Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 21. Nov. 2018 - 3 A 2506/17 HGW

bei uns veröffentlicht am21.11.2018

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 22. März 2018 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.831,68 Euro nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 6. Dezember 2017 zu zahlen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist wegen Ziffer 2) und wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung des Klägers zu einem Straßenausbaubeitrag.

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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes auf dem F 1. Das Grundstück grenzt an den H-L-Weg. Der Beklagte baute die Straße H-L-Weg im Jahr 2003 aus. Die Ausbaumaßnahme wurde im Jahr 2003 abgeschlossen. Die Schlussrechnung für die Baumaßnahme stammte vom 16. Februar 2004 (Blatt 50 der Beiakte). Mit Schreiben vom 9. Mai 2005 erteilte die T. GmbH dem Beklagten eine Gutschrift für maßnahmebezogene Kosten in Höhe von 2.127,12 Euro. Die Straße H-L-Weg verläuft auf einer Fläche von etwa 30 m2 über Grundstücke, die nicht im Eigentum der Stadt A-Stadt stehen. Ein Eigentumserwerb durch die Stadt A-Stadt kam nicht zustande. Am 12. Oktober 2016 beschloss die Stadtvertretung der Stadt A-Stadt, die Satzung der Stadt A-Stadt über die Abweichung von § 9 der Straßenausbaubeitragssatzung im Rahmen der Beitragserhebung H-L-Weg (Abweichungssatzung H-L-Weg - AS-HLW). § 1 Abs. 2 AS-HLW sieht vor, dass abweichend von § 9 der Satzung der Stadt A-Stadt über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Straßenausbaubeitragssatzung - SAS) für den im Jahr 2003 durchgeführten Ausbau des H-L-Weges bestimmt wird, dass die grundbuchrechtliche Durchführung des Grunderwerbs an den Flurstücken F 2, F 3 und F4, keine Voraussetzung für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht ist. Nach ihrem § 2 sollte die Satzung am Tage nach ihrer öffentlichen Bekanntmachung in Kraft treten. Die Satzung wurde in der St. Zeitung vom 19. November 2016 veröffentlicht. Mit Bescheid vom 10. Januar 2017 zog der Beklagte den Kläger zur Zahlung eines Straßenausbaubeitrages für den H-L-Weg in Höhe von insgesamt 6.831,68 Euro heran, den der Kläger vollständig zahlte. Gegen diesen Heranziehungsbescheid erhob der Kläger am 25. Januar 2017 Widerspruch.

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Am 5. Dezember 2017 hat der Kläger Klage erhoben und zunächst beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die bereits gezahlten 6.831,68 Euro an den Kläger zu erstatten. Der Kläger ist der Auffassung, der Bescheid des Beklagten sei rechtswidrig. Nach der Straßenausbaubeitragssatzung habe der Beitragsanspruch noch nicht entstehen können, da diese den Abschluss des Grundstückserwerbs als Merkmal des Entstehens der Beitragspflicht vorsehe. Die Abweichungssatzung H-L-Weg berechtige ebenfalls nicht zur Beitragserhebung. Die Satzung sei schon nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden. Die vorgenommene Veröffentlichung der Abweichungssatzung entspreche weder den Bestimmungen der Hauptsatzung noch des Kommunalrechts. Zudem entstehe nach der Abweichungssatzung die Beitragspflicht mit der Fertigstellung der Anlage, also spätestens mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung. Dies sei im Jahr 2004 gewesen. Dieser Zeitpunkt sei jedoch von der Änderungssatzung nicht erfasst. Eine nachträglich in Kraft getretene Satzung könne die Beitragsberechtigung nicht nachträglich begründen. Messe man der Abweichungssatzung Rückwirkung bei, sei wegen des Beitragsanspruchs zwischenzeitlich Festsetzungsverjährung eingetreten. Selbst bei angenommener Unwirksamkeit der Straßenausbaubeitragssatzung sei die Beitragsforderung nicht gerechtfertigt, da dann überhaupt keine Satzung vorläge.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2017 über die Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen in Höhe von 6.831,68 Euro in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2018 aufzuheben und

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den Beklagten zu verurteilen, die bereits gezahlten 6.831,68 Euro dem Kläger nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er ist der Auffassung, die Beitragserhebung sei rechtmäßig erfolgt. Es seien mehrere Anläufe unternommen worden, die Frage der Überbauung privater Grundstücksflächen zu klären. Dies sei gescheitert. Die sachliche Beitragspflicht habe aufgrund des ursprünglich geltenden Satzungsrechts deshalb nicht entstehen können. Mit Inkrafttreten der Abweichungssatzung, die ordnungsgemäß öffentlich bekanntgemacht worden sei und auf das Erfordernis des Grundstückserwerbs verzichte, sei das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht dann herbeigeführt worden. Der Vertrauensschutz des Klägers sei nicht verletzt worden, da die Voraussetzungen für eine Beitragsforderung zum Zeitpunkt der Baumaßnahme vorgelegen hätten. Lediglich die sachliche Beitragspflicht sei zu einem späteren Zeitpunkt herbeigeführt worden. Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts B-Stadt zu Ausbaumaßnahmen in satzungsloser Zeit sei hier nicht anwendbar. Diese Rechtsprechung gehe davon aus, dass für den Beitragsschuldner im Zeitpunkt der Fertigstellung der Anlage erkennbar sein müsse, dass und inwieweit Beiträge erhoben werden könnten. Dies stehe einer Beitragserhebung hier nicht entgegen. Für den Kläger sei hier zu erkennen gewesen, dass Beiträge erhoben werden würden. Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts sei hier auch deshalb nicht anzuwenden, weil sie auf der Annahme beruhe, dass die rückwirkende Inkraftsetzung einer Beitragssatzung nur dann in Betracht komme, wenn vormals eine fehlerhafte Beitragssatzung in der Welt gewesen sei. Erschwerend komme hier hinzu, dass es der Kläger gewesen sei, der sich geweigert habe, die benötigten Straßengrundstücke an die Stadt A-Stadt zu veräußern. Der Kläger habe damit letztlich selbst verhindert, dass die Beitragspflicht nach Maßgabe der ursprünglichen Satzung entstehen konnte.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2018 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Heranziehungsbescheid vom 10. Januar 2017 zurück. Mit Schriftsatz vom 27. März 2018, der am 28. März 2018 beim Verwaltungsgericht einging, hat der Kläger den Widerspruchsbescheid vom 22. März 2018 zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die von dem Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge, die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 21. November 2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

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Die Klage hat Erfolg; sie ist zulässig und begründet.

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1. Die Klage ist zulässig. Dass der Kläger die Klage vor erfolgslosem Abschluss des Vorverfahrens, § 68 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), erhoben hat, ist unschädlich. Denn die Prozessvoraussetzung des erfolglos durchgeführten Vorverfahrens kann bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über die Klage nachgeholt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.09.1983 - 7 C 97/81 -, juris Rn. 10). Das ist hier der Fall. Der Beklagte hat nach Erhebung der Klage am 5. Dezember 2017 mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2018, den der Kläger am 28. März 2018 zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemacht hat, den Widerspruch des Klägers gegen den Beitragsbescheid vom 10. Januar 2017 zurückgewiesen. Sofern nicht bereits ein gesetzliche Einbeziehung des nach Klagerhebung erlassenen Widerspruchsbescheides in das laufende Verfahren eintritt (so wohl Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 75 Rn. 26 und 21), stellt die Einbeziehung des Widerspruchsbescheides jedenfalls eine nach § 91 Abs. 1 VwGO zulässige Klageänderung dar. Die Einbeziehung des Widerspruchsbescheides in das laufende Klageverfahren ist sachdienlich. Der Beklagte hat sich zudem nach erfolgter Einbeziehung widerspruchlos auf die geänderte Klage eingelassen.

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2. Die Klage ist begründet.

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a) Der angefochtene Beitragsbescheid des Beklagten vom 10. Januar 2017 ist auch in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 22. März 2018 gefunden hat, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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aa) Der Beitragsbescheid des Beklagten kann, entgegen der Ansicht des Beklagten, nicht auf die Straßenausbaubeitragssatzung vom 19. Oktober 2012 (SAS) in der Fassung der 1. Satzung zur Änderung der Straßenausbaubeitragssatzung vom 18. Dezember 2012 (1. Änderungssatzung) in Verbindung mit der Abweichungssatzung H-L-Weg gestützt werden.

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bb) Bedenken gegen die Wirksamkeit der Straßenausbaubeitragssatzung hat das Gericht nicht. Weder werden vom Kläger Gründe, die zur Unwirksamkeit der Straßenausbaubeitragssatzung führen können, geltend gemacht noch drängen sie sich dem Gericht auf.

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Rechtsfehlerhaft ist zwar die Vorschrift in § 5 Abs. 5 Buchst. a) SAS über den Ansatz eines nutzungsbezogenen Artzuschlages. Soweit die Vorschrift den Ansatz des nutzungsbezogenen Artzuschlages an die Belegenheit des gewerblich oder gewerbeähnlich genutzten Grundstückes in einem der dort genannten Baugebietstypen knüpft, ist dies nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts weder mit dem Vorteilsprinzip des § 7 Abs. 1 Satz 1 HS 1 KAG M-V noch mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 02.04.2015 - 3 A 196/14 -, juris Rn. 22). Allerdings wirkt sich dieser Rechtsfehler auf die Wirksamkeit der Straßenausbaubeitragssatzung hier nicht aus. Es ist im Straßenbaubeitragsrecht allgemein anerkannt, dass nach dem sogenannten Grundsatz der regionalen Teilbarkeit eine fehlerhafte Verteilungsregelung nur dann zur Unwirksamkeit der Beitragssatzung und damit zur Rechtswidrigkeit des Heranziehungsbescheides führt, wenn sie im Abrechnungsgebiet auch tatsächlich zur Anwendung kommen muss. (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 26.02.2004 - 1 M 242/03 -, juris Rn. 46). Davon ist hier nicht auszugehen. Die Satzungsnorm ist hier nicht angewendet worden und ist auch nicht anzuwenden gewesen, da nach den Erkenntnissen des Gerichts keine gewerblich oder gewerbeähnlich genutzten Grundstücke zu dem Abrechnungsgebiet gehören.

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Die Unwirksamkeit der Straßenausbaubeitragssatzung folgt auch nicht daraus, dass die Vorschrift über den Beitragsmaßstab in § 5 Abs. 2 Nr. 4 SAS, wonach für bebaute Grundstücke im Außenbereich, § 35 Baugesetzbuch (BauGB) als Grundstücksfläche für den bebauten Teil die mit Gebäuden überbaute Fläche mit dem Vervielfältiger 5, höchstens aber die tatsächliche Grundstücksgröße, berücksichtigt wird, keine Definition der Lage der sogenannten Umgriffs- oder Abgeltungsflächen enthält. Der Grundsatz der Einmaligkeit des Beitrages gebietet zwar, dass feststehen muss, für welche Grundstücksfläche die Beitragspflicht abgegolten wird, und dass ein einmal entstandener Beitrag für dasselbe Grundstück nicht zu anderer Zeit und in anderer Höhe noch einmal entstehen kann, sodass die Beitragssatzung die Lage der Umgriffsflächen bestimmen muss (vgl. zum Anschlussbeitragsrecht m.w.N. OVG Greifswald, Beschl. v. 03.12.2002 - 1 L 127/02 -, juris Rn. 6). Allerdings führt das Fehlen einer Umgriffsflächenregelung nicht zur Fehlerhaftigkeit der Maßstabsregelung insgesamt. Die Maßstabsregelung gibt Auskunft über die auf das beitragspflichtige Grundstück entfallenden Beitragseinheiten. Solange sie diese Funktion in einer unter Vorteilsgesichtspunkten nicht zu beanstandenden Weise erfüllt, ist sie wirksam und löst die Folgen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V nicht aus. Die Umgriffsflächenregelung ist mit der Maßstabsregelung zwar eng verknüpft. Ihr Fehlen oder ihre Fehlerhaftigkeit hat jedoch nicht die Unvollständigkeit der Beitragssatzung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V zur Folge. Denn die Zuordnung der auf Grundlage der Umgriffsflächenregelung ermittelten Beitragseinheiten dient nicht der Ermittlung der auf das betreffende Grundstück entfallenden Beitragseinheiten, sondern soll mit Blick auf den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung lediglich gewährleisten, dass die Teilfläche des Grundstücks, für die ein Anschlussbeitrag erhoben wird, bei einer Beitragserhebung für die Restfläche – z.B. nach einer Überplanung des gesamten Grundstücks – nicht nochmal berücksichtigt wird (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 27.04.2009 – 2 LB 64/08 –, juris Rn. 33 ff.). Die Flächezuordnung gehört damit nicht zur eigentlichen Maßstabsregel. Eine Fehlerhaftigkeit der Zuordnungsregelung kann sich daher erst bei einer weiteren Beitragserhebung für das betreffende Grundstück auswirken (VG Greifswald, Urt. v. 05.05.2018 – 3 A 619/15 HGW –, juris Rn. 43). Zudem ist im Bereich des Straßenausbaubeitragsrechts ein Bedürfnis für eine derartige Vorschrift, die erst im Fall von Beitragsnacherhebungen zum Tragen kommt, nicht ersichtlich. Im Straßenausbaubeitragsrecht sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht maßgeblich sind, was spätere Änderungen rechtlicher oder tatsächlicher Art unbeachtlich erscheinen lässt (vgl. m.w.N. Holz in: Aussprung/Siemers/Holz, Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern, Anm. 1.7 zu § 8, Stand 07/2013).

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cc) Die Heranziehung des Klägers zu einem Straßenausbaubeitrag für die Ausbaumaßnahme H-L-Weg ist dennoch nicht gerechtfertigt.

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(1) Auf Grundlage allein der Straßenausbaubeitragssatzung, die sich in der Fassung der 1. Änderungssatzung ihrerseits Rückwirkung ab dem 13. Mai 1991 beimisst, konnte die sachliche Beitragspflicht für die Ausbaumaßnahme H-L-Weg bisher nicht entstehen. Sie berechtigt deshalb nicht zur Beitragserhebung.

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Nach § 9 Satz 1 SAS entsteht die sachliche Beitragspflicht mit dem Abschluss der Baumaßnahme, sobald die Kosten feststehen und der erforderliche Grunderwerb grundbuchrechtlich durchgeführt ist. Das ist frühestens mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung der Fall (§ 9 Satz 2 SAS). Neben dem Abschluss der Baumaßnahme und dem Feststehen der Kosten stellt die Vorschrift mit der grundbuchrechtlichen Durchführung des Grunderwerbs zulässigerweise ein weiteres Entstehensmerkmal auf. Dem steht höherrangiges Recht nicht entgegen. Die Vorschrift des § 8 Abs. 5 KAG M-V, wonach die sachliche Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung entsteht, ist insoweit nicht abschließend und steht der Bestimmung weiterer Entstehensmerkmale nicht entgegen. Insbesondere die Durchführung des Grunderwerbs kann der Ortsgesetzgeber als zusätzliches Merkmal für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht bestimmen (vgl. m.w.N. OVG Greifswald, Urt. v. 27.01.2016 - 1 L 1/12 -, juris Rn. 29). Das Merkmal des erforderlichen Grunderwerbs ist dabei dahin zu verstehen, dass damit der Erwerb aller Flächen gemeint ist, über die die ausgebaute Anlage beziehungsweise Straße unmittelbar verläuft (vgl. OVG Greifswald a.a.O., Rn. 32).

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Zwischen den Beteiligten ist hier unstreitig, dass das Entstehensmerkmal der grundbuchrechtlichen Durchführung des erforderlichen Grunderwerbs für die Ausbaumaßnahme H-L-Weg nicht erfüllt ist. Der Beklagte hat selbst vorgetragen, dass die Straße auf einer Fläche von etwa 30 m2 über Grundstücke (Flurstücke F 2, F 3, F4,) verläuft, die nicht im Eigentum der Stadt A-Stadt, sondern - jedenfalls teilweise - im Eigentum des Klägers stehen. Der erforderliche Grunderwerb ist damit bisher nicht durchgeführt worden. Das steht der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht entgegen. Zwar mag sich aus Sicht des Beklagten die Situation, dass das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht - und damit die Beitragserhebung insgesamt - an der Verweigerung der Anlieger, erforderliche Grundstücke zu veräußern, scheitert, als misslich darstellen. Allerdings steht die „Bösgläubigkeit“ der Grundstückseigentümer dem Eintritt der Rechtsfolge (Nichtentstehen der sachlichen Beitragspflicht) nicht entgegen. Maßgeblich ist allein die Frage, ob die Tatbestandsmerkmale der Entstehensregel erfüllt sind. Nicht maßgeblich sind indessen die Umstände, die zu deren Nichterfüllung geführt haben mögen.

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(2) Der Erlass der Abweichungssatzung H-L-Weg vom 12. Oktober 2016 berechtigt den Beklagten ebenfalls nicht zur Beitragserhebung für die hier in Rede stehende Ausbaumaßnahme.

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aaa) Es ist der Stadt A-Stadt zunächst nicht verwehrt, Maßnahmensatzungen zu erlassen, die von den allgemeinen Vorschriften ihrer Straßenausbaubeitragssatzung abweichende Regelungen in Bezug auf eine einzelne Ausbaumaßnahme treffen (vgl. Holz in: Aussprung/Siemers/Holz, a.a.O., Anm. 1.3.1 zu § 8 sowie m.w.N. Driehaus in ders., Kommunalabgabenrecht - Band II, 9/2015, § 8 Rn. 444). Gegen den Erlass der Abweichungssatzung H-L-Weg ist deshalb im Grundsatz nichts einzuwenden. Dass diese maßnahmebezogene Satzung unter Abweichung von § 9 Satz 1 SAS auf das Merkmal der grundbuchrechtlichen Durchführung des Grunderwerbs für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht verzichtet, ist für sich genommen ebenfalls nicht bedenklich. Denn dieses Entstehensmerkmal darf - wie bereits ausgeführt - durch Satzung zulässigerweise geregelt werden, ist jedoch nicht von höherrangigem Recht geboten.

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bbb) Die Abweichungssatzung H-L-Weg erweist sich aber als unwirksam, weil nicht feststellbar ist, dass sie ordnungsgemäße öffentlich bekanntgemacht worden ist.

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Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 Kommunalverfassung (KV M-V) sind Satzungen, also auch Abgabensatzungen, öffentlich bekanntzumachen. Die öffentliche Bekanntmachung einer Satzungsnorm ist Wirksamkeitsvoraussetzung (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 08.10.2014 - 1 L 168/11 -, juris Rn. 25; Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, a.a.O., Stand 11/2015, Anm. 8.5 zu § 2). Unterbleibt die öffentliche Bekanntmachung oder erfolgt sie fehlerhaft, wird die Satzungsnorm nicht wirksam.

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Wie die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen zu erfolgen hat, insbesondere die Form, Fristen und das Verfahren, bestimmt die Gemeinde im Rahmen der auf Grundlage von § 174 Abs. 1 Nr. 2 KV M-V erlassenen Durchführungsverordnung zur Kommunalverfassung (KV-DVO) in der Hauptsatzung (§ 5 Abs. 4 Satz 2 und 3 KV M-V). Die Form der öffentlichen Bekanntmachung ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 KV-DVO in der Hauptsatzung festzulegen. § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Hauptsatzung der Stadt A-Stadt vom 7. Mai 2015 (Hauptsatzung - HS) bestimmt, dass Bekanntmachungen von Satzungen der Stadt A-Stadt, soweit es sich nicht um solche nach dem Baugesetzbuch handelt, im Internet, zu erreichen über die Internetseite des Amtes St. Land über den Menüpunkt „Ortsrecht“, erfolgen. Darüber hinaus werden Satzungen im amtlichen Bekanntmachungsblatt „St. Zeitung“ veröffentlicht (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 HS). Nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 HS ist die Bekanntmachung und Verkündung mit Ablauf des ersten Tages bewirkt, an dem die Bekanntmachung in der Form des Absatzes 1 im Internet verfügbar ist. Dieser Tag wird in der Bekanntmachung vermerkt. Für den hier gegebenen Fall der öffentlichen Bekanntmachung im Internet ordnet § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 KV-DVO an, dass in der Hauptsatzung die Internetadresse anzugeben ist.

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Dass die Bekanntmachung in der von § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 HS bestimmten Form erfolgt ist, kann das Gericht hier nicht feststellen. Nach den Regelungen der Hauptsatzung soll eine rechtsfolgenauslösende (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO; § 5 Abs. 5 Satz 1 KV M-V) öffentliche Bekanntmachung ausschließlich im Internet auf der Internetseite www. de erfolgen. Das ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Nr. 3 HS, der wegen der Bewirkung der Bekanntmachung auf die Verfügbarkeit der Bekanntmachung im Internet abstellt. Sowohl aus den von dem Beklagten übersandten Verwaltungsvorgängen (Blatt 32 der Beiakte I) als auch aus dem Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 22. März 2018 ergibt sich indessen, dass eine Veröffentlichung in der St. Zeitung vom 19. November 2016 erfolgt ist. Von einer Bekanntmachung im Internet und noch dazu auf der in der Hauptsatzung genannten Internetseite ist hingegen keine Rede. Nichts anderes folgt auch aus dem mit Schriftsatz vom 13. September 2018 übersandten Screenshot. Auf diesem ist vermerkt: „am 19.11.2016 in der St. Zeitung erschienen, somit am 20.11.2016 bekannt gegeben“. Dass eine den Maßgaben des § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 HS genügende öffentliche Bekanntmachung erfolgt ist, ist den Ausführungen des Beklagten indessen nicht zu entnehmen. Der Beklagte hat mit dem Schriftsatz vom 13. September 2018 selbst eingeräumt, dass in § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 HS angegebene Internetseite nicht mehr existiere und stattdessen eine Weiterleitung auf die Internetseite.de erfolge. Das entspricht gerade nicht den Maßgaben des § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 HS. Seit wann dies der Fall ist und ob die Abweichungssatzung H-L-Weg jemals auf der Internetseite www. de eingestellt worden ist, hat er nicht erläutert. Soweit der Beklagte erstmals in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Abweichungssatzung H-L-Weg die in § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 HS genannte Internetseite noch existiert habe und die Abweichungssatzung H-L-Weg dort eingestellt worden sein soll, handelt es sich dabei um eine nicht näher substantiierte und nicht belegte Behauptung. Sie steht noch dazu nicht in Einklang mit dem früheren Vortrag des Beklagten in dem Schriftsatz vom 13. September 2018, wonach die Satzung am 9. November 2016 auf der Internetseite der Stadt A-Stadt eingestellt worden sein soll. Zudem ergibt, wenn denn die Satzung im Internet zutreffend zur Verfügung gestellt worden sein soll, der Vermerk auf dem übersandten Screenshot keinen Sinn. Der Screenshot selbst belegt die Behauptung ebenso wenig. Er mag eine Liste von irgendwo (im Internet) verfügbaren Satzungen zeigen, sagt aber nichts über eine § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 HS entsprechende Bekanntmachung auf der maßgeblichen Internetseite aus. Selbst wenn indessen eine Bekanntmachung auf der in § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 HS genannten Internetseite erfolgt sein sollte, sind die näheren Umstände der Bekanntmachung gleichermaßen nicht nachvollziehbar. Der von § 11 Abs. 1 Nr. 3 HS geforderten Vermerk über den Zeitpunkt der Bewirkung der öffentlichen Bekanntmachung im Internet ist nicht ersichtlich. Dasselbe gilt für die Einhaltung von § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 4 KV-DVO, wonach, wenn die öffentliche Bekanntmachung amtsangehöriger Gemeinden auf der Internetseite des Amtes erfolgt, der Internetnutzende abweichend höchstens mit zwei Mausklicks von Startseite in den Bereich des gemeindlichen Ortsrechts gelangen muss. Hierzu hat der Beklagte nichts dargelegt, da die Internetseite www. de nicht mehr existiere und er über keine Aufzeichnungen der Art und Weise der Bekanntmachung verfüge.

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Eine gegebenenfalls zeitlich nachfolgende erneute Veröffentlichung der Satzung auf der Internetseite .de ist für die Bewirkung der öffentlichen Bekanntmachung nicht ausreichend. Sie entspricht nicht den Bestimmungen der Hauptsatzung. Der Hauptsatzung kommt insoweit bestimmender und individualisierender Charakter zu, als dass durch die Angabe der einzig maßgeblichen Internetseite für jedermann klar erkenntlich sein muss, an welchem Ort eine rechtsfolgenauslösende öffentliche Bekanntmachung erfolgt. Allein dies wird auch § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 KV-DVO gerecht, der die Angabe „der“ Internetadresse fordert. Die Sache liegt bei Bekanntmachungen im Internet insoweit nicht anders als in Fällen der Bekanntmachung mittels eines Bekanntmachungsblattes. Wenn die Gemeinde sich statt des bisherigen Bekanntmachungsblattes eines anders benannten Bekanntmachungsblattes bedienen möchte, wäre auch in diesem Fall aus Gründen der Bestimmbarkeit eine - zutreffende - namentliche Bezeichnung und eine Änderung der Hauptsatzung erforderlich (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 KV-DVO).

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Für die Bewirkung der öffentlichen Bekanntmachung der Abweichungssatzung H-L-Weg ebenfalls unzureichend ist, dass die Abweichungssatzung H-L-Weg zusätzlich in der St. Zeitung veröffentlicht wurde. Aus dem Wortlaut von § 5 Abs. 4 Satz 2 KV M-V und § 3 Abs. 2 Satz 1 KV-DVO, der jeweils davon spricht, dass „die Form der öffentlichen Bekanntmachung“ (Singular) in der Hauptsatzung zu bestimmen ist, ergibt sich, dass die Hauptsatzung grundsätzlich eine einzige Bekanntmachungsform zu bestimmen hat. Daraus folgt zugleich, dass - ungeachtet der Möglichkeit der Notbekanntmachung nach § 3 Abs. 3 KV-DVO und der Ersatzbekanntmachung nach § 4 KV-DVO - die öffentliche Bekanntmachung wirksam nur in der einen Form, die in der Hauptsatzung bestimmt ist, erfolgen kann. Diese Bestimmung ist hier - wie bereits dargelegt - mit § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 HS im Sinne einer öffentlichen Bekanntmachung im Internet getroffen. Die zusätzliche Veröffentlichung in der St. Zeitung, wird in § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 HS zwar erwähnt und für den Sonderfall der Satzungen und Bekanntmachungen nach dem Baugesetzbuch in § 11 Abs. 4 HS speziell ausdrücklich geregelt. Dies gilt jedoch nicht für Satzungen, die nicht auf Grund des Baugesetzbuches erlassen werden. Für alle anderen Satzungen mag es sich bei der Veröffentlichung in der St. Zeitung um einen Service handeln. Er bewirkt aber keine öffentliche Bekanntmachung.

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b) Der Kläger hat ferner Anspruch auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 6.831,68 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit.

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Hebt das Gericht einen bereits vollzogenen Verwaltungsakt auf, so kann es nach § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Die Voraussetzungen des prozessualen Vollzugsbeseitigungsanspruchs liegen vor. Der Kläger hat den festgesetzten Straßenausbaubeitrag in Höhe von 6.831,68 Euro an den Beklagten gezahlt, sodass der Verwaltungsakt schon vollzogen wurde, wobei der Beitrag nach den vorstehenden Ausführungen zu Unrecht gezahlt worden ist. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 262 Satz 1 ZPO und §§ 291 Satz 1 und 2, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB sowie § 90 Satz 1 VwGO, § 187 Abs. 1 BGB (an.).

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3. Für den Fall einer erneuten Heranziehung des Klägers nach einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung der Abweichungssatzung weist die Kammer vorsorglich darauf hin, dass ein rückwirkendes Inkrafttreten der Satzung für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nicht erforderlich ist. Es ist vielmehr ausreichend, wenn die Abweichungssatzung mit Wirkung für die Zukunft („ex-nunc“) in Kraft tritt. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

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Im Straßenausbaubeitragsrecht entsteht die sachliche Beitragspflicht nach § 8 Abs. 5 Var. 1 KAG M-V mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung. Der Begriff der Herstellung ist nicht (nur) in einem tatsächlichen Sinn, sondern im beitragsrechtlichen Sinn zu verstehen. Neben dem tatsächlichen Abschluss der im Ausbauprogramm vorgesehenen Maßnahme (Bauabnahme) und ungeschriebenen Tatbestandsmerkmalen, die verwirklicht sein müssen, damit die sachliche Beitragspflicht entsteht (etwa das Vorliegen der letzten Unternehmerrechnung), kann das Ortsrecht - wie bereits ausgeführt - zusätzliche Merkmale, wie etwa den Grunderwerb als Herstellungsmerkmal, fordern.

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Überdies geht das OVG Greifswald davon aus, dass Straßenbaubeiträge nur dann erhoben werden dürfen, wenn der Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht im zeitlichen Geltungsbereich einer wirksamen Beitragssatzung liegt. Es reicht damit nicht aus, dass eine wirksame Satzung ohne Rückwirkung der Vorteilslage nachfolgt (Beschl. v. 29.07.1997 - 6 M 93/97 -, juris Rn. 17 ff.; Urt. v. 09.06.1999 - 1 L 307/98 -, juris Rn. 27 ff.). Daran hält das OVG Greifswald in ständiger Rechtsprechung fest (Beschl. v. 20.03.2018 - 1 L 292/15 -, juris Rn. 16). Lediglich der Begriff „Vorteilslage“ wird wegen seiner erstmaligen Verwendung in § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016 (GVOBl. M-V S. 584) in dem hier in Rede stehenden Sinnzusammenhang nicht mehr gebraucht (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 17.04.2018 - 1 L 389/15 -, juris Rn. 16).

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Diese Rechtsprechung ist auf die nachträgliche Modifikation der Herstellungsmerkmale einer wirksamen Straßenausbaubeitragssatzung durch Erlass einer Maßnahmesatzung nicht übertragbar. Neben systematischen Erwägungen nennt das OVG Greifswald als Grund für das Rückwirkungserfordernis unter anderem im Anschluss an eine vergleichbare Rechtsprechung des OVG Lüneburg (Beschl. v. 23.08.1989 - 9 L 153/89 -, juris) den Gedanken des Vertrauensschutzes (vgl. OVG Greifwald, Beschl. v. 29.07.1997 - 6 M 93/97 -, juris Rn. 29). Der Bürger darf darauf vertrauen, dass Maßnahmen beitragsfrei bleiben, die vor Inkrafttreten der Satzung beendet worden sind (vgl. OVG Greifswald a.a.O.). Damit sind die Fälle erfasst, in denen Maßnahmen in satzungsloser Zeit oder zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden sind, in denen lediglich eine rechtswidrige und damit unwirksame Straßenausbaubeitragssatzung Geltung beansprucht hat. Ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor. Die Maßnahme ist - wie dargelegt - auch gegenwärtig nicht abgeschlossen. Die Straßenausbaubeitragssatzung, auf deren Grundlage die sachliche Beitragspflicht entstehen kann, ist - wie ebenfalls dargelegt - wirksam. Lediglich die darin definierten Voraussetzungen für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht liegen nicht vor. Bei dieser Sachlage kann ein Vertrauen darauf, dass die Maßnahme beitragsfrei bleibt, nicht entstehen. Der Fall ist vielmehr vergleichbar mit Fällen, in denen eine beitragsfähige Anlage nicht vollständig, sondern nur in einem Teilabschnitt oder nicht in allen vorhandenen Teileinrichtungen ausgebaut wird und deshalb die sachliche Beitragspflicht zunächst nicht entstehen kann. Auch hier entsteht sie erst mit der Fassung des Abschnittsbildungs- oder Kostenspaltungsbeschlusses (§§ 7 Abs. 3 und 8 Abs. 4 KAG M-V), ohne dass dem ein Vertrauenstatbestand entgegen gehalten werden kann.

38

Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn man den vorstehenden Erwägungen nicht folgt und der Auffassung ist, dass auch die Abweichungssatzung zum Zeitpunkt des Eintritts der Vorteilslage gelten muss. Denn auch diesen Maßgaben genügt ein bloßes „ex-nunc“-Inkrafttreten der Abweichungssatzung. Es ist nämlich zu beachten, dass erst mit dem Inkrafttreten der Maßnahmesatzung für den H-L-Weg das in der Straßenausbaubeitragssatzung normierte Herstellungsmerkmal „erforderlicher Grunderwerb“ entfällt, so dass auch erst dann die sachliche Beitragspflicht entsteht. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass bei einem Wegfall des genannten Herstellungsmerkmals die sachliche Beitragspflicht bereits mit dem Eingang der Gutschrift vom 9. Mai 2005 entstanden ist, so dass ein „ex-nunc“-Inkrafttreten der Maßnahmesatzung nicht ausreicht. Denn dieser Einwand verkennt, dass bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Maßnahmesatzung die Straßenausbaubeitragssatzung auch für den H-L-Weg in unveränderter Form gilt und die Vorteilslage somit nicht eintreten kann. Dies ändert sich erst mit dem Inkrafttreten der Maßnahmesatzung, denn zeitgleich entsteht auch die Vorteilslage.

39

Abweichendes folgt schließlich nicht aus dem Umstand, dass der Begriff der Vorteilslage nunmehr in § 12 Abs. 2 Nr. 2 KAG M-V verwandt wird. Damit wird insbesondere kein vom Regelungsgehalt der Beitragssatzung unabhängiger Zeitpunkt festgelegt, so dass dieser auch nicht vor dem Inkrafttreten der Maßnahmesatzung liegen kann. Dies folgt aus dem Regelungszweck der Vorschrift: Mit dem Eintritt der Vorteilslage in diesem Sinne wird der Lauf der aus dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit folgenden 20-jährigen Festsetzungshöchstfrist ausgelöst. Da diese Frist unabhängig vom Bestehen der sachlichen Beitragspflicht ist, kann es bei dem Merkmal der Vorteilslage im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V nicht um den Zeitpunkt gehen, zu dem eine Straßenausbaubeitragssatzung unter Berücksichtigung der darin normierten Herstellungsmerkmale gelten muss, um das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht auszulösen. Demgemäß verwendet das OVG Greifswald diesen Begriff in Bezug auf den erforderlichen Inkrafttretenszeitpunkt nicht mehr (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 17.04.2018 - 1 L 389/15 -, juris Rn. 16).

II.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

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der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
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(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

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(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flurstücke G1, G2, G3 und G4 in einer Größe von 1.000,00 m², des in gleicher Flur und Gemarkung gelegenen Grundstücks Flurstück G5 in einer Größe von 9.279,00 m² und des ebenfalls in gleicher Flur und Gemarkung gelegenen Grundstücks Flurstück G6, in einer Größe von 8.909 m².

3

Die Grundstücke, auf denen die Klägerin die „B.-Schule“ (Grundschule mit Orientierungsstufe) betreibt, liegen im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplanes Nr. 22 „J.-Straße“, der in seiner Ursprungsfassung im Jahre 2005 erlassen worden ist. Sie sind im Bebauungsplan als Gemeinbedarfsfläche ausgewiesen. Die östlich und nördlich an die Grundstücke der Klägerin angrenzenden Flächen sind als allgemeines Wohngebiet (WA), die westlich und südlich der klägerischen Grundstücke gelegenen Flächen sind als eingeschränktes Gewerbegebiet (GEe) bzw. als Gewerbegebiet (GE) ausgewiesen und werden entsprechend genutzt.

4

Die Grundstücke Flurstück G6 und G5 grenzen an die J.-Straße. Das Grundstück Flurstücke G1, G2, G3 und G4 liegt, ohne an die J.-Straße anzugrenzen, zwischen den beiden erstgenannten Grundstücken. Es grenzt westlich an die St.-Straße. Bei der J.-Straße handelt es sich um eine Gemeindestraße, die von der Einmündung in die Sp.-Straße in westliche Richtung führt und dabei die D.-Straße (Ortsdurchfahrt der B 96) in einem Straßentunnel unterquert. Westlich des Knotens führt die Verkehrsanlage den Namen H.-Straße.

5

In den Jahren 2007/2008 ließ die Stadt A-Stadt die J.-Straße in den vorhandenen Teileinrichtungen ausbauen. Die Bauabnahme erfolgte am 14. April 2008. Zu diesem Zeitpunkt endete die J.-Straße unmittelbar östlich der D.-Straße. Als Verbindung zur H.-Straße existierte lediglich ein Fußgängertunnel. Im Zeitraum Januar 2007 bis August 2008 wurde ein Ersatzneubau für das Brückenbauwerk der D.-Straße hergestellt. Im Zuge dieser Baumaßnahme wurden die J.-Straße und die H.-Straße miteinander verbunden. Der Knotenausbau wurde vollständig über Fördermittel (URBAN II-Mittel) finanziert.

6

Am 13. November 2008 fasste die Stadtvertretung der Stadt A-Stadt den Beschluss über Satzung der Stadt A-Stadt über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes „Nordstadt-Ihlenfelder Vorstadt“ (Sanierungssatzung). Die öffentliche Bekanntmachung der am 10. Dezember 2008 ausgefertigten Satzung erfolgte am 31. Dezember 2008. Die J.-Straße und die H.-Straße liegen im Geltungsbereich der Sanierungssatzung.

7

Die letzte Unternehmerrechnung für die durchgeführte Baumaßnahme datiert vom 29. Mai 2008. Für die Maßnahme waren Zuwendungen zur Förderung wirtschaftsnaher Infrastrukturmaßnahmen aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GA-Mittel) ausgereicht worden, die auch den Beitragspflichtigen zugute kamen. Das Ergebnis der Verwendungsprüfung liegt dem Beklagten seit dem 29. Mai 2009 vor.

8

Mit Bescheiden vom 18. Dezember 2013 zog der Beklagte die Klägerin zu Straßenausbaubeiträgen für die J.-Straße i.H.v. 1.706,95 EUR, 8.645,65 EUR und 16.618,25 EUR heran. Dabei stufte er die J.-Straße als Innerortsstraße ein. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2014 zurück.

9

Am 12. März 2014 hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Berücksichtigung des gebietsbezogenen Artzuschlages sei fehlerhaft. Der Aufwand sei nicht beitragsfähig. Die J.-Straße habe eine Luxusmodernisierung erfahren. Zudem habe der Beklagte in dem Grundstückskaufvertrag vom 16. September 2008 angegeben, dass mit einer Umlage von maximal 10.000,00 EUR zu rechnen sei. Die Grundstücke der insolventen ... GmbH seien bei der Abrechnung nicht berücksichtigt worden, um Einnahmeausfälle zu vermeiden. Die Berücksichtung des Artzuschlages sei fehlerhaft. Der Bebauungsplan sei nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden und damit unwirksam. Das klägerische Grundstück könne auch nicht als faktisches Gewerbegebiet angesehen werden. Der Bereich nördlich der J.-Straße sei nicht durch gewerbliche Grundstücksnutzungen geprägt. Zudem komme der unmittelbar westlich der klägerischen Grundstücke verlaufenden St.-Straße eine trennende Wirkung zu. Es sei weiter zu beachten, dass dem Beklagten hinsichtlich des Bebauungsplanes keine Verwerfungskompetenz zustehe. Daher müsse auch bei der gerichtlichen Überprüfung der Beitragsfestsetzung die für den Beklagten bestehende Bindungswirkung des Bebauungsplanes berücksichtigt werden.

10

Die Klägerin beantragt,

11

die Beitragsbescheide des Beklagten vom 18. Dezember 2013 und seinen Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2013 aufzuheben.

12

Der Beklagte verteidigt den angegriffenen Bescheid und beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Mit Beschluss vom 17. Dezember 2014 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

17

Sie finden ihre gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung der Stadt A-Stadt über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen in der Stadt A-Stadt (Straßenbaubeitragssatzung – SBS) vom 27. November 2001.

18

1. Die Satzung ist nach gegenwärtiger Erkenntnis wirksam. Dies gilt zunächst in formell-rechtlicher Hinsicht. Ihre Bekanntmachung ist ordnungsgemäß nach den Maßgaben der Bekanntmachungsvorschriften in § 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 der Hauptsatzung der Stadt A-Stadt vom 24. Mai 1995 i.d.F. der 3. Änderung vom 31. Januar 2001 (HS 1995) erfolgt. Diese Bestimmungen sind wirksam (OVG Greifswald, Urt. v. 08.10.2014 – 1 L 168/11 –, juris Rn. 26 ff.).

19

In materiell-rechtlicher Hinsicht bestehen zwar bereits mit Blick auf das Alter der Satzung gewisse Zweifel daran, dass die der Festsetzung der Tiefenbegrenzung in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 SBS zugrunde liegende Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe den Maßgaben der neueren Rechtsprechung des OVG Greifswald (vgl. Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 77) entspricht. Allerdings führt ein solcher – hier nur unterstellter – Fehler nicht zur Nichtigkeit der Straßenbaubeitragssatzung. Es ist im Straßenbaubeitragsrecht allgemein anerkannt, dass eine fehlerhafte Verteilungsregelung der Beitragssatzung nur dann zur Rechtswidrigkeit des Heranziehungsbescheides führt, wenn sie im Abrechnungsgebiet auch tatsächlich zur Anwendung kommen muss (Grundsatz der regionalen Teilbarkeit, vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 26.02.2004 – 1 M 242/03 –, juris Rn. 46). Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Abrechnungsunterlagen hat die für Grundstücke im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 Abs. 1 BaugesetzbuchBauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) (sog. Randlagengrundstücke) geltende Bestimmung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 SBS bei der Abrechnung der J.-Straße keine Anwendung gefunden. Anhaltspunkte dafür, dass sie hätte Anwendung finden müssen, bestehen ebenfalls nicht. Randlagengrundstücke gehören nicht zum Abrechnungsgebiet. Damit greift der Grundsatz der regionalen Teilbarkeit.

20

Ebenfalls fehlerhaft ist die Bestimmung in § 2 Satz 3 SBS. Zwar geht sie im Einklang mit der nach dem Kommunalabgabengesetz 1993 geltenden Rechtslage davon aus, dass der Gebäudeeigentümer neben dem Grundeigentümer beitragspflichtig ist („auch“). Nach der im Rahmen der KAG-Novelle 2005 in das Kommunalabgabengesetz eingefügten Bestimmung des § 7 Abs. 2 Satz 4 KAG M-V ist allerdings der Gebäudeeigentümer anstelle des Grundstückseigentümers beitragspflichtig. Die für unzulässig gewordene Altregelungen geltende Anpassungsfrist des § 22 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V ist lange abgelaufen. Auch dieser Fehler führt nach dem Grundsatz der regionalen Teilbarkeit nicht zur Gesamtnichtigkeit der Satzung. Denn er ist nicht auf (fehlerhafte) Verteilungsregelungen beschränkt, sondern auch auf Entstehensregeln bzw. sonstige Regelungen der Straßenbaubeitragssatzung anwendbar, wenn dies denklogisch möglich und sinnvoll ist, d.h. wenn die Regelung auch ohne den unwirksamen Teil noch Bestand hat und der unwirksame Teil im Abrechnungsgebiet tatsächlich keine Anwendung findet (VG Greifswald, Urt. v. 15.03.2010 – 3 A 2032/08 –, n.v.). Dies trifft vorliegend zu. Es ist nicht ersichtlich, dass es im Abrechnungsgebiet der J.-Straße Grundstücke gibt, an denen isoliertes Gebäudeeigentum besteht. Dies wird von der Klägerin auch nicht behauptet.

21

Weiter ist die Bestimmung in § 2 Satz 1 zweite Var. SBS („dinglich Berechtigter“) unzulässig, weil nach § 7 Abs. 2 KAG M-V nur Eigentümer, Erbbauberechtigte oder die Inhaber dinglicher Nutzungsrechte i.S.d. Art. 233 § 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) – die bereits angesprochenen Gebäudeeigentümer – beitragspflichtig sein können. Erbbauberechtigte oder die Inhaber dinglicher Nutzungsrechte i.S.d. Art. 233 Abs. 4 EGBGB sind mit dem Merkmal „dinglich Berechtigter“ offensichtlich nicht gemeint, denn sie werden in den spezielleren Vorschriften der Sätze 2 und 3 ausdrücklich genannt. Dieser Fehler führt aber ebenfalls nicht zur Gesamtnichtigkeit der Straßenbaubeitragssatzung. Vielmehr liegt nach der Rechtsprechung des OVG Greifswald lediglich ein Fall der Teilnichtigkeit vor (Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 71).

22

Fehlerhaft ist schließlich die Regelung über den gewerblichen Artzuschlag in § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS. Der Artzuschlag resultiert aus dem dem Vorteilsprinzip innewohnenden Differenzierungsgebot. Er trägt den Verschiedenheiten in der Art der baulichen oder sonst beitragserheblichen Nutzung Rechnung. Gewerbliche und dem Gewerbe vergleichbare Nutzungen schöpfen regelmäßig aufgrund des durch sie typischerweise verursachten verstärkten Ziel- und Quellverkehrs aus einer Straße einen größeren Vorteil als eine Wohnnutzung. § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V schreibt zwar nicht vor, in welcher Weise die unterschiedliche Nutzungsart im Vergleich zum Nutzungsmaß beitragsrechtlich zu bewerten ist. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Vorschrift dem Ortsgesetzgeber für die Berücksichtigung der Nutzungsart im Verteilungsmaßstab ein weitgehendes (Bewert-ungs-) Ermessen einräumt. Die Ausübung dieses Ermessens ist jedoch durch das Vorteilsprinzip eingeschränkt (VG Greifswald, Urt. v. 19.04.2012 – 3 A 356/10 –, juris Rn. 13).

23

Mit Blick auf das Vorteilsprinzip ist es zwar nicht zu beanstanden, dass in der Straßenbaubeitragssatzung sowohl ein nutzungsbezogener (§ 5 Abs. 5 Buchst. a SBS) als auch ein gebietsbezogener (§ 5 Abs. 5 Buchst. b SBS) Artzuschlag normiert ist. Ebenfalls unbedenklich ist, dass der gebietsbezogene Artzuschlag höher ist als der nutzungsbezogene. Dies beruht auf der Annahme, dass Grundstücken in den in § 5 Abs. 5 Buchst. b SBS genannten Gebietstypen der Baunutzungsverordnung (Gewerbegebiet – § 8 BauNVO, Industriegebiet – § 9 BauNVO, Kerngebiet – § 7 BauNVO und sonstiges Sondergebiet – § 11 BauNVO) durch eine beitragsfähige Straßenbaumaßnahme ein größerer Vorteil vermittelt wird, als Grundstücken, die – außerhalb der genannten Gebietstypen gelegen – lediglich überwiegend gewerblich oder in einer der gewerblichen Nutzung ähnlichen Weise genutzt werden.

24

Fehlerhaft und weder mit dem Vorteilsprinzip des § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V noch dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) zu vereinbaren ist es jedoch, dass § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS die Entstehung des nutzungsbezogenen Artzuschlags davon abhängig macht, dass die überwiegend gewerblich oder gewerbeähnlich genutzten Grundstücke in einem der in der Vorschrift genannten festgesetzten oder faktischen Gebietstypen der Baunutzungsverordnung liegen. Dies schließt die Anwendbarkeit der Vorschrift auf überwiegend gewerblich oder gewerbeähnlich genutzte Grundstücke im unbeplanten Innenbereich i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB aus. Ein sachlicher Grund für diese Differenzierung ist nicht erkennbar. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Zulässigkeit der Art der baulichen Nutzung im unbeplanten Innenbereich im Regelfall oder auch nur überwiegend nach § 34 Abs. 2 BauGB richtet, mit der Folge, dass es für die Fälle des § 34 Abs. 1 BauGB keiner Regelung bedarf. Denn die Anwendung des § 34 Abs. 2 BauGB darf nicht dazu führen, dass eine vorhandene Bebauung in Zielrichtung auf eine scharfe Trennung von Gebietscharakter und zulässiger Bebauung geradezu gewaltsam in eine der Alternativen des Gebietskatalogs in § 1 Abs. 2 BauNVO gepresst wird, um dann in einer zweiten Stufe mehr oder weniger schematisch die Zulässigkeitsregeln der §§ 2 ff. BauNVO anzuwenden (BVerwG, Urt. v. 23.04.1969 – VI C 12/67 –, BVerwGE 32, 31 <37>). Weist die nähere Umgebung z.B. die Merkmale zweier Baugebiete i.S. der Baunutzungsverordnung auf, findet § 34 Abs. 2 BauGB keine Anwendung. Die Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich in diesem Fall ausschließlich nach § 34 Abs. 1 BauGB (Mitschang/Reidt in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Auflage 2014, § 34 Rn. 60).

25

Einer weiteren Vertiefung bedarf es vorliegend nicht. Denn der dargestellte Fehler führt nach dem Grundsatz der regionalen Teilbarkeit ebenfalls nicht zur Gesamtnichtigkeit der Straßenbaubeitragssatzung. Denn die Bestimmung des § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS findet – wie noch zu zeigen sein wird – in Ansehung der Grundstücke der Klägerin keine Anwendung. Anhaltspunkte dafür, dass die Berücksichtigung eines nutzungsbezogenen Artzuschlages für andere Grundstücke im Abrechnungsgebiet notwendig ist, bestehen ebenfalls nicht. Dies wird von der Klägerin auch nicht behauptet. Die Wirksamkeit der Regelung in § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS ist für die Vorteilsverteilung im Abrechnungsgebiet der J.-Straße daher ohne Belang.

26

2. Die Rechtsanwendung durch den Beklagten begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken.

27

a. Fehler bei der Ermittlung und des beitragsfähigen Aufwandes sind nicht ersichtlich.

28

Die Aufwandsermittlung verstößt trotz der Belegenheit der J.-Straße in einem förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet nicht gegen § 154 Abs. 1 Satz 3 BauGB. Werden in einem förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 hergestellt, erweitert oder verbessert, sind nach dieser Bestimmung Vorschriften über die Erhebung von Beiträgen für diese Maßnahmen auf Grundstücke im förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet nicht anzuwenden. Die Vorschrift findet vorliegend jedoch keine Anwendung, denn nach § 156 Abs. 1 Satz 1 BauGB bleiben Beitragspflichten für Erschließungsanlagen i.S.d. § 127 Abs. 2, die vor der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebietes entstanden sind, unberührt. Diese Voraussetzungen sind hier aus zwei Gründen gegeben.

29

So fehlt es trotz des Erlasses der Sanierungssatzung vom 10. Dezember 2008 an der förmlichen Festsetzung eines Sanierungsgebietes, denn die Sanierungssatzung ist mangels ordnungsgemäßer Bekanntmachung unwirksam. Die Bekanntmachung der Sanierungssatzung erfolgte auf Grundlage der Hauptsatzung der Stadt A-Stadt vom 8. August 2002. Die in § 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 dieser Satzung normierten Bekanntmachungsvorschriften sind unwirksam (OVG Greifswald, Urt. v. 08.10.2014 – 1 L 168/11 –, juris Rn. 32 ff.).

30

Aber auch wenn man von der Wirksamkeit der Sanierungssatzung ausgeht, ist die Beitragspflicht vor der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebietes entstanden. Insoweit kommt es nicht auf den nach dem Inkrafttreten der Sanierungssatzung liegenden Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht am 9. Mai 2009 an (dazu sogleich), sondern auf den des Abschlusses der Bauarbeiten. Im Unterschied zu § 8 Abs. 5 KAG M-V bzw. § 9 SBS stellt § 156 Abs. 1 Satz 1 BauGB nämlich nicht auf die endgültige Ausprägung des Beitrags ab. Vielmehr wollte der Gesetzgeber auf den Zeitpunkt des Abschlusses der zur endgültigen Herstellung im Rechtssinne führenden (technischen) Ausbauarbeiten abstellen. Denn zu diesem Zeitpunkt sind grundsätzlich alle Voraussetzungen für das Entstehen der Beitragspflichten erfüllt (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 3 Rn. 9 m.w.N.). Die Ausschlusswirkung des § 154 Abs. 1 Satz 3 BauGB erfasst daher nur Erschließungsmaßnahmen, die nach der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebietes als Ordnungsmaßnahmen i.S.d. §§ 146 Abs. 1, 147 Abs. 1 BauGB durchgeführt werden (Driehaus a.a.O., § 3 Rn. 10). Die Baumaßnahme an der J.-Straße war vor dem Erlass der Sanierungssatzung vom 10. Dezember 2008 abgeschlossen, denn die für den technischen Abschluss maßgebliche Bauabnahme erfolgte bereits am 14. April 2008.

31

Soweit die Klägerin der Aufwandsermittlung mit dem Hinweis entgegen tritt, in der J.-Straße sei ein „Luxusmodernisierung“ erfolgt, kann dem nicht gefolgt werden. Die Klägerin hat ihre Behauptung nicht ansatzweise belegt. Daher ist das Gericht nicht gehalten, Ermittlungen zu dieser Behauptung anzustellen. Dies liefe auf eine auch vom verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) nicht mehr gedeckte Fehlersuche „ins Blaue“ hinaus. Der Untersuchungsgrundsatz ist keine prozessuale Hoffnung, das Gericht würde mit seiner Hilfe schon die klagebegründenden Tatsachen finden (BVerwG, Buchholz 310 § 86 Nr. 76).

32

bb. Auch die Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes begegnet keinen Bedenken.

33

(1) Die mit der Einstufung der J.-Straße als Innerortsstraße getroffene Bestimmung des Gemeindeanteils am umlagefähigen Aufwand ist zutreffend. Da die Klägerin insoweit keine Einwände geltend macht, kann von weiteren Darlegungen abgesehen werden.

34

(2) Die Bildung des Abrechnungsgebiets ist frei von Fehlern. Dies richtet sich vorliegend nach § 4 Abs. 1 SBS. Danach bilden die Grundstücke das Abrechnungsgebiet, denen wegen ihrer räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Einrichtung eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Einrichtung geboten wird. Damit kommt es auch für die Bildung des Abrechnungsgebietes auf den Einrichtungs- oder Anlagenbegriff an. Dieser ist identisch mit dem erschließungsbeitragsrechtlichen Anlagenbegriff (OVG Greifswald, Beschl. v. 15.09.1998 – 1 M 54/98 –, VwRR MO 1999, 104). Ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht ist daher für die Beantwortung der Frage, was beitragsfähige Einrichtung (Anlage) i.S.d. § 1 Satz 1 SBS und § 8 Abs. 1 Satz 1 M-V ist, darauf abzustellen, was sich bei natürlicher Betrachtungsweise als „gesamte Verkehrsanlage“ darstellt, wobei auf den Zustand nach Abschluss des Bauprogramms, d.h. auf das äußere Erscheinungsbild, das die Straße nach ihrem Ausbau erlangt hat, abzustellen ist (OVG Greifswald a.a.O.). Die Beurteilung richtet sich dabei nach dem Erscheinungsbild der Straße, wie es sich in seinem Gesamteindruck, geprägt durch die tatsächlichen Verhältnisse etwa in Gestalt von Straßenführung, -länge, -ausstattung, einem objektiven bzw. unbefangenen Beobachter vermittelt (OVG Greifswald, Beschl. v. 10.02.2009 – 1 M 117/08 –, juris Rn. 18). Bei einem einheitlichen Verlauf und Ausbauzustand ist grundsätzlich von einer einheitlichen Verkehrsanlage i.S.d. natürlichen Betrachtungsweise abzustellen. Eine unterschiedliche Straßenbezeichnung ist dabei ebenso unerheblich wie eine einheitliche (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.04.1994 – 8 C 18/92 –, NVwZ-RR 1994, 539).

35

Gemessen an diesen Kriterien ist die Beschränkung des Abrechnungsgebietes auf den Bereich der J.-Straße trotz der Herstellung der Verbindung mit der H.-Straße nicht zu beanstanden. Die Verbindung zwingt nicht zu der Annahme, dass es sich bei der J.-Straße und der H.-Straße trotz der unterschiedlichen Bezeichnung in beitragsrechtlicher Hinsicht um eine einheitliche Anlage i.S.d. natürlichen Betrachtungsweise handelt. Zwar kann man durchaus von einem einheitlichen Verlauf sprechen, da die J.-Straße in einem leichten Bogen in die H.-Straße übergeht. Es fehlt jedoch bereits an einem einheitlichen Ausbauzustand. Die Fahrbahn der J.-Straße weist eine Breite von 7 m auf, die der H.-Straße nur von 6 m. Zudem verfügt die J.-Straße über einen beiderseitigen Gehweg, sowie einen Radweg, die H.-Straße dagegen nur über einen einseitigen Gehweg und keinen Radweg. Weiter ist die H.-Straße im Rahmen des Knotenausbaus nur auf eine Länge von ca. 100 m ausgebaut worden, obwohl bereits die parallel zur Bahntrasse verlaufende Teilstrecke dieser Verkehrsanlage eine Länge von über 300 m hat. Von einem einheitlichen Ausbauzustand kann auch unter diesem Gesichtspunkt keine Rede sein. Für den Gesamteindruck ist schließlich ebenfalls von Bedeutung, dass dem Brückenbauwerk der D.-Straße auch optisch eine trennende Funktion zukommt.

36

(3) Auch die Einbeziehung der klägerischen Grundstücke in den Vorteilsausgleich ist nicht zu beanstanden. Bei den Grundstücken Flurstücke G6 und G5 handelt es sich um unmittelbar an die J.-Straße angrenzende Anliegergrundstücke. Die Berücksichtigung des Grundstücks Flurstücke G1, G2, G3 und G4 ist als (nicht gefangenes) Hinterliegergrundstück zulässig und geboten. Insoweit liegt ein Fall der Eigentümeridentität mit den beiden an die J.-Straße angrenzenden Grundstücken vor. Diese und das Hinterliegergrundstück werden einheitlich genutzt (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 05.11.2014 – 1 L 81/13 –, S. 12 ff. des Entscheidungsumdrucks).

37

Soweit die Klägerin die Bildung des Abrechnungsgebiets mit der Behauptung beanstandet, die in der J.-Straße befindlichen Grundstücke der insolventen ... GmbH seien vom Beklagten nicht berücksichtigt worden, um Einnahmeausfälle zu vermeiden, ist der Vortrag rein spekulativ und daher ebenfalls unbeachtlich. Der Beklagte hat vorgetragen, auch die Grundstücke der ... GmbH berücksichtigt zu haben. Gegenteiliges lässt sich den Verwaltungsvorgängen nicht entnehmen.

38

(4) Die Anwendung der Maßstabsregel begegnet im Ergebnis keinen Bedenken. Zwar ist der berücksichtigte Vervielfältiger für die Art der baulichen Nutzung (Faktor 1,5) fehlerhaft, denn nach § 5 Abs. 5 Buchst. b SBS ist für Grundstücke in einem tatsächlich bestehenden (§ 34 Abs. 2 BauGB) oder durch Bebauungsplan ausgewiesenen Gewerbegebiet (§ 8 BauNVO) der Faktor 2,0 anzuwenden. Diese Vorschrift – und nicht die fehlerhafte (s.o.) Bestimmung des § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS – ist vorliegend maßgeblich. Zwar sind die Grundstücke der Klägerin im Bebauungsplan Nr. 22 als Gemeinbedarfsflächen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB ausgewiesen, was die Anwendung des § 5 Abs. 5 Buchst. b SBS, der Gemeinbedarfsflächen nicht nennt, eigentlich ausschließt. Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Bekanntmachung des Bebauungsplanes Nr. 22 fehlerhaft und der Bebauungsplan damit unwirksam ist. Seine Bekanntmachung erfolgte auf Grundlage der Hauptsatzung der Stadt A-Stadt vom 8. August 2002, deren Bekanntmachungsvorschriften – wie bereits dargelegt – unwirksam sind.

39

Soweit die Klägerin meint, die Festsetzungen des Bebauungsplanes seien wegen seiner Bindungswirkung (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 19.06.2006 – 3 M 63/06 –, juris Rn. 25 ff.) auch für die Beitragserhebung maßgeblich, trifft dies nicht zu. Dabei kann dahin stehen, ob die Bindungswirkung, die vom Beklagten bei baurechtlichen Entscheidungen zweifellos zu beachten ist, für ihn auch bei – wie hier – baurechtsfremden (abgabenrechtlichen) Entscheidungen gilt. Denn mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG kann die Bindungswirkung keinesfalls für das erkennende Gericht gelten, dem im Umkehrschluss aus Art. 100 Abs. 1 GG eine im Rahmen der Inzidentprüfung eine Verwerfungskompetenz für untergesetzliche Normen zusteht.

40

Der weitere Einwand der Klägerin, der Beklagte profitiere von einem allein in seiner Sphäre aufgetretenen Fehler, denn bei einer Wirksamkeit des Bebauungsplanes käme es für die Beitragserhebung auf die (unwirksame) Bestimmung des § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS an, greift ebenfalls nicht durch. Die dem Einwand zugrunde liegende Erwägung ist zwar verständlich, aber dem Beitragsrecht fremd. Es kommt für die Beitragserhebung nicht darauf an, wer von welchem Fehler profitiert. Vielmehr ist allein maßgeblich, ob das Satzungsrecht des Beklagten – soweit wirksam – eine Beitragsfestsetzung in der tatsächlich erfolgten Höhe erlaubt. Dies ist – wie noch zu zeigen sein wird – vorliegend der Fall.

41

Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 Buchst. b SBS liegen vor. Der gebietsbezogene Artzuschlag findet auch bei Grundstücken in faktischen Gewerbegebieten Anwendung. Die Eigenart der näheren Umgebung der klägerischen Grundstücke entspricht der eines faktischen Gewerbegebietes nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 BauNVO.

42

Als nähere Umgebung in diesem Sinne ist der umliegende Bereich der Bauvorhaben anzusehen, soweit sich die Ausführung der Vorhaben auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstückes prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.08.1998 – 4 B 79.98 –, juris Rn. 7). Dabei sind die Grenzen der rahmenbildenden Bebauung nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.08.2003 – 4 B 74.03 –, juris Rn. 2). Bei der für die Prüfung erforderlichen Bestandsaufnahme ist dabei grundsätzlich alles tatsächlich Vorhandene in den Blick zu nehmen.

43

Nach diesen Kriterien ist auf der Grundlage der vom Beklagten vorgelegten Unterlagen und der im Internet (www.gaia-mv.de) einsehbaren maßstabsgenauen Überfliegungsfotos (zur Zulässigkeit einer lediglich auf Flurkarten und Lichtbilder gestützten Einstufung vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.12.2008 – 4 BN 26.08 –, juris Rn. 3) davon auszugehen, dass die Grundstücke der Klägerin hinsichtlich der Nutzungsart durch die Bebauung in dem Bauquartier beiderseits der J.-Straße geprägt wird, das aus den Grundstücken besteht, für die der (unwirksame) Bebauungsplan die Festsetzungen „GEe 1“, „GEe 2“, „GEe 3“, „Gemeinbedarf“ und „GE 5“ ausweist. Dabei handelt es sich fast ausnahmslos um große Gewerbeflächen mit einer – abgesehen von den Flächen im Bereich der Festsetzung „GEe 2“ – weitgehend einheitlichen Tiefe. Die östlich und nördlich an die Gemeinbedarfsflächen sowie die nördlich an die Flächen mit den Festsetzungen GEe 1 bis 4 angrenzenden Baugrundstücke – hierbei handelt es sich vornehmlich um Wohngrundstücke – haben keine das Bauquartier prägende Wirkung. Die andersartige Nutzung, vor allem aber der Umstand, dass die gewerblich genutzten und die wohngenutzten Grundstücke nicht miteinander „verzahnt“, sondern streng voneinander getrennt sind, schließen eine Prägung aus. Dieses Ergebnis ist auch naheliegend. Das Gericht kann bei der bodenrechtlichen Einstufung der klägerischen Grundstücke nicht an der Tatsache vorbeigehen, dass der Bebauungsplan Nr. 22 trotz seiner – zunächst allerdings unerkannten – Unwirksamkeit die bauliche Entwicklung in seinem Geltungsbereich beeinflusst und die Entstehung inhomogener Bebauungstrukturen verhindert hat. Als Folge davon ist ein einheitliches Gewerbegebiet entstanden, dessen Erschließungsanlagen – entgegen der Auffassung der Klägerin – keine trennende Wirkung haben. Dieser Gebietscharakter erstreckt sich auch auf die Grundstücke der Klägerin. Schulen und die dazugehörigen Nebenanlagen sind in Gewerbegebieten als Anlagen für kulturelle Zwecke (vgl. Boeddinghaus, BauNVO, 5. Auflage 2005, § 2 Rn. 24; Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 10/2009, § 2 Rn. 80) zumindest ausnahmsweise zulässig (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO). Die Annahme einer faktischen Gemeinbedarfsfläche verbietet sich, da § 34 Abs. 2 BauGB ausschließlich auf die Baugebiete der Baunutzungsverordnung, nicht aber auf § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB verweist.

44

Der in der Anwendung des Faktors 1,5 liegende Fehler begründet keinen Aufhebungsanspruch. Denn er führt lediglich zu einer Entlastung der Klägerin. Der Beklagte hat bei allen Grundstücken mit der Festsetzung „GE“, „GEe“ und „Gemeinbedarf“ lediglich den Artzuschlag nach § 5 Abs. 5 Buchst. a SBS berücksichtigt. Daraus folgt, dass der Fehler für diese Grundstücke belastungsneutral ist. Lediglich Grundstücke außerhalb dieser Gebiete werden durch die mit der Anwendung des Faktors 1,5 verbundene Reduzierung der Beitragseinheiten und der damit einhergehenden Erhöhung des Beitragssatzes benachteiligt. In dem Maße, wie diese Grundstücke stärker belastet werden, werden die Grundstücke in festgesetzten oder faktischen Gewerbegebieten – und damit auch das Grundstück der Klägerin – entlastet. Dies zeigt die vom Beklagten mit Schriftsatz vom 5. März 2015 vorgelegte Beitragsneuberechnung, wonach die Berücksichtigung des Artzuschlages nach § 5 Abs. 5 Buchst. b SBS zu einer geringfügigen Mehrbelastung der Klägerin führen würde.

45

cc. Die Heranziehung der Klägerin ist schließlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

46

(1) Zunächst ist der Beitragsanspruch nicht gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 47 Abgabenordnung (AO) infolge Festsetzungsverjährung erloschen. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Straßenausbaubeiträge vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Nach § 9 Satz 1 SBS entsteht die Beitragspflicht mit dem Abschluss der Baumaßnahme, sobald die Kosten feststehen und der erforderliche Grunderwerb grundbuchrechtlich durchgeführt ist. Die Kosten standen erst am 29. Mai 2009, dem Zeitpunkt des Eingangs des Ergebnisses der Verwendungsnachweisprüfung beim Beklagten fest. Auf den Zeitpunkt des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung kann es nicht ankommen, denn für die Baumaßnahme waren Fördermittel ausgereicht worden, die auch den Beitragspflichtigen zugute kommen. Da das Entstehen der Höhe nach voll ausgebildeter sachlicher Beitragspflichten wegen der Abhängigkeit der Beitragshöhe von dem Umfang der erschlossenen Grundstücksflächen und vom umzulegenden Aufwand abhängt, liegt eine endgültige Herstellung erst dann vor, wenn auch die Größe der erschlossenen Grundflächen bestimmbar ist und der umlagefähige Aufwand fest steht (vgl. Driehaus a.a.O., § 19 Rn. 6 m.w.N.). Letzteres ist erst sei dem Eingang des Ergebnisses der Verwendungsnachweisprüfung beim Beklagten am 29. Mai 2009 der Fall. Die Bescheide, aufgrund derer die Fördermittel gewährt wurden, bilden keine Rechtsgrundlage für das endgültige Behaltendürfen der Zuwendungen. Hierüber wird erst in der Verwendungsnachweisprüfung entschieden. Damit hängt von diesem Prüfergebnis auch die Höhe des umlagefähigen Aufwandes ab. Da die sachliche Beitragspflicht sonach erst im Jahre 2009 entstanden ist, erfolgte die Heranziehung der Klägerin im Jahre 2013 innerhalb der Festsetzungsfrist.

47

(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt aus der Formulierung in dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Grundstückskaufvertrag vom 16. September 2008, wonach mit einer Umlage von maximal 10.000,00 EUR zu rechnen sei, kein Einwand gegen die Beitragserhebung. Geht man mit dem Beklagten davon aus, dass es sich dabei um keine Zusicherung, sondern lediglich um eine grobe Schätzung handelt, liegt dies auf der Hand und bedarf keiner weiteren Darlegung.

48

Etwas anderes ergibt sich aber auch dann nicht, wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, dass es sich bei der Vereinbarung um die vertragliche Zusicherung handelt, Straßenbaubeiträge maximal in Höhe von 10.000,00 EUR zu erheben. Denn in diesem Fall wäre die Vereinbarung unwirksam. Der Zusage käme die Qualität eines (teilweisen) Beitragsverzichts zu. Dabei kann dahin stehen, ob ein Beitragsverzicht in Höhe eines fünfstelligen Euro-Betrages ohne Befassung der städtischen Gremien von dem bei der Beurkundung anwesenden Mitarbeiter des Antragsgegners überhaupt wirksam erklärt werden konnte (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 07.12.2000 – 1 L 9/00 –, juris Rn. 18). Denn jedenfalls verstieße eine solche Zusage sowohl gegen die in § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V normierte Beitragserhebungspflicht („…sind Straßenbaubeiträge zu erheben“) als gesetzlichem Verbot i.S.d. § 134 BGB als auch den aus Art. 3 Grundgesetz (GG) abgeleiteten Grundsatz, dass die Abgabenerhebung nur nach Maßgabe der Gesetze und nicht abweichend von den gesetzlichen Regelungen aufgrund von Vereinbarungen zwischen Abgabengläubiger und Abgabenschuldner erfolgen darf, und wäre daher unwirksam. Anhaltspunkte dafür, dass die Begrenzung der Beitragserhebung auf einen Höchstbetrag ausnahmsweise zulässig ist, etwa weil Leistungen der Antragstellerin angerechnet werden sollen, sind nicht ersichtlich.

49

Die – hier nur unterstellte – Zusage ist schließlich auch nicht deshalb als wirksam anzusehen, weil sie möglicherweise ursächlich für die Kaufentscheidung war. Denn es besteht kein Bedürfnis dafür, diesen Fall anders zu behandeln als die übrigen Fälle unwirksamer Zusagen, denn der Adressat einer solchen Zusage ist durch das Bestehen von Sekundäransprüchen hinreichend geschützt (vgl. BGH, Urt. v. 03.05.2001 – III ZR 191/00; Urt. v. 27.06.2008 – V ZR 135/07 –; Urt. v. 09.10.2008 – III ZR 37/08).

50

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

Tenor

1. Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird der Bescheid des Beklagten vom 8. September 2011 aufgehoben. Ebenfalls unter Abweisung der Klage im Übrigen wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin den Betrag von 358.700,00 EUR zzgl. 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 24. Juli 2015 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten zu 16 v. H. und im Übrigen der Klägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Anschlussbeiträgen (Schmutz- und Niederschlagswasser).

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks G2 in einer Größe von 324.618 m². Das als Aus- und Fortbildungszentrum der Bundespolizei genutzte Grundstück befindet sich außerhalb der Ortslage von N. und ist mit etwa 20 massiv errichteten, mehrgeschossigen Funktions- und Unterkunftsgebäuden bebaut. Es ist an die von der Stadt N. betriebene zentrale Schmutz- und Niederschlagswasserbehandlungsanlage angeschlossen.

3

Mit Bescheiden vom 9. September 2011 zog der Beklagte die Klägerin zu Anschlussbeiträgen Schmutz- und Niederschlagswasser i.H.v. 1.874.160,96 EUR bzw. 358.735,10 EUR heran. Dabei stufte er das Grundstück als im unbeplanten Innenbereich i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB gelegen ein und brachte die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung zum Ansatz. Die Klägerin zahlte die festgesetzten Beiträge. Ihre gegen die Beitragsbescheide eingelegten Widersprüche vom 16. September 2011 sind vom Beklagen bisher nicht beschieden worden.

4

Am 14. Juli 2015 hat die Klägerin zu den Az. 3 A 619/15 und 3 A 620/15 Anfechtungsklagen in Form von Untätigkeitsklagen erhoben, die das Gericht mit Beschluss vom 28. März 2018 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des erstgenannten Verfahrens verbunden hat.

5

Die Klägerin ist der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Abwasserbeitragssatzung sei unwirksam. Die Maßstabsregelung zur Flächenermittlung bei Grundstücken im unbeplanten Innenbereich (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 AwBS) sei unwirksam. Die Normierung einer „schlichten“ Tiefenbegrenzung sei unzulässig. Zudem sei die Tiefenbegrenzungslinie von 50 m nicht auf Grundlage einer ordnungsgemäßen Datenermittlung festgelegt worden. Der Beklagte habe die ortsübliche Bebauungstiefe einheitlich ermittelt, obwohl sich die Entsorgungsgebiete Schmutz- und Niederschlagswasser unterschieden. Daher hätte es der Bildung unterschiedlicher „Grundstückspools“ bedurft.

6

Auch der für Außenbereichsflächen geltende Umgriffsflächenmaßstab (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 AwBS) sei unwirksam, weil die danach vorgesehene Multiplikation der Gebäudefläche mit dem Faktor 5 zu einer gewichteten Fläche führe, die größer sei als die tatsächliche Grundstücksfläche. Zudem fehle eine Regelung über die Zuordnung der Umgriffsfläche bei Grundstücken mit sich überschneidenden Umgriffsflächen.

7

Die nur für die Niederschlagswasserbeseitigung geltende Abschlagsregelung für die Flächenermittlung bei Grundstücken ohne bzw. mit nur untergeordneter Bebauung in § 5 Abs. 2 Nr. 1 führe zu vorteilswidrigen Ergebnissen.

8

Die Regelung über den Nutzungsfaktor für den Schmutzwasserbeitrag in § 6 AwBS sei nicht hinreichend bestimmt, weil sie teilweise den in der Satzung definierten Vollgeschossbegriff verwende, bei Grundstücken in unbeplanten Gebieten und bei bebauten Außenbereichsgrundstücken dagegen lediglich auf den Begriff „Geschoss“ abstelle. Gleiches gelte für die Regelung in § 6 Abs. 5 Satz 4 AwBS, die für im Außenbereich gelegene unbebaute Grundstücke, Stellplatzgrundstücke und Grundstücke mit untergeordneter Bebauung einschließlich Wochenendhäusern einen Nutzungsfaktor von 0,5 vorsehe. Ein unbebautes Grundstück im Außenbereich könne auch als der Regelung des § 6 Abs. 4 Nr. 2 AwBS (unbeplantes Gebiet) unterfallend angesehen werden.

9

Gleichfalls nicht hinreichend bestimmt bzw. trennscharf voneinander abgegrenzt seien die Regelungen über die Grundflächenzahl bei der Niederschlagswasserbeseitigung. Festplätze und Campingplätze im Außenbereich könnten sowohl der für sie geltenden Spezialregelung in § 7 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bzw. Nr. 3 AwBS als auch der Außenbereichsregelung in § 7 Abs. 1 Nr. 4 AwBS zugeordnet werden, was zu unterschiedlichen Grundflächenzahlen führe. Auch die Bestimmung der Grundflächenzahl für Sondergebiete nach § 11 BauNVO sei unzulässig. § 11 BauNVO definiere keine typisierte Nutzungsart. Die einheitliche Anwendung des Nutzungsfaktors 0,8 beispielsweise auf Sondergebiete für Einzelhandel und für Gartenhäuser sei vorteilswidrig.

10

Die Kalkulation des Niederschlagswasserbeitrags sei fehlerhaft, weil der Beklagte die nicht unerhebliche Fläche des klägerischen Grundstücks auf der Flächenseite der Beitragskalkulation nicht berücksichtigt habe. Dadurch hätte sich der Beitragssatz erhöht.

11

Die Rechtsanwendung durch den Beklagten sei ebenfalls fehlerhaft. Das klägerische Grundstück sei nicht als Innenbereichsfläche, sondern als Außenbereichsfläche einzustufen.

12

Die Klägerin beantragt,

13

die Bescheide des Beklagten vom 9. September 2011 aufzuheben und

14

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin die Beträge von 1.874.160,96 EUR und 358.735,10 zzgl. Zinsen auf die Beträge von 1.874.150,00 EUR bzw. 358.700,00 i.H.v. 0,5 Prozent für jeden vollen Monat ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Er verteidigt die angefochtenen Bescheide und weist darauf hin, dass in dem Verfahren 3 A 2209/16 hinsichtlich des Beitragssatzes für die Niederschlagswasserbeseitigung eine Fehlerheilung gemäß § 2 Abs. 3 KAG M-V erfolgt sei (VG Greifswald, Urt. v. 13.11.2017 – 3 A 2209/16 –, juris Rn. 22).

18

Mit Beschluss vom 28. März 2018 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die von dem Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge, die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Die als sog. Untätigkeitsklage i.S.d. § 75 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Klage ist teilweise begründet. Der angefochtene Niederschlagswasserbeitragsbescheid vom 9. September 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (1.). Daher ist auch der insoweit geltend gemachte Erstattungsanspruch begründet. Zinsen auf den Erstattungsanspruch kann die Klägerin dagegen nur in der im Tenor ersichtlichen Höhe verlangen (2.). Der Schmutzwasserbeitragsbescheid gleichen Datums ist dagegen nicht zu beanstanden sodass insoweit auch kein Erstattungsanspruch besteht. (3.).

21

1. Der Niederschlagswasserbeitragsbescheid kann nicht auf die Satzung über die Erhebung von Abwasserbeiträgen und Kostenersatz für weitere Grundstücksanschlüsse der Stadt N. (Abwasserbeitragssatzung - AwBS) vom 9. November 2009 gestützt werden, denn die Satzung weist für die Niederschlagswasserbeseitigung eine unvollständige Maßstabsregelung auf (a.). Zudem enthält die Maßstabsregel eine unzulässige Privilegierung bestimmter Nutzungen (b.).

22

a. Nach § 4 Abs. 2 AwBS gilt für den Niederschlagswasserbeitrag der sog. Versiegelungsflächenmaßstab, wonach die ansatzfähige Grundstücksfläche mit der der Grundflächenzahl multipliziert wird. Dies ist unter Vorteilsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Denn der zulässige Versiegelungsgrad eines Grundstücks ist ein zutreffender Indikator für die Niederschlagsmenge, die von dem Grundstück der zentralen Niederschlagswasserbeseitigung zugeführt wird. Auch die Bemessung des zulässigen Versiegelungsgrades nach der Grundflächenzahl ist unter Vorteilsgesichtspunkten nicht zu beanstanden, denn sie gibt an, wieviel Quadratmeter von baulichen Anlagen überdeckter Grundfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche zulässig sind (vgl. § 19 Abs. 1, Abs. 2 BaunutzungsverordnungBauNVO). Damit bildet die Grundflächenzahl den zulässigen Versiegelungsgrad eines Grundstücks hinreichend deutlich ab.

23

Dies erfordert aber, dass die Maßstabsregelung Kriterien zur Ermittlung der Grundflächenzahl für alle im Gebiet der beitragsberechtigten Körperschaft vorkommenden Anwendungsfälle enthält. Hieran fehlt es vorliegend. Die Maßstabsregelung ist unvollständig. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AwBS gilt als Grundflächenzahl die in einem Bebauungsplan festgesetzte Grundflächenzahl. Für bestimmte in der Baunutzungsverordnung normierte Gebietstypen werden in der Satzung in Anlehnung an § 17 Abs. 1 Spalte 2 BauNVO Grundflächen ausgewiesen (Buchst. b). Des Weiteren normiert § 7 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 3 bis 5 AwBS Grundflächenzahlen für bestimmte Nutzungen und Außenbereichsgrundstücke. § 7 Abs. 2 Nr. 2 AwBS bestimmt weiter, dass sich die Gebietseinordnung gemäß Abs. 1 für Grundstücke, die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen (§ 34 BauGB), nach der vorhandenen Bebauung in der näheren Umgebung richtet.

24

Von diesen Regelungen werden Grundstücke innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) nicht erfasst. Die Verweisung in § 7 Abs. 2 Nr. 2 AwBS auf § 7 Abs. 1 AwBS ist sinnvoll und zulässig, soweit sie Grundstücke betrifft, deren bodenrechtliche Einordnung sich nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. einem der in §§ 2 ff. BauNVO geregelten Gebietstypen richtet. Zusätzlich ist aber eine Regelung für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich erforderlich, bei denen eine Gebietseinordnung i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB wegen einer uneinheitlichen Nutzungsstruktur unanwendbar ist. Denkbar ist, dass sich in diesen Fällen die Grundflächenzahl nach dem Verhältnis von Grundfläche und Grundstücksfläche in der näheren Umgebung richtet. Eine solche Regelung fehlt jedoch. § 7 Abs. 2 Nr. 2 AwBS bestimmt lediglich, dass sich dieGebietseinordnung nach der vorhandenen Bebauung in der näheren Umgebung richtet.

25

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Zulässigkeit der Art der baulichen Nutzung im unbeplanten Innenbereich im Regelfall oder auch nur überwiegend nach § 34 Abs. 2 BauGB richtet, mit der Folge, dass es für die Fälle des § 34 Abs. 1 BauGB keiner Regelung bedarf. Denn die Anwendung des § 34 Abs. 2 BauGB darf nicht dazu führen, dass eine vorhandene Bebauung in Zielrichtung auf eine scharfe Trennung von Gebietscharakter und zulässiger Bebauung geradezu gewaltsam in eine der Alternativen des Gebietskatalogs in § 1 Abs. 2 BauNVO gepresst wird, um dann in einer zweiten Stufe mehr oder weniger schematisch die Zulässigkeitsregeln der §§ 2 ff. BauNVO anzuwenden (BVerwG, Urt. v. 23.04.1969 – VI C 12.67 –, BVerwGE 32, 31 <37>). Weist die nähere Umgebung z.B. die Merkmale zweier Baugebiete i.S. der Baunutzungsverordnung auf, findet § 34 Abs. 2 BauGB keine Anwendung. Die Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich in diesem Fall ausschließlich nach § 34 Abs. 1 BauGB (Mitschang/Reidt in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Auflage 2014, § 34 Rn. 60).

26

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das Fehlen einer auf die Fälle des § 34 Abs. 1 BauGB zugeschnittenen Regelung auch nicht nach dem Grundsatz der Typengerechtigkeit zulässig. Zwar gestattet es der Grundsatz der Typengerechtigkeit dem Ortsgesetzgeber zu verallgemeinern und zu pauschalieren. Anknüpfungspunkt muss dabei aber immer der Regelfall sein. Ein Anknüpfen an die Ausnahme ist unzulässig. Genau dies ist vorliegend aber der Fall: Die Verweisung in § 7 Abs. 2 Nr. 2 AwBS auf § 7 Abs. 1 AwBS führt dazu, dass das die bodenrechtliche Ausnahme – die Existenz faktischer Baugebiete i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. §§ 2 ff. BauNVO – zum Regelfall bestimmt wird. Als Folge davon war der Beklagte gezwungen, entgegen der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts alle Grundstücke im unbeplanten Innenbereich der Stadt N. schematisch einem der Gebietstypen der Baunutzungsverordnung zuzuordnen, um einen Faktor zur Ermittlung des zulässigen Versiegelungsgrades anwenden zu können.

27

Soweit der Beklagte weiter einwendet, eine mit § 7 AwBS weitgehend identische Maßstabsregelung sei in der Entscheidung des OVG Schleswig vom 24.11.1999 (– 2 K 19/97 –, juris Rn. 7 ff.) nicht beanstandet worden, trifft dies zwar zu. Es hilft ihm jedoch nicht weiter, denn der Antragsteller jenes Verfahrens hatte lediglich gerügt, durch die Maßstabsregel in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Vollständigkeit der Maßstabsregel ist daher nicht geprüft worden. Gleiches gilt für den vom Beklagten ebenfalls zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.01.1989 (– 8 B 117.88 –, juris).

28

b. Ebenfalls fehlerhaft ist die Maßstabsregel in § 5 Abs. 2 AwBS. Nach Nr. 1 der Vorschrift gilt bei der Niederschlagswasserbeseitigung als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die durch Bebauungsplan eine Nutzung als Fläche für die Landwirtschaft festgesetzt ist und bei Grundstücken, für die durch Bebauungsplan sonstige Nutzung ohne oder mit nur untergeordneter Bebauung festgesetzt ist oder die tatsächlich so genutzt werden (z.B. Schwimmbäder, Camping-, Sport- und Festplätze sowie Friedhöfe) 75% der Grundstücksfläche. Für alle anderen Grundstücke gilt nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 AwBS die für den Schmutzwasserbeitrag maßgebliche Flächenermittlung.

29

Ein Flächenabschlag für bestimmte bauliche Nutzungen ist im Bereich der Niederschlagswasserbeseitigung mit dem Vorteilsprinzip nicht zu vereinbaren. Richtig ist zwar, dass der Flächenabschlag im Bereich der Schmutzwasserbeseitigung seine Berechtigung hat, weil die in § 5 Abs. 2 Nr. 1 genannten Nutzungen (Schwimmbäder, Camping-, Sport- und Festplätze sowie Friedhöfe) in der Regel auf großflächigen Grundstücken mit einer nur untergeordneten Bebauung erfolgen (vgl. VG Greifswald, Beschl. v. 25.06.2001 – 3 B 2393/00 –, juris Rn. 4 m.w.N.; auch die vom Beklagten angegebenen Zitate betreffen ausschließlich den Schmutzwasserbeitrag)), so dass eine „strenge“ Anwendung des Vollgeschossmaßstabes in diesen Fällen zu vorteilswidrigen Ergebnissen führen würde. Die sonach notwendige Korrektur kann unter Geltung des Vollgeschossmaßstabes nur durch einen Flächenabschlag vorgenommen werden. Diese Erwägungen können jedoch auf die Niederschlagswasserbeseitigung nicht übertragen werden. Denn vor dem Hintergrund des hier geltenden Versiegelungsflächenmaßstabs kann es für die Vorteilsbemessung nicht auf die Art oder das Maß der baulichen Nutzung ankommen. Maßgeblich kann nur der tatsächliche oder zulässige Versiegelungsgrad der baulich nutzbaren Grundstücksfläche sein. Für einen gleichsam „vor die Klammer gezogenen“ Flächenabschlag ist dabei kein Raum.

30

c. Auf die weiteren Einwände der Klägerin gegen die Maßstabsregeln für die Niederschlagswasserbeseitigung kommt es nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich an. Es sei aber vorsorglich darauf hingewiesen, dass sie unbegründet sein dürften. Insbesondere ist die Bestimmung der für Sondergebiete i.S.d. § 11 BauNVO geltende Grundflächenzahl von 0,8 (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 AwBS) dann nicht zu beanstanden, wenn die im Gebiet der Stadt N. existierenden Sondergebiete einen Versiegelungsgrad aufweisen, der diesen Faktor rechtfertigt. Entsprechendes gilt für die Bestimmung in § 7 Abs. 1 Nr. 5 AwBS.

31

2. Der im Hinblick auf den Niederschlagswasserbeitrag geltend gemachte Erstattungsanspruch ist unter dem Gesichtspunkt der Vollzugsfolgenbeseitigung (§ 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO) gegeben. Allerdings kann die Klägerin nur Prozesszinsen auf den Erstattungsanspruch analog § 291 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verlangen (W.-R. Schenke in: Kopp, VwGO, 23. Auflage 2017, § 90 Rn. 22 m.w.N.). Der von der Klägerin geltend gemachte (höhere) Zinsanspruch nach § 236 Abgabenordnung (AO) besteht nicht, weil ein solcher Anspruch den Erlass eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO voraussetzt (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 29.06.2017 – 3 A 61/15 –, juris Rn. 15 m.w.N.).

32

3. Zweifel an der Wirksamkeit der die Erhebung des Schmutzwasserbeitrags betreffenden Bestimmungen der Abwasserbeitragssatzung vom 9. November 2009 bestehen nicht (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 02.10.2014 – 3 A 115/13 –, juris). Die Fehlerhaftigkeit der Maßstabsregeln für den Niederschlagswasserbeitrag führt nicht zur Gesamtnichtigkeit der Satzung. Vielmehr ist nach dem Rechtsgedanken aus § 139 BGB von einer bloßen Teilnichtigkeit auszugehen. Da die Stadt N. die Erhebung von Schmutz- und Niederschlagswasserbeiträgen auch in unterschiedlichen Satzungen regeln könnte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie bei Kenntnis der Fehlerhaftigkeit der Maßstabsregeln für den Niederschlagswasserbeitrag von einer Normierung der Rechtsgrundlagen für die Erhebung des Schmutzwasserbeitrags abgesehen hätte.

33

a. Die gegen die Wirksamkeit der den Schmutzwasserbeitrag betreffenden Bestimmungen erhobenen Einwände der Klägerin verfangen ebenfalls nicht.

34

aa. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Regelung zur Flächenermittlung bei Grundstücken im unbeplanten Innenbereich unbedenklich. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 AwBS gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen (§ 34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, höchsten jedoch die Fläche zwischen der jeweiligen Grundstücksgrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallele; reicht die bauliche und gewerbliche Nutzung über diese Begrenzung hinaus oder sind Flächen tatsächlich angeschlossen, so ist die Grundstückstiefe maßgebend, die durch die hintere Grenze bestimmt wird (…).

35

Die Bestimmung normiert eine so genannte „schlichte“ Tiefenbegrenzung, die von der „qualifizierten“ Tiefenbegrenzung zu unterscheiden ist. Die „schlichte“ Tiefenbegrenzung gilt – vorbehaltlich des Falles einer grenzübergreifenden Bebauung – „immer", d.h. die rückwärtige, jenseits der Begrenzung gelegene Fläche eines Baugrundstücks bleibt ungeachtet ihrer bauplanungsrechtlichen Einstufung bei der Ermittlung des Beitrags regelmäßig unberücksichtigt. Sie ist damit sowohl auf „übertiefe“ Grundstücke anwendbar, die mit ihrer Gesamtfläche im unbeplanten Innenbereich liegen („zentrale Grundstücke“), als auch auf solche, die vom unbeplanten Innenbereich in den Außenbereich übergehen („Randlagengrundstücke“). Demgegenüber ist der Anwendungsbereich der „qualifizierten“ Tiefenbegrenzung beschränkt: Sie greift nur in Fällen, in denen es sich bei der rückwärtigen Teilfläche eines Grundstücks um eine Außenbereichsfläche i.S.d. § 35 BauGB handelt bzw. es zweifelhaft ist, ob die rückwärtige Teilfläche dem Außenbereich zuzuordnen ist. Ihr Anwendungsbereich ist damit auf „Randlagengrundstücke“ zugeschnitten.

36

Im Anschlussbeitragsrecht dient die Tiefenbegrenzung in beiden Spielarten der Abgrenzung von bevorteilten und nicht bevorteilten Grundstücksflächen. Diese Abgrenzung ist erforderlich, weil nur Baugrundstücken – hierzu gehören neben Grundstücken im Geltungsbereich rechtsverbindlicher Bebauungspläne Grundstücke im unbeplanten Innenbereich – durch die beitragsfähige Einrichtung ein Vorteil geboten wird, Grundstücken bzw. Teilflächen von Grundstücken, die kein Bauland darstellen, dagegen nicht.

37

Die gegen § 5 Abs. 1 Nr. 3 AwBS erhobenen Einwände der Klägerin verfangen nicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin führt die Normierung einer „schlichten“ Tiefenbegrenzung nicht zu einer vorteils- oder gleichheitswidrigen Privilegierung „übertiefer“ zentraler Innenbereichsgrundstücke. Richtig ist zwar, dass „übertiefe“ zentrale Innenbereichsgrundstücke durch die Normierung einer „schlichten“ Tiefenbegrenzung insoweit begünstigt werden, als nicht die Gesamtfläche des Buchgrundstücks, sondern nur die Fläche bis zur Tiefenbegrenzungslinie in den Vorteilsausgleich einbezogen wird, obwohl auch deren „Restfläche“ – anders als bei Randlagengrundstücken – im unbeplanten Innenbereich liegt. Richtig ist auch, dass diese Begünstigung nach der früheren Rechtsprechung des OVG Greifswald nur hinzunehmen war, solange sie atypisch blieb und deshalb noch in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen der Typisierung stand (OVG Greifswald, Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00 –, juris Rn. 45; Beschl. v. 03.05.2005 – 1 L 268/03 –, n.v.). Nach der neueren Rechtsprechung des OVG Greifswald bedarf es jedoch keiner Rechtfertigung der „schlichten“ Tiefenbegrenzung mehr, denn nunmehr geht das Gericht davon aus, dass (auch) die rückwärtigen Teilflächen „übertiefer“ zentraler Innenbereichsgrundstücke nicht bevorteilt sind (OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –, juris Rn. 42). Denn die Tiefenbegrenzung hat nicht – jedenfalls nicht vornehmlich – die Funktion einer pauschalen Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsflächen, sondern dient der Abgrenzung von baulich nutzbaren von baulich nicht nutzbaren Flächen (OVG Greifswald, a.a.O., Rn. 39, 42). Da auch die rückwärtigen Teilflächen „übertiefer“ zentraler Innenbereichsgrundstücke in der Regel einer baulichen Nutzung entzogen sind, weil sich eine Bebauung in diesem Bereich nicht in die in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Kriterien einfügt, dürfen sie ebenso wenig in den Vorteilsausgleich einbezogen werden, wie die im Außenbereich gelegenen Restflächen übertiefer Randlagengrundstücke, bei denen sich die Unzulässigkeit der Bebauung aus ihrer Außenbereichslage ergibt.

38

Auch die konkrete Festlegung der Tiefenbegrenzung auf 50 m ist nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf die bisherige Rechtsprechung (VG Greifswald, Urt. v. 02.10.2014 – 3 A 115/13 –, juris Rn. 29 ff.) verwiesen. An dieser Auffassung hält die Kammer auch mit Blick auf die neuere Rechtsprechung des OVG Greifswald fest, wonach Daten, die zur Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe für den Entsorgungsbereich „Schmutzwasser“ zutreffend ermittelt und gewichtet worden sind, nicht auf den Entsorgungsbereich „Niederschlagswasser“ übertragen werden dürfen, wenn beide Entsorgungsbereiche nicht deckungsgleich sind (OVG Greifswald, Urt. v. 05.12.2016 – 1 K 9/13 –, juris Rn. 37). Hierauf zielen die Darlegungen der Klägerin zum Erfordernis der Bildung unterschiedlicher „Grundstückspools“ ab.

39

Die genannte Rechtsprechung des OVG Greifswald ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Auch ist die abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft bei einer fehlenden Deckungsgleichheit der Entsorgungsgebiete nicht zwingend zur Bildung unterschiedlicher Grundstückspools verpflichtet. Zwar sind die Entsorgungsbereiche der zentralen Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung auch hier nicht deckungsgleich. Anders als in dem vom OVG Greifswald entschiedenen Fall hat der Beklagte hier jedoch nicht die Daten für einen Entsorgungsbereich ermittelt und diese dann der Festlegung der Tiefenbegrenzung auch des anderen Entsorgungsbereichs zu Grunde gelegt. Vielmehr ergibt sich aus den Kalkulationsunterlagen (Anlage 3 zur Beschlussvorlage S 09/03-15), dass bei der Auswahl der repräsentativen Straßen berücksichtigt wurde, dass zumindest der überwiegende Teil der Grundstücke sowohl für die Schmutz- als auch für die Niederschlagswasserbeseitigung infrage kommt. Anders als bei den 448 erfassten Grundstücken in Straßen der Tabelle 2, die sowohl zum Entsorgungsbereich der zentralen Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung gehören, wurden nur bei den insgesamt nur 148 Randlagengrundstücken der Tabelle 1 auch Grundstücke berücksichtigt, bei denen teilweise lediglich ein Anschluss an die zentrale Schmutzwasserbeseitigung möglich ist. Diese Verfahrensweise ist jedenfalls bei den konkreten örtlichen Verhältnissen der Stadt N. zulässig, denn es wird gewährleistet, dass die ortsübliche Bebauungstiefe für beide Entsorgungsbereiche hinreichend deutlich abgebildet wird.

40

Bestätigt wird diese Auslegung durch die vom Beklagten vorgenommene Vergleichsbetrachtung. Würde man alle Straßen der Tabelle 1 streichen, in denen nur ein Anschluss an die zentrale Schmutzwasserbeseitigung möglich ist, so wiesen bei einer Zusammenschau beider Tabellen 57% aller Grundstücke eine Bebauungstiefe bis 50 m auf. Diese Zahl ist hinreichend groß und rechtfertigt die satzungsrechtliche Regelung.

41

Abschließend sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass wegen der Berücksichtigung von Grundstücken die nur an die zentrale Schmutzwasserbeseitigung angeschlossen sind oder angeschlossen werden können, allenfalls das Bild für die zentrale Niederschlagswasserbeseitigung verfälscht sein könnte. Auf diese Frage kommt es wegen der Fehlerhaftigkeit der in diesem Bereich geltenden Maßstabsregeln (s.o.) jedoch nicht entscheidungserheblich an.

42

bb. Auch die für Außenbereichsflächen geltende Umgriffsflächenregelung in § 5 Abs. 1 Nr. 5 AwBS ist nicht zu beanstanden. Sie führt dazu, dass bei an die Schmutz- oder Niederschlagswasserbeseitigungsanlage tatsächlich angeschlossenen (vgl. § 3 Abs. 3 AwBS) Außenbereichsgrundstücken nur die baulich und bauakzessorisch genutzte Teilfläche der Beitragserhebung unterliegt. Die Befürchtung der Klägerin, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 AwBS vorgesehen Division der Grundfläche der an die Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossenen Baulichkeiten durch den Divisor 0,2 (= Multiplikation der Grundfläche mit dem Faktor 5) könne zu einer gewichteten Fläche führen, die größer sei als die tatsächliche Grundstücksfläche, ist unbegründet. Zwar ist eine Flächenbegrenzung in § 5 Abs. 1 Nr. 5 AwBS – anders als in § 5 Abs. 1 Nr. 6 AwBS („höchstens die jedoch die tatsächliche Grundstücksgröße“) – nicht ausdrücklich normiert; die Kammer geht jedoch davon aus, dass das Fehlen einer ausdrücklichen Begrenzungsregel auf einem unschädlichen Redaktionsversehen beruht, so dass die Regelungslücke im Wege der Analogie zu § 5 Abs. 1 Nr. 6 AwBS geschlossen werden kann (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 14.08.2007 – 3 A 2017/05 –, S. 14 des Entscheidungsumdrucks; zum ähnlichen Fall des Fehlens einer sog. Umgriffs- oder Abgeltungsflächenregelung: OVG Greifswald, Urt. v. 24.03.2004 – 1 L 58/02 –, S. 24 des Entscheidungsumdrucks).

43

Der weitere Einwand der Klägerin, es fehle eine Regelung über die Zuordnung der Umgriffsfläche bei Grundstücken mit sich überschneidenden Umgriffsflächen, greift ebenfalls nicht durch. Zum einen kann das Problem der sich überlappenden Umgriffsflächen durch eine analoge Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 5 zweiter Halbsatz AwBS (Grundstücke mit Randlagenbebauung). Zum anderen würde auch eine – hier nur unterstellte – Fehlerhaftigkeit der Zuordnungsregelung nicht zur Fehlerhaftigkeit der Maßstabsregelung führen. Die Zuordnung der auf Grundlage der Umgriffsflächenregelung ermittelten Beitragseinheiten dient nicht der Ermittlung der auf das betreffende Grundstück entfallenden Beitragseinheiten, sondern soll mit Blick auf den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung lediglich gewährleisten, dass die Teilfläche des Grundstücks, für die ein Anschlussbeitrag erhoben wird, bei einer Beitragserhebung für die Restfläche – z.B. nach einer Überplanung des gesamten Grundstücks – nicht nochmal berücksichtigt wird (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 27.04.2009 – 2 LB 64/08 –, juris Rn. 33 ff.). Die Zuordnung gehört damit nicht zur eigentlichen Maßstabsregel und wird folglich auch nicht von der Regelung über den Mindestinhalt in § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V erfasst. Eine Fehlerhaftigkeit der Zuordnungsregelung kann sich daher erst bei einer weiteren Beitragserhebung für das betreffende Grundstück auswirken.

44

Ungeachtet dessen sei darauf hingewiesen, dass die Klägerin keinen Anwendungsfall dargelegt hat, in denen sich die angebliche Fehlerhaftigkeit des § 5 Abs. 1 Nr. 5 AwBS tatsächlich auswirkt. Das klägerische Grundstück ist – wie noch zu zeigen sein wird – nicht dem Außenbereich (§ 35 BauGB), sondern dem unbeplanten Innenbereich (§ 34 Abs. 1 BauGB) zuzuordnen. Anhaltspunkte dafür, dass es im Gebiet der Stadt N. überhaupt Außenbereichsgrundstücke mit einer derart verdichteten Bebauung gibt, dass die von der Klägerin gerügten Fehler auftreten, sind nicht erkennbar.

45

cc. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Regelung über den Nutzungsfaktor für den Schmutzwasserbeitrag in § 6 AwBS hinreichend bestimmt, obwohl in der Vorschrift teilweise von „Vollgeschossen“ (Abs. 2 und 3) und teilweise lediglich von „Geschossen“ (Abs. 4, 5 und 6) die Rede ist. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass die Begriffe „Vollgeschoss“ und „Geschoss“ in der Satzung synonym verwandt werden. Dies folgt aus § 6 Abs. 2 Satz 1 AwBS, wonach als zulässige Zahl der Geschosse die im Bebauungsplan festgesetzte Zahl der Vollgeschosse gilt. Der Begriff des Vollgeschosses ist in § 6 Abs. 8 AwBS in Anlehnung an die Bestimmung des § 2 Abs. 6 Landesbauordnung (LBauO M-V) definiert. Dagegen ist nichts zu erinnern. Auch die in § 6 Abs. 8 Satz 3 AwBS normierte Abweichung von der Mindesthöhe bei Geschossen von Altbauten begegnet keinen Bedenken (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 62 ff.).

46

dd. Weiter ist auch § 6 Abs. 5 Satz 4 AwBS nicht zu beanstanden. Die Vorschrift, die ebenfalls nur für an die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage tatsächlich angeschlossene Grundstücke gilt (vgl. § 3 Abs. 3 AwBS), sieht für unbebaute Grundstücke, Stellplatzgrundstücke und Grundstücken mit nur untergeordneter Bebauung einschließlich Wochenendhäusern den Nutzungsfaktor 0,5 vor. Dies ist nicht vorteilswidrig. Zwar ist ein Sondermaßstab für Wochenendhausgrundstücke nach der Rechtsprechung des VG Schwerin nicht geboten, wenn diese zu dauernden Wohnzwecken genutzt werden dürfen (Urt. vom 10.10.2011 – 8 A 560/10 –, juris Rn. 124). Damit ist zur Zulässigkeit des Sondermaßstabes für Wochenendhausgrundstücke, bei denen dies nicht der Fall ist, jedoch nichts gesagt. Wie in dem Verfahren 3 A 1413/16 gerichtsbekannt wurde, beruht die Bestimmung des gegenüber der Wohnnutzung abgesenkten Nutzungsfaktors 0,5 auf dem Umstand, dass Wochenendhäuser in der Regel nicht zu Dauerwohnzwecken genutzt werden dürfen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 19.02.2014 – 3 L 212/12 –, juris Rn. 38 f.). An diesen Umstand darf der Ortsgesetzgeber anknüpfen. Weil sich auf einem Wochenendhausgrundstück nur zeitweise Menschen aufhalten, fällt auch weniger Abwasser an als auf zu Wohnzwecken genutzten Grundstücken. Es ist daher vom ortsgesetzgeberischen Ermessen gedeckt, wenn die Satzung von einem gegenüber der Wohnnutzung geringeren Vorteil ausgeht.

47

Abgrenzungsprobleme gegenüber der Regelung in § 6 Abs. 4 Nr. 2 AwBS bestehen nicht. Die Vorschrift erfasst nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut Baugrundstücke, also Grundstücke im unbeplanten Innenbereich und im Geltungsbereich von Bebauungsplänen. Der Anwendungsbereich von § 6 Abs. 5 Satz 4 AwBS ist dagegen, wie sich insbesondere aus dem systematischen Zusammenhang (Einordnung der Vorschrift in den Absatz 5) ergibt, auf Außenbereichsgrundstücke beschränkt.

48

ee. Substantiierte Einwände gegen die Ordnungsgemäßheit der Beitragskalkulation hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Daher kann von Ausführungen hierzu abgesehen werden.

49

b. Die Rechtsanwendung durch den Beklagten begegnet ebenfalls keinen Bedenken.

50

aa. So ist die Ermittlung der auf das Grundstück entfallenden Beitragseinheiten entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu beanstanden. Die Flächenermittlung – die Ermittlung des Nutzungsfaktors nach § 6 AwBS wird von der Klägerin nicht angegriffen – richtet sich nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 AwBS. Danach gilt als Grundstücksfläche bei der Schmutzwasserbeseitigung, bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen (§ 34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen der jeweiligen Grundstücksgrenze und eiern im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen.

51

Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn das klägerische Grundstück liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB. Ein Bebauungszusammenhang i.S. des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist eine aufeinander folgende Bebauung, die trotz vorhandener Baulücken nach der Verkehrsanschauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt (BVerwG, Urt. v. 06.11.1968 – 4 C 2.66 –, BVerwGE 31, 20 <21 f.>). Maßstabsbildend sind im Regelfall nur bauliche Anlagen, die nach Art und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als Ortsteil mit bestimmtem städtebaulichen Charakter zu prägen (BVerwG, Urt. v. 14.09.1992 – 4 C 15.90 –, NVwZ 1993, 985), und zwar unabhängig davon, ob sie genehmigt oder nur zweifelsfrei geduldet sind (BVerwG, Urt. v. 06.11.1968 – IV C 31.66 –, BVerwGE 31, 22) oder ob sie einem bestimmten städtebaulichen Ordnungsbild entsprechen (BVerwG, Urt. v. 22.03.1972 – IV C 121.68 –, BauR 1972, 222). Das sind grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (BVerwG, Beschl. v. 02.03.2000 – 4 B 15.00 –, BauR 2000, 1310 m.w.N.). Diese Voraussetzung wird bei typischen Kasernenanlagen – zu denen auch das als „Polizeikaserne“ errichtete Fort- und Ausbildungszentrum der Bundespolizei gerechnet werden kann – mit mehr als fünf Bauten (Unterkünften, Hallen, Garagen usw.) regelmäßig vorliegen. Vorliegend ist von 20 mehrgeschossigen massiven Bauten auszugehen. Alles sind Zweckbauten, die von ihrer Bausubstanz her ein Gewicht aufweisen. Dabei spielt es keine Rolle, dass es sich um atypische Bauten handelt und dass die Gemeinde an der Entwicklung dieses Bereichs nicht beteiligt gewesen ist (vgl. Bell, LKV 2006, 102 <104>; Uechtritz, BauR 1996, 485 <488>; VGH Kassel, Urt. v. 19.03.1971 – IV OE 58/70 –, BRS 24, Nr. 28).

52

Weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 1 BauGB ist das Vorliegen einer organischen Siedlungsstruktur. Dem Bebauungszusammenhang muss eine „maßstabsbildende Kraft“ zukommen (BVerwG, Urt. v. 14.09.1992 – 4 C 15.90 –, juris Rn. 12). Denn nur dann ist gewährleistet, dass ein Bereich auch ohne eine örtliche Satzung anhand von gesicherten Maßstäben angemessen weiterentwickelt wird (BVerwG, Urt. v. 23.11.2016 – 4 CN 2/16 –, juris Rn. 17 m.w.N.; Bell, a.a.O.; Uechtritz a.a.O.). Auch dies ist bei einer im Betrieb befindlichen Kaserne oder – wie hier – Polizeieinrichtung regelmäßig der Fall, denn die Nutzung gibt den Rahmen für eine bauliche Weiterentwicklung des Ortsteils vor. Die prägende Kraft erlischt erst nach einer endgültigen Aufgabe der Nutzung (BVerwG, Urt. v. 23.11.2016, a.a.O.).

53

Auch die Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung ist nicht zu beanstanden. Maßgeblich ist nicht die 50-m-Grenze, sondern – wegen der grenzübergreifenden baulichen und gewerblichen Nutzung des Grundstücks – die hintere Grenze der baulichen bzw. gewerblichen Nutzung. Diese wird durch eine über die gesamte Grundstücksbreite verlaufende Parallele bestimmt, welche die von der der Straße zugewandten Grundstücksseite am weitesten entfernte Gebäudegrenze bzw. Grundstücksbefestigung tangiert (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 3 dritter Halbsatz AwBS). Gemessen an diesen Kriterien ist die vom Beklagten vorgenommene Flächenermittlung zutreffend. Es kommt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf die hintere Grenze des letzten aktuell vorhandenen Gebäudes, sondern auf die hintere Grenze der letzten zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht (dazu sogleich) vorhandenen Gebäudes an. Hier hat der Beklagte zutreffend auf das das zwischenzeitlich beseitigte Gebäude am Hubschrauberlandeplatz abgestellt.

54

bb. Wegen der Definition einer von der Entstehung der Beitragspflicht unabhängigen Festsetzungshöchstfrist in § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V hat sich die Möglichkeit der Beitragserhebung trotz der Altanschließersituation weder „verflüchtigt“, noch verstößt sie gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (OVG Greifswald, Urt. v. 06.09.2016 – 1 L 212/13 –, juris Rn. 68 ff.; rechtskräftig durch BVerwG, Beschl. v. 18.05.2017 – 9 B 71.16 –, juris).

55

cc. Schließlich ist der Beitragsanspruch nicht infolge Festsetzungsverjährung gemäß § 47 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V erloschen, obwohl das Grundstück bereits in den Jahren 1981 bis 1983 mit Gebäuden einer Volkpolizeischule der ehemaligen DDR bebaut und dabei an eine zentrale Abwasseranlage angeschlossen worden ist. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Anschlussbeiträge vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Die Entstehung der Beitragspflicht richtet sich nach § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V. Danach entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Damit konnte die Beitragspflicht trotz des wesentlich früher erfolgen Anschlusses des Grundstücks an eine zentrale Abwasserbehandlungsanlage erst mit dem Inkrafttreten der Abwasserbeitragssatzung vom 9. November 2009 entstehen. Diese Satzung ist die erste wirksame Satzung i.S.d. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V. Die zuvor Geltung beanspruchenden Abwasserbeitragssatzungen der Stadt N. sahen eine unzulässige Privilegierung altangeschlossener Grundstücke vor und waren damit wegen eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unwirksam (zuletzt VG Greifswald, Urt. v. 29.03.2006 – 3 A 1460/04 –, juris Rn. 19). Die Heranziehung der Klägerin im Jahre 2011 erfolgte damit innerhalb der Festsetzungsfrist.

56

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. 709 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 11. November 2011 – 3 A 189/09 – geändert: Die Bescheide des Beklagten vom 23. November 2007 (Bescheid Nr. 11/80203006, Nr. 11/80203034 und Nr. 11/80203057) und die Widerspruchsbescheide vom 04. Februar 2009 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung des Klägers zu Straßenausbaubeiträgen.

2

Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke Flurstück A (2.260 m²), AA (1.679 m²) und AC (110 m²), jeweils Flur 1, Gemarkung A-Stadt. Bei dem Flurstück A handelt es sich um ein Wegegrundstück, das nördlich an die A.-Straße angrenzt. Die Flurstücke AA und AC grenzen östlich an das Flurstück A an. Das Flurstück AA ist ebenfalls unbebaut. Auf dem Flurstück AC befindet sich der Teil eines Wohnhauses, dass sich auch auf die Flurstücke AB und AD erstreckt.

3

Der Kläger ist ferner nach wie vor Eigentümer des Grundstücks bestehend aus dem vormaligen Flurstück AE der Flur 1 Gemarkung A-Stadt, das identisch ist mit dem im Bodenordnungsverfahren A-Stadt entstandenen Flurstück B der Flur 2 Gemarkung A-Stadt (Grundbuch von A-Stadt Blatt 1488 lfd. Nr. 7 bzw. 14). Bei der A.-Straße handelt es sich um eine Gemeindestraße, die von der Einmündung in die D.-Straße auf einer Länge von 870 m in südöstliche Richtung führt und an der Einmündung in die E.-Straße endet. Sie verläuft über das Flurstück B der Flur 2 Gemarkung A-Stadt, das entsprechend im Grundbuch als Verkehrsfläche eingetragen ist.

4

Im Jahre 1994 ließ die Gemeinde A-Stadt die A.-Straße ausbauen. Die A.-Straße erhielt ab der Einmündung in die D.-Straße auf einer Länge von 125 m eine Fahrbahn (Asphalt) in einer Breite von 5,50 m sowie einen beiderseitigen Gehweg (Betonsteinpflaster). Im weiteren Verlauf erhielt sie eine Fahrbahn in einer Breite von 4,00 m und einen einseitigen, überfahrbaren Gehweg. Des Weiteren wurden straßenbegleitende Pkw-Stellplätze, eine Straßenbeleuchtung sowie eine Straßenentwässerung angelegt.

5

Die Unternehmerrechnungen für die Baumaßnahme gingen im Wesentlichen im Jahre 1994 beim Beklagten ein. Mit Bescheid vom 07. November 2002 wurden Gebühren für die Vermessung verschiedener Flurstücke festgesetzt, mit beim Beklagten am 19. Juni 2003 eingegangenem Bescheid Gebühren für die Fortführung des Liegenschaftskatasters (Vermessung langgestreckter Anlagen). Für das Vorhaben wurden Fördermittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz ausgereicht. Das Ergebnis der Verwendungsnachweisprüfung lag seit dem 12. Dezember 1998 vor. Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat sich ergeben, dass im Abrechnungsgebiet ein Grundstück vorhanden ist, bei dem Eigentum am Grundstück und Gebäudeeigentum auseinanderfallen (vormaliges Flurstück C, Gemarkung A-Stadt, nunmehr Flurstück D, Gemarkung A-Stadt; für die weiteren Einzelheiten wird auf den jeweils vom Beklagten zur Gerichtsakte gereichten Grundbuchauszug von A-Stadt Blatt 1062 und den Auszug aus dem Gebäudegrundbuch von A-Stadt Blatt 1089 verwiesen).

6

Am 27. Februar 2002 fasste die Gemeindevertretung den Beschluss über die Satzung der Gemeinde A-Stadt über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Straßenausbaubeitragssatzung), die am 04. April 2002 von Bürgermeister der Gemeinde A-Stadt ausgefertigt wurde. In der Folgezeit beschlossene erste und zweite Änderungssatzung sind nicht in Kraft getreten.

7

Mit Bescheiden vom 23. November 2007 zog der Beklagte den Kläger für die erstgenannten Grundstücke zu Straßenausbaubeiträgen von insgesamt 569,59 EUR heran (Bescheid Nr. 11/80203006 betreffend das Flurstück AA über 142,98 EUR; Bescheid Nr. 11/80203034 betreffend das Flurstück AC über 234,17 EUR; Bescheid Nr. 11/80203057 betreffend das Flurstück A über 192,44 EUR). Auf den Bescheiden ist jeweils vermerkt, dass sie am 18. Dezember 2007 abgesandt worden seien. Den jeweils am 14. Januar 2008 erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 04. Februar 2009 als unbegründet zurück.

8

Am 23. Februar 2009 hat der Kläger gegen die Bescheide Anfechtungsklage erhoben.

9

Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, seine Heranziehung sei rechtswidrig. Die Bescheide seien unverständlich, da sie auf eine „Anlage D“ Bezug nähmen, die ihnen jedoch nicht beigefügt sei. Zudem seien die Grundstücke des Klägers nicht bevorteilt. Bei den Flurstücken AA und AC handele sich um Hinterliegergrundstücke. Das Flurstück A sei der Weg zum Feuerlöschteich, seine selbstständige Nutzung ausgeschlossen. Die Beitragsansprüche seien in Folge Festsetzungsverjährung erloschen. Der Grunderwerb an einzelnen Straßenflächen sei nicht erforderlich gewesen. Die Vermessungskosten seien beitragsrechtlich irrelevant. Die Katastergebühren hätten nicht erst mit dem Erlass des entsprechenden Gebührenbescheides festgestanden. Hinsichtlich der Gebührenhöhe sei vielmehr die Katastergebührenordnung maßgeblich. Zudem habe die Gemeinde ihr Recht zur Beitragserhebung verwirkt.

10

Der Kläger hat beantragt,

11

die Bescheide des Beklagten vom 23. November 2007 in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 04. Februar 2009 aufzuheben.

12

Der Beklagte hat die angegriffenen Bescheide verteidigt und beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Mit dem angefochtenen Urteil vom 11. November 2011 – 3 A 189/09 – hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

15

Die streitgegenständlichen Bescheide seien rechtmäßig. Sie fänden ihre gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung der Gemeinde A-Stadt über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Ausbaubeitragssatzung – ABS) vom 04. April 2002. Zwar sei die Regelung des § 2 Satz 3 ABS unwirksam mit der Folge, dass die Ausbaubeitragssatzung den Kreis der Abgabenschuldner nicht mehr vollständig angebe und damit nicht mehr den Mindestinhalt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V aufweise. § 2 Satz 3 ABS bestimme im Einklang mit § 8 Abs. 10 Satz 3 KAG 1993, dass auch der Eigentümer eines Gebäudes beitragspflichtig sei, wenn das Eigentum an einem Grundstück und an einem Gebäude infolge der Regelung des § 286 Zivilgesetzbuch vom 19. Juni 1975 (GBl. DDR I, S. 465) getrennt sei. Diese Bestimmung sei seit dem Inkrafttreten der KAG-Novelle 2005 am 31. März 2005 so nicht mehr zulässig. Nunmehr bestimme § 7 Abs. 2 Satz 4 KAG M-V, dass, wenn das Grundstück mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Art. 233 § 4 des Einführungsgesetzes zum BGB belastet sei, der Inhaber dieses Rechtes anstelle des Eigentümers beitragspflichtig ist. Der Beklagte könne daher den Grundeigentümer nicht mehr neben dem Gebäudeeigentümer heranziehen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 22 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V. Die Bestimmung des § 2 Satz 3 ABS sei mit Ablauf der Anpassungsfrist gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V bis zum 31. Januar 2007 unwirksam geworden. Dieser Fehler berühre die Beitragserhebung in Ansehung der A.-Straße jedoch nicht. Denn die Versäumung der Anpassungsfrist des § 22 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V führe dazu, dass die Unwirksamkeit der Satzung lediglich mit Wirkung für die Zukunft eintrete. Folglich bleibe sie auch bei einer Versäumung der Anpassungsfrist taugliche Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung, wenn die sachliche Beitragspflicht vor dem Ablauf der Anpassungsfrist entstanden sei. Dies treffe vorliegend zu. Soweit die Bestimmung des § 5 Abs. 6 ABS (Eckgrundstücksvergünstigung) gegen den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verstoße, beschränke sich die Nichtigkeitsfolge auf diese Bestimmung. Die Rechtsanwendung durch den Beklagten begegne keinen Bedenken. Bloße Begründungsmängel könnten nach § 12 Abs. 1 KAG M-V i. V. m. § 127 AO schon deshalb nicht zur Aufhebung der Bescheide führen, weil die Beitragserhebung rechtmäßig sei, so dass keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Entgegen der Auffassung des Klägers gehörten die Kosten des Grunderwerbs nach § 3 Abs. 2 erster Anstrich ABS zum beitragsfähigen Aufwand. Die Trasse der A.-Straße sei vor der Durchführung der abgerechneten Maßnahme auf einer Vielzahl von Grundstücken im Eigentum Dritter verlaufen. Bereits damit sei der Erwerb der betreffenden Teilflächen erforderlich im Sinne des § 3 Abs. 2 erster Anstrich ABS. Die Bestimmung ziele darauf ab, dass die Gemeinde A-Stadt Eigentümerin sämtlicher in ihrer Straßenbaulast befindlichen Straßenflächen werde, an denen eine beitragsfähige Maßnahme durchgeführt worden sei. Um den Eigentumserwerb finanziell abzusichern, seien die Kosten des Grunderwerbs einschließlich der Nebenkosten als beitragsfähiger Aufwand definiert. Dies sei sachgerecht, weil das (gemeindliche) Eigentum an einer Gemeindestraße deren Verwaltung erheblich erleichtere. So könne eine straßenrechtliche Widmung ohne die ansonsten gemäß § 7 Abs. 3 StrWG M-V erforderliche Zustimmung der privaten Grundeigentümer erfolgen. Für die Zulässigkeit einer Nutzung einer öffentlichen Straße nach bürgerlichem Recht komme es allein auf die Gestattung durch die Gemeinde als Grundeigentümerin an. Der Grunderwerb an den in Privateigentum stehenden Teilflächen der A.-Straße sei von der Gemeinde auch von Anfang an als erforderlich angesehen worden. Ungeachtet dessen sei es ausreichend, wenn der erforderliche Grunderwerb in der Ausbaubeitragssatzung zum Herstellungsmerkmal bestimmt werde. Hiergegen werde zwar eingewandt, dass die im Zusammenhang mit einer beitragsfähigen Maßnahme angefallenen Grunderwerbskosten nur insoweit beitragsfähig seien, als sie entstanden seien, bevor gerade diese Maßnahme beendet und damit in der Regel die sachliche Beitragspflicht für sie begründet worden sei. Dieser Auffassung sei jedoch ebenfalls nicht zu folgen. Zwar treffe es zu, dass die sachliche Beitragspflicht nicht entstehen könne, bevor eine Maßnahme den Maßgaben des Bauprogramms entsprechend abgeschlossen sei. Richtig sei auch, dass der Grunderwerb nicht schon Kraft Gesetzes Voraussetzung für die Beendigung einer beitragsfähigen Maßnahme sei. Daraus folge aber nicht, dass allein das Bauprogramm darüber entscheide, wann die Maßnahme abgeschlossen sei. Denn es sei zulässig, die Herstellungsmerkmale nicht ausschließlich in dem jeweiligen (konkreten) Bauprogramm, sondern auch (generell-abstrakt) in der Straßenausbaubeitragssatzung zu definieren.

16

Das Urteil ist dem Kläger am 17. November 2011 zugestellt worden.

17

Am 19. Dezember 2011 (Montag) hat der Kläger Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil gestellt und diesen am 17. Januar 2012 begründet. Mit Beschluss vom 26. Januar 2015 hat der Senat die Berufung zugelassen. Der Beschluss ist dem Kläger am 02. Februar 2015 zugestellt worden. Mit am 26. Februar 2015 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger seine Berufung begründet und im Wesentlichen ausgeführt:

18

Der Beklagte habe dem Kläger aufgrund einer Straßenbaubeitragssatzung zur Zahlung herangezogen, die zumindest in ihrem § 2 Satz 3 unwirksam sei und deshalb keine rechtmäßige Grundlage für die Erhebung der Beiträge bilden könne. Der Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, das bezüglich der Wirksamkeit der Satzung auf den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht abzustellen sei, begegne erheblichen rechtlichen Bedenken. Mit dem Oberverwaltungsgericht werde davon ausgegangen, dass ein Grunderwerb bislang nicht aktenkundig erfolgt sei. Damit sei die sachliche Beitragspflicht bis heute nicht entstanden. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts betreffend die Bestimmung des Abrechnungsgebietes sei unzutreffend. Zum einen seien Grundstücke nicht in das Abrechnungsgebiet einbezogen worden, die straßenseitig vom Ausbau erfasst seien. Zum anderen seien Flurstücke einbezogen worden, die aufgrund ihrer Nutzbarkeit bzw. eingeschränkten Nutzbarkeit nicht bevorteilt seien. Der Kläger halte daran fest, dass im Falle eines bereits vollzogenen Grunderwerbs jedenfalls Festsetzungsverjährung eingetreten sei und im Übrigen seine Heranziehung unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung abzulehnen sei.

19

Der Kläger beantragt,

20

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 11. November 2011 zu ändern und die Heranziehungsbescheide des Beklagten vom 23. November 2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 04. Februar 2009 aufzuheben.

21

Der Beklagte beantragt,

22

die Berufung zurückzuweisen.

23

Er verteidigt das angefochten Urteil und trägt vor, bezüglich der Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken verhalte es sich so, dass die Eigentümer von Teilflächen der Straße im Bodenordnungsverfahren Landverzichtserklärungen abgegeben hätten. Lediglich der Kläger dieses Verfahrens habe keine Verzichtserklärung abgegeben. Da auch Landverzichtserklärungen erst nach dem 31. Dezember 2007 abgegeben worden seien, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Eigentumserwerb am 31. Dezember 2007 abgeschlossen gewesen sei. Ziel des Bodenneuordnungsverfahrens sei es gewesen, die Eigentumsverhältnisse der Grundstücke, auch derer, auf denen das Bauwerk Straße liege, zu klären und zu ordnen. Innerhalb dieses Verfahrens seien keine umlagefähigen Kosten entstanden. Das Bodenordnungsverfahren sei abgeschlossen. Es seien sämtliche Grundstücksfragen geklärt. Lediglich der Kläger habe bezüglich der in seinem Eigentum stehenden Straßenflächen die Zustimmung und Mitwirkung im Rahmen der Bodenordnung verweigert. Die Straße verlaufe mithin noch über Teilflächen, die im Eigentum des Klägers stünden. Die Gemeinde A-Stadt beabsichtige auch nicht mehr, die Grundstücke des Klägers zu erwerben. Dies sei auch nicht notwendig, da sich unabhängig von dem Grundstückserwerb um eine öffentlich-rechtliche Straße handele. Die Straße habe schon zu DDR-Zeiten bestanden und in der Straßenbaulast der Gemeinde gestanden.

24

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

25

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die zulässige Anfechtungsklage des Klägers ist begründet. Die angegriffenen Bescheide vom 23. November 2007 (Bescheid Nr. 11/80203006 zu Flurstück AA über 142,98 EUR; Bescheid Nr. 11/80203034 zu Flurstück AC über 234,17 EUR; Bescheid Nr. 11/80203057 zu Flurstück A über 192,44 EUR) und Widerspruchsbescheide vom 04. Februar 2009 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

26

Die Rechtsanwendung des Beklagten ist fehlerhaft. Eine Beitragserhebung durfte nicht erfolgen, da die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden ist.

27

Nach § 9 Satz 1 der Satzung der Gemeinde A-Stadt über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Ausbaubeitragssatzung – ABS) vom 04. April 2002, auf die sich der Beklagte für seine Beitragserhebung stützt, entsteht die (sachliche) Beitragspflicht mit dem Abschluss der Baumaßnahme, sobald die Kosten feststehen und der erforderliche Grunderwerb grundbuchrechtlich durchgeführt ist. Das ist frühestens der Zeitpunkt des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung (Satz 2). Dienen Zuschüsse der Entlastung der Beitragspflichtigen, dann entsteht die Beitragspflicht frühestens mit Eingang der Mitteilung über die endgültige Höhe des Zuschusses (Satz 3).

28

§ 9 Satz 1 ABS nennt damit gegenüber § 8 Abs. 5 KAG M-V und § 8 Abs. 8 KAG a.F. zusätzliche Merkmale, die für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht erfüllt sein müssen. Dies ist zulässig.

29

Es ist in der Rechtsprechung – auch des Senats – geklärt, dass es über die in § 8 Abs. 5 KAG M-V unmittelbar bzw. ausdrücklich im Gesetz genannten Tatbestandsmerkmale hinausgehende – teilweise ungeschriebene – Tatbestandsmerkmale geben kann und gibt, die verwirklicht sein müssen, damit die sachliche Beitragspflicht entsteht. So kann etwa im Ortsrecht ein entsprechendes zusätzliches Merkmal gefordert werden (z. B.: Vorliegen eines Revisionsschachtes, vgl. dazu OVG Greifswald, Beschl. v. 30.08.2005 – 1 L 231/05 –; Genehmigung des Anschlusses oder seiner Änderung durch die Gemeinde, vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 27.06.2002 – 2 S 807/01 –, NVwZ-​RR 2003, 455; bei einer Straßenbaubeitragssatzung der Grunderwerb als Herstellungsmerkmal, vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.08.2003 – 9 ME 421/02 –, NVwZ-​RR 2005, 133; ferner – ungeschrieben – das Vorliegen der letzten Unternehmerrechnung, vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl., § 19 Rn. 8 m.w.N.; vgl. zum Ganzen OEufach0000000005, Urt. v. 02.11.2005 – 1 L 105/05 –, NordÖR 2006, 157 – zitiert nach juris; Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 128/09 –, NVwZ-RR 2013, 331 – zitiert nach juris, Rn. 32; zum Grunderwerb ausdrücklich OVG Greifswald, Beschl. v. 17.11.2003 – 1 M 169/03 –, LKV 2004, 230 – zitiert nach juris). Auch der Grunderwerb kann danach ortsrechtlich als Entstehungsvoraussetzung normiert werden. Wenn vertreten wird, dass nur die Kosten für den Erwerb von solchen Grundstücken beitragsfähig sein könnten, die unmittelbar für die Durchführung einer bestimmten Baumaßnahme benötigt worden seien, die Erwerbskosten dagegen nicht beitragsfähig seien, wenn anlässlich einer Verbesserungsmaßnahme an einer vorhandenen Straße das bisher in Privateigentum stehende Straßenland aufgekauft werde, ohne dass zusätzliche Flächen für die Straße gewonnen würden, ist dem mit dem Verwaltungsgericht für das Landesrecht von Mecklenburg-Vorpommern nicht zu folgen. § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V gibt für eine solche Differenzierung nichts her. Gleiches gilt für § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993. Im Gegenteil spricht § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V für die Beitragsfähigkeit in diesen Fällen. Ebenso zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, es sei zulässig, die Herstellungsmerkmale nicht ausschließlich in dem jeweiligen (konkreten) Bauprogramm, sondern auch (generell-abstrakt) in der Straßenausbaubeitragssatzung zu definieren.

30

Die Voraussetzungen des § 9 Satz 1 ABS liegen nicht vor, weil der erforderliche Grunderwerb noch nicht durchgeführt worden ist. Das Verwaltungsgericht ist fehlerhaft davon ausgegangen, dass der Erwerb der erforderlichen Straßenflächen bzw. die von der Satzung geforderte grundbuchrechtliche Durchführung des Grunderwerbs bereits vor Juni 2003 erfolgt sei. Nachdem der Senat diesen Sachverhalt bereits in seinem Zulassungsbeschluss als ernstlich zweifelhaft angesehen hatte, steht inzwischen zur Überzeugung des Senats fest, dass das Grundstück bestehend aus dem vormaligen Flurstück AE der Flur 1 Gemarkung A-Stadt, das identisch ist mit dem im Bodenordnungsverfahren A-Stadt entstandenen Flurstück B der Flur 2 Gemarkung A-Stadt, nach wie vor im Eigentum des Klägers steht. Über dieses Grundstück, das entsprechend im Grundbuch als Verkehrsfläche eingetragen ist, verläuft die ausgebaute und mit den streitgegenständlichen Bescheiden abgerechnete Anlage A.-Straße. Dieses Grundstück ist weder von der Gemeinde erworben worden noch konnte im Bodenordnungsverfahren eine entsprechende Eigentumsregelung erreicht werden. Die Gemeinde ist auch nicht auf anderem Weg Eigentümerin des Grundstücks geworden.

31

Der Erwerb dieses Grundstücks ist jedoch Teil des erforderlichen Grunderwerbs im Sinne von § 9 Satz 1 ABS, der grundbuchrechtlich abgeschlossen sein muss.

32

Dies folgt insbesondere aus § 3 Abs. 2 Satz 2 erster Spiegelstrich ABS. Zum beitragsfähigen Aufwand gehören danach ferner die Kosten für den Erwerb der erforderlichen Grundflächen einschließlich der der beitragsfähigen Maßnahme zuzuordnenden Ausgleichs- und Ersatzflächen einschließlich der Nebenkosten. Der „erforderliche Grunderwerb“ ist insoweit gleichzusetzen mit dem „Erwerb der erforderlichen Grundflächen“. Als „erforderliche Grundflächen“ können und müssen – was auf der Hand liegt – jedenfalls alle Flächen angesehen werden, über die die ausgebaute Anlage bzw. Straße unmittelbar verläuft. Ein anderer Bezugspunkt für den Begriff der Erforderlichkeit existiert nicht. Insoweit kann es nicht darauf ankommen, ob die Nutzung der ausgebauten Anlage als öffentliche Straße unabhängig von einem Grunderwerb sichergestellt sein könnte, insbesondere weil die Straße – so der Vortrag des Beklagten – schon zu DDR-Zeiten bestanden und in der Straßenbaulast der Gemeinde gestanden hätte. Die Einbeziehung derartiger Kriterien in die Prüfung der „Erforderlichkeit“ kommt nicht in Betracht, weil sie die eindeutige und einfache Feststellbarkeit der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht ausschließen und von ggfs. schwer zu beantwortenden Rechts- und Tatsachenfragen abhängig machte. Dass es auf derartige Kriterien nicht ankommen kann, zeigt auch § 3 Abs. 2 Satz 2 zweiter Spiegelstrich ABS, wonach zu den Kosten gemäß erstem Spiegelstrich auch der Wert der von der Gemeinde aus ihrem Vermögen bereitgestellten Flächen im Zeitpunkt der Bereitstellung einschließlich der Bereitstellungsnebenkosten gehört. Diese Regelung macht deutlich, dass es für die Frage, welche Grundflächen erforderlich sind, nicht darauf ankommt, ob ihr Erwerb zur Sicherung der Nutzung der Anlage als öffentliche Straße notwendig ist. Sie entspricht der gesetzlichen Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG (M-V).

33

Das Verwaltungsgericht hat dazu zutreffend ausgeführt, bereits der Umstand, dass die Trasse der A.-Straße vor der Durchführung der abgerechneten Maßnahme auf einer Vielzahl von Grundstücken im Eigentum Dritter verläuft, mache den Erwerb der betreffenden Teilflächen erforderlich im Sinne des § 3 Abs. 2 erster Spiegelstrich ABS. Die Bestimmung ziele darauf ab, dass die Gemeinde A-Stadt Eigentümerin sämtlicher in ihrer Straßenbaulast befindlichen Straßenflächen werde, an denen eine beitragsfähige Maßnahme durchgeführt worden sei. Um den Eigentumserwerb finanziell abzusichern, seien die Kosten des Grunderwerbs einschließlich der Nebenkosten als beitragsfähiger Aufwand definiert. Dies sei sachgerecht, weil das (gemeindliche) Eigentum an einer Gemeindestraße deren Verwaltung erheblich erleichtere. So könne eine straßenrechtliche Widmung ohne die ansonsten gemäß § 7 Abs. 3 StrWG M-V erforderliche Zustimmung der privaten Grundeigentümer erfolgen. Für die Zulässigkeit einer Nutzung einer öffentlichen Straße nach bürgerlichem Recht (vgl. § 30 StrWG M-V) komme es allein auf die Gestattung durch die Gemeinde als Grundeigentümerin an. Diese Sichtweise steht in Übereinstimmung mit den in § 19 StrWG M-V zum Ausdruck kommenden Vorstellungen des Gesetzgebers zu den Eigentumsverhältnissen einer öffentlichen Straße, wonach grundsätzlich ein Eigentumswechsel zu Gunsten des Trägers der Straßenbaulast erfolgen soll.

34

In Übereinstimmung mit diesem Normverständnis hat folgerichtig die Gemeinde den Erwerb des betreffenden Grundstücks – damit auch schlüssig im Rahmen ihres Bauprogramms – beabsichtigt: Die Kostenschätzung für den Grunderwerb „ A.-Straße“ (Bl. 139 BA) geht von einer zu erwerbenden Gesamtfläche von 856 m² aus. Diese Summe entspricht der Summe der Flächenangaben gemäß Blatt 140 BA. Zu den betreffenden Grundstücken rechnet auch das so bezeichnete Flurstück „79 H“ im Eigentum des Klägers. Dieses wiederum ist in Abgleich der vorliegenden Flurkarten, Planzeichnungen und Luftbilder identisch mit dem Flurstück AE (vgl. Bl. 166, 179, 256, 557 BA). Ebenso war das Flurstück AE – allerdings mit einer anderen Größe – in der Anlage zum Schreiben der L. GmbH vom 14. Dezember 2006 bzw. der Übersicht der zu den vermessenden Grundstücke der A.-Straße aufgeführt, „für die im Rahmen des BOV A-Stadt eine Eigentumsregelung erfolgen soll“, bzw. der zufolge „die Eigentumsregelung für die Trassenflurstücke … im Rahmen des laufenden BOV A-Stadt“ erfolgt (Bl. 141 f. BA). Auch wenn diese Unterlagen der Bauphase und Planung nachgelagert entstanden sind, sind sie hinreichendes „Spiegelbild“ bzw. Indiz für die ursprünglichen Planungen insoweit. Dies gilt insbesondere in Ansehung des Begehungsprotokolls vom 02. Juni 1993, in dem festgehalten ist, dass zur Sicherung der Grundstücksfragen mit den Anliegern (Eigentümern) zu klären sei, dass eventuell benötigte Flächen zur Bebauung bereitgestellt würden und der Eigentümerwechsel nach der Schlussvermessung erfolge. Demgemäß verwiesen die im März 1994 von Grundeigentümern unterzeichneten „Erlaubnisse zur Inbesitznahme für den Straßenbau“ auf eine freiwillige Veräußerung bzw. Enteignung der Flächen.

35

Hinsichtlich der Frage des erforderlichen Grunderwerbs kommt es nicht darauf an, ob die Gemeinde inzwischen den Willen zum Grunderwerb aufgegeben haben könnte. Sie ist nach ihrer Satzung nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen zum Grunderwerb verpflichtet. Auf einen später geäußerten Willen der Gemeinde, unabhängig von ihrer Satzung und ihrer ursprünglichen Planung auf den Erwerb eines Grundstücks zu verzichten, kann es auch schon deshalb nicht ankommen, weil sonst der Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht vom Willen der Gemeinde abhinge.

36

Nach alledem kommt es auf die Frage, ob die Satzung der Gemeinde A-Stadt über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Ausbaubeitragssatzung – ABS) vom 04. April 2002 wirksam ist oder andere Rechtsanwendungsfehler vorliegen, nicht mehr an. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht mit zutreffenden Erwägungen die Unwirksamkeit des § 2 Satz 3 ABS angenommen hat, die mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht und die abgelaufene Anpassungsfrist nach § 22 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V nicht mehr außer Acht gelassen werden kann. Letzteres gilt auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der regionalen Teilbarkeit (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 26.02.2004 – 1 M 242/03 – juris, Rn. 46), da sich zwischenzeitlich ergeben hat, dass im Abrechnungsgebiet ein Grundstück vorhanden ist, bei dem das Eigentum am Grundstück und das Gebäudeeigentum auseinanderfallen (vormaliges Flurstück C Gemarkung A-Stadt, nunmehr Flurstück der Flur 2 Gemarkung A-Stadt).

37

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

38

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

39

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 11. Mai 2011 – 2 A 1548/10 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um Grundsteuern.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücke E... Straße ...-... und N... Straße ..., ..., ..., ..., ... in A-Stadt. Der Grundsteuermessbetrag beträgt 5.401,28 Euro für das Grundstück E... Straße ...-... und 2.432,11 Euro für das Grundstück N... Straße ..., ..., ..., ..., .... Der Beklagte setzte für das Erhebungsjahr 2010 mit zwei Bescheiden gemäß § 164 AO vom 12. Januar 2010 für die vorgenannten Grundstücke unter Zugrundelegung eines Hebesatzes von 410 v.H. Grundsteuern in Höhe von 21.992,65 Euro und 9.971,65 Euro fest.

3

Die Stadtvertretung der Stadt Neubrandenburg beschloss am 28. Januar 2010, den Hebesatz für die Grundsteuer für die Grundstücke der Grundsteuer B von 410 v.H. auf 480 v.H. heraufzusetzen. Diese Festsetzung wurde Gegenstand der Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2010 (nachfolgend: Haushaltssatzung 2010), die am 3. Juni 2010 beschlossen und am 17. November 2010 im „Stadtanzeiger der Stadt Neubrandenburg“ Nummer 11 veröffentlicht wurde. Der Beklagte setzte daraufhin für die Grundstücke der Klägerin mit zwei Änderungsbescheiden vom 18. November 2010 (Aktenzeichen 7...3 und 7...2) für das Erhebungsjahr 2010 Grundsteuern in Höhe von 25.747,49 Euro und 11.674,13 Euro fest. Den Widerspruch der Klägerin gegen die Änderungsbescheide wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2010 zurück.

4

Am 29. Dezember 2010 hat die Klägerin gegen die Änderungsbescheide Klage zum Verwaltungsgericht erhoben. Zu deren Begründung hat sie vorgetragen, die Haushaltssatzung 2010 sei nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Die im Impressum des „Stadtanzeigers“ angegebene Bezugsmöglichkeit stimme nicht mit der Regelung in der Hauptsatzung überein. Neben der Verteilung eines Amtsblattes an die Haushalte müsse zudem eine weitere Bezugsmöglichkeit bestehen, die es den außerhalb der Stadt lebenden Betroffenen ermögliche, vom Satzungsrecht Kenntnis zu nehmen. Daran fehle es. Die Möglichkeit des Abonnements sehe weder die Hauptsatzung vor, noch werde darauf im Impressum hingewiesen. Im Impressum müssten aber sämtliche Bezugsmöglichkeiten aufgeführt sein.

5

Die Klägerin hat beantragt,

6

den Bescheid vom 18. November 2010 (Aktenzeichen 7...3) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2010 und den Bescheid vom 18. November 2010 (Aktenzeichen 7...2) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2010 aufzuheben.

7

Der Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Der Beklagte hat im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorgetragen, die Bekanntmachung der Haushaltssatzung sei wirksam erfolgt. Das amtliche Bekanntmachungsblatt der Stadt Neubrandenburg erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Bekanntmachungsorgan. Der Vertrieb des Bekanntmachungsblattes stelle die Kenntnisnahme der Öffentlichkeit sicher.

10

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 11. Mai 2011 – 2 A 1548/10 – die Bescheide vom 18. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2010 aufgehoben und die Kosten des Verfahrens dem Beklagten auferlegt.

11

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Haushaltssatzung 2010 sei mangels einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung nicht wirksam geworden, damit fehle es an der Bestimmung des Hebesatzes. Der „Stadtanzeiger“ Nummer 11 vom 17. November sei ausweislich der Angaben im Impressum nicht kostenlos an alle Haushalte verteilt worden, wie es die Hauptsatzung der Stadt Neubrandenburg vorsehe.

12

Das Urteil ist dem Beklagten am 16. Mai 2011 zugestellt worden.

13

Am 31. Mai 2011 hat der Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifwald vom 11. Mai 2011 – 2 A 1548/10 – zuzulassen. Am 12. Juli 2011 hat der Beklagte den Antrag begründet. Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 13. Mai 2014 zugelassen. Der Beschluss ist dem Beklagten am 16. Mai 2014 zugestellt worden. Am 28 Mai 2014 hat er die Berufung begründet.

14

Der Beklagte trägt vor, das Impressum des amtlichen Bekanntmachungsblatt sei kein Beleg dafür, dass der Stadtanzeiger nicht an alle Haushalte im Stadtgebiet verteilt worden sei. Dies sei im Gegenteil geschehen. Damit seien die Bestimmungen über öffentliche Bekanntmachungen in § 15 der Hauptsatzung der Stadt Neubrandenburg in der Fassung der 6. Satzung zur Änderung der Hauptsatzung der Stadt Neubrandenburg (nachfolgend: Hauptsatzung 2010) eingehalten worden. Im Übrigen seien sämtliche Voraussetzungen der Durchführungsverordnung zur Kommunalverfassung erfüllt. Eine Pflicht, alle Bezugsmöglichkeiten im Impressum anzugeben, bestehe nicht. Die Verordnung fordere auch nicht die ausdrückliche Angabe, dass das Bekanntmachungsblatt einzeln und im Abonnement zu beziehen sei.

15

Der Beklagte beantragt,

16

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 11. Mai 2011 – 2 A 1548/10 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

17

Die Klägerin beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Die Klägerin trägt vor, die Unwirksamkeit der Bekanntmachung der Haushaltssatzung 2010 folge schon daraus, dass die Angaben in § 15 Hauptsatzung 2010 nicht mit den Angaben über die Bezugsmöglichkeiten im amtlichen Bekanntmachungsblatt selbst übereinstimmten. Auf die tatsächlichen Bezugsmöglichkeiten komme es nicht an, da insbesondere Personen mit auswärtigem Wohnsitz für ihre Kenntnisse über den Bezug des Bekanntmachungsblattes auf eindeutige Angaben in der Hauptsatzung bzw. dem Blatt selbst angewiesen seien. Die fragliche Ausgabe des Stadtanzeigers gebe nicht die in der Durchführungsverordnung zur Kommunalverfassung zwingend vorgeschriebenen Bezugsmöglichkeiten an.

20

Zudem fehle auch eine wirksame Hauptsatzung und damit eine Bekanntmachungsvorschrift. Die Hauptsatzung sei ihrerseits nicht wirksam bekanntgemacht worden. Zwar folge die Bekanntmachung der ersten Hauptsatzung der eigenen Bekanntmachungsvorschrift. Die Hauptsatzung der Stadt Neubrandenburg vom 8. August 2002 enthalte jedoch eine unwirksame Bekanntmachungsregel, da sie entgegen § 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a KV-DVO in der bis zum 29. März 2008 gültigen Fassung nicht sämtliche Bezugsmöglichkeiten des amtlichen Bekanntmachungsblattes genannt habe und das Bekanntmachungsblatt dort nicht richtig bezeichnet sei. Dieser Bekanntmachungsmangel sei nicht geheilt worden. Auch die vorangegangene Hauptsatzung habe keine wirksame Bekanntmachungsvorschrift enthalten.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der zulässigen Anfechtungsklage der Klägerin im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Änderungsbescheide vom 18. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2010 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

23

Rechtsgrundlage der Steuerfestsetzung ist § 27 Abs. 1 Satz 1 GrStG. Danach wird die Grundsteuer für das Kalenderjahr festgesetzt. Gemäß § 25 Abs. 1 GrStG bestimmt die Gemeinde, mit welchem Hundertsatz des Steuermessbetrags oder des Zerlegungsanteils die Grundsteuer zu erheben ist (Hebesatz). An einer solchen Bestimmung des Hebesatzes fehlt es hier. Das führt zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide.

24

Die Unwirksamkeit der Bestimmung des Hebesatzes folgt allerdings noch nicht aus dem Umstand, dass die Haushaltssatzung 2010 erst am 17. November des Erhebungsjahres bekanntgemacht worden ist. Nach § 25 Abs. 2 GrStG ist der Hebesatz für ein oder mehrere Kalenderjahre, höchstens jedoch für den Hauptveranlagungszeitraum der Steuermessbeträge festzusetzen. Der Beschluss über die Festsetzung oder Änderung des Hebesatzes ist gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 GrStG bis zum 30. Juni eines Kalenderjahres mit Wirkung vom Beginn dieses Kalenderjahres zu fassen. Maßgeblich für die Rechtzeitigkeit der Bestimmung ist der Zeitpunkt der Beschlussfassung durch die zuständige Gemeindevertretung, auf den Zeitpunkt der Genehmigung oder der Bekanntmachung des Beschlusses kommt es dagegen nicht an (BVerwG, Beschl. v. 13.07.1979 – 7 B 143.79 –, juris; FG Cottbus, Urt. v. 14.01.2009 – 3 K 2287/04 B –, juris). Der Gegenauffassung (OVG Magdeburg, Beschl. v. 04.02.1996 – 2 M 65/95 –, juris), wonach der Zeitpunkt der Bekanntgabe der Haushaltssatzung maßgeblich sei, folgt der Senat nicht. Zwar trifft es zu, dass die Haushaltssatzung, deren Bestandteil die Festsetzung des Hebesatzes zwingend ist (§ 45 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KV M-V), ihre Wirksamkeit erst mit der Bekanntmachung erfährt. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes soll es jedoch nicht auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit des Beschlusses, sondern auf den Zeitpunkt des Beschlusses selbst ankommen, um zu bestimmen, ob die Grundsteuerpflichtigen im Kalenderjahr noch mit einer Erhöhung der Grundsteuer rechnen mussten. Es kann schließlich dahinstehen, ob es für § 25 Abs. 3 Satz 1 GrStG auf den Zeitpunkt der Einzelbeschlussfassung über den Hebesatz oder auf den Zeitpunkt des Beschlusses über die Haushaltssatzung ankommt, da auch die Haushaltssatzung 2010 insgesamt vor dem 30. Juni 2010 beschlossen worden ist.

25

Die Bestimmung des Hebesatzes für die Grundstücke der Grundsteuer B auf 480 v.H. ist jedoch deshalb bislang nicht wirksam geworden, weil die Haushaltssatzung 2010 noch nicht wirksam bekanntgemacht worden ist. Gemäß § 47 Abs. 3 Satz 1 KV M-V ist eine Haushaltssatzung öffentlich bekanntzumachen. In welcher Form die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen zu erfolgen hat, wird durch eine Rechtsverordnung nach § 174 Abs. 1 Nr. 2 KV M-V geregelt. Im Übrigen bestimmt die Gemeinde Form, Fristen und Verfahren der öffentlichen Bekanntmachung in der Hauptsatzung (§ 5 Abs. 4 Satz 2 und 3 KV M-V). Das Satzungsrecht des Beklagten wies zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der Haushaltssatzung 2010 am 17. November 2010 keine wirksame Bekanntmachungsregel auf. Die Bekanntmachungsvorschrift in § 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 der Hauptsatzung der Stadt A-Stadt vom 8. August 2002 in der Fassung der 6. Satzung zur Änderung der Hauptsatzung der Stadt Neubrandenburg vom 3. Juni 2010 (nachfolgend: Hauptsatzung 2010) war unwirksam.

26

Allerdings ist der Klägerin nicht zu folgen, soweit sie der Auffassung ist, die Hauptsatzung der Stadt Neubrandenburg vom 8. August 2002 (nachfolgend: Hauptsatzung 2002) sei ihrerseits nicht wirksam bekanntgemacht worden und deshalb insgesamt unwirksam. Die Bekanntmachung der Hauptsatzung 2002 erfolgte auf der Grundlage von § 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 der Hauptsatzung der Stadt Neubrandenburg vom 24. Mai 1995 (nachfolgend: Hauptsatzung 1995). Diese Vorschriften lauten:

27

Satzungen (§ 5 KV M-V) und sonstige Beschlüsse der Stadtvertretung werden im Stadtanzeiger der Stadt Neubrandenburg öffentlich bekanntgemacht. Der Stadtanzeiger der Stadt Neubrandenburg erscheint 14-tägig und wird an die Haushalte kostenlos verteilt. Kostenlose Exemplare des Stadtanzeigers liegen im Hauptgebäude der Stadtverwaltung aus. Gegen Erstattung der Portokosten kann der Stadtanzeiger direkt von der Stadt Neubrandenburg, Friedrich-Engels-Ring 53, 17033 Neubrandenburg, bezogen werden.

28

Diese Regelungen stehen mit § 4 Satz 1, Satz 2 Nr. 1, Nr. 2 Buchst. a der Durchführungsverordnung zur Kommunalverfassung vom 26. Januar 1995 (GVOBl. S. 87, nachfolgend: KV-DVO 1995) in Übereinstimmung. Danach regeln die Gemeinden die Einzelheiten der öffentlichen Bekanntmachung von Satzungen in der Hauptsatzung, die mindestens die Festlegung der Bekanntmachungsform und im Fall der Bekanntmachung durch ein amtliches Bekanntmachungsblatt die namentliche Bezeichnung des periodisch erscheinenden Druckwerks sowie die Angabe der Erscheinungsweise und die Bezugsmöglichkeiten enthalten musste. Die Bestimmung, wonach das Bekanntmachungsblatt gegen Erstattung der Portokosten direkt von der Stadt Neubrandenburg bezogen werden kann, stellt eine hinreichend bestimmte Angabe der Bezugsmöglichkeiten dar.

29

Der Zweck der öffentlichen Bekanntmachung erschöpft sich nicht in der wichtigen Aufgabe der inhaltlichen Kenntnisgabe der in der Satzung getroffenen Regelung, sie dient vielmehr auch der Rechtssicherheit und ist Geltungsbedingung einer Rechtsnorm. Die öffentliche Bekanntmachung informiert über den Erlass der Norm, macht den authentischen Text allgemein zugänglich und gewährleistet gleichzeitig eine einwandfreie Dokumentierung des Norminhaltes. Damit garantiert sie die zweifelsfreie und bindende Wiedergabe des Regelungsinhaltes einer Satzung und sichert so ab, dass sich jedermann aus allgemein zugänglichen Quellen über den Text der für ihn verbindlichen Regelung informieren kann. Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt vor diesem Hintergrund, dass die Bestimmungen in der gemeindlichen Hauptsatzung über die Veröffentlichung von Satzungen hinreichend klar sein müssen. Sie müssen dem Bürger die Möglichkeit geben, sich ohne Schwierigkeiten darüber zu informieren, wie Satzungen in der Gemeinde veröffentlicht werden. Inhaltlich müssen die Bestimmungen der Bekanntmachungsregelung so gefasst sein, dass sie gewährleisten, dem Kreis der von der Satzungsregelung unmittelbar Betroffenen schnellstens zuverlässig, ohne größeren Zeitaufwand und dauernd Kenntnis von dem Ortsrecht zu vermitteln (OVG Greifswald, Beschl. v. 26.08.2005 – 1 M 84/05 –, juris Rn. 13 f. m.w.N.).

30

Nach diesen Maßstäben hält der Senat die Bestimmung in § 15 Abs. 2 Satz 3 Hauptsatzung 1995 für noch hinreichend bestimmt. In materieller Hinsicht regelt § 6 Abs. 1 Nr. 5 KV-DVO 1995 die erforderlichen Bezugsmöglichkeiten und schreibt dazu vor, dass das amtliche Bekanntmachungsblatt einzeln und im Abonnement zu beziehen sein muss. Aus den Festsetzungen in der Hauptsatzung 1995, wonach die Bekanntmachungen der Stadt Neubrandenburg in einem regelmäßig erscheinenden amtlichen Bekanntmachungsblatt erfolgen, das gegen Erstattung der Portokosten bezogen werden kann, konnten die potentiellen Normbetroffenen ohne Schwierigkeiten entnehmen, dass sie das Bekanntmachungsblatt einzeln oder im Abonnement beziehen konnten. Dabei handelt es sich um die üblichen entgeltlichen Bezugsmöglichkeiten eines Periodikums. Die Formulierung gibt weder zu der Annahme Anlass, dass ein Bezug von einzelnen Ausgaben ausgeschlossen sei, noch lässt sie für den objektiven Betrachter erkennen, dass das Bekanntmachungsblatt nicht fortlaufend im Abonnement bezogen werden könnte.

31

Soweit § 15 Abs. 1 Satz 1 Hauptsatzung 1995 das amtliche Bekanntmachungsblatt als „Stadtanzeiger der Stadt Neubrandenburg“ namentlich bezeichnet, ist damit gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO 1995 in genügender Weise auf dessen amtlichen Charakter und den Träger der öffentlichen Verwaltung, der er herausgibt, hingewiesen. Die Bezeichnung des Bekanntmachungsblattes als „Stadtanzeiger der Stadt Neubrandenburg“ verweist auf seine Herausgeberin und lässt damit und durch die Verwendung des Begriffs des „Stadtanzeigers“, der auf die Funktion der Publikation als Organ einer Körperschaft verweist, dessen amtlichen Charakter hinreichend erkennen.

32

Die Bekanntmachungsvorschriften des § 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Hauptsatzung 2010 (ursprünglich § 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 der Hauptsatzung der Stadt Neubrandenburg vom 8. August 2002), auf deren Grundlage die Haushaltssatzung 2010 bekanntgemacht worden ist, verstoßen jedoch gegen höherrangiges Recht und sind deshalb unwirksam. Die Vorschriften lauten wie folgt:

33

Öffentliche Bekanntmachungen der Stadt erfolgen im Stadtanzeiger der Stadt A-Stadt. Der Stadtanzeiger der Stadt Neubrandenburg erscheint einmal monatlich, bei Bedarf jedoch öfter und wird an die Haushalte kostenlos verteilt. Zusätzliche Ausgaben des Stadtanzeigers werden sonnabends in der Tageszeitung „Nordkurier“ (Bezugsadresse: Kurierverlag GmbH & Co. KG, Flurstraße 2, 17034 Neubrandenburg) angekündigt.

34

Diese Bekanntmachungsvorschriften stehen mit § 4 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung zur Kommunalverfassung vom 23. April 1999 (GVOBl. S. 295; nachfolgend: KV-DVO 1999) nicht in Übereinstimmung. Nach diesen Vorschriften regeln die Gemeinden die Einzelheiten der öffentlichen Bekanntmachung von Satzungen in der Hauptsatzung. Die Hauptsatzung muss hierzu mindestens die Festlegung der zulässigen Bekanntmachungsform und im Fall der Bekanntmachung durch ein amtliches Bekanntmachungsblatt die namentliche Bezeichnung des periodisch erscheinenden Druckwerks sowie die Angabe der Erscheinungsweise und die Bezugsmöglichkeiten enthalten. Die Hauptsatzung 2010 enthält hingegen keine hinreichende Angabe der Bezugsmöglichkeiten des amtlichen Bekanntmachungsblatts. Sie verweist in § 15 Abs. 2 Satz 1 lediglich darauf, dass der Stadtanzeiger kostenlos an die Haushalte verteilt wird. Das genügt der Vorgabe durch den Verordnungsgeber auch dann nicht, wenn man die Verteilung des Bekanntmachungsblattes als eine Form des Bezugs ansehen wollte.

35

Der Verweis des Beklagten auf § 6 Abs. 1 Nr. 4 und 5 KV-DVO 1999 führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Nach diesen Vorschriften muss das amtliche Bekanntmachungsblatt die Bezugsmöglichkeiten angeben und einzeln und im Abonnement zu beziehen sein. Damit sind indes keine Anforderungen an den Inhalt der Hauptsatzung, sondern solche an den Inhalt und den Bezug des Bekanntmachungsblattes aufgestellt. Die Angabe der Bezugsmöglichkeiten im Bekanntmachungsblatt selbst und die gesetzlichen Mindestanforderungen an die zu gewährenden Bezugsmöglichkeiten suspendieren nicht von der gesetzlichen Anordnung in § 4 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a KV-DVO 1999, diese Möglichkeiten auch in der Hauptsatzung anzugeben. Aus § 6 Abs. 1 Nr. 5 KV-DVO 1999 ergibt sich vielmehr, dass zu den Bezugsmöglichkeiten mindestens der Einzelbezug und der Bezug im Abonnement gehören. (Auch) auf diese musste in der Hauptsatzung hingewiesen werden, dazu war jedenfalls – wie in § 15 Abs. 2 Satz 3 Hauptsatzung 1995 – ein Hinweis auf eine Bezugsadresse für den Versand des Bekanntmachungsblattes erforderlich.

36

Dabei handelt es sich nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift mit der Folge, dass ein Verstoß für die Wirksamkeit der Vorschrift unschädlich wäre. Das Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass förmlich gesetzte Rechtsnormen verkündet werden; denn die Verkündung stellt einen integrierenden Teil der förmlichen Rechtsetzung dar, ist also Geltungsbedingung. Verkündung bedeutet regelmäßig, dass die Rechtsnormen der Öffentlichkeit in einer Weise förmlich zugänglich gemacht werden, dass die Betroffenen sich verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen. Diese Möglichkeit darf auch nicht in unzumutbarer Weise erschwert sein. Es obliegt dem zuständigen Normgeber, das Verkündungsverfahren so auszugestalten, dass es seine rechtsstaatliche Funktion erfüllt, der Öffentlichkeit die verlässliche Kenntnisnahme vom geltenden Recht zu ermöglichen (BVerfG, Urt. v. 22.11.1983 – 2 BvL 25/81 –, BVerfGE 65, 283). Dieser Verpflichtung ist der Verordnungsgeber mit dem Erlass auch von § 4 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a KV-DVO 1999 nachgekommen. Das kommunale Bekanntmachungsrecht muss dieser Anordnung folgen.

37

Die Regelungen in § 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Hauptsatzung 2010 sind zuletzt auch nicht dadurch wirksam geworden, dass seit dem Inkrafttreten von § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 der Durchführungsverordnung zur Kommunalverfassung vom 4. März 2008 (GVOBl. S. 85; nachfolgend KV-DVO 2008) am 29. März 2008 die Angabe der Bezugsmöglichkeiten des amtlichen Bekanntmachungsblattes in der Hauptsatzung nicht mehr vorgeschrieben ist. Rechtsnormen, die unter Verletzung zwingenden höherrangigen Rechts, das in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgeblichen Zeitpunkt zu beachten war, zustande gekommen sind, sind im Grundsatz von Anfang an (ex tunc) und ohne Weiteres (ipso iure) unwirksam. Sie bleiben es auch bis zur Behebung des Mangels durch den Satzungsgeber, soweit sich nicht aufgrund gesetzlicher Sonderregelungen etwas anderes ergibt. Das gilt selbst dann, wenn die Normen nach einer Änderung des höherrangigen Rechts mit gleichem Inhalt und gleicher Begründung erneut erlassen werden könnten. Spätester in Betracht kommender Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist der Zeitpunkt der Inkraftsetzung der Rechtsnorm (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.03.2014 – 4 CN 3/13 –, juris Rn. 27, 33 m.w.N.; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage, § 47, Rn. 90; Krappel, NVwZ 2014, 1027 f.).

38

Wegen der Unwirksamkeit von § 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Hauptsatzung 2010 konnte die Haushaltssatzung 2010 mangels einer wirksamen Bekanntmachungsvorschrift im kommunalen Satzungsrecht des Beklagten einschließlich der beschlossenen Festsetzung des Hebesatzes für die Grundsteuer für die Grundstücke der Grundsteuer B nicht wirksam bekanntgemacht werden, so dass es an einer Rechtsgrundlage für die angefochtenen Änderungsbescheide fehlt. Die Bekanntgabe einer Satzung ist nicht nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn sie entgegen einer Bekanntmachungsvorschrift erfolgt, sondern auch dann, wenn es an einer solchen Vorschrift fehlt. Verkündungsfehler führen als wesentliche Verfahrensfehler regelmäßig zum Nichtwirksamwerden der Norm (Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, 5. Auflage, Rn. 754). Rechtsnormen, die in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen sind, sind, soweit nicht aufgrund gesetzlicher Sonderregelung anderes gilt, grundsätzlich nichtig (BVerwG, Beschl. v. 07.03.2002 – 4 BN 60/01 –, juris Rn. 22). Eine gesetzliche Heilungsvorschrift oder Anordnung der Unbeachtlichkeit von Bekanntmachungsfehlern besteht hier nicht. Die Klägerin konnte den Verstoß gegen Bekanntmachungsvorschriften auch noch im Berufungsverfahren geltend machen. Eine Verletzung von Bekanntmachungsvorschriften kann gemäß § 5 Abs. 5 Satz 3 KV M-V stets geltend gemacht werden. Ein Rückgriff auf die Bekanntmachungsregelungen in § 15 Hauptsatzung 1995 schließlich muss ausscheiden, weil die Hauptsatzung 1995 durch § 20 Abs. 2 Hauptsatzung 2002 insgesamt und wirksam aufgehoben worden ist.

39

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

40

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 Satz 1 ZPO.

41

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die sonstigen Wirkungen der Rechtshängigkeit bleiben unberührt. Diese Wirkungen sowie alle Wirkungen, die durch die Vorschriften des bürgerlichen Rechts an die Anstellung, Mitteilung oder gerichtliche Anmeldung der Klage, an die Ladung oder Einlassung des Beklagten geknüpft werden, treten unbeschadet der Vorschrift des § 167 mit der Erhebung der Klage ein.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

Durch Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 11. Juni 2015 wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahrens wird auf 2.491,22 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Durch Bescheide vom 26. Oktober 2012 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin für das Wirtschaftsjahr 2012 für den Hotelbetrieb der Klägerin Fremdenverkehrsabgaben in Höhe von 951,08 € und 1.540,14 €, d. h. zusammen einen Betrag von 2.491,22 € fest.

2

Die Widersprüche der Klägerin wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheide vom 13. Februar 2013 zurück. Die Klägerin hat Klage erhoben.

3

Durch Urteil vom 11. Juni 2015 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die Klage sei zulässig und begründet. Die Satzung der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf über die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe vom 29. März 2012 – Fremdenverkehrsabgabesatzung (FVAS) – sei unwirksam. Sie enthalte in § 5 Abs. 3 eine unwirksame Fälligkeitsregelung („Fälligkeit mit Anspruchsentstehung“) und weise damit nicht den nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V erforderlichen Mindestinhalt auf. Dies führe zur Gesamtnichtigkeit der Satzung. Die Erste Änderungssatzung ordne – in nicht zu beanstandender Weise – in Art. 1 die Rückwirkung der Stammsatzung und in Art. 2 die Rückwirkung der Änderungssatzung jeweils auf den 1. Januar 2012 an. Da die Erste Änderungssatzung aber keine Änderung der Fälligkeitsregelung enthalte, verbleibe es bei der Unwirksamkeit der FVAS vom 29. März 2012. Dies gelte in gleicher Weise für die Zweite Änderungssatzung vom 25. April 2013. Eine geänderte Fälligkeitsregelung werde erst durch die Dritte Änderungssatzung vom 30. Januar 2014 ohne Rückwirkung in die Stammsatzung eingefügt. Zwar genüge die geänderte Fälligkeitsregelung den Anforderungen. In Bezug auf die Bestimmung in § 5 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz („soweit im Bescheid ausdrücklich kein späterer Fälligkeitstermin bestimmt ist“) liege allenfalls ein Fall der Teilnichtigkeit vor. Es sei zu berücksichtigen, dass die Fremdenverkehrsabgabe gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 FVAS als Jahresabgabe erhoben werde und die Abgabenschuld gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 FVAS Satzung mit Beginn eines jeden Kalenderjahres entstehe, in dem die Abgabepflicht bestehe. Die damit normierte antizipierte Abgabenerhebung sei zulässig. Sie erfordere aber, dass die Rechtsgrundlage der Abgabenerhebung bereits am 1. Januar des betreffenden Wirtschaftsjahres gelte. Wie bereits erwähnt, weise die Dritte Änderungssatzung die dann erforderliche Rückwirkungsanordnung nicht auf. Folglich könne frühestens am Tag nach Bekanntgabe der Dritten Änderungssatzung am 19. Februar 2014 eine Fehlerheilung der Fälligkeitsregelung erfolgt sein. Dies erlaube keine Abgabenerhebung für das Wirtschaftsjahr 2012. Die Vierte Satzung zur Änderung der Satzung der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf über die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe vom 29. März 2014 vom 27. November 2014 führe nicht dazu, dass die FVAS rückwirkend zum 1. Januar 2012 in Kraft getreten sei. Zwar weise Art. II der Vierten Änderungssatzung eine ordnungsgemäße Fälligkeitsregelung auf. Auch enthalte Art. III der Vierten Änderungssatzung eine Rückwirkungsanordnung bezogen auf den 1. Januar 2012. Allerdings gehe die Rückwirkungsanordnung ins Leere, denn sie beziehe sich nicht auf die Vierte Änderungssatzung, sondern auf die zu ändernden Stammsatzung vom 29. März 2012. Die FVAS sei zudem auch deshalb unwirksam, weil die in § 4 Abs. 4 FVAS normierten Abgabensätze auf einer fehlerhaften Kalkulation beruhten.

4

Das Urteil ist der Beklagten am 22. Juni 2015 zugestellt worden. Mit seinem am 8. Juli 2015 eingelegten und am 10. August 2015 begründeten Antrag auf Zulassung der Berufung trägt der Beklagte vor:

5

Es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Die FVAS sei bereits in ihrer Ursprungsfassung rechtmäßig gewesen. Nach § 5 Abs. 3 FVAS werde die Abgabenschuld mit ihrer Entstehung fällig und durch Bescheid der Kurverwaltung erhoben. Dagegen sei nichts zu erinnern. Dies verstoße – entgegen der Annahme des VG – nicht gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V, wonach eine Satzung den Zeitpunkt der Abgabenentstehung und der Abgabenfälligkeit angeben müsse. Dem VG sei auf Seite 5 seines Urteils (2. und 3. Absatz) ein Fehler unterlaufen: Zum einen beziehe sich „§ 10 Inkrafttreten“ der FVAS in der Vierten Änderungsfassung denkt notwendigerweise auf das Inkrafttreten der gesamten FVAS vom 29. März 2012; nichts anderes könne gemeint sein. Zum anderen: Wenn die Vierte Änderungssatzung in ihrer Präambel die FVAS vom 29. März 2012 in Bezug nehme und sodann feststelle, „diese Satzung“ und nicht etwa nur „dieser § 10 der Satzung“ trete rückwirkend in Kraft, so könne damit nur die FVAS in toto gemeint gewesen sein. Damit aber sei – entgegen der Schlussfolgerung des VG – rückwirkend eine Ermächtigungsgrundlage vorhanden. Endlich sei anzumerken, dass es um die Erhebung von Abgaben gehe und im Zeitpunkt der Entscheidung des VG auch nach seiner Ansicht eine nicht zu beanstandende Fälligkeitsregelung und damit Ermächtigungsgrundlage vorhanden sei. Es entspreche der ständigen Rechtsprechung des BVerwG, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen. Ernsthaft zweifelhaft sei schließlich, ob die Aussage des VG zutreffend sei, der nach § 1 Abs. 2 FVAS zulässige Deckungsgrad werde deutlich überschritten, d. h. es liege ein Kalkulationsfehler vor. Das VG verkenne, dass der Satzungsgeber seinen Fehler in der Zweiten Änderungssatzung korrigiert habe.

6

Die Sache habe auch grundsätzliche Bedeutung. Es liege im allgemeinen Interesse, geklärt zu wissen, dass ein rückwirkendes Inkrafttreten einer Satzung auch dann gegeben sei, wenn der Satzungsgeber in seiner Präambel der Änderungssatzung auf die – zu ändernde – Satzung Bezug nehme und deren rückwirkendes Inkrafttreten bestimme.

7

Zudem weiche die angefochtene Entscheidung von der Entscheidung des OVG M-V Greifswald vom 21. Mai 2014 – 1 L91/09 – ab und von der Rechtsprechung des BVerwG im Bereich der Abgabenerhebung, unter anderem BVerwG in NJW 1984 S. 648, BVerwGE 50 S. 2, DVBl 1982 S. 544 ff., BVerwGE 64, 356 ff. und NVwZ 1991 S. 360 f. Allen Entscheidungen des BVerwG sei Folgendes gemeinsam: Maßgeblich für die Entscheidung eines Gerichts seien die Rechtsvorschriften, die sich im Zeitpunkt der Entscheidung für die Beurteilung des Klagebegehrens Geltung beimessen würden; und zwar gleichgültig ob es sich um eine Feststellungs-, eine Leistungs-, eine Anfechtungs- oder eine Verpflichtungsklage handle. Anders ausgedrückt: Es komme danach auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an.

8

Die Klägerin tritt dem Vorbringen entgegen.

II.

9

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber in der Sache unbegründet. Ein Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor.

10

1. Der Senat sieht keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung auf zwei selbstständig tragende rechtliche Gesichtspunkte gestützt. Dies ist zum einen der rechtliche Gesichtspunkt, dass die streitige Satzung in ihrer Ausgangsfassung vom 29. März 2012 nicht den nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V erforderlichen Mindestinhalt enthalten hat. In der Stammsatzung sei keine wirksame Regelung über die Fälligkeit der Abgabe enthalten gewesen und eine geänderte Fälligkeitsregelung sei nicht rückwirkend auf den 1. Januar des Wirtschaftsjahres 2012 in Kraft gesetzt worden, wie dies bei einer antizipierten Gebührenerhebung erforderlich gewesen wäre. Zum anderen hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung noch zusätzlich darauf gestützt, dass die FVAS auch deshalb nichtig sei, weil die Abgabensätze auf einer fehlerhaften Kalkulation beruhten.

11

Das Zulassungsvorbringen hat den das Urteil tragenden rechtlichen Gesichtspunkt, dass die Regelung der FVAS in der Ausgangsfassung (Stammsatzung) vom 29. März 2012 über die Fälligkeit der Abgabe unwirksam ist und dass keine rückwirkende Änderung der Stammsatzung auf den 1. Januar 2012 durch die Dritte und/oder Vierte Änderungssatzung erfolgt ist, nicht ernsthaft in Zweifel ziehen können.

12

Das Zulassungsvorbringen setzt sich nicht mit der vom Verwaltungsgericht zitierten eigenen Entscheidung auseinander, eine Satzungsregelung, nach der eine Fremdenverkehrsabgabe zum Jahresbeginn entsteht und mit der Entstehung fällig wird, beschneidet angesichts der Verwirkung von Säumniszuschlägen mit der Abgabenfestsetzung die Rechtsschutzmöglichkeiten des Abgabenschuldners in unzumutbarer Weise und ist unwirksam (VG Greifswald, Urt. vom 22. November 2013 - 3 A 885/12 –, juris Leitsatz 2 und Rn. 23). Diese Aussage ist zutreffend und entspricht auch der Rechtsprechung des Senates (vgl. z. B. den gegenüber dem Beklagten ergangenen Beschluss des Senates vom 5. Februar 2018 – 1 L106/14 –). Ist die Fälligkeit sofort mit dem Wirksamwerden des Bescheides eingetreten, tritt die Rechtsfolge der Säumniszuschläge unmittelbar ein. Es wäre Aufgabe des Ortsgesetzgebers gewesen, eine angemessene Zahlungsfrist vorzusehen, wie das in der Dritten Änderungssatzung mit der dort niedergelegten Monatsfrist geschehen ist. Damit hat das Zulassungsvorbringen keine ernstlichen Zweifel daran wecken können, dass die Ausgangssatzung wegen einer fehlerhaften Regelung über die Fälligkeit insgesamt unwirksam gewesen ist.

13

Der Zulassungsvortrag geht im Kern dahin, dass durch die Vierte Änderungssatzung die Fälligkeitsregelung, die diese Änderungssatzung enthält, rückwirkend zum 1. Januar 2012 in Kraft getreten sei. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Vielmehr schließt sich der Senat der Auffassung des Verwaltungsgerichtes an, dass zwar die Änderungsbefehle der Vierten (wie auch der Dritten) Änderungssatzung rechtlich nicht zu beanstanden sind. Es fehlt auch der Vierten Änderungssatzung aber eine Geltungszeitregelung, hier für ihr (rückwirkendes) Inkrafttreten.

14

Jede Gesetzesänderung unterliegt – wegen des Grundsatzes der Bestimmtheit und der Normklarheit – strengen formellen Anforderungen. Dies gilt in erhöhtem Maße, wenn – wie hier – ein Änderungsgesetz rückwirkend in Kraft gesetzt werden soll. Zu dem erforderlichen Inhalt eines Änderungsgesetzes wird auf das Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl., 2008, Seite 146 ff., verwiesen.

15

Bei der Vierten Änderungssatzung handelt es sich um eine Einzelnovelle, d. h. eine Novelle, die ein einziges Stammgesetz ändern will (vgl. Handbuch der Rechtsförmlichkeit, a. a. O., Rn. 516 ff.). Die Einzelnovelle verwendet eine besondere Änderungstechnik, die das Stammgesetz in seiner Substanz unangetastet lässt. Die Überschrift der Vierten Änderungssatzung wird dem insoweit gerecht, als dort die Überschrift lautet: „Vierte Satzung zur Änderung der Satzung der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf über die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe vom 29.03.2012“. Da eine Einzelnovelle ein eigenständiges Gesetz ist, muss sie eine Eingangsformel haben (vgl. Handbuch der Rechtsförmlichkeit, a. a. O., Rn. 535). Dieses Erfordernis ist hier gleichfalls eingehalten. In der bundesrechtlichen Gesetzgebung wird eine Einzelnovelle in Artikel gegliedert. Art. 1 enthält die Änderungsbefehle bezüglich des zu ändernden Stammgesetzes. Mehrere Änderungsbefehle werden mit arabischen Ziffern aneinandergereiht, und zwar entsprechend der Systematik des Stammgesetzes. Art. 2 enthält eine Geltungszeitregelung (vgl. Handbuch der Rechtsförmlichkeit, a. a. O., Seite 146). Als rechtlich unschädlich sieht der Senat an, dass die Vierte Änderungssatzung lediglich eine Untergliederung in Art. I bis Art. III aufweist. Damit hat der Satzungsgeber aber zugleich zum Ausdruck gebracht, dass er alle drei Artikel auf der gleichen Stufe ansiedelt. Dies ist hier, worauf das VG zutreffend hingewiesen hat, die Änderung der Stammsatzung vom 29. März 2012.

16

Der Senat folgt dem VG allerdings nicht bei seiner Einschätzung, dass der Art. III letztlich ins Leere läuft. Er lautet:

17

„Art. III
§ 10
Inkrafttreten
§ 10 der Satzung enthält erhält folgende Fassung:
Diese Satzung tritt rückwirkend am 01.01.2012 in Kraft.“

18

Diese Regelung ist auch als Änderung der Stammsatzung nicht inhaltsleer. Durch den geänderten § 10 stellt sie erstmalig klar, dass die Stammsatzung zum 1. Januar 2012 Kraft treten soll. Dies hat nicht etwa bereits Art. I der Ersten Änderungssatzung bewirkt. Auch wenn die Erste Änderungssatzung die Stammsatzung im Hinblick auf die Inkrafttretensregelung hat ändern wollen, ist diese Änderung aber gescheitert. Die Stammsatzung enthält – anders als in der Ersten Änderungssatzung angegeben – keinen § 12, sondern endet mit § 10, der das Inkrafttreten regelt. Daher hat es der Satzungsgeber zu Recht für notwendig angesehen, diesen in der Ersten Änderungssatzung enthaltene Fehler, nämlich die unzutreffende Bezeichnung der Paragrafen des Inkrafttretens, durch die Vierte Änderungssatzung zu berichtigen.

19

Zugleich zeigt aber die Erste Änderungssatzung, dass es dem Beklagten durchaus bekannt ist, dass er in einem weiteren Artikel eine Geltungszeitregelung, hier für das Inkrafttreten, normieren muss. So enthält Art. 2 der Ersten Änderungssatzung auch eine Rückwirkungsklausel für die Änderungssatzung auf den 1. Januar 2012.

20

Eine solche Geltungszeitregelung ist in der Vierten Änderungssatzung nicht enthalten. Damit ist die Vierte Änderungssatzung durch ihre Bekanntmachung in Kraft getreten, d. h. sie hat Außenwirksamkeit bzw. Rechtsgeltung erlangt. Das bedeutet, dass die einzelnen drei Änderungsbefehle durch die Bekanntmachung wirksam geworden sind, sich im Stammrecht vollziehen und damit zugleich gegenstandslos werden. Der Text des Stammgesetzes erhält von diesem Zeitpunkt an seine neue geänderte Fassung (Handbuch der Rechtsförmlichkeit, a. a. O., Rn. 710).

21

Das Beschwerdevorbringen geht fehl, dass es bei einer Gesetzesänderung stets auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt. Zutreffend ist vielmehr, dass sich die Frage nach dem entscheidungserheblichen Zeitpunkt nach dem einschlägigen Fachrecht richtet. Dies legt auch das in der Zulassungsbegründung genannte Urt. des BVerwG vom 27. April 1990 (- 8 C 87.88 -, NVwZ 1991 S. 360 f., betr. eine Vorausleistung auf den Entwässerungsbeitrag) dar (vgl. Leitsatz und juris Rn. 12). Ob für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung oder die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts maßgebend ist, beantwortet nicht § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, d. h. nicht das Verwaltungsprozessrecht, sondern das jeweils einschlägige materielle Recht (BVerwG, a.a.O., m. w. N.).

22

Im Erschließungsbeitragsrecht und im Kommunalabgabenrecht des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist nach den einzelnen Abgaben zu unterscheiden. Während im bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht und im Anschlussbeitragsrecht nach § 9 KAG M-V eine wirksame Satzung dem Eintritt der Vorteilslage nachfolgen kann und dadurch ein zuvor ergangener (rechtswidriger) Abgabenbescheid nicht mehr der Aufhebung unterliegt (Institut der Aufrechterhaltung), stellt sich die Sachlage im Straßenbaubeitragsrecht (§ 8 KAG M-V) und im Gebührenrecht (§§ 4 und 6 KAG M-V) anders dar. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates muss im Bereich des Straßenbaubeitragsrechts eine wirksame Abgabensatzung, notfalls rückwirkend, auf den Zeitpunkt des Eintritts der Vorteilslage erlassen werden (so ständige Rspr. des Senates seit OVG M-V Greifswald, Beschl. vom 29. Juli 1997 – 6 M 93/97 –, DVBl 1998 S. 56 ff. = NordÖR 1998 S. 267 f.). Gleiches gilt bei einer Gebührenerhebung. Auch hier muss eine wirksame Satzung im Zeitraum der Verwirklichung des Gebührentatbestandes bestehen; zu diesem Zeitpunkt fließen dem Schuldner die durch die Gebühr abzugeltenden konkreten Vorteile zu. Dies räumt der Beklagte indirekt auch dadurch ein, dass durch Art. III der Vierten Änderungssatzung die FVAS 2012 auf den 1. Januar des Wirtschaftsjahres 2012 hat in Kraft setzen wollen. Alles in allem hat das VG zu Recht die Erhebung einer antizipierten Jahresgebühr für zulässig erachtet, aber ausschließlich unter der Voraussetzung, dass der Ortsgesetzgeber speziell bei der Erhebung einer antizipierten Jahresgebühr – ggf. rückwirkend auf den 1. Januar des jeweiligen Erhebungsjahres – wirksames Ortsrecht schafft.

23

Die vonseiten des Beklagten zitierten Entscheidungen des BVerwG geben nichts Gegenteiliges her - siehe unten unter Ziffer 3.

24

Auf die Frage, ob noch aus einem weiteren Grund die Abgabenerhebung rechtswidrig ist, kommt es für den Senat nicht an. Daher bedarf es keiner weiteren Erörterung der Frage des gemeindlichen Eigenanteils.

25

2. Mit seinem Zulassungsvorbringen zeigt der Beklagte zum einen keine Rechtsfrage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), die sich im vorliegenden Fall streitgegenständlich stellte. Zum anderen ist hier vorrangig eine Auslegung des konkreten Einzelfalles vorzunehmen, und zwar unter dem Blickwinkel, ob – mit einem dem Grundsatz der Normenklarheit genügenden Maß – der Ortsgesetzgeber ein rückwirkendes Inkrafttreten seines Ortsrechtes tatsächlich beschlossen hat. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, und, wie oben ausgeführt, auf die Grundsätze der Rechtsförmlichkeit abzustellen. Ob es eventuell die gesetzgeberische Intention gewesen ist, eine rückwirkende Änderung des Ortsrechtes vorzunehmen, ist demgegenüber rechtlich irrelevant. Da im vorliegenden Fall letztlich (nur) eine Auslegung des Einzelfalles geboten ist, kommt der Sache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu. Zudem ergibt die Auslegung des Senates, dass die bereits oben dargestellten Grundsätze der Rechtsförmlichkeit, die für Änderungssatzungen gelten, das vom VG gefundene Ergebnis tragen.

26

3. Die von der Beklagtenseite vorgetragene Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zu dem Urteil des Senates vom 21. Mai 2014 – 1 L 91/09 – liegt nicht vor. Im dortigen Sachverhalt stellte sich die Sachlage so dar, dass die dortige Jahresmindestgebühr erst nach Ablauf des Erhebungszeitraumes (Kalenderjahr) entstand. Damit verliert eine Regelung über die Fälligkeit der Jahresmindestgebühr bezogen auf das Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung an Bedeutung. Zudem kann die Fälligkeit einer Gebühr nicht vor ihrer Entstehung eintreten, d. h. erst am Ende des Kalenderjahres, mithin nach der Leistungserbringung durch den Aufgabenträger. Dies mag den Senat seinerzeit bewogen haben, weniger strenge Anforderungen an das Bestehen einer Fälligkeitsregelung aufzustellen. Der damalige Fall ist in keiner Weise mit dem hier vorliegenden Sachverhalt vergleichbar. § 5 Abs. 3 in der Fassung der Stammsatzung sah genau Gegenteiliges, nämlich ein auf den 1. Januar antizipierte Gebühr vor: „Die Abgabenschuld wird mit ihrer Entstehung fällig und durch Bescheid der Kurverwaltung der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf erhoben“. Die oben genannte Entscheidung des OVG M-V Greifswald ist somit nicht verallgemeinerungsfähig, da sie eine ganz spezielle Sachverhaltskonstellation betrifft (vgl. Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V § 2 Erl. 3.6).

27

Die Urteile des BVerwG, vom 28. November 1975 – IV C 45.74 –, BVerwGE 50, 2 ff., vom 25. November 1981 – 8 C 14.81 –, DVBl 1982 S. 544 ff., und vom 27. Januar 1982 – 8 C 12.81 –, BVerwGE 64, 356 ff., betreffen das Erschließungsbeitragsrecht, wo – wie oben ausgeführt – auch nach Auffassung des Senates eine andere Rechtslage gilt. Das Urteil des BVerwG vom 27. April 1990 – 8 C 87.88 –, NVwZ 1991 S. 360 f., betrifft eine Vorausleistung auf den Entwässerungsbeitrag, wo sich in Mecklenburg-Vorpommern die Rechtslage im Hinblick auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt wie im Erschließungsbeitragsrecht darstellt. Bei dem Zitat „NJW 1984 S. 648“ handelt es sich ersichtlich um ein Fehlzitat, sodass die gemeinte Entscheidung nicht hat recherchiert werden können.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 GKG i. V. m. § 52 Abs. 3 GKG.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 16. Juli 2015 – 4 A 1027/12 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um einen Straßenausbaubeitrag.

2

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung A-Stadt Dorf, Flur ..., Flurstück .../26. Das Grundstück liegt an der L...straße an, die die Gemeinde A-Stadt im Bereich zwischen den Einmündungen in die Bundesstraße 104 und die Straße der F... in den Teileinrichtungen Fahrbahn, Gehweg, Straßenbeleuchtung und Straßenentwässerung ausgebaut hat. Die Baumaßnahmen wurden am 29. November 1999 abgenommen. Die Schlussrechnung des Bauunternehmers ging am 16. April 2002 bei der Gemeinde ein. In der Folge entstand zwischen der Gemeinde und dem Bauunternehmer Streit über die Höhe des Vergütungsanspruchs, auch hinsichtlich weiterer Schlussrechnungen für andere Bauvorhaben. Der Streit wurde am 24. Juni 2005 im Wege eines außergerichtlichen Vergleichs beigelegt und ein Gesamtvergleichsbetrag zur Zahlung angewiesen.

3

Mit Bescheid vom 9. Dezember 2009 setzte der Beklagte gegen den Kläger einen Ausbaubeitrag in Höhe von 362,23 Euro fest. Den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2012 zurück.

4

Am 21. Juni 2012 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Schwerin erhoben. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 16. Juli 2015 – 4 A 1027/12 – den Bescheid des Beklagten vom 9. Dezember 2009 und den Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2012 aufgehoben und zugleich die Berufung zugelassen. Das Verwaltungsgericht war der Auffassung, dass die Beitragsschuld mit Ablauf des 31. Dezember 2006 erloschen sei. Die sachliche Beitragspflicht sei im Jahre 2002 mit Eingang der letzten Unternehmerrechnung entstanden, so dass die Festsetzungsverjährungsfrist am 1. Januar 2003 zu laufen begonnen habe. Auf die Frage der zivilrechtlichen Richtigkeit der Unternehmerrechnung komme es nicht an, maßgeblich sei allein deren Prüffähigkeit. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist dem Beklagten am 10. August 2015 zugestellt worden.

5

Am 2. September 2015 hat der Beklagte gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Die Berufung ist am 30. September 2015 begründet worden. Der Beklagte ist der Auffassung, dass der Beitragsanspruch der Gemeinde nicht verjährt sei. Die sachliche Beitragspflicht entstehe erst, wenn die Kosten der Baumaßnahme und damit der umlagefähige Aufwand abschließend feststünden. Dies sei mit Eingang der Unternehmerschlussrechnung noch nicht der Fall gewesen. Der Bauunternehmer habe sich vertraglich verpflichtet, aufgenommene Natursteinmaterialien wieder einzubauen. Tatsächlich habe er aber umfangreich neues Material verwendet und abgerechnet, weil die gelagerten Natursteine mangelhaft gesichert und in Größenordnungen abhandengekommen seien. Über den Umfang des selbstverschuldeten Mehraufwands habe Streit bestanden. Bis zu dessen Beilegung habe die Höhe des beitragsfähigen Aufwands nicht festgestellt werden können. Die Aufteilung des Vergleichsbetrags auf die einzelnen Maßnahmen sei zudem zugunsten der Beitragspflichtigen fehlerhaft erfolgt. Die Gemeinde habe nicht von der Richtigkeit des Prüfvermerks des Ingenieurbüros ausgehen können, welches bereits im Jahre 2002 in Insolvenz gefallen sei.

6

Der Beklagte beantragt,

7

das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 16. Juli 2015 – 4 A 1027/12 – zu ändern und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,

9

die Berufung zurückzuweisen.

10

Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Eine Unternehmerrechnung sei jedenfalls dann als prüffähig anzusehen, wenn sie wie hier einen Prüfvermerk des Bauamtes oder des beauftragten Ingenieurbüros erhalte. Der Gesetzgeber habe der Gemeinde mit der Festsetzungsverjährungsfrist einen ausreichend langen Zeitraum zur Verfügung gestellt, um eventuelle Unsicherheiten über die Höhe des Aufwands zu beseitigen. Ein weiteres Hinausschieben des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht sei auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Belastungsklarheit und Belastungsvorhersehbarkeit nicht hinzunehmen.

11

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

13

Der Senat konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO.

II.

14

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet, da die Anfechtungsklage des Klägers zulässig und begründet ist. Der Bescheid des Beklagten vom 9. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts ist im Ergebnis richtig und daher nicht zu ändern.

15

Die Beitragserhebung durch den Beklagten geschah rechtswidrig. Die Satzung der Gemeinde A-Stadt über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 14. Oktober 2009 (Straßenausbaubeitragssatzung), auf die der Beklagte die Abgabeerhebung stützt, ist nach ihrem § 11 erst zum 1. Januar 2005 in Kraft getreten. Unter Zugrundelegung der Regelungen der Straßenausbaubeitragssatzung wäre die sachliche Beitragspflicht für das abgerechnete Grundstück aber bereits zu einem früheren Zeitpunkt entstanden. Eine Beitragspflicht ist daher in Ansehung der abgerechneten Maßnahme schon dem Grunde nach nicht entstanden.

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Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats müssen die satzungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erhebung von Straßenbaubeiträgen beim Entstehen der Beitragspflicht vorliegen. Straßenbaubeiträge dürfen nur erhoben werden, wenn der Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht im zeitlichen Geltungsbereich einer wirksamen Beitragssatzung liegt. Die Satzung ist gegebenenfalls rückwirkend auf diesen Zeitpunkt in Kraft zu setzen (grundlegend OVG Greifswald, Beschl. v. 29.07.1997 – 6 M 93/97 –, juris Rn. 17 ff. und OVG Greifswald, Urt. v. 09.06.1999 – 1 L 307/98 –, juris Rn. 27 ff.). Maßgeblicher Zeitpunkt für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht dem Grunde und der Höhe nach ist nach § 8 Abs. 5 KAG M-V grundsätzlich die endgültige Herstellung der Einrichtung. Es ist in der Rechtsprechung jedoch geklärt, dass § 8 Abs. 5 KAG M-V die Entstehensvoraussetzungen der sachlichen Beitragspflicht nicht abschließend regelt. Es gibt darüber hinaus ungeschriebene Tatbestandsmerkmale, die verwirklicht sein müssen, damit die sachliche Beitragspflicht entsteht, etwa das Vorliegen der letzten Unternehmerrechnung. Das Ortsrecht kann zusätzliche Merkmale fordern, zum Beispiel den Grunderwerb als Herstellungsmerkmal (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 27.01.2016 – 1 L 1/12 –, juris Rn. 29 m.w.N.). In diesem Sinne ergibt sich aus den ortsrechtlichen Regelungen selbst, in welchem Zeitpunkt die Beitragssatzung Geltung beanspruchen und in Kraft gesetzt sein muss. Für die Prüfung dieser Frage ist zu unterstellen, dass die Beitragssatzung zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits gelten würde.

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Da die sachliche Beitragspflicht auch der Höhe nach endgültig ausgeprägt ist, setzt ihr Entstehen voraus, dass die Anlage mit sämtlichen Teileinrichtungen ausgebaut worden ist, der beitragsfähige Aufwand feststeht und für dessen Verteilung wirksame Maßstabsregeln vorhanden sind. In Übereinstimmung mit diesen rechtlichen Maßgaben regelt § 9 Straßenausbaubeitragssatzung, dass die Beitragspflicht mit dem Abschluss der Baumaßnahme entsteht, sobald die Kosten feststehen und der erforderliche Grunderwerb grundbuchrechtlich durchgeführt ist (Satz 1). Das ist frühestens der Zeitpunkt des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung (Satz 2).

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Die sachliche Beitragspflicht wäre vorliegend unter (fiktiver) Zugrundelegung des Satzungsrechts des Beklagten bereits mit Eingang der Schlussrechnung des Bauunternehmers bei der Gemeinde am 16. April 2002 entstanden. Maßgeblich für die Ermittlungsfähigkeit des beitragsfähigen Aufwands ist der Zugang der letzten Unternehmerrechnung nach Abschluss der Bauarbeiten. Auf die sachliche Richtigkeit der Rechnung kommt es insoweit nicht an. Entscheidend ist, dass mit der letzten Rechnung bestimmbar wird, welcher Aufwand der Gemeinde für den Ausbau der Anlage entstanden und umlagefähig ist (vgl. zum Erschließungsbeitragsrecht: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage, § 19, Rn. 9 und VGH München, Beschl. v. 28.08.2014 – 6 ZB 14.481 –, juris Rn. 7). Für dieses Rechtsverständnis spricht, dass der Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht mit ihren erheblichen Rechtsfolgen aus Gründen der Rechtssicherheit klar bestimmbar bleiben muss. Auf eine inzidente Rechtmäßigkeitskontrolle der bürgerlich-rechtlichen Werklohnforderung kann es nicht ankommen. Dass die Unternehmerschlussrechnung hier nicht prüffähig gewesen wäre, bringt die Berufung selbst nicht vor, tatsächlich ist die Rechnung auch geprüft und im weiteren Verlauf beanstandet worden.

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Der Senat weist an dieser Stelle darauf hin, dass aus dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Schleswig-Holstein vom 2. März 2011 – 2 L 142/00 – nichts anderes folgt. Dort ist für das Erschließungsbeitragsrecht ausdrücklich ausgesprochen, dass die sachliche Beitragspflicht mit dem Eingang der letzten prüffähigen Unternehmerrechnung entstehe und es nicht darauf ankomme, dass diese Rechnung als sachlich richtig anerkannt worden sei oder sich aufgrund nachträglicher Prüfung als richtig erweise, die Frage im dort zu entscheidenden Fall aber offenbleiben könne. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass die sachliche Beitragspflicht erst entsteht, wenn sich die Unternehmerrechnung als richtig erweist, hat das Oberverwaltungsgericht in diesem Beschluss nicht aufgestellt.

III.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO. Es bestehen keine Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.