshöhe des Obergeschosses gegenüber dem Untergeschoss, die eine Ungleichbehandlung relativieren bzw. sachlich legitimieren. Ein sachlicher Grund für diese weitgehende Regelung zum Vollgeschossmaßstab bestehe nicht.

6

Der Antragsteller beantragt,

7

die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der zweiten Änderungssatzung vom 23. Dezember 2009 für unwirksam zu erklären.

8

Der Antragsgegner beantragt,

9

den Antrag abzuweisen.

10

Er tritt den Einwänden des Antragstellers in allen Punkten entgegen. Insbesondere die in § 4 Abs. 2 d) TBS normierte Regelung über die Tiefenbegrenzung für sogenannte Übergangsgrundstücke sei nicht zu beanstanden. Die Festlegung der qualifizierten Tiefenbegrenzung von 50 Metern entspreche den tatsächlichen örtlichen Verhältnissen im Verbandsgebiet.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Der nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 13 AGGerStrG statthafte Normenkontrollantrag ist zulässig (I.) und begründet (II.).

13

I. Der Antrag ist fristgerecht nach § 47 Abs. 2 Satz 1, § 195 Abs. 7 VwGO binnen eines Jahres nach Bekanntmachung der angegriffenen Trinkwasserbeitragssatzung bei Gericht eingegangen. Die Satzung ist in ihrer ursprünglichen Fassung am 6. Januar 2007 veröffentlicht worden. Der Normenkontrollantrag wurde am 15. Juni 2007 gestellt.

14

Änderungen oder Neuregelungen der angegriffenen Rechtsvorschrift setzen die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in Lauf, wenn mit ihnen eine neue oder zusätzliche Beschwer verbunden ist. Ein erneuter Fristenlauf beginnt dann, wenn sich aus der Neuregelung eine neue belastende Wirkung ergibt, z. B. durch das Zusammenwirken mit geänderten anderen Bestimmungen (vgl. OVG Bautzen, 20.08.2008 - 5 D 24/06 -, juris). Die mit der Ersten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 15. November 2007 vorgenommene Änderung der Tiefenbegrenzungsregel nach § 4 Abs. 2 d) TBS hat im Wesentlichen der Klarstellung schon geltenden Satzungsrechts gedient, insbesondere verläuft die Tiefenbegrenzungslinie nach der neuen Regelung unverändert zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 Metern dazu verlaufenden Parallelen. Danach hat die Erste Satzungsänderung keinen neuen Fristlauf ausgelöst. Die geänderte Bestimmung ist vielmehr von dem gegen die im Januar 2007 veröffentlichte Ursprungssatzung gerichteten Normenkontrollantrag vom 15. Juni 2007 erfasst.

15

Soweit der Antrag nunmehr auch die Zweite Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 23. Dezember 2009 und damit § 5 TBS mit dem jetzt geltenden Beitragssatz in Höhe von 5,04 € erfasst, liegt hierin eine in entsprechender Anwendung von § 91 VwGO zulässige Antragsänderung, insbesondere war die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach Bekanntmachung der Satzungsänderung noch nicht abgelaufen.

16

Der Antragsteller ist schließlich als noch nicht zu Trinkwasseranschlussbeiträgen herangezogener Eigentümer eines im Verbandsgebiet liegenden Grundstückes antragsbefugt i. S. v. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Er kann geltend machen, möglicherweise durch die angefochtene Trinkwasserbeitragssatzung in seinen Rechten verletzt zu werden, indem er auf ihrer Grundlage zu Beitragszahlungen durch - bei angenommener Unwirksamkeit der Satzung - rechtswidrige Beitragsbescheide verpflichtet wird.

17

Der Senat versteht den nicht ausdrücklich beschränkten Antrag des Antragstellers, die Trinkwasserbeitragssatzung für unwirksam zu erklären, in der Weise (§ 133 BGB), dass die Ordnungswidrigkeitenbestimmung des § 11 TBS nicht angegriffen ist. Regelungen des Ordnungswidrigkeitenrechtes unterfallen nicht dem Verwaltungsrechtsweg und können daher von vornherein nicht Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle sein (OVG Greifswald, 27.07.2005 - 4 K 4/03 -, KStZ 2006, 156, 157). Durch die Erklärung der Unwirksamkeit der übrigen Satzungsbestimmungen verliert auch die Regelung über die Ordnungswidrigkeiten ihren rechtlichen Gehalt.

18

II. Der Normenkontrollantrag ist begründet. Zwar greifen die Einwendungen des Antragstellers ganz überwiegend nicht durch (nachfolgend 1.). Die angefochtene Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 23. Dezember 2009 war aber nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO insgesamt für unwirksam zu erklären, weil die Tiefenbegrenzungsregelung des § 4 Abs. 2 d) TBS gegen die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes (KAG) und den aus dem Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) folgenden Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verstößt, daher unwirksam ist und die daraus folgende Satzungslücke zur Ungültigkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung führt (nachfolgend 2.).

19

Die formelle Ordnungsgemäßheit der Trinkwasserbeitragssatzung hat der Antragsteller nicht in Zweifel gezogen. Dem Senat drängen sich entsprechende Mängel nicht auf (vgl. zum Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren OVG Greifswald, 02.06.2004 – 4 K 38/02 -, juris, Rn. 133 = DVBl. 2005, 64 [nur Leitsätze]).

20

1. Die gegen die Gültigkeit der angefochtenen Satzung erhobenen Einwände des Antragstellers treffen ganz überwiegend nicht zu. Dies gilt insbesondere für die auf die Kalkulation des Beitragssatzes zielenden Rügen (nachfolgend a. bis f.). Die gegen die Gültigkeit einzelner Satzungsbestimmungen gerichteten Angriffe führen ebenfalls überwiegend nicht zum Erfolg (g. bis l.).

21

a. Wenn der Antragsteller geltend macht, der der Beitragsbemessung zugrundeliegende Zeitraum der Globalkalkulation sei nicht mit dem Zeitraum des Trinkwasserversorgungskonzeptes des Antragsgegners identisch, ist dem nicht zu folgen. Zwar trifft es zu, dass bei einer Globalkalkulation nach § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG der notwendige Aufwand für die Herstellung der gesamten öffentlichen Einrichtung auf der Grundlage der von dem Verband gewählten Wasserversorgungskonzeption zu ermitteln ist (vgl. Birk in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2010, § 8 Rn. 678b). Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dies hier nicht geschehen ist.

22

Die Kalkulation des Anschlussbeitrages Trinkwasser nennt einen Investitionszeitraum bis zum Jahre 2020 ("geplante Investitionen von 2006 bis 2020: 18.081.197,- €"). Das Trinkwasserversorgungskonzept des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt-Lübz ("Investitionen Rohrnetz [2006 bis 2020]") sieht Investitionen bis zum Jahr 2018 vor. Für die Jahre 2019 und 2020 ist für Investitionen jeweils der Betrag von 0,- € prognostiziert. Ein Widerspruch zwischen Kalkulation und Trinkwasserversorgungskonzept ist danach nicht zu erkennen. Der Antragsgegner hat zu diesem Einwand des Antragstellers ausgeführt, bei der Überarbeitung des Trinkwasserversorgungskonzeptes im Jahre 2006 habe sich bei der Spezifikation der einzelnen notwendigen Maßnahmen ergeben, dass bei günstigem zeitlichen Verlauf der Investitionen von einer Fertigstellung der Einrichtung bereits im Jahr 2018 auszugehen sei. Da zeitliche Verschiebungen nicht auszuschließen seien, sei auf eine Änderung des Zeitraumes für die Gültigkeit des Trinkwasserversorgungskonzeptes verzichtet worden. Die Kalkulation habe daher den nach dem Trinkwasserversorgungskonzept maßgeblichen Investitionszeitraum zutreffend berücksichtigt.

23

b. Auch der Einwand des Antragstellers führt nicht weiter, in der Kalkulation fänden sich unterschiedliche Abzugsbeträge über (von der Westmecklenburger Wasser GmbH) bei Errichtung des Verbandes kostenlos übernommenes Vermögen. Die Folge sei, dass möglicherweise nicht nur 14.267.518,75 €, sondern 16.283.771,09 € hätten in Abzug gebracht werden müssen. Es trifft zu, dass es nach der Auffassung des Senates dann, wenn eine Altanlage kostenlos übernommen wird, rechtlich nicht zulässig ist, für diese Altanlage einen Wert in die Kalkulation einzustellen. Denn bei dem Wert der Altanlage handelt es sich dann nicht um Kosten, die dem Zweckverband für die Herstellung der Anlage tatsächlich entstanden sind. Anderes gilt, wenn dabei Schulden übernommen werden. Diese können als eigener Aufwand in die Kalkulation eingestellt werden (vgl. OVG Greifswald, 15.11.2000 - 4 K 8/99 -, KStZ 2001, 174, 177). Wenn der Antragsgegner danach aus dem Wert des Anlagevermögens für den Bereich Trinkwasser das kostenlos von "WMW" übernommene Vermögen abzuziehen hatte, so ist das offenbar auch im gebotenen Umfang geschehen. Der Senat hat nach der im gerichtlichen Verfahren abgegebenen plausiblen Erläuterung des Antragsgegners zu dem tatsächlichen Hintergrund des auf Blatt 172 der Verwaltungsvorgänge dargestellten Wertes von 16.283.771,09 € jedenfalls keinen Anlass, an der Richtigkeit des in der Kalkulation abgesetzten Betrages von 14.267.518,75 € zu zweifeln. Nach den Ausführungen des Antragsgegners hat der Verband die Summe der kostenlos übernommenen Anlagegüter aus einer Addition der in den Abschreibungsbuchunterlagen enthaltenen Angaben gewonnen und so einen Wert von vor 1993 angeschafften Gütern von 14.267.518,75 € ermittelt. Diesen Wert hat er anhand einer Obergrenze einer Plausibilitätsüberprüfung unterzogen, indem er ihn einem in der Bilanz zum 31.12.1993 ausgewiesenen übertragenen Gesamtvermögen von 16.283.771,09 € gegenübergestellt hat. Anhand dieser Gegenüberstellung konnte er kontrollieren, ob der Gesamtwert aus den Einzelwerten der Anlagegüter nicht etwa oberhalb des übertragenen Gesamtvermögens lag. Das Gesamtvermögen soll nach der Stellungnahme des Antragsgegners zum einen nicht beitragsfähige Positionen enthalten und zum anderen auch Anlagegüter, die nicht Bestandteil der öffentlichen Einrichtung geworden seien. So erkläre sich die Differenz zwischen den beiden Werten. Darin liegt eine nachvollziehbare Begründung für die in den Kalkulationsunterlagen enthaltenen, das übernommene Anlagevermögen betreffenden unterschiedlichen Werte, die an dieser Stelle eine weitere Sachaufklärung nicht erfordert. Ob schließlich der Antragsgegner den Wert von 14.267.518,75 € korrekt ermittelt hat, hatte der Senat mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht weiter zu prüfen.

24

c. Der Einwand des Antragstellers, es sei zu bezweifeln, dass die in der Kalkulation aufgeführten übernommenen Darlehen ("Darlehen Investitionen KfW" in Höhe von 588.088,43 €) in dem einbezogenen Umfang der jeweiligen Wasserversorgungseinrichtung zuzurechnen seien, trifft nicht zu. Der Antragsgegner hat im gerichtlichen Verfahren Kopien der Beschlüsse seiner Verbandsversammlung vorgelegt, die die Übertragung von vier "KfW-Krediten" für der Wasserversorgung dienende Bauvorhaben in Goldberg und B-Stadt von der Westmecklenburger Wasser GmbH E-Stadt auf den Antragsgegner belegen. Die Summe der dort aufgeführten und in Anspruch genommenen bzw. abgerufenen Kreditbeträge ergibt den in der Kalkulation ausgewiesenen Betrag.

25

d. Der Antragsgegner hat auf den Einwand des Antragstellers, er habe in den beitragsfähigen Aufwand auch Aufwendungen für Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten eingestellt, ausgeführt, solche Aufwendungen würden nicht aktiviert, sondern in die laufenden Kosten gebucht und über Gebühren finanziert. Weiteren Anlass zur Prüfung sieht der Senat danach an dieser Stelle ebenfalls nicht. Zu den von Antragstellerseite angesprochenen drei verschiedenen im Anlagespiegel enthaltenen Positionen hat der Antragsgegner erläutert, bei der Position 60721950022 ("Auswechslung Knotenpunkte") handele es sich um die planmäßige Umsetzung des im Trinkwasserversorgungskonzept bezüglich einer veralteten Altanlage vorgesehenen Standards und nicht um Instandhaltungs- oder Reparaturarbeiten. Gleiches gelte für eine unter der Position "05in60110" verzeichnete Baumaßnahme aus dem Jahr 2005 am Reinwasserbehälter im Wasserwerk Herzberg. Hier sei eine als Provisorium anzusehende veraltete Steuerungstechnik in einer seinerzeit kostenlos übernommenen Altanlage durch neue Steuerungstechnik ersetzt worden. Der im Anlagespiegel an der zugehörigen Stelle verwendete Begriff der Sanierung sei insoweit nicht zutreffend. Es handele sich nicht um eine Sanierung neu errichteter Anlagenteile, sondern um die erstmalige Verwirklichung des im Trinkwasserkonzept vorgesehenen Standards. Die Position 6072192002 sei schließlich in den Herstellungsaufwand nicht eingerechnet worden, weil sie zu dem vom Verband kostenlos übernommenen Vermögen gehöre. Danach war auch zu diesen Punkten keine vertiefte Überprüfung angezeigt.

26

Entgegen den Ausführungen des Antragstellers ergibt sich außerdem der Umfang der Gesamtinvestitionen aus dem Trinkwasserkonzept. Hier wird - entgegen dessen Auffassung - auch hinreichend deutlich, dass es sich um Nettoinvestitionen handeln soll.

27

e. Der Antragsteller rügt, den Vertretern der Verbandsversammlung hätten zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vom 21. Dezember 2009 über die Änderung des Beitragssatzes in § 5 TBS (Zweite Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung) die Kalkulationsunterlagen nicht zur Kenntnis vorgelegen. Gleiches gelte für die Beschlussfassung vom 4. Dezember 2006. Anderes könne weder der Ladung zur Verbandsversammlung noch den weiteren Unterlagen, insbesondere nicht dem Protokoll der Verbandsversammlung entnommen werden. Diese Rüge ist unzutreffend.

28

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates (vgl. dazu die zahlreichen Nachweise bei Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG, Stand: Juni 2010, § 2 Anm. 8.3.1.2) muss der Verbandsversammlung - neben der Beschlussvorlage über die Satzung - eine (Global-) Kalkulation bei der Beschlussfassung über die Abgabensatzung vorliegen. Wird dem Rechtssetzungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Abgabensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet oder ist die unterbreitete Abgabenkalkulation in einem für die Abgabensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Ungültigkeit des Abgabensatzes zur Folge, weil das Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Festsetzung der Abgabensätze eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei hat ausüben können.

29

Es unterliegt aus Sicht des Senates keinen Zweifeln, dass der Verbandsversammlung in ihrer Sitzung vom 4. Dezember 2006 ebenso wie in der Sitzung vom 21. Dezember 2009 die Kalkulationsunterlagen mit der Möglichkeit zur Kenntnisnahme vorgelegen haben. Das folgt für die Sitzung vom 4. Dezember 2006 aus der wohl nach späterem Abhören des Tonbandmitschnittes am 19. März 2008 gefertigten Ergänzung zum Protokoll der Verbandsversammlung Nr. 02/2006, wonach im Anschluss an den Tagesordnungspunkt 5 die Verbandsvorsteherin explizit darauf hingewiesen habe, dass zur Beratung alle Kalkulationsunterlagen zur Einsichtnahme vorlagen. Diese in der mündlichen Verhandlung im Original vorgelegte Protokollergänzung ist als öffentliche Urkunde nach §§ 98 VwGO, 418 ZPO anzusehen, die den vollen Beweis der darin (aufgrund eigener Wahrnehmung, § 418 Abs. 3 ZPO) bezeugten Tatsache begründet, mithin dass der Hinweis durch die Verbandsvorsteherin auf die ausliegenden Kalkulationsunterlagen ergangen ist (vgl. dazu MüKo ZPO, § 418, Rn. 4; Rudisile in: Schoch, VwGO § 98, Rn. 206;). Die Voraussetzungen des § 418 ZPO liegen vor. Die Verbandsversammlung (§§ 155, 156 KV) ist eine öffentliche Behörde i.S.d. Definition der öffentlichen Urkunde nach § 415 Abs. 1 ZPO. Als solche Behörden werden nicht nur Verwaltungsbehörden angesehen, sondern die in den allgemeinen Organismus der Behörden eingefügte Organe der Staatsgewalt, die dazu berufen sind, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder der von ihm geförderten Zwecke tätig zu sein, gleichviel ob das Organ unmittelbar vom Staate oder einer dem Staate untergeordneten Körperschaft zunächst für deren eigene Zwecke bestellt ist (BGH, 16.10.1963 - IV ZB 171/63 -, BGHZ 40, 225, 228; vgl. OVG Magdeburg, 10.12.1998 - C 2 S 477/96 -, juris: Protokoll über die Sitzung des Gemeinderats ist öffentliche Urkunde, die nach § 418 ZPO den vollen Beweis begründet). Die von Antragstellerseite geäußerte Einschätzung, es sei ungewöhnlich, dass die Protokollergänzung so spät gekommen sei, ist danach unbeachtlich.

30

Damit erweist sich die Rüge fehlender Kalkulationsunterlagen allein als offenbar ungeprüfte und unzutreffende Vermutung. Gleiches gilt für den inhaltlich gleichlautenden, die Sitzung vom 21. Dezember 2009 betreffenden Einwand. Hier ist schon der Sitzungsniederschrift (Verbandsversammlung 03/2009) selbst zu entnehmen, dass die Kalkulationsunterlagen zur Einsichtnahme im Präsidium ausgelegen haben. Im Übrigen besteht kein einziger Anhaltspunkt, dass ein Verbandsvertreter Bedarf an einer Einsichtnahme in die Unterlagen geäußert hätte und diese nicht möglich gewesen wäre.

31

f. Wenn weiter eingewandt wird, die dem Beschluss der Verbandsversammlung über die Änderung des Beitragssatzes vom 21. Dezember 2009 zugrundeliegende Kalkulation habe der Antragsgegner nicht ohne Prüfung der Aktualität von Aufwands- und Flächenseite verwenden dürfen, insbesondere seien seit dem Jahre 2006 im Verbandsgebiet verschiedene Flächennutzungs- und Bebauungspläne sowie Abrundungssatzungen in Kraft getreten, so führt auch das nicht zum Erfolg. Der Erlass oder die Änderung solcher Pläne und Satzungen sind mit Blick auf die zahlreichen Gemeinden des gesamten Verbandsgebietes ein permanent stattfindender Vorgang der bauplanungsrechtlichen Fortentwicklung, der zu einer Vergrößerung ebenso wie zu einer Verkleinerung der beitragsrelevanten Gesamtfläche führen kann. Damit zusammenhängende Ungenauigkeiten der Flächenberechnung müssen bei einer gesetzlich zulässigen (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG) Globalkalkulation ebenso wie andere mit einer mehrere Jahre in die Zukunft reichenden Investitionsprognose verbundene Schätzungen in Kauf genommen werden. Anderenfalls müsste eine Kalkulation bei jeder Änderung der bauplanungsrechtlichen Gegebenheiten in einem Teil des Verbandsgebietes überarbeitet werden, um auch minimale Veränderungen der Aufwandsverteilung zu berücksichtigen. Dies ist aber angesichts der ohnehin nur scheinbar vorhandenen Präzision der Kalkulation (Aussprung, a.a.O., § 9, Anm. 3.4) nicht zu fordern. Vielmehr wird - ohne dass sich der Senat an dieser Stelle mangels Entscheidungserheblichkeit abschließend äußern muss - angesichts der Regelung in § 6 Abs. 2 d) KAG eine Beitragskalkulation grundsätzlich für den Zeitraum von fünf Jahren als hinreichend aktuell angesehen (Aussprung, a.a.O., § 9 Anm. 3.4; vgl. dazu auch OVG M-V, 15.11.2000, a.a.O., 177).

32

Damit reicht allein der Hinweis des Antragstellers auf eine Veränderung bzw. den Erlass von Bebauungsplänen und Abrundungssatzungen nicht aus, um die Aktualität der Globalkalkulation des Antragsgegners in Zweifel zu ziehen. Anhaltspunkte dafür, dass dies ausnahmsweise anders gesehen werden müsste, etwa weil besonders intensive Flächenänderungen betroffen wären, die erhebliche Auswirkungen auf die Kalkulation hätten, fehlen im Vortrag des Antragstellers. Solche drängen sich bei der aus dem August 2006 stammenden Flächenkalkulation für den im Dezember 2009 getroffenen Beschluss über den Beitragssatz auch nicht auf.

33

g. § 2 TBS ist nicht im Hinblick auf eine etwaige Beitragspflicht noch nicht angeschlossener bebauter Außenbereichsgrundstücke zu beanstanden. Die Vorschrift lautet:

34

(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, die an die öffentliche Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung angeschlossen werden können und

35

(a) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden können, oder

36

(b) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinden zur Bebauung oder gewerblichen Nutzung anstehen, oder

37

(c) wenn sie bebaut sind.

38

(2) Wird ein Grundstück an die Trinkwasserversorgung tatsächlich angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vorliegen.

(3).....................

39

§ 2 Abs. 1 c) TBS ist nicht so zu verstehen, dass bebaute Außenbereichsgrundstücke, die an die Einrichtung nur angeschlossen werden können, ohne schon angeschlossen zu sein, bereits der Beitragspflicht unterliegen sollen und dass die Bestimmung damit gegen das Vorteilsprinzip nach § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG verstieße. Mangels Baulandqualität solcher Grundstücke führt bei ihnen allein die Anschlussmöglichkeit noch nicht zu einer gesicherten Vorteilslage (vgl. Klausing in: Driehaus, Stand: März 2010, § 8, Rn. 1032). Entgegen der Auffassung des Antragstellers zwingt der Wortlaut des § 2 Abs. 1 TBS nicht zu einer solchen Deutung der Norm, denn er ist nicht in diesem Sinne eindeutig und lässt Raum für eine Lesart, die zu einer Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht führt.

40

Sollten schon nichtangeschlossene und nur anschließbare bebaute Außenbereichsgrundstücke der Beitragspflicht unterstellt werden, so müsste die Bestimmung folgendermaßen gelesen werden: "Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, die ....angeschlossen werden können und wenn sie bebaut sind". Der Satz müsste dann aber richtigerweise lauten: "...angeschlossen werden können und bebaut sind". Wegen dieser grammatikalischen Ungenauigkeit lässt sich § 2 Abs. 1 TBS auch so verstehen, dass sich die Formulierung unter Buchstabe c) ("wenn sie bebaut sind") allein auf die unter den Buchstaben a) und b) geregelten Fälle festgesetzter oder nach der Verkehrsauffassung bestehender, aber noch nicht verwirklichter Bebaubarkeit bezieht (beplanter bzw. Innenbereich) und sie um die Fälle schon realisierter Bebauung solcher Grundstücke ergänzt. Der von dem Antragsteller angesprochene Fall des angeschlossenen und bebauten Außenbereichsgrundstückes unterfiele dann allein § 2 Abs. 2 TBS. Dass dieses nach dem Wortlaut mögliche Verständnis der Norm vorzugswürdig gegenüber einer Interpretation ist, die zur Unwirksamkeit der gesamten Satzung führt, versteht sich von selbst. Darüber hinaus fügt sich allein die so verstandene Bestimmung auch in das weitere Satzungsgefüge ein. Dies wäre nicht der Fall, wenn man § 2 Abs. 1 c) TBS entnehmen wollte, dass bereits bebaute und nur über eine Anschlussmöglichkeit verfügende Außenbereichsgrundstücke der Beitragspflicht unterfallen sollen. Für solche Grundstücke fehlte es dann nämlich an einem Beitragsmaßstab mit der Folge, dass sie zwar der Beitragspflicht unterstellt würden, letztendlich jedoch überhaupt nicht veranlagt werden könnten. Nach § 4 Abs. 1 TBS ("Beitragsmaßstab") wird der Anschlussbeitrag für die bevorteilte Grundstücksfläche unter Berücksichtigung der Art und des Maßes der Bebaubarkeit des Grundstückes berechnet. Ist eine Grundstücksfläche nicht bevorteilt, wird danach dafür auch kein Beitrag berechnet. Das trifft aber auf mit noch nicht angeschlossenen Baulichkeiten bebaute Außenbereichsgrundstücke mangels gesicherter Vorteilslage zu. Damit übereinstimmend regelt § 4 Abs. 2 i) TBS, dass bei bebauten Grundstücken im Außenbereich der mit 0,2 vervielfachte Teil der Grundfläche der an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Baulichkeiten als Grundstücksfläche gilt. Ohne bereits angeschlossene Baulichkeiten errechnet sich danach keine unter Geltung des Grundstücksflächenmaßstabes für die Beitragserhebung erforderliche Grundstücksfläche.

41

h. Der Antragsteller meint, § 4 Abs. 2 b) TBS ordne für Grundstücke, die im Bereich eines Bebauungsplanes liegen und über die Grenzen des Bebauungsplanes hinausreichen, für den Außenbereichsteil die Geltung der Grundstücksfläche im Umfang der Grundfläche der Baulichkeit an. § 4 Abs. 2 i) TBS bestimme hingegen für ganz im Außenbereich liegende bebaute Grundstücke die durch die GRZ 0,2 geteilte Grundfläche als beitragspflichtige Fläche. Hierin sei eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zu erkennen. Das trifft nicht zu.

42

§ 4 Abs. 2 b) TBS enthält entgegen der von dem Antragsteller vertretenen Auffassung keine Regelung für Grundstücke, die teils im Gebiet eines Bebauungsplanes und teils im Außenbereich liegen. Die Bestimmung setzt nämlich voraus, dass die Fläche außerhalb des Plangebietes baulich oder gewerblich genutzt werden kann. Die Möglichkeit einer baulichen Nutzung besteht jedoch für Außenbereichsflächen grundsätzlich nicht. Der Außenbereich ist nach § 35 Abs. 2 BauGB grundsätzlich unbebaubar (Battis/Krautzberger/Löhr, 11. Aufl., Vorb §§ 29-38, Rn. 5). Befindet sich ein Gebäude auf einer Außenbereichsfläche, so mag dieses Bestandsschutz genießen und als solches genutzt werden können. Damit ist jedoch nicht zugleich die Außenbereichsfläche selbst baulich nutzbar. Würde das Gebäude zerstört, dürfte es im Grundsatz wegen seiner Lage im Außenbereich nicht wieder aufgebaut werden (vgl. BVerwG, 20.09.1974 - IV C 70.72 -, DÖV 1975, 104, 105).

43

Damit ist § 4 Abs. 2 i) TBS alleinige Norm zur Berechnung der Grundstücksfläche bei bebauten und angeschlossenen Grundstücken im Außenbereich. Der von Antragstellerseite gerügte Konflikt mit § 4 Abs. 2 b) TBS besteht nicht.

44

Die von Antragstellerseite monierte Ungleichbehandlung führte aber auch nur dann zum Fehlen einer erforderlichen Maßstabsregelung, also einer Satzungslücke und somit zur Nichtigkeit der Satzung, wenn es im Verbandsbereich überhaupt vom Bebauungsplanbereich in den Außenbereich übergehende Grundstücke gäbe. Nur dann könnte sich eine nichtige Maßstabsregelung vor dem Hintergrund des im Recht der leitungsgebundenen Einrichtung geltenden Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit als rechtlich problematisch darstellen und ggf. zur Nichtigkeit der Satzung insgesamt führen (vgl. OVG Greifswald, 30.06.2004 - 4 K 34/02 -, juris, NordÖR 2004, 417[nur Leitsätze]). Der Antragsgegner hat jedoch unwidersprochen vorgetragen, es gebe in seinem Verbandsgebiet keine Veranlagungsfälle, bei denen einzelne Buchgrundstücke über die Bebauungsplangrenze hinausreichten, direkt in den Außenbereich übergingen und trotz vorhandener Baulichkeiten nicht dem unbeplanten Innenbereich zuzurechnen wären.

45

i. Die § 4 Abs. 2 d) Satz 2 TBS betreffende Rüge des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Der Antragsteller meint, dass danach bei von der Tiefenbegrenzungsregelung betroffenen sogenannten "Pfeifenstielgrundstücken" die Zuwegung zum Grundstück bei der Berechnung des Beitrages außer Betracht bleibe, was mit dem Gleichheitssatz unvereinbar sei. Wegeflächen auf Grundstücken müssten bei der Kalkulation in vollem Umfang berücksichtigt werden.

46

Die Vorschrift lautet:

47

"Als Grundstücksfläche gilt:

d) bei Grundstücken, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Dieser Abstand wird bei Grundstücken, die mit der Straße nur durch eine Zuwegung verbunden sind, vom Ende der Zuwegung an gemessen."

48

Die Bedenken des Antragstellers sind bei richtigem Verständnis der Bestimmung unbegründet. Im Falle einer Grundstückszuwegung wird nicht der straßenseitige Anfang der zu berechnenden Fläche von der Straße weg bis zum Ende der Zuwegung und Anfang der eigentlichen Grundstücksfläche verlegt mit der Folge, dass die Fläche der Zuwegung nicht mitzählte, sondern nur der Verlauf der Tiefenlinie, indem insoweit der Abstand von 50 Metern erst ab dem Ende der Zuwegung gemessen wird. Maßgeblich ist grundsätzlich die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Bei "Pfeifenstiel-" bzw. "Zuwegungsgrundstücken" wird nur der Verlauf dieser Parallele verschoben, indem der 50 Meter betragende Abstand (zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der Parallelen) erst von dem Ende der Zuwegung an gemessen wird. Die der Straße zugewandte Grundstücksseite wird nicht verschoben. Daher fällt die Zuwegung - anders als der Antragsteller meint - in die beitragspflichtige Fläche.

49

j. Die Rüge, § 4 Abs. 2 g) TBS sei nicht vorteilsgerecht, greift nicht durch. Die Bestimmung lautet:

50

"bei Grundstücken, für die im Bebauungsplan sonstige Nutzung ohne oder mit nur untergeordneter Bebauung festgesetzt ist oder die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles (§ 34 BauGB) tatsächlich so genutzt werden (z.B. Schwimmbäder, Camping- und Sportplätze), die Grundfläche der an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Baulichkeiten geteilt durch die Grundflächenzahl (GRZ) 0,2. Die unter Berücksichtigung des Maßes der Nutzung ermittelte Fläche wird den betreffenden Gebäuden so zugeordnet, dass ihre Grenzen jeweils im gleichen Abstand von den Außenwänden der Gebäude verlaufen. ..."

51

Nach Auffassung des Antragstellers blieben danach bauakzessorisch genutzte private Grünflächen oder private Parkplätze beitragsfrei, da sich auf diesen Flächen üblicherweise keine an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Baulichkeiten befänden. Gleiches gelte, wenn in einem Bebauungsplan für Teilflächen eines Buchgrundstückes sowohl eine sonstige Nutzung ohne Bebauung als auch eine andere Teilfläche "Bebauung" geplant sei. Bei konsequenter Anwendung der Vorschrift wäre die Folge, dass trotz der Bebaubarkeit nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes nur die Grundfläche des an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Gebäudes geteilt durch die Grundflächenzahl 0,2 als Grundstücksfläche beitragsfähig wäre. Dies sei nicht vorteilsgerecht.

52

Dem ist nicht zu folgen.

53

Im Anschlussbeitragsrecht ist im Interesse von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff auszugehen (vgl. OVG Greifswald, 10.10.2007 - 1 L 256/06 - (Volkswerft), NordÖR 2008, 40, 41; 20.11.2003 - 1 M 180/03 -, DÖV 2004, 259, 260). Unter "Grundstück" ist danach derjenige katastermäßig abgegrenzte Teil der Erdoberfläche zu verstehen, der im Grundbuch unter einer besonderen Nummer eingetragen ist. Diese vom Bundesverwaltungsgericht im Erschließungsbeitragsrecht vertretene Rechtsansicht (vgl. etwa BVerwG, 12.12.1986 - 8 C 9.86 -, NVwZ 1987, 420) gilt auch für das Recht der leitungsgebundenen Anlagen (vgl. OVG Greifswald, 10.10.2007, a.a.O.). Für die von dem Antragsteller aufgeworfene Frage der beitragsrechtlich maßgeblichen Ausnutzbarkeit des Grundstückes, insbesondere die Frage, ob das gesamte Grundstück oder nur Teile baulich nutzbar sind, muss ebenfalls grundsätzlich die (gesamte) Fläche des im Bereich eines Bebauungsplanes nach § 30 BauGB oder vollständig im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB liegenden Buchgrundstückes betrachtet werden. Eine Unterteilung des Grundstückes nach verschiedenen Nutzungsarten (Bauland, Parkplatz, Grünfläche etc.) scheidet - von Ausnahmen abgesehen - aus. Für die Frage der Baulandeigenschaft des Grundstückes ist dessen gesamte Fläche einheitlich und nicht nach Grundstücksteilen getrennt zu betrachten, obgleich so gut wie nie die gesamte Fläche der baulichen (oder sonstwie beitragsrechtlich relevanten) Nutzung zugeführt werden bzw. voll überbaut werden darf. Denn die Zulässigkeit einer Bebauung setzt zumeist die Freihaltung erheblicher Grundstücksteile voraus, für die Ausführbarkeit eines Bauvorhabens muss daher in der Regel mehr an Fläche zur Verfügung stehen, als für die bauliche Anlage als solche benötigt wird. Baulinien, Baugrenzen, Abstands- und Anbauverbotsvorschriften sind für den Umfang der zu berücksichtigenden Grundstücksfläche ebenso ohne Belang wie bauplanungsrechtliche Festsetzungen von Grundstücksteilen als private Grünfläche (BVerwG, 29.11.1994 - 8 B 171/94 -, NVwZ 1995, 1215, 1216; vgl. Klausing in: Driehaus, a.a.O., § 8, Rn. 1029). Anderes gilt nur, wenn ein Grundstücksteil einer privaten Nutzung durch den Eigentümer - wie etwa bei der Festsetzung als öffentliche Grünfläche - schlechthin entzogen ist (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17, Rn. 8).

54

Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass § 4 Abs. 2 g) TBS eine von diesen Maßstäben abweichende Regelung treffen will. Wird demnach ein im Gebiet eines qualifizierten Bebauungsplanes oder vollständig im Bereich nach § 34 BauGB liegendes baulich nutzbares Grundstück in Teilen auch "sonstig" i.S.v. § 4 Abs. 2 g) TBS genutzt, so bleibt es für die Frage der Baulandqualität bei der gesamten Grundstücksfläche. Nur wenn das Grundstück ausschließlich im in § 4 Abs. 2 g) TBS angesprochenen Sinne nutzbar ist oder im Bereich nach § 34 BauGB in dieser Weise genutzt wird, gilt der dort geregelte Maßstab für die "sonstige Nutzung". Ein Verstoß gegen das Vorteilsprinzip kann daher nicht gesehen werden.

55

k. § 4 Abs. 5 TBS ist nicht zu beanstanden. Die im Zusammenhang mit § 4 Abs. 3 und 4 TBS stehende Bestimmung lautet:

56

(Abs.3) Zur Berücksichtigung des unterschiedlichen Maßes der Nutzung wird die Fläche nach Abs. 2 mit einem Vom-Hundert-Satz für jedes Vollgeschoss wie folgt bewertet:

a) für das erste Vollgeschoss 25 %,

b) für jedes weitere Vollgeschoss 20 % der Grundstücksfläche nach Absatz 2

57

(Abs. 4) Als Zahl der Vollgeschosse gilt:

a) soweit ein B-Plan besteht, die hier festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse,

b) soweit kein B-Plan besteht oder in einem B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht bestimmt ist:

- bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse,

- bei genehmigten Vorhaben die Zahl der genehmigten Vollgeschosse,

- bei unbebauten Grundstücken die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse.

58

(Abs. 5) Als Vollgeschoss gelten alle Geschosse, die nach den Vorschriften der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern Vollgeschosse sind. Bei Gebäuden, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet wurden, müssen die Mindesthöhen gemäß der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern nicht erreicht werden.

59

Der Antragsteller hält § 4 Abs. 5 TBS für gleichheitswidrig, weil danach für Bauten, die vor dem 30. April 1994 errichtet worden seien, keine konkrete Regelung zur Geschosshöhe bestehe. Die Vorschrift sei daher unbestimmt, und es bliebe letztlich der Entscheidung des rechtsanwendenden Sachbearbeiters überlassen, wie die zahlreich vor 1994 errichteten Gebäude zu veranlagen seien. Eine derartige Unterscheidung zwischen vor und nach dem 30. April 1994 errichteten Bauten sei auch nur dann zulässig, wenn Altbauten auch mit geringerer Deckenhöhe als der Vollgeschossregelung für Neubauten generell weitgehender nutzbar wären. Das sei aber nicht der Fall. Diesen Einwänden vermag der Senat nicht zu folgen.

60

§ 4 Abs. 5 TBS ist nicht unbestimmt. Einer Norm - auch einer Bestimmung in einer kommunalen Beitragssatzung - fehlt nicht deshalb die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit oder Klarheit, weil sie der Auslegung bedarf. Der Bestimmtheitsgrundsatz verpflichtet den Normgeber, seine Vorschriften so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Anforderungen der Klarheit und Justiziabilität entsprechen. Normen müssen so formuliert sein, dass die davon Betroffenen die Rechtslage erkennen können und die Gerichte in der Lage sind, die Anwendung der betreffenden Vorschrift durch die Verwaltung zu kontrollieren. Das Gebot der Bestimmtheit darf nicht übersteigert werden, weil die Normen sonst starr und kasuistisch würden und der Vielgestaltigkeit der Sachverhalte oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden könnten. Es ist deshalb ausreichend, wenn der Norminhalt durch die anerkannten Auslegungsmethoden zweifelsfrei ermittelt werden kann. Dabei ist die Interpretation nicht durch den formalen Wortlaut der Norm begrenzt. Ausschlaggebend ist der objektive Wille des Gesetzgebers, soweit er wenigstens andeutungsweise im Gesetzestext einen Niederschlag gefunden hat (BayVerfGH, 22.06.2010 - Vf. 15-VII-09 -; juris; OVG Weimar, 18.12.2000 - 4 N 472/00 -, LKV 2001, 415ff; BVerwG, 14.12.1995 - 4 N 2/95 -, NVwZ-RR 1996, 429). Im Interesse der Normerhaltung kann eine Bestimmung nur dann für nichtig gehalten werden, wenn keine nach anerkannten Auslegungsregeln zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende, insbesondere den Gesamtzusammenhang der getroffenen Regelung mit berücksichtigende Auslegung möglich ist (BVerwG, 20.08.2003 - 6 CN 5/02 -, juris; 15.12.1993 - 6 C 20/92 -, BVerwGE 94, 352, 358).

61

Danach kann § 4 Abs. 5 TBS in einer Weise ausgelegt werden, die auch im Satzungstext hinreichend deutlich ihren Ausdruck findet. Die Vorschrift für unbestimmt zu halten oder anzunehmen, sie treffe für Bauwerke, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung errichtet worden sind, im Hinblick auf die Anforderungen an deren Geschosshöhen überhaupt keine Regelung, sodass der Rechtsanwender nicht mehr in der Lage sei zu erkennen, was der Satzungsgeber für diese Fälle bestimmt habe, geht fehl.

62

Der Sinn der Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS, wonach bei Gebäuden, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet wurden, die Mindesthöhen nach der Landesbauordnung nicht eingehalten werden müssen, ist in ausreichend deutlicher Weise der Regelungssystematik des in § 4 Abs. 3 bis 5 TBS bestimmten Vollgeschossmaßstabes zu entnehmen. Zur Ermittlung der für den Anschlussbeitrag maßgeblichen Grundstücksfläche (§ 4 Abs. 1 TBS) ist die nach § 4 Abs. 2 TBS ermittelte Fläche nach § 4 Abs. 3 TBS für das erste Vollgeschoss mit 25% und für jedes weitere Vollgeschoss mit 20% zu bewerten. Nach § 4 Abs. 4 b) TBS gilt, soweit kein Bebauungsplan besteht oder in einem solchen Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht bestimmt ist, bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse. Absatz 5 des § 4 TBS schließlich regelt, dass als Vollgeschoss alle Geschosse gelten, die nach den Vorschriften der Landesbauordnung Vollgeschosse sind. Das sind nach § 2 Abs. 6 LBauO v. 26. April 1994 (GVOBl. 1994, 518) Geschosse, die über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses oder, wenn kein darunterliegendes Geschoss vorhanden ist, zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Ähnliches gilt nach § 87 Abs. 2 LBauO v. 18. April 2006 (GVOBl. 2006, 102), wonach die Geschosse über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben müssen, was auch schon nach § 2 Abs. 4 Gesetz über die Bauordnung v. 20. Juli 1990 (Gesetzblatt Teil I 1990, 929) geltendes Recht war (vgl. zur Legaldefinition des Vollgeschosses OVG Greifswald, 11.10.2007 - 3 M 169/07 -, LKV 2008, 421).

63

Wenn der Satzungsgeber vor dem Hintergrund dieser Bestimmungen anordnet, dass für die Bewertung von Gebäuden, die vor Inkrafttreten der den Beurteilungsmaßstab für Vollgeschosse enthaltenden Rechtsvorschrift errichtet worden sind, die Anforderungen dieser Vorschrift nicht gelten sollen, so ist dem ohne Weiteres der Sinn zu entnehmen, dass für diese Gebäude - was die Mindesthöhe der Geschosse anbelangt - ein weniger strenger Begriff des Vollgeschosses gelten soll. Denn ordnete die Satzung auch für solche früher errichtete Gebäude den Vollgeschossmaßstab nach der Landesbauordnung an, so könnte der Fall eintreten, dass ein solches Gebäude allein deshalb, weil seine Geschosshöhen die an ein "Vollgeschoss" zu stellenden Voraussetzungen nicht erfüllen mussten und nicht erfüllten, obwohl es wie ein neueres Gebäude mit nach der Landesbauordnung vorgeschriebenen Geschosshöhen genutzt wird, vorteilswidrigerweise zu gering oder überhaupt nicht veranlagt wird, weil es keine Vollgeschosse i.S.d. Landesbauordnung, sondern nur niedrigere Geschosse aufwiese. Die Regelung will demnach verhindern, "Altbauten" wegen der Maßgeblichkeit der Anzahl der Vollgeschosse besser zu stellen, wenn sie die für Vollgeschosse geltenden Mindesthöhen der Landesbauordnung nicht erreichen. Da der vom Maß der Nutzung abhängige wirtschaftliche Vorteil bei Vollgeschossen einerseits und bei Geschossen unterhalb der Vollgeschossigkeit andererseits annähernd gleich ist (OVG NW, 29.08.2000 - 15 A 4178/00 -, juris, Rn. 4) verstieße das - wenn es denn solche Gebäude im Verbandsgebiet gäbe - gegen das nach § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG geltende Vorteilsprinzip, wonach die Beiträge nach Vorteilen zu bemessen sind.

64

§ 4 Abs. 5 Satz 2 TBS ist zu entnehmen, dass sich für früher errichtete Gebäude die Qualifizierung als für die Flächenberechnung (§ 4 Abs. 3 TBS) relevantes Geschoss nach den zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden Anforderungen bestimmen soll. Dies findet in dem Satzteil "..., die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet wurden,..." hinreichend Ausdruck. Eine andere sinnvolle Interpretation der Norm bietet sich nicht an. Insbesondere scheidet eine Deutung aus, die quasi am Buchstaben des § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS haftete. Bei einer solchen Interpretation müssten die Mindesthöhen der Landesbauordnung nur dann nicht eingehalten werden, wenn das Gebäude vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet worden ist. Das hieße, dass Gebäude, die unter Missachtung der seinerzeitigen rechtlichen Anforderungen errichtet worden sind, nicht unter die Freistellung von den Mindesthöhen nach der Landesbauordnung fielen mit der Folge, dass für sie der Vollgeschossbegriff der Landesbauordnung anzuwenden wäre. Dann könnten Grundstücke mit solchen "illegalen" Gebäuden mangels Erreichen der Mindestgeschosshöhe nicht in vorteilsgerechtem Maße oder sogar überhaupt nicht herangezogen werden. Dies widerspräche dem Willen des Satzungsgebers, möglichst vorteilsgerechte Ergebnisse auch bezüglich der "Altbauten" zu erzielen.

65

Die Bestimmung kann auch nicht - wie der Antragsteller unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts E-Stadt vom 22. Januar 2010 (- 8 A 1364/09 -, Urteilsabdruck, S. 6) meint - deshalb beanstandet werden, weil danach satzungsrechtliche Einschränkungen für die Anrechenbarkeit von Dachräumen mit schrägen Wänden fehlten und Altbauten deshalb ohne hinreichenden sachlichen Grund in höherem Maße als Neubauten zur Berechnung des Vorteils herangezogen würden. Diese Erwägung ist nicht zwingend. § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS befreit lediglich von der Geltung der für Vollgeschosse vorgesehenen Mindesthöhen. Das Kriterium nach den oben genannten Bestimmungen der verschiedenen Landesbauordnungen, wonach die Mindesthöhe auf zwei Dritteln der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses oder der eigenen Grundfläche des Geschosses (vgl. § 2 Abs. 6 LBauO 1994) vorliegen muss, wird von § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS nicht berührt. Somit gilt auch für Dachgeschosse älterer Gebäude, dass die seinerzeitigen Anforderungen an die Mindesthöhe von Vollgeschossen bzw. von nach der beitragsrechtlich relevanten Nutzung her nicht anders zu behandelnden "Geschossen" gleichermaßen wie für Dachgeschosse von Neubauten auf zwei Dritteln der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses vorliegen müssen. Ein Dachraum in einem unter Geltung der Deutschen Bauordnung (DBO) vom 2. Oktober 1958 errichteten Gebäude muss danach eine lichte Höhe von 2,20 m (vgl. §§ 93c, 366 Abs. 2 DBO) über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses haben, um als Vollgeschoss i.S.v. § 4 Abs. 3 bis 5 TBS zu zählen.

66

§ 4 Abs. 5 Satz 2 TBS verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Bestimmung schon vor Inkrafttreten der Landesbauordnung errichtete Gebäude von der Geltung der dort geregelten Mindesthöhen ausnimmt, obwohl auch nach dem zuvor geltenden Gesetz über die Bauordnung dieselbe Mindesthöhe einzuhalten war (so aber VG Greifswald, 28.04.2010 - 3 A 1398/07 -, Urteilsabdruck, S. 5 zu einer vergleichbaren Satzungsregelung). Wie oben ausgeführt ist nach § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS für ältere Gebäude hinsichtlich der Mindesthöhe der Räume das seinerzeitige Recht anzuwenden, sodass für unter Geltung des Gesetzes über die Bauordnung errichtete Gebäude ebenfalls die nach den späteren Fassungen der Landesbauordnung vorgesehene Mindesthöhe (2,30 m) zugrundezulegen ist. § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS bleibt insoweit ohne rechtliche Bedeutung.

67

Wenn § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS danach im Einzelfall eines älteren Gebäudes nicht einfache Fragen nach den früheren rechtlichen Anforderungen an die Errichtung baulicher Anlagen in Bezug auf die Mindesthöhe von Geschossen aufwerfen kann und sich sein Regelungsgehalt erst aufgrund einer Auslegung der Norm vollständig erschließt, so kann darunter womöglich eine reibungslose Anwendung der Bestimmung im Einzelfall leiden. Eine Unwirksamkeit der Norm und damit womöglich der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung lässt sich daraus aber nicht ableiten. Im Übrigen weist der Antragsgegner zutreffend darauf hin, dass die Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS nicht auf sämtliche vor 1994 errichtete Gebäude Anwendung findet, sondern sich ihre Geltung auf solche Gebäude beschränkt, deren Geschosse niedriger als 2,30 m sind.

68

l. § 6 Abs. 1 TBS verstößt zwar gegen § 7 Abs. 2 KAG, soweit neben dem Eigentümer des Grundstückes der zur Nutzung des Grundstückes dinglich Berechtigte als Beitragsschuldner bezeichnet wird. Dieser Fehler führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung. § 6 Abs. 1 TBS lautet:

69

"Beitragsschuldner ist, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstückes oder zur Nutzung des Grundstückes dinglich Berechtigter ist. Bei einem erbbaubelasteten Grundstück ist der Erbbauberechtigte an Stelle des Eigentümers Beitragsschuldner. Ist das Grundstück mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Art. 233 § 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch belastet, so ist der Inhaber dieses Rechtes anstelle des Pflichtigen nach Satz 1 oder Satz 2 beitragspflichtig."

70

Damit bestimmt § 6 Abs. 1 TBS auch den zur Nutzung des Grundstückes dinglich Berechtigten zum Beitragspflichtigen, obwohl nach § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG, von dem Sonderfall des Inhabers eines Gewerbebetriebes im Zusammenhang mit § 8 Abs. 7 KAG abgesehen, allein der Eigentümer des bevorteilten Grundstückes Beitragspflichtiger ist. Dieser wird nach § 7 Abs. 2 Satz 3 KAG nur im Falle eines erbbaubelasteten Grundstückes durch den Erbbauberechtigten als Beitragspflichtigen ersetzt und nach Satz 4 dieser Bestimmung im Falle der Belastung des Grundstückes mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Artikel 233 § 4 EGBGB durch den Inhaber dieses Rechts. Weitere dinglich Berechtigte scheiden nach den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes daher, anders als noch nach § 8 Abs. 10 KAG in der Fassung vom 1. Juni 1993, als Beitragspflichtige aus. § 6 Abs. 1 TBS geht unzulässigerweise darüber hinaus.

71

Dieser Fehler führt nicht zur Gesamtnichtigkeit der angegriffenen Trinkwasserbeitragssatzung. Zwar gehört die Bestimmung des Kreises der Abgabenschuldner zu dem in § 2 Abs. 1 KAG geregelten notwendigen Umfang einer Abgabensatzung. Hier ist aber § 6 Abs. 1 TBS trotz des angesprochenen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 KAG nur teilnichtig, denn die Norm bleibt auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll, insbesondere umfasst der Restbestand der Bestimmung den von § 2 Abs. 1 KAG erforderten Mindestinhalt, und es ist anzunehmen, dass der Antragsgegner § 6 Abs. 1 TBS auch ohne den nichtigen Teil (Bestimmung des dinglich Berechtigten als Beitragspflichtigen) erlassen hätte (vgl. zu diesen Voraussetzungen BVerwG, 27.01.1978 - VII C 44.76 -, DVBl. 1978, 536, 537; Sauthoff in: Driehaus, KAG, Stand: März 2010, § 8 Rn. 1714; OVG Greifswald, 29.11.2001 - 1 M 66/01 -, NordÖR 2002, 81, 82; 02.06.2004, a.a.O.). Die letztgenannte Annahme wird auch nicht dadurch widerlegt, dass der Antragsgegner die fragliche Satzungsbestimmung im Laufe des Prozesses verteidigt hat. Daraus kann nicht gefolgert werden, dass er § 6 Abs. 1 TBS mit einem dem Kommunalabgabengesetz entsprechenden Regelungsgehalt nicht erlassen hätte. Diese Annahme wäre nicht nur deshalb fernliegend, weil der Antragsgegner als Körperschaft des öffentlichen Rechts per se um den Erlass gesetzeskonformer Satzungen bemüht sein muss, sondern auch deshalb, weil es nach der in der mündlichen Verhandlung gegebenen Auskunft des Antragsgegners aus seiner Sicht im Verbandsgebiet Anwendungsfälle des "dinglich Berechtigten" neben den in § 6 Abs. 1 TBS erfassten Fallgruppen (Erbbauberechtigter, Inhaber des Rechts nach Art. 233 § 4 EGBGB) nicht geben soll. Daher ist dem Antragsgegner an dieser Stelle auch kein Regelungsbedürfnis zu unterstellen, das der Annahme widersprechen könnte, er hätte die Satzungsbestimmung auch ohne den zu beanstandenden Teil erlassen.

72

2. § 4 Abs. 2 d) TBS verstößt gegen höherrangiges Recht, soweit die hier geregelte Tiefenbegrenzungslinie bei grundsätzlich 50 m gezogen wird (a.). Dieser Verstoß führt zur Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregel und damit zur Unwirksamkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung (b.).

73

§ 4 Abs. 2 d) lautet:

74

Als Grundstücksfläche gilt:

… bei Grundstücken, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Dieser Abstand wird bei Grundstücken, die mit der Straße nur durch eine Zuwegung verbunden sind, vom Ende der Zuwegung an gemessen...

75

a. Die Bestimmung regelt eine sogenannte qualifizierte Tiefenbegrenzung, denn sie gilt ausschließlich für Grundstücke, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich liegen, nicht jedoch (auch) für vollständig im Innenbereich liegende Grundstücke (sogenannte schlichte Tiefenbegrenzung). Eine Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht nach der Rechtsprechung des Senates grundsätzlich zulässig (vgl. OVG Greifswald, 15.03.1995 - 4 K 22/94 -, KStZ 1996, 114, 118; 13.11.2001 - 4 K 16/00 -, NVwZ-RR 2002, 687ff; 02.06.2004, a.a.O.). Daran hat sich mit Einführung von § 9 Abs. 5 KAG durch die Novellierung des Kommunalabgabengesetzes im Jahre 2005 nichts geändert. Ziel der Einführung dieser Bestimmung war es nicht, ein in der Rechtsprechung allgemein anerkanntes Rechtsinstitut auf nunmehr besonders geregelte Fälle einzuschränken. Vielmehr sollte dem Satzungsgeber zusätzlich die Möglichkeit an die Hand gegeben werden, für bebaute Grundstücke im baurechtlichen Innenbereich mit einem überdurchschnittlich großen nicht bebauten Grundstücksteil aus abgabenpolitischen Gründen eine Flächenbegrenzung vorzusehen (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 4/1307, S. 49/50; dazu Aussprung, a.a.O., § 9, Anm. 10).

76

Die Tiefenbegrenzung ist eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks Bauland ist. Die damit verbundene und im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen allgemein als zulässig angesehene Pauschalierung wirkt sich in Einzelfällen mehr oder weniger zu Lasten einzelner Beitragspflichtiger aus. Eine Tiefenbegrenzung findet gerade im Anschlussbeitragsrecht ihre Rechtfertigung darin, dass im Rahmen der Beitragskalkulation die Ermittlung der Gesamtbeitragsfläche erforderlich ist, die auf metrische Festlegungen angewiesen ist. Dadurch gewinnt der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und -vereinfachung besondere Bedeutung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegender unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs angestellt werden. Die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität stehen im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG). Danach sind die Beiträge nach Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden (vgl. dazu eingehend OVG Greifswald, 10.10.2007, a.a.O.). Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem - wie in § 4 Abs. 1 TBS geregelten - kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab zu bemessen (vgl. BVerwG, 26.07.1993 - 8 B 85/93 -, juris, Rn. 3). Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist im Prinzip der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Denn läge bei exakter Betrachtung des einzelnen Grundstückes die Grenze des baurechtlichen Innenbereiches (§ 34 Abs. 1 BauGB) vor (straßenseits) der Tiefenbegrenzungslinie, so würde der Eigentümer des Grundstückes - aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität grundsätzlich zulässigerweise - höher belastet als es ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung der Fall wäre. Gleichermaßen würde derjenige Grundstückseigentümer, dessen Grundstück ohne die Vermutung der Tiefenbegrenzung erst jenseits der Tiefenlinie in den Außenbereich überginge, besser gestellt als ohne Geltung der Tiefenbegrenzungslinie.

77

Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt - wenn eine solche ermittelbar ist - die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17, Rn. 39). Der Senat hat daher in seiner bisherigen Rechtsprechung durchweg darauf abgestellt, ob sich die gewählte Tiefenlinie als ortsangemessen darstellt bzw. den örtlichen Verhältnissen entspricht (15.11.2000, - 4 K 8/99 -, a.a.O.; 13.11.2001, - 4 K 16/00 -, a.a.O.; 02.06.2004, - 4 K 38/02 -, a.a.O.; vgl. auch OVG Greifswald, 29.11.2001, - 1 M 66/01 -,a.a.O.). Dies stimmt mit den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erschließungsbeitragsrecht an die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung überein. Danach muss die gewählte Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegeln und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren (BVerwG, 01.09.2004 - 9 C 15/03 -, BVerwGE 121, 365, 369). Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu (BVerwG, 30.07.1976 - IV C 65.74 -, DÖV 1977, 247; OVG Weimar, 18.12.2000, a.a.O.; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17, Rn. 43). Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln (OVG Greifswald, 15.03.1995, a.a.O.; 15.11.2000, a.a.O.; 13.11.2001, a.a.O.; 20.11.2003, a.a.O.; 27.08.2008 - 1 L 155/06 -, n.v.). Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden (vgl. Erläuterungen zu den Gemeinsamen Satzungsmustern des Städte- und Gemeindetages M-V e.V. und des Innenministeriums M-V über Beiträge und Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung und die zentrale Niederschlagswasserbeseitigung, Anm. 10, abgedruckt bei Aussprung, a.a.O., KAG-Anhang 7.3). Das Normenkontrollgericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen (OVG Weimar, 18.12.2000, a.a.O.).

78

Hier hat der Antragsgegner die Anforderungen an eine solche sorgfältige Ermittlung der örtlichen Verhältnisse im Verbandsgebiet grundsätzlich erfüllt. Der Senat hält insbesondere die von dem Antragsgegner angestellte Ermittlung der örtlichen Verhältnisse begrenzt auf repräsentativ ausgewählten Ortslagen für zulässig. Müsste der Ortsgesetzgeber die tatsächlichen Bebauungstiefen in allen Ortslagen des Verbandsgebietes untersuchen, verlöre die Tiefenbegrenzung als Instrument zur Verwaltungsvereinfachung ihre Berechtigung, denn dann würden die Grundstücksdaten, die aufgrund der Tiefenbegrenzungsregel nicht sollen erhoben werden müssen, schon für die Bildung der Regel benötigt (vgl. Bloemenkamp in: Driehaus, KAG, Stand: März 2010, § 8, Rn. 1464). Auf welche Weise der Satzungsgeber die ortsüblichen Verhältnisse zu ermitteln hat, ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Auch dies liegt in seinem Ermessen. Dass er dabei von zutreffenden tatsächlichen Umständen wie etwa der richtigen Anzahl der von der Tiefenbegrenzung betroffenen Ortslagen auszugehen hat, bedarf keiner näheren Ausführungen.

79

Der Antragsgegner hat sodann jedoch die Tiefenbegrenzung nicht nach diesen Ermittlungen bestimmt, sondern die gewonnenen Ergebnisse mit im vorliegenden Zusammenhang rechtlich nicht zutreffenden Erfordernissen des auch im Abgabenrecht geltenden Grundsatzes der Typengerechtigkeit kombiniert. Damit hat er sich von seinen Daten über die ortsübliche Bebauungstiefe der vom Innen- in den Außenbereich übergehenden Grundstücke aufgrund eines hier nicht maßgeblichen Kriteriums entfernt und insoweit die Tiefenbegrenzungslinie nicht nach dem Maßstab von § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG, Art. 3 Abs. 1 GG rechtsfehlerfrei festgesetzt.

80

Der Grundsatz der Typengerechtigkeit dient der Erhaltung der dem Normgeber im Abgabenrecht in Bezug auf das Gleichbehandlungsgebot eingeräumten Gestaltungsfreiheit. Danach ist es ihm gestattet, bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und dabei die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dabei stellt das Auftreten solcher abweichenden Einzelfälle die Entscheidung des Normgebers nicht in Frage, solange nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fälle dem "Typ" widersprechen. Der Grundsatz der Typengerechtigkeit bewahrt damit die im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität getroffene Entscheidung des Normgebers für einen bestimmten "Regelungstypus" davor, durch das Auftreten von Einzelfällen, die der Regelung unterfallen, dem Typus aber widersprechen, in Frage gestellt zu werden (BVerwG, 30.04.2009 - 9 B 60/08 -, Buchholz 401.9, Nr. 57; 01.08.1986 - 8 C 112/84 -, NVwZ 1987, 231, 232; 19.09.1983 - 8 N 1/83 -, BVerwGE 68, 36, 41; vgl. zum Grundsatz der Typengerechtigkeit, Schoch, Der Gleichheitssatz, DVBl. 1988, 863, 879).

81

Der Antragsgegner hat nach dem Inhalt seiner der Beschlussvorlage Nr. 09-1/2007 beigefügten Dokumentation der Ermessenserwägungen zur Ermittlung der Tiefenbegrenzung und der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten, der Dokumentation seinerzeit ebenfalls beigefügten Excel-Tabelle festgestellt, dass 77% der in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke im Übergangsbereich vom Innen- in den Außenbereich kleiner oder gleich 40 Meter tief und 84% der Grundstücke kleiner oder gleich 45 Meter tief bebaut sind. Den weiteren Angaben ist zu entnehmen, dass danach nicht nur 7% aller in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke eine Bebauungstiefe von 40 bis 45 Metern aufwiesen, sondern auch nur 9 % eine Tiefe von 45 bis 50 Metern und 7% eine über 50 Meter hinausreichende Bebauungstiefe. Die Tiefenbegrenzungslinie hat er daraufhin in einem Abstand von 50 Meter gezogen, da dies – wie er meinte - nur dann willkürfrei geschehen könne, wenn die ermittelten örtlichen Verhältnisse belegten, dass die Grundstücke im unbeplanten Übergangsbereich mit Baulandqualität jenseits der Tiefenbegrenzungslinie die Ausnahme, d.h. weniger als 10% der von der Tiefenbegrenzung betroffenen Grundstücke, darstellten. Nur dann stehe die Ungleichbehandlung in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen der Typisierung. Betrage die Anzahl der übertiefen Grundstücke mehr als 10%, so lasse sich die Einführung einer Tiefenbegrenzung nicht mehr auf den Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität stützen.

82

Diese Auffassung führt zu unzutreffenden Ergebnissen. Die Anwendung der Regel auf die Festlegung der Tiefenbegrenzungslinie, wonach nicht mehr als 10% der von der Regelung betroffenen Fälle dem "Typ" widersprechen dürfen, bedingt bereits eine vorteils- und gleichheitswidrige Tiefenbegrenzungsregelung, wenn der Satzungsgeber allein die Grundstücke mit Baulandqualität jenseits der Tiefenbegrenzung im Blick hat. Eine solche Vorgehensweise übersieht, dass nicht nur die bei exakter Einzelfallbetrachtung der örtlichen Grundstücksverhältnisse jenseits der Linie noch Baulandqualität aufweisenden Grundstücke "dem Typ" widersprechen. Auf die Grundstücke, deren Baulandeigenschaft bei genauer Betrachtung schon diesseits der Linie endet, trifft dies ebenso zu. Je weiter der Ortsgesetzgeber die Tiefenlinie in Richtung des Außenbereiches verlegt, desto geringer wird zwar die Anzahl der Grundstücke mit tieferer Bebaubarkeit, umso größer aber die Anzahl derer, deren Bebaubarkeit eigentlich schon eher (diesseits der Linie) endet. Auch diese Fälle widersprechen im Sinne des Grundsatzes der Typengerechtigkeit dem generalisierend normierten Regelfall. Die Zahl der von der Regel abweichenden Fälle kann durch ein Verschieben der Linie weg von den tatsächlich ermittelten Bebauungstiefeergebnissen daher nicht verringert werden. Geschieht dies - wie im vorliegenden Fall - dennoch, so geht dies zu Lasten der Eigentümer von Grundstücken mit geringerer Bebauungstiefe. Das im Übergangsbereich gelegene Grundstück, das bei exakter Betrachtung beispielsweise nur bis zur Tiefe von 35 Metern Baulandqualität hat, würde bei einer entsprechend einer ortsüblichen Bebauungstiefe im Verbandsgebiet von (angenommen) 40 Metern verlaufenden Tiefenbegrenzung - zulässigerweise pauschalierend - so behandelt, als wenn es fünf Meter tiefer Baulandqualität hätte. Bei einem Hinausschieben der Tiefenlinie auf 50 Meter verdreifachte sich aber bereits die beitragspflichtige Fläche, die bei genauer Grundstücksbetrachtung ohne Tiefenbegrenzungsregelung für die Bemessung des Beitrages überhaupt nicht angerechnet würde. Weicht der Satzungsgeber von dem aus Verwaltungsvereinfachungsgründen zulässigen Kriterium der ortsüblichen bzw. typischen Bebauungstiefe ab und gelangt so zu einem abweichenden Verlauf der Tiefenlinie, so entfernt er sich damit ohne vertretbaren Grund von dem wegen des Vorteilsprinzips (§ 7 Abs. 1 Satz 2 KAG) und aus Gründen der Gleichbehandlung bestehenden Erfordernis einer realitätsnahen Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsflächen.

83

Die Anwendung der als Begrenzung des Grundsatzes der Typengerechtigkeit aufgestellten Quantifizierungsregel von höchstens 10% zulässiger Ausnahmefälle auf die Ermittlung der Tiefenbegrenzung erscheint aber auch grundsätzlich als unzutreffend. Die erforderliche Orientierung der Tiefenbegrenzung an der ortsüblichen baulichen Nutzung (BVerwG, 01.09.2004, a.a.O.) enthält bereits den entscheidenden Zulässigkeitsmaßstab der Pauschalierung und schließt die Anwendung der "10%-Regel" aus. Der Maßstab der ortsüblichen bzw. -angemessenen Bebauungstiefe greift weiter als das mit 90% und 10% quantifizierte Regel-Ausnahmeverhältnis. Ortsüblich ist die Bebauungstiefe, die im zu betrachtenden Gebiet üblich i.S.v. normal, geläufig, verbreitet oder in der Mehrzahl der ermittelten Fälle anzutreffen ist (vgl. Bloemenkamp, a.a.O., Rn. 1464). Dafür ist nicht erforderlich, dass sie in mindestens 90% der Fälle auftritt. Dies würde wegen der unterschiedlichen Verteilung der die einzelnen Grundstücke betreffenden Bebauungstiefen wohl auch zumeist zur Unanwendbarkeit der Tiefenbegrenzung führen. Denn schon sobald sich die Streubreite der tatsächlich anzutreffenden Bebauungstiefen ausgehend von der festgesetzten Tiefenbegrenzungslinie um mehr als 5% nach oben und unten erstreckte, wäre die Höchstgrenze von 10% überschritten. Es ist - wie zuvor ausgeführt - anerkannt, dass sich die Tiefenbegrenzung an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren muss. Die Begriffe "ortsüblich" und "orientieren" bringen mit der ihnen inbegriffenen Unschärfe zum Ausdruck, dass es nicht um die Ermittlung einer exakt zu berechnenden Größe geht, von der nur zu bestimmten Prozentanteilen abgewichen werden darf. Das Erfordernis der Üblichkeit einer Bebauungstiefe setzt vielmehr schon voraus, dass es daneben eine nicht nur geringe Anzahl von Grundstücken mit im Gebiet nicht üblichen Bebauungstiefen geben muss, die nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen muss. Aus all dem folgt, dass für die Annahme der Ortsüblichkeit ausreichend eine zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken ist, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, so dass von einer üblichen Tiefe gesprochen werden kann (vgl. dazu Bloemenkamp, a.a.O.). Der Senat hätte keine Bedenken, dies in dem vorliegenden Fall etwa für die Gruppe der bis zu 40 m tief bebauten Grundstücke anzunehmen, für die der Antragsgegner den Wert von immerhin 77% aller in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke bei einer durchschnittlichen Bebauungstiefe aller Grundstücke von 34,85 m ermittelt hat.

84

Die bisherige Rechtsprechung des mit dem Abgabenrecht befassten 1. Senates steht dazu nicht im Widerspruch. Soweit er sich bislang zu Fragen der Tiefenbegrenzung in Verbindung mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit geäußert hat (04.12.2007 - 1 M 27/07 -, n.v.), ist das allein in dem Zusammenhang geschehen, dass eine im erstinstanzlichen Verfahren von dem Verwaltungsgericht festgestellte Kollision der festgesetzten Tiefenbegrenzung mit der "10%-Regel" nach Überarbeitung der Kalkulation durch den Zweckverband im Beschwerdeverfahren nicht mehr festgestellt werden konnte. Eine Aussage über die Anwendbarkeit dieser Quantifizierung im Zusammenhang mit der Tiefenbegrenzung ist damit entgegen anderslautender Einschätzung in der Kommentarliteratur (vgl. Aussprung, a.a.O., § 9, Anm. 4.3) nicht verbunden gewesen.

85

Der Senat hat dennoch erwogen, die vorliegend festgelegte Tiefenbegrenzungslinie von 50 Metern für ermessensgerecht zu erachten, weil bei Abgrenzung des Innen- vom Außenbereich zu berücksichtigen sein mag, dass der Bebauungszusammenhang nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht unbedingt mit der Außenwand der letzten Baulichkeit enden muss, sondern je nach den örtlichen Gegebenheiten etwa noch einen Hausgarten einschließen kann (bauakzessorische Nutzung) und auch topographische Verhältnisse dabei eine prägende Rolle spielen können (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 34, Rn. 25f; Rieger in: Schrödter, Baugesetzbuch, Kommentar, 7. Aufl., § 34, Rn. 14). Der Senat sieht sich jedoch gehindert, die hier getroffene Entscheidung über die Tiefenbegrenzung von 50 Metern aufgrund dieser Überlegungen für fehlerfrei zu halten. Der Antragsgegner hat ausweislich seiner Dokumentation der Ermessenserwägungen diesen Gesichtspunkt bei der Festlegung der Tiefengrenze selbst nicht mit einbezogen, sondern allein die hintere Begrenzung des letzten nach seiner Einschätzung für einen Bebauungszusammenhang nach § 34 Abs. 1 BauGB relevanten Gebäudes ausschlaggebend sein lassen. Allein danach und nach der Eingruppierung in derart definierte Tiefengruppen („Grenzwerte“ von 40,45 und 50 Metern) hat er die ortsübliche Bebauungstiefe ermittelt. Der Senat müsste damit an die Stelle der ortsgesetzgeberischen Ermessensentscheidung des Antragsgegners eine eigene Entscheidung über die Tiefenbegrenzung setzen; dies ist ihm jedoch verwehrt. Außerdem erforderte eine Berücksichtigung dieser Umstände womöglich eine weitere Ermittlung der örtlichen Verhältnisse, weil das Ziehen der Grenze zwischen dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil und dem Außenbereich grundsätzlich eine Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhaltes erfordert (BVerwG, 06.11.1968 – IV C 2.66 -, BVerwGE 31, 20, 21).

86

b. Der danach festzustellende Verstoß von § 4 Abs. 2 d) TBS gegen den Vorteilsgrundsatz (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG) und das Gleichbehandlungsprinzip führt zur Unwirksamkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung.

87

Die Normierung einer Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht zwar nicht vorgeschrieben. Ihre Anordnung steht vielmehr im Ermessen des Ortsgesetzgebers. Fehlt sie, sind in jedem Einzelfall die örtlichen Grundstücksverhältnisse zu betrachten und der Kalkulation des Beitragssatzes sowie der Heranziehung des einzelnen Grundstückseigentümers zugrundezulegen. Dies kann dazu führen, dass eine Kanalbaubeitragssatzung trotz festgestellter Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzung fortbesteht.

88

Hier ist eine Fortgeltung der Trinkwasserbeitragssatzung trotz Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung nach § 4 Abs. 2 d) TBS jedoch ausgeschlossen. Die Ungültigkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung schlägt nur dann nicht auf die gesamte Regelung mit der Folge der Gesamtnichtigkeit durch, wenn die Restbestimmungen auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleiben und mit Sicherheit anzunehmen ist, daß sie auch ohne diesen erlassen worden wären (BVerwG, 27.01.1978, a.a.O.). Vorliegend sind beide Voraussetzungen nicht gegeben.

89

§ 4 Abs. 2 d) TBS könnte ohne die Regelung über die Tiefenbegrenzung nicht fortbestehen, weil dann bei Grundstücken im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich als Grundstücksfläche die Gesamtfläche des Grundstücks zählen würde. Dies wäre vorteilswidrig, weil dann auch die einer Bebauung entzogene Außenbereichsfläche mitgerechnet würde. Betrachtete man deshalb die gesamte Regelung unter § 4 Abs. 2 d) TBS als nichtig, so fehlte dem Beitragsmaßstab eine Regelung über die anrechenbare Grundstücksfläche von solchen Übergangsgrundstücken. Da im Verbandsgebiet zahlreiche Grundstücke dieser Art existieren, wäre die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG unabdingbare Bestimmung des Beitragsmaßstabes wegen des im Anschlussbeitragsrecht geltenden Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit (vgl. OVG Greifswald, 30.06.2004, a.a.O., juris, Rn. 91) zu beanstanden. Darüber hinaus würde sich die Unwirksamkeit von § 4 Abs. 2 d) TBS auf den Bestand weiterer Satzungsbestimmungen auswirken [(§ 4 Abs. 2 e) und f)], die auf diese Bestimmung Bezug nehmen.

90

Eine isolierte Nichtigkeit der Tiefenbegrenzungsregelung bei Fortbestand der weiteren Satzungsbestimmungen scheidet auch deshalb aus, weil sie nicht dem Willen des Satzungsgebers entspräche. Nach seiner Dokumentation der Ermessenserwägungen waren Vorstand und Verbandsvorsteher zu dem Ergebnis gekommen, dass aus Gründen der Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität eine Vermutungsregel in Form einer Tiefenbegrenzung aufgestellt und keine konkreten Einzelabgrenzungen von Innen- und Außenbereichsflächen vorgenommen werden sollten. Denn eine ohne Tiefenbegrenzungsregel erforderliche einzelfallbezogene Abgrenzung von Innenbereichs- und Außenbereichsflächen wäre sehr zeit- und kostenaufwändig.

91

Danach würde dem Antragsgegner bei Annahme der alleinigen Nichtigkeit von § 4 Abs. 2 d) TBS eine Beitragssatzung aufgenötigt, die dieser ausdrücklich so nicht erlassen wollte. Somit musste der Senat die gesamte Trinkwasserbeitragssatzung des Antragsgegners für unwirksam erklären.

92

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

93

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin ist befugt, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Schmutzwasserbeitrags durch den Beklagten für ihr Teileigentum.

2

Die Klägerin ist zusammen mit H. mit einem Anteil von 8/1000 Wohnungs- und Teileigentümer der Wohnungseigentumsanlage „Erholungsgemeinschaft N.“. Diese Wohnungseigentumsanlage besteht aus dem Flurstück [...] der Flur 1 in der Gemarkung N., das insgesamt 64.650 m² groß ist. Das Grundstück ist mit 104 Wochenendhäusern bebaut. Am östlichen Rand befindet sich ein vom Zweckverband Wismar betriebenes Pumpspeicherwerk, dessen Aufstandsfläche einschließlich Umpflasterung 28,79 m² umfasst.

I.

3

Im Mai 1991 wurde der Zweckverband Wismar gestützt auf die DDR-Kommunalverfassung gegründet. Mit Genehmigung des Landrats des Landkreises Nordwestmecklenburg wurde im Mai 1998 eine „bestätigende Gründung“ auf der Grundlage der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der entsprechenden öffentlich-rechtlichen Gründungsverträge und aufsichtrechtlichen Genehmigungen verwiesen.

4

Die Eigentümer der „Erholungsgemeinschaft N.“ schlossen mit dem Zweckverband Wismar am 15. Juli 2004 einen notariellen Vertrag, in dem die Eintragung eines dinglichen Leitungsrechts als beschränkt persönliche Dienstbarkeit auf dem Flurstück [...] vereinbart wurde. In III. wurde dort auszugsweise bestimmt:

5

„(2) Der Berechtigte [= Zweckverband Wismar] darf in einem Grundstückstreifen von 4 m Breite einen Schmutzwassersammler einschließlich Nebenanlagen betreiben. Innerhalb des Schutzstreifens dürfen Gebäude und Anlagen nicht errichtet und sonstige Einwirkungen vorgenommen werden, die den Bestand der Leitung gefährden. Die Außengrenzen des Schutzstreifens werden dadurch bestimmt, dass man von der Leitungsachse links und rechts im Abstand von je 2 m gleichlaufende Linien zieht.

6

Der Zweckverband Wismar hat das Recht, das Grundstück […] jederzeit zu betreten. […] Im übrigen bleiben die Rechte des Grundstückseigentümers auf Benutzung unberührt.

7

[…]

8

(5) Durch die Gewährung dieses Leitungsrechts entsteht für die Wohnungseigentümer keine Pflicht zur Zahlung von Anschlusskostenbeiträgen.“

9

Die Vertreterin des Zweckverbandes Wismar handelte bei Abschluss dieses Vertrages ohne Vertretungsmacht. Soweit ersichtlich, ist der Vertrag nicht genehmigt, aber durch Eintragung des vereinbarten Leitungsrechts in das Grundbuch vollzogen worden.

II.

10

Das streitgegenständliche Flurstück [...] liegt am Westufer des N-sees im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 3 „Wochenendhaussiedlung Erholungsgemeinschaft N.“ der Gemeinde Z. vom 28. August 1997. Danach ist das gesamte Grundstück als Sondergebiet, das der Erholung dient, Wochenendhausgebiet nach § 10 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) ausgewiesen. Der mit den Wochenendhäusern bebaute Teil ist etwa 46.280 m² groß. Für die sich daran anschließende „Uferpromenade“ ist ein Gehrecht zugunsten der Allgemeinheit nach § 9 Abs. 1 Nr. 21 des Baugesetzbuches (BauGB) festgesetzt. Dieses Gehrecht ist nach Nr. 2.1 der textlichen Festlegung im Bebauungsplan für die Zeit von 8.00 bis 22.00 Uhr und für die Monate Mai bis Oktober zulässig. Nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten ist das Gehrecht bisher nicht durch eine öffentlich- oder privatrechtliche Belastung der entsprechenden Grundstücksfläche umgesetzt worden. Eine vor der „Uferpromenade“ am Ufer des Sees liegende 18.370 m² große Fläche (sog. Seewiese) wird im Bebauungsplan (nachrichtlich) als Flächen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 und Abs. 6 BauGB bezeichnet. Eine weitere Fläche an der östlichen Ecke der Bebauungsplanbegrenzung ist (nachrichtlich) als gelb gekennzeichnete Fläche für Versorgungsanlagen nach § 9 Abs. 1 Nr. 12 und 14 und Abs. 6 BauGB in einer Größe von etwa 400 m² verzeichnet. Darauf befindet sich das vom Zweckverband Wismar betriebene Pumpspeicherwerk. Am Ufer des Sees entlang ist ferner (nachrichtlich) der Uferschutzstreifen verzeichnet (vgl. § 9 Abs. 6 BauGB).

III.

11

Mit Bescheid vom 28. September 2009 setzte der Beklagte unter Hinweis auf die Gesamtschuldnerschaft mit H. auf Grundlage der Schmutzwasserbeitragssatzung des Zweckverbandes Wismar vom 7. Mai 2009 (BSSW 2009) den Beitrag für den der Klägerin zugeordneten Eigentumsanteil auf 1.603,32 € fest. Zur Begründung führte der Beklagte aus: Die anrechenbare im Bereich eines Bebauungsplanes belegende Grundstücksfläche betrage für das Teil- und Sondereigentum der Klägerin 581,85 m², so dass bei einem Nutzungsfaktor von 1 und einem Beitragssatz von 3,10 € der genannte Beitrag festzusetzen sei.

12

Dagegen erhob sowohl die Klägerin als auch Frau H. Widerspruch, zu dessen Begründung sie im Wesentlichen ausführten: Die berücksichtigungsfähige Fläche sei unzutreffend ermittelt worden, da die damals durchgeführte Vermessung fehlerhaft erfolgt sei. Die den Eigentümern zugeordnete Gartenfläche und Gemeinschaftsanteil seien unbebaut und dürften nach dem Bebauungsplan auch nicht bebaut werden. Die Gemeinschaftsfläche sei für die Öffentlichkeit zugänglich zu halten. Außerdem befinde sich auf dieser Fläche das Pumpspeicherwerk des Zweckverbandes. Durch den Anschluss an die Schmutzwasseranlage habe sich der Wert des Grundstücks in den letzten zwanzig Jahren nicht verändert, so dass den Eigentümern kein Vorteil erwachsen sei. Der Beitragsanspruch sei zudem verjährt. Der Bescheid enthalte keine Aussagen zum Beginn der Verjährungsfrist. Insbesondere handele es sich bei der ihm zugrunde liegenden Satzung nicht um die erste wirksame Satzung des Zweckverbandes Wismar. Vielmehr sei die Satzung vom 22. Dezember 1995 die erste wirksame Satzung gewesen, die auch angewandt worden sei. Zudem seien in der Beitragskalkulation unzulässigerweise ca. 20.000.000,-- € Prognosekosten für bereits zu DDR-Zeiten erstellte Abwasseranlagen enthalten.

13

U. a. im rechtskräftigen Urteil der erkennenden Kammer vom 22. Januar 2010 – 8 A 1369/09 – (juris) beanstandete die Kammer die Beitragssatzung Schmutzwasser (BSSW 2009) des Zweckverbandes. Am 3. März 2010 verabschiedete dessen Verbandsversammlung eine neue Schmutzwasserbeitragssatzung (BSSW 2010), wobei die Kalkulationsunterlagen in der Verbandsversammlung vorgelegen haben. Die Satzung wurde anschließend in der Ostsee-Zeitung (Wismarer Zeitung) veröffentlicht.

14

Der Beklagte wies die Widersprüche der Klägerin und von Frau H. mit gesonderten Widerspruchsbescheid vom 14. April 2010 – der Klägerin und Frau H. jeweils zugestellt am 26. April 2010 – zurück. Zur Begründung führte er u. a. aus: Maßgebend sei nur der vom Grundbuchamt mitgeteilte Eigentumsanteil. Aus der Tatsache, dass ein Grundstück – wie regelmäßig – nicht voll überbaut werden dürfe, folge nicht, dass nur ein Teil des Grundstücks beitragspflichtig sei. Anders wäre es nur, wenn eine Teilfläche des Grundstücks überhaupt nicht mehr nutzbar wäre. Das ist bei dem streitgegenständlichen Grundstück aber nicht der Fall. Maßgebend sei nunmehr die zwischenzeitlich verabschiedete Schmutzwasserbeitragssatzung des Zweckverbandes Wismar vom 3. März 2010. Dabei handele es sich um die erste wirksame Beitragssatzung des Zweckverbandes, da alle Vorgängersatzungen nichtig gewesen seien. Die Sanierung und Erneuerung der Schmutzwasseranlage werde seit 1997 durchgeführt und weiter fortgesetzt. Auch wenn das Grundstück bereits zu DDR-Zeiten über einen Schmutzwasseranschluss verfügt habe, seien nach der Rechtsprechung insbesondere des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern dennoch Beiträge zu erheben.

15

Frau H. hat keine Klage erhoben, so dass der an sie ergangene Beitragsbescheid bestandskräftig geworden ist.

16

Nur die Klägerin hat am 5. Mai 2010 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie ergänzend aus:

17

Das Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) und - die darauf beruhende Abgabensatzung des Zweckverbandes Wismar - seien nichtig. Das Gesetz sei unter Verstoß gegen den in Art. 253 EG-Vertrag [heute: Art. 296 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV] niedergelegten allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundsatz zustande gekommen, wonach es der Legislative obliege, dem jeweiligen Rechtsakt eine Begründung beizufügen. Daran fehle es hier; auch die Gesetzesbegründungen in den Landtagsdrucksachen genügten nicht diesen Anforderungen. In diesem Zusammenhang werde angeregt, im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage der Anwendung der genannten Rechtsgrundsätze auf nationales Recht klären zu lassen.

18

Darüber hinaus sei das Kommunalabgabengesetz 2005 unter Verstoß gegen das verfassungsrechtlichen Gewaltenteilungsprinzips zustande gekommen. Denn an der Erarbeitung des Änderungsgesetzes 2005 sei dienstrechtswidrig das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern durch den (damaligen) Richter am Oberverwaltungsgericht A.. Dieser sei über das OVG M-V eingeladen worden und habe nicht nur an einer Sitzung des Innenausschusses, sondern auch an Ausschusssitzungen des Landtages Mecklenburg-Vorpommern teilgenommen (vgl. etwa Bericht des Innenausschusses des Landtages Mecklenburg-Vorpommern, LtDrs 4/1576, S. 34, 67 ff.). Zudem sei er Autor des - auch von zwei Mitarbeitern im Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern betreuten - maßgebenden und von den Verwaltungsgerichten verwendeten Kommentars zum KAG M-V. Wegen verfassungswidrigen bzw. rechtsstaatswidrigen Zusammenwirkens der drei Gewalten liege auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK - Recht auf faires Verfahren) und Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) vor. Da in § 9 Abs. Abs. 8 KAG M-V in bestimmten Fällen Beiträge auch dann zu erheben sind, wenn ein Aufwand nicht mehr zu decken sei, liege ein Verstoß gegen das Äquivalentsprinzip und den Gleichheitssatz vor.

19

Der Zweckverband Wismar sei nicht wirksam gegründet worden, weshalb dessen Satzungen und von dessen Behörde erlassene Bescheide nichtig seien. Seine im Mai 1991 auf Grundlage des Reichszweckverbandsgesetzes vom 7. Juni 1939 erfolgte Gründung sei fehlerhaft gewesen, da das Gesetz durch die alliierten Siegermächte aufgehoben worden sei. Durch die Heilungsvorschriften der §§ 170a und 170b der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern (KV M-V) sei das dort für anwendbar erklärte Reichszweckverbandsgesetz nicht wieder in Kraft gesetzt worden. Außerdem sei die Bundesrepublik Deutschland das Deutsche Reich und die Weimarer Reichsverfassung sei weiter in Kraft. Zudem enthalte der erste Gründungsvertrag von 1991 keine Bestimmung über eine Veröffentlichungsregelung.

20

Die bestätigende Gründung des Zweckverbandes im Mai 1998 sei rechtsunwirksam, da die erforderliche rechtsaufsichtliche Genehmigung nicht auf das Jahr 1991 zurückwirken könne. Eine rückwirkende Übertragung hoheitlicher Aufgaben sehe die Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern nicht vor und sei auch sonst nicht möglich, wie Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs Sachsen-Anhalts und anderer Obergerichte zeigten. Aufgaben könnten allenfalls für die Zukunft übertragen werden.

21

Ungeregelt geblieben sei im Zusammenhang mit der Gründung zudem die Übertragung von Vermögenswerten auf den Zweckverband und die Durchführung von Investitionen für die Mitgliedsgemeinden. Ausgleichsverträge nach § 153 KV M-V, die den zivilrechtlichen Übergang von Vermögenswerten von einer Mitgliedsgemeinde auf den Zweckverband regeln, lägen nicht vor. Da nach § 7 des Gründungsvertrages nur das erforderliche Satzungs- und Gebührenrecht von den Gemeinden übergehen sollte, nicht aber die Durchführung von Investitionen, könne der Zweckverband insoweit keine Beiträge erheben. Auch im Beitrittsvertrag aus dem Jahr 2005 der Gemeinde Jesendorf sei nach dessen § 4 unklar, ob und welche Vermögenswerte auf den Zweckverband Wismar übertragen worden seien.

22

Die Veröffentlichungsbestimmung in § 22 der Verbandsatzung sei rechtsfehlerhaft, weil dort der erforderliche Hinweis auf die Veröffentlichung in derOstsee-Zeitung unter „Öffentliche Bekanntmachungen“ fehle. Zweifelhaft sei auch, ob in allen Mitgliedsgemeinden die Ostsee-Zeitung (Lokalteil Wismarer Zeitung) erhältlich sei. Der Verbandssatzung sei auch nicht zu entnehmen, wie schriftliche Einzelinformationen zugestellt werden sollten. Die nach § 15 Abs. 4 der Verbandsatzung erforderliche Zustimmung der Verbandsversammlung zu den Investitionsvorhaben sei nicht ausdrücklich erfolgt.

23

Die hier zugrunde liegende Beitragssatzung Schmutzwasser des Zweckverbandes Wismar sei nichtig: Die Anlage sei nicht hinreichend definiert, weil Niederschlagswasser nicht erfasst sei. § 3 Abs. 2 BSSW 2010 sei wegen fehlender Normenklarheit nichtig, weil weder rechtlich noch tatsächlich nachvollziehbar sei, wie diese Vorschrift sich zu den Abs. 1 und 2 in § 3 BSSW 2010 verhalte. § 6 Abs. 2 e) BSSW 2010 - und damit die Satzung insgesamt - sei wegen fehlender Normenklarheit nichtig, da es im Verbandsgebiet Fälle von Abrundungssatzungen im Sinne des § 34 Abs. 4 BauGB nicht gebe.

24

Die Globalkalkulation leide unter erheblichen Fehlern. Es sei nicht erkennbar, wie der Beklagte die Flächenermittlungen vorgenommen habe. Auch fehle es an einer stimmigen Ermittlung der Investitionsvorhaben sowohl hinsichtlich der Art und Weise als auch der einzelnen Gesamtbeträge. Die Verbandsversammlung habe daher nicht prüfen können, ob das Aufwandsüberschreitungsverbot eingehalten worden sei. Die Kalkulation sei auch mangelhaft erläutert. Es sei aus der Aufstellung Erneuerung KN vor 1979 (BA 55, Anl. 1) nicht ersichtlich, ob die vor 1979 erneuerten, zudem kostenfrei übertragenen Anlagen aus der Kalkulation herausgenommen worden seien. Sie seien weiterhin enthalten. Die Planung der Investitionskosten und Fördermittel (Anl. 3) enthalte keine Angaben hinsichtlich des Zeitraums der Investitionen. Die verwendeten Abkürzungen seien unüblich und würden nicht erläutert. Laut Kostenschätzung Baumaßnahmen 2008 – 2014 (Anl. 5) seien Freispiegelleitungen und Druckrohrleitungen mit ca. 11 Mio. € zu veranschlagen. Laut dem WIBERA-Gutachten von 2005 betrage der beitragsfähige Aufwand insgesamt ca. 95. Mio. €, abzüglich Fördermittel und von Dritten unentgeltlich übernommener Anlagen betrage der Aufwand ca. 61. Mio. €. Die Differenz betrage damit ca. 50 Mio. €. Der Prognosewert von 111,5 Mio. € sei nicht nachvollziehbar, da von 1991 bis 2009 im Anlagennachweis für den Bereich Schmutzwasser lediglich 80 Mio. € genannt worden seien. Im Übrigen hätten keine Prognosezahlen eingestellt werden dürfen, soweit bereits für die Jahre 2008, 2009 und 2010 konkret abgerechnet worden sei. Des Weiteren seien der Verbandsversammlung verschiedene Unterlagen über geplante Investitionen vorgelegt worden (Anl. 6 bis 8). Ein Investitionsprogramm oder ein Abwasserkonzept seien der Versammlung am 3. März 2010 nicht vorgelegt worden. Auch seien den Mitgliedern mit der Verbandsversammlung die Kalkulationsunterlagen oder ein Investitionskonzept nicht vor der Sitzung zur Verfügung gestellt worden, so dass die vorgelegte Kalkulation von ihnen nicht habe überprüft werden können. Gegenstand der den Mitgliedern zur Verfügung stehenden Beschluss-Vorlage 45/200/2010 und damit der Beschlussfassung sei keine Kalkulation gewesen, da in der Vorlage kein Beitragssatz genannt sei. Die Mitglieder der Verbandsversammlung hätten auch nur Fragmente der Unterlagen erhalten. Sie sei nach allem nicht ordnungsgemäß gewesen, nicht nachvollziehbar und habe in einer Stunde in der Sitzung nicht geprüft werden können. Dies gelte insbesondere auch hinsichtlich der auf der als Beiakte 5 zu 8 A 407/10 registrierte CD-Rom, dessen Tabellen zum Teil nicht lesbar ausgedruckt werden könne. Deshalb möge das Gericht die Sitzung unterbrechen und die Dateien ausdrucken. Eine ausreichende Befassung in der Sitzung vom 3. März 2010 sei somit nicht möglich gewesen.

25

Trotz verschiedener, wegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Schwerin erforderlich gewordener Neukalkulationen seit 1995 sei der kalkulierte Beitragssatz gleich geblieben. Dies deute auf Manipulationen hin. Zudem seien die bis 2014 geplanten Investitionen nicht mit 111 Millionen € nachweisbar. Aus einem Evaluationsgutachten zur wirtschaftlichen Lage des Zweckverbandes von August 2010 folge, dass Zuschüsse Dritter zweckwidrig zur Senkung der Gebühren verwendet worden seien.

26

Unabhängig von der Frage der Nichtigkeit der Satzung seien im vorliegenden Fall Beitragsansprüche schon deshalb erloschen, weil der Zweckverband durch III Abs. 5 der notariellen Urkunde vom 15. Juli 2004 über die Gewährung von Leitungsrechten auf „Anschlusskostenbeiträge“, mithin die hier geltend gemachten Anschlussbeiträge verzichtet habe. Für eine solche Auslegung der Vertragklausel spreche auch, dass der im Vertrag verwendete Ausdruck vom Beklagten in Umsetzung der Gebühren- und Betragssatzung aus dem Jahr 1993 verwendet worden sei. Auslegungsschwierigkeiten gingen zu Lasten des Zweckverbandes Wismar.

27

Jedenfalls seien die Beitragsansprüche verjährt. Der Lauf der Festsetzungsverjährungsfrist habe nach Maßgabe des § 8 Abs. 7 KAG M-V 1991 frühestens mit Inkrafttreten derersten Beitragssatzung zu laufen begonnen. Dies folge auch aus Nr. 5 auf Seite 8 der LtDrs 1/113 und werde durch Nr. 6.4.4 des Einführungserlasses des Innenministers M-V vom 14. Juni 2005 bestätigt. Das KAG 1991 sei durch das KAG 2005 aufgehoben worden. Da die Eigentümer zu den sog. Altanschließern gehörten, sei die Beitragspflicht zu einem sehr frühen Zeitpunkt entstanden. Im Fall nichtiger Satzungen hätte der Beklagte den Betroffenen Beiträge erstatten müssen, was nicht geschehen sei. Jedenfalls sei der Anspruch durch Verjährung erloschen, weil zumindest die Schmutzwasserbeitragssatzung vom 20. Dezember 1995 rechtswirksam gewesen sei. Diese sei innerhalb ihres Geltungszeitraums (1. Januar 1996 bis 18. Oktober 2000) vom Beklagten kontinuierlich angewandt worden und weder vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern noch vom Verwaltungsgericht für nichtig erklärt worden. Der einmal verjährte Anspruch könne nicht wieder aufleben. Auch soweit im Einzelfall ein Beitragsbescheid aufgehoben worden sei, fehle es an der gerichtlichen Feststellung der Nichtigkeit der Satzung. Im Übrigen könne sich der Beklagte über die gerichtliche inzidenter Feststellung der Unwirksamkeit einer Satzung hinwegsetzen.

28

Der Anspruch sei verwirkt, weil der Beklagte im Rahmen einer früheren Kalkulation (zur BSSW 2000) Flächen von Altanschließern nicht berücksichtigt, mithin nur Neuanschließer einbezogen habe. Damit habe er zu erkennen gegeben, Beiträge von Altanschließern nicht mehr verlangen zu wollen. Obwohl alle Voraussetzungen vorgelegen hätten, habe der Beklagte keine Bescheide erlassen. Er habe sich daher der Erkenntnis der Verjährung gebeugt, zumal es nach dem KAG M-V 1993 keinen rechtlichen Zwang zur Erhebung von Beiträgen gegeben habe.

29

Zudem hätten die Grundeigentümer auf Grund der Einmaligkeit der Beitragserhebung darauf vertrauen können, dass die Erstveranlagung ohne satzungsrechtliche Nachveranlagungsregelung endgültig sei. In abgeschlossene Beitragssachverhalte eingreifendes rückwirkendes Satzungsrecht sei rechtsstaatswidrig.

30

Die Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Zweckverbands Wismar könne nicht im Sinne des KAG M-V erstmalig hergestellt werden, da sie nach Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten bereits aus DDR-Vermögen übernommen worden sei. Die bereits vor der Wiedervereinigung bestehenden Abwasseranlagen seien nicht eröffnet, sondern konkludent fortgeführt worden. Der Zweckverband habe auf Grundlage von § 21 Abs. 3 des Einigungsvertrages und Anl. II zum Einigungsvertrag Sachgebiet B Kap IV Abschnitt III Nr. 2 in Verb. mit dem DDR-Kommunalvermögensgesetz das Vermögen unentgeltlich übertragen erhalten. Die Verpflichtung der Kommunen zur Abwasserentsorgung habe schon (vor Inkrafttreten des KAG M-V) gemäß § 2 Abs. 2 der DDR-Kommunalverfassung bestanden, die sodann von §§ 40, 43 des Wassergesetzes M-V fortgeschrieben worden sei. Diesen Erfordernissen sei die öffentliche Hand in der Vergangenheit auch nachgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 19. Oktober 1966 IV C 99.65, juris Rn. 9) verlange, „eine[n] Vorteil, den der Beitragspflichtige aus einer der Beitragserhebung zugrunde liegenden Handlung erlangt“ habe. Der Zweckverband Wismar habe gerade keine Abwasseranlage angelegt und dennoch verlange der Beklagte einen Beitrag. Eine Erneuerung (nochmalige Herstellung) komme nur bei voller Abnutzung in Betracht, nicht aber etwa bei Erneuerung einzelner Rohre; diese seinen durch Gebühren abzurechnen.

31

Der angegriffene Bescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil das Kommunalabgabengesetz bei Wohnungseigentum nicht auf ganze Siedlungen abstelle, sondern auf Wohnungen unter einem Dach. Sie seien jedenfalls nicht wie normales Wohnungseigentum zu behandeln. Vielmehr müsse berücksichtigt werden, dass es sich um Ferienhäuser handele, welche nur in den Sommermonaten nutzbar seien. Deshalb seien sie im Bebauungsplan auch als Sondergebiet, das der Erholung diene, ausgewiesen. Die bauliche Nutzung beschränke sich tatsächlich auf ca. 47.000 m²; die Seewiese mit einer Fläche von ca. 18.000 m³ sei entsprechend der im Bebauungsplan festgelegten Bebauungsgrenze nicht bebaubar. Deshalb verstoße der Bescheid auch gegen § 3 Abs. 1 b) BSSW 2010, da Einigkeit in der Gemeinde bestehe, dass die Seewiese nicht bebaubar sei. Denn die Gehrechte erstreckten sich nicht nur auf die Uferpromenade, sondern auf die gesamte Seewiese, da die entsprechende Planzeichnung des Bebauungsplanes die Seewiese umgebe. Die volle Fläche habe deshalb bei der Beitragsbemessung nicht berücksichtigt werden dürfen. Entsprechend dem Gleichheitssatz habe jedenfalls ein geringerer Nutzungsfaktor angesetzt werden müssen. Insoweit sei die Satzung auch unvollständig, weil die konkrete Nutzungsart des streitbefangenen Grundstücks als Freizeitsiedlung mit der Pflege von Kleingärten und der öffentlich zugänglichen Seewiese nicht berücksichtigt worden sei. Dazu werde auf das Urteil des erkennenden Gerichts vom 5. Mai 2011 – 4 A 826/08 – (n. v., Umdruck S. 18 f.) verwiesen. Insofern fehle es gleichheitswidrig an einem speziellen Tatbestand in der Satzung der - vergleichbar zu den Campingplätzen - einen abgesenkten Nutzungsfaktor enthalte. Zudem seien die Grundsätze im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Schleswig-Holsteins vom 2. September 1998 – 2 M 19/98 – (juris und NordÖR 1999, 166 f.) zu beachten, wonach nur im Bebauungsplan als Bauland ausgewiesene Flächen bei der Beitragsfestsetzung herangezogen werden könnten. Der Seewiese fehle die notwendige Baulandqualität. Es sei zudem unverständlich, dass der Zweckverband Wismar 2008 im Rahmen von Verhandlungen mit der WEG N. über einen Erschließungsvertrag von einer geringeren Beitragsfläche ausgegangen sei, während er nunmehr das gesamte Grundstück veranlagt habe. Selbst der Landrätin des Landkreises Nordwestmecklenburg habe in einem – bestandskräftigen – Verwaltungsakt geäußert, dass die nicht bebaubare Grünanlage etwa 15.000 m² umfasse.

32

Einschließlich Zuwegung sei die im Bebauungsplan ersichtliche Fläche der Pumpstation 2.000 m² groß und in diesem Umfang von der beitragsfähigen Fläche abzuziehen.

33

Schließlich sei die Schmutzwassersatzung des Zweckverbandes Wismar wegen Verstoßes gegen die grundgesetzliche Eigentumsgarantie nichtig, weil dort in §§ 21 und 25 von den Eigentümern die Duldung örtlicher Leitungen für die öffentliche Einrichtung verlangt werde. Es liege auch ein Eingriff in das Grundrecht auf Wohnung vor. Die Nichtigkeit dieser Satzung habe die Satzung der Beitragssatzung zur Folge.

34

Die Klägerin beantragt sinngemäß

35

den Beitragsbescheid des Beklagten vom 28. September 2009 und dessen Widerspruchsbescheid vom 24. März 2010 aufzuheben.

36

Der Beklagte beantragt,

37

die Klage abzuweisen.

38

Zur Begründung verweist er auf seine Darlegungen im Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor:

39

Es erschließe sich nicht, wie durch Mitwirkung des (heutigen) Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht A. an der Novellierung des Kommunalabgabenrechts im Jahre 2005 oder der Mitwirkung an einem Kommentar zu diesem Rechtsgebiet tragende Prinzipien des Rechtsstaats verletzt worden sein könnten. Zu der Novellierung des KAG M-V existiere eine Gesetzesbegründung.

40

In der ständigen Rechtsprechung des VG Schwerin, zuletzt in seinen Urteilen vom 27. Mai 2011 seien Zweifel an der wirksamen Gründung des Zweckverbandes Wismar nicht ernsthaft in Erwägung gezogen worden. Das Reichsverbandsgesetz sei durch § 170a KV M-V ausdrücklich rückwirkend auf den 3. Oktober 1990 für anwendbar erklärt worden. Deshalb habe die (bestätigende) Gründung des Zweckverbandes auch rückwirkend genehmigt werden können. Anlagevermögen sei auf den Zweckverband wirksam übertragen worden. Ein ordnungsgemäßer Übergang von Vermögenswerten auf den Zweckverband sei durch die öffentlich-rechtlichen Gründungsverträge erfolgt; notwendiger Grundbuchvollzug sei längst durchgeführt worden. Eine Ausgleichsregelung nach § 153 KV M-V sei daneben nicht erforderlich gewesen. Im Übrigen folge ein Recht auf Investitionen durch den Zweckverband aus § 151 Abs. 1 KV M-V. Die Veröffentlichungsbestimmung des § 22 der Verbandssatzung sei nicht zu beanstanden; die Ostsee-Zeitung – Wismarer Zeitung – sei weltweit erhältlich. Das Schmutzwasserentsorgungskonzept habe der Verbandsversammlung am 3. März 2010 im Entwurf vorgelegen. Im Übrigen sei ein solches Konzept nicht vorgeschrieben. Die Investitionsvorhaben seien aus den von der Verbandsversammlung gebilligten Wirtschaftsplänen bekannt gewesen.

41

Der Anlagenbegriff sei hinreichend bestimmt, da zwischen Schmutz- und Niederschlagswasser zu unterscheiden sei. § 3 Abs. 3 BSSW 2010 sei eine Auffangnorm für den Fall, dass ein Anschluss an ein Grundstück tatsächlich gegeben sei.

42

Eine Sonderregelung hinsichtlich Wochenendhäuser sei nicht erforderlich. Wochenendhäuser dürften im Gegensatz zu Kleingartengrundstücken dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt werden (vgl. § 3 Abs. 3 BKleingG einerseits und § 10 BauNVO andererseits). Eine Gleichbehandlung mit weiteren Sondergebieten nach § 11 Abs. 1 BauNVO komme wegen deren Andersartigkeit nicht in Betracht. Im streitbefangenen Gebiet seien melderechtlich auch Dauerwohnsitze begründet worden. Im Übrigen werde auf die entsprechenden Ausführungen in den letzten Entscheidungen des erkennenden Gerichts hinsichtlich unzutreffender Rückschlüsse der Klägerin auf beitragsrechtliche Vorteile aus den bauplanungsrechtlichen Vorgaben des Bebauungsplanes verwiesen Die im Übrigen für Mecklenburg-Vorpommern nicht maßgebende Rechtsprechung des OVG für das Land Schleswig-Holstein bestätige, dass wegen des Bebauungsplanes die von der Klägerin angesprochene Fläche der „Seewiese“ von der Vorteilswirkung der Schmutzwasseranlage als Annex erfasst sei. Die Nutzung durch die Öffentlichkeit sei bauplanungsrechtlich nicht dauerhaft oder uneingeschränkt; die Privatnützigkeit der „Seewiese“ nicht ausgeschlossen.

43

Kosten für unentgeltlich übertragene Anlagen oder Teile hiervon seien in der Kalkulation nicht enthalten.

44

Der Zweckverband Wismar habe bislang noch keine Erneuerung seiner öffentlichen Einrichtung vorgenommen; dies komme auch erst nach 2014 in Betracht.

45

Wegen der Verjährungsproblematik werde auf die Rechtsprechung des erkennenden Gerichts und des OVG M-V verwiesen. Die Kalkulation zur Beitragsatzung 2000 sei eine Rechnungsperiodenkalkulation gewesen und könne keine Vertrauensgrundlage über die Frage der Beitragspflicht für einzelne Grundstücke schaffen.

46

Die Schmutzwassersatzung sei allenfalls eine verfassungsrechtlich zulässige Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 2 GG. Art. 13 GG sei nicht tangiert.

47

Nach der Bestimmung im notariellen Vertrag zur Übertragung des Leitungsrechts werde in III Abs. 5 nur klargestellt, dass die Einräumung des Leitungsrechts keine Beitragspflicht auslöse. Eine Ablösevereinbarung sei schon deshalb zu verneinen, weil diese evident rechtswidrig gewesen wäre.

48

Die Einzeichnung der Schmutzwasseranlage im Bebauungsplan auf dem Grundstück sei lediglich eine Baugrenze mit einer Fläche von ca. 440 m². Die Aufstellfläche einschließlich Umpflasterung des Pumpspeicherwerks betrage 27,86 m².

49

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und des Beklagten zum vorliegenden Verfahren, der Satzungs- und Kalkulationsunterlagen (Beiakten 8 bis 56 des Verfahrens 8 A 507/10) sowie den Beitrittsvertrag der Gemeinde Jesendorf und das Evaluationsgutachten vom August 2010 (Beiakten 3 und 4 des Verfahrens 8 A 430/10) verwiesen.

Entscheidungsgründe

50

Die Klage ist zulässig, insbesondere auch fristgerecht erhoben worden. Sie ist aber unbegründet.

I.

51

Der angegriffene Beitragsbescheid und der zugehörige Widerspruchsbescheid des Beklagten sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]). Das Kommunalabgabengesetz (KAG M-V 2005) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. April 2005 (GVOBl. M-V S. 146) zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 2007 (GVOBl. M-V S. 410) ist europarechtskonform und verfassungsgemäß zustande gekommen (1.). Der Zweckverband Wismar ist rechtlich existent (2.). Die Verbandssatzung des Zweckverbandes ist hinsichtlich der Veröffentlichungsbestimmung nicht zu beanstanden (3.) Weder ist die den angegriffenen Beitragsbescheiden zugrunde liegende Abgabensatzung in formeller und materieller Hinsicht zu beanstanden (4.) noch haften den angegriffenen Bescheiden selbst Fehler an (5.). Der Zweckverband hat auch nicht auf Beiträge verzichtet (6.).

52

1. Das Kommunalabgabengesetz ist weder europarechtswidrig noch verfassungswidrig zustande gekommen. Auch eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention ist nicht ersichtlich.

53

a) Die klägerseits angeregte Vorlage des Verfahrens zum Gerichtshof der Europäischen Union (EUGH) kommt nicht in Betracht. Die Voraussetzungen eines Vorabentscheidungsverfahrens zum EUGH nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) liegen nicht vor. Die Frage der europäischen Begründungspflicht nationaler Rechtsvorschriften ist geklärt. Eine nationale Rechtsvorschrift bedarf keiner gesonderten europarechtlich geforderten Begründung. Der EUGH hat in seinem Urteil vom 17. Juni 1997

54

- Rechtssache C-97/95 – Sodemare -, Sammlung [Slg.] I – 3395 (3396, ferner 3430 Rn. 19 f.) = juris LS 5 sowie Rn. 19 ff. -

55

zur entsprechenden Vorgänger-Vorschrift in Art. 190 EG-Vertrag (= Art. 253 EGV; heute: Art. 296 AEUV) klargestellt:

56

„Das Gemeinschaftsrecht, insbesondere Artikel 190 des Vertrages, stellt keine Anforderungen an die Begründung einer nationalen generellen Regelung, die unter das Gemeinschaftsrecht fällt.

57

Denn abgesehen davon, daß die in Artikel 190 des Vertrages verankerte Begründungspflicht nur die Handlungen der Organe betrifft, gilt die Verpflichtung zur Begründung nationaler Entscheidungen, die die Ausübung eines Grundrechts betreffen, das dem einzelnen vom Vertrag verliehen ist, in Anbetracht ihres Zweckes nur für Einzelfallentscheidungen, gegen die die einzelnen über einen gerichtlichen Rechtsbehelf verfügen müssen, jedoch nicht für nationale generelle Rechtssätze.“

58

Zum gleichen Ergebnis war bereits der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom 6. Februar 1997 gelangt.

59

Vgl. Generalanwalt Fennelly, Slg. I – 3398 [3406 Rn. 20] = juris; siehe auch Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV, AEUV, 5. Aufl. 2010 Art. 296 AEUV Rn. 2 aE.

60

Dies gilt selbst dann, wenn – wie in dem vom EUGH entschiedenen Fall – die Auslegung des betreffenden Gesetzes unklar sein und eine Begründung daher sinnvoll oder wünschenswert gewesen wäre. Die nach Art. 296 Abs. 2 AEUV vorgeschriebene Begründungspflicht europäischer Rechtsakte richtet sich nur an die Organe der Europäischen Union. Dies folgt bereits aus dem Zusammenhang mit den übrigen Absätzen in Art. 296 AEUV und dessen Stellung im Kapitel 2 des Vertrages („Rechtsakte der Union, Annahmevorschriften und weitere Vorschriften“).

61

b) Das Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern ist nicht wegen Verstoßes gegen das Gewaltenteilungsprinzips (Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes [GG]; Art. 3 Abs. 1 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern [Verf. M-V]) verfassungswidrig und damit nichtig, weil der damalige Richter am Oberverwaltungsgericht A. an den Gesetzesberatungen zur Novelle 2005 des Kommunalabgabengesetzes mitgewirkt hat. Zwar erfordert der Grundsatz der Gewaltenteilung auch personelle Trennlinien. Danach ist es etwa unvereinbar, wenn dieselbe Person in einem bestimmten Gemeinwesen ein Amt innehat, und gleichzeitig der Vertretungskörperschaft des Gemeinwesens angehört.

62

Vgl. zu Art. 137 GG: BVerfG, Entscheidung v. 27. April 1964 – 2 BvR 319/61 – juris Rn. 35 ; Beschl. v. 4. April 1978 – 2 BvR 1108/77 -, juris Rn. 59 ff.; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 55; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 11. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 25.

63

Auch ist etwa in § 1 VwGO als Ausprägung der verfassungsrechtlichen Gewaltenteilung (ferner Art. 92 und 97 GG) festgelegt, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit durch unabhängige, von den Verwaltungsbehörden getrennte Gerichte ausgeübt wird. In § 4 Abs. 1 des Deutschen Richtergesetzes ist zudem bestimmt, dass ein Richter weder Aufgaben der gesetzgebenden noch der vollziehenden Gewalt zugleich wahrnehmen könne.

64

Näher – zu § 14 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz: BVerfG, Beschl. v. 17. Dezember 1969 – 2 BvR 271/68 u. a. -, juris Rn. 32; zu § 4 DRiG: BVerwG, Urt. v. 27. Oktober 1966 – II C 103.63 -, juris Rn. 37; vgl. auch Kronisch, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Aufl. 2010, § 1 Rn. 39 ff.; 47; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 1 Rn. 5 je mwN.

65

Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der genannte Richter bei seiner Teilnahme an einer Sitzung des Innenausschusses und möglicherweise an weiteren Ausschussberatungen Aufgabe der Legislative wahrgenommen hat. Nach der Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses vom 2. März 2005 (LtDrS 4/1576, S. 34, 67 ff.), hat er in der öffentlichen Anhörung an der Sitzung des Innenausschusses am 10. November 2004 zu den Entwürfen der KAG-Novelle teilgenommen und inhaltlich Stellung genommen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Richter als Mitglied der dritten Gewalt an den Gesetzesberatungen mitgewirkt hat oder lediglich als (sachverständige) Privatperson. Zum anderen hat der Richter allenfalls beratend an den Gesetzesvorlagen mitgewirkt, nicht entscheidend. Das Prinzip der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) wird nicht dadurch verletzt, dass der Gesetzgeber sich durch Institutionen oder Angehörige der dritten Gewalt vor Erlass eines Gesetzes beraten lässt. Eine Mitwirkung ist hierin nicht zu sehen. Eine die Grenzen der drei Gewalten übersteigende Tätigkeit ist auch nicht darin zu sehen, wenn berücksichtigt wird, dass der Richter zusammen mit zwei Praktikern aus dem Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern das Kommunalabgabengesetz kommentiert und die Rechtsprechung auf den Kommentar zurückgreift. Es ist im Übrigen nicht ersichtlich, dass durch die beschriebene Mitwirkung des Richters am Gesetzgebungsverfahren gegen Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen sein könnte. Denn diese Bestimmung befasst sich mit dem Anspruch auf ein faires Verfahren innerhalb eines Gerichtsverfahrens. Weshalb durch die Mitwirkung eines Richters das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK berührt sein soll, erschließt sich dem Gericht nicht. Ein Verstoß gegen § 41 Abs. 1 DRiG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil kein Gutachten in einem Einzelfall erstellt worden ist, sondern es um allgemeine Fragen des kommunalen Abgabenrechts gegangen ist.

66

c) Das Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern ist auch nicht wegen Verletzung des Zitiergebots nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes nichtig. Das Zitiergebot gilt zunächst nur für förmliche Gesetze,

67

- vgl. nur Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG,10. Aufl. 2009, Art. 19 Rn. 4 mwN –

68

so dass die Satzung als materielles Recht (vgl. dazu nur Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 4 Rn. 40) hiervon bereits nicht betroffen ist.

69

Zudem ist in § 19 KAG M-V ausdrücklich auf Grundrechtseinschränkungen bezüglich der Art. 2 Abs. 2 und Art. 13 GG hingewiesen. Art. 14 GG ist richtigerweise dort nicht erwähnt, weil nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Art. 19 Abs. 1 GG nur diejenigen Grundrechte erfasst, die aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung vom Gesetzgeber eingeschränkt werden dürfen (vgl. nur Jarass, aaO, mwN.). Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG zählt nicht hierzu. Im Übrigen sind Vorschriften über die Beitragserhebung auch Ausprägung der in Art. 14 Abs. 2 GG niedergelegten Sozialbindung des Eigentums.

70

d) § 9 Abs. 8 KAG M-V ist entgegen klägerischer Auffassung nicht verfassungswidrig. Er behandelt den Sonderfall, dass Beitragsüberdeckungen bei nachträglichen Beitragserhebungen (nur) bei unbebauten Grundstücken im unbeplanten oder geplanten Innenbereichen (vgl. § 34 und § 30 BauGB) i. S. d. § 9 Abs. 6 und 7 KAG M-V („… wenn ein Aufwand […]nicht mehr zu decken ist […]“) zulässig sind (Satz 1). Solche zusätzlichen Einnahmen seien zur Minderung der Gebührenbelastung aller an die Anlage Angeschlossenen zu verwenden (Satz 2). Die Vorschrift will nach Auffassung des Gerichts nur Regelungen für den Fall treffen, dass der kommunale Hoheitsträger sich deshalb verkalkuliert hat, weil in die Kalkulation eingestellte, ursprünglich unbebaute Grundstücke unvorhergesehen nachträglich bebaut werden und deshalb als bebaute Grundstücke mit dem entsprechend höheren Beitragsmaßstab zu veranschlagen sind. Diese zusätzlichen Einnahmen sind nach Maßgabe des § 9 Abs. 8 KAG M-V zu behandeln. Dies ist aber kein Problem einer fehlerhaften Kalkulation, sondern eine Antwort auf die Frage, wie mit solchen – nicht kalkulierten (außerordentlichen) – Einnahmen umzugehen ist. Insoweit stellt eine solche Handhabung dieser Vorschrift auch keinen Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot und Äquivalenzprinzip dar, weil sich eine eventuelle Aufwandsüberschreitung allenfalls erst nachträglich herausstellen könnte. Da es sich um einen Sonderfall handelt, liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es im vorliegenden Fall insoweit zu (kalkulierten/geplanten) Überdeckungen kommen soll.

71

Vgl. dazu bereits VG Schwerin, Beschl. v. 16. März 2011 – 8 A 540/10 -, Umdruck S. 4

72

Abgesehen davon betrifft, § 9 Abs. 8 KAG M-V nur eine Einzelfrage. Die Nichtigkeit dieser Bestimmung würde daher nicht die Nichtigkeit des gesamten Kommunalabgabengesetzes zur Folge haben. Selbst wenn im Übrigen die KAG-Novelle 2005 nichtig wäre, würde dies nicht zur Nichtigkeit der hier streitgegenständlichen Satzung führen, weil dann das KAG 1993 wieder in Kraft wäre; es wäre jedenfalls übergangsweise als Rechtsgrundlage für die Satzung ausreichend.

73

2. Der Zweckverband Wismar und damit seine Behörde, der Beklagte, sind rechtlich existent. Der Zweckverband hat insbesondere eine wirksame Verbandssatzung.

74

a) Dabei lässt das Gericht nunmehr offen, ob die ursprüngliche Gründung im April und Mai 1991 deshalb fehlerhaft gewesen ist, weil der zur Gründung eines Zweckverbandes erforderliche öffentlich-rechtliche Vertrag nicht jeweils von den Stellvertretern der Bürgermeister der beteiligten Gemeinden unterzeichnet worden war. Denn weder das Reichszweckverbandsgesetz noch §§ 20 ff. oder 61 der Kommunalverfassung DDR (KV DDR) sahen die Beteiligung einer weiteren Person bei der Abgabe von Verpflichtungserklärungen vor. § 21 Abs. 1 Satz 2 KV DDR vertrat der Bürgermeister die Gemeinde allein. Es kann auch dahinstehen, ob die genannten Rechtsgrundlagen - aus welchen Gründen auch immer - für die Gründung des Zweckverbandes ausreichend gewesen sind.

75

Vgl. zur Rechtsentwicklung und Anwendbarkeit des Reichszweckverbandesgesetzes Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LVerfG M-V), Urt. v. 4. Februar 1999 – 1/98 -, LVerfGE 10, 317 (323 ff.); Pencereci/Bluhm, LKV 1998, 172 mwN; für Sachsen-Anhalt: Klügel, LKV 1998, 168 ff.

76

Jedenfalls durch die bestätigende Gründung des Zweckverbandes im öffentlich-rechtlichen Gründungsvertrag vom 11. Mai 1998 ist indessen eine ordnungsgemäße Gründung nachgeholt und eventuelle Fehler geheilt worden. Diese bestätigende Gründung stützt sich insbesondere nicht auf das Reichszweckverbandsgesetz aus dem Jahre 1939 (RGBl. I S. 979), sondern auf die bereits vor Inkrafttreten der §§ 170a und 170b KV M-V am 12. Juni 1994 in Kraft getretenen Vorschriften des 4. Teils über die Kommunale Zusammenarbeit (§§ 149 ff.) der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern (KV M-V). Dass die Vorschriften dieses Abschnitts (und insbesondere § 152 KV M-V) nicht beachtet worden sind, ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Es bedarf deshalb hier keiner Entscheidung, ob vor dem 12. Juni 1994 das Reichszweckverbandsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern über Art. 123 GG i. m. mit Art. 3 des Einigungsvertrages unmittelbar oder über § 170a Abs. 1 Satz 1 KV M-V rückwirkend ab dem 3. Oktober 1990 angewendet werden durfte.

77

Zu diesen Fragen - im Ergebnis offen lassend - und zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 170a KV M-V hinsichtlich der Anwendbarkeit des Reichszweckverbandesgesetzes vgl. LVerfG M-V, LVerfGE 10, 317 (322 ff., 326 ff. mwN).

78

Das Gericht folgt nicht dem klägerischen Vortrag, mit Blick auf die nachholende Gründung des Zweckverbandes sei eine auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Gründung zurückreichende Aufgabenübertragung nicht möglich. Dabei kann für den Zweckverband Wismar unabhängig von den sich stellenden Rechtsfragen der Anwendbarkeit des Reichszweckverbandesgesetzes bzw. des § 61 KV DDR zunächst festgehalten werden, dass ein fehlerhaft gegründeter Zweckverband jedenfalls alsfaktischer Zweckverband zu behandeln ist, auch wenn ihm keine hoheitlichen Aufgaben und Kompetenzen zugekommen sein sollten. Denn er ist nicht nur - wenn auch möglicherweise fehlerhaft - gegründet worden, sondern hat auf Grundlage der damaligen Gründungsverträge und –satzungen auch gearbeitet und ist Verpflichtungen eingegangen.

79

Vgl. zu weiteren Einzelheiten Pencereci/Bluhm, LKV 1998, 172 und 173 ff.; zur fehlgeschlagenen Kompetenz- und Aufgabenübertragung und zum fehlerhaften Verband auch Kollhosser, NJW 1997, 3265 f., 3267 ff.

80

Jedenfalls mit der nicht zu beanstandenden rückwirkenden Nachgründung sind die faktisch bereits früher erfolgten Aufgabenübertragungen auf eine (neue und ausreichende) rechtliche Grundlage gestellt worden. Durch der auf Grundlage der §§ 151 KV M-V erfolgten Nachgründung wurden öffentlich-rechtliche Aufgaben und Kompetenzen nachträglich und rückwirkend mit heilender Wirkung übertragen. Insoweit konnte auch die – im Übrigen unanfechtbare - aufsichtbehördliche Genehmigung rückwirkend erteilt werden.

81

Im Übrigen kommt es auch deshalb nicht darauf an, ob der Zweckverband mit Wirkung für die Vergangenheit rechtswirksam gegründet worden ist, weil es vorliegend um Bescheide aus dem Jahre 2009 und 2010 geht. Dass der Zweckverband Wismar nach seiner Nachgründung 1998 für die Zukunft und damit heute rechtlich nicht existent ist, ist nicht erkennbar. Der klägerseitig dargelegten abweichenden Rechtsprechung braucht daher nicht weiter nachgegangen zu werden. Dahinstehen kann daher auch, ob im Gründungsvertrag aus dem Jahr 1991 rechtswidrig eine Veröffentlichungsklausel gefehlt hat.

82

Die Aufnahme der Gemeinde Jesendorf in den Zweckverband im Jahr 2005 ist für die Existenz des Zweckverbandes Wismar ohne Bedeutung. Deshalb ist unerheblich, ob einzelne Bestimmungen des Vertrages unklar oder widersprüchlich sind.

83

b) Soweit klägerseitig weiter moniert wird, – privatrechtliche - Vermögensübertragungen seien fehlerhaft gewesen, hat der Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass erforderliche Eigentumsübertragungen erfolgt sind und soweit erforderlich auch im Grundbuch eingetragen wurden. Im Übrigen hätte eine fehlerhafte Übertragung von Vermögen mit der Wirksamkeit der Gründung nichts zu tun. Nach § 151 Abs. 1 KV M-V werden einem neu zu gründenden Zweckverband durch öffentlich-rechtlichen Vertrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung übertragen. Die erforderlichen Verwaltungsmittel und ggf. Anlagen können dem Zweckverband gleichfalls übertragen werden, soweit diese der Aufgabenerfüllung dienen. Es ist aber nicht zwingend und berührt die Wirksamkeit der Gründung und die Anwendbarkeit des Kommunalabgabenrechts durch den Zweckverband nicht, ob und in welchem Umfang ihm diese Anlagen von den Mitgliedsgemeinden übertragen werden. Vielmehr kann der Zweckverband sich diese Anlagen auch selbst beschaffen und/oder errichten und durch dessen Errichtung und/oder Beschaffung sowie deren Betrieb durch das Beitrags- und Gebührenaufkommen nach Maßgabe des kommunalen Abgabenrechts finanzieren. Insofern hat das Gericht keine Bedenken, dass dem Zweckverband Wismar durch dessen Mitgliedsgemeinden lediglich öffentlichen Aufgaben der u. a. Wasserbeschaffung und Abwasserentsorgung übertragen worden sind. Insofern ist es auch unerheblich, ob Ausgleichsverträge nach § 153 KV M-V abgeschlossen und ob und in welchem Umfang Vermögenswerte auf den Zweckverband übertragen worden sind.

84

3. Die Veröffentlichungsbestimmung des § 22 derVerbandsatzung des Zweckverbandes Wismar ist nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil dort ein Hinweis auf die Veröffentlichung in der Ostsee-Zeitung unter „Öffentliche Bekanntmachungen“ fehlt. § 6 der Durchführungsverordnung zur Kommunalverfassung (KV-DVO) vom 4. März 2008 (GVOBl. M-V, S. 85) verlangt lediglich, dass die entsprechende Zeitung einen Hinweis auf die öffentliche Bekanntmachung enthält. Die weiteren Anforderungen an eine Veröffentlichung in der Zeitung sind erfüllt. Es ist auch nicht notwendig, dass dieOstsee-Zeitung (Lokalteil Wismarer Zeitung) überall im Verbandsgebiet erhältlich ist. Entscheidend ist, dass durch die Art und Weise der Bekanntmachung jeder Bürger als Normadressaten der Regelung ermöglicht wird, sich über den Inhalt der Regelung zu informieren.

85

Vgl. BVerfG, Urt. v. 2. April 1963 – 2 BvL 22/60 – juris Rn. 36; Glaser, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung zur Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 5 Rn. 15.

86

Im Übrigen dürften die Kläger mit diesem Vortrag schon deshalb nicht gemäß §§ 5 Abs. 5, 154 KV M-V gehört werden, weil er die Fehlerhaftigkeit der Verbandssatzung erst nach über einem Jahr nach Bekanntgabe der Verbandssatzung in einem im August 2011 eingegangenen Schriftsatz geltend gemacht hat.

87

Es ist auch nicht vorgeschrieben, dass eine Verbandssatzung Regelungen über die Zustellung schriftlicher Einzelinformationen enthalten muss.

88

4. Wie das Verwaltungsgericht Schwerin in ständiger Rechtsprechung entschieden hat,

89

- vgl. etwa Beschl. der Kammer vom 19. Mai 2010 – 8 B 153/10 -, S. 3 sowie zuletzt etwa die Urt. der Kammer v. 27. Mai 2011 – 8 A 898/10 - und - 8 A1279/10 - jeweils S. 6 -

90

entspricht die den angegriffenen Bescheiden nunmehr zugrunde liegende Beitragssatzung Schmutzwasser (BSSW 2010) des Zweckverbandes Wismar in der Fassung vom 3. März 2010 den Vorgaben höherrangigen Rechts, insbesondere dem Kommunalabgabengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern und ist damit wirksam.

91

a) Sie enthält die nach § 2 Abs. 1 KAG M-V vorgeschriebenen Mindestbestandteile. Die in den drei Urteilen des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 22. Januar 2010 - 8 A 1364/09, 1366/09 und 1369/09 - (letzteres in veröffentlicht juris, Rn. 14 ff.) monierten Regelungen der Beitragssatzung Schmutzwasser in der Fassung vom 7. Mai 2009 (BSSW 2009) sind beseitigt bzw. ergänzt worden. Die Widersprüchlichkeit der Vorschriften der Satzung in § 6 Abs. 4 c) BSSW 2009 einerseits und § 6 Abs. 5 f) BSSW 2009 andererseits bezüglich der Zahl der Vollgeschosse, sofern solche nicht feststellbar sind, ist durch Streichung des § 6 Abs. 4 c) BSSW 2009 beseitigt worden. Die weiterhin beanstandete Bestimmung des § 6 Abs. 5 e) Satz 3 BSSW 2009 bezüglich von vor dem 30. April 1994 entsprechend bisherigen Rechts errichteten Gebäuden ist um folgenden Satz ergänzt worden:

92

"[...]; weisen die in einem solchen Gebäude vorhandenen Geschosse schräge Wände auf, gelten sie dann als Vollgeschoss, wenn sie über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche die lichte Höhe des darunter liegenden Geschosses aufweisen."

93

Damit hat der Satzungsgeber eine bestimmbare lichte Höhe für weitere Vollgeschosse festgelegt, die als sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung mit nach dem genannten Stichtag errichteten Gebäuden erscheint oder diese jedenfalls relativiert. Solche oder ähnliche Bestimmungen bei anderen Zweckverbänden sind von der Kammer in der Vergangenheit nicht beanstandet worden. Entgegen klägerischer Auffassung ist die Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Zweckverbandes Wismar in § 1 Abs. 1 BSSW 2010 und §§ 1 Abs. 1 a), 2 Abs. 1 Schmutzwassersatzung hinreichend klar im Sinne des § 2 Abs. 2 KAG definiert. Soweit klägerseitig darauf verwiesen wird, dass die Entsorgung des Niederschlagswassers nicht berücksichtigt sei, wird übersehen, dass nach der Legaldefinition des Abwassers in § 2 Abs. 2 Satz 1 des Abwasserabgabengesetzes Niederschlagswasser und Schmutzwasser jeweils eine Unterkategorie darstellen (vgl. auch § 2 Abs. 3 Schmutzwassersatzung). Die Entsorgung von Niederschlagswasser ist ersichtlich nicht Aufgabe der Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Zweckverbandes, zumal der Beklagte in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, dass Schmutz- und Niederschlagswasser getrennt sind.

94

b) § 3 Abs. 2 BSSW 2010 ist nicht nichtig, weil unklar sein könnte, wie diese Vorschrift sich zu den Abs. 1 und 2 in § 3 BSSW 2010 verhalte. § 3 Abs. 2 BSSW 2010 stellt eine Auffangvorschrift für den Fall dar, dass das Grundstück eines Eigentümers entgegen den grundsätzlichen Vorgaben des § 3 Abs. 1 BSSW 2010 tatsächlich angeschlossen ist. In diesem Fall ist ein Beitrag zwingend zu erheben.

95

c) § 6 Abs. 2 e) BSSW 2010 ist nicht zu beanstanden. Es ist nicht entscheidend, ob es im Verbandsgebiet Fälle von Abrundungssatzungen im Sinne des § 34 Abs. 4 BauGB gibt. Dafür reicht aus, dass in der Zukunft Mitgliedsgemeinden jederzeit Abrundungssatzungen erlassen könnten. Im Übrigen hat der Beklagte klargestellt, dass es Abrundungssatzungen im Verbandsgebiet gibt.

96

d) Es fehlt auch nicht an einer den Fall einer Wohnungsanlage der vorliegende Art besonders erfassenden Maßstabsbestimmung. Es handelt sich bei den auf dem Grundstück errichteten Häusern um im Prinzip ganzjährig nutzbare Häuser. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, wäre dieser Gesichtspunkt unerheblich, weil der Zweckverband gehalten ist, die Abwasseranlage so zu errichten und zu betreiben, dass sie auch dann ausreichend ist, wenn – wie etwa in der warmen Jahreszeit – alle Häuser bewohnt werden. Ein geringer Maßstab wäre daher gleichheitswidrig.

97

e) Soweit in den die Beitragsbescheide des Beklagten betreffenden Eilverfahren klägerseitig die Rechtmäßigkeit der §§ 7 Abs. 2 und 8 BSSW 2010 in Frage gestellt worden, ist dies für die Entscheidung des vorliegenden Falles unerheblich. Die erstgenannte Vorschrift betrifft Erstattungsansprüche bei der Herstellung weiterer und die Verlegung von Grundstücksanschlüssen, die letztgenannte Vorschrift die hier nicht in Rede stehenden Vorausleistungen von Beiträgen. Selbst wenn die Bestimmungen nichtig wären, würde sich dies nicht auf die Wirksamkeit der gesamten Satzung auswirken, da die genannten Bestimmungen isolierte Einzelfragen betreffen.

98

f) Ob die Regelungen in §§ 21 und 25 der Schmutzwassersatzung des Zweckverbandes Wismar über die Duldung des Anschlusses eines Grundstücks an die Schmutzwasserentsorgungsanlage und dessen mögliche zwangsweise Durchsetzung im Wege der Ersatzvornahme gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG oder das Grundrecht auf Wohnung (Art. 13 GG) verstoßen und nichtig sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Selbst wenn dies zutreffen sollte, hätte dies auf die Wirksamkeit der Beitragssatzung Schmutzwasser keine Auswirkungen, weil die Beitragssatzung insoweit nicht auf der technischen Satzung aufbaut oder auf sie verweist, sondern den Anschluss oder die Anschlussmöglichkeit vielmehr voraussetzt.

99

g) Die Kalkulation des in § 7 Abs. 1 BSSW 2010 festgesetzten Beitragssatz in Höhe von 3,10 € je Quadratmeter anrechenbarer Nutzfläche begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

100

aa) Das Gericht ist bei der Prüfung der Gültigkeit einer angegriffenen Satzung einerseits nicht auf die von Klägerseite geltend gemachten Mängel beschränkt. Sind objektiv mehrere Rechtsfehler vorhanden, so ist das Gericht insbesondere nicht verpflichtet, jeden dieser Rechtsfehler zu ermitteln und darauf seine Entscheidung zu stützen. Das gerichtliche Verfahren dient nicht - wie etwa ein behördliches Anzeige- oder Genehmigungsverfahren - einer umfassenden Prüfung der Rechtslage unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt.

101

Vgl. BVerwG, Beschl. v. 20. Februar 2001 – 4 BN 21.01 - juris Rn. 12 für das Normenkontrollverfahren.

102

Andererseits untersucht das Gericht die Kalkulation nur insoweit auf Rechtsfehler, als solche von den Beteiligten substantiiert geltend gemacht werden. Das Gericht geht diesbezüglich nicht „ungefragt auf Fehlersuche“.

103

Vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 17. April 2002 – 9 CN 1.01 -, juris LS 2 und 3 und Rn. 43 mwN.

104

Bei Beachtung dieser Vorgaben gilt im vorliegenden Fall Folgendes:

105

bb) Bereits im zitierten Urteil vom 22. Januar 2010 (juris Rn. 26 ff.) hat das Gericht ausführlich zur Kalkulation der Beitragsatzung Schmutzwasser 2009 Stellung genommen und keine Fehler festgestellt. Darauf wird zunächst hingewiesen. In diesem Zusammenhang sind auch die Flächenermittlungen des Zweckverbandes erörtert und nicht beanstandet worden. Daran ist festzuhalten. Einzelne Flächenermittlungen werden auch nicht konkret angegriffen. Ein öffentlicher Anteil des kommunalen Aufgabenträgers ist im Bereich des hier maßgeblichen Anschlussbeitragsrechts im Gegensatz zu den Erschließungsbeiträgen nach § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB bzw. Straßenausbaubeiträgen nach § 8 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V nicht zu berücksichtigen. Gegenteiliges lässt sich dazu auch nicht der Rechtsprechung des OVG M-V entnehmen.

106

cc) Weiter ist zu beachten, dass mangels Klagebefugnis (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO) die Klägerseitig aufgeworfenen Frage nicht nachgegangen werden muss, ob die nach § 15 Abs. 4 der Verbandsatzung erforderliche Zustimmung der Verbandsversammlung zu den Investitionsvorhaben ausdrücklich erfolgt sind. Denn § 15 Abs. 4 der Verbandssatzung ist keine drittschützende Norm, die anderen als den Mitgliedern der Organe des Zweckverbandes insoweit Rechte einräumt.

107

dd) Im Beitragrecht für leitungsgebundene Anlagen sind in der Kalkulation keine Abschreibungen vorzunehmen. Im hier maßgebenden Anschlussbeitragsrecht ist gemäß § 9 KAG M-V bei der Kalkulation der Aufwand für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebunden Versorgung mit Wasser oder Abwasserentsorgung anzusetzen. Der Aufwand ist nach den Kosten zu ermitteln. Abschreibungen sind dabei nicht vorzunehmen. Dies folgt auch aus Nr. 5.1.1 des klägerseitig zitierten Einführungserlasses des Innenministeriums vom 14. Juni 2005 – II 330 – 179-00-06 – (abgedruckt bei Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Anhang 1).

108

Abschreibungen von den Anlagewerten sind zwar nach § 6 Abs. 2 KAG M-V bei der Ermittlung der Gebührensätze u. a. nach Maßgabe des dortigen Absatz 2a zu berücksichtigen. Unzutreffend ist insoweit die klägerische Annahme, die über die Gebühren realisierten Abschreibungen seien bei der Beitragskalkulation zu berücksichtigen. Maßgebend ist allein, dass nach den gesetzlichen Vorgaben der Aufwand in die Kalkulation einzustellen ist. Soweit bei der Berechnung der Abschreibungen dem Zweckverband Wismar Fehler unterlaufen sein sollten, ist dies bei der Überprüfung der Gebührenkalkulation in einem Verfahren zum Gebührenrecht zu prüfen.

109

ee) Die der Schmutzwasserbeitragssatzung zugrunde liegende Globalkalkulation ist nicht deshalb zu beanstanden, weil zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Satzung das Abwasserbeseitigungskonzept noch nicht beschlossen worden ist. Es ist weder vorgeschrieben noch sonst zwingend, dass die erforderlichen Prognosen nur auf Grund eines förmlichen Abwasserbeseitigungskonzeptes zu erstellen sind. Nach den dem Gericht vorliegenden Kalkulationsunterlagen sind Prognosen in der „Planung der Investitionskosten und Fördermittel (Zuarbeit Fr. D.)“, der „Kostenschätzung Baumaßnahmen 2008 bis 2014“ sowie einer unter der Bezeichnung „Kostenschätzung B-Pläne“ abgespeicherten Datei enthalten. Dies genügt als Schätzungsgrundlage. Es ist auch nichts Substantiiertes dazu vor worden und es bestehen auch derzeit sonst keine Anhaltspunkte, aus dem sich ergeben könnte, dass die Prognosen des Zweckverbandes und die ihnen zugrunde liegenden Annahmen offensichtlich unzutreffend und die zugrunde liegenden Investitionszahlen oder -vorgaben offensichtlich willkürlich oder sonst falsch sein könnten. Im Übrigen folgt aus der Aufzählung von Altanlagen im Anlagespiegel oder im Vermögensnachweis nicht, dass der Wert dieser Anlagen auch in der Beitragskalkulation berücksichtigt worden ist. Dass dies so sein soll, ist bislang auch nicht ansatzweise substantiiert dargelegt worden.

110

ff) Soweit klägerseitig geltend gemacht wird, aus der Aufstellung Erneuerung KN vor 1979 (Beiakte 55 Anlage 1) sei nicht zu ersehen, ob jene Anlagen herausgenommen worden seien, hat der Beklagte erläutert, dass es sich bei den in der Aufstellung genannten Beträge um nach der „Wende“ getätigte Investitionen handele. Zudem sind dort nur Anlagen der Kanalisation enthalten. Investitionen aus „DDR-Zeiten“ sind darin somit nicht erfasst. In der Aufstellung Planung der Investitionen und Fördermittel (Anlage 3) ist zwar nicht zwischen Pumpstationen und Rohrleitungen differenziert. Dies macht die Aufstellung aber nicht unverständlich. Soweit der klägerische Prozessbevollmächtigte eine Datei mit verrutschten Zahlen geöffnet bzw. ausgedruckt hat, führt auch dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Kalkulation, zumal diese der Verbandsversammlung in Papierform vorgelegen hat. Die Kalkulation ist auch nicht deshalb mangelhaft, weil einzelnen Tabellen nicht der Investitionszeitraum zu entnehmen ist. Da die Globalkalkulation bis 2014 reicht, ist davon auszugehen, dass Investitionen auf den gesamten Zeitraum verteilt werden können, ohne dass dies im Einzelnen dargelegt oder zeitlich zugeordnet werden muss. Aus dem Umstand, dass die früheren Investitionsprognosen geringer ausgefallen sind als die nunmehr zugrunde liegenden Werte, führt nicht zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulation. Insofern ist dem Zweckverband ein vom Gericht nicht voll überprüfbarer Prognosespielraum zuzugestehen. Es ist nichts Substantiiertes dazu vorgetragen oder sonst ersichtlich, woraus sich eine Überschreitung dieses Spielraums ergeben könnte.

111

gg) Die klägerische Behauptung, aus dem Evaluationsgutachten der Fa. Schultz & Partner, Hamburg/Bremen über die wirtschaftliche Entwicklung des Zweckverbandes Wismar vom August 2010 ergebe sich, dass die Verwendung von Subventionen im Rahmen der Beitragskalkulation zweckwidrig erfolgt sei, ist unzutreffend. Das Gutachten beschäftigt sich nicht mit der Beitragskalkulation, sondern mit der „ergebnis-offenen Betrachtung“ der Frage, wie sich der Zweckverband Wismar finanziell entwickelt hat bzw. sollte. Es geht unter anderem der Frage nach, ob es – wie derzeit geschehen - sinnvoll ist, Subventionen zur Minderung der Gebühren zu verwenden. Es enthält auf S. 4 und 10 keine Aussagen dazu, dass entgegen der Vorgaben des § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 4 KAG M-V Zuschüsse Dritter in der Beitragskalkulation nicht von den tatsächlichen oder zu erwartenden Kosten der errichteten Anlagen abgezogen worden sind und so in die Höhe des Beitrags eingeflossen ist.

112

hh) Das Gericht muss auch nicht weiter aufklären, ob nach der Beschlussvorlage für die Verbandsversammlung am 3. März 2010 kein bestimmter Beitragssatz zur Abstimmung gestellt werden sollte und die Kalkulationsunterlagen der Verbandsversammlung nur unvollständig vorgelegen haben. Soweit klägerseitig dazu behauptet wird, Mitgliedern der Verbandsversammlung hätten keine entsprechenden Unterlagen zur Verfügung gestanden, ist dies nach Aktenlage unzutreffend. Unter Tagesordnungspunkt 11 der beglaubigten Niederschrift der Verbandsversammlung vom 3. März 2010 und dessen Anlagen hat der Verbandsversammlung die Kalkulation 2009 einschließlich eines Ergänzungsberichts vorgelegen. Diese Unterlagen haben, soweit sie beglaubigt sind, Beweiskraft nach § 33 Abs. 1 VwVfG M-V i. V. m. §§ 189 VwGO, 417 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) als öffentliche Urkunde. Sie erbringen den vollen Beweis der dort dokumentierten Vorgänge. In dieser Niederschrift ist auch festgehalten, dass ein bestimmter Beitragssatz nach den der Verbandsversammlung vorgelegten Unterlagen beschlossen worden ist. Es ist nichts Substantiiertes dafür dargetan, dass die im Protokoll dokumentierten Vorgänge (so) nicht stattgefunden haben. Im Protokoll ist zudem an keiner Stelle vermerkt, dass ein Mitglied die Unvollständigkeit übersandter oder zur Verfügung stehender Unterlagen moniert hat oder gar wegen der Komplexität der Kalkulation eine Unterbrechung der Sitzung zwecks ausführlicher Einsichtnahme in die genannten Unterlagen oder gar die Vertagung des Tagesordnungspunktes beantragt hat. Vielmehr hat ein Mitglied sogar den beschlossenen Beitragssatz von 3,10 € vorgeschlagen. Der klägerseitig angeregte Ausdruck der Kalkulationsdateien der CD-ROM (Beiakte 5 zu 8 A 507/10) durch das Gericht ist bereits deshalb nicht erforderlich, weil Gegenstand der Beratungen der Verbandsversammlung die Kalkulation in Papierform gewesen ist. Es ist Sache der Verbandsversammlung, ob auf Grundlage der vorhandenen und ausreichenden Unterlagen eine Entscheidung über den Beitragssatz getroffen werden kann oder ob angesichts der Komplexität der Kalkulation die Sitzung unterbrochen werden muss oder gar eine Vertagung erforderlich ist. Ob und inwieweit einzelne Mitglieder der Verbandsversammlung tatsächlich Einsicht genommen und sich mit dem Zahlenmaterial auseinandergesetzt haben, ist für die Rechtmäßigkeit der Satzung ebenso wenig von Bedeutung wie bei Bundestags- oder Landtagsabgeordneten im Zusammenhang mit der Verabschiedung von Gesetzen.

113

Nach allem bedarf auch die Frage keiner näheren Beleuchtung, ob ein verspäteter Vortrag, es haben Unterlagen der Vertretungskörperschaft nicht vorgelegen, als Geltendmachung eines (zunächst) formalen Verstoßes gegen §§ 38 Abs. 3 Satz 1, 22 Abs. 3 Nr. 11 KV M-V ggf. in Verbindung mit der Geschäftsordnung der Körperschaft der Präklusionsregelung des § 5 Abs. 5 KV M-V unterfallen könnte.

114

ii) Aus dem Umstand, dass in der Vergangenheit die Beitragskalkulation des Zweckverband Wismar nicht allen gesetzlichen Vorgaben entsprochen hat, folgt nicht, dass die nunmehr vorliegende Kalkulation fehlerhaft ist. Klägerseitig ist in diesem Zusammenhang vorgetragen worden, dass der Beitragssatz über Jahre stabil geblieben sei, was wegen der sich ändernden wirtschaftlichen Grundannahmen nicht möglich sei. Sofern damit der in der Satzung in § 7 Abs. 1 BSSW 2010festgesetzte Beitragssatz von 3,10 €/m² gemeint sein sollte, ist darauf hinzuweisen, dass es dem Zweckverband unbenommen ist, einen Beitragssatz unterhalb des kalkulierten Höchstbeitragssatz festzusetzen. Sollte mit dem Vortrag der kalkulierte höchstmögliche Beitragssatz gemeint sein stimmt nach den Erkenntnissen des Gerichts bereits die Annahme nicht, dass der Beitragssatz stabil gewesen ist. Nach dem Kalkulationsgutachten (einer Rechnungsperiodenkalkulation) der Fa. WIBERA vom 9. März 2001 sollte der kalkulierte Schmutzwasserbeitragssatz 6,58 DM/m² betragen, also 3,36 €/m². Im WIBERA-Gutachten (einer Globalkalkulation) vom 1. Dezember 2005 war ein Beitragssatz von 4,48 € ermittelt worden. Nach der jetzt maßgebenden Kalkulation 2009 liegt der höchstmögliche Beitragssatz bei 4,43 €. Daraus lässt sich nach Auffassung des Gerichts nicht herleiten, dass die heute maßgebende Kalkulation unzutreffend ist. Auch die Fehler in der Beitragssatzung 2009 sind nicht so gravierend gewesen, dass die Kalkulation grundlegend neu erarbeitet werden musste. Grundlegende Parameter mussten deshalb nicht neu definiert werden, so dass der kalkulierte Beitragssatz plausibel erscheint.

115

kk) Die klägerische Behauptung, lediglich 93.000.000,-- € Investitionskosten seien sinnvoll und nachweisbar, ist unsubstantiiert. Es wurde nichts dazu vortragen und es ist auch sonst nichts dafür ersichtlich, welche veranschlagten Investitionen nicht nachweisbar sein sollen und weshalb veranschlagte Aufwendungen von insgesamt ca. 115.000.000,-- € nicht nachweisbar sind. Es ist auch nicht substantiiert dargelegt worden, weshalb die veranschlagten Prognosekosten bis 2014 um 31 Millionen € überhöht sein sollen.

116

5. Die nach allem rechtsgültige Beitragssatzung hat der Beklagte im vorliegenden Fall zutreffend angewandt.

117

a) Der Beklagte muss nach Inkrafttreten der Änderungssatzung keine neuen Beitragsbescheide erlassen. Dies gilt hier schon deshalb, weil über den klägerischen Widerspruch gegen den Beitragsbescheid erst nach Erlass der Änderungssatzung entschieden worden ist. Bei Anfechtungsklagen kommt als frühester maßgebender Zeitpunkt die Sach- und Rechtslage zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens, also des Erlasses des Widerspruchsbescheides (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) in Betracht.

118

Vgl. zum Meinungsstand näher Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn. 31 ff.; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 113 Rn. 97 ff.

119

Zu diesem Zeitpunkt hat im vorliegenden Fall jedenfalls bereits die Beitragssatzung Schmutzwasser in der genannten Fassung vom 3. März 2010 gegolten.

120

b) Zudem hat der Beklagte im angegriffenen (Ausgangs-)Bescheid die maßgebenden Parameter zur Berechnung des Beitrags nachvollziehbar genannt. Die Angaben in den Bescheiden sind hinreichend bestimmt. Sie enthalten, wie § 157 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V vorschreibt, den festgesetzten Beitrag nach Art und Höhe. Die Eigentümer des streitbefangenen Grundstücks sind, wie auch aus dem Bescheid folgt, insbesondere gemäß § 7 Abs. 2 Satz 5 KAG M-V und § 5 Abs. 2 BSSW 2010 als Wohnungs- und Teileigentümer nur entsprechend ihrem Miteigentumsanteil beitragspflichtig. Soweit die innere Flächenaufteilung einzelner Parzellen unzutreffend sein sollte, berührt dies die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung nicht. Der Beklagte hat seiner Veranlagung allein die Grundbuch- und Katasterangaben zugrunde zu legen. Aus § 891 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ergibt sich die gesetzliche Vermutung, dass eingetragene Rechte zugunsten einer bestimmten Person diesen auch zustehen. Diese Vermutung wird nicht bereits durch ihre Erschütterung widerlegt, sondern erst durch den vollen Beweis des Gegenteils.

121

Vgl. BGH, Urt. v. 2. Dezember 2005 – V ZR 11/05 -, juris Rn. 11; Bassenge, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 70. Aufl. 2011, § 891 Rn. 8 je mwN.

122

Dafür ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich. Bei der Berechnung der beitragsfähigen Miteigentumsflächen nach § 7 Abs. 2 Satz 5 KAG M-V kommt es daher nicht auf die sich aus der im notariell beurkundeten Wohnungseigentumsvertrag ergebenden (nicht amtlichen) Flächenangaben der Parzellen, der Garten- und der Gemeinschaftsanteile an. Maßgebend ist allein die Gesamtfläche des Flurstücks [...] und der daraus jeweils resultierende Miteigentumsanteile, wie sie sich aus Angaben im Wohnungs- oder Teileigentumsgrundbuch nach § 7 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) ergeben.

123

c) Zutreffend hat der Beklagte sich hinsichtlich des Beitragsmaßstabs auf § 6 Abs. 2 a) BSSW 2010 gestützt. Denn die gesamte Fläche des Flurstücks [...] liegt im Bereich des Bebauungsplans Nr. 3 der Gemeinde Z.. Entgegen dem klägerischen Vortrag ist mit Blick auf die bauplanungsrechtliche Festsetzung als Wochenend- oder Ferienhausgebiet der Beitragsmaßstab nicht § 6 Abs. 2 f) BSSW 2010 zu entnehmen, sondern § 6 Abs. 2 a) BSSW 2010. Die in § 6 Abs. 2 f) BSSW 2010 genannte "sonstige Nutzung" meint - wie die dort genannten Beispiele ("Camping-Plätze, Schwimmbäder" ferner "Sport- und Festplätze sowie Parkanlagen") zeigen - offenbar nicht die der Erholung dienenden Sondergebiete im Sinne des § 10 Abs. 1 der Baunutzungsverordnung (BauNVO 1990), die nach § 10 Abs. 2 BauNVO 1990 im Bebauungsplan besonders festzusetzen sind. Denn ein bebautes Grundstück wird regelmäßig schmutzwassermäßig in größeren Umfang genutzt, als ein solches etwa mit Zeltplätzen oder Sportanlagen.

124

Insofern geht auch die Rüge fehl, es fehle in der Beitragssatzung gleichheitswidrig an einem entsprechenden Sondermaßstab für Wochenendhaussiedlungen mit Kleingartencharakter. Deshalb bleibt auch der klägerische Hinweis auf eine Freizeitsiedlung mit kleingärtnerische Nutzung der Anlage erfolglos. Der Beklagte weist insoweit zutreffend darauf hin, dass § 3 Abs. 2 des Kleingartengesetzes (KleingG) nur Lauben - also keine Häuser - von viel geringerer Grundfläche (24 m²) als die Wochenendhäuser (mögliche Aufstandfläche laut Bebauungsplan: 70 m²) auf dem streitbefangenen Grundstück zulässt und anordnet, dass diese – im Gegensatz zu den Wochenendhäusern (vgl. § 10 Abs. 1, Abs. 3 BauNVO) nicht zu dauernden Wohnzwecken zu dienen bestimmt sein dürfen.

125

d) Die Höhe des Beitrags bemisst sich entgegen der klägerischen Ansicht nicht nach "wirtschaftlichen und gebrauchspraktischen Vorteilen". Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V, § 6 Abs. 2 BSSW 2010 ist vielmehr der grundstücksbezogene Vorteil maßgebend, den die Eigentümer durch die Möglichkeit des Anschlusses an die nach 1990 hergestellte Schmutzwasseranlage haben. Zum Vorteilsbegriff hat das OVG M-V in seinem "Volkswerft-Urteil" vom 10. Oktober 2007 - 1 L 256/06 - (zit. nach juris Rn. 28) unter Hinweis auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Schleswig-Holstein (OVG S-H) (Urt. v. 21. Dezember 1993 - 2 L 135/92 -, zit. nach juris Rn. 27 m. w. N.) ausgeführt:

126

"Der beitragsrelevante Vorteil, auf den der Maßstab der Beitragserhebung ausschließlich bezogen sein darf, besteht in der Erhöhung des Gebrauchswertes eines Grundstücks, so dass bei der Maßstabsfindung für Anschlussbeiträge von diesem Ansatz her auf den Umfang der wahrscheinlichen Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung abgestellt werden muss. Hierfür bietet die bauliche Ausnutzbarkeit eines Grundstückes einen hinreichenden und anerkannten Aussagewert. [...]"

127

Ein solcher wirtschaftlicher Vorteil, der nicht in der Erhöhung des Grundstücksverkehrswerts in Euro und Cent liegen muss,

128

- dazu ausführlich Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V [Stand: Juni 2010], § 7 Erl. 8.1.1 -

129

ist bereits bei der Möglichkeit des nach Inkrafttreten des ersten Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern erstmals rechtlich dauerhaft gesicherten Anschlusses an eine öffentliche Einrichtung anzunehmen.

130

Der in Schmutzwasserbeitragssatzung festgelegte einheitliche Beitragssatz für alt und neu angeschlossene Grundstücke verletzt nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bzw. das Willkürverbot verletzt, sondern ist sogar geboten. In § 7 BSSW 2010 ist ein einheitlicher Beitragssatz festgesetzt worden, der gleichermaßen für die sogenannten Altanschließer, d.h. Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des ersten Kommunalabgabengesetzes (KAG 1991) an die Schmutzwasserentsorgung angeschlossen waren, als auch die neu angeschlossenen Grundstücke gilt. Dies ist nicht zu beanstanden und entspricht der sog. Altanschließer-Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (OVG M-V), der die Kammer folgt.

131

Vgl. Urteile v. 21. Mai 2008 - 8 A 2429/05 – und v. 22. Januar 2010 – 8 A 1369/09 – juris Rn. 39 mwN.

132

Durch die auf neuer Rechtsgrundlage neu geschaffene öffentliche Einrichtung "Schmutzwasserentsorgung" wird allen angeschlossenen bzw. anschließbaren Grundstücken erstmals der gleiche rechtlich dauerhaft abgesicherte Vorteil verschafft. Dies gilt sowohl für "Altanschließer" als auch für neu angeschlossene Grundstücke.

133

Vgl. OVG M-V, Beschluss vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 -, juris, Rn. 12 mwN; Urt. v. 13. November 2001 - 4 K 16/00 - juris Rn. 58 ff. unter Hinweis auf den Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 - NordÖR 1999, 302 = juris Rn. 16 ff.

134

Diese Rechtsprechung wurde vom Landesgesetzgeber bei der Novellierung des KAG M-V 2005 unter Hinweis auf seine Bindung an den Gleichheitssatz aufgenommen und berücksichtigt (LtDrs 4/1307, S. 48). Nach allem ist auch bei einem bereits vorhandenen Anschluss an die Schmutzwasserbeseitigungsanlage von einer Wertsteigerung des betroffenen Grundstücks auszugehen.

135

e) Der Beklagte durfte das Grundstück innerhalb des Geltungsbereichs des genannten Bebauungsplans vollumfänglich berücksichtigten, obgleich möglicherweise ein Teilbereich der Öffentlichkeit zugänglich gehalten werden muss und auch weiteren bauplanungsrechtlichen Beschränkungen unterliegt. Dem klägerischen Vortrag, der Anteil an der gesamten Gemeinschaftsfläche (insbesondere der „Seewiese“) sei nach den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 3 der Gemeinde Z. "Wochenendhaussiedlung Erholungsgemeinschaft N." vom 28. August 1997 der Öffentlichkeit zugänglich zu halten und müsse deshalb insoweit bei der Beitragserhebung unberücksichtigt bleiben, folgt das Gericht hingegen nicht. Dabei ist vorab klarzustellen, dass ausweislich des genannten Bebauungsplans zum Ufer des N-sees hinunter lediglich Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und Entwicklung von Natur und Landschaft (vgl. auch § 9 Abs. 1 Nr. 20, Abs. 6 des Baugesetzbuchs [BauGB]) ausgewiesen sind. Lediglich für die "Uferpromenade" ist ein - tages- und jahreszeitlich beschränktes - Gehrecht zugunsten der Allgemeinheit nach § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB festgesetzt. Nach dem Inhalt der Festsetzungen ist damit nicht auch die gesamte Seewiese erfasst. Vielmehr handelt es sich bei der am Ufer verlaufenden Linie um die Festlegung der Uferzone, die dem Planzeichen des Gehrechts zwar ähnelt, aber insbesondere kein „G“ enthält. In der südöstlichen Ecke des Flurstücks [...] ist darüber hinaus eine Teilfläche für Schmutzwasseranlagen vorgesehen.

136

aa) Nach ständiger Rechtsprechung führen öffentlich-rechtliche Baubeschränkungen, welche die Ausschöpfung des im Bebauungsplan für ein Grundstück vorgesehenen Maßes der zulässigen baulichen Nutzung verhindern können, wie z. B. bauplanungsrechtliche Festsetzungen nach §§ 16 ff. BauNVO 1990, Nutzungsverbote im Interesse des Umweltschutzes, Anbauverbote im Interesse der Belange des Verkehrs, bauplanungsrechtliche Festsetzungen der überbaubaren Grundstücksfläche gemäß § 23 BauNVO 1990 sowie Bestimmungen, die die Zerstörung erhaltenswerter Bauten untersagen, lediglich zurelativen Beschränkungen, sofern sie nicht ausnahmsweise zur völligen Unbebaubarkeit des Grundstücks führen. Baubeschränkungen, die demgegenüber das Maß der baulichen Nutzung tatsächlich so erheblich einschränken, dass nur ein Teil des Grundstücks bebaut werden kann, der wesentlich geringer als z.B. das durch die Grundflächenzahl zugelassene Nutzungsmaß ist, können nur ausnahmsweise die Bildung einer wirtschaftlichen Einheit in einen Teil erzwingen, soweit das Grundstück baulich nutzbar ist, und in einen nicht zu berücksichtigenden Grundstücksteil.

137

Vgl. dazu zum Erschließungsbeitragsrecht BVerwG, Urt. v. 03. Februar 1989 - 8 C 66/87 -, zit. nach juris, LS 1 und 2 und Rn. 14 ff.; zu § 131 Abs. 1 BauGB; BVerwG, Beschl. v. 29. November 1994 - 8 B 171.94 -, zit. nach juris LS und Rn. 3 ff. m. w. N. sowie zum Beitragsrecht OVG NW, Urt. vom 25. September 2001 - 15 A 3850/99 -, juris Rn. 20 ff. m. w. N. und OVG NW, Urt. v. 24. Juni 2008 - 15 A 4328/05 -, juris Rn. 29; Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24. November 2009 - 6 A 10866/09 - juris Rn. 22; VG Schwerin, Beschl. v. 4. Mai 2006 - 8 B 773/05 -, S. 10 f.; ferner VG Greifswald, Urt. v. 14. März 2007 - 3 A 630/06 - S. 6 ff.

138

Eine andere Betrachtungsweise ist nach der auf das Beitragsrecht übertragbaren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht nur geboten, wenn der Bebauungsplan für eine Teilfläche des Grundstücks die Bebaubarkeit infolge der Festsetzung als "öffentliche Grünfläche" ausschließt. Durch eine solche Ausweisung ist die betreffende Grundstücksfläche jeder beitragsrechtlich relevanten Nutzbarkeit entzogen. Die öffentliche Zweckbestimmung dieser Teilfläche lässt für keine Nutzung Raum, die gerechtfertigt sein könnte, weil die Anschlussmöglichkeit an die Schmutzwasserbeseitigungsanlage sich zugunsten des Eigentümers vorteilhaft auswirken könnte. Vergleichbares gilt bei der Ausweisung einer Teilfläche als "private Grünfläche" aber schon deshalb nicht, weil diese Fläche - mangels Bestimmung für einen öffentlichen Zweck - weiterhin einer einheitlichen Nutzung mit der nicht von der in Rede stehenden Planfestsetzung betroffenen (Rest-)Fläche - zum Beispiel als Hausgarten - zugänglich ist und sich deshalb die von einer Anbaustraße vermittelte Erschließungswirkung auch auf die als "private Grünfläche" ausgewiesene Fläche erstreckt.

139

Dazu BVerwG, Urt. v. 25. Februar 1977 - IV C 35.74 - zit. nach juris LS und Rn. 12 sowie Beschl. v. 29. November 1994 - 8 B 171/94 - zit. nach juris Rn. 4 m. w. N..

140

Der klägerseits angeführte Beschluss des OVG S-H vom 2. September 1998 – 2 M 19/98 – (juris LS und Rn. 6 ff.) sagt nichts anderes aus. Dort heißt es:

141

„Bei der Beitragsbemessung sind Teilflächen, die kein Bauland sind und von der Vorteilswirkung der Entwässerungseinrichtung nicht erfaßt werden, nicht zu berücksichtigen. Wegen des engen Zusammenhangs zur baulichen Ausnutzbarkeit des Grundstücks erstreckt sich der (Anschluß-)Vorteil auf die Fläche, die für die Ermittlung der zulässigen baulichen Nutzung maßgeblich ist […].“

142

Der heute – anders als in § 19 Abs. 3 BauNVO 1990 - im Baugesetzbuch nicht mehr verwendete Begriff des Baulandes (vgl. demgegenüber noch § 9 Abs. 1 BBauG 1960) richtet sich insbesondere nach Art und Maß der baulichen Nutzung (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) sowie nach den Vorgaben der §§ 1 ff., 16 ff. BauNVO 1990 und den konkretisierenden Festsetzungen im maßgebenden Bebauungsplan. Als Bauland ist daher nur die (Teil-)Fläche anzusehen, die nach diesen Vorgaben maximal bebaut werden darf. Auch das OVG S-H führt in der genannten Entscheidung aus (juris Rn 6 unter Bezugnahme auf OVG S-H, Urt. v. 26. März 1992 – 2 L 167/91 -, juris Rn. 39 mwN):

143

„Zur Bemessung des durch die Inanspruchnahmemöglichkeit vermittelten Vorteils ist grundsätzlich auf die zulässige bauliche Nutzung des Grundstücks abzustellen […].“

144

Die Fläche des Grundstücks ist deshalb bei der Beitragsveranlagung in vollem Umfang zu berücksichtigen, wenn es im Rahmen der bauplanungsrechtlichen Vorgaben, hier insbesondere der festgesetzten Grundflächenzahl (zur Definition § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) auch bei weiteren Nutzungsbeschränkungen durch andere Vorschriften baulich genutzt werden kann. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn die bebaubare Fläche („Bauland“) bei Berücksichtigung von öffentlich-rechtlichen Beschränkungen (öffentliche Grünflächen, eventuell auch naturschutzrechtliche Beschränkungen) so klein wäre, dass im konkreten Fall für eine sinnvolle Bebauung kein Platz mehr wäre.

145

Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 17. Januar 1986 – 9 B 37/85 – juris nur LS = KStZ 1986, 119; vgl. auch Stange, Baunutzungsverordnung 2011, § 19 Rn. 16 mwN.

146

Das wäre nur bei solchen Baubeschränkungen anzunehmen, die das Maß der baulichen Nutzung tatsächlich so erheblich einschränken, dass die bebaubare Fläche auf einen kleinen Teil des Grundstücks beschränkt wird, der wesentlich geringer als z.B. das durch die Grundflächenzahl zugelassene Nutzungsmaß ist. Dann müssten ggf. auch eine wirtschaftliche Einheit, soweit das Grundstück baulich nutzbar ist, und ein nicht zu berücksichtigender Grundstücksteil zu bilden sein.

147

Vgl. OVG NW, Urt. v. 29.November 1988 - 2 A 1678/86 - zit. nach juris Rn. 44 und v. 25. September 2001 - 15 A 3850/99 -, Rn. 20 sowie OVG NW, Beschl. v. 29. Oktober 2004 - 15 A 3608/04 - juris Rn. 3.

148

bb) Zu gesetzlichen Beschränkungen bevorteilter Grundflächen durch §§ 14 ff. des Naturschutzausführungsgesetzes (NatSchAG M-V) vom 25. Februar 2010 (GVOBl. M-V, S. 66) ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass das Gericht bereits im Beschluss vom 31. März 2008 – 8 B 79/08 - unter Bezugnahme auf den Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen (OVG NW) vom 22. März 2005 - 15 A 300/05 - (zit. nach juris Rn. 13) zur Anschlussbeitragspflicht bei Grundstücken, die in einem Landschaftsschutzgebiet liegen, ausgeführt hat:

149

"[Die Antragsteller] können auch nicht damit durchdringen, die Wasserbeitragssatzung lasse außer Acht, dass Grundstücke den Einschränkungen des § 20 Abs. 1 Nr. 2 des Landesnaturschutzgesetzes (LNatG M-V) unterliegen. Diese Einschränkung führt jedenfalls nicht dazu, dass die betroffenen Grundstücke nicht mehr bebaubar sind. Gesetzlich geschützte Biotope und Geotope unterliegen zwar gemäß § 20 LNatG M-V einem naturschutzrechtlichen Schutzregime, das die Nutzungsmöglichkeiten einschränkt, die betroffene Fläche aber nicht der privatnützigen Verwendung entzieht. Vielmehr dient die Unterschutzstellung nach der genannten Bestimmung nur bestimmten Zwecken. Danach sind Maßnahmen unzulässig, die zur Zerstörung, Beschädigung, Veränderung des Zustandes oder erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung näher beschriebener Biotope führen können. Die private Nutzung wird also naturschutzrechtlich überlagert, aber nicht verdrängt. Unerheblich ist auch, ob die Beschränkungen dem Allgemeininteresse dienen oder der Abwehr von Beeinträchtigungen, die von der baulichen Nutzung des Grundstücks selbst ausgehen wie etwa einzuhaltende Abstandsflächen."

150

Zudem lässt § 20 Abs. 3 NatSchAG M-V im Einzelfall Ausnahmen von den Beschränkungen zu.

151

cc) Die oben näher beschriebenen im Bebauungsplan Nr. 3 genannten Beschränkungen führen zu keiner solchen Differenzierung zwischen einem bebaubaren und unbebaubaren Teil des streitbefangenen Flurstücks. Es ist nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 a) BSSW 2010 im vollen Umfang zu berücksichtigen. Auch wenn die Seewiese und der mit einem Gehrecht belegte Teil des Flurstücks nicht bebaut werden dürfen, ist das durch den Bebauungsplan vorgegebene Maß der baulichen Nutzung nicht unterschritten.

152

Die Grundflächenzahl beträgt nach dem Bebauungsplan ca. 0,11. Nach dessen Festsetzungen (vgl. Nr. 1.2 und 1.3 der textlichen Festsetzungen) dürfen die - auf einer Fläche von insgesamt ca. 47.000 m² befindlichen - Wochenendhäuser eine Grundfläche von 60 m² zuzüglich eines Wintergartens von maximal 10 m² haben, also insgesamt 70 m². Dies ergibt bei 104 Wochenendhäusern eine Gesamtfläche von 7.280 m². Dies entspricht bei einer Gesamtgröße des Flurstücks von 64.650 m² einer Grundflächenzahl von etwa 0,11.

153

Selbst wenn der Bebauungsplan die höchstmögliche Grundflächenzahl bei Wochenendhausgebieten nach § 17 Abs. 1 BauNVO 1990 von 0,2 festgesetzt hätte, ergebe sich nichts anderes. Danach könnte auf dem gesamten Flurstück eine Fläche von maximal 12.930 m² bebaut werden. Die vorgesehene Fläche des Gehrechts entlang der "Uferpromenade" und die mit den naturschutzrechtlichen Beschränkungen überlagerte Fläche im Bereich der Seewiese (ca. 18.000 m²) überschreitet die danach bebaubare Fläche ersichtlich nicht. Es darf auch hierbei keiner abschließenden Klärung, welche Fläche für das Gehrecht vorgesehen ist. Die mit den Wochenendhäusern bebaute Fläche beträgt insgesamt 47.000 m². Anderes würde auch dann nicht gelten, wenn das Gehrecht die gesamte Seewiese erfassen würde.

154

dd) Die nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB - im Falle der Begründung entsprechender öffentlich-rechtlicher oder privater Nutzungsrechte - öffentlicher Nutzung zugänglich zu haltende, relativ schmale "Uferpromenade" (vgl. näher Nr. 2.1 der textlichen Festsetzungen im Bebauungsplan) entzieht den Grundstückseigentümern zudem die Nutzbarkeit der überplanten Fläche nicht vollständig. Sie schließt nur solche Nutzungen aus, welche die geplante Ausübung dieses Rechts behindern oder unmöglich machen würde. Es ist deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine mit einem Gehrecht zu belastende Fläche anderweitig genutzt werden kann. Anders wäre zu entscheiden, wenn die Nutzung der zu belastenden Fläche so intensiv wäre, dass eine andere Benutzung durch den Eigentümer so gut wie ausgeschlossen wäre.

155

Vgl. näher BVerwG, Beschl. v. 18. Dezember 1987 - 4 NB 2.87 - zit. nach juris Rn. 22; Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Urt. v. 4. Juli 1995 - 1 BA 1/95 - juris Rn. 32 f.; OVG NW, Urt. v. 30. Januar 1996 - 11a D 127/92.NE zit. nach juris Rn. 10 ff.; 15 Beschl. v. 19. Juni 2002 - 10a D 115/99.NE - juris Rn. 26 m. w. N..

156

Dafür ist aber bislang weder etwas vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Vielmehr lässt auch die nach dem Bebauungsplan tages- wie jahreszeitlich beschränkte Geltung des Gehrechts zugunsten der Allgemeinheit auf eine verbleibende private Nutzbarkeit schließen. Die in Rede stehenden Flächen können in anderer Beziehung durch die Eigentümer des Flurstücks [...] genutzt werden, soweit diese Nutzung dem Zweck des Gehrechts nicht entgegenstehen; sie dürfen in der Regel nur nicht in einer Weise bebaut werden, das die Ausübung des Gehrechts behindert (vgl. dazu OVG NW, Urt. v. 30. Januar 1996 - aaO, Rn. 10).

157

ee) Im Übrigen sind zum Seeufer hin lediglich Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und Entwicklung und Natur und Landschaft ausgewiesen (vgl. auch § 9 Abs. 1 Nr. 20, Abs. 6 BauGB). Wie dargestellt, ist die volle bauliche Ausnutzbarkeit des gesamten Grundstücks nicht erforderlich, um den Beitrag auf die gesamte Fläche zu erheben, denn der betreffende Grundstücksteil kann im Rahmen der dort genannten Festsetzungen weiterhin etwa als Liegewiese oder Gartenland genutzt werden. Darüber hinaus ist das streitgegenständliche Grundstück mit zahlreichen Wochenendhäusern bebaut, was seine prinzipielle Bebaubarkeit belegt. Es ist mithin gemäß § 6 Abs. 2 a) BSSW 2010 vom Beklagten mit der Gesamtfläche als im Geltungsgebiet eines Bebauungsplanes liegend angesehen worden. Dass die Eigentümer das Grundstück in einzelnen Beziehungen nicht voll nutzen können, führt danach nicht zur Reduzierung der bevorteilten Beitragsfläche (vgl. auch Urt. der Kammer vom 21. Mai 2008 - 8 A 2429/05 -, S. 6 f. zum Trinkwasserbeitragsrecht). Dies würde auch gelten, wenn die - zudem nicht ausnahmslos geltenden - Baubeschränkung aus dem hier allerdings wegen des Bebauungsplans nicht heranzuziehenden § 29 Abs. 1 Satz 1 NatSchAG M-V hergeleitet würde, wonach nur ausnahmsweise Bauten in einem Abstand von 50 m gewässerwärts von der Mittelwasserlinie an gerechnet nicht errichtet oder verändert werden dürfen.

158

hh) Es kommt nicht darauf an, ob im Jahre 2008 auf Seiten des Zweckverbandes Wismar im Rahmen von Verhandlungen mit der Wohnungseigentümergemeinschaft über den Abschluss eines Erschließungsvertrages von der Nichtberücksichtigung der Seewiese bei einer Beitragsveranlagung ausgegangen ist, wie klägerseitig vorgetragen wird. Dies ist im vorliegenden Rechtsstreit unerheblich. Maßgebend ist allein, ob der streitgegenständliche Beitragsbescheid die zu veranlagende Fläche (vollständig) erfasst. Ein (möglicherweise abweichender) Meinungsbildungsprozess auf Beklagtenseite hat auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides keinen Einfluss.

159

ii) Hinsichtlich der Fläche des auf der Gemeinschaftsfläche stehenden Pumpenspeicherwerks des Zweckverbandes Wismar hat das Gericht in den zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bislang Bedenken geäußert, ob diese bei der Beitragsberechnung habe berücksichtigt werden dürfen.

160

Daran hält das Gericht nach neuerlicher Prüfung nicht mehr fest.

161

Zutreffend ist zwar, dass im vorliegenden Fall die Fläche in der Größe der Umpflasterung der Pumpstation von insgesamt 27,86 m² durch die Eigentümer des Grundstücks nicht genutzt werden können. Die übrige vom Bebauungsplan festgesetzte Fläche von ca. 400 m² kann hingegen genutzt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Schmutzwasseranlage nicht beeinträchtigt wird. Diese nichtnutzbare Fläche ist aber im Verhältnis zur Gesamtfläche des Grundstücks (64.650 m²) so klein, dass sie mit 0,043 % nicht ins Gewicht fällt und die durch den Anschluss an die Schmutzwasseranlage erlangten Vorteil nicht mindern. Bei dieser „Größenordnung“ bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, wann eine nicht nutzbare Fläche bei der Beitragsberechnung unberücksichtigt bleiben muss.

162

Die klägerseitig vorgetragenen abweichenden Angaben im Liegenschaftskataster bezüglich eines Teils der Seewiese, wie sie im Schreiben der Landrätin des Landkreises Nordwestmecklenburg vom 8. September 2010 zum Ausdruck gekommen sind, braucht deshalb nicht weiter nachgegangen zu werden, weil – wie dargestellt - nach Auffassung des Gerichts die Gesamtfläche des Flurstücks bei der Veranlagung zu berücksichtigen ist.

163

f) Da die Alt- und Neuanschließer durch den Anschluss an die Schmutzwasseranlage die gleichen Vorteile genießen, sind entgegen klägerischer Auffassung auch die Kosten der technischen Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten erstellten Schmutzwasseranlagen aus der aktuellen Beitragskalkulation einzubeziehen. In den beiden (nicht veröffentlichten) Urteilen vom 22. Januar 2010 - 8 A 1364/09 und 1366/10 - hat das Gericht diesbezüglich hinsichtlich der Beitragskalkulation ergänzend ausgeführt, dass die

164

"nach 1990 durchgeführte (technisch betrachtet) Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten erbauten Anlageteilen beitragsrechtlich gesehen keine Erneuerung [ist], sondern erstmalige Herstellung einer Anlage im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Deshalb bedarf es insoweit auch keiner Beitragssatzung über Erneuerungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V. Nur wenn diese Anlagenteile danach nochmals erneuert werden, sind die dadurch verursachten Kosten Erneuerungskosten, die beitragsrechtlich nicht als Herstellungsaufwand berücksichtigt werden dürfen."

165

Deshalb durfte der Zweckverband Wismar die klägerseitig monierte Einstellung von 20.000.000 € Kosten für die die technische Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten hergestellten Kanalsystemen bei der Beitragskalkulation als Herstellungskosten berücksichtigen.

166

Nach dem Vorstehenden geht auch das weitere klägerische Argument fehl, wonach der Zweckverband Wismar bereits deshalb keine Abgaben erheben dürfe, weil die Eigentümer jedenfalls keinen Vorteil aus einer vom Zweckverband vorgenommenen Handlung erlangt habe. Dabei wird verkannt, dass der Zweckverband nur für solche Investitionen Beiträge erhebt, die er selbst vorgenommen hat. Investitionen aus „DDR-Zeiten“ werden damit nicht finanziert. Somit liegt eine von den Eigentümern zu finanzieren Handlung des Zweckverbandes vor.

167

g) Die Erhebung von Beiträgen ist nicht deshalb nach § 242 Abs. 9 BauGB (früher: § 246a Abs. 1 Nr. 11 BauGB a.F.) unzulässig, weil die Schmutzwasseranlage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Einigungsvertrages bereits hergestellt gewesen ist. Denn bei einer solchen Anlage handelt es sich um keine Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB. In § 127 Abs. 4 BauGB wird bezüglich (u. a.) leitungsgebundener Anlagen ausdrücklich darauf verwiesen, dass das Recht zur Erhebung von Beiträgen für diese Anlagen unberührt bleibt, sofern andere Gesetze - wie insbesondere die Kommunalabgabengesetze der Länder - dies vorsehen

168

Dazu Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 127 Rn. 50; Kniest, in: Ferner/Kröniger/Aschke, BauGB, 2. Aufl. 2008, § 127 Rn. 27.

169

Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der Bundesgesetzgeber in den Fällen von bereits zu "DDR-Zeiten" fertig gestellten öffentlich-rechtlichen leitungsgebundenen Anlagen gerade keine zeitliche Sperre für eine Beitragserhebung vorschreiben wollte.

170

h) Der Beitragsanspruch des Zweckverbandes Wismar ist auch nicht gemäß § 12 KAG 1993 bzw. § 12 Abs. 2 KAG M-V in Verbindung mit §§ 47,169 ff. AO endgültig verjährt. Danach galt bzw. gilt eine Festsetzungsfrist von vier Jahren. Die Verjährung hängt nicht allein davon ab, dass ein bestimmter Zeitraum verstrichen ist. Maßgebend ist zunächst, dass die Frist auch angelaufen ist. Das ist hier nicht der Fall:

171

aa) Die Festsetzungsverjährungsfrist beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, indem die Abgabe (abstrakt) entstanden ist. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 war dies der Zeitpunkt der Anschlussmöglichkeit des Grundstücks an die Anlage, frühestens mit Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass ein einmal verjährter Beitragsanspruch durch eine gesetzliche Neuregelung oder eine neue Beitragssatzung aus rechtsstaatlichen Gründen nicht wieder aufleben könnte (vgl. nur Steiner, LKV 2009, 254 [255 f. mwN]).

172

Im Falle der Schmutzwasserbeiträge des Zweckverbandes Wismar sind bisher keine Beitragsansprüche verjährt, weil die maßgebenden Festsetzungsfristen überhaupt noch nicht angelaufen sind.

173

(1) Die Frist beginnt nach Auffassung des Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, welcher der Kammer folgt, erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung,

174

- vgl. nur OVG M-V, Beschluss vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 – juris, Rn. 21 ff.; Beschl. v. 27. Januar 2006 - 1 M 60/06 - juris Rn. 8, weitere Nachweise bei Aussprung, NordÖR 2005, 240 (246 Fn. 43) -

175

nicht hingegen mit der Veröffentlichung einer (Vorgänger-)Satzung mit formellem Geltungsanspruch. Dies entspricht nunmehr auch dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 KAG M-V 2005.

176

Vgl. dazu auch LtDrs 4/1307 S. 48 unter Hinweis auf die dazu ergangene Rechtsprechung des OVG M-V.

177

(2) Diese Aussage war – und ist auch heute wieder - unabhängig des vom den jeweiligen Landesgesetzgebern gewählten Wortlauts in den Kommunalabgabengesetze einheitliche Rechtsprechung.

178

Vgl. etwa OVG NW, Urt v. 6. April 1976 - II A 121/76 -, OVGE 32, 41 (42); Urt. v. 31. Oktober 1984 - 2 A 1156/84 -, OVGE 37, 188 (192); Urt. v. 7.September 1993 - 2 A 169/91 -, StuGR 1994, 57 (60 f.); VGH Bad-Württ, Urt. v. 27. Februar 1992 – 2 S 1328/90 - juris LS 2 und Rn. 19; OVG M-V, Beschl. v. 22. September 2004 – 1 M 166/04 – juris Rn. 7 ff.; ferner VG Schwerin, Urt. v. 28. September 2005 - 4 A 1265/02 - juris Rn. 103; weitere Nachweise bei Driehaus, in: ders. Kommunalabgabenrecht (Stand: März 2011), § 8 Rn. 492; Birk, ebenda, § 8 Rn. 685b; Quaas, Kommunales Abgabenrecht, 1997, Rn. 136 mwN.

179

Sie gilt daher auch unabhängig davon, ob in § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht mit der Novelle von 2005 ausdrücklich von einer ersten wirksamen Satzung abhängig gemacht worden ist.

180

Der gegenteiligen - mittlerweile wieder aufgegebenen - Rechtsprechung des OVG Brandenburg ist nicht zu folgen. Danach soll für den Beginn der Festsetzungsverjährung der Erlass der ersten Abgabensatzung unabhängig von deren Wirksamkeit maßgebend sein

181

Vgl. zu der entsprechenden landesrechtlichen Bestimmung OVG Brandenburg, Urt. v. 8. Juni 2000 - 2 D 29/98 -, zit. nach juris, LS 1 und Rn. 49; ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 - zit. nach juris LS 2 und Rn. 19 unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung.

182

Diese Auffassung ist mit dem kommunalen Abgabenrecht jedenfalls Mecklenburg-Vorpommerns unvereinbar, da durch eine nichtige Satzung die Beitragspflicht nicht entstehen kann.

183

Zutreffend Becker, KStZ 2001, 161 [164]; Becker/Schiebold, LKV 2001, 94 (95).

184

Zudem widerspricht eine solche Auslegung dem Sinn und Zweck des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993. Danach entstand die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung. Die Satzung konnte einen späteren Zeitpunkt bestimmen. Die Regelungen hat der Gesetzgeber für das Anschlussbeitragsrecht für erforderlich gehalten, um das Entstehen der Beitragspflicht für leitungsgebundene Einrichtungen vorzuverlegen (vgl. LtDrs 1/113 S. 8 [Nr. 5 zu § 8]). Dies ist im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen auch sinnvoll, da - würde auf den Zeitpunkt der Fertigstellung der gesamten Entwässerungseinrichtung abgestellt - dies das Entstehen der Beitragspflicht um Jahre verzögern könnte. Zudem hat (vgl. Landtagsdrucksache, aaO.) der Landesgesetzgeber eine Sonderregelung für die Anschlussbeiträge deshalb für erforderlich gehalten, weil eventuell Anschlussmöglichkeiten bereits vor Inkrafttreten des KAG M-V gegeben und eine Beitrags- oder eine einmalige Anschlussgebührenpflicht nach altem (preußischen) Recht nicht entstanden war. Für diesen Fall sollte die Anschlusspflicht frühestens mit Inkrafttreten der ersten Satzung entstehen, die den Anschlussbeitrag nach neuem Recht regelt.

185

Vgl. auch OVG M-V, Beschl. v. 29. Juli 1997 - 6 M 93/97 - juris, Rn. 25.

186

§ 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 diente daher in gewissem Umfang auch dem Schutz des kommunalen Aufgabenträgers

187

Ebenso Becker, KStZ 2001, 161 (162 f. unter Hinweis auf die in den neuen Bundesländern bestehenden Probleme bei der Gründung von Zweckverbänden) sowie Becker/Schiebold LKV 2001, 94 (95).

188

Entgegen der Meinung des OVG Brandenburg (aaO Rn. 48 mwN) stellte § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 KAG 1993 auch keine Ausnahmeregelung dar, da das Inkrafttreten der Satzung neben der Anschließbarkeit des Grundstücks zwingend ist.

189

Vgl. auch Becker, KStZ 2001, 161 (163); Becker/Schiebold, LKV 2001, 94 (95).

190

Das OVG Berlin-Brandenburg vertritt im Übrigen nunmehr ebenfalls (wieder) die Auffassung, dass Beginn der Verjährungsfrist neben der Herstellung der Anschlussmöglichkeit an das Grundstück das Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung ist.

191

Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12. Dezember 2007 - 8 B 44.06 - juris, LS und Rn. 50.

192

Eine solche Auslegung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. näher Steiner, LKV 2009, 254 [255 f.]).

193

Soweit klägerseitig unter Hinweis auf eine Passage in der Landtagsdrucksache 1/113 S. 8 darauf hingewiesen wird, dass neben der Anschlussmöglichkeit maßgebend nur die erste formell in Kraft getretene Satzung gewesen sei, ist dies bereits deshalb unzutreffend, weil die Drucksache keine Aussage zum Beginn der Verjährungsfrist enthält. Dazu bestand seinerzeit auch kein Anlass, weil damals die Rechtsprechung – soweit ersichtlich – diesbezüglich einheitlich war. Soweit klägerseitig unter Hinweis auf die genannte Drucksache („[…] wenn die Anschlussmöglichkeit bereits früher gegeben und Beitrags- oder eine einmalige Anschlussgebührenpflicht nach altem Recht nicht entstanden war […]“) vorgetragen wird, dass bereits vor Inkrafttreten des ersten KAG 1991 oder jedenfalls mit Erlass der ersten Satzung die Verjährungsfrist in Gang gesetzt worden sei, ist dies unzutreffend. Auch dann ist nach Auffassung des Gerichts Voraussetzung, dass diese Satzung rechtswirksam gewesen ist. Der Gesetzgeber hat das Gesetz in Kenntnis der damals noch einhelligen oben zitierten älteren Rechtsprechung verabschiedet, dass mit erster Satzung die erste wirksame Satzung gemeint ist. Es ist nicht ersichtlich, dass der Landtag insoweit von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist.

194

bb) Der Beitragsanspruch konnte im vorliegenden Fall schon deshalb nicht endgültig verjähren, weil die Festsetzungsfrist nach den vorstehenden Ausführungen nicht anlaufen konnte. Die bisherigen Beitragssatzungen des Zweckverbandes Wismar waren sämtlich rechtsunwirksam:

195

(1) Die Beitrags- und Gebührenssatzung des Zweckverbandes Wismar vom 1. März 1992 war nichtig, weil sie nicht im eigenen Amtsblatt des Zweckverbandes oder einer von der Verbandssatzung bestimmten Zeitung veröffentlicht worden ist, sondern im Wismarer Kreisanzeiger mit Amtsblatt für den Landkreis Wismar. Dabei handelte es sich um das amtliche Veröffentlichungsorgan (nur) für den Landkreis Wismar, in dem Satzungen anderer Träger nicht rechtswirksam veröffentlicht werden konnten. Denn nach § 5 Abs. 3 KV DDR waren Satzungen zu veröffentlichen. Wenn es dort auch an näheren Bestimmungen zur Veröffentlichung fehlt, war es dennoch ausgeschlossen in einem Amtsblatt eines fremden Hoheitsträgers Satzungen zu veröffentlichen. Es musste sich aber - nach Maßgabe der Hauptsatzung - um das eigene amtliche Veröffentlichungsorgan oder jedenfalls um eine Tages- oder Wochenzeitung handeln (vgl. auch Bretzinger/Büchner-Uhder, Kommunalverfassung, 1. Aufl. 1991, § 5 Rn. 8). In materieller Hinsicht war die Satzung schon deshalb nichtig, weil sie entgegen § 8 Abs. 1 KAG 1991 bei der Bestimmung des Baukostenzuschusses in Nr. 2.1 nicht auf die individuellen Vorteile des jeweils bevorteilten Grundstücks abstellten, sondern pauschal (mit hier nicht interessierenden Modalitäten) einen Baukostenzuschuss von 2.000,-- DM festsetzten.

196

(2) Die Beitrags- und Gebührensatzung vom 1. Juli 1993 ist aus den gleichen Gründen wie die Vorgängersatzung nichtig. Der pauschale Baukostenzuschuss von 3.000,-- DM stellte nicht auf die Vorteile des Anschlusses des Grundstücks ab.

197

(3) Auch die Beitrags- und Gebührensatzung in der Fassung vom 22. Dezember 1993 wurde ebenfalls fehlerhaft im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht. Zudem begegnet sie in materieller Hinsicht durchgreifenden Bedenken, weil der in Nr. 1.3 bestimmte pauschale Anschlussbeitrag von 750,-- DM je Entsorgungseinheit unabhängig von der Größe und Art des Grundstück festgelegt wurde, also gleichfalls nicht auf die Vorteile für das jeweilige angeschlossene Grundstück abstellte.

198

(4) Auch die - klägerseitig in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellte - am 1. Januar 1996 erlassene Satzung des Zweckverbandes Wismar vom 22. Dezember 1995 war in materieller Hinsicht nichtig. Zum einen wies diese Satzung Fehler insoweit auf, als beim Beitragsmaßstab die Außenbereichsflächen mit der Grundflächenzahl (GRZ) von 0,4 vorteilswidrig zu hoch angesetzt und keine Abgeltungsfläche festgelegt war. Dies wäre aber wegen der Einmaligkeit der Beitragsveranlagung notwendig gewesen. Zum anderen lag der Verbandsversammlung seinerzeit keine ordnungsgemäße Kalkulation vor. Ihr hat nur eine Tabelle mit den maßgebenden Daten vorgelegen, nicht aber notwendige weitere Unterlagen. Zudem waren für Teilmaßnahmen Teilbeiträge ermittelt und danach addiert worden, obgleich die Satzung keine Kostenspaltung vorsah.

199

Dazu VG Schwerin, Urt. v. 28. Juni 2001 - 4 A 2239/01 - sowie im Beschl. v. 19. Oktober 1999 - 4 B 889/98 - zur Kalkulation.

200

Das Verdikt der Unwirksamkeit würde diese Satzung selbst dann treffen, wenn diese während ihrer formellen Gültigkeitsdauer unbeanstandet angewandt worden sein sollte und es auch keine entsprechenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichts oder Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern in einzelnen Verfahren oder im Normenkontrollverfahren gegeben haben sollte. Die Nichtigkeit der früheren Satzungen muss nicht durch Normenkontrollentscheidung gemäß § 47 VwGO in Verbindung mit § 13 des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsstrukturgesetz durch das OVG M-V festgestellt werden, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im vorliegenden Verfahren herleiten zu können. Das Gericht hat bereits in den genannten Urteilen vom 22. Januar 2010 (u. a. juris Rn. 46) im Einzelnen dargelegt, dass die Nichtigkeit früherer Satzungen nicht allein durch eine Normenkontrollentscheidung durch das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern festgestellt werden muss, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im Einzelfall herleiten zu können. Bei Satzungen ist zwar die formelle Verwerfungskompetenz der Gerichte mit allgemeiner Verbindlichkeit auf das abstrakte Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO beschränkt.

201

Zu den Folgerungen daraus siehe Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rn. 141 ff.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, § 47 Rn. 364 ff.

202

Den Verwaltungsgerichten fehlt diese Kompetenz. Sie haben aber nach Art. 20 Abs. 3 GG mit Blick auf das zwingende Satzungserfordernis des § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bei Überprüfung einzelner Abgabenbescheide die ihnen zugrunde liegenden Satzungen auf ihre Wirksamkeit (inzidenter) zu überprüfen, soweit hierzu Anlass besteht. Eine gültige Satzung ist Entstehungsvoraussetzung der Abgabe.

203

Vgl. dazu Quaas, Kommunales Abgabenrecht, Rn. 22 mwN; Meyer, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2002 Rn. 180a; Glaser, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 5 Rn. 4 aE.

204

Weist die Satzung bei dieser Prüfung Fehler auf, die sie unanwendbar machen, ist der angefochtene Bescheid in jedem Einzelfall mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig und aufzuheben, wenn die Satzung auch nicht formell vom Gericht aufgehoben werden und deren Nichtigkeit ausdrücklich (und mit Allgemeinverbindlichkeit) festgestellt werden kann. Für den jeweiligen Einzelfall wird die fehlerhafte Satzung aber so behandelt, als wäre sie nichtig.

205

Sensburg/Maslaton, Abgabenrecht in der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, 2007, S. 25; weitergehend Hill, Soll das kommunale Satzungsrecht gegenüber staatlicher und gerichtlicher Kontrolle gestärkt werden? 1990, D 109 (Nichtigkeitserklärung durch jedes Gericht im Einzelfall.).

206

Zwar könnte der kommunale Aufgabenträger die Satzung weiter anwenden, da Urteile des Verwaltungsgerichts nur inter partes gelten (vgl. § 121 VwGO) und die inzidente Nichtigkeitsfeststellung nicht allgemein verbindlich (Umkehrschluss aus § 47 Abs. 5 VwGO) ist. Er würde dann aber jeweils ein möglicherweise kostenträchtiges Unterliegen in einem nachfolgenden Verwaltungsstreitverfahren riskieren. Auch das Verwaltungsgericht stellt im vorliegenden Fall die Unwirksamkeit der Satzung nur in diesem Einzelfall fest.

207

Diese Feststellung der Nichtigkeit kann entgegen klägerischer Ansicht auch erfolgen, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Satzung bereits nicht mehr formell in Kraft ist, es aber - etwa wie hier zur Klärung der Verjährungsfrage – auf die Gültigkeit früherer Satzungen ankommen sollte. Dem Gericht ist kein Rechtssatz bekannt, wonach eine während ihres Anwendungszeitraums gerichtlich unbeanstandet gebliebene Satzung später nicht mehr auf ihre Wirksamkeit überprüft werden darf.

208

(5) Des Weiteren verstieß auch die Satzung von 18. Oktober 2000 gegen höherrangiges Recht und war nichtig. Dem Beitragssatz lag keine ordnungsgemäße Kalkulation zu Grunde. Die Vollgeschossfaktoren in Satzung und Kalkulation wichen voneinander ab. Zudem lagen Fehler bei Flächenermittlung vor, da der Vollgeschossfaktor der Satzung nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Schließlich waren die Kläranlagen in die Kalkulation nicht einbezogen worden (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 3. Juni 2004 - 4 A 1623/02). Die Satzung vom 20. Dezember 2005 ist durch Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27. Juni 2008 - 8 A 1654/08 - aus materiellen, die Satzung betreffenden Gründe für nichtig erklärt worden.

209

(6) Auch die (letzte) Beitragssatzung vom 7. Mai 2009 war - wie die Kammer in den oben genannten Urteilen festgestellt hat - wegen Widersprüchlichkeit der Regelungen in § 6 Abs. 4 und 5 f) BSSW 2009 (Bestimmung der Anzahl der Vollgeschosse, wenn diese nicht feststellbar sind) bzw. wegen Unvollständigkeit der Bestimmung zur Festlegung von Vollgeschossen in vor dem 30. April 1994 errichteten Gebäuden in § 6 Abs. 5 e) Satz 3 BSSW 2009 nichtig.

210

(7) Die Festsetzungsverjährungsfrist konnte daher erst mit Bekanntgabe der letzten, jetzt maßgebenden Änderungssatzung zu laufen beginnen. Das war im vorliegende Fall der 1. Januar 2011, da der Beitragsanspruch erst mit Inkrafttreten der Beitragssatzung vom 3. März 2010, also im Jahr 2010 entstanden ist (vgl. § 170 Abs. 1 AO).

211

cc) Dem jeweiligen Beitragsschuldner steht auch kein Vertrauensschutz in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen zur Seite. Das Ergebnis, wonach im Beitragsrecht eine spätere rechtswirksame Satzung den Zeitraum einer früheren nichtigen Satzung erfasst, steht mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG im Einklang. Insbesondere ist das Vertrauen des Beitragszahlers in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen nicht in der Weise geschützt, dass er Anspruch hätte, auf Grundlage der zum Zeitpunkt der Anschließbarkeit des Grundstücks maßgebenden Verhältnissen nach der damals formell gültigen Satzung veranlagt zu werden. Der Bürger kann sich nicht immer auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen. Dies gilt insbesondere, wenn sich eine Rechtsnorm im Nachhinein als ungültig erweist und durch eine neue rechtlich nicht zu beanstandende Bestimmung ersetzt wird.

212

Vgl. grundlegend BVerfG, Urt. v. 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261 ff., zit. nach juris Rn. 48 ff., 54 m. w. N.

213

Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht im Übrigen nicht so weit, den Bürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Schutzwürdig ist zudem nur das getätigte Vertrauen, also eine "Vertrauensinvestition", die zu Erlangung einer Rechtsposition geführt hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 2. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 - u. a. juris Rn. 82 m. w. N.). Eine solche Rechtsposition erwächst nicht aus dem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit einer Beitragssatzung.

214

dd) Der Beitragsanspruch ist auch nicht verwirkt. Als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung bedeutet Verwirkung, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete in Folge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung).

215

Zu den Voraussetzungen der Verwirkung OVG M-V, Beschl. v. 22.9. 2004 - 1 M 166/04 - juris Rn. 24; Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl. 2006, § 4 Rn. 21; Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13 je mwN. aus der Rechtspr. des Bundesfinanzhofs; vgl. auch OVG M-V, Beschl. v. 18. März 2008 - 1 M 15/08 - S. 6 mwN (n. v.]).

216

Zwar ist der Anschlussbeitrag über einen langen Zeitraum nicht geltend gemacht worden. Jedoch durfte der Beitragsschuldner regelmäßig nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte den Beitrag nicht mehr einfordern wird. Es ist nichts ersichtlich, dass der Beklagte gegenüber Beitragsschuldner jemals zu erkennen gegeben hat, er werde den Beitrag nicht mehr geltend machen. Auch nach dem Inhalt früherer Satzungen war der Beklagte gehalten, Beiträge gegenüber Altanschließern geltend zu machen. Die Durchsetzung dieses Rechts mit einem Bescheid erscheint daher nicht als unzumutbarer Nachteil zu Lasten des Beitragsschuldners. Zudem kann eine Verwirkung bei einer laufenden Verjährungsfrist nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (siehe Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13). Solche sind hier nicht ersichtlich.

217

Der Anspruch ist auch nicht verwirkt, weil der Zweckverband im Rahmen einer früheren (Rechnungsperioden-)Kalkulation keine Altanschließer berücksichtigt hat. Es ist bereits fraglich, ob allein aus dem Umstand, dass Altanschließer in einer Rechnungsperiodenkalkulation nicht berücksichtigt werden, geschlossen werden kann, dass der Zweckverband diese nicht mehr veranlagen werde. Denn die Nichterfassung der Altanschließer kann darauf zurückzuführen sein, dass etwa wegen der Berücksichtigung neuer Baugebiete bei dem zeitlich zu berücksichtigenden Rahmen nur Neuanzuschließende erfasst werden sollten. Daraus folgt nicht, dass prinzipiell Altanschließer von Beitragslasten freigestellt werden sollten. Darüber hinaus handelt es sich bei der Kalkulation um einen behördeninternen Vorgang. Dieser lässt keine Rückschlüsse auf das Veranlagungsverhalten der Behörde im Einzelfall zumal dann nicht zu, wenn die Beitragssatzung für eine solche Differenzierung zwischen Neu- und Altanschließern keinen Anhalt bietet. Der Zweckverband hat keine Satzung erlassen, in denen auf Anschlussbeiträge von Altanschließern generell verzichtet werden sollte.

218

ee) Anzumerken bleibt, dass die Beitragsschuldner auch nicht mit dem Argument durchdringen, der Beklagte habe zeitnah mit dem tatsächlichen Anschluss des Grundstücks und seiner Satzung aus dem Jahre 1992 neben den Hausanschlussbeitrag sogleich auch den Anschlussbeitrag erheben müssen, so dass sie in den "Genuss" eines früheren niedrigen Beitrags von 2.000,-- DM oder 3.000,-- DM gekommen wären. Zum einen geben die Verjährungsvorschriften dem Beklagten vor, innerhalb welcher Zeiträume er Beitragsbescheide erlassen muss. Er ist weder nach Satzungsrecht noch nach sonstigen Vorschriften verpflichtet, zeitnah nach Herstellung der Anschlussfähigkeit des Grundstücks Beitragsbescheide zu erlassen. Zum anderen ist es dem Beklagten unbenommen, soweit er aufgrund früherer, nichtiger Satzungen (zu niedrige) Beiträge durch (bestandskräftige) Beitragsbescheide erhoben hat, im Rahmen pflichtmäßigen Ermessens unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten zu prüfen, ob er die diesbezüglichen abgeschlossenen Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 1 KAG M-V in Verbindung mit §§ 130, 131 AO wieder aufgreift (oder gar aufgreifen muss) und unter Beachtung neuer Satzungsbestimmungen und der erbrachten Beiträge neu entscheidet. Die Einmaligkeit der Beitragserhebung dürfte ihn nicht daran hindern, weil es noch immer um die erstmalige Beitragserhebung geht (vgl. jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 15. Dezember 2009 - 1 L 323/06 – juris Rn. 52 ff. mwN).

219

6. Der Anspruch auf Zahlung des Beitrags ist auch nicht dadurch erloschen, weil der Zweckverband Wismar hierauf gegenüber den Eigentümern des Flurstücks [...] verzichtet hat. Zwar ist in einer notariellen Vereinbarung zu einem Leitungsrecht vom 15. Juli 2004 zwischen den Eigentümern des Flurstücks [...] und dem Zweckverband Wismar unter III. (5) vereinbart worden:

220

„Durch die Gewährung dieses Leitungsrechts entsteht für die Wohnungseigentümer keine Pflicht zur Zahlung von Anschlusskostenbeiträgen.“

221

Nach Auffassung des Gerichts enthält die Klausel bereits keine Verzichtserklärung. Dies gilt auch dann, wenn die Beteiligten übereinstimmend den dem Gesetz fremden Begriff Anschlusskostenbeitrag im Sinne von Anschlussbeiträgen verstanden haben sollten. Schon nach dem Wortlaut stellt die Vertragsbestimmung lediglich klar, dass durch das Leitungsrecht (und des Baues der Leitung) Zahlungspflichten für Anschlussbeiträge nicht entstehen. Zudem könnte der verwendete Begriff „Anschlusskostenbeitrag“ dahingehend zu verstehen sein, dass es sich um keine Vereinbarung über die Beitragsschuld handeln soll, sondern allenfalls Hausanschlusskosten gemeint sein können: Als Gegenleistung für die Einräumung des Leitungsrechtes sollte der Zweckverband auf Hausanschlusskosten verzichten.

222

Das OVG M-V hat im Übrigen in seinen ebenfalls Beitragsschuldner des Flurstücks [...] betreffenden Beschluss vom 10. August 2010 – 1 M 141/10 – (S. 7) ausgeführt, dass diese Vereinbarung die Entstehung des Beitragspflicht nicht verhindere und es insofern an einer rechtlichen Grundlage für einen Verzicht fehle. Die durch die Vereinbarung ermöglichte Herstellung von Sammelleitungen und des Pumpwerks auf dem Grundstück sei mit der Herstellung des satzungsgemäß hergestellten Anschlusses an die zentrale Abwasserversorgungsanlage nicht gleichzusetzen.

II.

223

Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO als Unterliegende zu tragen. Die Entscheidung zur Gesamtschuldnerschaft folgt aus § 100 Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO). Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Abwendungsbefugnis haben ihre Grundlage in § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

224

Beschluss vom 12. Oktober 2011

225

Der Streitwert des vorliegenden Verfahrens wird gemäß § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes auf 1.603,32 € festgesetzt.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 13. August 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid über die Rücknahme einer durch Fristablauf entstandenen Baugenehmigung und Ablehnung des Bauantrags für die Errichtung eines Gebäudes mit vier Ferienwohnungen.

2

Betroffen ist das Grundstück D. Straße 2 in E., Flur X, Flurstück Y. Es liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 3 "Wohnbebauung F.", der einen Bereich inmitten in der Ortslage betrifft. Als Art der baulichen Nutzung ist ein Reines Wohngebiet gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 BauNVO festgesetzt. Gem. Ziff. 1.1. und 1.2 der textlichen Festsetzungen werden Ausnahmen iSv § 3 Abs. 3 BauNVO ausschließlich für kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes zugelassen. Nach der Begründung ist die Fläche im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche dargestellt. Die Gemeinde verfolgt das Ziel, Flächen zur Deckung des gemeindlichen Wohnbedarfs zur Verfügung zu stellen (Ziff. 1.2 der Begründung). In der Begründung zu den Festsetzungen der Art der baulichen Nutzung heißt es (Ziff. 2.1.1), die Gemeinde wolle an einem innerörtlichen Standort Flächen für die Deckung von Wohnbedarf bereitstellen. Gemäß Nutzungsschablone und textlichen Festsetzungen könnten etwa 15 bis 20 Wohneinheiten als Einzel- oder Doppelhäuser entstehen. Da die Gemeinde sich in einem Raum mit besonderer natürlicher Eignung für Fremdenverkehr und Erholung und in einem Tourismusschwerpunktraum befinde, sollten Ausnahmen im Sinne von § 3 Abs. 3 BauNVO für kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes zugelassen werden. Für die ausgeschlossenen übrigen Nutzungen gemäß § 3 Abs. 3 BauNVO wie Läden und Handwerksbetriebe stünden in der Gemeinde andere Flächen insbesondere in den Mischgebieten beiderseits der Hauptstraße zur Verfügung. Durch den Ausschluss dieser Nutzung würden Nutzungskonflikte im reinen Wohngebiet unterbunden.

3

Für das Nachbargrundstück (Flurstück Z) erteilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 24.06.2009 eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Gebäudes mit einer Wohnung und drei Ferienwohnungen. Das auf jenem Grundstück errichtete Gebäude befindet sich in Nutzung.

4

Bezogen auf das Vorhabengrundstück beantragte der Kläger am 23.10.2009 die Erteilung einer Baugenehmigung. Im Antragsformular ist das Vorhaben mit "Wohngebäude mit vier Wohnungen" bezeichnet; in den bautechnischen Erläuterungen ist von vier Ferienwohnungen die Rede. Nach den Bauvorlagen sind in den Wohnungen jeweils drei Zimmer mit Bad vorgesehen; die Wohnflächen sollen etwa 53 qm im Erdgeschoss und etwa 45 qm im Dachgeschoss betragen. Die drei Zimmer sind jeweils mit "Zimmer Eltern" (11,60 qm im EG bzw. 9,50 qm im DG), "Zimmer Kinder" (9,82 qm im EG bzw. 8,00 qm im DG) und "Wohnen/Küche" (26,19 qm im EG bzw. 22,00 qm im DG) bezeichnet. Der Kläger beantragte ferner mit gesondertem Schreiben unter dem Betreff "Antrag auf Ausnahmegenehmigung nach § 3 BauNVO vom Bebauungsplan Nr. 3 als kleiner Betrieb des Beherbergungsgewerbes" für das Wohnhaus vier Ferienwohnungen zu genehmigen; diese Ausnahme sei nach dem Bebauungsplan möglich. Ebenfalls mit gesondertem Schreiben beantragte er, eine Verschiebung des Baufensters zu genehmigen.

5

Mit Schreiben vom 11.11.2009 verlängerte die Beklagte gemäß § 63 Abs. 2 LBauO M-V die Bearbeitungsfrist um einen Monat bis zum 23.02.2010. Mit einem weiteren Schreiben an den Kläger vom gleichen Tag verlangte sie die Einreichung eines neuen Lageplanes mit Stellflächen sowie eine Berechnung der Grund- und Geschossflächenzahlen zum Nachweis, dass die Festsetzungen des Bebauungsplanes eingehalten würden. Der Kläger reichte diese Unterlagen am 23.04.2010 bei der Beklagten ein. Die Gemeinde E. erteilte unter dem 19.10.2009 das Einvernehmen zu einer Ausnahme hinsichtlich der Art der Nutzung und formulierte, die Genehmigung zur Verschiebung des Baufeldes solle durch den Landkreis geprüft werden; eine weitere Stellungnahme der Gemeinde, mit der das Einvernehmen zur Verschiebung des Baufensters erteilt wird, datiert vom 03.03.2010. Die Beklagte stellte sich auf den Standpunkt, eine "Verschiebung des Baufensters" könne nur durch eine B-Plan-Änderung erfolgen, und verlangte einen (erneuten) Befreiungsantrag, auf den hin die Gemeinde das Einvernehmen sowohl zu einer Ausnahme hinsichtlich der Art der Nutzung als auch zu einer Befreiung von der Einhaltung der Baugrenzen versagte.

6

Mit Bescheid vom 13.12.2010 nahm die Beklagte nach vorheriger Anhörung die am 24.07.2010 durch Fristablauf entstandene Baugenehmigung mit Wirkung zum 23.07.2010 zurück, ordnete die sofortige Vollziehung an und lehnte den Bauantrag, den Ausnahmeantrag und den Befreiungsantrag ab. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt, das Vorhaben entspreche nach der Art der Nutzung nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans; eine Ausnahme könne nicht erteilt werden, da bereits für das Nachbargrundstück eine Ausnahme für drei Ferienwohnungen zugelassen worden sei und eine weitere Ausnahme den Gebietscharakter eines reinen Wohngebietes in Frage stellen würde. Im Rahmen der Ermessensausübung sei das öffentliche Interesse an der Einhaltung des geltenden Baurechts höher zu bewerten als das private Interesse des Klägers am Bestand des rechtswidrigen Verwaltungsaktes.

7

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklage mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2011 als unbegründet zurück und führte aus, bei den Ferienwohnungen des Klägers handele es sich mangels entsprechenden Leistungsangebots nicht um einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes. Da derzeit in dem Gebiet drei Ferienwohnungen und 14 Dauerwohnungen genehmigt seien, würde nach Zulassung weiterer vier Ferienwohnungen ein Drittel der bestehenden Nutzungseinheiten zu Ferienwohnzwecken genutzt. Dies widerspreche dem Gebietscharakter eines reinen Wohngebietes.

8

Bereits während des Widerspruchsverfahrens hatte die Beklagte dem Kläger auf dessen Antrag mit Bescheid vom 16.05.2011 für das Vorhabengrundstück (Flurstück Y) eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Gebäudes mit drei (Dauer-)Wohnungen und einer Ferienwohnung sowie eine Ausnahme hinsichtlich der Nutzung einer Wohnung als Ferienwohnung und eine Befreiung von der Einhaltung der Baugrenze erteilt; die Gemeinde hatte hierzu das Einvernehmen erklärt.

9

Der Kläger hat am 01.08.2011 gegen den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid Klage erhoben und vorgetragen: Bei seinem Vorhaben handele es sich um einen kleinen Betrieb des Beherbergungsgewerbes. Den Gästen der Ferienwohnungen würden Bettwäsche und Handtücher, ein Brötchenservice und "Housekeeping" zur Verfügung gestellt. Ein kleiner Beherbergungsbetrieb sei bei weniger als etwa zehn Zimmern zu bejahen. Das Störungspotential von vier Ferienwohnungen sei gering. Nach dem Inhalt des Bebauungsplans solle ein Nebeneinander von reinem Wohnen und einer kleinen Ferienhaus- und Ferienwohnungskultur ermöglicht werden. Die Gemeinde wolle sich zu einem Seebad mit zahlreichen Ferienwohnungen entwickeln, ohne jedoch ein Sondergebiet "Ferienhaus" gemäß § 10 Abs. 4 BauNVO auszuweisen. Da der Gebietscharakter des Reinen Wohngebietes nicht in Frage gestellt werde, habe er einen Anspruch auf die Erteilung einer Ausnahme.

10

Der Kläger hat beantragt,

11

den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 01.09.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die beantragte Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohngebäudes mit vier Ferienwohnungen auf dem Grundstück Gemarkung E., Flur X, Flurstück Y einschließlich einer Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 3 „Wohnbebauung F.“ betreffend die Art der baulichen Nutzung sowie einer Befreiung von der festgesetzten Baugrenze zu erteilen.

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Mit Urteil vom 31.08.2012, zugestellt am 12.09.2012, hat das Verwaltungsgericht Greifswald den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 aufgehoben, soweit er die Nutzung einer zweiten Wohnung als Ferienwohnung in dem streitigen Vorhaben betrifft, und insoweit die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Ausnahme von der Festsetzung des Bebauungsplans zu erteilen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, soweit die Rücknahme und Ablehnung der Baugenehmigung für die zwischenzeitlich bereits mit Bescheid vom 16.05.2011 genehmigte Ferienwohnung angegriffen werde und die Beklagte insoweit zur Erteilung einer Ausnahme und einer Befreiung verpflichtet werden solle. Die durch Fristablauf entstandene Baugenehmigung widerspreche den planungsrechtlichen Vorschriften teilweise, nämlich hinsichtlich zweier Ferienwohnungen. Insoweit sei die Art der baulichen Nutzung nicht mit den Festsetzungen des Bebauungsplans vereinbar. Die beantragten Ferienwohnungen stellten einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes dar. Ein Bauantrag für Ferienwohnungen sei regelmäßig auf den Betrieb eines Beherbergungsgewerbes gerichtet. Denn Ferienwohnungen böten wegen der zeitlich begrenzten Nutzung und der vollständigen Möblierung, zu deren Umgestaltung oder Austausch der Gast nicht befugt sei, typischerweise keine umfassende Möglichkeit eigenständiger Häuslichkeit; das Vorhandensein einer Kochmöglichkeit reiche dazu nicht aus. Soweit das VG Berlin (B. v. 23.01.2012 - 19 L 294/11 - LKV 2012, 93) und das OVG Berlin-Brandenburg (B. v. 06.07.2006 - OVG 2 S 2/06 - BRS 70 Nr. 67) für die Unterscheidung von Wohnen und Beherbergungsbetrieb auf die Möglichkeit einer Küchenbenutzung sowie der Nutzung weiterer beherbergungstypischer Dienstleistungen abstellten, hätten den Entscheidungen besondere Fallgestaltungen zu Grunde gelegen.

15

Der beabsichtigte Beherbergungsbetrieb sei jedoch nicht mehr als klein anzusehen, da der Kläger bereits auf dem Nachbargrundstück ein gleichartiges Gebäude mit drei genehmigten Ferienwohnungen unterhalte. Die bereits vorhandenen und die zusätzlich beantragten Ferienwohnungen stellten sich auch im Hinblick auf die vom Kläger beschriebenen beherbergungsbezogenen Dienstleistungen, die er für die Gäste über die reine Ferienwohnnutzung hinaus erbringe, als eine organisatorische Zusammenfassung von Betriebsanlagen und Betriebsmitteln zu einem bestimmten Betriebszweck dar. Je Ferienwohnung müsse von bis zu sechs Betten ausgegangen werden, so dass der Kläger mit insgesamt sieben Ferienwohnungen bis zu 42 Schlafplätze in 21 Räumen vorhalten wolle. Er trage jedoch selbst vor, dass die Grenze für einen kleinen Betrieb bei 10 Zimmern liege. Tatsächlich sei mit fünf Ferienwohnungen und maximal 30 Schlafgelegenheiten die Grenze eines kleinen Beherbergungsbetriebs erreicht. In diesem Umfang sei die Rücknahme rechtswidrig und dem Kläger eine Ausnahme für eine weitere Ferienwohnnutzung zu erteilen.

16

Dass die Gemeinde zahlreiche Ferienwohnungen habe ermöglichen wollen, lasse sich der Planung nicht entnehmen. In reinen Wohngebieten könnten deshalb nur kleine Beherbergungsbetriebe ausnahmsweise zugelassen werden, weil diese ein erhöhtes Störungspotential für die benachbarte Wohnbevölkerung mit sich brächten, für die das Baugebiet in erster Linie gedacht sei. Dies gelte auch und gerade für Ferienwohnungen mit ihrer üblichen Terrassen- und Balkonnutzung, weil Feriengäste die Abend- und frühen Nachtstunden länger nutzen könnten als die arbeitende Wohnbevölkerung. Weise die Gemeinde E. ein reines Wohngebiet aus, so wolle sie damit eine vergleichbare Wohnqualität verwirklichen wie sie in anderen Orten üblich sei. Hätte sie "zahlreiche Ferienwohnungen" im Plangebiet zulassen wollen, hätte sie eine andere Art der baulichen Nutzung festgesetzt.

17

Im übrigen sei die Rücknahme rechtmäßig. Die Beklagte habe das Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Auf einen etwaigen Vertrauensschutz im Hinblick auf den erfolgten Beginn der Bauarbeiten durch Errichtung der Bodenplatte unter geringfügiger Überschreitung der Baugrenze und einen dadurch möglicherweise entstandenen Schaden habe sie nicht eingehen müssen, weil dem Kläger diesbezüglich bereits mit der Baugenehmigung vom 16.05.2011 eine Befreiung erteilt worden sei.

18

Mit Bescheid vom 01.11.2012 hat die Beklagte in Umsetzung des erstinstanzlichen Urteils dem Kläger eine Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans dahingehend erteilt, dass für das bereits genehmigte Wohngebäude eine weitere Ferienwohnung zugelassen wird, womit für das Gebäude auf dem Flurstück Y insgesamt zwei Dauerwohnungen und zwei Ferienwohnungen zulässig seien.

19

Auf den am 12.09.2012 gestellten Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 16.09.2013, zugestellt am 27.09.2013, die Berufung wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen, inwieweit, in welcher Form und in welchem Umfang die Nutzung von Ferienwohnungen einen kleinen Beherbergungsbetrieb iSv § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO darstellen kann. Auf den am 18.10.2013 gestellten Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat der Senatsvorsitzende mit Verfügung vom 21.10.2013 die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 28.11.2013 verlängert. Der Kläger hat die Berufung am 27.11.2013 im Wesentlichen wie folgt begründet:

20

Das Verwaltungsgericht sei von unrichtigen Tatsachenfeststellungen ausgegangen. Je Wohnung sei - wie im einzelnen näher ausgeführt wird - nicht von sechs, sondern von vier Schlafgelegenheiten auszugehen. In den sieben Ferienwohnungen würden damit insgesamt 28 Schlafgelegenheiten vorgehalten. Der Schwellenwert von 30 Schlafgelegenheiten, von dem das Verwaltungsgericht für einen kleinen Beherbergungsbetrieb ausgegangen sei, werde nicht erreicht. Weshalb das Verwaltungsgericht zusätzlich auch eine Beschränkung der Anzahl der Wohnungen auf fünf zu Grunde gelegt habe, sei nicht ersichtlich. Im übrigen spreche aber alles dafür, den für M-V ermittelten Durchschnitt von knapp 50 Schlafgelegenheiten je Betrieb als Indizgröße für die Abgrenzung heranzuziehen. Erst recht liege die Zahl der Schlafgelegenheiten in dem Betrieb des Klägers deutlich unterhalb des Durchschnitts in E. (knapp 80 je Betrieb). Was ein kleiner Betrieb des Beherbergungsgewerbes sei, sei im Lichte der planerischen Zielsetzung der Gemeinde auszulegen. In einem Tourismusschwerpunktraum mit besonderer natürlicher Eignung für Fremdenverkehr, in dem sich die Gemeinde nach der Planbegründung befinde, seien solche Betriebe nach ihrer Bettenzahl naturgemäß größer als in anderen Gebieten. Dem entsprechend habe die Gemeinde auch mit Beschluss vom 25.02.2013 das Einvernehmen zur Erteilung einer Ausnahme für die Nutzung des Vorhabenflurstücks Y als kleiner Betrieb des Beherbergungsgewerbes mit vier Ferienwohnungen erteilt. Das Verwaltungsgericht habe die maßgebliche Struktur der konkreten Örtlichkeit nicht aufgeklärt, obwohl sich dies nach Lage der Dinge aufgedrängt habe.

21

Andere Merkmale als die Bettenzahl habe das Verwaltungsgericht zur Abgrenzung zu Unrecht nicht herangezogen. Richtigerweise sei auch das Element der "Versorgung" zu betrachten. Dieses spreche aber fast zwingend dafür, den Beherbergungsbetrieb als "klein" zu qualifizieren, weil in dem bestehenden Einmannbetrieb neben einem Brötchenservice lediglich Wäsche- bzw. Handtuchwechsel und Reinigung der Zimmer vorgesehen seien; weniger sei kaum möglich.

22

Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht bei seinen Überlegungen zum Störungspotential von Ferienwohnungen für die benachbarte Wohnbevölkerung davon ausgegangen, dass Feriengäste die Terrassen und Balkone in den Abend- und frühen Nachtstunden länger nutzen könnten als die arbeitende Wohnbevölkerung. Als typische Gäste in Ferienwohnungen hätten auch Eltern mit kleinen Kindern in diesen Stunden ein besonderes Ruhebedürfnis. Im übrigen könne angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Mecklenburg-Vorpommern bzw. im Landkreis Vorpommern-Greifswald nicht ohne weiteres von arbeitender Wohnbevölkerung ausgegangen werden.

23

Der Kläger beantragt,

24
1. das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 31.08.2012 – 5 A 760/11 – insoweit aufzuheben, als die Klage im Übrigen abgewiesen worden ist,
25
2. den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 und ihren Widerspruchsbescheid vom 01.09.2011 aufzuheben, soweit sie die Nutzung einer dritten und vierten Wohnung als Ferienwohnungen im Gebäude auf dem Flurstück Y der Flur X der Gemarkung E. betreffen,
26
3. die Beklagte unter teilweiser Änderung ihres Rücknahme- und Ablehnungsbescheides vom 13.12.2010 und ihres Widerspruchsbescheides vom 01.09.2011 zu verpflichten, ihm Ausnahmen von der Festsetzung des Bebauungsplans für die Nutzung zweier weiterer Wohnungen, d.h. der dritten und vierten Ferienwohnung im Gebäude auf dem Flurstück Y der Flur X der Gemarkung E. zu erteilen.
27

Die Beklagte beantragt,

28

die Berufung zurückzuweisen.

29

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

31

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

32

1. Streitgegenstand ist trotz der beschränkten Antragstellung und der vorangegangenen teilweise stattgebenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts der Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 insgesamt. Der Streitgegenstand ist insoweit nicht teilbar. Über das zur Genehmigung gestellte Vorhaben der Errichtung eines Gebäudes mit vier Ferienwohnungen an einem bestimmten Standort konnte nur einheitlich entschieden werden. Dabei bleibt es auch im Verfahren über den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid. Auf die Frage, ob das Vorhaben in bestimmten Aspekten mit dem Vorhaben übereinstimmt, für das bereits mit Datum vom 16.05.2011 eine Genehmigung erteilt wurde, einschließlich Befreiung von der Einhaltung der Baugrenze und Ausnahme für die Nutzung einer der vier Wohnungen als Ferienwohnung, und für das in Umsetzung des erstinstanzlichen Urteils mit dem Bescheid vom 01.11.2012 eine weitere Ausnahme für die Nutzung einer weiteren Wohnung als Ferienwohnung erteilt wurde, kommt es nicht an.

33

2. Dem Kläger fehlt für die Weiterverfolgung der Klage nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Allerdings erstrebt er eine Baugenehmigung für ein anderes Gebäude als dasjenige, das er auf dem Vorhabenflurstück Y tatsächlich errichtet hat. Wie die mündliche Verhandlung vor dem Senat ergeben hat, ist das Gebäude jedenfalls insoweit abweichend von den Bauvorlagen errichtet worden, als in dem Gebäude über Erd- und "Dachgeschoss" hinaus eine dritte Wohnebene mit Verglasung auf der Südseite nebst Balkon entstanden ist. Es erscheint jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass dieser Bestand durch einen entsprechenden Rückbau legalisiert werden kann.

34

3. Die Klage ist nicht begründet, weil der Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2011 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

35

Nach § 48 Abs. 1 VwVfG M-V kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 1); ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 der Vorschrift zurückgenommen werden. Gemessen an diesen Voraussetzungen ist die Rücknahmeentscheidung der Beklagten rechtmäßig.

36

Gegenstand der Rücknahme ist eine fiktiv erteilte Baugenehmigung. Diese Baugenehmigung ist rechtswidrig. Sie war nicht zu erteilen, weil dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften des Bauplanungsrechts entgegen stehen, § 72 Abs. 1 LBauO M-V. Da das Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans liegt, setzt die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit gemäß § 30 Abs. 1 BauGB voraus, dass das Vorhaben dessen Festsetzungen nicht widerspricht. Dies ist aber hier im Hinblick auf die angestrebte Art der baulichen Nutzung des Gebäudes für vier Ferienwohnungen der Fall.

37

a) Der Bebauungsplan Nr. 3 der Gemeinde E. "Bebauung F." setzt ein reines Wohngebiet fest, in dem gemäß § 3 Abs. 2 BauNVO nur Wohngebäude (und nach der aktuellen Fassung der BauNVO Anlagen zur Kinderbetreuung) allgemein zulässig sind. Bei dem Vorhaben des Klägers handelt es sich jedoch nicht um ein Wohngebäude in diesem Sinne. Wie der Senat bereits in dem Beschluss vom 28.12.2007 - 3 M 190/07 - (Juris Rn. 9 ff.) ausgeführt hat, sind Ferienwohnungen von dem bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohngebäudes nicht umfasst. An dieser Rechtsprechung hält der Senat - in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. B. v. 11.07.2013 - 4 CN 7.12 - NVwZ 2014, 72 = Juris Rn. 11) - fest (ebenso: OVG Lüneburg B. v. 22.11.2013 - 1 LA 49/13 - NordÖR 2014, 81 = Juris Rn. 18; anderer Ansicht: Jäde BauNVO § 3 Rn. 4; unklar Fickert/Fieseler BauNVO § 3 Rn. 1.2 u. 10 sowie § 10 Rn. 34.1, wo einzeln gelegene Ferienwohnungen in reinen und allgemeinen Wohngebieten offenbar für allgemein zulässig gehalten werden).

38

Das Bauplanungsrecht unterscheidet begrifflich zwischen Wohngebäuden einerseits und Ferien- und Wochenendhäusern andererseits. Während nach den §§ 2, 3, 4, 4a, 5 und 6 BauNVO "Wohngebäude" in den entsprechenden Baugebieten zulässig sind, bezieht sich § 10 Abs. 3 BauNVO auf "Wochenendhäuser" und § 10 Abs. 4 BauNVO auf "Ferienhäuser". Diese begriffliche Unterscheidung ist im Bauplanungsrecht angelegt (vgl. BVerwG U. v. 12.03.1982 - 4 C 59.78 -, NJW 1982, 2512 = Juris Rn. 23). Die Baunutzungsverordnung führt die allgemeine Wohnnutzung einerseits und die Ferienwohnnutzung andererseits als eigenständige Nutzungsarten auf (BVerwG, B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 -, NVwZ 1989, 1060 = Juris Rn. 3; B. v. 07.09.1984 – 4 N 3.84 – NVwZ 1985, 338 = Juris Rn. 21).

39

Um den Wohnbegriff in Abgrenzung zu anderen Nutzungsarten unter Zugrundelegung der typisierenden bauplanungsrechtlichen Betrachtungsweise sachgerecht zu erfassen, bedarf es einer wertenden Betrachtung aller Umstände. Maßgeblich ist die Zweckbestimmung des Aufenthalts in den Räumen. Zum Begriff des Wohnens gehört eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts. Diese Definition ist aus der Abgrenzung zu anderen planungsrechtlichen Nutzungsformen (Beherbergung, Heimunterbringung, Formen der sozialen Betreuung und Pflege) entwickelt worden. Sie soll den Bereich des Wohnens als Bestandteil der privaten Lebensgestaltung kennzeichnen. Gemeint ist damit die Nutzungsform des selbstbestimmt geführten privaten Lebens "in den eigenen vier Wänden", die auf eine gewisse Dauer angelegt ist und keinem anderen in der Baunutzungsverordnung vorgesehenen Nutzungszweck verschrieben ist, insbesondere keinem Erwerbszweck dient (vgl. BVerwG B. v. 25.03.2004 - 4 B 15.04 - BRS 67 Nr. 70 = Juris Rn. 4 mwN; B. v. 25.03.1996 - 4 B 302.95 - NVwZ 1996, 893 = Juris Rn. 12). Diese Merkmale schließen einen Zweitwohnsitz nicht aus (vgl. OVG Greifswald U. v. 11.07.2007 - 3 L 75/06 -). Sie unterscheiden das (Dauer-)Wohnen aber von anderen Nutzungsarten, die sich durch ein übergangsweises, nicht "alltägliches" Wohnen oder ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen auszeichnen. Bei Ferienwohnungen, die vom Nutzungskonzept her (zumeist wochenweisen) vorübergehenden Aufenthalt für ständig wechselnde Feriengäste bieten (vgl. Stock in: König u.a. BauNVO, 2. Aufl. § 3 Rn. 17; vgl. a. Boeddinghaus BauNVO 5. Aufl. 2005 § 10 Rn. 15), fehlt es typischerweise an der auf Dauer angelegten Häuslichkeit (OVG Lüneburg B. v. 22.11.2013 – 1 LA 49/13 – NordÖR 2014, 81 = Juris Rn. 18; OVG Münster U. v. 17.01.1996 – 7 A 166/96 – S. 13 d. Urteilsabdrucks). (Dauer)Wohnungen werden demgegenüber von einem über einen längeren Zeitraum gleichbleibenden Bewohnerkreis genutzt. Die daraus resultierenden unterschiedlichen bodenrechtlichen Auswirkungen der beiden Nutzungsarten rechtfertigen die bauplanungsrechtliche typisierende Unterscheidung.

40

b) Die beantragte Nutzung des Gebäudes für vier Ferienwohnungen kann auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme liegen nicht vor. Ausnahmen von den Festsetzungen des Bebauungsplans können nach § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden, wenn sie in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. Gemäß Ziff. 1.1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 3 der Gemeinde E. sollen von den gemäß § 3 Abs. 3 BauNVO im reinen Wohngebiet grundsätzlich ausnahmefähigen Vorhaben nur kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes ausnahmsweise zugelassen werden können. Hierunter fällt das Vorhaben des Klägers nicht.

41

aa) Das Vorhaben des Klägers ist kein Betrieb des Beherbergungsgewerbes.

42

(1) Ferienwohnungen und Betriebe des Beherbergungsgewerbes sind bauplanungsrechtlich unterschiedliche Nutzungsarten. Auch die Vermietung mehrerer in einem Gebäude oder räumlich benachbart liegender Ferienwohnungen desselben Eigentümers begründet nicht das Vorliegen eines Betriebs des Beherbergungsgewerbes iSd § 3 Abs. 3 BauNVO (vgl. OVG Lüneburg U. v. 12.12.2013 - 1 LA 123/13 - DVBl 2014, 254 Rn. 11 u. B. v. 18.07.2008 – 1 LA 203/07 – BRS 73 Nr. 168 = Juris Rn. 12; vgl. a. B. v. 22.11.2013 - 1 LA 49/13 - NordÖR 2014, 81 = Juris Rn. 19; OVG Münster U. v. 17.01.1996 – 7 A 166/96 – S. 10 d. Urteilsabdrucks; ebenso VG Schwerin U. v. 20.12.2012 – 2 A 1577/10 – Juris Rn. 34 ff. sowie U. v. 20.12.2012 – 2 A 863/11 – Juris Rn. 31 ff; anderer Ansicht: Stock in König ua BauNVO § 4a Rn. 25 sowie in Ernst/Zinkahn/Bielenberg § 4 BauNVO Rn. 110, 114; Fickert/Fieseler BauNVO 11. Aufl.2008 § 3 Rn. 19; OVG Lüneburg U. v. 20.05.1987 - 1 A 124/86 - BRS 47 Nr. 37; offener Bönker in Bönker/Bischopink BauNVO § 7 Rn. 70).

43

Ferienwohnungen und Betriebe des Beherbergungsgewerbes werden im Bauplanungsrecht begrifflich unterschieden. Während das Ferienwohnen nur in § 10 Abs. 4 BauNVO bezogen auf den Spezialfall der Ferienhäuser Erwähnung findet, nennt die Baunutzungsverordnung Betriebe des Beherbergungsgewerbes in § 4 Abs. 2 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 5, § 6 Abs. 2 Nr. 3 und § 7 Abs. 2 Nr. 2 als allgemein zulässig und in § 3 Abs. 3 Nr. 1 und § 4 Abs. 3 Nr. 1 – im ersteren Falle mit der Einschränkung auf kleine Betriebe - als ausnahmsweise zulässig. Es handelt sich um städtebaulich relevante, eigenständige Nutzungsarten (vgl. BVerwG B. v. 08.05.1989 – 4 B 78.89 – NVwZ 1989, 1060 = Juris Rn. 3; B. v. 07.09.1984 – 4 N 3.84 – NVwZ 1985, 338 = Juris Rn. 21). Eine Beherbergung liegt daher nicht etwa immer bereits dann vor, wenn bei Anmietung einer fremden Wohnung wegen fehlender Dauerhaftigkeit ein (Dauer-)Wohnen verneint werden muss (so aber wohl Vietmeier in Bönker/Bischopink aaO § 3 Rn. 27).

44

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die mietweise Überlassung von selbständigen Wohnungen, sei es auch zu Ferienzwecken, keine Beherbergung (vgl. BVerwG B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 - NVwZ 1989, 1060 = Juris Rn. 3). Bereits zuvor hatte das Bundesverwaltungsgericht formuliert, Vieles spreche dafür, dass die Nutzung "Betrieb des Beherbergungsgewerbes" nicht die allgemeine Wohnnutzung (einschließlich der Nutzung als Zweitwohnung) und nicht die Ferienwohnung iSd § 10 Abs. 4 BauNVO umfasst, weil die Baunutzungsverordnung die allgemeine Wohnnutzung und die Ferienwohnnutzung als städtebaulich relevante eigenständige Nutzungsarten neben der Nutzungsart "Beherbergungsbetriebe" regelt (vgl. B. v. 07.09.1984 - 4 N 3.84 - NVwZ 1985, 338 = Juris Rn. 20 f.). Aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.11.1987 - 4 B 230/87 ua (DÖV 1988, 382 = Juris) folgt nichts anderes. Zwar betrifft diese Entscheidung einen Fall, in dem die Vorinstanz (OVG Lüneburg, U. v. 20.05.1987 - 1 A 124/86 - BRS 47 Nr. 37) 10 Ferienwohnungen in zwei Häusern zusammengefasst als Betrieb des Beherbergungsgewerbes angesehen hatte; zu dieser Einordnung selbst verhält die Entscheidung sich aber mangels entsprechender Rüge nicht. Auch dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 29.04.1992 - 4 C 43.89 - (BVerwGE 90, 140 = Juris Rn. 16) lässt sich eine andere Auffassung nicht entnehmen, weil die Frage, ob ein Beherbergungsbetrieb ("im weiteren Sinne") vorliegt, wenn Appartements mit Kochgelegenheit ohne nennenswerte weitere Dienstleistungen an Montagearbeiter vermietet werden, ausdrücklich offen gelassen wird.

45

(2) Ein Betrieb des Beherbergungsgewerbes liegt nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, wenn Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können (vgl. BVerwG B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 - NVwZ 1989, 1060 = Juris Rn. 3). Diese Voraussetzungen sind jedenfalls dann erfüllt, wenn sich die Überlassung der Räume auf eine reine Übernachtungsmöglichkeit beschränkt, so dass der Gast ausstattungsbedingt auf die Inanspruchnahme weiterer Dienstleistungen angewiesen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg B. v. 06.07.2006 - OVG 2 S 2.06 - BRS 70 Nr. 67 = Juris Rn. 8; s.a. OVG Münster B. v. 14.08.2007 - 10 A 1219/06 - NVwZ-RR 2008, 20 = Juris Rn. 9 ff.). Danach sind Hotels, Pensionen, Gasthöfe, Gästehäuser und Fremdenheime typische Betriebe des Beherbergungsgewerbes.

46

Ferienwohnungen sind entsprechend der - Ferienhäuser betreffenden - Bestimmung des § 10 Abs. 4 BauNVO auf Grund ihrer Lage Größe, Ausstattung, Erschließung und Versorgung für den Erholungsaufenthalt geeignet und dazu bestimmt, überwiegend und auf Dauer einem wechselnden Personenkreis zur Erholung zu dienen. Diese sind nach ihrer Ausstattung auf eine Selbstversorgung der Feriengäste ausgerichtet, so dass die Voraussetzung für einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes, dass der häusliche Wirkungskreis nicht unabhängig gestaltet werden kann, nicht erfüllt ist (vgl. OVG Lüneburg B. v. 22.11.2013 – 1 LA 49/13 – NordÖR 2014, 81 = Juris Rn. 19 sowie B. v. 18.07.2008 – 1 LA 203/07 – BRS 73 Nr. 168 = Juris Rn. 12; vgl. a. OVG Münster U. v. 17.01.1996 – 7 A 166/96 – S. 10 d. Urteilsabdrucks). Soweit der Beschluss des Senats vom 28.12.2007 – 3 M 190/07 – (Juris) zur Abgrenzung von Dauerwohnen und Ferienwohnen dahin gehend verstanden werden konnte, bei der Ferienwohnnutzung sei ein unabhängig zu gestaltender häuslicher Wirkungskreis nicht gegeben, hält der Senat daran nicht fest.

47

(3) Allerdings bedarf der Begriff des Betriebs des Beherbergungsgewerbes im Hinblick auf entstandene Zwischenformen wie zB Apart(ment)hotels der Modifizierung. Da es für die Zuordnung zu bestimmten Nutzungsarten allgemein nicht nur auf die mit einer bestimmten baulichen Ausstattung gegebenen Möglichkeiten der Nutzung ankommt, sondern maßgeblich auch auf das Nutzungskonzept und dessen grundsätzliche tatsächliche Verwirklichung (vgl. BVerwG B. v. 25.03.1996 – 4 B 302.95 – NVwZ 1996, 893 = Juris Rn. 12; Vietmeier in Bönker/Bischopink BauNVO § 4 Rn. 68), können auch Unterkünfte, die eine unabhängige Gestaltung des häuslichen Wirkungskreises ermöglichen, zu einem Beherbergungsbetrieb gehören, nämlich dann wenn neben der Überlassung von Räumen beherbergungstypische Dienstleistungen angeboten und auch typischerweise in Anspruch genommen werden, die einen nennenswerten Umfang erreichen und die Nutzung prägen (vgl. OVG Münster B. v. 14.08.2007 - 10 A 1219/06 - NVwZ-RR 2008, 20 = Juris Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg B. v. 06.07.2006 - OVG 2 S 2.06 - BRS 70 Nr. 67 = Juris Rn. 8 ff. - "Boardinghouse"; VG Berlin B. v. 23.01.2013 – 19 L 294/11LKV 2012, 93 = Juris Rn. 20 ff.). Soweit eine Unterkunft nach Größe und Ausstattung die Möglichkeit bietet, auf eine gewisse Dauer ein selbst bestimmtes häusliches Leben zu führen, insbesondere weil diese über eine eigene Küchenzeile mit Kühlschrank und darüber hinaus weitere zur eigenständigen Haushaltsführung geeignete technische Geräte verfügt, kann daher gleichwohl ein Beherbergungsbetrieb vorliegen, wenn hotelähnliche Nebenleistungen wie Frühstücksbuffet, Reinigungsdienst, Wäscheservice, Bettwäschewechsel oder Lebensmitteldienste einen nennenswerten Umfang erreichen, vom eigenen Hauspersonal erbracht werden und im Preis inbegriffen sind. Danach ist das Vorhandensein der für einen solchen Betrieb typischen Servicebereiche außerhalb der vermieteten Unterkünfte - wie Speise- und Aufenthaltsräume mit dem zugehörigen Personalservice, betriebsnotwendige Nebenräume, Aufenthalts- und Sozialräume für das Personal sowie Lagerräume für die Unterbringung von Servicegerätschaften und Bedarfsartikeln - ein Indiz für einen Beherbergungsbetrieb; der räumlichen Struktur der Gesamtanlage und den sich dadurch bietenden Nutzungsmöglichkeiten kommt neben dem Nutzungskonzept ein besonderes Gewicht zu (vgl. OVG Berlin-Brandenburg aaO). Vor diesem Hintergrund kann auch der Umstand, dass der Vorhabenträger keine Betriebsbeschreibung einreicht, aus der sich die Betriebsabläufe, Zahl der Mitarbeiter, Öffnungszeiten usw. ergeben, und eine solche Beschreibung zur Beurteilung des Vorhabens auch nicht erforderlich erscheint, als Indiz dafür gewertet werden, dass relevante Betriebsabläufe nicht stattfinden, wie sie zum Betrieb des Beherbergungsgewerbes gehören.

48

In Modifizierung der Ausgangsdefinition ist daher ein Betrieb des Beherbergungsgewerbes dann anzunehmen, wenn Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort typischerweise eine eigene Häuslichkeit begründen, entweder weil dies nach der Art der Räumlichkeiten gar nicht möglich ist oder weil die Inanspruchnahme beherbergungstypischer Dienstleistungen die Nutzung prägt.

49

(4) Eine generelle Einordnung von Ferienwohnungen als Betrieb des Beherbergungsgewerbes ist auch nicht im Hinblick auf die städtebaulichen Zielsetzungen der Baunutzungsverordnung gerechtfertigt. Soweit angeführt wird, dass Ferienwohnungen vergleichbare Auswirkungen auf die Umgebung hätten wie Betriebe des Beherbergungsgewerbes (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 20.05.1987 - 1 A 124/86 - BRS 47 Nr. 37), mag allerdings auf den ersten Blick einiges dafür sprechen anzunehmen, dass das Störpotential von Ferienwohnungen für die Umgebung demjenigen ähnelt, das von Beherbergungsbetrieben ausgeht, oder wegen der meist nicht tage- sondern nur wochenweisen Vermietung sogar geringer ist. Andererseits können gerade die typischerweise geringere Größe der überlassenen Räumlichkeiten und das Vorhandensein bewirtschafteter Servicebereiche in Betrieben des Beherbergungsgewerbes auch Anlass bieten anzunehmen, das Störpotential könnte geringer sein bzw. vom Betriebsinhaber besser gesteuert werden. Hinzu kommt, dass für die bauplanungsrechtliche Beurteilung nicht nur die (ggf. störenden) Auswirkungen eines Vorhabens in dem Blick zu nehmen sind, sondern auch seine Anforderungen an die Umgebung. Diese können sich zwischen Ferienwohnung und Beherbergungsbetrieb zB deshalb unterscheiden, weil der Beherbergungsbetrieb im Hinblick auf seine Bewirtschaftung bereits selbst ein Mindestmaß an "Infrastruktur" garantiert, das deshalb nicht in der Umgebung vorgehalten werden muss. Ein weiterer maßgeblicher Unterschied ergibt sich aus dem häufigen Leerstand von Ferienwohnungen außerhalb der Saison-Zeiten.

50

Allerdings führt die hier vertretene Auffassung dazu, dass "reine" Ferienwohnungen in anderen als Sondergebieten generell unzulässig sind. Der Plangeber, der kein Sondergebiet sondern ein allgemeines Wohngebiet festsetzt, ist auch nicht befugt, den Begriff "Betrieb des Beherbergungsgewerbes" in einem von der Baunutzungsverordnung abweichenden Sinne zu verwenden und Ferienwohnungen einzuschließen (zu den insoweit bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten der planenden Gemeinde bei der Festsetzung von Sondergebieten vgl. OVG Lüneburg B. v. 12.12.2013 - 1 LA 123/13 - DVBl 2014, 254 = Juris Rn. 11 f. mwN). Diese Konsequenz als unerwünscht anzusehen, wird teilweise zum Anlass genommen, Ferienwohnungen entweder dem Begriff der Wohngebäude zuzuordnen (vgl. Jäde BauNVO § 3 Rn. 4; unklar Fickert/Fieseler BauNVO § 3 Rn. 1.2 u.10 sowie § 10 Rn. 34.1), oder die Vermietung von Ferienwohnungen "der Beherbergung gleichzustellen" (vgl. Stock in König ua BauNVO § 4a Rn. 25 sowie in Ernst/Zinkahn/Bielenberg § 4 BauNVO Rn. 110, 114). Im Hinblick auf die Kategorien der BauNVO, die nur nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 ff. BauNVO im Bebauungsplan variiert werden können, ist es jedoch Sache des Verordnungsgebers, eine ggf. gewünschte Einordnung der Ferienwohnungen vorzunehmen. Auch anlässlich der letzten Änderung der Baunutzungsverordnung mit dem Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11.06.2013 (BGBl. I S. 1548) sind entsprechende Vorschläge vom Verordnungsgeber jedoch nicht aufgegriffen worden.

51

(5) Nach den vorstehenden Kriterien ist im vorliegenden Fall von Ferienwohnungen und nicht von einem Betrieb des Beherbergungsgewerbes auszugehen. Die bloße Ausstattung der Wohnungen mit Bett-, Tisch- und Badwäsche entspricht einer möblierten Vermietung und stellt noch keine beherbergungstypische Dienstleistung dar (vgl. OVG Berlin-Brandenburg B. v. 06.07.2006 - OVG 2 S 2.06 - BRS 70 Nr. 67 = Juris Rn. 15). Ebenso gibt das "Housekeeping" durch den Kläger, d.h. die Reinigung und Instandhaltung des Hauses und Grundstücks, für die Abgrenzung nichts her, weil dieses im Grundsatz ebenso im Falle einer Vermietung „reiner“ Ferienwohnungen erfolgt. Soweit der Kläger auch Bettwäsche- und Handtuchwechsel im Laufe des Mietzeitraums sowie einen Brötchenservice anbietet, geht es um geringfügige Dienstleistungen, die nicht zum "Kernangebot" gehören und die Nutzung nicht prägen. Der Kläger selbst trägt vor, er beschäftige keine Mitarbeiter, sondern führe einen Ein-Mann-Betrieb; ein geringeres Leistungsangebot als bei ihm sei kaum möglich. Typische Servicebereiche außerhalb der vermieteten Unterkünfte wie Speise- oder Aufenthaltsräume mit Personalservice einschließlich entsprechender Nebenräume sind nicht vorhanden. Dem entsprechend ist mit dem Bauantrag auch keine Betriebsbeschreibung eingereicht worden und von der Beklagten auch nicht für erforderlich gehalten worden.

52

bb) Lediglich ergänzend und ohne dass es für die Entscheidung noch darauf ankommt, wird darauf hingewiesen, dass es sich, auch wenn ein Betrieb des Beherbergungsgewerbes bejaht würde, nicht mehr um einen kleinen Betrieb handeln dürfte. § 3 Abs. 3 BauNVO verwendet zur Kennzeichnung des Typs der in reinen Wohngebieten ausnahmsweise zulassungsfähigen Beherbergungsbetriebe als Zusatz den unbestimmten Rechtsbegriff "klein", um eine Konkretisierung im Einzelfall, nämlich unter Bezug auf das im Bebauungsplan festgesetzte Gebiet zu ermöglichen. Was in diesem Sinne "klein" ist, kann zwar im Einzelfall nach der Bettenzahl als einem dafür maßgeblichen Merkmal bestimmt werden, aber nicht allgemein mit einer bestimmten Zahl einheitlich für alle nach § 3 BauNVO festgesetzten und festzusetzenden Gebiete. Für die Auslegung kommt es vielmehr auf die Festsetzungen des Bebauungsplans und deren Bedeutung in der konkreten Örtlichkeit an (vgl. BVerwG B. v. 27.11.1987 - 4 B 230/87 ua - DÖV 1988, 382 = Juris Rn. 3). Maßgeblich ist, ob sich der Betrieb nach Erscheinungsform, Betriebsform und Betriebsführung sowie unter Berücksichtigung der Zahl der Benutzer unauffällig in das Gebiet einordnet. Wesentlicher Gesichtspunkt ist dabei, wie sich der Betrieb auf seine Umgebung auswirkt und welche Störungen von ihm ausgehen. Die kleinen Betriebe des Beherbergungsgewerbes werden dadurch gekennzeichnet, dass sie sich der Vermietung von Wohnräumen annähern, baulich zumeist nicht besonders in Erscheinung treten und in Folge dessen auch den Charakter des reinen Wohngebietes nicht beeinflussen (vgl. OVG Hamburg B. v. 07.01.2000 - 2 Bs 344/99 - BRS 63 Nr. 68 = Juris Rn. 7; vgl. a. VGH Kassel B. v. 24.01.2007 - 4 TG 2870/06 - BRS 71 Nr. 53 = Juris Rn. 4 sowie zur Bedeutung der Bettenzahl VGH Mannheim U. v. 31.01.1997 - 8 S 3167/96 - BRS 59 Nr. 58 = Juris Rn. 17; zum Begriff des "wohnartigen (Gewerbe-)Betriebs" vgl. Schiller in Gelzer Bauplanungsrecht Rn. 1546 u. Jäde BauNVO § 3 Rn. 44).

53

Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass es sich um ein kleines Baugebiet handelt, in dem nach dem Willen des Plangebers lediglich etwa 15 bis 20 Wohneinheiten als Einzel- oder Doppelhäuser beiderseits einer einzigen als Sackgasse ausgestalteten Wohnstraße entstehen sollen. Allerdings hat der Plangeber mit der Festlegung der Baugrenzen und den Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung (Grundflächenzahl 0,3, höchstens zwei Vollgeschosse, Traufhöhe 3,80 m, Dachneigung 30-49 Grad) eine eher großzügige bauliche Ausnutzung der Grundstücke ermöglicht. Das streitgegenständliche Gebäude dürfte daher isoliert betrachtet nicht besonders in Erscheinung treten. Unter dem Gesichtspunkt eines Betriebs des Beherbergungsgewerbes wären aber vorliegend die beiden Gebäude mit Ferienwohnungen auf den Flurstücken Z und Y zusammen zu betrachten (vgl. die ähnliche Fallkonstellation die dem U. d. OVG Lüneburg v. 20.05.1987 - 1 A 124/86 - BRS 47 Nr. 37 u. dem B. d. BVerwG v. 27.11.1987 - 4 B 230/87 ua - DÖV 1988, 382 = Juris zu Grunde lag). Läge damit ein den Umfang eines Einzelhauses überschreitender und zwei Bauplätze einnehmender Betrieb vor, so dürfte dieser sich nicht mehr unauffällig einordnen, sondern die Umgebung dominieren und daher in dem konkreten Baugebiet nicht mehr als "klein" anzusehen sein. Entsprechendes gilt unter dem Gesichtspunkt der Bettenzahl. Dem Vortrag des Klägers folgend geht der Senat davon aus, dass jede Ferienwohnung vier Betten umfasst, so dass sich für das streitgegenständliche Gebäude 16 Betten ergeben. Ein einheitlicher Betrieb des Beherbergungsgewerbes, der in den Gebäuden auf den Flurstücken Z und Y betrieben würde, hätte 28 Betten. In einem Gebiet, das von einer Einfamilienhausbebauung geprägt sein soll, dürfte auch im Hinblick auf diese Bettenzahl die Grenze eines kleinen Beherbergungsbetriebes überschritten sein. Denn durch ein entsprechendes Vorhaben werden auf Grund der wechselnden Gäste und der potentiellen Nutzungskonflikte zwischen Urlaubs- und Dauerwohnnutzung Störungen in das Gebiet hineingetragen, die mit der Zahl der Gäste zunehmen. Auf die Verhältnisse in der Gemeinde E. insgesamt und die durchschnittliche Bettenzahl der dortigen Beherbergungsbetriebe kommt es nicht an; erst recht nicht auf die durchschnittliche Bettenzahl von Beherbergungsbetrieben in Mecklenburg-Vorpommern.

54

Soweit der Kläger sich der Sache nach auf den Beschluss des BVerwG vom 27.11.1987 - 4 B 230/87 (DÖV 1988, 382 = Juris) beruft, ist dort lediglich die Bewertung der Vorinstanz unbeanstandet geblieben, ein Beherbergungsbetrieb mit zehn Ferienwohnungen und 30 Betten sei nicht mehr "klein" iSd § 3 Abs. 3 BauNVO. Daraus kann nicht gefolgert werden, bei dieser Größenordnung liege die generelle Obergrenze für einen kleinen Beherbergungsbetrieb, zumal es - wie bereits ausgeführt - auf die konkrete Situation vor Ort ankommt.

55

Gegen die Ermessensausübung der Beklagten sind Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

56

Ebenso wie die Rücknahme der als erteilt geltenden Baugenehmigung ist auch die Ablehnung des Bauantrages rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Baugenehmigung für sein Vorhaben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

57

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

58

Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Ferienwohnungen einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes im Sinne der Vorschriften der Baunutzungsverordnung darstellen können (§ 132 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Diese Frage ist soweit ersichtlich in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht thematisiert worden; aus der älteren Rechtsprechung werden zum Teil unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen. Zudem haben sich die tatsächlichen Gegebenheiten verändert, was die Unterkunftsarten für Erholungssuchende und die Entwicklung von Zwischenformen zwischen Wohnen bzw. Ferienwohnen und Beherbergung angeht, so dass sich die Frage auch unter diesem Gesichtspunkt neu stellt.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tatbestand

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 17 "Gewerbegebiet L.". Sie ist Eigentümerin der überplanten Grundstücke.

2

Das westlich der Ortschaft L. liegende Plangebiet ist Teil eines ehemaligen Kasernengeländes mit einer Fläche von 20 ha, das mit einer Vielzahl von Gebäuden bebaut ist. Seine Nutzung für ein Flugabwehrraketenbataillon gab die Bundeswehr im Jahr 2003 auf.

3

Der Gemeinderat der Antragsgegnerin beschloss am 15. September 2014 den verfahrensgegenständlichen Bebauungsplan für einen etwa 3,5 ha großen Teilbereich des Geländes. Dort befinden sich unter anderem das ehemalige Offizierskasino, ein Landhaus, die Raufutterscheune sowie zwei Unteroffiziersheime. Im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses wurde die Raufutterscheune auf der Grundlage einer Genehmigung als Lager genutzt. Eine möglicherweise bereits aufgenommene Unterbringung von Asylbewerbern in einem der Unteroffiziersheime war jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nicht genehmigt, ebenso eine mögliche Nutzung des Landhauses als Wohn- und Ferienhaus. Auch darüber hinaus waren am 15. September 2014 auf dem ehemaligen Kasernengelände keine Nutzungen anzutreffen, die genehmigt waren oder von der Bauaufsichtsbehörde auf Dauer hingenommen wurden.

4

Der angegriffene Bebauungsplan setzt mehrere Gewerbegebiete fest. Die Errichtung von Einzelhandelsbetrieben, Tankstellen, selbständigen Lagerplätzen, Vergnügungsstätten und Anlagen für kirchliche, soziale und gesundheitliche Zwecke ist ausgeschlossen. Die festgesetzte Erschließung verlangt den Abbruch von Gebäuden, unter anderem der Unteroffiziersheime.

5

Die Antragstellerin hält ihr Eigentumsrecht an den überplanten Grundstücken für nicht ausreichend abgewogen. Ihren Normenkontrollantrag hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof abgelehnt. Der Bebauungsplan sei erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, obwohl die Antragstellerin nicht zum Abbruch der Gebäude bereit sei. Die Abwägungsentscheidung sei nicht zu beanstanden. Das Eigentumsrecht der Antragstellerin sei in ausreichendem Umfang in die Abwägung einbezogen worden. Im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses sei der überplante Bereich nicht nach Maßgabe von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bebaubar gewesen, so dass das Eigentumsrecht an diesen Flächen mit dem Gewicht eines Eigentums an Grundstücken im Außenbereich ausreichend eingestellt worden sei. Zwar bildeten die Gebäude auf dem Kasernengelände mit zwei außerhalb liegenden Wohngebäuden den von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB geforderten Bebauungszusammenhang. Es fehle aber an der für einen Ortsteil notwendigen organischen Siedlungsstruktur. Nach der vollständigen Aufgabe der Nutzung des Kasernengeländes im Jahr 2003 und dem weitgehenden Unterlassen einer erneuten Nutzung im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses gebe es keinen geeigneten Maßstab dafür, welche Art der baulichen Nutzung in dem im Zusammenhang bebauten Bereich ohne planerische Festsetzung zulässig sein könnte. Eine städtebauliche Prägung folge nicht daraus, dass das Offizierskasino, das Landhaus und die beiden Unteroffiziersheime für eine Wohn- oder wohnähnliche Nutzung objektiv geeignet seien, weil sich diese Gebäude auch für andere Nutzungen objektiv eigneten. Hinsichtlich der einzelnen Festsetzungen sei der Bebauungsplan von Abwägungsfehlern frei.

6

Die Antragstellerin hat die vom Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision eingelegt. Die tatrichterlichen Feststellungen zur baulichen Nutzbarkeit des Landhauses und der Unteroffiziersheime seien aktenwidrig. In der Sache verstoße das vorinstanzliche Urteil gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Denn bei Einstellung der Eigentümerbelange in die Abwägung habe die Gemeinde eine Innenbereichsqualität der Grundstücke zugrunde legen müssen. Das Kasernengelände bilde nach der Aufgabe der militärischen Nutzung weiterhin einen Ortsteil. Im Übrigen lasse sich aus der vorhandenen Bebauung ein verlässlicher Maßstab für die weitere Bebauung entwickeln.

7

Die Antragsgegnerin verteidigt das angegriffene Urteil. Die Landesanwaltschaft unterstützt die Antragstellerin, ohne einen Antrag zu stellen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision bleibt erfolglos. Das angegriffene Urteil steht mit revisiblem Recht in Einklang.

9

1. Der angegriffene Bebauungsplan genügt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, obwohl die Antragstellerin derzeit nicht bereit sein mag, seine Festsetzungen umzusetzen. Dies sieht der Verwaltungsgerichtshof richtig.

10

Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit dies für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Gegen dieses Gebot verstößt ein Bebauungsplan, der aus tatsächlichen oder Rechtsgründen der Vollzugsfähigkeit entbehrt. Daher ist ein Bebauungsplan unwirksam, dessen Verwirklichung im Zeitpunkt seines In-Kraft-Tretens dauerhafte Hindernisse tatsächlicher oder rechtlicher Art entgegenstehen würden (BVerwG, Urteil vom 30. August 2001 - 4 CN 9.00 - BVerwGE 115, 77 <85>). Allein der Wille eines Grundstückseigentümers, die Realisierung einer bestimmten Festsetzung zu verhindern, ist indes regelmäßig nicht geeignet, diese Festsetzung außer Kraft treten zu lassen (BVerwG, Beschluss vom 5. November 2002 - 4 BN 8.02 - BRS 66 Nr. 54). Insbesondere Flächenfestsetzungen tragen in aller Regel schon dadurch eine Vollzugswahrscheinlichkeit in sich, dass die Zulässigkeit neuer Vorhaben (§ 29 Abs. 1 BauGB) an ihnen zu messen ist (§ 30 BauGB) und sich so zumindest langfristig ein Gebietswandel einstellen wird. Dabei können und müssen unter Umständen auf längere Dauer andere als die festgesetzten Nutzungen hingenommen werden (BVerwG, Urteile vom 2. März 1973 - 4 C 40.71 - BVerwGE 42, 30 <38> und vom 25. Juni 2014 - 4 CN 4.13 - BVerwGE 150, 101 Rn. 14). Hieran gemessen ist der Bebauungsplan erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB.

11

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat zutreffend einen Verstoß gegen § 2 Abs. 3 und § 1 Abs. 7 BauGB verneint.

12

a) Die Anforderungen an den Abwägungsvorgang ergeben sich aus den verfahrensrechtlichen Vorgaben des § 2 Abs. 3 BauGB, die sich mit den Anforderungen decken, die die Rechtsprechung aus dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB entwickelt hat (BVerwG, Urteile vom 9. April 2008 - 4 CN 1.07 - BVerwGE 131, 100 Rn. 20 und vom 13. Dezember 2012 - 4 CN 1.11 - BVerwGE 145, 231 Rn. 9, sowie - materiell-rechtlich - aus § 1 Abs. 7 BauGB (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2014 - 4 BN 38.13 - juris Rn. 6), wonach bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1969 - 4 C 105.66 - BVerwGE 34, 301 <308 f.> und vom 5. Mai 2015 - 4 CN 4.14 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 136 Rn. 14; stRspr). Die für eine Bauleitplanung angeführten beachtlichen Allgemeinbelange müssen umso gewichtiger sein, je stärker die Festsetzungen eines Bebauungsplans die Befugnisse des Eigentümers einschränken oder Grundstücke von einer Bebauung ganz ausschließen. Denn das durch Art. 14 GG gewährleistete Eigentumsrecht gehört in hervorgehobener Weise zu den von der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Belangen (BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - 1 BvR 1402/01 - NVwZ 2003, 727; BVerwG, Urteil vom 1. September 2016 - 4 C 2.15 - juris Rn. 17). Daher hat die Gemeinde die Nachteile einer Planung für den Planunterworfenen zu berücksichtigen. Schränkt sie bestehende Baurechte ein, muss sie diese Tatsache und den möglichen Umfang hierfür zu leistender Entschädigungen in die Abwägung einstellen (BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 1991 - 4 NB 16.90 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 51 S. 36 und Urteil vom 11. April 2013 - 4 CN 2.12 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 391 Rn. 12).

13

b) Bei der Abwägung der Eigentümerbelange der Antragstellerin waren die überplanten Flächen nicht als unbeplanter Innenbereich nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einzustellen. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB regelt bauplanungsrechtliche Anforderungen an Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile. Die Tatbestandsmerkmale "im Zusammenhang bebaut" und "Ortsteil" gehen dabei nicht ineinander auf, die Vorschrift fordert vielmehr das kumulative Vorliegen beider Merkmale (BVerwG, Urteile vom 19. April 2012 - 4 C 10.11 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 386 Rn. 13 und vom 30. Juni 2015 - 4 C 5.14 - BVerwGE 152, 275 Rn. 11). Das überplante Gelände bildete im maßgebenden Zeitpunkt keinen Ortsteil.

14

aa) Für die Abwägung ist nach § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan als Satzung maßgebend, also hier die Sach- und Rechtslage am 15. September 2014. Es spielt daher keine Rolle, ob das Kasernengelände bis zur Aufgabe der militärischen Nutzung im Jahr 2003 einen Ortsteil gebildet haben könnte (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 19. März 1971 - IV OE 58/70 - BRS 24 Nr. 28). Ebenso wenig kommt es auf die Behauptungen der Antragstellerin zu Nutzungen im Herbst 2015 an.

15

bb) Am 15. September 2014 bildete das überplante Gelände weder selbst einen Ortsteil noch war es Teil eines solchen. Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist nur ein Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, Urteile vom 6. November 1968 - 4 C 31.66 - BVerwGE 31, 22 <26> und vom 30. Juni 2015 - 4 C 5.14 - BVerwGE 152, 275 Rn. 11; stRspr). An Letzterem fehlte es.

16

(1) Die frühere, inzwischen aufgegebene militärische Nutzung vermittelte dem Gebiet nicht die für einen Ortsteil notwendige organische Siedlungsstruktur.

17

Für das Vorliegen eines Ortsteils ist nicht erforderlich, dass die Bebauung einem bestimmten städtebaulichen Ordnungsbild entspricht, eine bestimmte städtebauliche Ordnung verkörpert oder als eine städtebauliche Einheit in Erscheinung tritt (BVerwG, Urteil vom 6. November 1968 - 4 C 31.66 - BVerwGE 31, 22 <27>). Der innere Grund für die Rechtsfolge des § 34 BauGB liegt darin, die nach der Siedlungsstruktur angemessene Fortentwicklung der Bebauung zuzulassen (BVerwG, Urteile vom 6. November 1968 a.a.O., vom 14. September 1992 - 4 C 15.90 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 152 S. 67 und vom 30. Juni 2015 - 4 C 5.14 - BVerwGE 152, 275 Rn. 21). Die Norm verlangt damit eine Fragestellung, die in die Zukunft weist (BVerwG, Beschluss vom 25. März 1986 - 4 B 41.86 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 112 S. 60; vgl. Manssen, BauR 2008, 31 <32>). Diese teleologische Auslegung muss der Funktion des § 34 Abs. 1 BauGB im Sinne eines Planersatzes Rechnung tragen, der - im Gegensatz zu dem rein äußerlich und faktisch zu bestimmenden Begriff des Bebauungszusammenhangs - auch eine rechtliche Komponente hat, die in Beziehung zur Planungshoheit der Gemeinde steht (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1998 - 4 C 7.98 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 193, S. 81).

18

Mit der endgültigen Aufgabe der militärischen Nutzung des überplanten Geländes im Jahr 2003 entfiel die prägende Kraft dieser Bebauung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung. Denn eine tatsächlich beendete bauliche Nutzung verliert ihre den Rahmen mitbestimmende Kraft, wenn sie endgültig aufgegeben worden ist und nach der Verkehrsauffassung mit ihr nicht mehr gerechnet wird, während es auf die Frage eines fortbestehenden Bestandsschutzes nicht ankommt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 1988 - 4 CB 12.88 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG/BauGB Nr. 126 S. 25). Nach der Aufgabe der militärischen Nutzung fehlte hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung eine Siedlungsstruktur, welche mit der künftigen Bebauung im Sinne der Rechtsprechung "fortentwickelt" werden konnte und die als Planersatz geeignet gewesen wäre, die künftige Bebauung zu lenken (ebenso zu militärischen Konversionsflächen VGH Mannheim, Urteil vom 10. Juli 2006 - 3 S 2309/05 - ZfBR 2006, 784 <785>; Uechtritz, BauR 1996, 485 <488>; Wallraven-Lindl/Strunz, UPR 1997, 94 <98>; Bell, LKV 2006, 102 (104); Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2016, § 37 Rn. 38a). Das Senatsurteil vom 17. Mai 2002 - 4 C 6.01 - (Buchholz 406.11 § 154 BauGB Nr. 4) führt zu keinem abweichenden Ergebnis. Die dortige Annahme, dass einzelne Gebäude eines Kasernengeländes Bestandteil eines von einer zivil genutzten Umgebungsbebauung gebildeten Ortsteils sein können (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 2002 a.a.O. S. 14), kann nicht die Frage beantworten, ob eine außerhalb der Ortslage errichtete und später aufgegebene Kaserne selbst einen Ortsteil begründet.

19

Entgegen der Auffassung der Landesanwaltschaft genügte es für eine organische Siedlungsstruktur nicht, dass der vorhandene Gebäudebestand das Gebiet wenn schon nicht für die Art der baulichen Nutzung, so doch für das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche städtebaulich prägte. Denn einer Bebauung kann eine organische Siedlungsstruktur selbst dann fehlen, wenn sie zwar hinsichtlich der Art und des Maßes der baulichen Nutzung einen Rahmen vorgibt, nicht aber hinsichtlich der Grundstücksflächen und der Bauweise (BVerwG, Beschluss vom 19. Februar 2014 - 4 B 40.13 - BRS 82 Nr. 101 Rn. 5). Fehlt es an einem Rahmen für die Art der baulichen Nutzung als zentrale Frage der Bauplanung (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2014 - 4 CN 3.14 - Buchholz 406.12 § 10 BauNVO Nr. 5 Rn. 27), gilt dies erst recht.

20

Allerdings können von bereits abgerissenen Gebäuden noch prägende Wirkungen ausgehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 1986 - 4 C 15.84 - BVerwGE 75, 34 <38>) ebenso wie bereits eingestellte Nutzungen noch eine prägende Wirkung behalten können. Maßgeblich ist insoweit, ob die Verkehrsanschauung mit einem Wiederaufbau oder der Wiederaufnahme einer gleichartigen Nutzung rechnet (BVerwG, Urteil vom 3. Februar 1984 - 4 C 25.82 - BVerwGE 68, 360 <368> und Beschluss vom 16. Juni 2009 - 4 B 50.08 - BauR 2009, 1564 Rn. 9). Die Revision macht aber weder geltend noch ist sonst ersichtlich, dass die Verkehrsauffassung mit einer Wiederaufnahme der früheren, militärisch geprägten Nutzung gerechnet haben könnte. Der Senat kann offenlassen, ob Fälle anders zu bewerten sein mögen, in denen eine militärische Nutzung einer zivilen Nutzung städteplanerisch gleich zu stellen ist, wie dies für sogenannte "housing areas" erwogen wird (vgl. Stemmler, ZfBR 2006, 117 <120 f.>; Eiding/Nickel, NVwZ 2011, 336 <339>; Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2016, § 37 Rn. 38c). Es kommt in diesem Zusammenhang im Übrigen weder darauf an, ob - wie die Revision annimmt - die Verkehrsauffassung angesichts des Erhaltungszustandes der Gebäude mit einer anderen Nutzung der Gebäude gerechnet haben könnte, noch darauf, auf welche Umstände die Dauer zwischen Aufgabe der militärischen Nutzung und Beschluss des Bebauungsplans zurückzuführen sein könnte.

21

(2) Der ungenutzte Gebäudebestand auf dem Kasernengelände und die innerhalb des Bebauungszusammenhangs liegenden zwei weiteren Wohngebäude konnten gleichfalls im maßgebenden Zeitpunkt keinen Ortsteil bilden. Zwar hat es der Senat für eine prägende Wirkung gelegentlich ausreichen lassen, wenn der vorhandenen Bebauung ein ausreichender Maßstab für die Frage zu entnehmen war, ob sich eine bestimmte Nutzungsart in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte (BVerwG, Urteil vom 17. Mai 2002 - 4 C 6.01 - Buchholz 406.11 § 154 BauGB Nr. 4 S. 15). Ein solcher Fall liegt aber nicht vor.

22

Nach den tatrichterlichen Feststellungen haben die beiden Wohngrundstücke außerhalb des Kasernengeländes sowie die Lagernutzung der Raufutterscheune kein ausreichendes Gewicht, um die künftige Bebauung zu steuern. Ein hinreichend verlässlicher Maßstab für die Art der baulichen Nutzung lässt sich ebenso wenig aus dem vorhandenen Gebäudebestand entwickeln. Die von der Antragstellerin insoweit angeführten Gebäude - das Offizierskasino, das Landhaus und die Unteroffiziersheime - sind nicht nur für eine Wohnnutzung objektiv geeignet, sondern auch für die Unterbringung von Beherbergungsbetrieben, Schank- und Speisewirtschaften, Handwerksbetrieben, Büros, Vergnügungsstätten und Anlagen für kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke.

23

An diese tatsächliche Feststellung der Vorinstanz ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil die gegen die tatrichterliche Würdigung hinsichtlich des Landhauses und der Unteroffiziersheime erhobene Verfahrensrüge einer aktenwidrigen Feststellung unbegründet ist. Die Rüge der Aktenwidrigkeit verlangt den schlüssigen Vortrag, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben, und zudem eine genaue Darstellung des Verstoßes durch konkrete Angaben von Textstellen aus den vorinstanzlichen Verfahren, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll (BVerwG, Beschlüsse vom 2. November 1999 - 4 BN 41.99 - juris Rn. 24 und vom 22. Juni 2015 - 4 B 60.14 - juris Rn. 20). Dieser Widerspruch muss offensichtlich sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf (BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 2015 - 4 B 46.14 - juris Rn. 20).

24

So liegt es hier nicht. Die Einwände der Antragstellerin und die von ihr benannten Unterlagen mögen eine Wohnnutzung für die genannten Gebäude nahelegen, belegen aber nicht, dass die Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs aktenwidrig wäre. So sind die Unteroffiziersheime ersichtlich für einen Beherbergungsbetrieb oder eine Anlage für soziale Zwecke, etwa die Unterbringung von Asylsuchenden, objektiv geeignet, ebenso das Landhaus für eine Büronutzung. Die vom Verwaltungsgerichtshof weiter genannten Schank- und Speisewirtschaften, Handwerksbetriebe oder Vergnügungsstätten führen auf eine solche Vielfalt von konkret auszugestaltenden Nutzungen, dass die Annahme einer objektiven Eignung der Gebäude auch insoweit nicht aktenwidrig ist.

25

Damit lässt sich dem Gebäudebestand kein Rahmen für die künftige Entwicklung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung entnehmen. Etwas Anderes folgt nicht daraus, dass die vom Verwaltungsgerichtshof beispielhaft ("u.a.") festgestellten Nutzungsmöglichkeiten für das Landhaus, das Offizierskasino und die Unteroffiziersheime sich im Rahmen der nach § 6 Abs. 2 BauNVO in einem Mischgebiet zulässigen Nutzungen halten. Denn die objektive Beschaffenheit eines Gebäudes für die Vielfalt der in einem Mischgebiet zulässigen Nutzungen reicht nicht aus, eine Prägung als Mischgebiet anzunehmen, wenn es bisher an jeder Mischung fehlt. Dabei übersieht der Senat nicht, dass selbst eine Bebauung prägende Wirkung haben kann, die nach der Art der Nutzung einen Rahmen setzt, der über das hinausgeht, was in einzelnen Baugebieten nach der Baunutzungsverordnung zulässig sein mag (BVerwG, Urteil vom 19. September 1986 - 4 C 15.84 - BVerwGE 75, 34 <42>). Denn hier geht es nicht darum, was innerhalb eines Rahmens zulässig ist, sondern um die vorausgehende Frage, ob überhaupt ein Rahmen besteht.

26

Schließlich bleiben die weiteren Einwände der Revision ohne Erfolg. Zwar erscheint die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs zweifelhaft, nur genehmigte oder genehmigungsfähige Bauten und Nutzungen könnten die Eigenart der näheren Umgebung prägen (UA Rn. 22 am Ende). Denn zu einer solchen Prägung kann auch eine Bebauung beitragen, die in einer Weise geduldet wird, die erkennen lässt, dass sich die zuständigen Behörden mit ihrem Vorhandensein abgefunden haben (BVerwG, Urteile vom 14. September 1992 - 4 C 15.90 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 152 S. 68 und vom 17. Mai 2002 - 4 C 6.01 - Buchholz 406.11 § 154 BauGB Nr. 4 S. 15). Die Revision kann mit ihrem Einwand indes schon deswegen keinen Erfolg haben, weil der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen von auf Dauer geduldeten Nutzungen für den Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses geprüft und verneint hat.

27

Die Revision beanstandet ferner die Formulierung der Vorinstanz, die Annahme einer Wohnnutzung könne dazu führen, dass wegen der großvolumigen Gebäude auf dem ehemaligen Kasernengelände das Merkmal des Maßes der baulichen Nutzung jede Kontur gegenüber der südlich des Kasernengeländes und damit außerhalb des Bebauungszusammenhangs vorhandenen Bebauung verlieren werde (in Anschluss an BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2015 - 4 C 5.14 - BVerwGE 152, 275 Rn. 21). Dies mag dahingestellt bleiben, weil das Urteil auf dieser Erwägung erkennbar nicht beruht (vgl. UA Rn. 25: "Dazu kommt ...").

28

3. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass sie sich wirtschaftlich insbesondere durch den festgesetzten Wegfall der Unteroffiziersheime, die Festsetzungen zur Erschließung und den vollständigen Ausschluss von Anlagen für kirchliche, soziale und gesundheitliche Zwecke beeinträchtigt sieht. Eigenständige Einwände gegen die Ausführungen der Vorinstanz (UA Rn. 27 ff.) hat sie insoweit aber nicht erhoben.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. August 2013 – 3 A 291/10 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenansatzes vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin zu Anschlussbeiträgen (Schmutzwasser).

2

Der Zweckverband, dem der Beklagte vorsteht, betreibt im Ostseebad Heringsdorf die zentrale Abwasserbeseitigung durch die in seiner Beitragssatzung als öffentliche Einrichtung II bezeichnete Anlage.

3

Die Klägerin ist als Wohnungseigentümerin (Mit-)Eigentümerin des Grundstücks Flurstück ../.. und ../.., Flur .., Gemarkung H…, welches an die Einrichtung II des Zweckverbandes angeschlossen ist.

4

Bereits mit Bescheiden vom 25. Februar 1999 zog der Beklagte die Klägerin zu Anschlussbeiträgen Schmutzwasser für das Grundstück Flurstück /.., Flur .., Gemarkung H… in Höhe von 4.089,18 DM und für das Grundstück Flurstück ../.., Flur .., Gemarkung H… in Höhe von 1.470,25 DM heran (Rechtsgrundlage Beitragssatzung 1996). Die Bescheide wurden bestandskräftig.

5

Mit Bescheiden vom 15. Oktober 2009 zog der Beklagte die Klägerin unter Anrechnung der bereits geleisteten Beiträge zu Anschlussbeiträgen für das Wohnungs- und Teileigentum in Höhe von insgesamt 30.974,76 Euro heran (Rechtsgrundlage Beitragssatzung 2005).

6

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 11. November 2009 Widerspruch ein.

7

Mit Änderungs- und Widerspruchsbescheid vom 1. März 2010 stellte der Beklagte unter Ziffer 1 klar, dass ein Beitrag von insgesamt 30.974,76 Euro zu zahlen sei. Unter Ziffer 2 des Bescheides werden die in der Anlage l aufgeführten Bescheide wegen offenbarer Unrichtigkeit auf Seite 2, Zeile 3 dahingehend berichtigt, dass nur die Bescheide vom 25. Februar 1999 (und nicht auch vom 11. Februar 1999) geändert werden sollen. Im Übrigen werden die Widersprüche zurückgewiesen.

8

Die Klägerin hat am 30. März 2010 Klage erhoben.

9

Sie ist der Ansicht, ihre Heranziehung sei rechtswidrig.

10

Der Beklagte habe den Widerspruchsbescheid nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen begründet, da er nur einen Widerspruchsbescheid erlassen habe und hinsichtlich der gesamten 135 Kanalbauanschlussbeitragsbescheide auf eine dem Widerspruchsbescheid als Anlage l beigefügte Liste verwiesen habe.

11

Die Bescheide seien (auch) materiell rechtswidrig. Sie verstießen gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung. Der Beklagte habe die Klägerin bereits mit Beitragsbescheiden vom 25. Februar 1999 zu Anschlussbeiträgen (Schmutzwasser) herangezogen, und diese Bescheide seien bestandskräftig geworden. Der Beitrag sei voll ausgeschöpft worden.

12

Der nochmaligen Veranlagung stehe darüber hinaus der Grundsatz der Verwirkung entgegen. Im Übrigen habe der Gesetzgeber erst mit der Änderung des KAG M-V im Jahr 2005 entschieden, dass die sachliche Beitragspflicht mit der ersten wirksamen Satzung entstehe (Änderung des § 9 Abs. 3 KAG M-V), sodass nach der alten Rechtslage die Beitragspflicht bereits entstanden und damit verjährt sei. Diese gesetzliche Änderung habe echte Rückwirkung entfaltet. Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – werde Bezug genommen. Nach Ablauf von mehr als zehn Jahren habe die Klägerin auch nicht mehr mit dem Erlass eines weiteren Beitragsbescheides rechnen müssen.

13

Weiterhin sei die dem Beitragssatz zugrunde liegende Kalkulation fehlerhaft. Die Gemeinde Seebad Heringsdorf habe im Jahr 2011 einen Bebauungsplan Nr. 23 „Ortszentrum an der Delbrückstraße 1 in Heringsdorf“ aufgestellt, nach welchem anstelle eines bisherigen Parkplatzes und eines dreigeschossigen Einkaufszentrums ein maximal 25,9 m hoher Hotelkomplex zwischen der S-straße und der D-straße entstehen solle. Diese Planungen seien bei der Flächenermittlung nicht berücksichtigt worden. Auch im Bereich Neu-Sallenthin, Alt-Sallenthin weise die Flächenberechnung lediglich eine eingeschossige Nutzungsfläche auf. Dies sei fehlerhaft. In der Gemeinde gebe es eine Reihe zweigeschossiger Gebäude, wie beispielsweise in der Straße „An den Krebsseen" Nummer 1, 8, 16, 39 und 42. Das in Neu-Sallenthin vorhandene Hotel „B" sei darüber hinaus dreigeschossig. Die Fortschreibung der Beitragskalkulation enthalte eine Ermittlung der Erstattung von Abwasserabgaben. Hierbei handele es sich nicht um eine Fortschreibung, da die Angaben aus den Jahren 2006 bis 2008 stammten.

14

Die Klägerin hat beantragt,

15

die Kanalbaubeitragsbescheide des Beklagten – Bescheidnummern … bis … – vom 15. Oktober 2009 in der Fassung des Änderungs- und Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 aufzuheben.

16

Der Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Er hat im Wesentlichen vorgetragen, der Nachveranlagung könne weder der Grundsatz der einmaligen Beitragserhebung noch Verwirkung entgegengehalten werden. Dies habe auch das OVG Greifswald zwischenzeitlich bestätigt. Erst mit Erlass der angefochtenen Bescheide, gestützt auf die Beitragssatzung vom 16. März 2005, habe der Beklagte seinen Beitragsanspruch voll ausgeschöpft, da die Vorgängersatzungen allesamt unwirksam gewesen seien.

19

Gegen die Kalkulation beständen keine Bedenken. Die aktuelle Fortschreibung der Kalkulation sei bis 2015 erfolgt. Da der Bebauungsplan Nr. 23 der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf bislang nicht wirksam sei, sei das Grundstück auch nur mit der tatsächlichen Bebauung mit drei Vollgeschossen bei der Flächenermittlung berücksichtigt worden.

20

Durch Urteil vom 22. August 2013 – 3 A 291/10 – hat das Verwaltungsgericht Greifswald die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

21

Die zulässige Klage habe keinen Erfolg. Die Beitragsbescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2009 in Gestalt des Änderungs- und Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten.

22

Die Bescheide seien formell rechtmäßig; sie genügten dem Begründungserfordernis. Im Änderungs- und Widerspruchsbescheid werde ausführlich erläutert, wie sich die einzelnen für die Miteigentumsanteile festgesetzten Beiträge errechneten. Der errechnete Betrag sei für jeden Miteigentumsanteil anhand der Bescheidnummern genau bestimmbar.

23

Die Bescheide seien materiell rechtmäßig. Die der Beitragssatzung zugrundeliegenden Normen des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern – KAG M-V –, insbesondere § 9 Abs. 3 KAG M-V, verstießen nicht gegen höherrangiges Recht. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, da die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern in entscheidungserheblichen Punkten nicht mit der des Bayrischen Kommunalabgabengesetzes – BayKAG – vergleichbar sei. Eine „Verflüchtigung“ des Vorteils wie im bayrischen Landesrecht sei im Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern nicht möglich.

24

Die Beitragsbescheide fänden ihre nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung – Insel Usedom – (Abwasserbeitragssatzung – ABS) vom 18. März 2005 in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 20. Mai 2011. Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung beständen nicht.

25

Die dem Beitragssatz für die Einrichtung II zugrundeliegende, in der Verbandssitzung am 16. Mai 2011 beschlossene Globalkalkulation sei nicht zu beanstanden. Der Einwand der Klägerseite, es sei rechtsfehlerhaft, dass der Beklagte die mit dem Bebauungsplan Nr. 23 erfolgten Planungen der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf bei der Flächenermittlung nicht berücksichtigt habe, verfange nicht. Zwar sei es zutreffend, dass bei der Beschlussfassung über die Kalkulation in der Verbandsversammlung am 16. Mai 2011 der Bebauungsplan Nr. 23 bereits beschlossen und bekannt gemacht worden war. Allerdings sei der Beklagte nicht verpflichtet, (zukünftige) Baulandflächen zu berücksichtigen, die auf einem unwirksamen Bebauungsplan beruhten. Dies sei vorliegend der Fall. Das OVG Greifswald habe in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 21. November 2012 - Az. 3 K 22/11 - den Bebauungsplan Nr. 23 für unwirksam erklärt. Der Einwand der Klägerin, die Einstufung der in der Ortschaft Neu-Sallenthin gelegenen Grundstücke als insgesamt eingeschossig bebaut, sei teilweise unrichtig, führe nicht zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulation. Zwar habe der Beklagte eingeräumt, dass die in der Straße „An den K“ Nr. 1, 8, 16 und 42 gelegenen Grundstücke zweigeschossig bebaut seien und auch das Hotel „B“ über zwei Vollgeschosse verfüge. Dieser Fehler wirke sich jedoch wegen seiner Geringfügigkeit bei einer ermittelten Gesamtfläche von 2.290.027 m² weder auf den kalkulatorisch höchstzulässigen ermittelten Beitragssatz für die Einrichtung II von 8,29 Euro noch auf den festgesetzten Beitragssatz von 4,83 Euro wesentlich aus. Die Auswirkungen auf den Deckungsgrad seien gering und der beschlossene Beitrag von 4,83 Euro sei noch weit von dem höchstzulässigen Beitrag entfernt. Die der Verbandsversammlung unterbreitete Kalkulation sei damit nicht in einem für den Abgabensatz wesentlichen Punkt mangelhaft und auch nicht methodisch fehlerhaft, sodass die Verbandsversammlung trotz dieses Fehlers das ihr bei der Festsetzung des Abgabensatzes eingeräumte Ermessen fehlerfrei habe ausüben können. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeführt habe, es könne aus der fehlerhaften Flächenermittlung im Bereich der Ortschaft Neu-Sallenthin geschlossen werden, dass auch für die übrigen Gebiete der Einrichtung II die Flächen fehlerhaft ermittelt worden seien, treffe das nicht zu. Zum einen gebe es einen solchen Erfahrungssatz nicht. Zum anderen habe der Beklagte unwidersprochen ausgeführt, dass die Ortschaft Neu-Sallenthin abwasserseitig noch nicht erschlossen sei. Da insoweit die exakten Daten über das Maß der baulichen Nutzung fehlten, sei eine Schätzung auf repräsentativer Grundlage erfolgt. Demgegenüber seien 80 v. H. der im Einzugsbereich der Einrichtung II gelegenen Grundstücke tatsächlich angeschlossen, sodass insoweit auch die exakten Daten über das Maß der baulichen Nutzung vorlägen und bei der Kalkulation berücksichtigt worden seien. Im Übrigen sei es Sache der Klägerin, etwaige Satzungs- oder Rechtsanwendungsfehler hinreichend bestimmt darzulegen. Das Gericht sei nicht gehalten, von sich aus auf Fehlersuche zu gehen. Denn dies liefe auf eine auch vom verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) nicht mehr gedeckte Fehlersuche „ins Blaue“ hinaus.

26

Nicht zu beanstanden sei die aufwandsmindernde Berücksichtigung der zurückerstatteten Beträge aus der Abwasserabgabe in der Kalkulation (als „Leistungen Dritter“). Dass der Beklagte die Verrechnung der Abwassergabe nicht fortgeschrieben habe, sei rechtsfehlerfrei. Denn eine Verrechnung der Abwasserabgabe sei in der Zukunft nicht zu erwarten, da alle in der Einrichtung II anfallenden Abwässer entweder durch Überleitung in die Kläranlage Swinemünde oder zum Zweckverband Wolgast gereinigt würden. Eine eigene Klärung des Abwassers durch den Zweckverband entfalle damit im Bereich der Einrichtung II. Daher sei auch keine Abwasserabgabe durch den Zweckverband zu entrichten; eine Verrechnungsmöglichkeit entfalle.

27

Rechtmäßig sei auch die Nachberechnung des Beitrags, obwohl bereits mit Bescheiden vom 25. Februar 1999 für dasselbe Grundstück ein Anschlussbeitrag erhoben worden sei. Der dem Bescheid vom 25. Februar 1999 zugrunde gelegte Beitragssatz beruhte auf einer unwirksamen Kalkulation, da die am 4. November 1996 beschlossene Beitragssatzung in § 5 ABS u. a. zwischen erstmalig und bereits an einen Mischkanal angeschlossen gewesene Grundstücke differenziert und dafür unterschiedliche Beitragssätze vorgesehen habe. Die Regelung eines sog. gespaltenen Beitragssatzes sei gleichheitswidrig und habe zur Unwirksamkeit des Beitragssatzes geführt. Der Beklagte sei daher gehalten gewesen, eine dem nunmehr festgesetzten Beitragssatz für die Einrichtung II von 4,83 Euro entsprechende Nachforderung zu erheben. Auf die Frage, wer den Veranlagungsfehler 1999 verschuldet habe, komme es für die Rechtmäßigkeit der Nacherhebung nicht an.

28

Der Nachveranlagung des Beitrages stehe auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen. Dieser sei dann nicht verletzt, wenn der bereits gezahlte Betrag – wie hier – auf die Beitragsschuld angerechnet werde. Gleiches gelte für die Bestandskraft des früheren Beitragsbescheides und die Regelungen der §§ 170 ff. AbgabenordnungAO –.

29

Der Beitragsanspruch sei nicht durch Festsetzungsverjährung erloschen. Gemäß § 12 Abs. 2 KAG M-V betrage die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und Steuern vier Jahre. Nach § 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V beginne die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden sei. Obwohl das Grundstück bereits seit längerem an die Anlage angeschlossen worden sei, sei die sachliche Beitragspflicht erst im Kalenderjahr 2011 entstanden, sodass die vierjährige Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2011 anlaufe und frühestens am 31. Dezember 2015 ablaufe.

30

Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V entstehe die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden könne, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Gemeint gewesen sei auch nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. eine wirksame (gültige) Satzung, denn auf Grundlage einer unwirksamen Satzung könnten Beitragspflichten von vornherein nicht entstehen. Der Einwand der Klägerin, der Gesetzgeber habe erst mit Änderung des KAG M-V im Jahr 2005 entschieden, dass die sachliche Beitragspflicht erst mit der ersten wirksamen Satzung entstehe, verfange damit nicht.

31

Gleiches gilt für ihren Einwand, der Lauf der Festsetzungsfrist sei bereits durch den tatsächlichen Anschluss ausgelöst worden, da § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. im Lichte der eingangs erwähnten Rechtsprechung des BVerfG im strengen Wortsinne auszulegen sei, denn die Erwägungen des BVerfG seien auf die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern nicht übertragbar.

32

In dem Anknüpfen der Verjährungsfrist an den Erlass der ersten wirksamen Beitragssatzung liege schließlich auch keine im Regelfall nach Art. 20 Abs. 3 GG unzulässige (echte) Rückwirkung, sondern lediglich eine sogenannte tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung), die allgemein zulässig sei. Der Gesetzgeber regele keinen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt mit Wirkung für die Vergangenheit neu, sondern nehme einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt zum Anlass, daran Rechtsfolgen für die Zukunft – die Beitragspflicht – zu knüpfen.

33

Das Gericht gehe davon aus, dass die ABS vom 18. März 2005 in Gestalt der 7. Änderungssatzung vom 20. März 2011 die erste wirksame Beitragssatzung des Zweckverbandes sei und die sachliche Beitragspflicht daher frühestens auf Grundlage dieser Satzung habe entstehen können. Frühere Beitragssatzungen des Zweckverbandes aus den Jahren 1996, 2001 und 2004 seien unwirksam gewesen.

34

Die am 4. November 1996 beschlossene erste Beitragssatzung habe unterschiedliche Beitragssätze für sogenannte altangeschlossene und neuangeschlossene Grundstücke aufgewiesen und daher gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Der Beitragssatzung vom 22. November 2001 habe es an einer widerspruchsfreien Abgrenzung zwischen öffentlicher Einrichtung und Grundstücksanschlüssen gefehlt, was auch durch die Abwasseranschluss- und Beseitigungssatzung – AAS – vom 9. Oktober 2002 nicht geändert worden sei. Der ABS vom 16. April 2004 habe es an wirksam beschlossenen Beitragssätzen gefehlt. Die ABS vom 18. März 2005 habe nicht den nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderlichen Mindestinhalt aufgewiesen, da die Maßstabsregel unvollständig gewesen sei.

35

Die Klägerin hat am 11. Oktober 2013 die Zulassung der Berufung beantragt. Durch Beschluss vom 17. September 2015 hat der Senat die Berufung zugelassen.

36

Zur Begründung ihrer Berufung verweist die Klägerin ergänzend auf die Beschlüsse des BVerfG vom 12. November 2015 und auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG – vom 15. April 2015. Danach sei eine Beitragserhebung in Mecklenburg-Vorpommern nur bis zum 31. Dezember 2008 zulässig gewesen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V a. F.). Die Beiträge seien somit verjährt. Zudem sei auch die Beitragskalkulation fehlerhaft.

37

Auch das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016, mit dem die Verjährungsregelung des § 12 Abs. 2 KAG M-V geändert worden sei, habe die Beitragserhebung nicht nachträglich rechtlich zulässig gemacht. Das BVerfG habe im Beschluss vom 5. März 2013 (Orientierungssatz 3 und Rn. 49 ff.) dem Bayerischen Landesgesetzgeber eine Frist bis zum 31. März 2014 eingeräumt, eine gesetzlich zulässige Regelung zur Bestimmung der Verjährungsfrist zu schaffen. Wegen der Bindungswirkung des § 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz – BVerfGG – gelte diese Frist auch für den Landesgesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern, der diese Frist habe verstreichen lassen, sodass die gesetzliche Änderung von 14. Juli 2016 die Beitragserhebung nicht mehr habe heilen können.

38

Die Klägerin beantragt,

39

die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. August 2013 abzuändern und die Kanalbaubeitragsbescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2009 – … - … – in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 aufzuheben und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

40

Der Beklagte beantragt,

41

Die Berufung zurückzuweisen.

42

Er tritt der Berufung entgegen.

43

Am 14. Juli 2016 hat der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes erlassen und dort unter anderem eine neue Verjährungsregelung eingefügt. Das Gesetz ist im GVOBl. M-V 2016 S. 584, Heft Nr. 15 vom 29. Juli 2016, veröffentlicht und nach Art. 2 des Gesetzes am Tag nach seiner Verkündung in Kraft getreten.

44

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

45

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die angefochtenen Beitragsbescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2009 in der Fassung des Änderungs- und Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

46

Die Beitragsbescheide finden ihre nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung – Insel Usedom – (Abwasserbeitragssatzung – ABS) vom 18. März 2005 in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 16. Mai 2011, ausgefertigt am 20. März 2011. Dies ist die erste rechtswirksame Abwasserbeseitigungssatzung des Beklagten (zu 1). Erst das Inkrafttreten dieser Satzung hat die sachliche Beitragspflicht ausgelöst; einer Rückwirkung dieser Satzung hat es nicht bedurft (zu 2). Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung hat der Senat – in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts – VG – nicht (zu 3). Die Heranziehung der Klägerin im vorliegenden Einzelfall ist rechtmäßig (zu 4).

47

1. Die früheren Satzungen des Beklagten aus den Jahren 1996, 2001 und 2004 waren unwirksam; so zutreffend das VG im angefochtenen Urteil. Dem ist die Klägerseite zum einen nicht substantiiert entgegengetreten. Zum anderen hat die Prüfung des Senats von Amts wegen nichts Abweichendes ergeben.

48

Die ABS vom 4. November 1996 hat in § 5 für jede der drei Einrichtungen (I bis III) drei Beitragstatbestände enthalten, nämlich einen Beitragssatz für den „erstmaligen Anschluss eines Grundstücks an die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung“, einen geminderten Beitragssatz für Grundstücke, die bereits den Überlauf der Grundstücksentwässerungsanlage an einen Mischkanal besaßen, und – zum Dritten – für Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des KAG M-V voll an die gemeindliche Kläranlage angeschlossen gewesen waren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates, an der festgehalten wird, lag in dem dritten Beitragstatbestand eine unwirksame, weil gegen Art. 3 Grundgesetz – GG – verstoßende Altanschließerregelung. Den Altanschließern wird durch die nach der Wende geschaffene öffentliche Einrichtung des Aufgabenträgers derselbe Vorteil geboten wie denjenigen Anschlussnehmern, deren Grundstück erstmalig nach der Wende an eine öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossen worden ist (vgl. OVG Greifswald in ständiger Rechtsprechung seit Beschl. vom 21. April 1999 – 1 M 12/99 –, LKV 2000 S. 161).

49

Die Beitragssatzung vom 21. November 2001 hat diese fehlerhafte Ungleichbehandlung der Altanschließer in ihrem § 5 noch weiter vertieft, indem sie nicht nur einen reduzierten Beitragssatz für die Altanschließer vorgesehen hat, sondern diese vollständig von der Beitragspflicht hat freistellen wollen. Es gibt in der ABS 2001 nur noch den Beitragstatbestand für den „erstmaligen Anschluss“ eines Grundstücks an die öffentliche Entwässerungsbeseitigung.

50

Der Satzung vom 31. März 2004 fehlte es an wirksam beschlossenen Beitragssätzen. Denn dieser Satzung hat keine wirksame Kalkulation des Beitragssatzes zugrunde gelegen. Die Beitragskalkulation vom November 2001 (vgl. VG Greifswald, Beschl. vom 24. August 2004 – 3 B 1625/04 –) hat ihre Gültigkeit verloren, weil sie auf einer anderen Organisationsentscheidung des Beklagten beruht. Ausweislich § 1 Abs. 4 der Abwasseranschluss- und -beseitigungssatzung des Zweckverbandes Wasserversorgung vom 9. Oktober 2002 – AAS 2002 – waren seinerzeit die Grundstücksanschlüsse noch Bestandteil der öffentlichen Einrichtung. Nach § 1 Abs. 2c ABS 2004 gehörten diese nicht mehr zur öffentlichen Einrichtung, sodass eine diese Organisationsentscheidung berücksichtigende Fortschreibung der Kalkulation im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die ABS 2004 der Zweckverbandsversammlung hätte vorliegen müssen. Zum einen stellt sich somit der Umfang der öffentlichen Einrichtung als widersprüchlich definiert dar. Zum anderen hätte auf der Kostenseite der Kalkulation berücksichtigt werden müssen, dass nach der ABS 2004 die Kosten für die Erstellung der Grundstücksanschlüsse keine Kosten der öffentlichen Einrichtung mehr sind (methodischer Fehler).

51

Die Beitragssatzung vom 31. März 2005 wies (ebenfalls) nicht den nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderlichen Mindestinhalt auf, da die Maßstabsregeln unvollständig waren. In der Satzung 2005 fehlte eine Maßstabsregelung für Grundstücke, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen, der keine Regelung über die Anzahl der zulässigen Vollgeschosse trifft, aber eine maximale Höhe und eine Baumassenzahl festsetzt. Dies hat bereits das VG zutreffend herausgearbeitet.

52

2. Damit hat die sachliche Beitragspflicht erst im Jahre 2011 unter Geltung der 7. Änderungssatzung entstehen können. Denn seit Inkrafttreten des KAG vom 11. April 1991 hat das OVG Greifswald stets die Rechtsauffassung vertreten, dass (nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1991, heute § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) ohne einewirksame Satzung keine sachliche Beitragspflicht entstehen kann und mithin auch der Lauf der regelmäßigen Verjährung nicht in Gang gesetzt wird (vgl. insoweit die Rechtsprechungsnachweise bei Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Anm. 7.2 mit weiteren Nachweisen). Insbesondere wird auf die älteste dort zitierte Entscheidung, nämlich den Beschl. des OVG Greifswald vom 8. April 1999 – 1 M 41/99 –, verwiesen. Seit diesem Zeitpunkt ist das KAG (M-V) stets in dieser Weise durch das OVG Greifswald ausgelegt worden. Daran wird auch in dem vorliegenden Urteil festgehalten.

53

Weil nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Greifswald eine wirksame Satzung der Anschlussmöglichkeit auch nachfolgen kann, hat es einer Rückwirkung der ABS nicht bedurft. Eine nachträglich erlassene wirksame Abgabensatzung heilt dann einen eventuell zuvor bei Erlass der Bescheide bestehenden rechtlichen Mangel. Erst mit Inkrafttreten der wirksamen ABS im Jahre 2011 ist die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist (§ 12 KAG M-V i. V. m. § 169 Abs. 2 AO) angelaufen; denknotwendigerweise ist sie im Jahre 2009 – bei Erlass der hier streitigen Abgabenbescheide – auch nicht abgelaufen gewesen. Auch wenn die Heranziehungsbescheide im Jahre 2009 – wegen des vorgenannten Satzungsmangels – noch rechtswidrig gewesen sind, sind sie im Jahre 2011 geheilt worden und unterliegen daher nicht mehr der verwaltungsgerichtlichen Aufhebung (Grundsatz der Aufrechterhaltung). Hierdurch werden Abgabepflichtige nicht in rechtswidriger Weise benachteiligt. Die Klägerseite hätte das Inkrafttreten der wirksamen Satzung zum Anlass nehmen können, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, um nicht die Kosten für einen zunächst aussichtsreichen, dann aber – wegen des Inkrafttretens einer wirksamen Satzung – erfolglos gewordenen Verwaltungsprozesses tragen zu müssen.

54

Die Klägerseite kann sich – im Hinblick auf das Erfordernis einer wirksamen Satzung – nicht mit Erfolg auf die abweichende Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg berufen. Nicht nur nach Auffassung des OVG Greifswald, sondern nach ganz herrschender, seit Jahrzehnten gefestigter Rechtsprechung fast aller Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe setzt das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht voraus, dass eine wirksame Abgabensatzung vorhanden ist. Denn eine unwirksame Abgabensatzung ist nichtig und daher im Ergebnis nicht existent. Eine gesetzliche Formulierung, das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht setze eine „wirksame Satzung“ voraus, ist im Ergebnis ein „weißer Schimmel“. Der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern hat durch die KAG-Änderung 2005 lediglich das klargestellt, was nach der Rechtsprechung des OVG Greifswald seit Gründung dieses Gerichtes gegolten hatte.

55

Dass es auf die Auslegung des Landesrechtes durch das oberste Landesgericht ankommt, wird auch aus dem Beschluss des BVerfG, 2. Kammer, vom 12. November 2015 – 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 –, LKV 2016 S. 25 ff., deutlich (siehe unter 4c), wo an mehreren Stellen darauf abgestellt wird, wie das in dem dortigen Fall vorgehende OVG Berlin-Brandenburg seit dem Jahre 2000 das KAG BB ausgelegt hat. Erst durch den Wechsel der Auslegung des Landesrechts von Brandenburg sei, so das BVerfG, die Sach- und Rechtslage in Brandenburg dergestalt „umgestaltet“ worden, dass es auf die erste Satzung ankomme, auch wenn sie nicht wirksam gewesen sein sollte.

56

3. Zweifel an der Gültigkeit der ABS (Fassung 2011) sind – abgesehen von der Beitragskalkulation – nicht vorgetragen worden. Solche Zweifel sind auch sonst für den Senat nicht ersichtlich.

57

Die der ABS 2005 in der Fassung 2011 zugrunde liegende Beitragskalkulation ist nach Auffassung des Senates ausreichend, eine ordnungsgemäße ortsgesetzgeberische Ermessensentscheidung zu tragen.

58

Insbesondere hat der Verbandsversammlung am 16. Mai 2011 eine aktuelle Kalkulation vorgelegen, die beschlossen worden ist (Fortschreibung der Beitragskalkulation von März 2011). Für die hier in Rede stehende Einrichtung II ist ein Beitragssatz von 8,29 Euro/m² kalkuliert worden; festgesetzt worden ist durch die Verbandsversammlung ein Beitragssatz von 4,83 Euro/m². Als umlagefähig sind angesehen worden Kosten in Höhe von 18.975.383 Euro. Die beitragspflichtige Fläche ist mit 2.290.027 m² ermittelt worden.

59

Die Beitragskalkulation ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das VG ausgeführt, dass zwar „kleine Ungenauigkeiten“ vorgelegen haben mögen. Es sind aber insgesamt insbesondere keine schweren methodischen Fehler erkennbar geworden. Insbesondere ist kein methodischer Fehler unter dem Gesichtspunkt festzustellen, dass in erheblichem Umfang nicht beitragsfähiger Aufwand in die Ermittlung des Beitragssatzes eingestellt worden wäre. Insoweit kann auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden.

60

Vor dem Hintergrund, dass die ermittelte beitragspflichtige Fläche 2.290.027 m² beträgt, steht für den Senat fest, dass eine eventuell fehlerhafte Bewertung einzelner Grundstücke im Verbandsgebiet nur zu kleinen Ungenauigkeiten führen kann.

61

Im Hinblick auf den Bebauungsplan Nr. 23 ist der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu folgen. Ein Bebauungsplan eröffnet Planungsrecht. Es liegt nach Erlass eines Bebauungsplanes nicht mehr in der Hand der Gemeinde, ob die Planung auch umgesetzt wird. Etwas anderes mag nur dann gelten, wenn ein Baugebot festgesetzt worden ist. Daher liegt es im ortsgesetzgeberischen Ermessen, ob der räumliche Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, der gerade erst in Kraft getreten ist, einbezogen wird oder nicht. Die Nichteinstellung des räumlichen Geltungsbereichs dieses Bebauungsplanes Nr. 23 kann auch auf der Einschätzung beruhen, dass sich der Bebauungsplan als von Anfang an unwirksam erwiesen hat.

62

Im Hinblick auf die Ortschaft Neu-Sallenthin, die im Zeitpunkt der Kalkulation noch nicht abwasserseitig angeschlossen gewesen ist, kommt bei der Erstellung einer Globalkalkulation nur eine überschlägige Schätzung der beitragspflichtigen Flächen in Betracht. Sinn einer Globalkalkulation ist es nicht, das gesamte Verbandsgebiet Quadratmeter genau zu ermitteln. Erst im Rahmen der Beitragsfestsetzung für einzelne Grundstücke wird es dann Aufgabe des Beklagten sein, das jeweilige Grundstück genau zu betrachten. Daher ist es für die Rechtmäßigkeit der Kalkulation bedeutungslos, ob das eine oder andere Grundstück in Neu-Sallenthin und auch zum Beispiel das Hotel Bergmühle mit einem, zwei oder drei Vollgeschossen bebaut ist. Insoweit liegt nicht einmal ein Fehler der Kalkulation vor.

63

Aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen hat die Frage der Abwasserabgabe im Hinblick auf die Beitragskalkulation auch für den Senat keine Relevanz.

64

Zudem ist festzustellen, dass der Beklagte nur eine teilweise Deckung seiner Aufwendungen durch Beiträge angestrebt hat, da er einen „politischen Beitrag“ erhebt, der nur etwas mehr als die Hälfte des kalkulierten Beitragssatzes ausmacht. Eine Kostenüberdeckung durch Beiträge ist damit definitiv ausgeschlossen (Beitragssatz von 8,29 Euro/m² wurde als höchstzulässiger Beitragssatz kalkuliert; festgesetzt worden ist durch die Verbandsversammlung „nur“ ein Beitragssatz von 4,83 Euro/m²). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates ist es rechtlich zulässig, im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen eine sich aus Beiträgen und Gebühren zusammensetzende Finanzierung vorzunehmen, wie der Beklagte das im vorliegenden Fall tut.

65

4. Die Heranziehung der Klägerin im vorliegenden Einzelfall ist rechtmäßig.

66

Die Anwendung der ABS (Fassung 2011) auf den vorliegenden Einzelfall ist in rechtmäßiger Weise erfolgt; sowohl die Beitragsfestsetzungen als auch das Zahlungsgebot erweisen sich als rechtmäßig (zu a). Die Beitragserhebungsmöglichkeit hat sich weder „verflüchtigt“ (b) noch verstößt sie gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (c) oder liegt eine unzulässige Doppelveranlagung vor (d).

67

a) Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bestimmtheit ist nicht gegeben. Die komplizierte Materie einer Wohnungseigentümergemeinschaft erfordert auch komplizierte Bescheide. Daher ist es ein adäquates Vorgehen des Beklagten, 135 Bescheide zu erlassen, diese aber dann letztlich objektbezogen in einem Widerspruchsbescheid zu bündeln. Im Widerspruchsbescheid ist hinreichend klargestellt, auf welchen Betrag sich das Leistungsgebot der Veranlagung bezieht und dass die zuvor bezahlten Beiträge angerechnet werden. Zutreffend hat der Beklagte berücksichtigt, dass die im Jahre 2011 entstandenen Beiträge durch die auf die Bescheide von 1999 geleisteten Zahlungen teilweise durch Erfüllung erloschen sind. Daher hat das Leistungsgebot diese Zahlungen zutreffend berücksichtigt.

68

b) Das vom BVerfG im Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143 = NVwZ 2013 S. 1004, entwickelte Rechtsinstitut der „Verflüchtigung“ greift im Ergebnis nicht durch. Danach kann ein zwar nicht verjährter Beitrag aus rechtsstaatlichen Gründen eventuell nicht mehr erhoben werden (vgl. hierzu im Einzelnen Aussprung in Aussprung/Siemens/Holz, § 7 Erläuterung 8.1.4.2, Seite 60 ff.).

69

Der Leitsatz des Beschlusses des BVerfG vom 5. März 2013 lautet im Wesentlichen, das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verlange Regelungen, die sicherstellten, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden könne.

70

In dem genannten Beschluss hat das BVerfG – ausweislich der Nr. 1 des Tenors – den anzuwendenden Art. 13 des BayKAG für mit dem Grundgesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) „unvereinbar“ erklärt, nicht aber für nichtig. Dies hat entscheidende Bedeutung für die weitere Möglichkeit des bayerischen Landesgesetzgebers, diesen Mangel zu beseitigen. So führt das BVerfG dann auch aus (Orientierungssatz 3 und Rn. 49 ff.), dem Gesetzgeber ständen mehrere Möglichkeiten zur Beseitigung des verfassungswidrigen Zustandes zur Verfügung, und zunächst komme nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht. „Nichtigkeit“ trete jedoch zum 1. April 2014 ein, wenn der Gesetzgeber auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist verzichte.

71

Das BVerwG (Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 15.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 139/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 16.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 140/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 17.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 142/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 18.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 143/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 19.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 207/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 20.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 208/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 21.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 210/13 –; vgl. hierzu Aussprung in Aussprung/Siemens/Holz, KAG M-V, § 7 Erläuterung 8.1.4.6 Seite 86) hat für die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern durch Urteile vom 15. April 2015 die Revisionen der dortigen Kläger gegen die Urteile des OVG Greifswald vom 1. April 2014 zurückgewiesen, weil die Beitragserhebung noch innerhalb der Übergangsfrist des § 12 Abs. 2 KAG M-V in der bis zum 29. Juli 2016 geltenden Fassung erfolgt sind, d. h. bis zum 31. Dezember 2008. Ferner hat das BVerwG in einem umfassenden obiter dictum weitere „Segelanweisungen“ gegeben.

72

Ausdrücklich hat das BVerwG, a. a. O., dem Landesgesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern die Möglichkeit offen gelassen, eine weitergehende und längere Festsetzungsverjährungsfrist als den 31. Dezember 2008 zu bestimmen und im Einzelnen ausgeführt:

73

„Denn es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen einerseits der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und andererseits der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen (BVerfG, Beschl. vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143 Rn. 42). Mit diesem Gestaltungsauftrag ist – nicht zuletzt angesichts der Vielzahl der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten, jedoch gerade nicht den Verweis auf die Höchstverjährungsfrist einschließenden Lösungsmöglichkeiten wie auch der Unterschiedlichkeit der in einzelnen Ländern erlassenen und zudem deutlich kürzeren Ausschlussfristen – der schematische Rückgriff auf § 53 Abs. 2 VwVfG M-V wohl unvereinbar, zumal die Vorschrift gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG M-V nicht für Verfahren gilt, die – wie vorliegend – nach den Vorschriften der Abgabenordnung durchzuführen sind.“

74

Eine solche Fristbestimmung hat der Landesgesetzgeber jetzt durch Gesetz vom 14. Juli 2016 getroffen; ebenso wie zahlreiche andere Bundesländer bereits ihre Verjährungsregelungen nachgebessert haben.

75

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass diese gesetzliche Neuregelung den von Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht gemachten Vorgaben entspricht, sodass der Senat die geänderte Fassung des § 12 Abs. 2 KAG MV seiner Entscheidung zugrunde legen kann. Der Gesetzgeber hat jetzt eine Regelung geschaffen, nach der eine zeitlich unbefristete Heranziehung zu (Anschluss-) Beiträgen nicht mehr möglich ist.

76

§ 12 Abs. 2 in der jetzt geltenden Fassung lautet u. a.:

77

§ 169 der Abgabenordnung gilt mit der Maßgabe, dass

78

1. über § 169 Absatz 1 Satz 1 der Abgabenordnung hinaus die Festsetzung eines Beitrages unabhängig von dem Entstehen der Beitragspflicht spätestens 20 Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist, wobei der Lauf der Frist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2000 beginnt, …"

79

Diese Frist ist ersichtlich im Jahre 2009 noch nicht abgelaufen gewesen, weil im vorliegenden Fall – wie oben ausgeführt – noch nicht einmal die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist nach § 169 Abs. 2 AO an- und erst Recht nicht abgelaufen ist.

80

Zur weiteren Klarstellung hat der Landesgesetzgeber noch in § 22 KAG M-V folgenden Abs. 3 angefügt:

81

„Soweit sich für bestehende Abgabensatzung ein Rechtsmangel daraus ergibt, dass das Kommunalabgabengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. April 2005 (GVOBl. M-V S. 146), das zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes vom 13. Juli 2011 (GVOBl. M-V S. 777, 833) geändert worden ist, die Heranziehung zu Beiträgen keiner zeitlichen Obergrenze unterwirft, ist dieser Rechtsmangel mit Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016 (GVOBl. M-V S. 584) unbeachtlich.“

82

Nach Auffassung des Senates hätte es dieser salvatorischen Klausel nicht bedurft, da jedes Gesetz, soweit nichts anderes geregelt ist, mit Inkrafttreten seine Gültigkeit beansprucht. Nach den bisherigen Regelungen war lediglich keine zeitliche Obergrenze für eine Verjährung eines Anschlussbeitrages geregelt. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der Anschlussbeitrag verjährt wäre.

83

Da das BVerwG in seinen Urteilen vom 15. April 2015 dem Gesetzgeber gerade die Möglichkeit eröffnet, entsprechend seiner Gesetzgebungskompetenz eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen und die Länge der Verjährungsfrist zu bestimmen, hätte eine diesbezügliche Neuregelung ausgereicht. Gegenstand des Rechtsstreits um das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit („Verflüchtigungsrechtsstreit“) war nicht etwa eine gesetzliche Regelung, die verfassungswidrig sei, sondern die Tatsache, dass eine Gesetzeslücke gesehen wurde, die die Anwendung des im Übrigen verfassungsgemäßen KAG M-V ab einem gewissen vom Gesetzgeber festzulegenden Stichtag verfassungswidrig machen würde. Einer weitergehenden deklaratorischen Klausel hätte es nicht bedurft; als deklaratorische Klausel ist die Regelung des § 22 Abs. 3 KAG M-V (Fassung 16. Juli 2016) aber „unschädlich“.

84

Der Senat hat keine Bedenken, dass die nunmehr bestimmte Festsetzungsfrist die Interessen der Abgabepflichtigen in Mecklenburg-Vorpommern in adäquater Weise behandelt. Die Festsetzungsfrist betrifft ein neues Bundesland, in dem die landesrechtlichen Grundlagen für einen Anschlussbeitrag erst geschaffen werden mussten, und bleibt unterhalb der in der Rechtsordnung bekannten längsten Verjährungsfrist von 30 Jahren. Der Landesgesetzgesetzgeber hat sich innerhalb des gesetzgeberischen Spielraumes bewegt und sich von folgenden Erwägungen leiten lassen (Gesetzentwurf der Landesregierung vom 11. März 2016, LT-Dr. 6/5257 S. 2 f.):

85

„Bei der konkreten Ausgestaltung einer landesgesetzlichen Festlegung einer zeitlichen Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum hinsichtlich des gesetzlich zu schaffenden Ausgleichs zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für Vorteile (hier: durch Anschluss an eine gemeindliche Einrichtung) einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann, zu (BVerwG, Urteil vom 15.04.2015 – 9 C 15/14 – u. a.; vergleiche BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, a. a. O.).

86

Nach Auffassung des BVerfG bleibt es dem Landesgesetzgeber überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die der Rechtssicherheit genügt. So könnte der Landesgesetzgeber etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt.

87

Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt. Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143-163, Rn. 50).

88

Die Bundesländer Sachsen, Brandenburg, Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt haben bei einer mit Mecklenburg-Vorpommern vergleichbaren Rechtslage ihre Kommunalabgabengesetze bereits an die Forderungen des BVerfG (Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –) angepasst. Insofern wird die Änderung des KAG M-V auch in Kenntnis der in diesen Bundesländern erfolgten landesgesetzlichen Regelungen vorgenommen. Maßgebliches Ziel des Landesgesetzgebers ist es, die kommunalen Aufgabenträger im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren, ohne dabei gegen das Verbot zu verstoßen, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festzusetzen.

89

In Abwägung der Interessen der kommunalen Aufgabenträger und der Abgabenpflichtigen wird deshalb eine 20-jährige Verjährungsfrist geregelt, wobei aufgrund der Sondersituation nach der Deutschen Einheit der Lauf der Frist bis zum Ablauf des Jahres 2000 gehemmt ist („…wobei der Lauf der Frist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2000 beginnt.“). Damit ist die maximal mögliche Verjährungsfrist von 30 Jahren deutlich unterschritten und in Kombination mit einer Regelung zur Verjährungshemmung gleichwohl eine Beitragserhebung bis 2020 ermöglicht. Mit der Regelung zur Verjährungshemmung hatte auch der Landesgesetzgeber Brandenburg auf die Forderungen des BVerfG reagiert.“

90

Da der Senat die neue Festsetzungsfrist als verfassungsgemäß ansieht, hat er keine Veranlassung, den Rechtsstreit dem BVerfG vorzulegen (Art. 100 Abs. 1 GG).

91

c) Der Grundsatz des Vertrauensschutzes, wie er in dem stattgebenden Kammerbeschluss des BVerfG, 2. Kammer, Beschl. vom 12. November 2015 – 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 –, LKV 2016 S. 25 ff., vorgehend OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 29. September 2014 – OVG 9 N 40.14 –, vorgehend BVerwG, Beschl. vom 11. September 2014 – 9 B 21.14 –, vorgehend OVG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 13. November 2013 – OVG 9 B 35.12 – konkretisiert worden ist, führt gleichfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der hier streitigen Abgabenerhebung

92

In dem dortigen Kammerbeschluss nimmt das BVerfG im Kern eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG an durch rückwirkende Erhebung kommunaler Abwasseranschlussbeiträge – hier: Abgabenerhebung gem. § 8 Abs. 7 S. 2 KAG BB i. d. F. vom 17. 12. 2003 – in Fällen, in denen die Beiträge nicht mehr nach § 8 Abs. 7 S. 2 KAG BB i. d. F vom 27.06.1991 hätten erhoben werden können, da mit Entstehen der Beitragspflicht durch rückwirkendes Inkrafttreten einer wirksamen Beitragssatzung zugleich Festsetzungsverjährung eingetreten wäre.

93

Nach Auffassung des Senates ist der Beschluss des BVerfG, der grundsätzlich nach § 31 BVerfGG in seinem Tenor und seinen tragenden Gründen auch für das OVG Greifswald Bindungswirkung entfaltet (vgl. Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 7 Anm. 8.1.4.6.), nicht einschlägig, sodass gerade keine Bindungswirkung eintritt. Denn der vom Senat zu entscheidende Sachverhalt unterscheidet sich von dem Sachverhalt, der den Verfahren aus Berlin-Brandenburg zugrunde gelegen hat, sodass eine Bindung des OVG Greifswald an die tragenden Gründe des Kammerbeschlusses vom 12. November 2015 ausscheidet.

94

Die Kernaussage des BVerfG in seinem Beschluss vom 12. November 2015 ist, dass es gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot verstößt, wenn eine gesetzliche Vorschrift dergestalt geändert wird, dass nunmehr Beiträge erhoben werden sollen, die nach der Vorgängervorschrift nicht mehr hätten erhoben werden dürfen (vgl. z. B. Rn. 39, a. a. O.). In den Fällen aus Brandenburg wären nach alter Rechtslage die Beitragsschulden wegen Festsetzungsverjährung erloschen (Rn. 64, a. a. O.). Dass in einem solchen Fall eine gesetzliche Vorschrift, die rückwirkend die angelaufene und eine logische Sekunde später auch abgelaufene Festsetzungsverjährung „aus den Angeln hebt“, sich als echte Rückwirkung darstellt und den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nicht genügt, wird auch vom Senat in gleicher Weise gesehen.

95

Wie bereits oben ausgeführt, unterscheidet sich die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern elementar von der in Brandenburg. Seit Inkrafttreten des KAG vom 11. April 1991 hat das OVG Greifswald stets die Rechtsauffassung vertreten, dass (nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1991, heute § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) ohne eine wirksame Satzung keine sachliche Beitragspflicht entstehen kann und mithin auch der Lauf der regelmäßigen Verjährung nicht in Gang gesetzt wird (vgl. zur ähnlichen Rechtslage in Sachsen-Anhalt, OVG Magdeburg, Beschl. vom 17. Februar 2016 – 4 L 119/15 –, Rn. 58 und 59 und OVG Weimar, Urt. vom 12. Januar 2016 – 4 KO 850/09 –, juris Rn. 48, zur Rechtslage in Thüringen).

96

Dass es auf die Auslegung des Landesrechtes durch das oberste Landesgericht ankommt, wird auch aus dem Beschluss des BVerfG vom 12. November 2015 deutlich, wo an mehreren Stellen darauf abgestellt wird, wie das OVG Berlin-Brandenburg seit dem Jahre 2000 das dortige Landesrecht ausgelegt hat. Erst durch den Wechsel der Auslegung des Landesrechts von Brandenburg ist die „Sach- und Rechtslage“ in Brandenburg dergestalt „umgestaltet“ worden, dass es auf die erste Satzung ankomme, auch wenn sie nicht wirksam gewesen sein sollte. In Rn. 52 spricht das BVerfG sogar von „Gesetzeslage“, und versteht darunter nicht nur § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG BB a. F., sondern auch und gerade, wie das OVG Berlin-Brandenburg diese Bestimmung ausgelegt hat.

97

Anzumerken ist schließlich noch, dass seit Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes, jetzt BauGB, im Jahr 1960 das BVerwG im Erschließungsbeitragsrecht stets auf die Wirksamkeit der Satzung abgestellt hat. Diese gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung hat das OVG Greifswald auf das Anschlussbeitragsrecht übertragen. Diese Rechtsprechung, die ca. 50 Jahre alt ist, ist für das Erschließungsbeitragsrecht höchstrichterlich noch nie infrage gestellt worden.

98

Der Senat schließt sich der Auffassung des OVG Magdeburg, a. a. O. (Rn. 62), insoweit an, dass die Abgabenpflichtigen vor der Entscheidung des BVerfG vom 5. März 2013 nicht haben darauf vertrauen können, dass ihnen gegenüber aufgrund eines langen Zeitraumes seit Entstehen einer Vorteilslage keine Abgabe mehr festgesetzt werden könnte. Insoweit kam es allein darauf an, ob und in welcher Weise der Landesgesetzgeber auf die Entscheidung des BVerfG reagieren würde.

99

Schließlich kann die Klägerin mit ihrer Auffassung nicht durchdringen, der Landesgesetzgeber M-V sei wegen der Bindungswirkung des § 31 BVerfGG auch an die dem bayerischen Landesgesetzgeber im Beschluss des BVerfG vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – gesetzte Frist gebunden, bis zum 31. März 2014 (Ziffer 1 des Tenors) eine gesetzliche Neuregelung vorzunehmen. Diese Frist ist ausschließlich für den bayerischen Landesgesetzgeber maßgeblich gewesen. Nur er ist von dem Beschlusstenor gebunden, wonach die bayerische Regelung des Art. 13 BayKAG mit dem Grundgesetz unvereinbar sei. Nur er hat die Gesetzgebungskompetenz, diesen Art. 13 BayKAG zu ändern. In der Sache hat das BVerfG somit das Abgabenerhebungsverfahren ausgesetzt (siehe Rn. 52), um dem bayerischen Gesetzgeber die Gelegenheit zur verfassungsgemäßen Neuregelung zu geben. Zudem hat das BVerfG den Verwaltungsgerichten die Kompetenz eröffnet, das Landesrecht verfassungskonform auszulegen (Rn. 52).

100

Zutreffend ist zwar, dass nicht nur der Tenor einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung Bindungswirkung entfaltet, sondern auch die tragenden Gründe. Die gegenüber dem bayerischen Landesgesetzgeber ausgesprochene zeitliche Höchstgrenze für eine gesetzliche Neuregelung in Bayern ist aber kein tragender Entscheidungsgrund, der sich über das bayerische Landesrecht hinausgehende Bedeutung beimisst.

101

d) Die Abgabenerhebung aus dem Jahre 1999 steht nicht unter dem Blickwinkel einer „unzulässigen Doppelveranlagung“ oder „unzulässigen Nacherhebung“ der Rechtmäßigkeit der hier angefochtenen Abgabenbescheide aus dem Jahre 2009 entgegen. Das Problem der Nachveranlagung oder auch Doppelveranlagung ist (vgl. Aussprung in Aussprung/Siemens/Holz, KAG M-V, § 12 Erläuterungen 50 ff., Seite 71 ff.) in der Rechtsprechung des OVG Greifswald geklärt (vgl. OVG Greifswald, Urt. vom 15. Dezember 2009 – 1 L 323/06 –, OVG Greifswald Urt. vom 15. Dezember 2010 – 1 L 1/09 –, ferner Beschl. vom 28. Januar 2010 – 1 L 217/09 – und Beschl. vom 28. Januar 2010 – 1 M 181/09 –). Dort hat das OVG Greifswald den Grundsatz aufgestellt, dass bei leitungsgebundenen Einrichtungen die Aufgabenträger grundsätzlich berechtigt und verpflichtet sind, eine Nacherhebung in dem Sinne vorzunehmen, dass sie einen wirksam entstandenen Anschlussbeitragsanspruch voll ausschöpfen. Einer solchen Nacherhebung stehen der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung, die Rechtsfolgen der Bestandskraft des erster Heranziehungsbescheides und der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ebenso wenig entgegen wie die Bestimmung des § 12 Abs. 1 KAG M-V und die darin enthaltene Verweisung auf die Bestimmungen der Abgabenordnung (Aussprung, a. a. O., Erläuterung 50.2.3, Seite 76 f.). An dieser Auffassung hält der Senat fest.

102

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; insoweit kommt auch eine Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht in Betracht.

103

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist der Vorteilsbegriff landesrechtlich determiniert. Auch der Fragenkomplex, ob eine Abgabenerhebung in Mecklenburg-Vorpommern in der vorliegenden Fallkonstellation rechtlich noch zulässig ist, beruht auf der Auslegung des Landesrechts. Dies gilt insbesondere auch für die Frage der Nacherhebung eines noch nicht ausgeschöpften Beitragsanspruches, weil auch die anzuwendende Abgabenordnung im Bereich des Kommunalabgabenrechts Landesrecht ist. Zudem sind die grundsätzlichen Rechtsfragen der „Verflüchtigung“ eines beitragsrechtlichen Vorteils und des Vertrauensschutzes durch die im Urteil zitierte Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG geklärt.

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch Zahlung (§§ 224, 224a, 225), Aufrechnung (§ 226), Erlass (§§ 163, 227), Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232), ferner durch Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ansprüchen.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.