Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 14. Nov. 2013 - 3 A 524/11

bei uns veröffentlicht am14.11.2013

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag Trinkwasser.

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Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Flurstück G1, W.-Straße in B. mit einer Größe von 3.539 m², welches an die öffentliche Trinkwasserversorgungsanlage des Wasserzweckverbandes Strelitz angeschlossen ist.

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Mit Bescheid vom 23. Dezember 2008 zog der Beklagte die Kläger jeweils zu einem Anschlussbeitrag i.H.v. 967,75 Euro netto zzgl. 19% Ust. in Höhe von 187,87 Euro, d.h. insgesamt 1.151,62 Euro heran. Dabei wies er darauf hin, dass die beiden Miteigentümer den zu entrichteten Betrag gemeinsam schuldeten, dieser aber nur einmal zu zahlen sei. Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 12. Januar 2009 Widerspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides, was der Beklagte mit Schreiben vom 28. Januar 2009 ablehnte. Dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gab das erkennende Gericht mit Beschluss vom 6. Mai 2009 – 3 B 249/09 - teilweise statt, soweit die Beitragsfestsetzung den Betrag von 1.035,49 Euro übersteigt. Im Übrigen lehnte es den Antrag ab. Mit Beschluss vom 27. August 2009 – 1 M 91/09 – ordnete das OVG Greifswald die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an, soweit sie vom erkennenden Gericht abgelehnt worden war. Auf den Antrag des Beklagten vom 3. März 2011 änderte das erkennende Gericht durch Beschluss vom 14. April 2011 – 3 B 260/11 - den Beschluss vom OVG Greifswald vom 27. August 2009 ab und lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ab, soweit die Festsetzung im Bescheid vom 23. Dezember 2008 den Betrag von 1.035,49 Euro nicht übersteigt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde vom OVG Greifswald mit Beschluss vom 5. Juli 2012 – 1 M 59/11 – zurückgewiesen.

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Bereits mit Änderungsbescheid vom 18. Januar 2010 hatte der Beklagte den Umsatzsteuersatz von 19 v.H. auf 7 v.H. reduziert und den zu zahlenden Anschlussbeitrag auf 1.035,49 Euro für das klägerische Grundstück festgesetzt. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

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Die Kläger haben am 3. Juni 2011 Klage erhoben. Sie sind der Ansicht, dass die Heranziehung rechtswidrig sei. Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage, da die Wasserabgabensatzung (WAgS) nichtig sei. Die der Beitragssatzung zugrundeliegenden Normen, insbesondere die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V, seien verfassungswidrig. Auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – und 3. September 2013 – 1 BvR 1282/13 – werde Bezug genommen. Damit sei der Anspruch verjährt.

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Weiterhin habe der Beklagte die ihm durch das Kommunalabgabengesetz eingeräumte Satzungsbefugnis überschritten, indem er in Anlage 1 Ziff. 1.3 WAgS den Beitragssatz auf 0,49 Euro/m² Nutzungsfläche (brutto 0,58 Euro/m²) festsetze. Mit der Festsetzung der Umsatzsteuer auf den Herstellungsbeitrag greife der Beklagte in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ein. Darüber hinaus seien Wasserversorgungsbeiträge nicht umsatzsteuerpflichtig.

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Die dem Beitragssatz zugrunde liegende Kalkulation sei fehlerhaft. Rechtsfehlerhaft sei die Berechnung der zugrunde liegenden Herstellungskosten, deren Höhe ebenfalls bestritten werde. Auch ein prozentualer Abzug von den Investitionsaufwendungen, der dem Vorteil der Allgemeinheit – wie etwa für die Brandbekämpfung – entspreche, sei nicht erfolgt. Mit Nichtwissen werde zudem der ausgewiesene Anlagenwert in der Kalkulation bestritten. Der Beklagte habe in der Globalberechnung auch nicht zwischen Erneuerungs- und Herstellungskosten unterschieden. Die Beitragssatzung sehe in § 1 Abs. 2 WAgS vor, dass bei Hausanschlüssen für die Deckung des Aufwandes für Herstellung und Erneuerung Beiträge erhoben werden können, wohingegen für die öffentliche Einrichtung Wasserversorgung nur Beiträge für die Anschaffung und Herstellung erhoben werden dürften. Weiterhin sei die Errechnung der beitragspflichtigen Fläche nicht nachvollziehbar.

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Im Übrigen sei die Maßstabsregel unwirksam. Die Satzung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, als in Anlage 1 Ziff. 1.3 lit. B. WAgS Grundstücke, die im Bereich eines B-Planes liegen, aber darüber hinaus reichten, anders veranlagt würden, als Grundstücke, für die ein B-Plan nicht bestehe, die aber im unbeplanten Innenbereich lägen, aber darüber hinaus in den Außenbereich ragten. Ähnliches gelte für die in der Satzung enthaltene Eckgrundstücksregelung. Auch diese verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Rechtsfehlerhaft sei darüber hinaus die Regelung der Nutzungsfaktoren gemäß Anlage 1 Ziff. 1.3 lit. C. Abs. 1 WAgS, in der der Beklagte für das 2. und 3. Geschoss jeweils einen Steigerungsfaktor von 25 v.H. vorsehe, für das 4. und 5. Geschoss zusammen dagegen nur 25 v.H. und für das 6. Geschoss wiederum 25 v.H..

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Die Kläger beantragen,

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den Bescheid des Beklagten vom 23. Dezember 2008, abgeändert durch den Änderungsbescheid vom 18. Januar 2010, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2011 aufzuheben.

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Der Beklagte verteidigt die angegriffenen Bescheide und beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Gericht hat mit Beschluss vom 9. August 2013 den Rechtsstreit auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen. Die Einzelrichterin hat mit Beschluss vom 22. Oktober 2013 den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.

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1. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Der Beitragsbescheid des Beklagten vom 23. Dezember 2008 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 18. Januar 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

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a) Gemäß § 1 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) können Zweckverbände in Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben des eigenen Wirkungskreises Abgaben mit Ausnahme von Steuern erheben. Abgaben dürfen nur aufgrund einer Satzung erhoben werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V). Die dem Erlass der Wasserabgabensatzung und der Beitragserhebung zugrundeliegenden Vorschriften des KAG M-V sind wirksam. Sie verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht. Das gilt insbesondere für die Regelung der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht in § 9 Abs. 3 KAG M-V (vgl. dazu auch VG Schwerin, Urteil vom 11. April 2013 – 4 K 1250/12 –, juris). Das Anschlussbeitragsrecht in Mecklenburg-Vorpommern hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen stand.

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aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährleisten Rechtssicherheit und Vertrauensschutz im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürger und Bürgerinnen sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris).

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Nach den landesrechtlichen kommunalabgabenrechtlichen Regelungen konnte sich in Mecklenburg-Vorpommern kein Vertrauen der Abgabenschuldner darauf bilden, von der Erhebung von Anschlussbeiträgen verschont zu bleiben.

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Das Kommunalabgabengesetz sieht seit seinem Inkrafttreten am 11. April 1991 (GVOBl. M-V 2009, 113) eine Erhebung von Beiträgen vor. Seit dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes vom 1. Juni 1993 (GVOBl. M-V 1993, 522) bestand eine Beitragserhebungspflicht (ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. VG Greifswald, Beschluss vom 15. Juni 2011 – 3 B 484/11 –, n.v., m.w.N; a.A. OVG Greifswald, Urteil vom 3. Mai 2011 – 1 L 59/10 –, juris, Rn. 56 ff.), von der auch nach dem Inkrafttreten nach dem Kommunalabgabengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. April 2005 (GVOBl. M-V, 146) nur in atypischen Fällen abgewichen werden kann. Die Abgabenpflichtigen mussten mithin stets damit rechnen, dass die Aufgabenträger leitungsgebundene Anschlussbeiträge erheben würden. Der Umstand, dass in Mecklenburg-Vorpommern die sachliche Beitragspflicht für Anschlussbeiträge erst nach Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung entsteht (§ 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V), gibt für einen Vertrauenstatbestand gleichfalls nichts her. Wird eine unwirksame durch eine wirksame Satzung ersetzt, liegt darin keine echte Rückwirkung, da die Satzung nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreift, sondern an einen fortdauernden, abgabenrechtlich bisher nicht aktualisierten Zustand andere abgabenrechtliche Folgerungen knüpft (BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 – 8 B 123/84 –, juris). Der durch eine ungültige Norm erzeugte Rechtsschein ist keine Grundlage für den Vertrauensschutz des Normunterworfenen (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 19. Dezember 1961 – 2 BvL 6/59 –, BVerfGE 13, 261). Der Umstand, dass nach der genannten Regelung unwirksame Beitragssatzungen abgabenrechtlich und im Sinne des Erlöschenstatbestandes der Festsetzungsverjährung ohne Belang sind, begründet kein schutzwürdiges Vertrauen im Falle solcher Satzungen, sondern steht diesem allenfalls entgegen (vgl. für rückwirkende Abgabensatzungen BVerfG, Beschluss vom 3. September 2009 – 1 BvR 2384/08 –, juris). Schließlich genießen auch diejenigen Beitragspflichtigen keinen besonderen Vertrauensschutz, deren Grundstücke schon vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes tatsächlich an eine leitungsgebundene öffentliche Anlage angeschlossen waren (sog. Altanschließer). Auch ihre Heranziehung ist abgabenrechtlich geboten und stellt sich nicht als unzulässige Rückwirkung dar (vgl. OVG Greifswald, Urteil vom 13. November 2011 – 1 L 192/08 –, juris; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 21. September 2012 – 46/11 –, juris, zur vergleichbaren Rechtslage in Brandenburg).

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bb) Das Rechtstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchem Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsgleichheit und Belastungsvorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris). Die Regelungen des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern über die Entstehung und Festsetzung von Anschlussbeiträgen verstoßen auch nicht gegen dieses verfassungsrechtliche Gebot.

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Schmutz- und Trinkwasserbeiträge nach § 9 KAG M-V knüpfen nicht an in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge an. Die Legitimation des Anschlussbeitrags ergibt sich vielmehr aus der Überlegung, dass das bevorteilte Grundstück durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Anlage (§ 9 Abs. 3 KAG M-V) eine dauerhafte Erschließung erfährt. Der Vorteilsbegriff ist grundstücksbezogen, der abzugeltende Vorteil ist für das Grundstück in der positiven Veränderung der Erschließungssituation zu sehen (OVG Greifswald, Beschluss vom 20. Oktober 1998 – 1 M 17/98 –, juris). Die Möglichkeit des Anschlusses an eine Abwasserentsorgungs- bzw. Trinkwasserversorgungsanlage ist für die ordnungsgemäße Erschließung eines Grundstücks in gleicher Weise erforderlich wie etwa das Vorhandensein einer Straße. Eine ausreichende und auf Dauer gesicherte Erschließung ist sowohl nach Bauplanungsrecht – §§ 30 ff. Baugesetzbuch (BauGB) – als auch nach Bauordnungsrecht unabdingbare Voraussetzung für die Nutzung eines Grundstücks zu baulichen Zwecken. Die Sicherung der Erschließung bezieht sich somit nicht nur auf den Zeitpunkt der erstmaligen Herstellung. Vielmehr wirkt die durch die Sicherung der Erschließung herbeigeführte Bebaubarkeit eines Grundstücks auf die Zukunft ab der erstmaligen Herstellung der Anlage. Beitragsfähig ist nur der Vorteil, der rechtlich sicher und auf Dauer geboten wird (Dietzel, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2007, § 8, Rn. 532 ff.; vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 29. August 2013 – AN 3 S 13.01273 –, juris, zum Erschließungsbeitragsrecht). Der Schmutz- bzw. Trinkwasserbeitrag wird nicht dafür gezahlt, dass das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen wurde oder angeschlossen werden konnte, sondern dafür, dass es angeschlossen ist oder angeschlossen werden kann und auf Dauer angeschlossen bleibt.

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Soweit das Bundesverfassungsgericht der Auffassung ist, die Legitimation von Beiträgen liege in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris, Rn. 45) und damit in einem tatsächlichen Vorgang, der zeitlich immer weiter in die Vergangenheit rücke, vermag die Kammer dem in Ansehung der landesrechtlichen Vorschriften zum Anschlussbeitragsrecht nicht zu folgen. Soweit sich das Bundesverfassungsgericht insoweit auf die eigene Rechtsprechung bezieht, führt das nicht weiter. Der zitierte Beschluss vom 12. Oktober 1978 (2 BvR 154/74 –, BVerfGE 49, 343) betrifft keinen Beitrag, sondern eine Steuer und erwähnt nur allgemein das Vorteilsprinzip. In der weiterhin angeführten Entscheidung findet sich gleichfalls kein Beleg für den aufgestellten Rechtssatz. Dort heißt es in Übereinstimmung mit den oben dargestellten beitragsrechtlichen Grundsätzen zur Rechtfertigung von Vorzugslasten im Präsens: „So empfängt, wer eine öffentliche Leistung in Anspruch nimmt, einen besonderen Vorteil, der es rechtfertigt, ihn zur Tragung der Kosten der öffentlichen Leistung heranzuziehen oder die durch die öffentliche Leistung gewährten Vorteile ganz oder teilweise abzuschöpfen“ (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995 – 2 BvR 413/88 –, 2 BvR 1300/93 –, BVerfGE 93, 319). Von einem abgeschlossenen Vorgang ist dort gerade nicht die Rede.

24

Das landesrechtliche Anschlussbeitragsrecht knüpft die Beitragserhebung auch nicht insoweit an einen in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossenen Vorgang, als ein vormaliger Eigentümer des bevorteilten Grundstücks zeitlich unbegrenzt zum Schmutz- bzw. Trinkwasserbeitrag herangezogen werden könnte. Nach dem gesetzlichen Regelfall des § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des bevorteilten Grundstücks ist. Sachliche und persönliche Beitragspflicht fallen (erst) hier zusammen. Wer das Eigentum am betreffenden Grundstück verliert und durch die abgerechnete öffentliche Einrichtung nicht mehr bevorteilt ist, muss regelmäßig auch nicht mehr damit rechnen, zu einem Anschlussbeitrag herangezogen zu werden.

25

Soweit § 7 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V eine davon abweichende Regelung des Ortsgesetzgebers erlaubt, ist das verfassungsrechtlich unbedenklich. Wenn die Abgabensatzung bestimmt, dass persönlich beitragspflichtig ist, wer bei Entstehen der sachlichen Beitragspflicht Eigentümer des bevorteilten Grundstücks war, ist damit kein ungewisser oder unbegrenzter Zeitraum nach Ende der Vorteilslage in Gang gesetzt, in dem eine Beitragserhebung rechtmäßig erfolgen könnte. Der von der Regelung betroffene Grundstückseigentümer kann der Satzung vielmehr entnehmen, wann die sachliche Beitragspflicht entstanden ist und damit auch, wann die persönliche Beitragspflicht wegen der Festsetzungsverjährung gemäß § 12 Abs. 1 und 2 KAG M-V i.V.m. §§ 47, 169 bis 171 Abgabenordnung (AO) erlöschen wird.

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Nach alledem genügt das einschlägige Kommunalabgabenrecht in Mecklenburg-Vorpommern den aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gebot der Rechtssicherheit folgenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. Solange ein Grundstück durch eine zentrale Abwasserentsorgungs- bzw. Trinkwasserversorgungsanlage bevorteilt ist, ist es legitim, dessen Eigentümer zu einem Anschlussbeitrag heranzuziehen, sobald die sachliche Beitragspflicht durch eine wirksame Beitragssatzung des Aufgabenträgers der Höhe nach ausgeprägt wurde. Die Verjährungsregelungen gewährleisten bereits einen gerechten Ausgleich zwischen dem öffentlichen Interesse an der Realisierung der (entstandenen) Beitragsansprüche und den schutzwürdigen Interessen der Beitragspflichtigen, nach Ablauf eines gewissen Zeitraums nicht mehr mit ihrer Inanspruchnahme rechnen zu müssen. Dies gilt auch für den Fall, dass der persönlich Beitragspflichtige ausnahmsweise bei der Festsetzung des Beitrags nicht mehr Eigentümer des Grundstücks ist. Die Kammer vermag dem vom Bundesverfassungsgericht allgemein aufgestellten Rechtssatz, der Gesetzgeber sei verpflichtet sicherzustellen, dass Beiträge nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris, Rn. 45), nicht zu folgen, da sie die Legitimation von Anschlussbeiträgen nicht aus dem einmaligen Akt der Schaffung der Anschlussmöglichkeit, sondern aus der auf Dauer gesicherten Anschlussmöglichkeit selbst herleitet. Aus dem Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 2013 (– 1 BvR 1282/13 –, juris) ergibt sich insoweit nichts anderes.

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2. Der angefochtene Bescheid findet seine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die öffentliche Wasserversorgung der Grundstücke (Wasseranschlusssatzung – WAS) vom 27. November 2007 in der Fassung der Zweiten Änderungssatzung vom 17. Februar 2011, rückwirkend zum 1. Januar 2008 in Kraft getreten, i.V.m. der am 10. August 2011 beschlossenen, am 17. August 2011 ausgefertigten und nach § 24 Satz 1 rückwirkend zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung – WAgS). Die Satzungen sind nach derzeitiger Kenntnis wirksam (vgl. OVG Greifswald, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 1 L 289/11 –, juris; Beschluss vom 5. Juli 2012 – 1 M 59/11 –, n.v.).

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Soweit die Kläger einwenden, der festgesetzte Beitragssatz sei deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte in der Globalberechnung nicht zwischen Erneuerungs- und Herstellungskosten differenziere und Erneuerungskosten nicht von § 1 Abs. 2 a 1. Alt WAgS erfasst werden würden, verfängt dieser Einwand nicht. Die Kläger verkennen, dass in die Globalkalkulation keine „Erneuerungskosten“ eingeflossen sind. Denn solange sich die öffentliche Anlage einschließlich der darin einbezogenen Hausanschlüsse in der Herstellungsphase befindet, weil sie ihre Endausbaustufe noch nicht erreicht hat, stellen sich alle notwendigen Maßnahmen an einzelnen Bestandteilen der Anlage als Herstellungsmaßnahme dar, auch wenn sie einen Austausch vorhandener Anlagenbestandteile beinhalten. Dies gilt auch, wenn der Betreiber eine Altanlage „übernommen“ hat. Die Sanierung alter (zu DDR-Zeiten errichteter) Wasserkanäle bewirkt keine Verbesserung bzw. Erneuerung im beitragsrechtlichen Sinne; sie ist lediglich ein unselbstständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließt und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten wird (OVG Greifswald, Beschluss vom 13. Februar 2013 – 4 K 16/10 –, juris, Rn. 20; Beschluss vom 21. April 1999 – 1 M 12/99 –, juris; Urteil vom 18. Oktober 2005 – 1 L 197/05 –, juris m.w.N.).

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Der Wasserzweckverband Strelitz befand sich ausweislich der vorliegenden Globalkalkulation bis zum 31. Dezember 2009 in der Herstellungsphase. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde das Trinkwasserversorgungskonzept 2000 umgesetzt und die Investitionen damit abgeschlossen (vgl. Seite 4 der Globalkalkulation). Der Kalkulationszeitraum für den höchstzulässigen Beitragssatz begann mit dem 3. Oktober 1990 und endete mit dem 31. Dezember 2009. Nur die in diesem Zeitraum angefallenen Aufwendungen/Investitionen sind in die Globalkalkulation eingeflossen. Darauf hat der Beklagte auch in seinem Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2011, Seite 4, hingewiesen.

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Da in die Globalkalkulation keine Aufwendungen für die Erneuerung der Anlage eingeflossen sind, bestand für den Satzungsgeber keine Verpflichtung, die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen in der Beitragssatzung zu regeln. Eine solche ergibt sich auch nicht aus dem Kommunalabgabengesetz. Zwar haben die Kläger zutreffend angeführt, dass das Kommunalabgabengesetz in § 9 zwischen Herstellungs- und Erneuerungskosten differenziert. Allerdings können neben den Anschaffungs- und Herstellungsbeiträgen nach Satz 1 Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Erneuerung erhoben werden, vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V. Eine Verpflichtung zur Erhebung von Erneuerungsbeiträgen besteht daher nicht und bedarf somit keiner zwingenden gesetzlichen Regelung in der Beitragssatzung.

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Der Einwand der Kläger, die vom Beklagten in der Kalkulation geltend gemachten Herstellungskosten bis zum Jahr 2009 und der angeführte Anlagenwert werde der Höhe nach bestritten, verfängt nicht. Er ist nicht geeignet, Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Kalkulation zu begründen. Es ist Sache der Kläger, etwaige Satzungs- oder Rechtsanwendungsfehler hinreichend bestimmt darzulegen. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Kläger nicht. Die Kläger haben keinerlei Umstände dargelegt, aus denen die Unrichtigkeit der Angaben des Beklagten über die Herstellungskosten folgen könnte. Auch aus dem vorliegenden Prozessstoff ergeben sich keine dahingehenden Anhaltspunkte, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Behauptung aufs Geratewohl aufgestellt worden ist. Sie ist damit nicht geeignet, weitere gerichtliche Ermittlungen auszulösen. Dies liefe auf eine auch vom verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) nicht mehr gedeckte Fehlersuche „ins Blaue“ hinaus. Denn der Untersuchungsgrundsatz ist keine prozessuale Hoffnung, das Gericht würde mit seiner Hilfe schon die klagebegründenden Tatsachen finden (BVerwG, Buchholz 310 § 86 Nr. 76).

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Auch mit Blick auf die Regelung in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 1 WAgS bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Rechtswirksamkeit der Wasserabgabensatzung. Gemäß Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 1 WAgS beträgt der Beitragssatz betreffend die Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage „0,49 Euro/m² Nutzungsfläche (Brutto 0,58 Euro/m²)“. Die Regelung geht also von einem Umsatzsteuersatz von 19 v.H. aus, der zunächst auch der streitgegenständlichen Beitragsfestsetzung zugrunde lag. Dies ist unzutreffend. Es ist von einem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 v.H. auszugehen (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 30. November 2009 – 1 M 134/09 –, juris). Die Wirksamkeit der Satzung ist damit nicht in Frage gestellt. Denn die Bruttoangabe – worauf schon die Einklammerung hinweist – ist lediglich deklaratorischer Natur. Zudem wäre allenfalls von einer Teilunwirksamkeit des Klammerzusatzes auszugehen; der Umsatzsteuersatz ergibt sich ohnehin von Gesetzes wegen, er bedarf keiner Ausweisung in der Satzung, zumal der Zweckverband ihn auch nicht abweichend vom Gesetz festlegen dürfte (OVG Greifswald, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 1 L 27/09 –, juris Rn. 68).

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Der in Anlage 1 Ziff. 1.3 lit. A WAgS geregelte Beitragsmaßstab ist nicht zu beanstanden. Gegen den normierten abgestuften Vollgeschossmaßstab, bei dem zunächst die maßgebliche Grundstücksfläche ermittelt und sodann diese mit einem Nutzungsfaktor vervielfacht wird, bestehen grundsätzlich keine Bedenken (vgl. OVG Greifswald, Urteil vom 15. März 1995 – 4 K 22/94 –, juris). Auch die in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 lit. C Abs. 1 WAgS festgelegte Steigerung der Nutzungsfaktoren ist rechtmäßig. Der Nutzungsfaktor für das erste Vollgeschoß beträgt 1,0, für das zweite und dritte Vollgeschoss je 0,25, für das vierte bis fünfte Vollgeschoss 0,25 und für das sechste Vollgeschoss 0,25. Die Regelung orientiert sich damit an der in § 17 Abs. 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) i.d.F. vom 1. Oktober 1970, gültig bis zum 26. Januar 1990, vorgesehenen Nutzungssteigerung je Geschoss.

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Dagegen gibt es nichts zu erinnern. Welchen Maßstab der Ortsgesetzgeber für die Steigerung des Nutzungsfaktors nach dem ersten Vollgeschoss wählt, dass heißt, ob der Nutzungsfaktor linear-progressiv oder degressiv ansteigt und in welchen Stufen, liegt grundsätzlich im Ermessen des Satzungsgebers. Er muss sich nicht für den zweckmäßigsten, gerechtesten, vernünftigsten oder wahrscheinlichsten Maßstab entscheiden. Vielmehr findet das Ermessen des Satzungsgebers erst dort seine Grenze, wo sich sachliche Gründe für die Abstufung nicht mehr finden lassen oder der gewählte Maßstab ersichtlich unangemessen und deshalb dem Vorteilsprinzip und dem Gleichheitssatz nicht mehr entsprechend ist.

35

Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die vier- und fünfgeschossig bebaubaren (bebauten) Grundstücke einerseits sowie die sechsgeschossig bebaubaren (bebauten) Grundstücke andererseits mit jeweils einem einheitlichen Nutzungsfaktor belegt sind, d.h. dass nicht jedem unterschiedlichen Maß der Nutzung ein unterschiedlicher Nutzungsfaktor entspricht. Die Regelung hält sich im Rahmen des dem Ortsgesetzgeber eingeräumten weiten ortsgesetzgeberischen Ermessens (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1979 – 4 C 84.75 –, juris; OVG Magdeburg, Beschluss vom 24. Juni 2003 – 2 M 255/02 –, juris, Rn. 28ff. für das Erschließungsbeitragsrecht; a.A. OVG Bautzen, Urteil vom 22. August 2001 – 5 B 501/01 –, juris; Urteil vom 28. Oktober 2010 – 5 D 5/06 –, juris). Mit dem kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab wird von vornherein die an sich die Ausnutzbarkeit der Grundstücke genauer wiedergebende Geschossfläche vernachlässigt (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1979, a.a.O.). Dies ist jedoch unbedenklich, da grundsätzlich nicht jedem (auch nur geringen) Unterschied in der zulässigen Nutzung durch entsprechende Unterschiede im Verteilungsmaßstab Rechnung zu tragen ist (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 – IV C 92.74 –, ZMR 1978, 146). Die den Anschlussbeitrag auslösenden Vorteile sind zwar der Sache nach daran zu messen, was der Anschluss für die bauliche oder gewerbliche Nutzung der Grundstücke hergibt; dennoch sind Anschlussvorteil und bauliche Nutzbarkeit nicht „gleiche Größen“; der größere oder kleinere Anschlussvorteil lässt sich mit Hilfe der jeweiligen baulichen Nutzung niemals genau, sondern nur grob fassen. Aus diesem Grund wird ein Beitragsmaßstab den Anforderungen des Kommunalabgabenrechtes gerecht, wenn unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität und Überschaubarkeit sowie der zulässigen Typisierung und Pauschalierung nur erhebliche, hinreichend abgrenzbare Unterschiede der den Beitragsvorteil bewirkenden Nutzbarkeit in typischen Fallgruppen nach dem Maß (und der Art) der Nutzung angemessen erfasst werden (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1979, a.a.O. zum Erschließungsbeitragsrecht; OVG Magdeburg, Beschluss vom 24. Juni 2003, a.a.O., juris, Rn. 28).

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Unter Beachtung dieser Grundsätze stellt sich die Zusammenfassung des vierten und fünften Vollgeschosses unter einem einheitlichen Nutzungsfaktor und die weitere Steigerung von 0,25 für das sechste Vollgeschoss als zulässig dar. Denn der Unterschied zwischen viergeschossiger und fünfgeschossiger Wohnbebauung ist nicht so groß, dass man für das vierte und fünfte Vollgeschoss nicht von annähernd gleichen Vorteilen ausgehen und eine Zusammenfassung zu einem einheitlichen Nutzungsfaktor nicht als zulässig ansehen könnte (vgl. OVG Magdeburg, Beschluss vom 24. Juni 2003, a.a.O., m.w.N.; a.A. OVG Bautzen, Urteil vom 22. August 2001, a.a.O.). Denn erfahrungsgemäß steigt – bei gleicher überbaubarer Fläche – die mögliche Geschossfläche beim Übergang von einem Geschoss zum nächsthöheren Geschoss immer weniger an. Hinzu kommt, dass bei einer zunehmenden höheren Bebauung gleichzeitig die tatsächlich bebaubare Grundstücksfläche wegen der Abstandsflächenregelungen typischerweise sinkt. Die Nutzungsflächensteigerung verringert sich damit mit jedem weiteren Vollgeschoss. Diesen Abnehmen der überbaubaren Fläche wird mit der degressiven Gestaltung der Nutzungsfaktoren Rechnung getragen.

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Soweit die Kläger weiterhin einwenden, die Maßstabsregel in Anlage 1 Ziff. 1.3 lit. B WAgS und die Eckgrundstücksregelung verstießen gegen den Gleichheitsgrundsatz, die Flächenberechnung in der Kalkulation sei fehlerhaft und der Beklagte habe in der Kalkulation keinen Abzug für Investitionen vorgenommen, die der Allgemeinheit zugute kämen (wie etwa für die Brandbekämpfung), verfangen diese, bereits in den einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorgetragenen Einwendungen, nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in den Beschlüssen der erkennenden Kammer vom 6. Mai 2009 – 3 B 249/09 - und 14. April 2011 – 3 B 260/11 – sowie des OVG Greifswald vom 5. Juli 2012 – 1 M 59/11 –, verwiesen. An diesen wird festgehalten.

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3. Gegen die Rechtsanwendung gibt es nichts zu erinnern.

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Es kann als geklärt gelten, dass Wasserversorgungsbeiträge umsatzsteuerpflichtig sind und die Umsatzsteuer auf die Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Landesrechtes abgewälzt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil 29. April 1988 − 8 C 33.85 −, juris; OVG Greifswald, Beschluss vom 30. November 2009 – 1 M 134/09 −, juris).

40

Die Berechnung des Beitrages ist rechtsfehlerfrei. Die Veranlagung des Grundstücks nach Anlage 1 Ziffer 1.3 Buchst. B Absatz c) WAgS ist nicht zu beanstanden. Danach gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen (§ 34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Das klägerische Grundstück liegt nach Auffassung der Kammer innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 BauGB, so dass sich unter Beachtung einer Tiefenbegrenzungslinie von 50 m und einer Breite des Grundstücks von 39,50 m eine zu veranlagende Fläche von 1.975 m² ergibt. Der errechnete Beitrag von 1.035,49 Euro ist rechtsfehlerfrei.

41

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Berufung ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Klärung der Frage der Vereinbarkeit des Kommunalabgabengesetzes mit dem Verfassungsrecht zuzulassen

42

(§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Abgabenordnung - AO 1977 | § 169 Festsetzungsfrist


(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf d

Abgabenordnung - AO 1977 | § 47 Erlöschen


Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch Zahlung (§§ 224, 224a, 225), Aufrechnung (§ 226), Erlass (§§ 163, 227), Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232), ferner durch Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ans

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 17 Orientierungswerte für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung


Bei der Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung nach § 16 bestehen, auch wenn eine Geschossflächenzahl oder eine Baumassenzahl nicht dargestellt oder festgesetzt wird, folgende Orientierungswerte für Obergrenzen: 1234 BaugebietGrund- flächenzahl (

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Gründe I. 1 Die Klägerin, Eigentümer eines 1.406 m2 großen, bebauten Grundstücks (FlSt. 34 und 35, Flur A der Gemarkung S.) an der Straße „Dörfchen“ im Verbandsgebiet des Beklagten wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag. A

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Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 06. Mai 2009 - 3 B 249/09 - teilweise, soweit der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz vom Verwaltungsgericht abgelehnt wurde, geändert und wie folgt gefasst:

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen den Bescheid Nr. 4010012 vom 23.12.2008 wird angeordnet.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Antragsgegner trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 258,87 festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Antragsteller zu einem Trinkwasseranschlussbeitrag.

2

Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks in Gestalt des Flurstücks xx der Flur x in der Gemarkung B. (W. Straße in B.). B. ist ein Ortsteil der Gemeinde Schwarz, die zum Amt Röbel-Müritz und zum Landkreis Müritz zugehörig ist. Die Gemeinde Schwarz ist Verbandsmitglied des Wasserzweckverbandes Strelitz.

3

Mit Bescheid Nr. 4010012 vom 23. Dezember 2008 zog der Antragsgegner die Antragsteller jeweils zu einem Anschlussbeitrag in Höhe von 967,75 netto zzgl. 19 % USt. in Höhe von 183,87 Euro, also insgesamt 1.151,62 Euro heran. Dabei wies er darauf hin, dass die beiden Miteigentümer den zu entrichtenden Betrag gemeinsam schuldeten, dieser aber nur einmal zu zahlen sei. Dagegen legten die Antragsteller am 12. Januar 2009 Widerspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung, was der Antragsgegner mit Schreiben vom 28. Januar 2009 ablehnte.

4

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragsteller auf vorläufigen Rechtsschutz vom 06.März 2009 mit seinem Beschluss vom 06. Mai 2009 teilweise stattgegeben, soweit die Beitragsfestsetzung den Betrag von 1.035,49 Euro übersteigt und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Als maßgeblich für die Teilstattgabe hat das Verwaltungsgericht angeführt, der Herstellungsbeitrag habe voraussichtlich nur mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % besteuert werden dürfen. Zweifel an der Wirksamkeit der zugrundeliegenden Satzung bestünden demgegenüber derzeit nicht, insbesondere sei diese wirksam bekannt gemacht worden.

II.

5

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den ihnen am 14. Mai 2009 zugestellten Beschluss, die mit dem am 25. Mai 2009 eingegangenen Schriftsatz fristgemäß (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) eingelegt und mit am 15. Juni 2009 (Montag) eingegangenem Schriftsatz ebenso fristgerecht (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) begründet worden ist, hat Erfolg.

6

§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO bestimmt, dass die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen ist. Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.

7

In Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Wie sich aus § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 3 VwGO ergibt, können nur solche Gründe in die Prüfung einbezogen werden, die der Beschwerdeführer innerhalb der einmonatigen gesetzlichen Begründungsfrist vorbringt. Nach Ablauf dieser Frist können zwar fristgerecht - dem Darlegungserfordernis genügend - geltend gemachte Gründe vertieft, nicht aber neue Gründe in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden. Die Beschwerde bleibt erfolglos, wenn sich die erstinstanzliche Entscheidung aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist und - soweit die entsprechenden Umstände bzw. rechtlichen Überlegungen bislang nicht Gegenstand des Rechtsstreits waren - den Beteiligten hierzu zuvor rechtliches Gehör gewährt worden ist.

8

Die Antragsteller machen unter diesen Maßgaben mit Erfolg einen Bekanntmachungsmangel geltend, der nach dem Prüfungsmaßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu der Annahme führt, dass die der streitgegenständlichen Beitragserhebung zugrundeliegende Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung - WAgS) vom 27. November 2007 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts jedenfalls im Gebiet der Gemeinde Schwarz, in dem auch das zum Beitrag veranlagte Grundstück belegen ist, nicht wirksam bekannt gemacht gemacht worden sein dürfte. Dann fehlte dem Beitragsbescheid vom 23. Dezember 2008 die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage. Demzufolge bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides, die zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs - über die Teilstattgabe durch das Verwaltungsgericht hinaus - insgesamt führen.

9

Jedenfalls sinngemäß berufen sich die Antragsteller - in einer dem Darlegungserfordernis (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) noch genügenden Weise - auch darauf, dass der "Müritz-Anzeiger" vom 24. Dezember 2007, in dem die Wasserabgabensatzung bekannt gemacht wurde, entgegen § 6 KV-DVO in der zu diesem Zeitpunkt noch geltenden Fassung vom 23. April 1999 (GVOBl. M-V S. 295, ber. in GVOBl. M-V S. 306 u. 431 - nachfolgend: KV-DVO a.F.) nicht erkennen lasse, dass es sich bei ihm um ein amtliches Bekanntmachungsblatt des Wasserzweckverbandes Strelitz handelt. Bezogen auf den erstinstanzlichen Einwand der Antragsteller, der "Müritz-Anzeiger" weise durch seine Bezeichnung nicht auf seinen amtlichen Charakter hin, hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dieser Einwand könne nicht nachvollzogen werden, da den jeweiligen Deckblättern deutlich der Hinweis entnommen werden könne, dass es sich um das amtliche Bekanntmachungsblatt der Stadt Röbel/Müritz und der Ämter Röbel-Land und Rechlin handele.

10

Diese Argumentation des Verwaltungsgerichts greift zu kurz. Die Bekanntmachung der Wasserabgabensatzung im "Müritz-Anzeiger" dürfte gegen die Bestimmungen der Durchführungsverordnung zur Kommunalverfassung zur Form der öffentlichen Bekanntmachung verstoßen; dieser rechtliche Gesichtspunkt war nicht Gegenstand der Senatsentscheidungen vom 14. Juli 2008 - 1 M 73/08 -, vom 21. Oktober 2008 - 1 M 92/08 - und 27. Oktober 2008 - 1 M 94/08 - (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) und kann im Übrigen stets geltend gemacht werden (vgl. § 5 Abs. 5 Satz 3 KV M-V).

11

§ 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 154 KV M-V sind Satzungen vom Verbandsvorsteher auszufertigen und öffentlich bekannt zu machen, wobei die Form der öffentlichen Bekanntmachung von Satzungen durch Rechtsverordnung nach § 174 Abs. 1 Nr. 2 KV M-V - die Durchführungsverordnung zur Kommunalverfassung (KV-DVO) in der vorstehend bezeichneten geltenden Fassung - geregelt werden.

12

Gemäß § 5 Satz 1 KV-DVO a.F. - die Vorschriften des 2. Abschnitts gelten für Zweckverbände entsprechend, § 21 Abs. 2 KV-DVO a.F. - erfolgten öffentliche Bekanntmachungen von Satzungen der Gemeinden im amtlichen Bekanntmachungsblatt oder durch Abdruck einer Zeitung (§ 7 Satz 2 KV-DVO). Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO a.F. musste das amtliche Bekanntmachungsblatt durch seine Bezeichnung auf seinen amtlichen Charakter und den Träger der öffentlichen Verwaltung, der es herausgibt, hinweisen. Diesen Anforderungen dürfte die Bekanntmachung im "Müritz-Anzeiger" nicht genügen, der in § 15 Abs. 1 Satz 1 der Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz - neben dem "MST-Report", dem amtlichen Bekanntmachungsblatt des Landkreises Mecklenburg-Strelitz - als periodisch erscheinendes Druckwerk, in dem öffentliche Bekanntmachungen des Wasserzweckverbandes erfolgen, bezeichnet wird (vgl. hierzu § 4 KV-DVO a.F.). Folglich dürfte die Bekanntmachung der Wasserabgabensatzung rechtwidrig und die Satzung damit unwirksam sein.

13

Der "Müritz-Anzeiger" vom 24. Dezember 2007 gibt auf seinem Deckblatt am unteren Rand in einem abgesetzten Block - im Übrigen inhaltlich anders, als es das Verwaltungsgericht offensichtlich unter Bezugnahme auf früherer Ausgaben des "Müritz-Anzeigers" wiedergegeben hat - an, dass er "Amtliches Bekanntmachungsblatt des Amtes Röbel-Müritz mit der Stadt Röbel/Müritz und den Gemeinden Altenhof, Bollewick, Buchholz, Bütow, Fincken, Gotthun, Grabow-Below, Groß Kelle, Jaebetz, Kambs, Kieve, Lärz, Leizen, Ludorf, Massow, Melz, Priborn, Rechlin, Schwarz, Sietow, Stuer, Vipperow, Wredenhagen, Zepkow und des Eigenbetriebes Müritz-Elde-Wasser (MEWA)" sei. Entsprechend werden die Herausgeber des "Müritz-Anzeigers" als amtliches Bekanntmachungsblatt in §15 Abs. 1 Satz 1 der Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz i.d.F. der 5. Änderung benannt, wobei allerdings an Stelle des Eigenbetriebes Müritz-Elde-Wasser (MEWA) der MEWA-Zweckverband genannt wird. Der Wasserzweckverband Strelitz findet danach keine Erwähnung.

14

Folglich weist der "Müritz-Anzeiger" entgegen § 6 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO a.F. nicht durch seine Bezeichnung darauf hin, dass es sich um ein amtliches Bekanntmachungsblatt gerade - auch - des Wasserzweckverbandes Strelitz als herausgebender Träger öffentlicher Verwaltung handelt. Entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung dürfte es nicht ausreichen, darauf hinzuweisen, dass es sich um das amtliche Bekanntmachungsblatt bzw. ein Druckwerk mit amtlichem Charakter irgendeines - dritten - Trägers öffentlicher Verwaltung handelt. Wie insbesondere die Bestimmungen der §§ 5 und 6 (Abs. 3) KV-DVO a.F. zeigen, geht die Durchführungsverordnung für die Bekanntmachungsform "amtliches Bekanntmachungsblatt" im Grundsatz davon aus, dass eine Gemeinde ihre Satzungen in ihrem eigenen amtlichen Bekanntmachungsblatt öffentlich bekannt macht. Es liegt nach Auffassung des Senats vor diesem Hintergrund auf der Hand, dass das amtliche Bekanntmachungsblatt naturgemäß darauf hinweisen muss, dass es gerade für den Träger öffentlicher Verwaltung, der in ihm öffentliche Bekanntmachungen vornehmen will, amtlichen Charakter besitzt. Es genügt mit Blick auf die öffentlichen Bekanntmachungen des Wasserzweckverbandes Strelitz infolge dessen nicht, wenn der "Müritz-Anzeiger" auf den amtlichen Charakter, den es für das Amt Röbel- Müritz mit der Stadt Röbel/Müritz und den Gemeinden Altenhof, Bollewick, Buchholz, Bütow, Fincken, Gotthun, Grabow-Below, Groß Kelle, Jaebetz, Kambs, Kieve, Lärz, Leizen, Ludorf, Massow, Melz, Priborn, Rechlin, Schwarz, Sietow, Stuer, Vipperow, Wredenhagen, Zepkow und den Eigenbetrieb Müritz-Elde-Wasser (MEWA) besitzt, hinweist. Für den normunterworfenen Bürger ist nicht erkennbar, dass der "Müritz-Anzeiger" - auch - für öffentliche Bekanntmachungen des Wasserzweckverbandes Strelitz amtlichen Charakter besitzt. Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass auf einem Deckblatt der Ausgabe vom 24. Dezember 2007 die Angaben "Satzungen des Wasserzweckverbandes Strelitz" und "Wasserzweckverband Strelitz" zu finden sind, da darin ebenfalls der Hinweis auf den amtlichen Charakter des "Müritzer Anzeigers" für den Wasserzweckverband Strelitz fehlt.

15

Anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Verwaltungsgericht unerwähnt gelassenen Bestimmung des § 6 Abs. 3 KV-DVO a.F. § 6 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt KV-DVO a.F. ist nicht einschlägig, da der "Müritz-Anzeiger" kein amtliches Bekanntmachungsblatt des zuständigen Landkreises darstellt. § 6 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. KV-DVO a.F. regelt, dass einzelne Gemeinden, Ämter oder Zweckverbände eines Landkreises ein amtliches Bekanntmachungsblatt gemeinsam herausgeben können. Sollte es sich nach dem Willen der auf dem Deckblatt des "Müritz-Anzeigers" genannten Träger öffentlicher Verwaltung und des Wasserzweckverbandes Strelitz um ein gemeinsames amtliches Bekanntmachungsblatt handeln, änderte dies nichts an dem Erfordernis des § 6 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO a.F.: Im Falle eines solchen gemeinsamen Bekanntmachungsblattes muss für jeden Träger öffentlicher Verwaltung, der gemeinsamer (Mit-) Herausgeber ist, auf den amtlichen Charakter, den das Bekanntmachungsblatt für die jeweiligen Träger besitzt, hingewiesen werden.

16

Die öffentliche Bekanntmachung der Wasserabgabensatzung im "Müritzer-Anzeiger" dürfte für den Fall einer beabsichtigten gemeinsamen Herausgabe ohnehin auch in Widerspruch zu § 6 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. KV-DVO a.F. stehen und auch aus diesem Grunde rechtswidrig sein. Die Bestimmung sieht nämlich das gemeinsame Herausgeben eines amtlichen Bekanntmachungsblattes nur für "einzelne Gemeinden, Ämter oder Zweckverbände eines Landkreises" vor (anders nunmehr § 5 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. KV-DVO i.d.F. vom 04. März 2008 ). Sie dürfte also dahin zu verstehen sein, dass eine solche gemeinsame Herausgabe nur für Gemeinden, Ämter oder Zweckverbände möglich ist, die vollständig im Gebiet eines einzigen Landkreises liegen. Systematisch gestützt wird diese Betrachtungsweise durch § 6 Abs. 3 Satz 2 KV-DVO a.F., der ergänzend für den Fall eine Regelung trifft, dass ein Zweckverband nicht ausschließlich aus Gemeinden oder Ämtern eines Landkreises besteht, und dann die Möglichkeit der öffentlichen Bekanntmachung im amtlichen Anzeiger des Landes Mecklenburg-Vorpommern eröffnet.

17

Der Wasserzweckverbandes Strelitz liegt aber gerade nicht nur im Gebiet eines Landkreises: Ausweislich des § 1 Abs. 1 der Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz bilden Städte und Gemeinden der Landkreise Mecklenburg-Strelitz und Müritz den Wasserzweckverband Strelitz; konkret liegt die Gemeinde Schwarz im Landkreis Müritz, die anderen Städte und Gemeinden liegen im Landkreis Mecklenburg-Strelitz.

18

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts spricht auch Überwiegendes dagegen, dass die öffentliche Bekanntmachung im "Müritz-Anzeiger" ggfs. auch ihre Rechtfertigung in § 7 i.V.m. § 5 Satz 1, 2. Halbsatz KV-DVO a.F. finden könnte. Dagegen, dass es sich um einen Abdruck einer Zeitung handeln könnte, spricht zumindest zweierlei: Gemäß § 4 Satz 2 Nr. 1 KV-DVO a.F. muss die Hauptsatzung mindestens die Festlegung der nach §§ 5 bis 8 zulässigen Bekanntmachungsform enthalten. § 5 KV-DVO a.F. sieht drei "Formen der Bekanntmachung" vor: amtliches Bekanntmachungsblatt, Zeitung und Aushang. § 15 Abs. 1 Satz 1 der Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz legt § 4 Satz 2 Nr. 1 KV-DVO folgend die Bekanntmachungsform des amtlichen Bekanntmachungsblattes im Druckwerk "Müritz-Anzeiger" fest, also nicht die Form "Abdruck einer Zeitung". Ferner ist nichts dafür ersichtlich, dass das Druckerzeugnis "Müritz-Anzeiger" als Zeitung gelten könnte, weil sein Inhalt mindestens zur Hälfte aus presseüblicher Berichterstattung bestünde (vgl. § 7 Satz 2 KV-DVO a.F.).

19

Da das streitgegenständliche Grundstück in der Gemeinde Schwarz liegt, für deren Gebiet die öffentliche Bekanntmachung der Wasserabgabensatzung des Zweckverbandes gerade mittels des "Müritz-Anzeigers" erfolgen sollte, und das Grundstück nach den vorstehenden Erwägungen also nicht im Geltungsbereich einer wirksamen Satzung liegen dürfte (vgl. OVG Magdeburg, Urt. v. 08.04.2008 - 4 L 53/06 -, juris), musste der Senat nicht der Frage nachgehen, ob die Bekanntmachung im "MST-Report" möglicherweise fehlerfrei erfolgt ist. Offen konnte infolge dessen auch bleiben, ob sich die aus der fehlerhaften Bekanntmachung ergebende Unwirksamkeit möglicherweise auf das Gebiet der Gemeinde Schwarz beschränkt oder die Satzung in ihrem gesamten räumlichen Geltungsbereich unwirksam sein könnte. Ebenso wenig waren die materiell-rechtlichen Rügen der Antragsteller zu erörtern.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

21

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3, 47 GKG, wobei der streitige Abgabenbetrag nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Eilverfahren zu vierteln und dabei zu berücksichtigen ist, dass die streitige Beitragsforderung nur noch insoweit Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, als das Verwaltungsgericht dem Antrag nicht schon erstinstanzlich stattgegeben hat.

22

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 14. April 2011 – 3 B 260/11 – wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 287,91 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Antragsteller zu einem Trinkwasseranschlussbeitrag.

2

Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks in Gestalt des Flurstücks ## der Flur ## in der Gemarkung B### (W### Straße 10 in B###). B### ist ein Ortsteil der Gemeinde S###, die zum Amt Röbel-Müritz und zum früheren Landkreis Müritz, jetzt Landkreis Mecklenburgische-Seenplatte zugehörig ist. Die Gemeinde S### ist Verbandsmitglied des Wasserzweckverbandes Strelitz.

3

Mit Bescheid Nr. #### vom 23. Dezember 2008 zog der Antragsgegner die Antragsteller jeweils zu einem Anschlussbeitrag in Höhe von 967,75 EUR netto zzgl. 19 % USt. in Höhe von 183,87 EUR, also insgesamt 1.151,62 EUR heran. Dabei wies er darauf hin, dass die beiden Miteigentümer den zu entrichtenden Betrag gemeinsam schuldeten, dieser aber nur einmal zu zahlen sei. Dagegen legten die Antragsteller am 12. Januar 2009 Widerspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung, was der Antragsgegner mit Schreiben vom 28. Januar 2009 ablehnte.

4

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragsteller auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 06. Mai 2009 – 3 B 249/09 – teilweise stattgegeben, soweit die Beitragsfestsetzung den Betrag von 1.035,49 EUR übersteigt, und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Als maßgeblich für die Teilstattgabe hat das Verwaltungsgericht angeführt, der Herstellungsbeitrag habe voraussichtlich nur mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % besteuert werden dürfen. Zweifel an der Wirksamkeit der zugrunde liegenden Satzung bestünden demgegenüber derzeit nicht, insbesondere sei diese wirksam bekannt gemacht worden.

5

Mit Beschluss vom 27. August 2009 – 1 M 91/09 – hat der Senat auf die Beschwerde der Antragsteller den Beschluss des Verwaltungsgerichts im Umfang der Ablehnung geändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs insgesamt angeordnet. Es liege ein Bekanntmachungsmangel vor, der nach dem Prüfungsmaßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu der Annahme führe, dass die der streitgegenständlichen Beitragserhebung zugrunde liegende Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung - WAgS) vom 27. November 2007 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts jedenfalls im Gebiet der Gemeinde S#### nicht wirksam bekannt gemacht worden sein dürfte. Die Bekanntmachung im "Müritz-Anzeiger" habe nicht den Anforderungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO i. d. F. vom 23. April 1999 (GVOBl. M-V, S. 295; ber. in GVOBl. M-V, S. 306 und 431) genügt. Der "Müritz-Anzeiger" vom 24. Dezember 2007 habe auf seinem Deckblatt am unteren Rand in einem abgesetzten Block angegeben, dass er "Amtliches Bekanntmachungsblatt“ für verschiedene Körperschaften sei, der Wasserzweckverband Strelitz finde danach jedoch keine Erwähnung. Folglich weise der "Müritz-Anzeiger" entgegen § 6 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO i. d. F. vom 23. April 1999 nicht durch seine Bezeichnung darauf hin, dass es sich um ein amtliches Bekanntmachungsblatt gerade – auch – des Wasserzweckverbandes Strelitz als herausgebender Träger öffentlicher Verwaltung handele.

6

Auf den Abänderungsantrag des Antragsgegners vom 03. März 2011 hat das Verwaltungsgericht den Beschluss des Senats vom 27. August 2009 – 1 M 91/09 – gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO geändert und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt, soweit die Festsetzung im Bescheid vom 23. Dezember 2008 den Betrag von 1.035,49 EUR nicht übersteigt. Der angefochtene Bescheid finde seine Rechtsgrundlage in der Wasserabgabensatzung vom 27. November 2007 in Gestalt der – rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft getretenen – 1. Änderungssatzung vom 02. Juni 2009. Die Satzung sei inzwischen insbesondere im „Müritz-Anzeiger“ am 13. Februar 2010 ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Der „Müritz-Anzeiger“ weise nunmehr auf seinem Deckblatt und in seinem Impressum – wie aus anderen gerichtlichen Verfahren bekannt sei – darauf hin, dass es sich auch um das amtliche Bekanntmachungsblatt des Wasserzweckverbandes Strelitz als herausgebender Träger der öffentlichen Verwaltung handele. Die Satzung sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Keine Bedenken bestünden gegen den in § 2 Satz 2 WAgS i. V. m. Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 1 geregelten Beitragssatz; er beruhe auf einer wirksamen Kalkulation. Das Verwaltungsgericht verweist insoweit auf sein Urteil vom 08. September 2010 – 3 A 728/09 – (richtig: 3 A 729/09).

II.

7

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den ihnen am 18. April 2011 zugestellten Beschluss, die mit dem am 29. April 2011 eingegangenen Schriftsatz fristgemäß (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) eingelegt und mit am 18. Mai 2011 eingegangenem Schriftsatz ebenso fristgerecht (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) begründet worden ist, hat keinen Erfolg.

8

§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO bestimmt, dass die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen ist. Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.

9

In Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Wie sich aus § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 3 VwGO ergibt, können nur solche Gründe in die Prüfung einbezogen werden, die der Beschwerdeführer innerhalb der einmonatigen gesetzlichen Begründungsfrist vorbringt. Nach Ablauf dieser Frist können zwar fristgerecht – dem Darlegungserfordernis genügend – geltend gemachte Gründe vertieft, nicht aber neue Gründe in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden. Die Beschwerde bleibt erfolglos, wenn sich die erstinstanzliche Entscheidung aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist und – soweit die entsprechenden Umstände bzw. rechtlichen Überlegungen bislang nicht Gegenstand des Rechtsstreits waren – den Beteiligten hierzu zuvor rechtliches Gehör gewährt worden ist.

10

Vor diesem Hintergrund verlangt das Darlegungserfordernis von dem Beschwerdeführer, dass die Beschwerdebegründung auf die rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen eingeht, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat. Es ist für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderlich, dass die Beschwerdebegründung an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpft und aufzeigt, weshalb sich diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen der Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss sich insofern an der Begründungsstruktur der angegriffenen Entscheidung orientieren. Grundsätzlich reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ebenso wenig aus wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen. Stützt das Verwaltungsgericht sein Ergebnis alternativ auf mehrere Begründungen, muss die Beschwerde alle Begründungen aufgreifen, sich mit diesen auseinander setzen und sie in Zweifel ziehen. Geht die Beschwerdebegründung auf nur eine Erwägung nicht ein, die die angefochtene Entscheidung selbstständig trägt, bzw. lässt sie unangefochten, bleibt der Beschwerde schon aus diesem Grund der Erfolg versagt. Diese Anforderungen an die Beschwerdebegründung sind für einen Beschwerdeführer auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang gemäß § 67 Abs. 4 VwGO ist sichergestellt, dass Beschwerdeführer – in aller Regel durch einen Rechtsanwalt – rechtskundig vertreten sind (insgesamt ständige Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschl. v. 19.08.2008 – 1 M 44/08 –).

11

Unter Zugrundlegung dieses Maßstabes genügt das Beschwerdevorbringen teilweise schon nicht dem Darlegungserfordernis und weckt im Übrigen insgesamt keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides bzw. an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

12

1. Zunächst ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht den Antrag des erstinstanzlich nicht anwaltlich vertretenen Antragsgegners gemäß § 80 Abs. 7 VwGO,

13

den Beschluss des OVG M-V vom 27.08.2009, Az. 1 M 91/09 zu ändern und die Beschwerde gegen den Beschluss des VG Greifswald vom 06. Mai 2009, Az. 3 B 249/09 zurückzuweisen,

14

als sinngemäßen Antrag,

15

den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 27.08.2009 – 1 M 91/09 – zu ändern und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches des Antragstellers abzulehnen, soweit die Festsetzung den Betrag von 1.035,49 EUR nicht übersteigt,

16

ausgelegt hat. Dies entspricht ohne weiteres dem erkennbaren Rechtsschutzziel des Antragsgegners und überschreitet nicht die durch § 88 VwGO vorgegebenen Grenzen. Der Antragsgegner wollte ausdrücklich eine Abänderung des betreffenden Senatsbeschlusses mit dem eindeutigen Ziel erreichen, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller wieder entfällt, soweit nicht schon das Verwaltungsgericht dem vorläufigen Rechtsschutzantrag im Verfahren Az. 3 B 249/09 stattgegeben hatte. Er hat lediglich die angestrebte einschlägige Tenorierung teilweise unzutreffend bezeichnet, weil das Verwaltungsgericht eine Beschwerde nicht zurückweisen kann und auch kein Beschwerdeverfahren mehr anhängig war. Der Sachverhalt ist auch in verschiedener Hinsicht anders gelagert, als er etwa dem Senatsbeschluss vom 16. Mai 2011 – 1 M 54/11 – (NVwZ-RR 2011, 959) zugrunde lag.

17

2. Die Antragsteller machen auch keinen Bekanntmachungsmangel geltend, der nach dem Prüfungsmaßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu der – erneuten – Annahme führen könnte, dass die der streitgegenständlichen Beitragserhebung zugrunde liegende Satzung des Zweckverbandes unwirksam sein könnte.

18

Eine Verletzung von § 5 KV-DVO a. F. (i. d. F. v. 04.03.2008, GVOBl. M-V, S. 85) dürfte nach dem Prüfungsmaßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht vorliegen. Die Antragsteller meinen zunächst, dem „Müritz-Anzeiger“ sei nicht zu entnehmen, dass der Wasserzweckverband Strelitz dessen Herausgeber sei. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO a. F. muss das amtliche Bekanntmachungsblatt durch seine Bezeichnung auf seinen Charakter und den Träger der öffentlichen Verwaltung, der es herausgibt, hinweisen. Diese Voraussetzungen dürften vorliegend entgegen dem Beschwerdevorbringen erfüllt sein. Der „Müritz-Anzeiger“ vom 13. Februar 2010 ist auf seinem Deckblatt im unteren Bereich als „Amtliches Bekanntmachungsblatt“ (auch) des Wasserzweckverbandes Strelitz benannt. Diese Bezeichnung des amtlichen Charakters ist zunächst ohne weiteres ausreichend, um die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO a. F. insoweit zu erfüllen. Die Ausführungen der Antragsteller dazu, dass der Name „Müritzer-Anzeiger“ und die räumliche Anordnung („Layout“) der Bezeichnung als amtliches Bekanntmachungsblatt nicht hinreichend auf dessen amtlichen Charakter hinweisen würden, sind abwegig. Der Wasserzweckverband Strelitz dürfte in Ansehung des amtlichen Teils des „Müritz Anzeigers“ auch hinreichend deutlich als Herausgeber im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO a. F. identifizierbar sein. Nach dessen Wortlaut muss das amtliche Bekanntmachungsblatt „durch seine Bezeichnung (auch) auf … den Träger der öffentlichen Verwaltung, der es herausgibt, hinweisen“. Durch die auf dem Deckblatt des „Müritz-Anzeigers“ vorgenommene Bezeichnung als (auch) amtliches Bekanntmachungsblatt des Wasserzweckverbandes Strelitz wird auf letzteren ohne weiteres als den Träger der öffentlichen Verwaltung, der es herausgibt, hingewiesen. Wenn Satzungen des Wasserzweckverbandes Strelitz in seinem amtlichen Bekanntmachungsblatt bekannt gemacht werden, erscheint unzweifelhaft – auch – er selbst als der Träger öffentlicher Verwaltung, der den „Müritz-Anzeiger“ insoweit in dem Sinne herausgibt, als der Inhalt des amtlichen Teils von ihm herrührt. Zudem ist zu unterscheiden zwischen einem Träger öffentlicher Verwaltung, der im Selbstverlag Druck und Vertrieb des amtlichen Bekanntmachungsblattes übernimmt, und einem solchen, der Druck und Vertrieb einem Dritten überträgt. Dies zeigt die systematische Gegenüberstellung der Regelungen in § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 KV-DVO a. F. Sofern der Druck und Vertrieb Dritten übertragen ist, ist nach der letztgenannten Vorschrift der Gemeinde hinreichende Einflussmöglichkeit auf Inhalt, Erscheinungsweise und Vertrieb einzuräumen, so dass es bei Bedarf jederzeit erscheinen kann und die Kenntnisnahme der Einwohner gewährleistet ist. In beiden Fällen ist jedenfalls für den amtlichen Teil des Bekanntmachungsblatts dennoch kommunalverfassungsrechtlich betrachtet der betreffende Träger öffentlicher Verwaltung „Herausgeber“, auf den durch seine Bezeichnung hingewiesen wird. Insoweit kommt es auf das presserechtlich vorgeschriebene Impressum nicht an und ist es unschädlich, wenn die Antragsteller darauf verweisen, im Impressum des „Müritz Anzeiger“ sei nur die Verlag + Druck #### als Herausgeber bezeichnet. Der entsprechenden Angabe liegt § 7 LPrG M-V (Impressum) zugrunde, nach dessen Abs. 1 auf jedem im Lande Mecklenburg-Vorpommern erscheinenden Druckwerk Name oder Firma und Anschrift des Druckers und des Verlegers (1. Alternative) genannt sein müssen, beim Selbstverlag die des Verfassers oder des Herausgebers (2. Alternative). Presserechtlich hätte demnach nur im Falle des Selbstverlags, also wenn der Wasserzweckverband Strelitz selbst ein amtliches Bekanntmachungsblatt herstellen und verlegen würde, der Verband als Herausgeber bezeichnet werden müssen bzw. können. Da der Wasserzweckverband Strelitz den Druck und Vertrieb einem Dritten in Gestalt der Verlag + Druck #### übertragen hat, entspricht das Impressum § 7 Abs. 1, 1. Alt. LPrG M-V. Ist presserechtlich also für die beiden kommunalrechtlich eröffneten Möglichkeiten der Herausgabe eines amtlichen Bekanntmachungsblattes jeweils ein unterschiedliches Impressum vorgesehen, kann der Herausgeberbegriff in § 5 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO a. F. nicht hieran anknüpfen, da sonst im Falle einer Übertragung nach § 5 Abs. 2 KV-DVO a. F. die entsprechende Voraussetzung nie erfüllt wäre. Dass im Übrigen die Anforderungen des § 5 Abs. 2 KV-DVO a. F. nicht erfüllt sein könnten, ist unter Berücksichtigung der Beschwerdeerwiderung und des mit ihr vorgelegten „Fortführungsvertrages“ von den Antragstellern jedenfalls nicht dargelegt worden. Soweit mit Blick auf § 7 Abs. 2 LPrG M-V im Impressum „verantwortlich für den amtlichen Teil: Amtsvorsteher/Bürgermeister/Leitender Verwaltungsbeamter“ sind, ist dies für die kommunalverfassungsrechtlichen Bekanntmachungsanforderungen letztlich ohne maßgebliche Bedeutung.

19

3. Das weitere Vorbringen der Antragsteller, die Wasserabgabensatzung und die dazu ergangene Anlage seien nichtig, weil der Wasserzweckverband seine Satzungsbefugnis überschritten habe, als er von einem Umsatzsteuersatz von 19 % ausgegangen sei, vermag schon mit Blick auf die insoweit überzeugenden Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 06. Mai 2009 – 3 B 249/09 – (S. 7) nicht zum Erfolg der Beschwerde zu führen; diese Erwägungen werden auch durch die hierauf bezogenen Ausführungen im Schriftsatz der Antragsteller vom 15. Juni 2009 im Verfahren Az. 1 M 91/09 nicht durchgreifend in Frage gestellt. Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann im Übrigen als geklärt gelten, dass Wasserversorgungsbeiträge umsatzsteuerpflichtig sind und die Umsatzsteuer auf die Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Landesrechts abgewälzt werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.1988 – 8 C 33.85 –, BVerwGE 79, 266 – zitiert nach juris; OVG Greifswald, Beschl. v. 30.11.2009 – 1 M 134/09 u. a., juris). Der weitere Vortrag, jedenfalls habe der Antragsgegner lediglich einen Umsatzsteuersatz von 7 % zugrunde legen dürfen, ist nicht mehr nachvollziehbar, nachdem das Verwaltungsgericht eben unter diesem Blickwinkel einen Rechtsanwendungsfehler bejaht und dem Antrag in seinem Beschluss vom 06. Mai 2009 – 3 B 249/09 – im entsprechenden Umfang stattgegeben hat. Diese Stattgabe wird von dem angefochtenen Beschluss nicht berührt.

20

Die weitere pauschale Rüge, der Antragsgegner habe – gemeint ist: im Rahmen der Kalkulation – nicht die tatsächlich entstandenen Kosten zu Grunde gelegt, sondern das Anlagevermögen pauschal mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten gleichgesetzt, genügt nicht dem Darlegungserfordernis. Zudem ist das Verwaltungsgericht diesem Vortrag in seinem Beschluss vom 06. Mai 2009 – 3 B 249/09 – (S. 7 f.) entgegen getreten, ohne dass sich die Antragsteller hiermit in ihrem Beschwerdevorbringen auseinander setzen. Die Erwägungen des Verwaltungsgerichts werden auch durch die hierauf bezogenen Ausführungen im Schriftsatz der Antragsteller vom 15. Juni 2009 im Verfahren Az. 1 M 91/09 nicht durchgreifend in Frage gestellt; auch letztere setzten sich mit den betreffenden Entscheidungsgründen nicht hinreichend auseinander bzw. wecken keine Richtigkeitszweifel.

21

Dies gilt insgesamt in gleicher Weise für den Vortrag der Antragsteller, von den Investitionskosten sei ein prozentualer Abzug vorzunehmen, der – insbesondere hinsichtlich der Installation von Hydranten zur Brandbekämpfung – dem Vorteil der Allgemeinheit entspreche. Jedenfalls erschöpfen sich die Ausführungen der Antragsteller insoweit in Spekulationen und wäre eine ggfs. notwendige Aufklärung der betreffenden Kalkulationsgrundlagen dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.

22

Die Beschwerdebegründung betreffend die Maßstabsregelungen der Wasserabgabensatzung (Ziff. VI des Schriftsatzes vom 18. Mai 2011) wiederholt – wie auch, außer zur Frage der ordnungsgemäßen Bekanntmachung, schon zu den vorstehenden Gesichtspunkten – das erstinstanzliche Vorbringen im Verfahren Az. 3 B 249/09 des Verwaltungsgerichts und enthält infolge dessen auch keine Auseinandersetzung mit dessen Erwägungen im Beschluss vom 06. Mai 2009, wonach die Maßstabsregelungen nicht zu beanstanden seien; sie ist jedenfalls insoweit nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu begründen, soweit er noch streitgegenständlich ist. Das diesbezügliche Vorbringen der Antragsteller in ihrem Schriftsatz vom 15. Juni 2009 zum nachfolgenden Beschwerdeverfahren Az. 1 M 91/09 enthält hierzu ebenfalls keine hinreichende Auseinandersetzung und kann folglich ebenso wenig derartige Zweifel begründen. Dies gilt insbesondere auch für die Frage, ob die in Anlage 1 Ziff. 1 B c) WAgS normierte Tiefenbegrenzungsregelung von 50 m rechtmäßig ist. Im Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 18. Mai 2011 selbst wird diese Regelung der Sache nach nicht angegriffen. Lediglich in dem in Bezug genommenen Schriftsatz vom 15. Juni 2009 findet sich hierzu ein kurzer Absatz, der sich in der pauschalen Behauptung erschöpft, „wie sich aber gerade aus der von dem Antragsgegner eingereichten Skizze ergibt, entspricht die Tiefenbegrenzungsregelung jedenfalls im Bereich des Ortes B### nicht der ortsüblichen Bebauung“, „vielmehr ist deutlich zu erkennen, dass die wenigsten Grundstücke in einer Tiefe von 50 m Bauland darstellen“. Hierin kann kein hinreichend substantiierter Vortrag erblickt werden, der dem Senat im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens handgreiflich Veranlassung bieten könnte, in eine auch nur summarische Überprüfung der Tiefenbegrenzungsregelung einzutreten. Soweit zur Begründung eines vorläufigen Rechtsschutzantrages die Rechtswirksamkeit von Satzungen als normative Rechtsgrundlagen einer angegriffenen Abgabenerhebung in Frage gestellt wird, ist für stattgebende gerichtliche Entscheidungen ein strenger Maßstab anzulegen. Da entsprechende Rügen häufig parallel von zahlreichen Abgabenpflichtigen erhoben werden, einzelne stattgebende Entscheidungen häufig zahlreiche parallele Rechtsbehelfe nicht an dem betreffenden Verfahren beteiligter Abgabenpflichtiger auslösen und die normsetzenden Körperschaften schon auf entsprechende stattgebende Entscheidungen der Gerichte im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht selten mit Satzungsänderungen reagieren, liegt mit Blick auf diese Breitenwirkung bzw. potentiellen Folgewirkungen solcher Entscheidungen und deren Vergleichbarkeit mit den Wirkungen einer stattgebenden einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO eine Orientierung an den für solche einstweilige Anordnungen geltenden strengen Grundsätzen (vgl. insoweit OVG Greifswald, Beschl. v. 22.12.2004 – 4 M 301/04 –, juris; Beschl. v. 08.06.2005 – 4 M 16/05 –) nahe.

23

Die Beantwortung der Frage, ob die gewählte Tiefenbegrenzung sich als ortsangemessen darstellt, den örtlichen Verhältnissen entspricht bzw. die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegelt und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientiert und ob die normsetzende Körperschaft vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermittelt hat (vgl. zu diesen Anforderungen OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris), ist zudem wegen ihrer Komplexität grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 10.03.2006 – 1 M 148/05 –, juris).

24

Da der Senat nur die – fristgerecht – dargelegten Gründe prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), kommt es vorliegend auch nicht darauf an, dass das Verwaltungsgericht zwischenzeitlich die entsprechende Tiefenbegrenzungsregelung in der am 10. August 2011 beschlossenen Wasserabgabensatzung nach Maßgabe seines Urteils vom 07. September 2011 – 3 A 402/10 – als rechtswidrig betrachtet hat (anhängiges Berufungsverfahren Az. 1 L 289/11). Insoweit erübrigt sich auch ein Eingehen auf die die Tiefenbegrenzungsregelung – auch unter dem Eindruck des vorerwähnten verwaltungsgerichtlichen Urteils – verteidigenden Ausführungen des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren, auf die die Antragsteller auch nicht erwidert haben.

25

Schließlich bleiben auch die gegen die Beitragskalkulation gerichteten Rügen der Antragsteller in einer Weise pauschal und bruchstückhaft, dass nach dem Prüfungsmaßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens hier keine durchgreifenden Bedenken bestehen, die der Beschwerde zum Erfolg verhelfen könnten. Die Antragsteller rügen im Wesentlichen auch nur die Nachvollziehbarkeit der Kalkulation, ohne substantiell darzulegen, dass diese in einem konkreten Punkt tatsächlich und erheblich fehlerhaft sei. Die Überprüfung der Kalkulation ist zudem wegen ihrer Komplexität grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 10.03.2006 – 1 M 148/05 –, juris).

26

4. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.

27

Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 47, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

28

Hinweis:

29

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 24. Februar 2010 – 3 A 1156/08 – geändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldnerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Klägerin zu Gebühren für den Bezug von Trinkwasser in den Monaten Januar, August, September und Oktober 2008 für die Verbrauchsstelle der Klägerin unter der Rubrumsanschrift.

2

Die Klägerin verbraucht nach eigenen Angaben aus dem Jahr 2008 jährlich etwa 300.000 m³ Trinkwasser. Im Jahr 2010 wurde im Zweckverbandsgebiet eine Wassermenge von 5.346.876 m³ gefördert, im Jahr 2008 von etwa 4,5 Mio. m³. Der Zweckverband Wasserversorgung (ZWAR) betreibt die öffentliche Einrichtung Wasserversorgung für ein Versorgungsgebiet von 974 km². Der Anschlussgrad im Bereich Wasserversorgung beträgt ca. 98 %. Auf Rügen werden 65.677 und auf Hiddensee 1.086 Einwohner versorgt (Stand 2009), während der Sommersaison mit Urlaubern die zwei- bis dreifache Einwohnerzahl. Die einzelnen Wasserversorgungsanlagen haben außerhalb der Saison eine Auslastung im Bereich zwischen 12 und 70 %, der Durchschnittswert liegt bei 40 %. Die durch den erhöhten Saisonbedarf verursachten Herstellungskosten verhalten sich dazu in etwa proportional, liegen also je nach Ortsnetz um ca. 30 % bis ca. 90 % höher, als wenn die tourismusbedingten Höchstlasten nicht zu leisten wären. Von der geförderten Trinkwassermenge sind auf die Saisonmonate Juni – September monatlich 549.997 m³ entfallen, auf die restlichen 8 Monate jeweils 393.360 m³. Der Zeitpunkt der Fertigstellung der zentralen Trinkwasserversorgungsanlage steht noch nicht fest. Das Wasserversorgungskonzept des Zweckverbandes vom 25. November 2010 umfasst nunmehr einen Zeitraum von 2010 bis 2040. Zum 31. Dezember 2007 lagen die um das von der Nordwasser GmbH i. L. übernommene Anlagevermögen bereinigten Anschaffungs- und Herstellungskosten der Anlage bei 64,5 Mio. Euro. Zu ihrer Finanzierung hatte der Zweckverband Kredite in Höhe von 36,66 Mio. Euro aufgenommen, die zum 31. Dezember 2007 noch in Höhe von ca. 25,5 Mio. Euro valutierten. Die Gesamtkreditbelastung des Zweckverbandes belief sich zum 31. Dezember 2009 auf ca. 71 Mio. Euro, wovon auf die Sparte Trinkwasser ca. 29,5 Mio. Euro entfielen. Das erwähnte Wasserversorgungskonzept sieht im Zeitraum von 2010 bis 2040 geschätzte Investitionen in Höhe von ca. 84. Mio. € (einschließlich Hiddensee) vor.

3

Mit Bescheid vom 07. Februar 2008 setze der Beklagte gegenüber der Klägerin für den Abrechnungszeitraum 01. bis 31. Januar 2008 und die von ihr verbrauchte Trinkwassermenge eine Gebühr von 49.429,16 Euro fest.

4

In Abweichung zu dem Bescheid vom 07. Februar 2008 erfolgte mit dem streitgegenständlichem Änderungsbescheid vom 04. März 2008 (Kundennummer: 120 196) für denselben Abrechnungszeitraum und Verbrauch die Festsetzung von Wassergebühren in Höhe von nunmehr 61.986,33 Euro. Dem Änderungsbescheid lag die zwischenzeitliche Veränderung des Satzungsrechts des Zweckverbandes betreffend die Refinanzierung der Kosten für die Herstellung der zentralen Anlage der Trinkwasserversorgung zugrunde:

5

Ursprünglich sah die Satzung des Zweckverbandes „Wasserversorgung “ über die Erhebung von Anschlussbeiträgen und Kostenerstattungen für die Wasserversorgung – Wasserversorgungsbeitragssatzung – vom 09. Oktober 2002 (nachfolgend: WBS 2002) i. d. F. der 1. Satzung zur Änderung der Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 18. Juni 2004 in ihrem § 1 Abs. 2 Buchst. a) die Erhebung von Anschlussbeiträgen „zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlagen“ vor. Auf der Grundlage von Wasserversorgungsbeitragssatzungen wurden im Zeitraum von 1998 bis 2006 mit ca. 2.300 bis 2.500 Bescheiden Trinkwasseranschlussbeiträge im Umfang von 6.542.754,30 Euro erhoben, was ca. 6 bis 8 % des gesamten zu erhebenden Beitragsvolumens ausmachte. Die Klägerin selbst wurde vom Beklagten nie zu einem Anschlussbeitrag herangezogen.

6

Am 03. Mai 2006 fasste die Verbandsversammlung des Zweckverbandes den Beschluss, die Erhebung von Beiträgen für die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung für die „Altanschließergrundstücke“ „bis zur Klärung der Rechtslage“ auszusetzen. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2007 wandte sich der Zweckverband an das Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Darin heißt es im Wesentlichen: Die Verbandsversammlung beabsichtige für die Trinkwasserversorgung ein reines Gebührenmodell einzuführen und bisher erhobene Beiträge in Höhe von ca. 5 Mio. Euro an die Grundstückseigentümer unverzinst zurückzuzahlen. Die Umstellung würde linear ansteigend bis zum Jahr 2012 unter gleichen Randbedingungen zu einer Erhöhung der Mengengebühr um ca. 0,50 € führen, also von bisher Brutto 1,41 € pro m³ auf rund 1,90 € pro m³. Man sehe sich als atypischen Fall. Insgesamt betrachtet habe der Zweckverband Anlagen der Wasserversorgung für rund 200.000 Einwohner vorzuhalten, die tatsächliche Einwohnerzahl betrage gut 70.000, d.h. außerhalb der Saison komme es teilweise nur zu einer Anlagenauslastung von unter 40 %. Die Vorteile der wasserseitigen Erschließung der Grundstücke könnten in der Regel nur die Grundstücke realisieren, die in den Ostseebädern und den „Ballungszentren“ A-Stadt und Sassnitz lägen und z.B. durch saisonale Vermietung an Touristen usw. auch wirtschaftlich genutzt würden. Üblicherweise befänden sich dort auch die kleinsten Grundstücke, so dass die ländlichen, historisch auch größeren Grundstücke die angeführten Vorteile mittragen müssten. Auf dieses Schreiben antwortete das Innenministerium M-V mit Erlass vom 24. Januar 2008 im Wesentlichen, es werde vor dem Hintergrund, dass nach wie vor unterschiedliche Auffassungen darüber bestünden, welche Bedeutung die Soll-Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V für die konkreten, bei den jeweiligen kommunalen Aufgabenträger durchaus unterschiedlich vorliegenden Fallkonstellationen habe, die unteren Rechtsaufsichtsbehörden darauf hinweisen, Beschlüsse oder Satzungen kommunaler Aufgabenträger wegen eines eventuellen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bis auf Weiteres nicht zu beanstanden. Sollte der Zweckverband dabei für die aus Gleichbehandlungsgründen sinnvolle und wohl auch erforderliche Rückzahlung von Anschlussbeiträgen Kredite benötigen, werde das Innenministerium auch insoweit der bereits von der unteren Rechtsaufsichtsbehörde in Aussicht gestellten Kreditgenehmigung nicht entgegentreten.

7

Am 28. August 2008 beschloss die Verbandsversammlung die Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung zur Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung (Aufhebungssatzung), die am 03. September 2008 ausgefertigt wurde. Die Aufhebungssatzung enthält zwei Bestimmungen:

8

§ 1
Aufhebung

Die Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 09. Oktober 2002, in der Fassung der 1. Satzung zur Änderung der Satzung vom 18. Juni 2004, wird ersatzlos aufgehoben.

§ 2
In-Kraft-Treten

Diese Satzung tritt rückwirkend zum 1. Januar 2008 in Kraft.

9

Dem Erlass der Aufhebungssatzung vorausgegangen war ein – von der Kommunalaufsicht wegen seiner Form als ungeeignet zur Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung bewerteter – einfacher Beschluss der Verbandsversammlung vom 27. Februar 2008 über die Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung. In der Beschlussvorlage dazu hieß es im Wesentlichen, § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V eröffne als "Soll-Regelung" bei Vorliegen einer atypischen Situation die Möglichkeit, auf eine Beitragserhebung zu verzichten und eine reine Gebührenfinanzierung zu installieren. Eine solche atypische Situation werde im Verbandsgebiet gesehen.

10

Unter dem 27. Januar 2008 hatte die Verbandsversammlung bereits zuvor die Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung über die Erhebung von Gebühren für die Wasserversorgung – Wasserversorgungsgebührensatzung (nachfolgend: WVGS 2008) – beschlossen, ausgefertigt am 20. März 2008. Auch diese Satzung trat gemäß ihrem § 10 rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft und ist Rechtsgrundlage des angefochtenen Änderungsbescheides.

11

§ 1 Abs. 1 Buchst. a) WVGS 2008 lautet im Wesentlichen wie folgt:

12

„Der … Zweckverband Wasserversorgung … erhebt nach Maßgabe dieser Satzung:
a) Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung Wasserversorgung zur Deckung der Kosten gemäß § 6 Abs. 2 … (KAG M-V) sowie zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung öffentlicher Wasserversorgungsanlagen …“

13

Den Zusatz „sowie zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung öffentlicher Wasserversorgungsanlagen“ enthielt die vorher geltende Wasserversorgungsgebührensatzung vom 03. November 2005 (WVGS 2005) nicht. Die Gebühren werden gemäß § 1 Abs. 2 WVGS 2008 als Grundgebühren (Buchst. a) und Zusatzgebühren (auch Mengen- oder Verbrauchsgebühren, Buchst. b) erhoben.

14

Die Zusatzgebühr beträgt gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 WVGS 2008 (einschließlich Umsatzsteuer in Höhe von 7 %) 1,77 Euro/m³ zugeführten Wassers. Demgegenüber regelte die Vorläuferbestimmung des § 3 Abs. 2 Satz 1 WVGS 2005 vom 03. November 2005 insoweit noch einen Gebührensatz von 1,41 Euro/m³. Die Grundgebühr gemäß § 3 Abs. 1 WVGS 2008 blieb gegenüber der Satzung von 2005 unverändert.

15

Die Wasserversorgungsgebührensatzung vom 20. März 2008 erfuhr mit der 1. Satzung zur Änderung der Satzung des ZWAR über die Erhebung von Gebühren sowie Kostenerstattungsansprüchen für die Wasserversorgung vom 03. September 2008, rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft getreten, Änderungen in einigen anderen Bestimmungen.

16

In der Zeit nach der Änderung des Satzungsrechts des Zweckverbandes wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt von den vereinnahmten Anschlussbeiträgen 5.479.355,81 Euro zurückgezahlt oder gegen bestehende Forderungen des Zweckverbandes verrechnet, was nach Angaben des Beklagten einer Quote von 84 % entspricht. Während der bereits anhängigen Verwaltungsstreitverfahren hat die Landrätin des Landkreises Rügen als untere Rechtsaufsichtsbehörde unter dem 04. Juni 2009 dem Zweckverband auf Grundlage des Beschlusses der Verbandsversammlung vom 17. Dezember 2008 (Beschluss Nr.: 562-67-31/08) von dem unter Punkt 2.1 der Zusammenstellung zum Wirtschaftsplan für das Wirtschaftsjahr 2009 veranschlagten Gesamtbetrag der Kredite für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen den mit der Genehmigung vom 19. Januar 2009 ausgesetzten Teilbetrag in Höhe von 6 Mio. Euro genehmigt.

17

Den am 28. März 2008 beim Beklagten eingegangenen Widerspruch der Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 04. März 2008, der u. a. darauf verwies, dass der erhöhte Gebührensatz bei ihr – als Vielfaches der "Anschlussgebühren" – zu jährlichen Mehrkosten in der Größenordnung von 72.000,00 Euro führe, wies dieser mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2008 – zugestellt am 19. Juli 2008 – zurück.

18

Mit weiteren Bescheiden vom 03. September 2008, 15. Oktober 2008 und 12. November 2008 (jeweils Kundennummer: 120 196) zog der Beklagte die Klägerin zu Wassergebühren für die Zeiträume August, September und Oktober 2008 in Höhe von 52.776,99 Euro, 77.152,84 Euro und 48.279,41 Euro heran, wogegen diese jeweils am 30. September 2008, 03. November 2008 bzw. 04. Dezember 2008 Widerspruch einlegte. Mit Widerspruchsbescheiden vom 17. November 2008 (betreffend die Bescheide vom 03. September und 15. Oktober 2008) – zugestellt am 19. November 2008 – und 08. Dezember 2008 – zugestellt am 12. Dezember 2008 – wies der Beklagte die Rechtsbehelfe zurück.

19

Am 01. August 2008 hat die Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 04. März 2008 Klage beim Verwaltungsgericht Greifswald (Az. 3 A 1156/08) erhoben (vorläufiges Rechtsschutzverfahren: VG Az. 3 B 1161/08, OVG Az. 1 M 157/08), am 19. Dezember 2008 gegen die Gebührenbescheide vom 03. September 2008 und 15. Oktober 2008 jeweils zu den Az. 3 A 2078/08 und 3 A 2082/08 (vorläufiges Rechtsschutzverfahren: VG Az. 3 B 2079/08 , OVG Az. 1 M 19/09) und am 12. Januar 2009 gegen den Gebührenbescheid vom 12. November 2008 zum Az. 3 A 45/09 (vorläufiges Rechtsschutzverfahren: VG Az. 3 B 49/09); die Verfahren sind zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden (Az. 3 A 1156/08).

20

Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen vorgetragen,

21

ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage, die Gebührensatzung sei unwirksam. Die Einführung des sogenannten reinen Gebührenmodells verstoße gegen die Sollregelung in § 9 Abs. 1 KG M-V, da keine atypische Ausnahme gegeben sei, die ein Absehen von der grundsätzlich gebotenen Beitragserhebung rechtfertige. Die Satzung verstoße zudem gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung. Die Kalkulation der Gebührensätze sei methodisch fehlerhaft.

22

Die Klägerin hat beantragt,

23

den Bescheid des Beklagten vom 04.03.2008 – Kundennummer 120196 – in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 15.07.2008 insoweit aufzuheben, als die Festsetzung den Betrag von Euro 49.429,16 übersteigt, und dessen Bescheide vom 03.09.2008, vom 15.10.2008 sowie vom 12.11.2008 – Kundennummern 120196 – in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17.11.2008 bzw. 18.12.2008 insgesamt aufzuheben.

24

Der Beklagte hat beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Er hat im Wesentlichen vorgetragen,

27

die Gebührensatzung sei wirksam, die Umstellung des Finanzierungssystems auf das reine Gebührenmodell zulässig. Mit der Sollregelung des § 9 Abs. 1 KAG M-V sei der Spielraum der Aufgabenträger bei der Wahl des Refinanzierungssystems im Verhältnis zur früheren Rechtslage erweitert worden. Nach einschlägiger Kommentarliteratur bestehe sogar ein freies Wahlrecht zwischen einem Mischsystem aus Beitrags- und Gebührenerhebung und einem reinen Gebührenmodell. Die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Greifswald bestehende „Höchstkreditquote“ von etwa einem Drittel des beitragsfähigen Herstellungsaufwandes finde im Gesetz keine Grundlage. Die Auslegung des § 9 Abs. 1 KAG M-V habe sich nicht an § 44 Abs. 3 KV M-V zu orientieren. Das Vorliegen einer atypischen Ausnahme sei nach anderen Kriterien als dem einer bestimmten Kreditquote zu ermitteln. Eine atypische Ausnahme sei vorliegend gegeben, denn das Geschäftsgebiet des Zweckverbandes sei erheblich durch eine touristische Struktur mit hoher Auslastung zu den Saison- und äußerst niedriger Auslastung zu den übrigen Zeiten geprägt. Wegen der durch die notwendige Höherdimensionierung verbundenen Mehrkosten sei es gerechter, touristisch genutzte Grundstücke stärker an den Kosten zu beteiligen. Dies werde – wobei sich der Beklagte auf entsprechende Beispielsrechnungen in seinem Schriftsatz vom 05. November 2008 im Verfahren Az. 3 B 1161/08 bezieht – durch das reine Gebührenmodell erreicht. Im Übrigen wären Kreditkosten auch bei einer Beibehaltung des bisherigen Finanzierungsmodells entstanden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Anschlussbeiträge wegen drohender Festsetzungsverjährung bis zum Ablauf des Jahres 2008 zu erheben gewesen wären. Zum einen hätte dies wegen zeitgleicher Beitragserhebung in anderen Bereichen eine erhebliche Belastung vieler Haushalte bedeutet. Zum anderen sei der mit einer Beitragserhebung verbundene Verwaltungsaufwand in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten gewesen. Wegen der Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung seien Beiträge immer erst im zeitlichen Zusammenhang mit Baumaßnahmen im Bereich der betroffenen Grundstücke erhoben worden. Vor diesem Hintergrund habe mit dem drohenden Ablauf der Verjährungsfrist eine „gröblich unangemessene Eilsituation“ bestanden, die zu einer erheblichen Fehleranfälligkeit bei der Beitragserhebung geführt hätte. Weiter sei zu berücksichtigen, dass im Land 80 von 89 Aufgabenträgern im Trinkwasserbereich keine Beiträge erheben würden.

28

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 24. Februar 2010 – 3 A 1156/08 – stattgegeben und die angegriffenen Bescheide entsprechend dem Klageantrag aufgehoben. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die streitgegenständlichen Bescheide seien rechtswidrig, weil ihnen die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KG M-V erforderliche Rechtsgrundlage fehle. Die Wasserversorgungsgebührensatzung vom 20. März 2008 in der Fassung der 1. Änderung sei unwirksam. Sie leide zwar nicht an einem methodischen Fehler bei der Gebührenkalkulation. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Zweckverband die von ihm vereinnahmten Anschlussbeiträge im Rahmen der Kalkulation nicht Gebühren mindernd berücksichtigt habe. Jedoch verstoße die mit dem Erlass der Wasserversorgungsgebührensatzung bzw. mit deren § 1 Abs. 1 Buchst. a) verbundene Einführung des sogenannten reinen Gebührensystems gegen die Soll-Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, die eine Beitragsfinanzierung vorsehe. Diese Vorschrift schließe die Einführung eines sogenannten „reinen Gebührenmodells“ nicht völlig aus, regele aber als Kollisionsnorm das Verhältnis zwischen beiden Finanzierungsmethoden. Mit ihr habe der Gesetzgeber eine Nachrangigkeit der Gebührenfinanzierung angeordnet. Ein einschränkungsloses Wahlrecht der Aufgabenträger, statt eines „Beitragsmodells“ ein „Gebührenmodell“ einzuführen, bestehe nicht. Eine vollständige oder überwiegende Gebührenfinanzierung sei auf so genannte atypische Fälle beschränkt. Hinsichtlich der Kriterien für das Vorliegen einer Ausnahme komme es maßgebend auf die systematischen Bezüge an, die die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zu den allgemeinen Grundsätzen der gemeindlichen Einnahmebeschaffung und dabei insbesondere zu der Bestimmung des § 44 Abs. 3 Kommunalverfassung – KV M-V – aufweise. Die Gesetzesmaterialien seien für die Auslegung der Bestimmung demgegenüber unergiebig. Bei § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V handele es sich um die bereichsspezifische Ausprägung des in § 44 Abs. 3 KV M-V normierten allgemeinen Grundsatzes, dass eine Gemeinde Kredite nur aufnehmen dürfe, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich sei oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Danach sei die Kreditfinanzierung gegenüber allen anderen Finanzierungsformen subsidiär, sie solle möglichst vermieden, zumindest aber auf das unabdingbare Maß reduziert werden. Damit erkläre sich, warum die Beitragserhebung die regelmäßige Finanzierungsform für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen darstelle. Die Finanzierung der Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten leitungsgebundener Anlagen durch Benutzungsgebühren erfordere in der Regel einen deutlich höheren Kreditbedarf als eine Beitragsfinanzierung. Das mit der Soll-Regelung verbundene Regelungsziel der Senkung des Fremdkapitalbedarfs gebe auch den Rahmen vor, in dem Ausnahmen zulässig seien. Es müsse ein innerer Zusammenhang zwischen Regel und Ausnahme vorhanden sein. Daraus folge, dass es für die Ausnahme nicht auf eine besondere Bebauungsstruktur im Gebiet des Aufgabenträgers ankommen könne. Eine am Regelungsziel des § 9 Abs. 1 S. 1 KAG M-V orientierte Ausnahme sei jedoch immer dann gegeben, wenn die Eigenkapitalausstattung für die betreffende Maßnahme – aus welchen Gründen auch immer – so gut sei, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers bei einer überwiegenden Gebührenfinanzierung der Anlage ein Maß von etwa einem Drittel der Herstellungskosten nicht deutlich übersteige. In diesem Fall sei es nicht einsehbar, warum der Aufgabenträger daran gehindert sein sollte, die Refinanzierung der Anlage ganz oder überwiegend durch Benutzungsgebühren vorzunehmen. Bei der Bemessung der Quote lasse sich das Verwaltungsgericht davon leiten, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V – ebenso wie strengere Regelung in § 8 Abs. 1 KAG M-V 1993 – den Aufgabenträger nicht dazu zwinge, bei der Erhebung von Anschlussbeiträgen einen Deckungsgrad von 100 % anzustreben; vielmehr sei ein niedrigerer Deckungsgrad zulässig. Dadurch werde die Flexibilität des Aufgabenträgers erhöht und insbesondere gewährleistet, dass er die Belastung der Beitragspflichtigen in einem gewissen Umfang abmildern könne. Allerdings stelle sich bei einem sinkenden Deckungsgrad ab einem bestimmten Punkt die Frage, ob die Beitragserhebung noch mit der Soll-Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V vereinbar sei. Die Refinanzierung des beitragsfähigen Aufwandes müsse in der Regel ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil durch Beiträge erfolgen. Die Festlegung der insoweit tolerablen Quote von etwa 70 % Beitragsfinanzierung orientiere sich an der Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern, das in seinem Urteil vom 02. Juli 2004 – 4 K 38/02 – bei einem Aufgabenträger, der über die Erhebung von Anschlussbeiträgen einen Deckungsgrad von 70 % angestrebt habe, die Frage eines Verstoßes gegen die damals noch geltende Beitragserhebungspflicht nach § 8 Abs. 1 KAG M-V 1993 noch nicht einmal angesprochen habe. Daraus folge nach Auffassung der Kammer, dass ein angestrebter Deckungsgrad von 70 % voraussetzungslos zulässig sei, ohne dass es auf das Vorliegen atypischer Umstände ankomme. Nach diesen Kriterien liege eine atypische Ausnahme im Falle des ZWAR nicht vor, da die tolerable Quote einer Kreditfinanzierung vorliegend weit überschritten sei. Andere Umstände, die die Annahme einer atypischen Ausnahme erlaubten, seien ebenfalls nicht erkennbar. Die Auffassung des Beklagten, dass in Regionen mit einer ausgeprägten touristischen Struktur eine atypische Ausnahme vorliegen solle, klinge in den Gesetzgebungsmaterialien nicht einmal an. Hinzu komme, dass gerade in diesen Regionen die Einführung eines reinen Gebührensystems zu einer nicht gerechtfertigten Mehrbelastung der Eigentümer ganzjährig genutzter Grundstücke führe.

29

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Das Urteil ist dem Beklagten ausweislich Empfangsbekenntnisses am 12. März 2010 zugestellt worden. Er hat am 15. März 2010 beim Verwaltungsgericht Berufung gegen das Urteil eingelegt und diese mit am 06. April 2010 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz im Wesentlichen wie folgt begründet:

30

Die angefochtene Entscheidung begegne ernstlichen Richtigkeitszweifeln, die Frage des Systemwechsels sei von grundsätzlicher Bedeutung. Die Satzung wie auch die ihr zugrunde liegende Kalkulation seien entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts rechtmäßig. Auf die Entscheidung des Senats zum Az. 1 M 157/08 und den dortigen sowie anderweitigen Vortrag werde verwiesen. Die in ihr thematisierte Problematik der im Rahmen der Gebührenkalkulation nicht berücksichtigten Einnahmen aus Beiträgen sei obsolet. Die vereinnahmten Trinkwasserbeiträge würden laufend zurückgezahlt, was im Erlasswege geschehe. Der Zweckverband befinde sich auch in einer atypischen Situation im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Dabei sei, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt habe, der Inhalt der Gesetzesmaterialien ohne Belang. Unklar sei dann aber, weshalb das Verwaltungsgericht diese teilweise ausführlich thematisiere und letztlich doch zur Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V dort heranziehe, wo dies der Auffassung des Gerichts dienlich scheine. Einer solchen Auslegung bedürfe es nicht, weil der Regelungsgehalt einer Soll-Regelung geklärt sei. Ob eine atypische Ausnahme vorliege, die es rechtfertigen könne, von der Soll-Regelung abzuweichen, beurteile sich nach allgemeinen tatsächlichen Kriterien. Die Soll-Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V habe die Rechtslage öffnen und Spielräume geben wollen. Diese seien vom Zweckverband in nicht zu beanstandender Weise genutzt worden. Insbesondere von den Gerichten sei zu klären, ob Regionen mit einer ausgeprägten touristischen Struktur eine atypische Ausnahmesituation für sich in Anspruch nehmen dürften.

31

Mit am 14. Dezember 2010 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, es liege ein atypischer Fall vor, der den Zweckverband berechtige, auf ein reines Gebührenmodell zu wechseln. Für die Forderung des Verwaltungsgerichts, es müsse eine bestimmte Kreditquote eingehalten werden, würden weder § 44 Abs. 3 KV M-V noch der – gelockerte – § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V etwa hergeben. Im Hinblick auf die „zwingende“ Bestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 müsse beachtet werden, dass sie von 90 % der betroffenen Körperschaften eben nicht als zwingend angesehen worden sei. Das Gebührensystem sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht ungerechter. Ein Beispiel für die bis zur Unzumutbarkeit reichenden Schwierigkeiten in der täglichen Anwendung des Rechts im Bereich der Beitragserhebung stelle die wohl richtige jüngere Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern zum Az. 4 K 12/07 dar. Es habe als gesichert gelten dürfen, dass der Grundsatz der Typengerechtigkeit auch bei der rechtlichen Beurteilung einer Tiefenbegrenzung Bedeutung gewinnen könne. Dies könne nach der genannten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht mehr angenommen werden. Auch habe es als gesichert gelten dürfen, dass eine satzungsmäßige Tiefenbegrenzung von 50 m aufgrund von Vorschriften im Brandschutzrecht, die von einer Ortsüblichkeit der Bebauung in dieser Tiefe ausgingen, nicht gesondert zu begründen sei. Die gewählte Tiefenbegrenzung müsse nun aber nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts in jedem Fall in Ausübung dargelegten Ermessens hergeleitet und erläutert sein. Anderenfalls fehle es an einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung und damit an einer methodisch korrekten Kalkulation. Keiner der in der Vergangenheit beschlossenen Wasserversorgungsbeitragssatzungen des Zweckverbandes habe eine dokumentierte Erfassung der ortsüblichen Bebauungstiefe zugrunde gelegen. Die jeweils gewählte Grenze von 50 m habe allein auf der sog. „Feuerwehrschlauch-Rechtsprechung“ beruht. Ein Systemwechsel liege nicht vor, weil es niemals eine rechtmäßige Trinkwasserbeitragserhebung gegeben habe.

32

Der Beklagte beantragt,

33

die Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

34

Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

36

Sie trägt vor,

37

die Berufung des Beklagten sei bereits gemäß § 124 a Abs. 3 Satz 5 VwGO unzulässig, da die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 124 a Abs. 3 Satz 2 VwGO nicht genüge. Insbesondere begründe der Beklagte die zwei geltend gemachten Berufungsgründe der „ernstlichen Richtigkeitszweifel“ und der grundsätzlichen Bedeutung der „Angelegenheit Systemwechsel“ nicht hinreichend. Die bloße Bezugnahme auf das Vorbringen erster Instanz und in diversen anderen Verfahren genüge nicht. Es fehle insgesamt an der rechtlichen Auseinandersetzung mit dem angegriffenen Urteil. Mit Blick auf die zwischenzeitlichen Entscheidungen des Senats in parallelen Beschwerdeverfahren würden für Beschwerde- und Berufungsbegründung die gleichen Maßstäbe gelten. Die Berufung sei zumindest unbegründet. Die Unwirksamkeit der möglichen Rechtsgrundlagen ergebe sich neben den Erwägungen des Verwaltungsgerichts Greifswalds auch aus den Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 25. Mai 2009 – 1 M 157/08 –. Unzutreffend sei die Auffassung des Beklagten, die in diesem Beschluss thematisierte Problematik der im Rahmen der Gebührenkalkulation nicht berücksichtigten Einnahmen aus Beiträgen sei obsolet, da die vereinnahmten Trinkwasserbeiträge laufend zurückgezahlt würden. Der Beklagte habe sein Satzungsrecht nicht angepasst; unabhängig davon trage er schon nicht vor, warum in seinem Verbandsgebiet eine atypische Situation vorliege. Der Beklagte behaupte lediglich, in seinem Verbandsgebiet herrsche eine touristische Struktur vor. Warum es sich bei dieser um eine „atypische“ handele und sie sich im Übrigen atypisch auf die Beitragserhebung auswirke, sei bisher auch nicht erläutert. Die Beitragserhebung im Abwasserbereich laufe problemlos, dort gebe es anscheinend keine atypische Situation. Selbst wenn die reine Gebührenfinanzierung – wie vorgetragen werde – abgabengerechter wäre, führte die bloße größere Abgabengerechtigkeit in einem Verbandsgebiet nicht zu einer atypischen Situation. Die reine Gebührenfinanzierung sei bei einer touristischen Struktur außerdem gerade nicht abgabengerechter, weil damit die Dauernutzer für die – aufgrund der Wochenend- und Feriennutzung – notwendigen Spitzenlastreserven anteilig durch den ganzjährigen Wasserverbrauch mehr zahlten als diejenigen, die für die „Spitzenlasten“ verantwortlich seien. Die vom Beklagten vorgelegten Unterlagen zur Tiefenbegrenzungsregelung der früheren Wasserversorgungsbeitragssatzung seien unzureichend. Bei ordnungsgemäßer Ermessensausübung wäre die Tiefenbegrenzung ebenfalls auf 50 m festgelegt worden, somit sei die Satzung nach den zwischenzeitlich durchgeführten Ermittlungen wirksam gewesen. Die Beitragsbescheide seien bestandskräftig und nicht aufgehoben worden. Auch deshalb sei die Systemumstellung rechtswidrig. Die Kalkulation der Gebühr sei nicht nachvollziehbar.

38

Auf eine vom Berichterstatter gegenüber dem Beklagten erlassene Verfügung gemäß § 87 b Abs. 2 VwGO hat der Beklagte in der ihm zum 07. März 2011 gesetzten Frist u. a. ergänzend vorgetragen: Bei den wesentlichen Ursachen der Gebührenerhöhung fielen Personalaufwand, sonstige betriebliche Aufwendungen sowie Steuern besonders ins Gewicht. Der Systemwechsel bzw. der Umstand, dass erst jetzt vollumfänglich Gebühren erhoben würden, schlage sich im ersten Jahr bei der Gebühr mit ca. 30 Cent, im zweiten Jahr mit noch ca. 19 Cent und ab dem dritten Jahr nur noch mit ca. 2 Cent nieder. Die Beitragsrückzahlung erfolge aus Kreditmitteln. Allerdings habe der Festlegung der Tiefenbegrenzung auf 50 m in den Satzungswerken des Zweckverbandes eine Ermittlung der örtlichen Verhältnisse/ortsüblichen Bebauungstiefe nebst entsprechender Dokumentation zur Untermauerung der Ermessensentscheidungen, wie sie nun das OVG Mecklenburg-Vorpommern im Sinne methodisch korrekten Kalkulationsvorgehens verlange, nie zu Grunde gelegen. Es habe eine gefestigte Einschätzung bei den zuständigen Sachbearbeitern bestanden. Danach entspreche diese Begrenzung der ortsüblichen Bebauung zumindest insoweit sicher, dass sich jedenfalls keine offenkundigen Unbilligkeiten häuften. Aufgrund dieser aus profunder persönlicher Ortskenntnis und punktuell in Ortsbegehungen gewonnenen Einschätzung seien Ermittlungen, die bislang nur bei Festlegung einer anderen als der 50-Meter-Begrenzung angezeigt erschienen, für entbehrlich gehalten worden. Gezielte bzw. methodische Erhebungen geschweige denn explizite Dokumentationen diesbezüglich, die das Verbandsgebiet insgesamt oder auch nur ermessensrichtig ausgewählte Repräsentativbereiche zum Gegenstand hätten, würden erst jetzt, im Nachgang zur OVG-Rechtsprechung, durchgeführt und sollten noch im März 2011 abgeschlossen werden.

39

Zwischenzeitlich sind zwischen den Beteiligten weitere Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anhängig gewesen, in denen die Klägerin erstinstanzlich obsiegt hat; die Beschwerden des Beklagten, die im Wesentlichen wortlautidentisch mit seiner Berufungsbegründung gemäß Schriftsatz vom 31. März 2010 gewesen sind, hat der Senat mit Beschlüssen vom 24. November 2010 mangels Erfüllung des Darlegungserfordernisses als unzulässig verworfen (Az. 3 B 406/10 und 1 M 145/10, 3 B 542/10 und 1 M 150/10; 3 B 811/10 und 1 M 213/10; 3 B 912/10 und 1 M 214/10; 3 B 1003/10 und 1 M 229/10), ebenso die Beschwerde in einem Parallelverfahren (Beschluss v. 23.11.2010 – 1 M 125/10 –).

40

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, ferner auf die gerichtlichen Verfahrensakten Az. 1 L 125/10 samt Beiakten, 1 M 157/08, 1 M 19/09, 1 M 145/10, 1 M 150/10, 1 M 213/10, 1 M 214/10 und 1 M 229/10, die sämtlich zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

41

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg; sie ist zulässig (I.) und begründet (II.).

42

I. Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht eingelegte Berufung des Beklagten ist entgegen der Auffassung der Klägerin zulässig.

43

1. Die nach Zustellung des Urteils am 12. März 2010 in der Frist des § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO am 15. März 2010 beim Verwaltungsgericht eingelegte Berufung bezeichnet zunächst das angefochtene Urteil hinreichend im Sinne von § 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist es erforderlich, dass Gewissheit über die Identität des angefochtenen Urteils besteht. Eine vollständige Bezeichnung des angefochtenen Urteils erfordert grundsätzlich die Angabe der Beteiligten, des Verwaltungsgerichts, des Aktenzeichens und des Verkündungsdatums (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 124a VwGO Rn. 34, 170 ff.; BGH, Beschl. v. 21.03.1991 – IX ZB 6/91 –, NJW 1991, 2081 – zitiert nach juris; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 02.11.2004 – 1 B 144/04 –, Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 21 – zitiert nach juris). Die Berufungsschrift des Beklagten benennt zwar das Aktenzeichen des angefochtenen Urteils nicht. Vorliegend ist das Urteil jedoch aufgrund sonstiger, innerhalb der Rechtsmittelfrist des § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO erkennbarer Umstände derart individualisierbar, dass seine Identität für den Rechtsmittelgegner und das angerufene Gericht zweifelsfrei feststeht (vgl. BGH, Urt. v. 27.06.1984 – VIII ZR 213/83 –, VersR 1984, 870 –; Beschl. v. 12.04.1989 – IVb ZB 23/89 –, NJW-RR 1989, 958 – jeweils zitiert nach juris). Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hatte am 15. März 2010 zunächst um 11.26 Uhr sein Empfangsbekenntnis, das Urteil vom 24. Februar 2010 – 3 A 1156/08 – am 12. März 2010 erhalten zu haben, per Telefax übermittelt. Die Berufungsschrift ging am selben Tag um 17.16 Uhr auf demselben Weg beim Verwaltungsgericht ein. Insbesondere mit Blick auf die in der Berufungsschrift enthaltene Angabe des Zustellungsdatums war eine hinreichende Verknüpfung zum Empfangsbekenntnis hergestellt, das das Aktenzeichen des Urteils benannte. Auf dieser Basis hat das Verwaltungsgericht eine entsprechende Zuordnung der Berufung vorgenommen, ebenso das Berufungsgericht im Rahmen der Eingangsverfügung. Die am 06. April 2010 schließlich in der Frist des § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO eingegangene Berufungsbegründung spricht entsprechend von der „hier angefochtenen Entscheidung zum Az. 3 A 1156/08“.

44

2. Dieser am 06. April 2010 in der Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1, 2 VwGO beim Oberverwaltungsgericht eingereichte Schriftsatz des Beklagten vom 31. März 2010 zur Begründung der Berufung genügt entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin auch noch den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO, wonach die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten muss sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).

45

Dem Antragserfordernis und dem Formerfordernis einer gesonderten Berufungsbegründung wird nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig entsprochen, wenn in dem einzureichenden Schriftsatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass, in welchem Umfang und weshalb der Berufungsführer die zugelassene Berufung durchführen will (stRspr des BVerwG; vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 02.06.2005 – 10 B 4.05 –, juris; Beschl. v. 16.12.2004 – 1 B 59.04 –, juris Rn. 2; Beschl. v. 07.03.2003 – 2 B 32.02 –, juris Rn. 4; Beschl. v. 08.03.2004 – 4 C 6.03 –, Buchholz 310 § 124 a VwGO Nr. 26; jeweils zitiert nach juris). Der Wortlaut des 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO, die nach seiner Entstehungsgeschichte gewollte Anlehnung an die im verwaltungsprozessualen Revisionsrecht und im Zivilprozess für die Berufungsbegründung geltenden Anforderungen sowie der Zweck der Bestimmung, mit der Berufungsbegründungspflicht die Berufungsgerichte zu entlasten und dadurch das Berufungsverfahren zu straffen und zu beschleunigen, lassen erkennen, dass die Berufungsbegründung dabei substantiiert und konkret auf den zu entscheidenden Fall bezogen sein muss (vgl. BVerwG, Beschl. v. 09.12.2004 – 2 B 51.04 –, juris). Sie hat in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Einzelnen auszuführen, weshalb das angefochtene Urteil nach der Auffassung des Berufungsführers unrichtig ist und geändert werden muss (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.07.2008 – 10 B 3.08 –, juris). Welche Mindestanforderungen in Anwendung dieser Grundsätze jeweils an die Berufungsbegründung zu stellen sind, hängt wesentlich von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.04.2001 – 1 C 33.00 –, BVerwGE 114, 155 – zitiert nach juris; vgl. zum Ganzen auch BVerwG, Beschl. v. 02.06.2005 – 10 B 4.05 –, juris). Grundsätzlich kann es zur Erfüllung des Begründungserfordernisses aus § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO nicht ausreichen, dass der Berufungskläger in der Berufungsbegründung erklärt, er halte an seiner erstinstanzlich bereits dargelegten Rechtsauffassung fest und wünsche eine Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht, er nehme insoweit – konkludent – Bezug auf den erstinstanzlichen Vortrag (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.03.2005 – 5 B 58.04 –, juris). Soweit das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Beschl. v. 30.01.2009 – 5 B 44.08 –, Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 39; Beschl. v. 02.07.2008 – 10 B 3.08 –; Urt. v. 08.03.2004 – 4 C 6.03 –, Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 26 = NVwZ-RR 2004, 541 – jeweils zitiert nach juris) eine Bezugnahme auf das Zulassungsvorbringen im Begründungsschriftsatz für zulässig hält, betrifft dies nur die Bezugnahme auf das Zulassungsvorbringen, also auf die Begründung im Antragsverfahren auf Zulassung der Berufung, nicht hingegen auf die Begründung im erstinstanzlichen Klageverfahren. Insoweit gilt mithin, dass die pauschale Bezugnahme auf einen gegenüber der Vorinstanz eingenommenen Rechtsstandpunkt grundsätzlich nicht ausreichend sein kann.

46

Die Berufungsbegründung des Beklagten in dessen Schriftsatz vom 31. März 2010 erfüllt noch die nach Maßgabe dieses Maßstabes von § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO gestellten Anforderungen, obwohl der Senat seine Beschwerden in parallel gelagerten Beschwerdeverfahren insbesondere zwischen den Beteiligten, deren Begründungen im Wesentlichen wortlautidentisch mit dieser Berufungsbegründung gewesen sind, jeweils mit Beschlüssen vom 24. November 2010 mangels Erfüllung des Darlegungserfordernisses gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO als unzulässig verworfen hat.

47

Zunächst ist prinzipiell zu berücksichtigen, dass mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein nach der Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht überspannt werden und dieses nicht leer laufen lassen dürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642; Beschl. v. 08.12.2009 – 2 BvR 758/07 –, NVwZ 2010, 634, 640). Dies gilt umso mehr in Verfahren, in denen der Rechtsmittelführer wegen der Verneinung von Zulässigkeitsvoraussetzungen einen endgültigen Rechtsverlust erleiden würde, also insbesondere mit Blick auf § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO. Die Prozesssituation stellt sich – hier – im Berufungsverfahren damit grundlegend anders dar als im Beschwerdeverfahren, in denen der Rechtsmittelführer bei Verneinung der dort geltenden Darlegungsanforderungen grundsätzlich – obsiegt er später im Hauptsacheverfahren – „nur“ zeitlich vorübergehend, für die Dauer des Hauptsacheverfahrens eine Rechtsbeeinträchtigung, aber keinen endgültigen Rechtsverlust hinnehmen müsste.

48

Die entscheidungstragenden Erwägungen aus den Senatsbeschlüssen in den erwähnten Beschwerdeverfahren können vorliegend zudem schon deshalb nicht „eins zu eins“ übernommen werden, weil die für das Erfordernis der Begründung des jeweiligen Rechtsmittels geltenden gesetzlichen Anforderungen in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO einerseits und § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO andererseits vom Gesetzgeber grundlegend unterschiedlich formuliert worden sind: Während § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO die Darlegung der Gründe, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und ausdrücklich die Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung verlangt, fordert § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO „nur“, dass die Gründe der Anfechtung – die „Berufungsgründe“ – im Einzelnen anzuführen sind. Gerade der Verzicht auf das Erfordernis der Auseinandersetzung gibt schon nach dem Wortlaut des Gesetzes einen deutlichen Hinweis darauf, dass die Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO gegenüber denen des § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO weniger streng sind.

49

Zudem sind vorliegend besondere Umstände des konkreten Einzelfalles zu beachten, die die an die Berufungsbegründung des Beklagten zu stellenden Mindestanforderungen herabsenken. Insbesondere unter Berücksichtigung seines Vorbringens in den in gleicher Angelegenheit bzw. hinsichtlich der gleichen Rechtsfragen schon im Vorfeld der Berufung geführten vorläufigen Rechtsschutz- bzw. Beschwerdeverfahren (Az. 1 M 157/08, 1 M 19/09) – auf die sich der Beklagte teilweise ausdrücklich, wenn auch pauschal, bezieht – ergibt sich hinreichend, dass der Beklagte – nach wie vor – für das Berufungsgericht erkennbar auf dem Rechtsstandpunkt steht, aus § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V folge ebenso wie aus § 44 Abs. 3 KV M-V entgegen der vom Verwaltungsgericht auch in dem angefochtenen Urteil geäußerten Rechtsauffassung keine Beitragserhebungspflicht in dem Sinne, dass diese eine Gebührenfinanzierung ausschließen würde; jedenfalls würden sich aus den von ihm angeführten Umständen hinreichend Gründe ergeben, die eine atypische Situation, wie sie das Verwaltungsgericht als erforderlich für die Normierung eines reinen Gebührensystems verlange, begründeten. Hieran knüpft die Berufungsbegründung ersichtlich an und macht damit unter Berücksichtigung der vorweggeschickten grundsätzlichen Erwägungen zu den verfassungsrechtlichen Maßgaben für das Rechtsmittelrecht und den Unterschieden in den Begründungsanforderungen der verschiedenen Rechtsmittel nach der VwGO gerade noch hinreichend deutlich, dass der Beklagte das stattgebende Urteil mit der Berufung insgesamt angreifen will und weshalb er abweichend vom Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig hält. Insbesondere den Ausführungen zur – nach Auffassung des Beklagten – Unbeachtlichkeit der Entstehungsgeschichte kann noch entnommen werden, dass auch die von ihm ins Feld geführten Aspekte der touristischen Struktur entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts eine atypische Situation begründen können sollen, die das Gebührenfinanzierungssystem des ZWAR rechtfertigten. Ferner hat er vorgetragen, „das Problem (solle) im Bereich der Kommunalabgaben verbleiben, wo es systematisch hingehöre, und nicht über die sonst zu erhebende Umlage in das die (auch die nicht bevorteilte) Allgemeinheit betreffende Steuerrecht verlagert werden“. Damit vertritt der Beklagte noch erkennbar auch den Standpunkt, dass systematisch das allgemeine Kommunalverfassungsrecht nicht die Auslegung des spezielleren Kommunalabgabenrechts determinieren könne. Ferner kann sein Vortrag dahin verstanden werden, dass zwar Abgaben nach dem Kommunalabgabengesetz erhoben werden müssen und nicht in eine Steuerfinanzierung ausgewichen werden dürfe, innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens aber keine Beitragserhebungspflicht bestehe. Eine darüber hinausgehende substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils verlangt § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO – anders als § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO – hingegen nicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.06.2005 – 10 B 4.05 –, juris; vgl. allerdings auch BVerwG, Beschl. v. 02.07.2008 – 10 B 3.08 –, juris; Beschl. v. 03.03.2005 – 5 B 58.04 –, juris). Der Berufungsführer genügt grundsätzlich seiner gesetzlichen Begründungspflicht, wenn er in der Berufungsbegründung an seiner in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht insoweit hinreichend konkret erläuterten Auffassung festhält, der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig, und dadurch zum Ausdruck bringt, dass er von den gegenteiligen Erwägungen des angefochtenen Urteils nicht überzeugt ist. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO verlangt demgegenüber nicht, dass der Berufungsführer hierzu auf die Begründungserwägungen des angefochtenen Urteils im Einzelnen eingeht. Würde dies gefordert, lehnte sich der Senat zu eng an die Rechtsprechung zur Berufungsbegründung im Zivilprozess und zur Revisionsbegründung im Verwaltungsprozess an und berücksichtigte dabei zu wenig die Unterschiede zwischen diesen Verfahren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.06.2005 – 10 B 4.05 –, juris).

50

Ebenso wenig musste der Beklagte sich in seiner Berufungsbegründung näher dazu verhalten, dass der Senat in seinem Beschluss vom 25. Mai 2009 – 1 M 157/08 – entscheidungstragend angenommen hatte, die Wasserversorgungsgebührensatzung vom 20. März 2008 sei wegen einer methodisch fehlerhaften Kalkulation unwirksam. Das Verwaltungsgericht ist – anders als etwa in seinem Beschluss vom 08. Juni 2010, Az. 3 B 406/10 (1 M 145/10), weil darin lediglich auf die S. 10 ff. des Entscheidungsumdrucks des vorliegend angefochtenen Urteils verwiesen wird – der entsprechenden Rechtsauffassung des Senats entgegen getreten. Da dies für den Beklagten günstig war, bestand unabhängig von der Frage der Richtigkeit der entsprechenden verwaltungsgerichtlichen Ausführungen für ihn keine Veranlassung, hierzu in der Berufungsbegründung näher vorzutragen.

51

II. Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 24. Februar 2010 ist zu ändern und die Klage abzuweisen.

52

Die zulässige Klage der Klägerin ist unbegründet; die angefochtenen Gebührenbescheide sind – soweit angefochten – rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

53

Den Bescheiden liegt mit der Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung- über die Erhebung von Gebühren für die Wasserversorgung (Wasserversorgungsgebührensatzung – WVGS 2008) vom 20. März 2008 in der Fassung der 1. Änderung vom 03. September 2008 die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche wirksame Rechtsgrundlage zugrunde. Das in § 1 Abs. 1 Buchst. a) WVGS 2008 grundsätzlich und in weiteren Satzungsbestimmungen näher ausgeformte System der Finanzierung zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlagen (sog. reines Gebührenfinanzierungssystem) ist rechtmäßig. Es steht entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts und der Klägerin nicht im Gegensatz zu § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, wonach „zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebundenen Versorgung mit Wasser oder Wärme oder zur leitungsgebundenen Abwasserentsorgung Anschlussbeiträge erhoben werden sollen“.

54

§ 1 Abs. 1 Buchst. a) WVGS 2008 bestimmt für eine solche öffentliche Wasserversorgungseinrichtung, dass der Zweckverband Wasserversorgung nach Maßgabe dieser Satzung Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung Wasserversorgung zur Deckung der Kosten gemäß § 6 Abs. 2 KAG M-V sowie zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung öffentlicher Wasserversorgungsanlagen erhebt. Diese satzungsrechtlich vorgeschriebene Refinanzierung des Herstellungsaufwandes für die vom Zweckverband betriebene öffentliche Wasserversorgungsanlage steht sowohl mit § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V (1.) als auch mit sonstigem höherrangigen Recht (2.) in Einklang.

55

1. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V begründet keine Beitragserhebungspflicht in dem Sinne, dass eine teilweise oder vollständige Gebührenfinanzierung des Herstellungsaufwandes für alle Träger von Wasserversorgungseinrichtungen im Land Mecklenburg-Vorpommern grundsätzlich ausgeschlossen wäre. Die Bestimmung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass sie jedenfalls dann, wenn ein Versorgungsträger erstmalig (gewissermaßen in der „Stunde Null“) in rechtswirksamer Weise die Entscheidung über die Art und Weise der Refinanzierung des Herstellungsaufwandes für seine Einrichtung zu treffen hat bzw. sie – wie regelmäßig anzunehmen ist – in der Vergangenheit bereits getroffen hat, dessen grundsätzliches Wahlrecht hinsichtlich der Finanzierungsart, das schon nach altem Recht nach Maßgabe des Kommunalabgabengesetzes vom 01. Juni 1993 (KAG 1993) bestand, nicht – rückwirkend – einschränkt. Ihr unmittelbares Regelungsziel besteht darin, (nur) in den Fällen, in denen sich ein Versorgungsträger in der Vergangenheit bereits rechtswirksam für eine Beitragsfinanzierung entschieden hat, zukunftsgerichtet die Möglichkeit, von diesem Refinanzierungssystem zu Gunsten eines anderen Systems wieder abzurücken, zwar nicht vollständig, aber doch weitgehend nach Maßgabe einer Soll-Bestimmung in der Regel auszuschließen bzw. einzuschränken. Sie hat also gerade den „echten“ Systemwechsel im Blick, der dadurch zu charakterisieren ist, dass ein Versorgungsträger ein bestehendes System rechtswirksamer bzw. rechtmäßiger Beitragsfinanzierung seines Herstellungsaufwandes durch eine Gebühren- oder anderweitige Finanzierung (privatrechtliche Entgelte) ablösen will. Eine Beitragserhebungspflicht begründet § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V nach Maßgabe einer Soll-Bestimmung in allen Fällen, in denen eine wirksame Beitragssatzung und damit eine wirksame Rechtsgrundlage für eine Beitragserhebung existiert. Daraus folgt im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats insbesondere die Verpflichtung, einen wirksam entstandenen Beitragsanspruch vollständig auszuschöpfen, etwa auch Beiträge nachzuerheben (vgl. Urt. v. 15.12.2009 – 1 L 323/06 –, juris).

56

a) Einen zentralen Schlüssel und damit Zugang zum Verständnis des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bieten die Regelungen und das Normgefüge des Kommunalabgabengesetzes 1993 – hier insbesondere des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993. Diesen kann eine Beitragserhebungspflicht in dem vom Verwaltungsgericht angenommenen umfassenden Sinne, derzufolge Beiträge grundsätzlich in jedem Fall ausnahmslos – also nicht nur in der vorstehend skizzierten Situation – vorrangig gegenüber Gebühren zu erheben sind, nach Überzeugung des Senats nicht entnommen werden. Vielmehr ließen die Bestimmungen des KAG 1993 dem Einrichtungsträger grundsätzlich eine Wahlfreiheit hinsichtlich der Art der Finanzierung des Herstellungsaufwandes.

57

Eine reine Gebührenfinanzierung verstieß unter der Geltung des KAG 1993 nicht gegen dessen § 8 Abs. 1 KAG 1993. Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, den Aus- und Umbau, die Verbesserung, Erweiterung und Erneuerung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen und Anlagen sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 nach festen Verteilungsmaßstäben von denjenigen Grundstückseigentümern, zur Nutzung von Grundstücken dinglich Berechtigten und Gewerbebetreibenden zu erheben, denen hierdurch Vorteile erwachsen. Die Beiträge sind nach Vorteilen zu bemessen (Satz 2).

58

Diese Vorschrift hat keine Pflicht der abgabenberechtigten Körperschaft angeordnet, den Aufwand für Herstellung, Aus- und Umbau der öffentlichen Einrichtung speziell durch Beiträge zu decken. Ihr ist kein Vorrang der Beitragserhebung im Verhältnis zu einer Refinanzierung des Herstellungsaufwandes durch die Erhebung von Gebühren zu entnehmen (so auch Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: August 2010, § 9 Anm. 2.1, S. 8 und Aussprung, Wichtige Änderungen des Kommunalabgabenrechts Mecklenburg-Vorpommern durch das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes, NordÖR 2005, 245; vgl. auch Sauthoff, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2009, § 8 Rn. 1611 einerseits, Rn. 1614 am Ende andererseits).

59

Bereits der Wortlaut der Vorschrift spricht nicht zwingend für eine Beitragserhebungspflicht, die ein Refinanzierungssystem auf der Grundlage einer reinen Gebührenerhebung ausschließen würde. Er lässt für sich betrachtet im Gegenteil eher als die Festlegung einer Beitragserhebungspflicht ein Normverständnis zu, wonach sich die durch das Wort „sind“ geregelte Anordnung sprachlich auf die Art der Verteilungsmaßstäbe und den Kreis der Beitragspflichtigen bezieht und die Rechtsfolge von § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 damit ihrer Zielrichtung nach der des Satzes 2 dieser Regelung entspricht. Danach sind Beiträge nach Vorteilen zu bemessen. Die Beitragserhebungspflicht stünde demgemäß nicht auf der Rechtsfolgenseite, sondern erwiese sich als tatbestandliche Voraussetzung und wäre inhaltlich also wie folgt zu verstehen: Wenn Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung … erhoben werden, dann sind sie (zwingend im Sinne einer Muss-Vorschrift) nach festen Verteilungsmaßstäben von denjenigen Grundstückseigentümern, zur Nutzung von Grundstücken dinglich Berechtigten und Gewerbetreibenden zu erheben, denen hierdurch Vorteile erwachsen. Mit diesem nach dem Wortlaut der Bestimmung deutlich näher liegenden Normverständnis ist ohne weiteres ersichtlich keine Beitragserhebungspflicht für Herstellungskosten insbesondere der leitungsgebundenen Einrichtungen der Wasserversorgung geregelt, erst recht kein Vorrang der Beitrags- gegenüber der Gebührenerhebung. Eine solche Interpretation der Bestimmung steht im Einklang mit der zu dem wortidentischen § 8 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz des Landes Schleswig-Holstein vertretenen herrschenden Rechtsauffassung. Auch dort wird der Gesetzeswortlaut so verstanden, dass für den Fall der Beitragserhebung Beiträge nach festen Verteilungsmaßstäben zu erheben sind, ohne dass hieraus eine Beitragserhebungspflicht hergeleitet werden könnte (vgl. Habermann, in: KAG S-H, Kommentar, Stand: November 2010, § 8, Rn. 12).

60

Gegen die Herleitung einer Beitragserhebungspflicht bereits aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 KAG 1993 spricht auch die dessen Satzstruktur ähnliche Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993. Danach „sind“ Benutzungsgebühren zu erheben, „wenn eine Einrichtung oder Anlage überwiegend der Inanspruchnahme einzelner Personen oder Personengruppen dient, sofern nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird“. Dieser Bestimmung ist im Sinne einer Definition der Benutzungsgebühr (s. dazu Siemers, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: August 2010, § 6, Anm. 2) zu entnehmen, dass die Gebühr im Falle der Inanspruchnahme einer Einrichtung oder Anlage durch einzelne Personen oder Personengruppen erhoben wird. Sie regelt hingegen nicht, dass für Einrichtungen oder Anlagen, die überwiegend der Inanspruchnahme durch Personen dienen, Gebühren erhoben werden müssen. Wollte man die Regelung in diesem Sinne als Muss-Vorschrift verstehen und entnähme man auch dem vergleichbar strukturierten § 8 Abs. 1 KAG eine Pflicht zur Erhebung von Beiträgen, so bestünde für dieselbe Anlage oder Einrichtung zugleich sowohl eine Gebühren- als auch eine Beitragserhebungspflicht. Denn nach beiden Bestimmungen kann ohne weiteres ausgehend von den jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen die Refinanzierung der Herstellungskosten der öffentlichen Einrichtung der leitungsgebundenen Trinkwasserversorgung in die jeweils geregelte Abgabenform einbezogen werden. Ein solches Ergebnis kann nicht gewollt sein. Die Festlegung einer auf die Erhebung bestimmter Abgaben gerichteten Pflicht des Einrichtungsträgers hätte daher eine dahingehend eindeutige und klare Bestimmung erfordert. Dies gilt umso mehr, als allgemein anerkannt ist, dass dem Ortsgesetzgeber bzw. Zweckverband bei abgabenrechtlichen Regelungen ein weitgehender Gestaltungsspielraum zusteht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2006 – 8 BN 3.05 –, SächsVBl. 2006, 163 – zitiert nach juris; Urt. v. 16.09.1981 – 8 C 48.81 –, DVBl. 1982, 76 – zitiert nach juris).

61

Auch die Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 1 KAG 1993 erlaubt nicht den Schluss auf eine Verpflichtung des Abgabenberechtigten zur Erhebung von Beiträgen. In der Begründung des Gesetzentwurfes der Landesregierung zu dieser Bestimmung (LT-Drs. 1/2558) heißt es zwar, dass Beiträge zu erheben seien sowohl für die Herstellung, den Aus- und Umbau sowie für die Verbesserung, Erweiterung und Erneuerung von Straßen als auch für Maßnahmen der Abwasserbeseitigung (S. 25). An anderer Stelle der Begründung (a.a.O., S. 26) heißt es dann aber, dass öffentliche Einrichtungen und Anlagen (z.B. Abwasserbeseitigung, Wasserversorgung) Gegenstand der Maßnahmen seien, die eine Beitragspflicht auslösen „können“. Der bei Siemers (a.a.O., § 6, Anm. 5.4.2.2) wiedergegebenen Stellungnahme des Innenministeriums (Ausschussdrucksache 1/34) kann entnommen werden, dass es mit der Schaffung von § 8 Abs. 1 KAG 1993 (vgl. § 8 Abs. 1 KAG 1991 „können“) darum ging zu verhindern, dass den Kommunen auch bei Straßenbaubeiträgen (Ausbaubeiträgen) ein Wahlrecht zustehen würde, wenn das Gesetz den Begriff „können“ enthielte. Bei Straßenbaubeiträgen würde eine Gebührenerhebung ausscheiden und daher bestand die Befürchtung, dass bei einem Verzicht auf die Erhebung von Beiträgen überhaupt keine Refinanzierung durch spezielle Entgelte stattfinden könnte. Es sollte für die Refinanzierung von Straßenausbaumaßnahmen der gleiche rechtliche Zustand geschaffen werden wie er nach den Bestimmungen des Baugesetzbuches für Erschließungsbeiträge bestehe, wonach die Gemeinden zur Erhebung verpflichtet seien. Dass der Gesetzgeber allgemein das Verhältnis von Gebühren- und Beitragserhebung hatte regeln wollen, ist damit an keiner Stelle des Gesetzgebungsverfahrens festzumachen. Vielmehr drängt sich die Annahme auf, dass allein verhindert werden sollte, durch eine Erhebungsfreistellung bei Straßenausbaumaßnahmen Finanzierungsausfälle zu verursachen.

62

Ebenfalls gegen eine aus § 8 Abs. 1 KAG 1993 folgende Pflicht zur Erhebung von Beiträgen spricht, dass es den kommunalen Einrichtungsträgern freistand, anstelle von öffentlich-rechtlichen Beiträgen oder Gebühren privatrechtliche Entgelte zu erheben. Diese nunmehr ausdrücklich auch für das Verhältnis zu Beiträgen in § 1 Abs. 3 KAG M-V geregelte Refinanzierungsalternative hat ebenso unter Geltung des Kommunalabgabengesetzes vor der Novellierung im Jahre 2005 bestanden (vgl. Siemers, a.a.O., § 6, Anm. 4.7; vgl. auch Brüning, Kombination und Surrogation öffentlich-rechtlicher Abgaben und privatrechtlicher Entgelte in der kommunalen Ent- und Versorgungswirtschaft, KStZ 2004, 181 ff.). Zwar ist in § 6 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz KAG 1993 ausdrücklich nur die Erhebung von Benutzungsgebühren unter den Vorbehalt gestellt worden, dass nicht ein privatrechtliches Entgelt erhoben wird. Dieser Vorbehalt galt jedoch auch für das Verhältnis zur Beitragserhebung. In der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3 KAG M-V heißt es, dass diese Vorschrift Zweifel (vgl. dazu OVG Lüneburg, Urt. v. 25.06.1997 – 9 K 5855/95 –, NVwZ 1999, 566) daran ausräumen sollte, dass – wie im Übrigen für den überwiegenden Teil der Wasserversorgungseinrichtungen und verschiedene kommunale Abwasserentsorgungseinrichtungen tatsächlich bereits gehandhabt (s. dazu die Anlage zu dem Bericht der Landesregierung zur Erhebung von Anschlussbeiträgen gemäß §§ 7 und 9 KAG M-V für die zentrale Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, LT-Drs. 5/1652) – auch anstelle von Beiträgen privatrechtliche Entgelte erhoben werden konnten. Dies steht im Einklang mit der der Kommune grundsätzlich zustehenden Formenwahlfreiheit hinsichtlich der Regelung der Benutzungsverhältnisse ihrer öffentlichen Einrichtungen. Diese Wahlfreiheit ermöglicht eine privatrechtliche Ausgestaltung, etwa auch eine privatrechtliche Entgeltregelung, immer dann, wenn diese nicht durch kommunalrechtliche Vorschriften ausdrücklich ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.04.2005 – 8 CN 1.04 –, juris, Rn. 27). Solche Ausschlussvorschriften sah das Kommunalabgabengesetz vor der Novellierung im Jahr 2005 ebenso wenig vor wie in der nunmehr geltenden Fassung.

63

Den Bestimmungen des § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 kann letztlich entnommen werden, dass der Gesetzgeber diejenigen zur Deckung des Aufwandes für eine öffentliche Einrichtung heranziehen wollte, denen aus ihr bzw. ihrer Inanspruchnahme ein – unterschiedlich definierter – Vorteil erwächst. Nach seinen finanzpolitischen Vorstellungen soll der Sonderaufwand für die kommunalen öffentlichen Versorgungseinrichtungen, die dem Vorteil oder den Bedürfnissen einzelner oder bestimmter Gruppen dienen, also billigerweise nicht aus allgemeinen Finanzmitteln, letztlich dem Steueraufkommen, gedeckt werden, sondern von denen aufgebracht werden, denen nach dem Veranlassungs- oder Vorteilsprinzip dieser besondere Aufwand speziell zuzurechnen ist (vgl. Siemers, a. a. O., § 6 Anm. 4.1). Diese Zweckbestimmung der Vorschriften des KAG 1993 fand ihre Entsprechung in den kommunalverfassungsrechtlichen Bestimmungen des § 44 Abs. 1 und 2 KV M-V. Werden nicht zulässigerweise privatrechtliche Entgelte erhoben, haben die Kommunen/Zweckverbände keine Wahlmöglichkeit, die öffentlichen Einrichtungen der Wasserversorgung entweder aus allgemeinen Finanzmitteln/Steuern oder aus Abgaben zu finanzieren. In diesem Sinne kann man von einer Abgabenerhebungspflicht sprechen (vgl. VGH München, Urt. v. 15.04.1999 – 23 B 97.1108 –, juris Rn. 27 f. zu Art. 8 Abs. 2 Bay KAG; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 06.06.2007 – 9 A 77.05 –, LKV 2008, 377 – zitiert nach juris, Rn. 35). Eine Pflicht zur Beitragserhebung, die die Gebührenerhebung ausgeschlossen hat, bestand jedoch nicht (vgl. im Ergebnis wohl ebenso Siemers, a. a. O., § 6 Anm. 5.4.2.1 und 5.4.2.2; Aussprung, in: KAG M-V, Stand: August 2010, § 9 Anm. 2.1). Vielmehr dienen beide Abgabenarten demselben Ziel, Aufwendungen des Einrichtungsträgers für spezielle Leistungen sachgerecht zu finanzieren (vgl. VGH München, Urt. v. 15.04.1999 – 23 B 97.1108 –, a. a. O.).

64

Schließlich steht der dargestellten Interpretation des Normgefüges des KAG 1993 allgemein und von § 8 Abs. 1 KAG 1993 im Besonderen auch nicht § 44 KV M-V i. V. m. § 161 Abs. 1 KV M-V entgegen. Nach § 44 Abs. 1 KV M-V erhebt die Gemeinde Abgaben nach den gesetzlichen Vorschriften. Sie hat die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erträge und Einzahlungen, soweit vertretbar und geboten aus Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen und im Übrigen aus Steuern zu beschaffen, soweit die sonstigen Erträge und Einzahlungen nicht ausreichen (Absatz 2). Nach § 44 Abs. 3 KV M-V darf die Gemeinde Kredite für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen nur aufnehmen, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Dieser Bestimmung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nichts Entscheidendes für einen Vorrang der Beitrags- gegenüber der Gebührenfinanzierung entnommen werden.

65

§ 44 Abs. 1 und Abs. 2 KV M-V enthalten für die Abgabenerhebung einen Verweis auf die gesetzlichen Vorschriften und damit auf das Kommunalabgabengesetz. Der Begriff „geboten“ in Absatz 2 Nr. 1 spricht die für Entgelte, u. a. Gebühren und Beiträge bestehenden Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes an (Schröder, in: Schröder u. a.: Kommunalverfassungsrecht M-V, Stand: Dezember 2010, § 44, Rn. 6.2). § 44 KV M-V selbst enthält sich jeder näheren Regelung zur Frage der Abgabenfinanzierung kommunaler öffentlicher Einrichtungen. Damit ist hinsichtlich der Art und Weise der Refinanzierung des Aufwandes für kommunale Einrichtungen bei richtigem Verständnis des Regelungszusammenhangs das Kommunalabgabengesetz gegenüber § 44 KV M-V das speziellere Gesetz und liegt die Annahme fern, das Verhältnis von Gebühren- und Beitragsfinanzierung im Sinne eines Vorranges einer der Finanzierungsformen gegenüber der anderen wäre bereits durch § 44 Abs. 3 KV M-V vorgegeben bzw. das Normverständnis von § 8 Abs. 1 KAG 1993 wäre von dieser allgemeinen Bestimmung vorgezeichnet. Es spricht nichts dafür, dass für die grundlegende und spezielle Frage des Finanzierungssystems von kommunalen Einrichtungen als einzige abgabenrechtliche Fragestellung und systematisch gegenläufig zu der in § 44 Abs. 1 KV M-V enthaltenen Verweisung auf die (speziellen) gesetzlichen Vorschriften bereits an dieser Stelle das entscheidende Kriterium im Sinne eines Vorrangs der Beitragserhebung festgelegt werden sollte.

66

Dagegen spricht vielmehr, dass das Kommunalabgabengesetz den rechtlichen Rahmen der Gebühren- und Beitragserhebung in detaillierter Form regelt und es unverständlich wäre, wenn der Gesetzgeber das Verhältnis von Gebühren- und Beitragserhebung im Sinne eines Vorranges der einen Finanzierungsform gegenüber der anderen nicht in demselben Spezialgesetz löste, vielmehr hier den Gesichtspunkt des Kreditbedarfs gar nicht anspricht, sondern einer allgemeinen Regelung der Kommunalverfassung überließe, obwohl diese für die fragliche Materie ihrerseits ausdrücklich auf andere „gesetzliche Vorschriften“ verweist. Folglich kann man § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 nicht als „bereichsspezifische Ausprägung des in § 44 Abs. 3 KV M-V normierten Grundsatzes“ entsprechend der vom Verwaltungsgericht zu § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V vertretenen Rechtsauffassung betrachten.

67

Im Übrigen sind die Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 KV M-V und die sich aus § 8 KAG 1993 für die Frage der Finanzierungsmöglichkeit der Herstellungskosten der öffentlichen Einrichtung der leitungsgebundenen Wasser- und Abwasserversorgung ergebenden Konsequenzen genauer in den Blick zu nehmen: § 44 Abs. 3 KV M-V erlaubt die Kreditaufnahme insbesondere, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich wäre. § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG 1993 sah vor, dass die sachliche Beitragspflicht abgesehen von Sonderfällen mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung oder Anlage entsteht. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 entsteht die sachliche Beitragspflicht im Falle der Erhebung eines Anschlussbeitrages, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung. § 8 Abs. 7 Satz 3 KAG 1993 regelte schließlich, dass die Satzung einen späteren Zeitpunkt bestimmen kann. Die Beitragserhebung sah mithin im Grundsatz vor, dass überhaupt erst einmal eine Einrichtung geschaffen worden sein musste, an die ein Grundstück angeschlossen werden konnte. Die Investitionen für die Herstellung müssen also schon – im Wesentlichen – getätigt sein, bevor eine Beitragserhebung erfolgen darf. Der Zeitpunkt einer möglichen Beitragserhebung verschiebt sich auf der Zeitachse noch weiter nach hinten, wenn es zunächst – wie es in der Vergangenheit häufig der Fall gewesen ist – an einer wirksamen Satzung fehlt, und nochmals weiter, wenn der Ortsgesetzgeber von der Möglichkeit der Bestimmung eines späteren Zeitpunkts Gebrauch macht. Eine Finanzierung dieses Herstellungsaufwandes aus Beiträgen ist also in derartigen Fällen – zunächst – nicht möglich im Sinne von § 44 Abs. 3 KV M-V, folglich eine Kreditfinanzierung ohne weiteres erlaubt, obwohl die grundsätzliche Möglichkeit der Abgabenfinanzierung durch Beitragserhebung besteht. Wenn aber auch im Falle der Beitragserhebung im erheblichen Umfang eine Kreditfinanzierung notwendig oder jedenfalls rechtlich möglich wird, besteht im Prinzip kein Unterschied zur Refinanzierung durch Gebührenerhebung. Kann hinsichtlich der Notwendigkeit der Kreditaufnahme kein prinzipieller Unterschied zwischen der endgültigen Finanzierung durch Beiträge oder Gebühren festgestellt werden, lässt sich aus § 44 Abs. 3 KV M-V diesbezüglich nichts für ein Vorrang/Nachrang-Verhältnis entnehmen. § 44 Abs. 3 KV M-V und erst recht den Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes lässt sich auch nichts dazu entnehmen, dass eine – theoretisch – geringere oder schneller zurückzuführende Kreditbelastung überhaupt Regelungsgegenstand oder gar ein Kriterium wäre, bestimmte abgabenrechtliche Refinanzierungsmöglichkeiten, die jeweils zu einer vollständigen Refinanzierung der öffentlichen Einrichtung führen, zu bevorzugen (vgl. schon Senatsbeschl. v. 25.05.2009 – 1 M 157/08 –, a.a.O.).

68

§ 44 KV M-V und insbesondere dessen Absatz 3 verfolgen zudem das Ziel, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kommunen zu gewährleisten. Kann und wird eine Investition entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen letztlich endgültig aus Abgaben finanziert, ist es aus dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kommunen bzw. des § 44 Abs. 3 KV M-V aber grundsätzlich ohne Belang, wie eine erforderliche Zwischen- oder Überbrückungsfinanzierung ausgestaltet ist. Belange der Abgabenschuldner sind im Rahmen des § 44 Abs. 3 KV M-V nicht von Bedeutung. Demnach wird insoweit auch das Ermessen des Ortsgesetzgebers nicht eingeschränkt, ob er Beiträge und/oder Gebühren erhebt.

69

Ist nach alledem nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes 1993 eine Wahlfreiheit zwischen der Gebühren- und Beitragserhebung anzunehmen, so steht damit die bisherige Rechtsprechung des Senates und der Verwaltungsgerichte im Einklang, wonach seit jeher eine gemischte Beitrags- und Gebührenfinanzierung mit einem nur teilweisen Deckungsgrad der Beitragserhebung für zulässig, weil vom ortsgesetzgeberischen Ermessen gedeckt gehalten worden ist (vgl. nur Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, DVBl. 2005, 64; Urt. v. 15.11.2000 – 4 K 8/99 –, juris, Rn. 66; Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97 –, NordÖR 1998, 256). Die innere Rechtfertigung für die Zulässigkeit eines nur teilweisen Deckungsgrades kann nur in der bestehenden Wahlfreiheit zwischen der Refinanzierung durch Gebühren oder durch Beiträge liegen. Mit einer Beitragserhebungspflicht wäre eine gemischte Finanzierung des Herstellungsaufwandes in Form einer nur teilweisen Deckung des Aufwandes durch Beiträge nicht vereinbar.

70

Die Wahlmöglichkeit, – abgesehen von der Erhebung privatrechtlicher Entgelte – entweder nur Beiträge oder nur Gebühren oder Gebühren und Beiträge zu erheben, begegnet grundsätzlich auch unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG keinen Bedenken: Es macht unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit keinen erheblichen Unterschied, wenn der Investitionsaufwand über Beiträge oder über Benutzungsgebühren finanziert wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2006 – 8 BN 3.05 –, SächsVBl. 2006, 163 – zitiert nach juris).

71

b) Regelte demgemäß das Kommunalabgabengesetz von 1993 keine Beitragserhebungspflicht in dem vom Verwaltungsgericht angenommenen Sinne, dass Beiträge vorrangig gegenüber Gebühren zu erheben gewesen wären, sondern bestand danach vielmehr grundsätzlich eine Wahlfreiheit der Einrichtungs- und Versorgungsträger hinsichtlich der Art der Finanzierung des Herstellungsaufwandes, kann dies nicht ohne Bedeutung für das Verständnis der Neufassung, die Frage einer Beitragserhebungspflicht nach dessen Bestimmungen und die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bleiben.

72

Der Gesetzgeber fand im Jahr 2005 entstehungsgeschichtlich betrachtet eine Situation vor, in der sich auf der Grundlage des vorhergehenden KAG 1993 bereits alle Träger von Trinkwasserversorgungseinrichtungen (oder Abwasserentsorgungseinrichtungen) im Rahmen ihrer Wahlfreiheit nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen für ein bestimmtes Refinanzierungssystem entschieden hatten bzw. entschieden haben mussten. Der Gesetzgeber stand gerade nicht – mehr – vor der Notwendigkeit, erstmalig solche Refinanzierungsmöglichkeiten zu eröffnen bzw. erstmalig im Sinne einer „Geburtsstunde“ hierfür gesetzliche Vorgaben zu regeln. Danach liegt es auf der Hand, dass eine gesetzliche Neuregelung im Bereich der Refinanzierung der leitungsgebundenen Einrichtungen zukunftsorientiert war bzw. nur zukunftsorientiert sein konnte. Nach Überzeugung des Senats verbietet sich die Annahme, der Gesetzgeber des Jahres 2005 habe die über viele Jahre auf der Grundlage der bisherigen gesetzlichen Regelungen gewachsenen Refinanzierungsstrukturen im Lande einer grundsätzlichen Revision unterziehen, die von zahlreichen Versorgungsträgern insbesondere im Trinkwasserbereich (vgl. zur geringen Zahl der Versorgungsträger, die jemals Anschlussbeiträge im Bereich der Trinkwasserversorgung erhoben haben, den Bericht der Landesregierung zur Erhebung von Anschlussbeiträgen gemäß §§ 7 und 9 KAG M-V für die zentrale Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, LT-Drs. 5/1652, S. 2 ff. sowie die entsprechende Anlage) gewählte Refinanzierungsform – mit unabsehbaren bzw. gesetzlich nicht aufgefangenen Folgen – „über den Haufen werfen“ bzw. zahlreiche Versorgungsträger wieder in „die Stunde Null“ zurückversetzen wollen. Hierfür bestand keinerlei Notwendigkeit oder Anlass; im Gegenteil erschiene die Annahme eines entsprechenden gesetzgeberischen Willens – auch unter dem Blickwinkel der Rechtssicherheit – abwegig.

73

Dies bestätigt auch die Bestimmung des § 22 Abs. 2 KAG M-V, deren Satz 1 bestimmt, dass Satzungen, die aufgrund des Kommunalabgabengesetzes vom 1. Juni 1993, geändert durch Art. 27 des Gesetzes vom 22. November 2001 gültig erlassen worden sind, weiterhin in Kraft bleiben. Dies gilt folglich auch für das in ihnen geregelte Finanzierungssystem. § 22 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V regelt darüber hinaus (nur), dass die betreffenden Satzungen bis zum 1. Januar 2007 dem geänderten Recht anzupassen sind. Von der „Anpassung“ einer bestehenden Satzung könnte aber im Wortsinne keine Rede mehr sein, wollte man annehmen, diejenigen Versorgungsträger, die sich unter der Geltung des KAG 1993 für eine (reine) Gebührenfinanzierung ihres Herstellungsaufwandes für ihre öffentlichen Wasserversorgungseinrichtungen entschieden hatten, wären bis zu dem genannten Datum etwa mit Blick auf § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V verpflichtet, ein System der Beitragsfinanzierung – erstmalig – zu installieren. Dabei handelte es sich nicht um eine „Anpassung“ einer bestehenden Satzung, sondern um eine in ihrem Kern bzw. hinsichtlich der Grundentscheidung für eine bestimmte Finanzierungsform „andere“ bzw. gänzlich „neue“ Satzung.

74

Schließlich kann davon ausgegangen werden, dass dem Gesetzgeber die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes, die ohne weiteres seit jeher eine Finanzierung des Herstellungsaufwandes gleichzeitig sowohl über Beiträge als auch Gebühren zuließ (vgl. etwa OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, juris; Beschl. v. 05.02.2004 – 1 M 256/03 –, juris; OVG Greifswald, Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97, - K 18/97 -, NordÖR 1998, 256 – zitiert nach juris; vgl. auch Beschl. v. 15.07.2003 – 1 M 60/03 –, juris; Urt. v. 15.11.2000 – 4 K 8/99 –, juris), bekannt war (vgl. auch die Hinweise von Aussprung im Rahmen der öffentlichen Anhörung, LT-Drs. 4/1576, S. 69), und nichts dafür ersichtlich ist, dass er dieser Rechtsprechung ein Ende bereiten wollte. Für eine Widersprüche vermeidende Auslegung der Neuregelung des KAG M-V bleibt damit nur das vorstehende Verständnis, dass es bei der grundsätzlichen Wahlfreiheit bleiben sollte.

75

c) Damit ergibt sich zwanglos und naheliegend, dass die Neuregelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bzw. die in ihr enthaltene „Soll-Bestimmung“ die auf der Basis des KAG 1993 geschaffenen Finanzierungsstrukturen unberührt lassen sollte und wollte. Unter Zugrundelegung dieses Normverständnisses verbleibt folgender Regelungs- und Anwendungsbereich der Norm:

76

§ 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V ist dahingehend zu verstehen, dass damit nicht die Situation der „Stunde Null“, also des Moments der erstmaligen rechtswirksamen Entscheidung eines Entsorgungsträgers für ein bestimmtes Refinanzierungssystem, erfasst werden soll oder der Gesetzgeber die in dieser Situation grundsätzlich bestehende Wahlfreiheit des Ortsgesetzgebers bzw. des Norm setzenden Organs einengen wollte. Ihr unmittelbares Regelungsziel besteht vielmehr darin, (nur) in den Fällen, in denen sich ein Versorgungsträger in der Vergangenheit bereits rechtswirksam für eine Beitragsfinanzierung entschieden hatte, zukunftsgerichtet die Möglichkeit, von diesem Refinanzierungsmodell zu Gunsten eines anderen Systems wieder abzurücken, zwar nicht vollständig, aber doch weitgehend nach Maßgabe einer Soll-Bestimmung in der Regel auszuschließen bzw. weitgehend einzuschränken. Sie regelt gerade den Fall des „echten“ Systemwechsels, der dadurch charakterisiert ist, dass ein Versorgungsträger ein bestehendes System rechtswirksamer bzw. rechtmäßiger Beitragsfinanzierung seines Herstellungsaufwandes durch eine Gebührenfinanzierung oder anderweitige Finanzierungsform (privatrechtliche Entgelte) ablösen will.

77

Nicht erfasst ist demgegenüber der Fall, in dem es einem Versorgungsträger nicht gelungen ist, überhaupt eine rechtswirksame Refinanzierung zu schaffen, er sich also nach wie vor oder wiederum in dem Sinne in der Situation der „Stunde Null“ findet, als er erstmals eine rechtswirksame Entscheidung darüber zu treffen hat, wie er grundsätzlich die in seiner Trägerschaft befindliche Anlage refinanzieren will.

78

In dieses Bild fügt sich ebenfalls zwanglos die Senatsrechtsprechung (vgl. Urt. v. 15.12.2009 – 1 L 323/06 –, juris) zur Nacherhebungspflicht im Falle einer rechtswirksam bestehenden Beitragssatzung ein, wonach das Recht und die Verpflichtung der beitragserhebenden Körperschaft besteht, eine Nacherhebung in dem Sinne vorzunehmen, dass ein wirksam entstandener Anschlussbeitragsanspruch voll ausgeschöpft wird.

79

d) Ebenso können, wie die Ausführungen zur Rechtslage nach dem KAG 1993 gezeigt haben, die Regelungen bzw. das Normgefüge des KAG M-V im Übrigen ohne weiteres und in sich stimmig dahingehend ausgelegt werden, dass Gebührenerhebung und Beitragserhebung im Falle der – aus welchen Gründen auch immer – erstmalig zu treffenden Entscheidung für das Finanzierungssystem grundsätzlich „gleichberechtigt“ als Refinanzierungsinstrumente neben einander stehen und es der allgemein anerkannten weitgehenden Gestaltungsfreiheit des normsetzungsbefugten Aufgabenträgers bei abgabenrechtlichen Regelungen des Satzungsrechts unterliegt, welches Instrument er zur Finanzierung des Investitions- bzw. Herstellungsaufwandes einer konkreten Versorgungseinrichtung wählt; aus § 44 Abs. 3 KV M-V folgt nichts Abweichendes, die vorstehenden Erwägungen gelten mit Blick auf die Regelungen des § 9 KAG M-V entsprechend.

80

Nach wie vor enthält das Kommunalabgabengesetz M-V keine Bestimmung, die ausdrücklich ein Vorrang/Nachrang-Verhältnis von Gebühren und Beiträgen zueinander für den Fall vorsehen würde, dass beide Abgabenformen tatbestandlich gleichermaßen als Finanzierungsinstrument in Betracht kommen.

81

Auch § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V sieht weiterhin vor, dass „Benutzungsgebühren zu erheben sind“. Nach wie vor enthält § 6 KAG M-V Bestimmungen (vgl. Abs. 2d, Abs. 3), die ausdrücklich die Wasserversorgungseinrichtungen zum Gegenstand haben, ohne eine ausdrückliche Einschränkung dahingehend vorzunehmen, dass ihre Herstellungskosten grundsätzlich nicht durch Gebühren finanziert werden dürften. Im Gegenteil werden in § 6 Abs. 2a Satz 4 und Abs. 2b Satz 1 KAG M-V nunmehr Herstellungswerte und Herstellungskosten sogar ausdrücklich erwähnt, ohne dass der Gesetzgeber klarstellend eine Einschränkung geregelt hätte, die die Finanzierung des Herstellungsaufwandes aus Benutzungsgebühren in irgendeiner Form einschränken würde.

82

Kommt damit tatbestandlich eine Finanzierung sowohl über Gebühren als auch Beiträge in Betracht, verhielte es sich nunmehr sogar so, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V als Muss-Vorschrift „stärker“ formuliert ist als die Soll-Bestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V.

83

Beide Regelungen können – wie § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 – als „Muss-Vorschriften“ in einem weiteren Sinne dergestalt begriffen werden, dass auch der Gesetzgeber des KAG M-V diejenigen zur Deckung des Aufwandes für eine öffentliche Einrichtung heranziehen will, denen aus ihr bzw. ihrer Inanspruchnahme ein – unterschiedlich definierter – Vorteil erwächst. Der Sonderaufwand für die kommunalen öffentlichen Versorgungseinrichtungen, die dem Vorteil oder den Bedürfnissen einzelner oder bestimmter Gruppen dienen, darf billigerweise nicht aus allgemeinen Finanzmitteln, letztlich also aus dem Steueraufkommen gedeckt werden, sondern muss von denen aufgebracht werden, denen nach dem Veranlassungs- oder Vorteilsprinzip dieser besondere Aufwand speziell zuzurechnen ist. Daraus folgt, dass nach wie vor keine Wahlmöglichkeit dahingehend besteht, die öffentlichen Einrichtungen etwa der Wasserversorgung aus allgemeinen Finanzmittel/Steuern oder aus Abgaben (alternativ: privatrechtlichen Entgelten, vgl. § 1 Abs. 3 KAG M-V) zu finanzieren: Die Refinanzierungmuss vielmehr über die Erhebung von Abgaben (oder privatrechtliche Entgelte) erfolgen. Dass es unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit – Art. 3 Abs. 1 GG – keinen erheblichen Unterschied macht, wenn der Investitionsaufwand über Beiträge oder über Benutzungsgebühren finanziert wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2006 – 8 BN 3.05 –, SächsVBl. 2006, 163 – zitiert nach juris), wurde bereits erläutert, ebenso, dass sich diese Betrachtungsweise nahtlos in das Bild einer weitgehenden Gestaltungsfreiheit des Ortsgesetzgebers/normsetzungsbefugten Zweckverbandes bei abgabenrechtlichen Regelungen des Satzungsrechts einfügt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2006 – 8 BN 3.05 –, a. a. O.; Urt. v. 16.09.1981 – 8 C 48.81 –, DVBl. 1982, 76 – zitiert nach juris; vgl. auch OVG Greifswald, Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97, - K 18/97 -, NordÖR 1998, 256 – zitiert nach juris; OVG Greifswald, Beschl. v. 21.03.2007 – 1 L 282/05 –).

84

Dagegen, dass der Gesetzgeber mit dem Kommunalabgabengesetz 2005 erstmalig eine Beitragserhebungspflicht im Sinne der angefochtenen Entscheidung normieren wollte, spricht zudem ganz maßgeblich die Bestimmung des § 1 Abs. 3 KAG M-V. Nach § 1 Abs. 3 KAG M-V bleibt die Befugnis der in den Absätzen 1 und 2 genannten kommunalen Körperschaften, für ihre öffentlichen Einrichtungen Benutzungs- oder Entgeltregelungen in privatrechtlicher Form zu treffen, unberührt. Die Bestimmung fand – wie ausgeführt – zuvor nur eine teilweise Entsprechung in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 („soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird“). Nach Maßgabe der Begründung des insoweit unverändert Gesetz gewordenen Gesetzentwurfs der Landesregierung hat der Gesetzgeber klargestellt, dass es den kommunalen Körperschaften grundsätzlich freigestellt sei, ob sie die Benutzung und die Entgelte ihrer öffentlichen Einrichtungen durch Satzung (öffentlich-rechtlich) oder privatrechtlich regeln. Der Gesetzgeber hat darauf reagiert, dass Zweifel daran geäußert worden seien (siehe dazu oben), ob das auch im Verhältnis zu den Anschlussbeiträgen gelte, weil in § 8 KAG 1993 eine mit § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 vergleichbare Regelung gefehlt habe. Mit der Neuregelung in § 1 Abs. 3 KAG M-V, die damit alle hierfür in Frage kommenden Entgeltabgaben (Benutzungsgebühren, Anschlussbeiträge, Erstattungen für Haus- und Grundstücksanschlüsse) erfasse, würden diese Zweifel ausgeräumt (vgl. Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes, LT-Drs. 4/1307, S. 24, zu Nr. 2b - § 1 Abs. 3). Wenn der Gesetzgeber den kommunalen Körperschaften damit aber ausdrücklich auch für die Erhebung von Anschlussbeiträgen die freie Wahl überlässt, sich anstelle einer Abgaben- bzw. Beitragsfinanzierung ihrer Einrichtungen für ein privatrechtliches Entgelt- bzw. Finanzierungssystem zu entscheiden, wäre es unverständlich, wenn im Rahmen der Finanzierungsoptionen nach dem KAG M-V demgegenüber eine grundsätzlich freie Wahl im hier entwickelten Sinne zwischen Gebühren- und/oder Beitragsfinanzierung ausgeschlossen sein sollte.

85

Gegenteiliges folgt im Übrigen auch nicht aus der von der Klägerin in Bezug genommenen Rechtsprechung des Thüringischen Oberverwaltungsgerichts (Urt. v. 31.05.2005 – 4 KO 1499/04 –, LKV 2006, 178). Diese bezieht sich zum einen auf das dortige Landesrecht. Zum anderen betrifft sie die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen, die gerade nicht durch eine Gebührenfinanzierung ersetzt werden kann, und damit einen anderen Sachverhalt.

86

e) Das hier zugrunde gelegte Normverständnis insbesondere des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V steht auch zwanglos in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung beider Verwaltungsgerichte – auch des Verwaltungsgerichts Greifswald, wie in der angefochtenen Entscheidung noch einmal betont – und des Oberverwaltungsgerichts (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 21.03.2007 – 1 L 282/05 –; Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, DVBl. 2005, 64; Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97, 4 K 18/97 –, NordÖR 1998, 256 – zitiert nach juris), nach der seit jeher eine gemischte Refinanzierung leitungsgebundener Einrichtungen aus Beiträgen und Gebühren zulässig sein sollte und das ortsgesetzgeberische Ermessen u. a. eine gerichtlich nur beschränkt überprüfbare Entscheidung der Frage beinhaltet, „welcher Kostendeckungsgrad … durch das Erheben der Gebühren angestrebt wird, welcher Eigenanteil übernommen werden soll… bzw. wie im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen die Aufteilung zwischen Beiträgen und Gebühren erfolgen soll“ (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97, 4 K 18/97 –, a.a.O.).

87

f) Demgegenüber vermag die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zum Vorrang der Beitragsfinanzierung nach näheren Maßgaben nicht zu überzeugen: Soweit sich diese Auffassung auf ein bestimmtes Verständnis des § 44 Abs. 3 KV M-V im Verhältnis zu § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bezieht, kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.

88

Die Zweckbestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V soll im Übrigen unter systematischem Rückgriff auf § 44 Abs. 3 KAG M-V nach Auffassung des Verwaltungsgerichts darin bestehen, dass das Gesetz mit dieser Regelung eine Kreditfinanzierung der Herstellungskosten insbesondere der Trinkwasserversorgungsanlagen ausschließen oder doch wenigstens auf das unabdingbare Maß reduzieren wolle, die Refinanzierung des beitragsfähigen Aufwandes für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen in der Regel ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil durch eine Beitragserhebung erfolgen müsse. Das anknüpfend an diese Zweckbestimmung vom Verwaltungsgericht entwickelte System von erforderlichem Deckungsgrad durch Beitragsfinanzierung, Regel und zulässiger bzw. unzulässiger Ausnahme überzeugt auch abgesehen von der Frage der zulässigen Anknüpfung an § 44 Abs. 3 KV M-V nicht.

89

Das Verwaltungsgericht begründet nicht, warum es § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V als „bereichspezifische Ausprägung“ des § 44 Abs. 3 KV M-V von seinem Standpunkt aus grundsätzlich überhaupt erlauben sollte, die Trinkwasserversorgungsanlagen auch nur anteilig über Gebühren zu refinanzieren, da dies in jedem Fall nach Maßgabe seiner Argumentation gegenüber einer Beitragserhebung einen höheren Kreditbedarf auslösen würde. Im Verständnis einer Sollvorschrift im verwaltungsrechtlichen Sinne (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2010 – 4 C 8.10 –, juris; Urt. v. 26.03.2009 – 2 C 46.08 –, juris; Urt. v. 02.07.1992 – 5 C 39.90 –, BVerwGE 90, 275 – zitiert nach juris; Beschl. v. 03.12.2009 – 9 B 79.09 –, juris; Urt. v. 22.11.2005 – 1 C 18.04 –, BVerwGE 124, 326 – zitiert nach juris; Urt. v. 16.12.2010 – 4 C 8.10 –, juris) „muss“ aber der Einrichtungsträger im Regelfall zur Refinanzierung Beiträge erheben. Gerade der vom Verwaltungsgericht herangezogene § 44 Abs. 3 KV M-V böte jedenfalls keine argumentativen Anhaltspunkte dafür, dass „ein wenig“ Gebührenfinanzierung bzw. „ein wenig mehr“ Kreditbedarf mit der gesetzlichen Regel bzw. regelmäßigen Finanzierungsform der Beitragserhebung vereinbar wäre oder dieser entspräche.

90

Mit Blick auf den Charakter des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V als Soll-Vorschrift bleibt in den Ausführungen des Verwaltungsgerichts regelungssystematisch unklar, warum eine Refinanzierung über Gebühren im Umfang von etwa 30 % der Herstellungskosten bzw. eine Kostendeckung von nur etwa 70 % der Herstellungskosten „voraussetzungslos“ zulässig bzw. nicht als Ausnahme von der Regel des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zu qualifizieren wäre, die das Vorliegen atypischer Umstände erforderte. Soweit das Verwaltungsgericht dazu auf das Urteil des OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 02. Juni 2004 – 4 K 38/02 – (DVBl. 2005, 64) verweist, ersetzt dies keine Begründung aus dem Gesetz. Dies gilt umso mehr, als der Senat – woran festzuhalten ist – bereits in seinem zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluss vom 25. Mai 2009 – 1 M 157/08 – (NordÖR 2010, 299) dazu folgendes ausgeführt hat:

91

„Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass die - wesentlich mit entscheidungstragenden - Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts den Eindruck erwecken, das OVG Mecklenburg-Vorpommern habe in seinem Urteil vom 02. Juni 2004 - 4 K 38/02 - (a.a.O.) im Kontext des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG (M-V) eine Mindestgrenze für die Deckung des Herstellungsaufwandes durch Beiträge dergestalt festgelegt, dass ein Deckungsgrad von 70 % oder mehr angestrebt werde bzw. anzustreben sei und jedenfalls ein solcher Deckungsgrad "voraussetzungslos" zulässig sei. Derartige Aussagen, die diese und die daran anknüpfenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts stützen könnten, lassen sich diesem in Bezug genommenen Urteil jedoch nicht entnehmen. Zwar ist in dem Urteil der Gesichtspunkt des Deckungsgrades angesprochen, dies jedoch in einem anderen Zusammenhang: In dem dortigen Verfahren ging es ausschließlich um die Frage, ob die sich aus einem Schreibfehler in der Kalkulation ergebende geringfügige Verschiebung des tatsächlichen Deckungsgrades durch Beiträge (71,24 %) gegenüber dem beschlossen Deckungsgrad von 70,01 % unter verschiedenen rechtlichen Blickwinkeln einen beachtlichen Mangel der angegriffenen Satzung begründet habe (dort verneint). Mit dem erforderlichen Maß der beitragsfinanzierten Deckung befasst sich das Urteil demgegenüber nicht; es enthält - mangels diesbezüglicher Rügen - keine näheren Erwägungen hierzu. Allenfalls kann man der Entscheidung entnehmen, dass das Oberverwaltungsgericht den beschlossenen bzw. tatsächlichen Deckungsgrad nicht in einer Weise für offensichtlich problematisch erachtet hat, die eine nähere Auseinandersetzung erfordert hätte.

92

Die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte "kritische Grenze" einer Kreditquote von etwa 1/3 bzw. 30 % findet demzufolge in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern keine Rechtfertigung. Das Verwaltungsgericht nennt auch keine rechtliche Grundlage, die - zumal nach dem Prüfungsmaßstab des summarischen Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes - eine solche Grenzziehung erlaubte; insoweit wäre im Hinblick auf die Annahme einer solchen "Kreditquote" der Rahmen einer zulässigen richterlichen Rechtsauslegung bzw. Rechtsfortbildung zu bedenken. …“

93

Ebenfalls lässt das Verwaltungsgericht offen, was im Falle eines gebührenfinanzierten Anteils an den Herstellungskosten von 49 % bis 31 % gelten soll. Lediglich eine „vollständige oder überwiegende Gebührenfinanzierung“ von Maßnahmen im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V soll nach seinen Ausführungen nämlich auf atypische Fälle beschränkt bleiben, wobei von „überwiegender“ Gebührenfinanzierung wohl begrifflich erst bei einem Prozentsatz von 51 % und mehr ausgegangen werden könnte.

94

Auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts dazu, wann eine Ausnahme von der Sollvorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zulässig sei, erscheint nicht schlüssig: Eine an deren Regelungsziel orientierte Ausnahme sei danach immer dann gegeben, wenn die Eigenkapitalausstattung für die betreffende Maßnahme – aus welchen Gründen auch immer – so gut sei, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers bei einer überwiegenden Gebührenfinanzierung der Anlage ein Maß von etwa einem Drittel der Herstellungskosten nicht deutlich übersteige. In diesem Fall sei es „nicht einsehbar“, warum der Aufgabenträger daran gehindert sein solle, die Refinanzierung der Anlage ganz oder überwiegend durch Benutzungsgebühren vorzunehmen. Die Einhaltung des gesetzgeberischen Regelungsziels sei bei Zulassung dieser Ausnahme gewährleistet. Für die Bemessung der Quote sei maßgeblich, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V den Aufgabenträger nicht dazu zwinge, bei der Erhebung von Anschlussbeiträgen einen Deckungsgrad von 100 Prozent anzustreben; vielmehr sei ein Deckungsgrad von nur 70 % nach der bereits benannten Rechtsprechung des OVG M-V „voraussetzungslos“ zulässig. Damit werde akzeptiert, dass die Refinanzierung von 30 % der Herstellungskosten der Anlage durch Gebühren erfolge und insoweit ein Kreditbedarf des Aufgabenträgers bestehen könne, wobei diese Quote nicht als feste Grenze sondern als Richtwert zu verstehen sei.

95

Da diese Argumentation wiederum an die vorstehend schon erörterte Entscheidung des OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 02. Juni 2004 – 4 K 38/02 – (a. a. O.) anknüpft bzw. auf dieser beruht, kann zunächst auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Darüber hinaus stellte der vom Verwaltungsgericht angenommene Sachverhalt einen Regelfall und nicht einen atypischen Fall dar, da dieser vom Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V im Sinne der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Zweckbestimmung erfasst wäre und in wesentlichen Grundzügen mit den zu regelnden Fällen übereinstimmte. Dieser Zweckbestimmung wird das Verwaltungsgericht mit der von ihm für zulässig erachteten Ausnahme nicht durch die bloße Aussage gerecht, „es sei nicht einsehbar“, warum in dem von ihm gebildeten Fall eine Kreditfinanzierung unzulässig sein sollte. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit es sich bei der vom Verwaltungsgericht erörterten Sachverhaltskonstellation um einen für den Normgeber unvorhersehbaren Ausnahmefall handeln könnte. Die Grenzziehungen, die das Verwaltungsgericht hinsichtlich erforderlichem Deckungsgrad und zulässiger Finanzierungsquote vornimmt, hätte der Gesetzgeber ohne weiteres im Kommunalabgabengesetz entsprechend regeln können, wenn er es denn gewollt hätte. Im Übrigen ist der vom Verwaltungsgericht entwickelte Fall schwer vorstellbar: An welches – zweckfreie – Eigenkapital zu denken wäre, bleibt hinsichtlich seiner Quelle unklar. Gleiches gilt für den Zusammenhang zwischen Eigenkapitalausstattung und Kreditbedarf für die Herstellungskosten, wenn doch nach den gesetzlichen Bestimmungen die Herstellungskosten von den Bevorteilten zu tragen und nicht, auch nicht teilweise, aus irgendwelchem Eigenkapital zu finanzieren sind (aus welchen Gründen auch immer solches ohne Zweckbindung vorhanden sein sollte). Eigenkapital aus Beiträgen kann nicht gemeint sein, da dann die eingesetzten Beiträge wiederum ihrerseits mit Krediten ersetzt werden müssten. Außerdem hieße das, dass erst Beiträge in der vom Verwaltungsgericht für erforderlich erachteten Höhe eingenommen worden sein müssten, bevor eine Gebührenerhebung zulässig würde. Es geht aber bei der Frage des zulässigen Finanzierungssystems gerade darum, ob die Refinanzierung von Anfang an auch aus Gebühren erfolgen kann. Auch Zuschüsse können nicht gemeint sein. Diese sind im Falle des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG M-V nicht dazu da, Gebühren oder Beiträge vorzufinanzieren, sondern vermindern neben diesen den Kreditbedarf. Anderenfalls müssten die Zuschüsse ihrerseits durch Kredite zeitweise substituiert werden, was wiederum nicht mit der Zweckbestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts vereinbar wäre. Zuschüsse im Sinne von § 9 Abs. 2 S. 5, 6 KAG M-V können ebenfalls nicht gemeint sein, da sie per definitionem zweckgebunden sind.

96

g) § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V steht mit seinem vorstehend erläuterten Regelungsgehalt der vorliegend zu überprüfenden Entscheidung des Zweckverbandes Wasserversorgung, gemäß § 1 Abs. 1 Buchst a) WVGS 2008 – nach Maßgabe näherer Ausformung in der Satzung – eine reine Gebührenfinanzierung umzusetzen, nicht entgegen. Der Zweckverband befand sich zum Zeitpunkt der Entscheidung für dieses Finanzierungssystem in einer Situation, in der er sich auf die grundsätzliche Wahlfreiheit hinsichtlich der Art der Finanzierung seines Herstellungsaufwandes für die öffentliche Einrichtung der Wasserversorgung berufen konnte bzw. kann. Denn der Zweckverband verfügt weder aktuell über eine rechtwirksame Beitragssatzung, noch konnte er sich in der Vergangenheit auf eine solche stützen; auf das Vorliegen atypischer Umstände, die ein Abweichen von § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V rechtfertigen könnten, kommt es folglich nicht an.

97

Die Satzung des Zweckverbandes „Wasserversorgung “ über die Erhebung von Anschlussbeiträgen und Kostenerstattungen für die Wasserversorgung – Wasserversorgungsbeitragssatzung – vom 09. Oktober 2002 (nachfolgend: WBS 2002) i. d. F. der 1. Satzung zur Änderung der Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 18. Juni 2004, die in ihrem § 1 Abs. 2 Buchst. a) die Erhebung von Anschlussbeiträgen „zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlagen“ vorgeschrieben hat, ist – unabhängig von der Frage ihrer in zeitlicher Hinsicht nur teilweisen Aufhebung gemäß Aufhebungssatzung vom 03. September 2008 – unwirksam gewesen (vgl. dazu, dass im Übrigen alle früheren Wasserversorgungsbeitragssatzungen unwirksam gewesen sind, weil bei der Kalkulation der Beitragssätze entgegen § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG 1993 sog. Altanlagenbuchwerte aufwandserhöhend berücksichtigt worden sind, bereits den zwischen den Beteiligten ergangenen Beschl. des VG Greifswald v. 27.10.2008 – 3 B 1161/08 –, Der Überblick 2009, S. 40, 46, unter Hinweis auf sein Urt. v. 31.08.2005 – 3 A 3684/04 und entsprechend den Senatsbeschl. v. 03.03.2005 – 1 L 56/04 –, der die Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 09. Oktober 2002 ebenfalls als erste wirksame Satzung betrachtet hat). Die in § 3 Abs. 4 Buchst d) WBS 2002 geregelte Tiefenbegrenzungsregelung hat sich zwischenzeitlich als unwirksam erwiesen, was für entsprechende Vorläuferbestimmungen in gleicher Weise anzunehmen ist. Nach dieser Bestimmung gilt als beitragsfähige Grundstücksfläche bei Grundstücken, die (in Bezug auf ihre Tiefe) teils dem Innenbereich und im Übrigen dem Außenbereich zuzuordnen sind, oder bei denen (hinsichtlich ihrer Tiefe) fraglich sein kann, ob sie insgesamt dem Innenbereich zugeordnet werden können, die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen; bei Grundstücken, die nicht an eine Straße angrenzen oder nur durch einen zum Grundstück gehörenden Weg (oder durch Wegerecht über dritte Grundstücke) mit einer Straße verbunden sind (Hinterliegergrundstücke), die Fläche zwischen der der Straße abgewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen.

98

Diese sogenannte qualifizierte Tiefenbegrenzungsregelung genügt nicht den Anforderungen, die an eine solche Regelung nach Maßgabe höherrangigen Rechts und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern zu stellen sind. Danach gilt:

99

Eine Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht grundsätzlich zulässig. Die Tiefenbegrenzung ist eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks Bauland ist. Die damit verbundene und im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen allgemein als zulässig angesehene Pauschalierung wirkt sich in Einzelfällen mehr oder weniger zu Lasten einzelner Beitragspflichtiger aus. Eine Tiefenbegrenzung findet gerade im Anschlussbeitragsrecht ihre Rechtfertigung darin, dass im Rahmen der Beitragskalkulation die Ermittlung der Gesamtbeitragsfläche erforderlich ist, die auf metrische Festlegungen angewiesen ist. Dadurch gewinnt der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und -vereinfachung besondere Bedeutung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegender unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs angestellt werden. Die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität stehen im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V). Danach sind die Beiträge nach Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden. Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem – wie in § 3 Abs. 2 WBS 2002 geregelten – kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab zu bemessen. Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist im Prinzip der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Denn läge bei exakter Betrachtung des einzelnen Grundstückes die Grenze des baurechtlichen Innenbereiches (§ 34 Abs. 1 BauGB) vor (straßenseits) der Tiefenbegrenzungslinie, so würde der Eigentümer des Grundstückes – aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität grundsätzlich zulässigerweise – höher belastet als es ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung der Fall wäre. Gleichermaßen würde derjenige Grundstückseigentümer, dessen Grundstück ohne die Vermutung der Tiefenbegrenzung erst jenseits der Tiefenlinie in den Außenbereich überginge, besser gestellt als ohne Geltung der Tiefenbegrenzungslinie. Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt – wenn eine solche ermittelbar ist – die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Der Senat hat daher in seiner bisherigen Rechtsprechung durchweg darauf abgestellt, ob sich die gewählte Tiefenlinie als ortsangemessen darstellt bzw. den örtlichen Verhältnissen entspricht. Dies stimmt mit den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erschließungsbeitragsrecht an die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung überein. Danach muss die gewählte Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegeln und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren. Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln. Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden. Das Gericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 – m. w. N.).

100

Der Zweckverband hat nach seinen eigenen Ausführungen, an denen zu zweifeln der Senat keinen Anlass hat, die Anforderungen an eine solche sorgfältige, methodenrichtige Ermittlung der örtlichen Verhältnisse im Verbandsgebiet in der Vergangenheit nicht erfüllt. Der Beklagte hat hierzu ausgeführt, der Festlegung der Tiefenbegrenzung in den Satzungswerken des Zweckverbandes habe jedenfalls die vom Oberverwaltungsgericht im Sinne methodisch korrekten Kalkulationsvorgehens verlangte Ermittlung der örtlichen Verhältnisse/ortsüblichen Bebauungstiefe nebst entsprechender Dokumentation zur Untermauerung der Ermessensentscheidungen auch zur Tiefenbegrenzung von 50 m zu keiner Zeit zu Grunde gelegen. Gezielte bzw. methodische Erhebungen geschweige denn explizite Dokumentationen diesbezüglich, die das Verbandsgebiet insgesamt oder auch nur ermessensrichtig ausgewählte Repräsentativ-Bereiche zum Gegenstand hätten, würden erst jetzt, im Nachgang zum Urteil des 4. Senats des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 14. September 2010 – 4 K 12/07 –, durchgeführt.

101

Damit fehlt es vorliegend an der für die ordnungsgemäße Ausübung des normgeberischen Ermessens vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung erforderlichen sorgfältigen und willkürfreien Ermittlung der örtlichen Verhältnisse in allen Bereichen des Verbandsgebiets. Die Tiefenbegrenzungsregelung in § 3 Abs. 4 Buchst d) WBS 2002 ist nach dem Vorbringen der Beklagten ausschließlich gestützt auf die sog. „Feuerwehrschlauch-Rechtsprechung“ insbesondere des Verwaltungsgerichts Greifswald und die „profunde persönliche Ortskenntnis“ der Behördenmitarbeiter. Die Festsetzung der Tiefenbegrenzung ist damit offensichtlich willkürlich erfolgt und unwirksam. Diese Unwirksamkeit zieht die Unwirksamkeit der Gesamtsatzung nach sich, weil es dann an einer Maßstabsregelung für Übergangsgrundstücke fehlt und entgegen dem Grundsatz der konkreten Vollständigkeit gleichheitswidrig nicht alle Beitragsfälle von der Satzung erfasst würden. Ebenso ist die Festlegung des Beitragssatzes ermessensfehlerhaft, da auf eine nach willkürlichen Kriterien erstellte Kalkulation gestützt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beklagte – unsubstantiiert – vorgetragen hat, nunmehr durchgeführte Untersuchungen würden die Tiefenbegrenzung vom 50 m stützen. Selbst wenn dies so wäre, würden sich die Grundlagen für eine Ermessensentscheidung über eine Tiefenbegrenzung inhaltlich in einer Weise verändert haben, die der Schlussfolgerung entgegenstünde, der Fehler sei unbeachtlich, weil mit Sicherheit davon ausgegangen werden könne, die Verbandsversammlung hätte auch auf der veränderten Basis die gleiche Regelung getroffen. Dies gilt umso mehr, als der Verbandsversammlung auf der Grundlage ordnungsgemäß ermittelter ortsüblicher Verhältnisse wiederum Ermessen eingeräumt ist.

102

Dem in diesem Zusammenhang lediglich im Schriftsatz vom 21. März 2011 gestellten Antrag der Klägerin auf „Akteneinsicht in sämtliche Verwaltungsvorgänge im Original zum Erlass aller Wasserversorgungsbeitragssatzungen im Verbandsgebiet nach der Wende, insbesondere für die Satzung vom 09.10.2002“ konnte der Senat schon deshalb nicht nachkommen, weil er solche Akten nicht beigezogen bzw. vorliegen hat. Es bestand im Übrigen auch keine Veranlassung, von Amts wegen im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes etwa die Vorlage weiterer Vorgänge zu fordern, da nach dem Vorbringen des Beklagten, der der prozessualen Wahrheitspflicht unterliegt, entsprechende Verwaltungsunterlagen zur Festlegung der Tiefenbegrenzung gerade nicht existieren (vgl. dazu, dass im Übrigen alle vorhergegangenen Wasserversorgungsbeitragssatzungen auch unwirksam gewesen sind, weil bei der Kalkulation der Beitragssätze entgegen § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG 1993 sog. Altanlagenbuchwerte aufwandserhöhend berücksichtigt worden sind, den zwischen den Beteiligten ergangenen Beschl. des VG Greifswald v. 27.10.2008 – 3 B 1161/08 –, Der Überblick 2009, S. 40, 46, und im Ergebnis entsprechend den Senatsbeschl. v. 03.03.2005 – 1 L 56/04 –, der die Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 09. Oktober 2002 ebenfalls als erste wirksame Satzung betrachtet hat). Insbesondere mit Blick auf ggf. drohende strafrechtliche Konsequenzen hat das Gericht keine Veranlassung, an der Richtigkeit des Vortrags des Beklagten zu zweifeln, zumal dieser im Bereich der Schmutzwasserbeiträge durchaus negative Konsequenzen für ihn zeitigen kann.

103

2. Die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Buchst a) WVGS 2008 erweist sich auch nicht aus anderen Gründen wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht als unwirksam, weil sie eine ausschließliche Gebührenfinanzierung des Herstellungsaufwandes regelt.

104

a) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass aufgrund der zwischenzeitlichen Erkenntnisse zur satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzungsregelung die maßgeblichen Erwägungen im Beschluss des Senats vom 25. Mai 2009 – 1 M 157/08 – nicht mehr tragfähig sind. Sie beruhten wesentlich auf der Annahme, dass eine wirksame und nicht rückwirkend aufgehobene Beitragssatzung eine Pflicht zum Behaltenmüssen der vereinnahmten Anschlussbeiträge begründet habe und deren Nichtberücksichtigung im Rahmen der Gebührenkalkulation deshalb fehlerhaft sei. Fehlte jedoch von Anfang an eine wirksame Beitragssatzung, entfällt zugleich die entsprechende Beitragserhebungs- und Behaltenspflicht. Eine Auseinandersetzung mit den ablehnenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu dem vom Senat eingenommenen Rechtsstandpunkt erübrigt sich damit. Aufgrund der bestandskräftigen Beitragsbescheide kann nur noch von einem „Behalten dürfen“ die Rede sein. Hat aber der Normgeber wie im vorliegenden Fall dann einen „Systemwechsel“ bzw. eine zukünftig reine Gebührenfinanzierung beschlossen und in seiner Gebührenkalkulation bzw. Gebührensatzung die vereinnahmten Beiträge nicht mehr gebührenmindernd berücksichtigt, ist eine Ermessensreduktion dahingehend eingetreten, dass die vereinnahmten Beiträge – mit welcher rechtlichen Konstruktion auch immer – zurückzuzahlen sind.

105

b) Die Wahlfreiheit des Zweckverbandes war auch nicht durch das Kommunalabgabengesetz M-V im Übrigen oder sonstiges höherrangiges Recht beschränkt.

106

Haben Nutzer bereits durch Beiträge zur Finanzierung des Aufwandes einer öffentlichen Einrichtung beigetragen, verstößt die undifferenzierte Erhebung von Gebühren von diesen Nutzern ohne Berücksichtigung ihrer geleisteten Beiträge im Verhältnis zu den übrigen Nutzern gegen das Verbot einer Doppelbelastung (vgl. hierzu ausführlich OVG Greifswald, Beschl. v. 25. Mai 2009 – 1 M 157/08 –; Urt. v. 15.12.2009 – 1 L 323/06 –, juris), den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit sowie den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Denn erstere haben im Unterschied zu den übrigen Nutzern mit ihrer auf den Aufwand der Einrichtung bezogenen Leistung wirtschaftlich gesehen Anteile an den Anschaffungs- und Herstellungskosten der Anlage erbracht. Zahlt der Einrichtungsträger im Fall einer Umstellung auf eine reine Gebührenfinanzierung die von den Nutzern geleisteten Beiträge nicht zurück, muss er diesen Grundsätzen auf andere Weise (Regelung unterschiedlicher <„gespaltener“> Gebührensätze, Ausgleich durch eine Billigkeitsregelung im Rahmen des Heranziehungsverfahrens ) Rechnung tragen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.09.1981 – 8 C 48.81 –, DVBl. 1982, 76; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. 06.06.2007 – 9 A 77.05 –, LKV 2008, 377 – zitiert nach juris).

107

Da der Beklagte eine Rückzahlung vereinnahmter Beiträge im Erlasswege schon weitgehend vorgenommen hat und auch laufend weiter durchführt, sind unter diesem Blickwinkel keine rechtlichen Bedenken gegen die Systemumstellung gegeben. Soweit die Klägerin die Rechtmäßigkeit des Rückzahlungsverfahrens in Frage stellt bzw. auf die Bestandskraft der Beitragsbescheide verweist, ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass sie insoweit in eigenen Rechten verletzt sein könnte. Weil sie selbst in der Vergangenheit nicht Adressatin eines Beitragsbescheides geworden ist, scheidet für sie die Annahme einer Doppelbelastung aus.

108

Da der Anteil der vom Beklagten in der Vergangenheit bereits erhobenen Beiträge – ob aus billigenswerten Gründen kann dahingestellt bleiben – im Verhältnis zum voraussichtlichen Gesamtbeitragsvolumen vergleichsweise gering war (6 - 8 %), stellt sich die Systemumstellung im Sinne der erstmaligen Einführung einer Aufwandsfinanzierung ausschließlich über Gebühren gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. a) WVGS 2008 auch im Übrigen als zulässig dar.

109

Dabei erscheint dem Senat folgende Klarstellung geboten: Wenn eine Beitragserhebung schon – bis zu welcher Grenze kann vorliegend offen blieben und wird im Übrigen von den Umständen des Einzelfalles abhängen – erheblich fortgeschritten oder gar nahezu abgeschlossen wäre, würde sich eine Systemumstellung demgegenüber als offensichtlich fehlerhafte bzw. willkürliche Ausübung des ortsgesetzgeberischen Ermessens und eine Überschreitung der Grenzen der für das Normsetzungsorgan geltenden Gestaltungsfreiheit im Abgabenrecht darstellen, selbst wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt herausgestellt haben sollte, dass die bisher als Rechtsgrundlage angesehene Beitragssatzung rechtswidrig und unwirksam war. Es wären kaum vernünftige, sachlich einleuchtende Gründe denkbar, die es rechtfertigen könnten, eine bereits in erheblichem Umfang oder weitgehend erfolgte und gelungene Refinanzierung des Herstellungsaufwandes wieder rückgängig zu machen, um eine nochmalige bzw. wiederholte Finanzierung auf anderem Wege vorzunehmen. Dagegen spricht zudem allein schon der erhebliche Verwaltungsaufwand, der dadurch ohne jede Rechtfertigung produziert würde. Die Vereinbarkeit einer solchen Vorgehensweise mit den Grundsätzen einer geordneten Haushaltswirtschaft erschiene ebenfalls kaum vorstellbar, die dadurch bedingte Gebührenerhöhung für die Gebührenschuldner voraussichtlich unzumutbar. Ein Aufgabenträger wäre in dieser Situation gehalten, eine neue Beitragssatzung zu erlassen, die Rechtsgrundlage für die bereits durchgeführte und zukünftig abzuschließende Beitragserhebung werden würde. Der Zweckverband Wasserversorgung stand demgegenüber jedoch faktisch erst „am Anfang“ der Umsetzung seines ursprünglichen Finanzierungssystems, das sich zwischenzeitlich als rechtswidrig herausgestellt hat.

110

Die systemumstellungsbedingte Erhöhung der Zusatzgebühr bewegt sich noch im Rahmen der im Lande Mecklenburg-Vorpommern üblichen Höhe von Trinkwasserverbrauchsgebühren (vgl. den statistischen Bericht des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern „Wasser- und Abwasserentgelte für die öffentliche Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in Mecklenburg-Vorpommern 2010“ vom 21.01.2011 unter www.statistik-mv.de), so dass der Senat auch unter dem Blickwinkel der Zumutbarkeit der Umstellung für die Gebührenschuldner keine durchgreifenden Bedenken gegen die Ermessensentscheidung zur Einführung des reinen Gebührensystems hat. Für die von der Klägerin in der Zukunft befürchteten weiteren umstellungsbedingten erheblichen Gebührensteigerungen gibt es keine substantiellen Anhaltspunkte. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte schon in seinem Schreiben an das Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 19. Dezember 2007 eine Erhöhung der Mengengebühr ansteigend bis zum Jahr 2012 um insgesamt ca. 0,50 Euro prognostiziert hatte und damit immer noch in dem genannten Rahmen läge. Die erhebliche zusätzliche Gebührenbelastung für die Klägerin ist letztlich angesichts ihres enormen Wasserverbrauchs vorteilsgerecht. Die Angriffe der Klägerin gegen die Gebührenkalkulation schließlich sind unsubstantiiert geblieben.

111

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

112

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

113

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch Zahlung (§§ 224, 224a, 225), Aufrechnung (§ 226), Erlass (§§ 163, 227), Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232), ferner durch Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ansprüchen.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

2

Soweit sie sich gegen den Beitragsbescheid richtet, fehlt es an der Rechts-wegerschöpfung (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

3

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen die im Eilverfahren ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen steht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen, da keine selbständige Beschwer durch das Eilverfahren geltend gemacht wird. Mit dem Vorbringen, die Beitragserhebung verletze die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit sowie des Rechts auf eine willkürfreie Entscheidung, erhebt die Beschwerdeführerin Rügen, die das Hauptsacheverfahren betreffen.

4

Die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausnahmsweise vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung in der Hauptsache abgesehen werden kann (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>; 79, 275 <279>; 86, 15 <22 f.>; 104, 65 <71>), liegen hier nicht vor.

5

Der Beschwerdeführerin ist die Durchführung des Hauptsacheverfahrens zumutbar. Diese ist insbesondere nicht von vornherein aussichtslos. Denn die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen - unter anderem die Fragen der Wirksamkeit der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 und ihrer Vorgängersatzungen - wurden im fachgerichtlichen Eilverfahren nur summarisch geprüft. Die angegriffenen Entscheidungen ergingen zudem noch vor der Veröffentlichung des Beschlusses des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, S. 1004) mit dem der Erste Senat eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsverjährung im Bayerischen Kommunalabgabengesetz - BayKAG - (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG) für unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit erklärte, weil diese eine zeitlich unbegrenzte Inanspruchnahme der Beitragsschuldner nach Erlangung des Vorteils ermöglichte.

6

Das Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg - KAG Bbg - enthält zwar keine dem Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG vergleichbare Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsverjährung. § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 KAG Bbg fordert allerdings für das Entstehen der Beitragspflicht neben dem Eintritt der Vorteilslage das Inkrafttreten einer "rechtswirksamen" Satzung, die nicht bereits zum Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein muss; sie kann vielmehr nach § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 KAG Bbg einen späteren Zeitpunkt für das Entstehen der Beitragspflicht bestimmen.

7

Diese Regelung ermöglicht ebenfalls eine zeitlich unbegrenzte Festsetzung von Beiträgen nach Erlangung des Vorteils und begegnet deshalb im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit verfassungsrechtlichen Bedenken. Es bedarf allerdings zunächst der Klärung im Hauptsacheverfahren, wie den Maßgaben des Senatsbeschlusses vom 5. März 2013 Rechnung getragen werden kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Mai 2013 - 9 S 75.12 -, juris, Rn. 29 a.E.). Ein schwerer, unabwendbarer Nachteil der Beschwerdeführerin durch Verweisung auf den Rechtsweg in der Hauptsache, der ihr nicht zugemutet werden könnte (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>; 104, 65 <71>), ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

8

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. September 2011 – 3 A 402/10 – wie folgt geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldnerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin zu Anschlussbeiträgen (Trinkwasser).

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flurstück .../..., Flur ..., Gemarkung ... mit einer Größe von 1.777 m², welches an die öffentliche Wasserversorgungsanlage des Wasserzweckverbandes Strelitz angeschlossen ist.

3

Mit Bescheid vom 01. Dezember 2008 zog der Beklagte, ausgehend von einer beitragspflichtigen Grundstücksfläche von 1.263 m² und einem Vollgeschoss, die Klägerin zu einem Anschlussbeitrag in Höhe von 736,46 EUR heran. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 22. Juli 2009 reduzierte der Beklagte die Beitragsforderung aufgrund einer Änderung des bislang zugrunde gelegten Mehrwertsteuersatzes von 19 % auf 7 % auf 662,19 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2010, zugestellt am 26. März 2010, wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.

4

Die Klägerin hat am 26. April 2010 Klage erhoben.

5

Sie hat vorgetragen, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Wasserabgabensatzung sei unter Beachtung der neuesten Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern unwirksam, da der Tiefenbegrenzungslinie gemäß Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B c) der Satzung nicht die tatsächlichen Verhältnissen zugrunde gelegt worden seien. Fehlerhaft sei auch die Ermittlung der beitragspflichtigen Grundstücksfläche. Es könne lediglich die Fläche herangezogen werden, die an die Straße angrenze. Beitragspflichtig sei damit eine Fläche von 586 m², so dass sich ein Beitrag von 307,24 EUR errechne. Der Beklagte gehe satzungswidrig von einer Grundstücksfläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksgrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen aus. Selbst bei Anwendung der Tiefenbegrenzung würde die Fläche nur 939,39 m² betragen, da sich die Parallele am Verlauf der Straße orientieren müsse. Die Klägerin hat insoweit zur Erläuterung auf einen von ihr an den Beklagten übermittelten Flurkartenausschnitt verwiesen; für die weiteren Einzelheiten wird dazu auf den bei den Verwaltungsvorgängen (Beiakte B, Bl. 3) befindlichen Flurkartenausschnitt verwiesen.

6

Die Klägerin hat beantragt,

7

den Bescheid des Beklagten vom 01. Dezember 2008 – Az. 1620006 – in Gestalt des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2010 insoweit aufzuheben, als ein Beitrag von mehr als 307,24 EUR festgesetzt wird.

8

Der Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er hat vorgetragen, dass die in der Verbandsversammlung am 10. August 2011 beschlossene Wasserabgabensatzung eine ordnungsgemäß ermittelte Tiefenbegrenzungsregelung aufweise, und dies unter Vorlage der die Ermittlung und Festlegung der Tiefenbegrenzung betreffenden Dokumente erläutert; für die weiteren Einzelheiten wird auf diese Dokumente, die sich bei der Gerichtsakte befinden, verwiesen. Im Übrigen liege das klägerische Grundstück im unbeplanten Innenbereich und die Grundstücksfläche betrage bei Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung 1.263 m².

11

Während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hat der Wasserzweckverband Strelitz am 10. August 2011 seine Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung – WAgS) beschlossen, die am 17. August 2011 ausgefertigt worden ist. Die Satzung ist nach ihrem § 24 Satz 1 rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft getreten.

12

Mit dem angefochtenem Urteil vom 07. September 2011, Az. 3 A 402/10, hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Beklagten vom 01. Dezember 2008 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2010 aufgehoben, soweit darin ein Beitrag von mehr als 307,24 EUR festgesetzt worden ist. Die zulässige Klage sei begründet. Dem angegriffenen Bescheid fehle die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage. Die am 10. August 2011 beschlossene Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung – WAgS) sei unwirksam. Die in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B c) Wasserabgabensatzung geregelte Tiefenbegrenzung verstoße, soweit eine Tiefenbegrenzung von 50 m normiert werde, gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG bzw. das darin normierte Vorteilsprinzip. Dieser Verstoß führe zur Unwirksamkeit der Verteilungsregelung und damit zur Unwirksamkeit der Wasserabgabensatzung insgesamt. Die Bestimmung normiere eine „schlichte“ Tiefenbegrenzung. Ihr Anwendungsbereich beschränke sich nicht auf Grundstücke, die mit ihrer vorderen, straßennahen Teilfläche im unbeplanten Innenbereich i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB und mit ihrer rückwärtigen Teilfläche im Außenbereich lägen (sog. „Randlagengrundstücke“). Die Bestimmung finde vielmehr auch auf solche Grundstücke Anwendung, die vollständig, d.h. auch mit ihren rückwärtigen Teilflächen, im unbeplanten Innenbereich lägen (sog. „zentrale Innenbereichsgrundstücke“). Eine „schlichte“ Tiefenbegrenzung sei im Anschlussbeitragsrecht zulässig. Sie habe sich zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfinde, stelle die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung stehe dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses ordnungsgemäß ausüben zu können, müsse er die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes sowohl für die ortsübliche Bebauungstiefe als auch für die ggf. einzubeziehende bauakzessorische Nutzung ermitteln. Nach diesen Kriterien entspreche die in der Wasserabgabensatzung festgesetzte Tiefenbegrenzungslinie von 50 m nicht den örtlichen Verhältnissen. So sei bereits die Ermittlung der üblichen Bebauungstiefe methodisch fehlerhaft. Der Wasserzweckverband Strelitz habe bei den vorliegenden Messdaten zur Ermittlung der ortspezifischen Bebauungstiefe sowohl „zentrale Innenbereichsgrundstücke“ als auch „Randlagengrundstücke“ berücksichtigt. Dies sei fehlerhaft, denn es widerspreche der Funktion der Tiefenbegrenzung. Auch die „schlichte“ Tiefenbegrenzung diene der Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsflächen. Daher könnten nur „Randlagengrundstücke“ für die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe herangezogen werden, denn nur diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie vom Innenbereich in den Außenbereich übergehen. „Zentrale Innenbereichsgrundstücke“ gäben für diese Frage dagegen nichts her, da sie vollständig im unbeplanten Innenbereich lägen. Der Fehler sei nicht „ergebnisneutral“. Vielmehr begründe die Berücksichtigung von „zentralen Innenbereichsgrundstücken“ bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe die Gefahr einer unrealistischen Abbildung der tatsächlich bestehenden Außenbereichsgrenzen. Im Gebiet des Wasserzweckverbandes Strelitz lägen drei Kleinstädte. Angesichts der dort vorhandenen eher kleinteiligen Bebauungsstruktur habe die Berücksichtigung zentraler Innenbereichsgrundstücke die Folge, dass die Zahl der eher weniger tief bebauten Grundstücke zunehme und damit das Gesamtergebnis der Untersuchung dergestalt beeinflusse, dass die metrische Festlegung der Tiefenbegrenzung kleiner ausfalle, als bei einer ausschließlichen Berücksichtigung von „Randlagengrundstücken“. Sinke aber die metrische Festlegung der Tiefenbegrenzung, so steige bei dieser Sachlage die Anzahl der Grundstücke im zentralen Innenbereich bedenklich, die von der Tiefenbegrenzungsregelung profitierten.

13

Etwas anderes ergebe sich auch dann nicht, wenn man den vorstehenden Ausführungen nicht folge und von einer methodisch fehlerfreien Ermittlung der Bebauungstiefe in den einzelnen Messreihen ausginge. Denn in diesem Fall habe der Beklagte die vorliegenden Messergebnisse nicht ermessensfehlerfrei gewichtet. Bei der Festlegung der Tiefenbegrenzung habe eine wertende Betrachtung zu erfolgen. Der Beklagte habe vorliegend die ortspezifische Grundstückstiefe anhand von 14 repräsentativen Messreihen ermittelt und – unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Tiefe der bauakzessorischen Nutzung von 15 m – die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m festgelegt, d.h. er sei grundsätzlich von einer üblichen Bebauungstiefe in seinem Verbandsgebiet von 35 m ausgegangen. Soweit dem die Überlegung zugrunde liege, die durchschnittliche Bebauungstiefe aller untersuchten Grundstücke betrage 31,59 m, sei dies fehlerhaft. Denn eine Durchschnittsbildung sei mit der erforderlichen Gewichtung nicht zu vereinbaren, weil in den Durchschnittswert regelmäßig auch „Ausreißer“, also Grundstücke mit einer außergewöhnlich großen bzw. geringen Bebauungstiefe einfließen würden, die gerade nicht die „übliche“ Bebauungstiefe widerspiegelten. Zur Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe könne entgegen der Beschlussvorlage vom 11. August 2011 auch nicht darauf abgestellt werden, dass 70,09 % aller Grundstücke im Verbandsgebiet bis zu einer Tiefe von 35 m bebaut worden seien. Denn die reine Addition der Vom-Hundert-Sätze der Bebauungstiefen der ermittelten Messreihen gebe regelmäßig keine Auskunft darüber, welche Messreihen eine hinreichend große Gruppe von Grundstücken abbildeten, die eine in etwa gleiche Bebauungstiefe aufwiesen. Die Kammer verkenne nicht, dass die Bewertung der Messreihen im Ermessen des Beklagten stehe, und wolle dieses Ermessen nicht selbst ausüben. Es sei aber kein plausibler Grund für die vom Beklagten vorgenommene Bewertung erkennbar: Entweder man stütze sich auf die Messreihen mit den „zweistelligen“ Vom-Hundert-Sätzen (Messreihen 2 bis 5), dann sei eine Bebauungstiefe von bis zu 30 m ortsüblich, was unter Berücksichtigung der vom Beklagten festgestellten Tiefe der bauakzessorischen Nutzung (15 m) eine Tiefenbegrenzung von 45 m rechtfertigen würde. Oder aber man ziehe den Kreis der berücksichtigungsfähigen Messreihen weiter und berücksichtige zusätzlich die zahlenmäßig etwa gleichstarken Messreihen 6 (31 bis 35 m) und 7 (36 bis 40 m), die 8,93 % bzw. 9,69 % aller Grundstücke beträfen. Dann läge die ortsübliche Bebauungstiefe bei 40 m, was unter Berücksichtigung der Tiefe der bauakzessorischen Nutzung eine Tiefenbegrenzung von 55 m rechtfertigen würde. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil die Berufung wegen grundsätzliche Bedeutung der Rechtsache zugelassen.

14

Das Urteil ist dem Beklagten am 30. September 2011 zugestellt worden. Am 21. Oktober 2011 hat er Berufung eingelegt.

15

Der Beklagte trägt im Wesentlichen vor,

16

bei der in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B c) Wasserabgabensatzung normierten Tiefenbegrenzungsregelung handele es sich um eine sog. „undifferenzierte“ Tiefenbegrenzungsregelung, die sämtliche Grundstücke im unbeplanten Innenbereich, unabhängig von ihrer Qualität als „Randlagengrundstück“ im Übergangsbereich zwischen Innen- und Außenbereich, betreffe. Das Verwaltungsgericht sei offensichtlich der Auffassung, dass die Tiefenbegrenzungslinie dort zu ziehen sei, wo sich die Bebauung im Sinne einer signifikanten Häufigkeit konzentriere. Diese Erwägung überzeuge nicht. Der Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts, auch bei der undifferenzierten Tiefenbegrenzung käme es ausschließlich darauf an, festzustellen, wann der Innenbereich in den Außenbereich übergehe, sei unzutreffend. Der Unterschied zwischen der „undifferenzierten“ und der sog. „qualifizierten“ Tiefenbegrenzung liege gerade darin, dass von der undifferenzierten Tiefenbegrenzung auch die Grundstücke betroffen seien, die sich vollständig im Innenbereich befinden. Würde man der Auffassung des Verwaltungsgerichts folgen und annehmen, dass es auch bei der „undifferenzierten“ Tiefenbegrenzung ausschließlich um die typisierte Abgrenzung von Innen- und Außenbereich gehe, würden alle Grundstücke, die von der Tiefenbegrenzung betroffen seien, „Randlagengrundstücke“ sein, mit der Folge, dass es einen Unterschied zwischen qualifizierter und undifferenzierten Tiefenbegrenzung nicht gebe. Bei der undifferenzierten Tiefenbegrenzung sei daher nicht die Frage zu beantworten, wann der Innenbereich in den Außenbereich übergehe, sondern wie sich die ortstypische bauliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke am Maßstab der Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB darstelle. Der Beklagte stütze sich dabei auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 01. September 2004 – 9 C 15.03 –, wonach maßgeblich gerade auf die bauliche Ausnutzbarkeit unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB abgestellt werde. Folgerichtig gehe es bei der „undifferenzierten“ Tiefenbegrenzungsregelung auch darum zu erkennen, dass der Erschließungsvorteil, dessen Umfang von der zulässigen baulichen Nutzung (Ausnutzbarkeit) abhänge, bei übergroßen Grundstücken im Innenbereich regelmäßig nicht größer sei, als bei den durchschnittlich tiefen Grundstücken eines Abrechnungsgebietes. Hinsichtlich dieses Kriteriums besäßen aber auch die zentral gelegenen Innenbereichsgrundstücke, auch soweit sie vollständig dem Innenbereich zuzuordnen seien, durchaus Aussagepotenzial hinsichtlich der typischen baulichen Ausnutzbarkeit von Innenbereichsgrundstücken. Aber selbst wenn man dieser Auffassung nicht folge und mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung sei, dass es auch bei der „undifferenzierten“ Tiefenbegrenzungsregelung um eine Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich gehe, erweise sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts, man dürfe methodisch nur die „Randlagengrundstücke“ berücksichtigen, als unzutreffend. Die entsprechende Ermittlung der örtlichen Verhältnisse dürfte dann aber gerade auch dazu dienen, festzustellen, ab wann überhaupt von einem „Randlagengrundstück“ gesprochen werden könne. Wenn die Tiefenbegrenzungslinie den Übergang zwischen dem Innen- und Außenbereich markiere, dann stehe vor Feststellung der örtlichen Verhältnisse noch überhaupt nicht fest, bei welchen Grundstücken in einer Ortslage der Innenbereich in den Außenbereich übergehe. Ohne die erforderlichen Ermittlungen sei daher noch nicht bekannt, welche Grundstücke sogenannte „Randlagengrundstücke“ seien. Es sei schlechterdings nicht möglich, bei der Ermittlung der ortsüblichen Verhältnisse zur Festsetzung einer Tiefenbegrenzungslinie ausschließlich „Randlagengrundstücke“ zu berücksichtigen, weil die Randlage erst das Ergebnis der Ermittlungstätigkeit sei.

17

Soweit das Verwaltungsgericht meint, es sei unzulässig, die Tiefenbegrenzungslinie auf Grundlage eines ermittelten Durchschnittwertes der ortsüblichen Bebauung sowie durch eine Addition der Vom-Hundert-Sätze der Bebauungstiefe der ermittelten Messreihen festzusetzen, sei dies ebenfalls nicht überzeugend. Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass der beklagte Zweckverband seine Entscheidung, die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m unter Berücksichtigung einer bauakzessorischen Nutzung von 15 m anzunehmen, nicht alleine auf die ermittelte durchschnittliche Bebauungstiefe gestützt habe. Vielmehr habe die durchschnittliche Bebauungstiefe dazu gedient, festzustellen, ob sich die Abweichungen beiderseits der beabsichtigten Tiefenbegrenzungslinie in etwa die Waage hielten, d.h. also, ob die Anzahl der Grundstücke, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit diesseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, der Anzahl der Grundstücke in etwa entspreche, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende. Für diese Ausgewogenheit habe die durchschnittliche Bebauungstiefe Aussagekraft. Immerhin habe auch das Bundesverwaltungsgericht in der bereits erwähnten Entscheidung hinsichtlich der Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie maßgeblich darauf abgestellt, dass bei Innenbereichsgrundstücken die bauliche Ausnutzbarkeit regelmäßig nicht größer sei als bei den „durchschnittlich“ tiefen Grundstücke eines Abrechnungsgebietes. Um festzustellen, ab wann eine bauliche Nutzbarkeit der betroffenen Grundstücke typischerweise nicht mehr gegeben sei, sei es zudem erforderlich gewesen, gewissermaßen von unten kommend, sämtliche Vom-Hundert-Sätze der Bebauungstiefen zu summieren, und so festzustellen, ab wann eine Bebauung nur noch ausnahmsweise stattfinde. Zur Vorteilsgerechtigkeit gehöre, ausreichend Flächen heranzuziehen, um den Beitragssatz möglichst gering zu halten. Vor diesem Hintergrund halte es der Beklagte eben gerade nicht für vorteilsgerecht, beispielsweise die Tiefenbegrenzungslinie im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung bei 45 m zu ziehen, weil hier immerhin noch bei 40 % der untersuchten Fälle eine Bebauung jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende. Ein Verhältnis von 60 zu 40 stelle noch kein Regel-Ausnahme-Verhältnis dar. Demgegenüber erfasse die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung 70,09 % der untersuchten Grundstücke mit der Folge, dass lediglich bei 30 % der untersuchten Fälle die bauliche Nutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende. Hierin habe der beklagte Zweckverband unter Ausnutzung des ihm zustehenden weiten Ermessens angenommen, dass an dieser Stelle ein Regel-Ausnahmeverhältnis durchaus angemessen sei und angenommen werden könne. Darin liege auch der sachliche Grund, die Tiefenbegrenzungslinie bei der Messreihe 6 zu ziehen.

18

Der Beklagte beantragt,

19

die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 01. Dezember 2008, Az. 1620006, in Gestalt des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2010 unter Aufhebung des Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. September 2011, Az. 3 A 402/10, abzuweisen.

20

Die Klägerin beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei im Ergebnis richtig. Selbst bei ermessenfehlerfreier Festsetzung der Tiefenbegrenzungsregelung und damit wirksamer Satzungsgrundlage hätte es der Klage stattgeben müssen, da auch dann die streitgegenständlichen Bescheide in dem angefochtenen Umfang rechtswidrig gewesen wären. In Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung habe die Klägerin aufgrund der nur teilweisen Anfechtung des Beitragsbescheides den Beitrag bereits vollständig entrichtet. Darüber hinaus bestehe keine Beitragspflicht der Klägerin. Hätte der Beklagte auch die Grundstücksfläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksgrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen zur Beitragspflicht unterwerfen wollen, hätte es hierzu einer entsprechenden Satzungsregelung bedurft, wie sie in zahlreichen anderen Beitragssatzungen und der Mustersatzung des Städte- und Gemeindetages M-V e.V. und des Innenministeriums M-V zu finden sei.

23

Das Verfahren ist in der mündlichen Verhandlung mit dem Verfahren Az. 1 L 27/09 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden worden.

24

Für die weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakten samt der zu diesen gereichten Behördenakten und auf die beigezogenen Akten des Verfahrens Az. 1 M 91/09 (VG Greifswald Az. 3 B 249/09) nebst Behördenakten, die jeweils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

25

Die zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg.

26

Die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin ist unbegründet; das verwaltungsgerichtliche Urteil war entsprechend abzuändern und die Klage abzuweisen.

27

Der angefochtene Anschlussbeitragsbescheid des Beklagten vom 01. Dezember 2008 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin folglich nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er kann auf eine wirksame Rechtsgrundlage gestützt werden (1.); auch die Rechtsanwendung ist nicht zu beanstanden (2.).

28

1. Der angefochtene Bescheid ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht mangels wirksamer, gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KG M-V aber erforderlicher Rechtsgrundlage rechtwidrig. Die am 10. August 2011 beschlossene, am 17. August 2011 ausgefertigte und nach ihrem § 24 Satz 1 rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft getretene Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung – WAgS) ist wirksam und damit Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides.

29

Die in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B c) Wasserabgabensatzung geregelte Tiefenbegrenzung von 50 m verstößt entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG bzw. das darin normierte Vorteilsprinzip.

30

Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS bestimmt:

31

Als Grundstücksfläche gilt: bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen (§ 34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen; bei Grundstücken, die nicht an eine Straße angrenzen oder nur durch einen zum Grundstück gehörenden Weg mit einer Straße verbunden sind, die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Im Falle eines Eckgrundstückes ist die Tiefenbegrenzungsregelung in jede Richtung der vorhandenen Anbaustraßen aus zu ziehen.

32

Die in der Vorschrift enthaltene Festlegung der Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m ist nicht zu beanstanden.

33

Eine Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht grundsätzlich zulässig. Die Tiefenbegrenzung ist eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks Bauland ist. Die damit verbundene und im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen allgemein als zulässig angesehene Pauschalierung wirkt sich in Einzelfällen mehr oder weniger zu Lasten einzelner Beitragspflichtiger aus. Eine Tiefenbegrenzung findet gerade im Anschlussbeitragsrecht ihre Rechtfertigung darin, dass im Rahmen der Beitragskalkulation die Ermittlung der Gesamtbeitragsfläche erforderlich ist, die auf metrische Festlegungen angewiesen ist. Dadurch gewinnt der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und -vereinfachung besondere Bedeutung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegender unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs angestellt werden. Die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität stehen im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V). Danach sind die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden. Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem – wie in Anlage 1 1. A Abs. 1 WAgS geregelten – kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab zu bemessen. Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist im Prinzip der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Denn läge bei exakter Betrachtung des einzelnen Grundstückes die Grenze des baurechtlichen Innenbereiches (§ 34 Abs. 1 BauGB) vor (straßenseits) der Tiefenbegrenzungslinie, so würde der Eigentümer des Grundstückes – aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität grundsätzlich zulässigerweise – höher belastet als es ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung der Fall wäre. Gleichermaßen würde derjenige Grundstückseigentümer, dessen Grundstück ohne die Vermutung der Tiefenbegrenzung erst jenseits der Tiefenlinie in den Außenbereich überginge, besser gestellt als ohne Geltung der Tiefenbegrenzungslinie.

34

Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt – wenn eine solche ermittelbar ist – die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Es ist darauf abzustellen, ob sich die gewählte Tiefenlinie als ortsangemessen darstellt bzw. den örtlichen Verhältnissen entspricht. Dies stimmt mit den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erschließungsbeitragsrecht an die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung überein. Danach muss die gewählte Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegeln und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren (BVerwG, 01.09.2004 – 9 C 15.03 –, BVerwGE 121, 365, 369). Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln. Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden. Das Gericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen.

35

Bei der Ermittlung der örtlichen Verhältnisse ist eine Begrenzung auf repräsentativ ausgewählten Ortslagen zulässig. Müsste der Ortsgesetzgeber die tatsächlichen Bebauungstiefen in allen Ortslagen des Verbandsgebietes untersuchen, verlöre die Tiefenbegrenzung als Instrument zur Verwaltungsvereinfachung ihre Berechtigung, denn dann würden die Grundstücksdaten, die aufgrund der Tiefenbegrenzungsregel nicht sollen erhoben werden müssen, schon für die Bildung der Regel benötigt. Auf welche Weise der Satzungsgeber die ortsüblichen Verhältnisse zu ermitteln hat, ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Auch dies liegt in seinem Ermessen. Ortsüblich ist die Bebauungstiefe, die im zu betrachtenden Gebiet üblich i. S. v. normal, geläufig, verbreitet oder in der Mehrzahl der ermittelten Fälle anzutreffen ist. Die Begriffe "ortsüblich" und "orientieren" bringen mit der ihnen inbegriffenen Unschärfe zum Ausdruck, dass es nicht um die Ermittlung einer exakt zu berechnenden Größe geht, von der nur zu bestimmten Prozentanteilen abgewichen werden darf. Das Erfordernis der Üblichkeit einer Bebauungstiefe setzt vielmehr schon voraus, dass es daneben eine nicht nur geringe Anzahl von Grundstücken mit im Gebiet nicht üblichen Bebauungstiefen geben muss, die nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen muss. Aus all dem folgt, dass für die Annahme der Ortsüblichkeit ausreichend eine zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken ist, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, so dass von einer üblichen Tiefe gesprochen werden kann. Der Bebauungszusammenhang nach § 34 Abs. 1 BauGB muss nicht unbedingt mit der Außenwand der letzten Baulichkeit enden, sondern kann je nach den örtlichen Gegebenheiten etwa noch einen Hausgarten einschließen (bauakzessorische Nutzung); auch topographische Verhältnisse können dabei eine prägende Rolle spielen (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris; Urt. v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –, juris; jeweils m. w. N.).

36

Nach Maßgabe dieses Maßstabes liegt der streitgegenständlichen Tiefenbegrenzungsregelung weder eine methodisch fehlerhafte Ermittlung der üblichen Bebauungstiefe bzw. der diesbezüglichen örtlichen Verhältnisse im Gebiet des Zweckverbandes zugrunde (a) noch hat das satzungsgebende Organ des Wasserzweckverbandes die betreffenden Ermittlungsergebnisse bei seiner Festlegung im Übrigen ermessensfehlerhaft bewertet und gewichtet (b).

37

a) Das Verwaltungsgericht meint, es sei methodisch fehlerhaft gewesen, dass der Wasserzweckverband Strelitz zur Ermittlung der ortspezifischen Bebauungstiefe sowohl „zentrale Innenbereichsgrundstücke“ als auch „Randlagengrundstücke“ berücksichtigt habe. Dies sei zu beanstanden, weil es der Funktion der Tiefenbegrenzung – der Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsflächen – widerspreche. Daher könnten auch nur Randlagengrundstücke für die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe herangezogen werden, denn nur diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie vom Innenbereich in den Außenbereich übergingen. Diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

38

aa) Das Verwaltungsgericht führt zunächst (S. 5 des Urteils) aus, der Anwendungsbereich der Regelung in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS beschränke sich nicht auf Grundstücke, die mit ihrer vorderen, straßennahen Teilfläche im unbeplanten Innenbereich i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB und mit ihrer rückwärtigen Teilfläche im Außenbereich lägen („Randlagengrundstücke“), vielmehr seien „auch“ solche Grundstücke erfasst, die vollständig, d.h. auch mit ihren rückwärtigen Teilflächen, im unbeplanten Innenbereich lägen ( „zentrale Innenbereichsgrundstücke“). Von diesem grundsätzlichen Normverständnis ausgehend entwickelt es dann seinen Rechtsstandpunkt, nur die von ihm so bezeichneten Randlagengrundstücke dürften in die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe einbezogen werden.

39

Diesem Rechtsstandpunkt scheint damit eine grundlegende Fehldeutung des Regelungsgehalts der Bestimmung in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS zugrunde zu liegen: Anlage 1 Ziff. 1.3 B. c) WAgS findet nicht „auch“, sondern nach seinem klaren Wortlaut („Grundstücken, … die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen“) entweder nur oder jedenfalls vor allem auf solche Grundstücke Anwendung, die vollständig, d.h. auch mit ihren rückwärtigen Teilflächen, „innerhalb“ des unbeplanten Innenbereichs liegen, daneben allenfalls „auch“ auf Grundstücke, die mit ihrer vorderen Teilfläche im unbeplanten Innenbereich und mit ihrer rückwärtigen Teilfläche im Außenbereich lägen („Randlagengrundstücke“). Das Verwaltungsgericht hat demzufolge in seinem grundsätzlichen Normverständnis den Regelungsgehalt der Bestimmung gewissermaßen in sein Gegenteil verkehrt. Seine methodische Kritik, es könnten nur „Randlagengrundstücke“ für die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe herangezogen werden, denn nur diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie vom Innen- in den Außenbereich übergingen, verliert den Regelungsgehalt von Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS aus den Augen. Bei zutreffendem Verständnis der Norm betrachtet der Senat daher die Annahme, obwohl sie sich zumindest in erster Linie auf vollständig im Innenbereich belegene Grundstücke bezieht, dürften gerade diese Grundstücke für die Ermittlung der für sie vorgesehenen Tiefenbegrenzungsregelung nicht berücksichtigt werden, als unschlüssig.

40

Bleibt man im Übrigen eng am Wortlaut („Grundstücke, … die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen“), folgt daraus ohne Weiteres, dass es definitionsgemäß nach Maßgabe von Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS keine „Randlagengrundstücke“ und/oder „zentrale Innenbereichsgrundstücke“ geben kann, sondern eben ausschließlich nur innerhalb des Innenbereichs liegende Grundstücke, auf die die Tiefenbegrenzungsregelung Anwendung findet. Entsprechende Regelungen waren ohne Beanstandung insoweit bereits Gegenstand von Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschl. v. 03.05.2005 – 1 L 268/03 – und Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00 – sowie v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –). Auch dort beschäftigte sich insbesondere der 4. Senat mit den „insgesamt im Innenbereich gelegenen Grundstücken“.

41

bb) Die Erwägungen des Verwaltungsgerichts stehen im Widerspruch zur Senatsrechtsprechung und zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 03. Mai 2005 – 1 L 268/03 – darauf hingewiesen, dass eine satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung, die die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegele, auch auf „zentrale“ Grundstücke des unbeplanten Innenbereichs anwendbar sei. Der Senat hat sich dabei auf die erschließungsbeitragsrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 01.09.2004 – 9 C 15.03 –, BVerwGE 121, 365 – zitiert nach juris) bezogen, wonach es keinen tragfähigen Grund gebe, die entwickelten Grundsätze für eine Tiefenbegrenzung auf einen wie auch immer gearteten „Randbereich“ des unbeplanten Innenbereichs im Übergang zum Außenbereich zu beschränken oder – im Gegenteil – auf diesen Randbereich für unanwendbar zu halten. Wegen entsprechender örtlicher Verhältnisse könne danach die Anwendbarkeit einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung auch auf „zentrale“ Grundstücke mit § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB in Einklang stehen. Dann ist es grundsätzlich nicht gerechtfertigt, die „zentralen“ Grundstücke bei der Ermittlung der örtlichen Verhältnisse „außen vor zu lassen“.

42

cc) Mit der in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS geregelten Tiefenbegrenzung soll nach dem zutreffenden Vortrag des Beklagten in erster Linie die Frage beantwortet werden, wie sich die ortsübliche bauliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke am Maßstab der Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB darstellt bzw. ab welcher Linie typischerweise „übertiefe“ Grundstücke in ihrem hinteren Teil weder bebaut noch bauakzessorisch genutzt werden können; daneben mag es in Innenbereichsrandlagen auch um die Klärung gehen, ab wo der Innenbereich in den Außenbereich übergeht. Bezogen auf die Frage des beitragsrechtlichen Vorteils können nicht baulich nutzbare – jenseits der ortsüblichen Bebauungstiefe bzw. der hierauf gegründeten Tiefenbegrenzungslinie liegende – Teilflächen „übertiefer“, vollständig im Innenbereich liegender Grundstücke den Außenbereichsteilflächen „übertiefer“ Grundstücke, die vom Innen- in den Außenbereich übergehen, gleichstehen. Entsprechend hat das Oberverwaltungsgericht in den vorstehend in Bezug genommenen Entscheidungen formuliert, die Tiefenbegrenzung sei eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks „Bauland“ ist und jenseits eine bauliche Nutzung nicht mehr stattfinde, damit also das Kriterium der baulichen Nutzbarkeit unterstrichen. Wenn eine satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegelt, verstößt es folglich nicht gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitenden Grundsatz der Abgabengerechtigkeit und das in § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V normierte Vorteilsprinzip, bei vollständig im unbeplanten Innenbereich liegenden Grundstücken den die Tiefengrenze überschreitenden Grundstücksteilen, soweit sie nicht tatsächlich baulich oder gewerblich genutzt werden (können), keinen beitragsrechtlichen Vorteil beizumessen (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2004 – 9 C 15.03 –, a. a. O.). Insoweit sind die zentral gelegenen Innenbereichsgrundstücke, auch soweit sie vollständig dem Innenbereich zuzuordnen sind, bei der Ermittlung der ortsüblichen bzw. typischen baulichen Ausnutzbarkeit von Innenbereichsgrundstücken heranzuziehen.

43

dd) Vor Feststellung der örtlichen Verhältnisse steht zudem überhaupt noch nicht fest, bei welchen Grundstücken in einer Ortslage im Gebiet des Wasserzweckverbandes der Innenbereich in den Außenbereich überginge. Die Tiefenbegrenzungslinie soll in der Sichtweise des Verwaltungsgerichts gerade erst „vertypt“ die Grenze bestimmen, ab der dies der Fall wäre. Die „Randlage“ wird jedenfalls bei den betreffenden Grundstücken erst durch Ermittlung der ortsüblichen bzw. typischen Bebauungstiefe konkretisiert. Der Beklagte weist insoweit zutreffend darauf hin, dass es schlechterdings nicht möglich sei, bei der Ermittlung der ortsüblichen Verhältnisse zur Festlegung einer Tiefenbegrenzungslinie ausschließlich Randlagengrundstücke zu berücksichtigen, weil die Randlage der Grundstücke im konkreten Einzelfall erst das Ergebnis der Ermittlungstätigkeit sei. Wollte das Verwaltungsgericht verlangen, unabhängig von einer Tiefenbegrenzungslinie sei im Vorfeld der eigentlichen Ermittlung derselben zunächst für jedes einzelne Grundstück eine Differenzierung nach zentralen Innenbereichs- und Randlagengrundstücken zu fordern, um dann anschließend nur unter Berücksichtigung der letzteren die tatsächlichen Grundlagen zu ermitteln und die Tiefenbegrenzungslinie festzulegen, ginge im Übrigen jeder Vereinfachungsvorteil derselben verloren.

44

ee) Wenn das Verwaltungsgericht meint, die Berücksichtigung von zentralen Innenbereichsgrundstücken begründe bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe die „Gefahr“ einer unrealistischen Abbildung der tatsächlich bestehenden Außenbereichsgrenzen, verkennt dies den skizzierten Regelungsgehalt der konkret in Rede stehenden Tiefenbegrenzungsregelung und erscheint dies zudem spekulativ. Eine „Gefahr“ einer unrealistischen Abbildung der tatsächlich bestehenden Außenbereichsgrenzen ist noch keine Feststellung einer solchen und vermag daher die gerichtliche Verwerfung einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzungsfestlegung nicht zu tragen. Auch der weitere Hinweis darauf, dass im Gebiet des Wasserzweckverbandes Strelitz drei Kleinstädte lägen und angesichts der dort vorhandenen „eher“ kleinteiligen Bebauungsstruktur die Berücksichtigung zentraler Innenbereichsgrundstücke die Folge habe, dass die Zahl der „eher“ weniger tief bebauten Grundstücke zunehme und damit das Gesamtergebnis der Untersuchung dergestalt beeinflusse, dass die metrische Festlegung der Tiefenbegrenzung kleiner ausfalle als bei einer ausschließlichen Berücksichtigung von Randlagengrundstücken, liegt zum einen mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen neben der Sache und lässt zum anderen bereits eine hinreichende Tatsachenbasis und eine hinreichend konkrete Betrachtung der Verhältnisse im Verbandsgebiet bzw. der vorliegenden Ermittlungsergebnisse vermissen. Hierzu bestünde für die Gerichte im Übrigen grundsätzlich auch nur dann Anlass, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen oder geltend gemacht werden, die unter diesem Blickwinkel zur Annahme einer fehlerhaft zusammengestellten Tatsachenbasis für die Ermessensentscheidung führen könnten.

45

b) Der Wasserzweckverband hat – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – die Ergebnisse seiner Ermittlung der ortsüblichen Verhältnisse bei seiner Festlegung der Tiefenbegrenzung auf 50 m im Übrigen ermessensfehlerfrei bewertet und gewichtet.

46

Er ist bei der Festlegung der Tiefenbegrenzung auf 50 m wie folgt vorgegangen: Er hat ein Referenz-/Untersuchungsgebiet mit 964 km² Fläche der ländlich geprägten Gesamtverbandsgröße von 984 km² zugrunde gelegt. Ausgewertet wurden insgesamt 5.038 Grundstücke im unbeplanten Innenbereich in drei von drei Kleinstädten sowie 86 von 103 Dörfern. Komplett erfasst wurden 17 von 18 Gemeinden und sechs Ortslagen der Gemeinde Feldberger Seenlandschaft. Hieraus resultiert die Übersicht „Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie / Zusammenfassung Bebauungstiefe im unbeplanten Innenbereich“, die die Zahl der Grundstücke mit einer bestimmten Bebauungstiefe, gestaffelt in 5 m-Schritten, darstellt. Die ermittelte Bebauungstiefe stellt dabei auf das Ende der tatsächlichen Bebauung ab. Die durchschnittliche Bebauungstiefe wurde mit 31,58 m ermittelt. Unter Einbeziehung einer bauakzessorischen Nutzung von 15 m wurde die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m festgelegt; dabei wurden insgesamt 70,09 % der Grundstücke in dem Sinne erfasst, dass ihre bauliche Nutzung bis an diese Grenze endet. In der Begründung der Beschlussvorlage VB/15/11 ist ausgeführt, dass neben der Bebauungstiefe die sogenannte bauakzessorische Nutzung (Garten, Terrasse, etc.) untersucht und im Verbandsgebiet mit 15 m als ortsüblich festgestellt worden sei. Weiter heißt es:

47

„Unter Berücksichtigung einer der größten Gruppen entsprechenden Bebauungstiefe bis 20 m ergäbe sich unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung eine Tiefenbegrenzungslinie von 35 m. Bei dieser Tiefenbegrenzungslinie würden allerdings lediglich 34,16 % aller Grundstücke erfasst werden. Dies ist eine noch nicht hinreichend große Anzahl von Grundstücken, die unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vorteilsgerechtigkeit noch eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zulässige Typisierung durch eine Tiefenbegrenzungslinie ermöglichen würde.

48

Die Gruppe der Grundstücke, die unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung des Grundstücks von 15 m eine bauliche Nutzung zwischen 45 und 50 Metern aufweist, beträgt 8,93 %. Zieht man unter Einbeziehung dieser Gruppe die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 Metern, wären 70,09 % aller Grundstücke erfasst. Dies ist eine Zahl, die unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vorteilsgerechtigkeit noch eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zulässige Typisierung durch eine Tiefenbegrenzungslinie zulässt. Dafür spricht zudem die Tatsache, dass die durchschnittliche bauliche Nutzung der Grundstücke unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung in dieser Gruppe liegt (46,58 %).“

49

Auf der Basis der Ermittlungen der Bebauungstiefe und der vorstehenden Erwägungen des Wasserzweckverbandes ist ein justitiabler Ermessensfehler bei der Festlegung der Tiefenbegrenzungslinie auf 50 m nicht feststellbar.

50

Wie bereits ausgeführt geht es bei der Frage der Ortsüblichkeit nicht um die Ermittlung einer exakt berechenbaren Größe. Da es zwangsläufig auch Grundstücke mit nicht üblichen Bebauungstiefen gibt, die also nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen, kann für die Annahme der Ortsüblichkeit eine zahlenmäßig ausreichend große Gruppe von Grundstücken maßgeblich sein, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen.

51

Betrachtet man hiervon ausgehend und auf der Grundlage der Übersicht „Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie / Zusammenfassung Bebauungstiefe im unbeplanten Innenbereich“ einen Korridor der tatsächlichen Bebauungstiefe von 21 bis 50 m bzw. – nach Addition der ortsüblichen bauakzessorischen Nutzung – von 36 bis 65 m, also etwa 15 m unter- und oberhalb der normierten Tiefenbegrenzungslinie, lässt sich feststellen, dass mit diesem Korridor eine Gruppe von knapp 56 % aller Grundstücke erfasst ist. Es erscheint nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Wasserzweckverband in diesem Bereich eine im vorstehenden Sinne zahlenmäßig ausreichend große Gruppe von Grundstücken, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, verortet hat. Das gilt insbesondere mit Blick auf das ihm für die Festsetzung der Tiefenbegrenzung zustehende normgeberische und weit zu verstehende Ermessen.

52

Auch die Begründung der Beschlussvorlage benennt Kriterien, die entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts geeignet sind, die konkret bei 50 m festgelegte Tiefenbegrenzung ermessensfehlerfrei abzusichern. Insbesondere durfte der Wasserzweckverband auch die durchschnittliche Bebauungstiefe berücksichtigen, die er im Ergebnis seiner Untersuchungen festgestellt hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Berechnung einer solchen durchschnittlichen Bebauungstiefe – wie vorliegend mit 5.038 Grundstücken – eine hinreichend große Zahl von Grundstücken zugrunde liegt. Denn damit werden jedenfalls „Ausreißer“ weitgehend nivelliert. Dass die durchschnittliche Bebauungstiefe einen Bezug zur ortsüblichen Bebauungstiefe aufweist, ist aus Sicht des Senats offensichtlich: Je mehr Grundstücke in einem Bereich bebaut sind, der als ortsüblich qualifiziert werden kann, umso eher wird auch die durchschnittliche Bebauungstiefe in diesem Bereich liegen, jedenfalls dann, wenn eine hinreichend große Zahl von Grundstücken in die Betrachtung einbezogen wird. Nicht unplausibel ist auch der diesbezügliche Vortrag des Beklagten, die durchschnittliche Bebauungstiefe erlaube die Kontrolle, ob sich die Abweichungen beiderseits der beabsichtigten Tiefenbegrenzungslinie in etwa die Waage hielten, d.h. also, ob die Anzahl der Grundstücke, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit diesseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, der Anzahl der Grundstücke in etwa entspreche, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende. Für diese Ausgewogenheit habe die durchschnittliche Bebauungstiefe Aussagekraft. Die durchschnittliche Bebauungstiefe kennzeichne nämlich die Linie, bei der sich die Anzahl der Grundstücke, deren bauliche Ausnutzbarkeit diesseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, mit der Anzahl der Grundstücke, deren bauliche Ausnutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, decke. Insoweit sei – zumindest als Kontrollüberlegung – eine Bezugnahme auf die durchschnittliche Bebauungstiefe durchaus zulässig. Schließlich hat auch der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 14. September 2010 – 4 K 12/07 – (juris, vgl. Rn. 83) den Gesichtspunkt der durchschnittlichen Bebauungstiefe im Kontext des Erfordernisses der Üblichkeit der Bebauungstiefe als relevant erwähnt.

53

Ebenfalls als nicht ermessensfehlerhaft erweist sich die Berücksichtigung des Umstandes, dass mit der Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m immerhin 70,09 % aller Grundstücke – in dem Sinne, dass dort ihre Bebauung spätestens endet – erfasst würden und dies eine Zahl sei, die unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vorteilsgerechtigkeit noch eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zulässige Typisierung durch eine Tiefenbegrenzungslinie zulasse. Auch dieser Aspekt ist im vorerwähnten Urteil des 4. Senats des Oberverwaltungsgerichts angesprochen worden. Er wird dem Umstand gerecht, dass aus einer ortsüblichen Bebauungstiefe als Basis der Festlegung der Tiefenbegrenzungslinie zugleich folgt, dass das Eingreifen der Tiefenbegrenzungsregelung nicht der Regelfall sein kann. Wäre dies anders, läge darin ein Anhaltspunkt dafür, dass die ortsübliche Bebauungstiefe nicht korrekt ermittelt worden ist. In diese Richtung zielt auch das Vorbringen des Beklagten, zur Vorteilsgerechtigkeit gehöre, ausreichend Flächen heranzuziehen, um den Beitragssatz möglichst gering zu halten. Vor diesem Hintergrund halte er es für vorteilsgerecht, wenn die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung 70,09 % der untersuchten Grundstücke mit der Folge erfasse, dass lediglich bei 30 % der untersuchten Fälle die bauliche Nutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, und habe unter Ausnutzung des ihm zustehenden weiten Ermessens angenommen, dass an dieser Stelle ein Regel-Ausnahmeverhältnis durchaus angemessen sei und angenommen werden könne. Auch diese Erwägungen erscheinen jedenfalls nicht unplausibel.

54

Das Verwaltungsgericht kann seinerseits nicht überzeugend darlegen, warum die 50 m-Linie ermessensfehlerhaft sein soll. Ihm ist zuzugeben, dass die Tiefenbegrenzungslinie möglicherweise auch anders, z. B. bei 45 m hätte gezogen werden können. Selbst wenn man aber unterstellen wollte, dies wäre „richtiger“ gewesen, könnte dies nicht ohne weiteres damit gleichgesetzt werden, dass die 50 m-Linie vom Zweckverband ermessensfehlerhaft bzw. handgreiflich „falsch“ festgelegt worden wäre. Mit seinen Überlegungen zur Berücksichtigungsfähigkeit einzelner Messreihen beachtet das Verwaltungsgericht den diesbezüglich weiten Ermessensspielraum des Wasserzweckverbandes nicht im ausreichenden Maße.

55

2. Soweit die Klägerin weiter geltend macht, fehlerhaft sei auch die Ermittlung der beitragspflichtigen Grundstücksfläche, liegt auch kein Rechtsanwendungsfehler vor.

56

Die Klägerin meint, es könne lediglich die Fläche herangezogen werden, die an die Straße angrenze. Der Beklagte gehe demgegenüber fehlerhaft von einer Grundstücksfläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksgrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallele aus. Selbst bei Anwendung der Tiefenbegrenzung würde die Fläche nur 939,39 m² betragen, da sich die Parallele an dem Verlauf der Straße orientieren müsse, die an der Ecke zum Nachbarflurstück 45/5 abknicke.

57

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung satzungskonform. Der Wortlaut der Bestimmung gemäß Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die berücksichtigungsfähige Fläche – auch – durch eine vom Endpunkt der Grundstücksstraßengrenze ausgehenden gedachten Senkrechten zur Straße zu begrenzen wäre. Der Wortlaut – „die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen“ – führt vielmehr zwanglos auf das Normverständnis des Beklagten, die gesamte Grundstücksfläche zwischen diesen Parallelen zu berücksichtigen, auch wenn im rückwärtigen Bereich Flächen erfasst werden, die ihrerseits nicht mehr „auf der Höhe“ der Grundstücksgrenze bzw. zwischen den beiden Endpunkten der Grundstücksstraßengrenze lägen sich also das Grundstück im rückwärtigen Bereich verbreitert. Systematisch wird das Normverständnis des Beklagten auch dadurch gestützt, dass nach der Tiefenbegrenzungsregelung bei Grundstücken, die nur durch einen zum Grundstück gehörenden Weg mit einer Straße verbunden sind, die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen als Grundstücksfläche gilt. Auch dort ist offensichtlich die berücksichtigungsfähige Fläche nicht auf die Breite des betreffenden Weges beschränkt. Schließlich erschiene es vorteilswidrig, dergleichen rückwärtige Flächen unberücksichtigt zu lassen, wenn ihre bauliche Nutzung gerade ortsüblich ist. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, einen Unterschied zwischen der auf der einen und der auf der anderen Seite der gedachten Senkrechten liegenden Fläche zu machen. Die hilfsweise Argumentation der Klägerin, jedenfalls müsse sich die Parallele auf der gesamten Breite ihres Grundstücks am Verlauf der Straße orientieren, überzeugt ebenfalls nicht. Auch insoweit ist der Wortlaut der Bestimmung eindeutig, wonach die Parallele zur jeweiligen Straßengrenze zu ziehen ist. Die Parallele wird folglich nur zu der konkret vorhandenen Straßengrenze gezogen. Soweit das Grundstück der Klägerin im rückwärtigen Bereich über diese konkrete Grenze hinaus eine der Straße zugewandte Grundstücksseite aufweist, grenzt es gerade nicht an die Straße an. Die weitere Regelungsalternative der Tiefenbegrenzungsbestimmung – „bei Grundstücken, die nicht an eine Straße angrenzen“ – ist jedenfalls im Hinblick auf das Grundstück der Klägerin nicht einschlägig, ebenso wenig die Regelung für Eckgrundstücke. Soweit der Abwasserbeseitigungszweckverband Tollensesee möglicherweise einer gleichlautenden Bestimmung ein anderes Normverständnis zugrunde legt, ist dies vorliegend rechtlich nicht von Bedeutung.

58

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

59

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

60

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 14. April 2011 – 3 B 260/11 – wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 287,91 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Antragsteller zu einem Trinkwasseranschlussbeitrag.

2

Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks in Gestalt des Flurstücks ## der Flur ## in der Gemarkung B### (W### Straße 10 in B###). B### ist ein Ortsteil der Gemeinde S###, die zum Amt Röbel-Müritz und zum früheren Landkreis Müritz, jetzt Landkreis Mecklenburgische-Seenplatte zugehörig ist. Die Gemeinde S### ist Verbandsmitglied des Wasserzweckverbandes Strelitz.

3

Mit Bescheid Nr. #### vom 23. Dezember 2008 zog der Antragsgegner die Antragsteller jeweils zu einem Anschlussbeitrag in Höhe von 967,75 EUR netto zzgl. 19 % USt. in Höhe von 183,87 EUR, also insgesamt 1.151,62 EUR heran. Dabei wies er darauf hin, dass die beiden Miteigentümer den zu entrichtenden Betrag gemeinsam schuldeten, dieser aber nur einmal zu zahlen sei. Dagegen legten die Antragsteller am 12. Januar 2009 Widerspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung, was der Antragsgegner mit Schreiben vom 28. Januar 2009 ablehnte.

4

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragsteller auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 06. Mai 2009 – 3 B 249/09 – teilweise stattgegeben, soweit die Beitragsfestsetzung den Betrag von 1.035,49 EUR übersteigt, und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Als maßgeblich für die Teilstattgabe hat das Verwaltungsgericht angeführt, der Herstellungsbeitrag habe voraussichtlich nur mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % besteuert werden dürfen. Zweifel an der Wirksamkeit der zugrunde liegenden Satzung bestünden demgegenüber derzeit nicht, insbesondere sei diese wirksam bekannt gemacht worden.

5

Mit Beschluss vom 27. August 2009 – 1 M 91/09 – hat der Senat auf die Beschwerde der Antragsteller den Beschluss des Verwaltungsgerichts im Umfang der Ablehnung geändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs insgesamt angeordnet. Es liege ein Bekanntmachungsmangel vor, der nach dem Prüfungsmaßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu der Annahme führe, dass die der streitgegenständlichen Beitragserhebung zugrunde liegende Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung - WAgS) vom 27. November 2007 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts jedenfalls im Gebiet der Gemeinde S#### nicht wirksam bekannt gemacht worden sein dürfte. Die Bekanntmachung im "Müritz-Anzeiger" habe nicht den Anforderungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO i. d. F. vom 23. April 1999 (GVOBl. M-V, S. 295; ber. in GVOBl. M-V, S. 306 und 431) genügt. Der "Müritz-Anzeiger" vom 24. Dezember 2007 habe auf seinem Deckblatt am unteren Rand in einem abgesetzten Block angegeben, dass er "Amtliches Bekanntmachungsblatt“ für verschiedene Körperschaften sei, der Wasserzweckverband Strelitz finde danach jedoch keine Erwähnung. Folglich weise der "Müritz-Anzeiger" entgegen § 6 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO i. d. F. vom 23. April 1999 nicht durch seine Bezeichnung darauf hin, dass es sich um ein amtliches Bekanntmachungsblatt gerade – auch – des Wasserzweckverbandes Strelitz als herausgebender Träger öffentlicher Verwaltung handele.

6

Auf den Abänderungsantrag des Antragsgegners vom 03. März 2011 hat das Verwaltungsgericht den Beschluss des Senats vom 27. August 2009 – 1 M 91/09 – gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO geändert und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt, soweit die Festsetzung im Bescheid vom 23. Dezember 2008 den Betrag von 1.035,49 EUR nicht übersteigt. Der angefochtene Bescheid finde seine Rechtsgrundlage in der Wasserabgabensatzung vom 27. November 2007 in Gestalt der – rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft getretenen – 1. Änderungssatzung vom 02. Juni 2009. Die Satzung sei inzwischen insbesondere im „Müritz-Anzeiger“ am 13. Februar 2010 ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Der „Müritz-Anzeiger“ weise nunmehr auf seinem Deckblatt und in seinem Impressum – wie aus anderen gerichtlichen Verfahren bekannt sei – darauf hin, dass es sich auch um das amtliche Bekanntmachungsblatt des Wasserzweckverbandes Strelitz als herausgebender Träger der öffentlichen Verwaltung handele. Die Satzung sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Keine Bedenken bestünden gegen den in § 2 Satz 2 WAgS i. V. m. Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 1 geregelten Beitragssatz; er beruhe auf einer wirksamen Kalkulation. Das Verwaltungsgericht verweist insoweit auf sein Urteil vom 08. September 2010 – 3 A 728/09 – (richtig: 3 A 729/09).

II.

7

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den ihnen am 18. April 2011 zugestellten Beschluss, die mit dem am 29. April 2011 eingegangenen Schriftsatz fristgemäß (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) eingelegt und mit am 18. Mai 2011 eingegangenem Schriftsatz ebenso fristgerecht (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) begründet worden ist, hat keinen Erfolg.

8

§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO bestimmt, dass die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen ist. Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.

9

In Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Wie sich aus § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 3 VwGO ergibt, können nur solche Gründe in die Prüfung einbezogen werden, die der Beschwerdeführer innerhalb der einmonatigen gesetzlichen Begründungsfrist vorbringt. Nach Ablauf dieser Frist können zwar fristgerecht – dem Darlegungserfordernis genügend – geltend gemachte Gründe vertieft, nicht aber neue Gründe in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden. Die Beschwerde bleibt erfolglos, wenn sich die erstinstanzliche Entscheidung aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist und – soweit die entsprechenden Umstände bzw. rechtlichen Überlegungen bislang nicht Gegenstand des Rechtsstreits waren – den Beteiligten hierzu zuvor rechtliches Gehör gewährt worden ist.

10

Vor diesem Hintergrund verlangt das Darlegungserfordernis von dem Beschwerdeführer, dass die Beschwerdebegründung auf die rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen eingeht, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat. Es ist für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderlich, dass die Beschwerdebegründung an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpft und aufzeigt, weshalb sich diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen der Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss sich insofern an der Begründungsstruktur der angegriffenen Entscheidung orientieren. Grundsätzlich reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ebenso wenig aus wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen. Stützt das Verwaltungsgericht sein Ergebnis alternativ auf mehrere Begründungen, muss die Beschwerde alle Begründungen aufgreifen, sich mit diesen auseinander setzen und sie in Zweifel ziehen. Geht die Beschwerdebegründung auf nur eine Erwägung nicht ein, die die angefochtene Entscheidung selbstständig trägt, bzw. lässt sie unangefochten, bleibt der Beschwerde schon aus diesem Grund der Erfolg versagt. Diese Anforderungen an die Beschwerdebegründung sind für einen Beschwerdeführer auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang gemäß § 67 Abs. 4 VwGO ist sichergestellt, dass Beschwerdeführer – in aller Regel durch einen Rechtsanwalt – rechtskundig vertreten sind (insgesamt ständige Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschl. v. 19.08.2008 – 1 M 44/08 –).

11

Unter Zugrundlegung dieses Maßstabes genügt das Beschwerdevorbringen teilweise schon nicht dem Darlegungserfordernis und weckt im Übrigen insgesamt keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides bzw. an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

12

1. Zunächst ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht den Antrag des erstinstanzlich nicht anwaltlich vertretenen Antragsgegners gemäß § 80 Abs. 7 VwGO,

13

den Beschluss des OVG M-V vom 27.08.2009, Az. 1 M 91/09 zu ändern und die Beschwerde gegen den Beschluss des VG Greifswald vom 06. Mai 2009, Az. 3 B 249/09 zurückzuweisen,

14

als sinngemäßen Antrag,

15

den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 27.08.2009 – 1 M 91/09 – zu ändern und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches des Antragstellers abzulehnen, soweit die Festsetzung den Betrag von 1.035,49 EUR nicht übersteigt,

16

ausgelegt hat. Dies entspricht ohne weiteres dem erkennbaren Rechtsschutzziel des Antragsgegners und überschreitet nicht die durch § 88 VwGO vorgegebenen Grenzen. Der Antragsgegner wollte ausdrücklich eine Abänderung des betreffenden Senatsbeschlusses mit dem eindeutigen Ziel erreichen, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller wieder entfällt, soweit nicht schon das Verwaltungsgericht dem vorläufigen Rechtsschutzantrag im Verfahren Az. 3 B 249/09 stattgegeben hatte. Er hat lediglich die angestrebte einschlägige Tenorierung teilweise unzutreffend bezeichnet, weil das Verwaltungsgericht eine Beschwerde nicht zurückweisen kann und auch kein Beschwerdeverfahren mehr anhängig war. Der Sachverhalt ist auch in verschiedener Hinsicht anders gelagert, als er etwa dem Senatsbeschluss vom 16. Mai 2011 – 1 M 54/11 – (NVwZ-RR 2011, 959) zugrunde lag.

17

2. Die Antragsteller machen auch keinen Bekanntmachungsmangel geltend, der nach dem Prüfungsmaßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu der – erneuten – Annahme führen könnte, dass die der streitgegenständlichen Beitragserhebung zugrunde liegende Satzung des Zweckverbandes unwirksam sein könnte.

18

Eine Verletzung von § 5 KV-DVO a. F. (i. d. F. v. 04.03.2008, GVOBl. M-V, S. 85) dürfte nach dem Prüfungsmaßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht vorliegen. Die Antragsteller meinen zunächst, dem „Müritz-Anzeiger“ sei nicht zu entnehmen, dass der Wasserzweckverband Strelitz dessen Herausgeber sei. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO a. F. muss das amtliche Bekanntmachungsblatt durch seine Bezeichnung auf seinen Charakter und den Träger der öffentlichen Verwaltung, der es herausgibt, hinweisen. Diese Voraussetzungen dürften vorliegend entgegen dem Beschwerdevorbringen erfüllt sein. Der „Müritz-Anzeiger“ vom 13. Februar 2010 ist auf seinem Deckblatt im unteren Bereich als „Amtliches Bekanntmachungsblatt“ (auch) des Wasserzweckverbandes Strelitz benannt. Diese Bezeichnung des amtlichen Charakters ist zunächst ohne weiteres ausreichend, um die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO a. F. insoweit zu erfüllen. Die Ausführungen der Antragsteller dazu, dass der Name „Müritzer-Anzeiger“ und die räumliche Anordnung („Layout“) der Bezeichnung als amtliches Bekanntmachungsblatt nicht hinreichend auf dessen amtlichen Charakter hinweisen würden, sind abwegig. Der Wasserzweckverband Strelitz dürfte in Ansehung des amtlichen Teils des „Müritz Anzeigers“ auch hinreichend deutlich als Herausgeber im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO a. F. identifizierbar sein. Nach dessen Wortlaut muss das amtliche Bekanntmachungsblatt „durch seine Bezeichnung (auch) auf … den Träger der öffentlichen Verwaltung, der es herausgibt, hinweisen“. Durch die auf dem Deckblatt des „Müritz-Anzeigers“ vorgenommene Bezeichnung als (auch) amtliches Bekanntmachungsblatt des Wasserzweckverbandes Strelitz wird auf letzteren ohne weiteres als den Träger der öffentlichen Verwaltung, der es herausgibt, hingewiesen. Wenn Satzungen des Wasserzweckverbandes Strelitz in seinem amtlichen Bekanntmachungsblatt bekannt gemacht werden, erscheint unzweifelhaft – auch – er selbst als der Träger öffentlicher Verwaltung, der den „Müritz-Anzeiger“ insoweit in dem Sinne herausgibt, als der Inhalt des amtlichen Teils von ihm herrührt. Zudem ist zu unterscheiden zwischen einem Träger öffentlicher Verwaltung, der im Selbstverlag Druck und Vertrieb des amtlichen Bekanntmachungsblattes übernimmt, und einem solchen, der Druck und Vertrieb einem Dritten überträgt. Dies zeigt die systematische Gegenüberstellung der Regelungen in § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 KV-DVO a. F. Sofern der Druck und Vertrieb Dritten übertragen ist, ist nach der letztgenannten Vorschrift der Gemeinde hinreichende Einflussmöglichkeit auf Inhalt, Erscheinungsweise und Vertrieb einzuräumen, so dass es bei Bedarf jederzeit erscheinen kann und die Kenntnisnahme der Einwohner gewährleistet ist. In beiden Fällen ist jedenfalls für den amtlichen Teil des Bekanntmachungsblatts dennoch kommunalverfassungsrechtlich betrachtet der betreffende Träger öffentlicher Verwaltung „Herausgeber“, auf den durch seine Bezeichnung hingewiesen wird. Insoweit kommt es auf das presserechtlich vorgeschriebene Impressum nicht an und ist es unschädlich, wenn die Antragsteller darauf verweisen, im Impressum des „Müritz Anzeiger“ sei nur die Verlag + Druck #### als Herausgeber bezeichnet. Der entsprechenden Angabe liegt § 7 LPrG M-V (Impressum) zugrunde, nach dessen Abs. 1 auf jedem im Lande Mecklenburg-Vorpommern erscheinenden Druckwerk Name oder Firma und Anschrift des Druckers und des Verlegers (1. Alternative) genannt sein müssen, beim Selbstverlag die des Verfassers oder des Herausgebers (2. Alternative). Presserechtlich hätte demnach nur im Falle des Selbstverlags, also wenn der Wasserzweckverband Strelitz selbst ein amtliches Bekanntmachungsblatt herstellen und verlegen würde, der Verband als Herausgeber bezeichnet werden müssen bzw. können. Da der Wasserzweckverband Strelitz den Druck und Vertrieb einem Dritten in Gestalt der Verlag + Druck #### übertragen hat, entspricht das Impressum § 7 Abs. 1, 1. Alt. LPrG M-V. Ist presserechtlich also für die beiden kommunalrechtlich eröffneten Möglichkeiten der Herausgabe eines amtlichen Bekanntmachungsblattes jeweils ein unterschiedliches Impressum vorgesehen, kann der Herausgeberbegriff in § 5 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO a. F. nicht hieran anknüpfen, da sonst im Falle einer Übertragung nach § 5 Abs. 2 KV-DVO a. F. die entsprechende Voraussetzung nie erfüllt wäre. Dass im Übrigen die Anforderungen des § 5 Abs. 2 KV-DVO a. F. nicht erfüllt sein könnten, ist unter Berücksichtigung der Beschwerdeerwiderung und des mit ihr vorgelegten „Fortführungsvertrages“ von den Antragstellern jedenfalls nicht dargelegt worden. Soweit mit Blick auf § 7 Abs. 2 LPrG M-V im Impressum „verantwortlich für den amtlichen Teil: Amtsvorsteher/Bürgermeister/Leitender Verwaltungsbeamter“ sind, ist dies für die kommunalverfassungsrechtlichen Bekanntmachungsanforderungen letztlich ohne maßgebliche Bedeutung.

19

3. Das weitere Vorbringen der Antragsteller, die Wasserabgabensatzung und die dazu ergangene Anlage seien nichtig, weil der Wasserzweckverband seine Satzungsbefugnis überschritten habe, als er von einem Umsatzsteuersatz von 19 % ausgegangen sei, vermag schon mit Blick auf die insoweit überzeugenden Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 06. Mai 2009 – 3 B 249/09 – (S. 7) nicht zum Erfolg der Beschwerde zu führen; diese Erwägungen werden auch durch die hierauf bezogenen Ausführungen im Schriftsatz der Antragsteller vom 15. Juni 2009 im Verfahren Az. 1 M 91/09 nicht durchgreifend in Frage gestellt. Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann im Übrigen als geklärt gelten, dass Wasserversorgungsbeiträge umsatzsteuerpflichtig sind und die Umsatzsteuer auf die Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Landesrechts abgewälzt werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.1988 – 8 C 33.85 –, BVerwGE 79, 266 – zitiert nach juris; OVG Greifswald, Beschl. v. 30.11.2009 – 1 M 134/09 u. a., juris). Der weitere Vortrag, jedenfalls habe der Antragsgegner lediglich einen Umsatzsteuersatz von 7 % zugrunde legen dürfen, ist nicht mehr nachvollziehbar, nachdem das Verwaltungsgericht eben unter diesem Blickwinkel einen Rechtsanwendungsfehler bejaht und dem Antrag in seinem Beschluss vom 06. Mai 2009 – 3 B 249/09 – im entsprechenden Umfang stattgegeben hat. Diese Stattgabe wird von dem angefochtenen Beschluss nicht berührt.

20

Die weitere pauschale Rüge, der Antragsgegner habe – gemeint ist: im Rahmen der Kalkulation – nicht die tatsächlich entstandenen Kosten zu Grunde gelegt, sondern das Anlagevermögen pauschal mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten gleichgesetzt, genügt nicht dem Darlegungserfordernis. Zudem ist das Verwaltungsgericht diesem Vortrag in seinem Beschluss vom 06. Mai 2009 – 3 B 249/09 – (S. 7 f.) entgegen getreten, ohne dass sich die Antragsteller hiermit in ihrem Beschwerdevorbringen auseinander setzen. Die Erwägungen des Verwaltungsgerichts werden auch durch die hierauf bezogenen Ausführungen im Schriftsatz der Antragsteller vom 15. Juni 2009 im Verfahren Az. 1 M 91/09 nicht durchgreifend in Frage gestellt; auch letztere setzten sich mit den betreffenden Entscheidungsgründen nicht hinreichend auseinander bzw. wecken keine Richtigkeitszweifel.

21

Dies gilt insgesamt in gleicher Weise für den Vortrag der Antragsteller, von den Investitionskosten sei ein prozentualer Abzug vorzunehmen, der – insbesondere hinsichtlich der Installation von Hydranten zur Brandbekämpfung – dem Vorteil der Allgemeinheit entspreche. Jedenfalls erschöpfen sich die Ausführungen der Antragsteller insoweit in Spekulationen und wäre eine ggfs. notwendige Aufklärung der betreffenden Kalkulationsgrundlagen dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.

22

Die Beschwerdebegründung betreffend die Maßstabsregelungen der Wasserabgabensatzung (Ziff. VI des Schriftsatzes vom 18. Mai 2011) wiederholt – wie auch, außer zur Frage der ordnungsgemäßen Bekanntmachung, schon zu den vorstehenden Gesichtspunkten – das erstinstanzliche Vorbringen im Verfahren Az. 3 B 249/09 des Verwaltungsgerichts und enthält infolge dessen auch keine Auseinandersetzung mit dessen Erwägungen im Beschluss vom 06. Mai 2009, wonach die Maßstabsregelungen nicht zu beanstanden seien; sie ist jedenfalls insoweit nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu begründen, soweit er noch streitgegenständlich ist. Das diesbezügliche Vorbringen der Antragsteller in ihrem Schriftsatz vom 15. Juni 2009 zum nachfolgenden Beschwerdeverfahren Az. 1 M 91/09 enthält hierzu ebenfalls keine hinreichende Auseinandersetzung und kann folglich ebenso wenig derartige Zweifel begründen. Dies gilt insbesondere auch für die Frage, ob die in Anlage 1 Ziff. 1 B c) WAgS normierte Tiefenbegrenzungsregelung von 50 m rechtmäßig ist. Im Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 18. Mai 2011 selbst wird diese Regelung der Sache nach nicht angegriffen. Lediglich in dem in Bezug genommenen Schriftsatz vom 15. Juni 2009 findet sich hierzu ein kurzer Absatz, der sich in der pauschalen Behauptung erschöpft, „wie sich aber gerade aus der von dem Antragsgegner eingereichten Skizze ergibt, entspricht die Tiefenbegrenzungsregelung jedenfalls im Bereich des Ortes B### nicht der ortsüblichen Bebauung“, „vielmehr ist deutlich zu erkennen, dass die wenigsten Grundstücke in einer Tiefe von 50 m Bauland darstellen“. Hierin kann kein hinreichend substantiierter Vortrag erblickt werden, der dem Senat im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens handgreiflich Veranlassung bieten könnte, in eine auch nur summarische Überprüfung der Tiefenbegrenzungsregelung einzutreten. Soweit zur Begründung eines vorläufigen Rechtsschutzantrages die Rechtswirksamkeit von Satzungen als normative Rechtsgrundlagen einer angegriffenen Abgabenerhebung in Frage gestellt wird, ist für stattgebende gerichtliche Entscheidungen ein strenger Maßstab anzulegen. Da entsprechende Rügen häufig parallel von zahlreichen Abgabenpflichtigen erhoben werden, einzelne stattgebende Entscheidungen häufig zahlreiche parallele Rechtsbehelfe nicht an dem betreffenden Verfahren beteiligter Abgabenpflichtiger auslösen und die normsetzenden Körperschaften schon auf entsprechende stattgebende Entscheidungen der Gerichte im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht selten mit Satzungsänderungen reagieren, liegt mit Blick auf diese Breitenwirkung bzw. potentiellen Folgewirkungen solcher Entscheidungen und deren Vergleichbarkeit mit den Wirkungen einer stattgebenden einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO eine Orientierung an den für solche einstweilige Anordnungen geltenden strengen Grundsätzen (vgl. insoweit OVG Greifswald, Beschl. v. 22.12.2004 – 4 M 301/04 –, juris; Beschl. v. 08.06.2005 – 4 M 16/05 –) nahe.

23

Die Beantwortung der Frage, ob die gewählte Tiefenbegrenzung sich als ortsangemessen darstellt, den örtlichen Verhältnissen entspricht bzw. die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegelt und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientiert und ob die normsetzende Körperschaft vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermittelt hat (vgl. zu diesen Anforderungen OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris), ist zudem wegen ihrer Komplexität grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 10.03.2006 – 1 M 148/05 –, juris).

24

Da der Senat nur die – fristgerecht – dargelegten Gründe prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), kommt es vorliegend auch nicht darauf an, dass das Verwaltungsgericht zwischenzeitlich die entsprechende Tiefenbegrenzungsregelung in der am 10. August 2011 beschlossenen Wasserabgabensatzung nach Maßgabe seines Urteils vom 07. September 2011 – 3 A 402/10 – als rechtswidrig betrachtet hat (anhängiges Berufungsverfahren Az. 1 L 289/11). Insoweit erübrigt sich auch ein Eingehen auf die die Tiefenbegrenzungsregelung – auch unter dem Eindruck des vorerwähnten verwaltungsgerichtlichen Urteils – verteidigenden Ausführungen des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren, auf die die Antragsteller auch nicht erwidert haben.

25

Schließlich bleiben auch die gegen die Beitragskalkulation gerichteten Rügen der Antragsteller in einer Weise pauschal und bruchstückhaft, dass nach dem Prüfungsmaßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens hier keine durchgreifenden Bedenken bestehen, die der Beschwerde zum Erfolg verhelfen könnten. Die Antragsteller rügen im Wesentlichen auch nur die Nachvollziehbarkeit der Kalkulation, ohne substantiell darzulegen, dass diese in einem konkreten Punkt tatsächlich und erheblich fehlerhaft sei. Die Überprüfung der Kalkulation ist zudem wegen ihrer Komplexität grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 10.03.2006 – 1 M 148/05 –, juris).

26

4. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.

27

Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 47, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

28

Hinweis:

29

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Kostenersatz für Maßnahmen an den Abwasserbeseitigungsanlagen der Stadt Güstrow (Anschlussbeitragssatzung – ABS) vom 08. November 2000 i.d.F. der ersten Änderung vom 04. November 2002 und der zweiten Änderung vom 15. Februar 2010.

2

Der Antragsteller ist Eigentümer des im Gebiet der Stadt Güstrow gelegenen Grundstücks Flurstück ##, Flur #, Gemarkung A-Stadt. Mit Duldungsbescheid vom 27. Dezember 2004 forderte der Bürgermeister der Antragsgegnerin den Antragsteller auf, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück wegen eines Anschlussbeitrages zu dulden. Die hiergegen gerichtete Klage wies das VG Schwerin mit Urteil vom 18.11.2010 (4 A 975/06) ab. Über den Antrag des Antragstellers auf Zulassung der Berufung (1 L 235/10) ist noch nicht entschieden.

3

Bereits am 18. Mai 2010 hat der Antragsteller den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt. Er ist der Auffassung, der Antrag sei zulässig. Er werde durch die Erhebung von Anschlussbeiträgen auf Grundlage der genannten Satzung in seinen Rechten verletzt, weil die Satzung einen Eingriff in das durch Art. 14 Grundgesetz (GG) geschützte Eigentum gestatte.

4

Der Antrag sei auch begründet. Die Anschlussbeitragssatzung sei bereits formell rechtswidrig, weil die Hauptsatzung der Stadt Güstrow nichtig sei. Als Folge davon verfüge der Antragsgegner nicht über wirksame Vorschriften zur Bekanntmachung von Satzungsrecht. § 1 Abs. 2 ABS definiere das Stadtgebiet anhand einer als Anlage beigefügten Karte. In dieser Karte werde das Stadtgebiet aber nicht mit hinreichender Deutlichkeit vom nicht zur Stadt Güstrow gehörenden Umland abgegrenzt.

5

In materiell-rechtlicher Hinsicht sei die Anschlussbeitragssatzung wegen einer fehlerhaften Regelung des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht unwirksam. Das Kommunalabgabengesetz vom 01. Juni 1993 (KAG 1993) sei ohne die erforderliche Gesetzesbegründung erlassen worden und scheide daher als Rechtsgrundlage der Anschlussbeitragssatzung von vornherein aus. Entsprechendes gelte für die KAG-Novelle 2005. Diese leide zudem daran, dass ein damals am OEufach0000000005 tätiger Richter an der Ausarbeitung der Novelle mitgewirkt habe. Darin liege eine unzulässige Verquickung von Legislative, Exekutive und Judikative. Die Anschlussbeitragssatzung könne lediglich auf das Kommunalabgabengesetz vom 11. April 1991 (KAG 1991) gestützt werden. Während aber § 8 Abs. 7 KAG 1991 vorsehe, dass die Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der Satzung entstehe, stelle § 7 Abs. 3 ABS auf das Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung ab. Damit werde der Entstehenszeitpunkt der Beitragspflicht und auch der Ablauf der Festsetzungsfrist unzulässig hinausgezögert. Etwas anderes ergebe sich auch dann nicht, wenn man von der Wirksamkeit des Kommunalabgabengesetzes in der Fassung der Novelle 2005 (KAG M-V) ausgehe. Zwar stelle nunmehr auch § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V für das Entstehen der Beitragspflicht auf das Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung ab. Allerdings könne dies keine Auswirkung auf Festsetzungsfristen haben, die nach Maßgabe des KAG 1991 angelaufen und zwischenzeitlich abgelaufen seien. Auch die Beitragskalkulation sei fehlerhaft. Der Antragsgegner habe bereits im Rahmen der Kalkulation der Benutzungsgebühr Herstellungskosten berücksichtigt. Fehlerhaft sei schließlich die Fälligkeitsregelung in § 9 ABS.

6

Der Antragsteller beantragt,

7

die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Kostenersatz für Maßnahmen an den Abwasserbeseitigungsanlagen der Stadt Güstrow (Anschlussbeitragssatzung – ABS) vom 08. November 2000 i.d.F. ersten Änderung vom 04. November 2002 und der zweiten Änderung vom 15. Februar 2010 für unwirksam zu erklären.

8

Die Antragsgegnerin beantragt,

9

den Antrag abzulehnen.

10

Sie ist der Auffassung, der Antrag sei bereits unzulässig, da der Antragsteller die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht beachtet habe.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Senat haben bei der Entscheidung die bei der Antragsgegnerin entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

II.

12

1. Über den Normenkontrollantrag wird gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch Beschluss entschieden, weil der Senat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die in § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO genannten Entscheidungsformen sind gleichwertig (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.09.1988 – 4 NB 15/88 – juris Rn. 2; Beschl. v. 03.04.1992 – 7 NB 1/92 – juris Rn. 3). Gründe, die eine mündliche Verhandlung erfordern könnten, sind nicht ersichtlich. Der Antragsteller tritt einer Entscheidung im Beschlusswege zwar entgegen, nennt hierfür aber keine Gründe. Insbesondere hat er sich weder weiteren Sachvortrag vorbehalten, noch einen – in der mündlichen Verhandlung zu stellenden – Beweisantrag angekündigt.

13

Auch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) steht der Entscheidung im Beschlusswege nicht entgegen, da abgabenrechtliche Normenkontrollverfahren keine „zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen“ i.S.d. genannten Vorschrift zum Gegenstand haben (eingehend: VGH Mannheim, Beschl. v. 07.10.2002 – 2 S 2634/01 – juris Rn. 15).

14

2. Der nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 13 Ausführungsgesetz zum Gerichtsstrukturgesetz (AGGerStrG) statthafte Normenkontrollantrag ist unzulässig, soweit er sich auf die Anschlussbeitragssatzung vom 08. November 2000, die erste Änderungssatzung vom 04. November 2002 und Art. 1 Nr. 1 zweite Variante (Herstellung) sowie Nrn 2. bis 4. der zweiten Änderungssatzung vom 15. Februar 2010 bezieht (a.). Im Übrigen, d.h. in Bezug auf Art. 1 Nr. 1 erste Variante der zweiten Änderungssatzung (Anschaffung) ist der Antrag zwar zulässig, aber unbegründet (b.).

15

a) Der Antrag ist entgegen § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht innerhalb der – damals noch geltenden - zwei Jahre (§ 195 Abs. 7 VwGO) nach Bekanntmachung der Anschlussbeitragssatzung vom 08. November 2000 gestellt worden und daher verfristet. Der Normenkontrollantrag ist am 18. Mai 2010 beim OEufach0000000005 eingegangen. Die Anschlussbeitragssatzung ist jedoch bereits entsprechend der Maßgabe in § 12 Abs. 1 der Hauptsatzung der Stadt Güstrow vom 02. Juni 1999 (Hauptsatzung 1999 – HS 1999) im Güstrower Stadtanzeiger, dem amtlichen Bekanntmachungsblatt der Stadt Güstrow vom 01. Dezember 2000 bekannt gemacht worden. Damit liegt zwischen dem Zeitpunkt der Bekanntmachung der Anschlussbeitragssatzung und der Stellung des Normenkontrollantrages ein Zeitraum von fast 10 Jahren.

16

Dabei kann dahin stehen, ob die Hauptsatzung vom 02. Juni 1999 wirksam ist und eine taugliche Rechtsgrundlage für die Bekanntmachung des Ortsrechts der Antragsgegnerin bildet. Denn der Lauf der Frist hängt nicht davon ab, dass die Bekanntmachung nach dem Maßstab der einschlägigen Bestimmungen fehlerfrei erfolgt ist (Ziekow in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Auflage 2010, § 47 Rn. 289). Die Frage der ordnungsgemäßen Bekanntmachung betrifft die formelle Rechtmäßigkeit der Rechtsvorschrift und damit die Begründetheit des Normenkontrollantrages. Für den Lauf der im Rahmen der Zulässigkeit des Normenkontrollantrages zu prüfenden Antragsfrist ist daher der Zeitpunkt maßgebend, zu dem die Vorschrift als Rechtsnorm mit formellem Geltungsanspruch veröffentlicht worden ist (BVerwG, Beschl. v. 10.04.1996 – 4 NB 8/96 – juris Rn. 6; OVG Münster, Urt. v. 02.03.2007 – 7 D 53/06.NE – juris Rn. 18). Dies ist vorliegend der 01. Dezember 2000.

17

Die vorstehenden Ausführungen gelten für die erste Änderungssatzung vom 04. November 2002 entsprechend. Die Satzung ist im Güstrower Stadtanzeiger vom 01. Dezember 2002 bekannt gemacht worden. Zwischen der Bekanntmachung und der Stellung des Normenkontrollantrages liegt ein Zeitraum von mehr als sieben Jahren.

18

Auch in Ansehung des Art. 1 Nr. 1 zweite Variante (Herstellung) sowie Nrn. 2. bis 4. der zweiten Änderungssatzung vom 15. Februar 2010 ist der Normenkontrollantrag nicht fristgerecht gestellt worden, denn in Bezug auf die genannte Vorschrift hat die Bekanntmachung keinen erneuten Fristenlauf in Gang gesetzt. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats setzen Änderungen oder Neuregelungen der angegriffenen Rechtsvorschrift die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO (nur) in Lauf, wenn mit ihnen eine neue oder zusätzliche Beschwer verbunden ist. Ein erneuter Fristenlauf beginnt dann, wenn sich aus der Neuregelung eine neue belastende Wirkung ergibt, z. B. durch das Zusammenwirken mit geänderten anderen Bestimmungen (Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 – juris Rn. 14; vgl. auch OVG Bautzen, Urt. v. 20.08.2008 – 5 D 24/06 – juris Rn. 18). Dies trifft vorliegend nicht zu, denn bei den in Art. 1 Nr. 1 zweite Variante sowie Nrn. 2. bis 4. der zweiten Änderungssatzung enthaltenen Neuregelungen handelt es sich lediglich um redaktionelle Änderungen, die keine neue oder zusätzliche Beschwer des Antragstellers zur Folge haben.

19

Durch die Regelungen des Art. 1 Nr. 1 der zweiten Änderungssatzung werden die Beitragstatbestände der Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V in der Fassung der KAG-Novelle 2005 angepasst. Während § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 noch die Tatbestände „Herstellung“, „Aus- und Umbau“, „Verbesserung“, „Erweiterung“ und „Erneuerung“ normierte, beschränkt sich § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V auf die Tatbestände „Anschaffung“ und „Herstellung“.

20

Das in Art. 1 Nr. 1 zweite Variante der zweiten Änderungssatzung normierte Merkmal „Herstellung“ entspricht dem bereits in der Ursprungsfassung der Satzung enthaltenen gleichlautenden Merkmal. Sowohl unter Geltung des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 als auch unter Geltung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V war bzw. ist die Erhebung von Anschlussbeiträgen in der Regel nur unter dem Gesichtspunkt der Herstellung möglich. Der Anwendungsbereich der übrigen Beitragstatbestände des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 beschränkte sich auf den Bereich des Straßenbaubeitragsrechts. Dem entspricht die Neuregelung in § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Für die Erhebung von Anschlussbeiträgen gilt: Maßgeblich ist nicht die Qualität einer bestimmten Einzelmaßnahme. Mit Blick auf das im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen geltende Gesamtanlagenprinzip kommt es für die Erhebung eines Herstellungsbeitrages nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 bzw. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V lediglich darauf an, ob sich die Einrichtung (noch) in der Herstellungsphase befindet, weil sie ihre Endausbaustufe nicht erreicht hat. Hat sie ihre Endausbaustufe dagegen erreicht, kommt eine Erneuerung i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 bzw. § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in Betracht. Innerhalb dieser beiden Phasen ist die Einordnung einer bestimmten Einzelmaßnahme entbehrlich. So ist es in Fällen, in denen die Anlage ihre Endausbaustufe noch nicht erreicht hat, ohne Belang, ob die Umgestaltung eines vorhandenen Mischwasserkanals in einen Schmutz- und einen Niederschlagswasserkanal einen „Umbau“ darstellt, ob die Anbindung eines neu entstandenen Wohngebiets eine „Erweiterung“ oder ob der Austausch einzelner Komponenten eines Klärwerks eine „Verbesserung“ darstellt. Denn bei den genannten Maßnahmen handelt sich jeweils um unselbstständige Kostenfaktoren des Merkmals „Herstellung“. Diese Betrachtungsweise entspricht der ständigen Rechtsprechung des OVG Greifwald zu § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993. So hat es zur Beitragsfähigkeit der Sanierung vorhandener Kanäle ausgeführt, sie bewirke keine belegbare Verbesserung im beitragsrechtlichen Sinne und sei damit lediglich ein unselbstständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließe und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten werde (Beschl. v. 21.04.1999 – 1 M 12/99 – juris Rn. 22). In dem Beschluss vom 04. April 2001 (– 1 M 21/00 – juris Rn. 19) hat es ausgeführt, dass die Umstellung eines vorhandenen Mischwassersystems in ein Trennsystem beitragsrechtlich als erstmalige Herstellung anzusehen sei.

21

Art. 1 Nr. 2 der zweiten Änderungssatzung enthält hinsichtlich der Definition des Vollgeschosses statt der bisher normierten Verweisung auf die Landesbauordnung eine mit § 87 Abs. 2 LBauO M-V inhaltsgleiche Vollregelung. Eine materielle Veränderung der Rechtslage ist damit nicht eingetreten.

22

Die in Art. 1 Nr. 3 der zweiten Änderungssatzung enthaltene Regelung, wonach die Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung entsteht (vgl. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V), enthält ebenfalls keine neue oder zusätzliche Beschwer. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des OEufach0000000005 konnte die sachliche Beitragspflicht auch unter Geltung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 frühestens mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung entstehen (Beschl. v. 03.03.2005 – 1 L 56/04 – S. 4 ff. des Entscheidungsumdrucks, weitere Nachweise bei Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 09/2012, § 9 Anm. 7.2). Entsprechendes gilt für die Entstehensregelung in § 8 Abs. 7 KAG 1991. Damit konnte eine unwirksame Satzung entgegen der Auffassung des Antragstellers den Lauf der Festsetzungsfrist nicht auslösen. Seine Ausführungen zur Umgehung abgelaufener Festsetzungsfristen können folglich auf sich beruhen.

23

Die Regelung in Art. 1 Nr. 4 der zweiten Änderungssatzung über die Entstehung eines Anspruchs auf Rückzahlung der Vorausleistung und seiner Verzinsung hat eine lediglich begünstigende Wirkung, so dass die Annahme eines Nachteils oder einer Beschwer von vornherein ausscheidet. Zudem entspricht sie der unmittelbar geltenden Regelung des § 7 Abs. 4 Sätze 4 und 5 KAG M-V. Ihr kommt daher eine lediglich deklaratorische Bedeutung zu.

24

b) In Ansehung des Art. 1 Nr. 1 erste Variante der zweiten Änderungssatzung (Anschaffung) ist der Antrag zwar zulässig. Insbesondere ist er fristgerecht gestellt worden. Mit der Bekanntmachung der genannten Vorschrift im Güstrower Stadtanzeiger, Ausgabe März 2010 wurde die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in Lauf gesetzt, da mit ihr eine zusätzliche Beschwer verbunden ist. Das in § 2 Abs. 1 ABS neu eingefügte Merkmal „Anschaffung“ war in der Anschlussbeitragssatzung in der Fassung der ersten Änderungssatzung nicht enthalten. Mit dem Merkmal wird der Kreis der beitragsfähigen Maßnahmen erweitert (dazu sogleich). Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Beitragsbelastung für den Antragsteller erhöht.

25

Dem Merkmal „Anschaffung“ kommt gegenüber dem Merkmal „Herstellung“ eine eigenständige Bedeutung zu. Zwar bildet auch der Aufwand für die Anschaffung von Ausrüstungsgegenständen eines Klärwerks oder von für den Bau einer Anlage erforderlichen Grundstücksflächen nach dem oben Gesagten lediglich einen unselbstständigen Kostenfaktor im Zuge der erstmaligen Herstellung der Gesamtanlage und wird bereits von dem Merkmal „Herstellung“ erfasst. Mit der Einfügung des Merkmals „Anschaffung“ in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V (und § 2 Abs. 1 ABS) wird darüber hinaus aber der Aufwand für die Übernahme bereits vorhandener privater Anlagen der Wasserversorgung oder Abwasserbehandlung in die öffentliche Einrichtung beitragsfähig gemacht (Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, a.a.O. Anm. 2.5.3). Bestätigt wird diese Auslegung durch die Gesetzgebungsmaterialien (RegE, LT-Drs. 4/1307, S. 45). Die dort zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen gemachten Ausführungen in Bezug auf die Anschaffung einer vorhandenen Einrichtung (Privatstraße) sind auf die Erhebung von Anschlussbeiträgen übertragbar.

26

Allerdings ist der Antrag insoweit unbegründet. Die Bestimmung ist ersichtlich mit höherrangigem Recht vereinbar und damit rechtmäßig. Die Einfügung des Merkmals „Anschaffung“ in § 2 Abs. 1 ABS entspricht den Maßgaben des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Zweifel an der Wirksamkeit des Kommunalabgabengesetzes und damit auch der Bestimmung des § 9 Abs. 1 KAG M-V bestehen nicht. Sie folgen weder aus dem Umstand, dass das Gesetz „nicht begründet“ ist – ein solches Begründungserfordernis besteht weder nach nationalen Recht noch nach Gemeinschaftsrecht (eingehend: VG Schwerin, Urt. v. 29.08.2011 – 8 A 384/10 – S. 14 f. des Entscheidungsumdrucks), noch aus dem Umstand, dass ein früher am OEufach0000000005 tätiger Richter an der Ausarbeitung der KAG-Novelle 2005 „mitgewirkt“ hat (Senatsurteil v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 – juris Rn. 21).

27

Art. 1 Nr. 1 erste Variante der zweiten Änderungssatzung leidet schließlich auch nicht an einem formell-rechtlichen Fehler. Insbesondere ist die zweite Änderungssatzung entsprechend den Maßgaben in § 11 der Hauptsatzung der Barlachstadt A-Stadt vom 02. August 2006 (Hauptsatzung 2006 – HS 2006) ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Die Bekanntmachung ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil die Hauptsatzung ihrerseits fehlerhaft und damit nichtig wäre. Insbesondere ist das Stadtgebiet in § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HS 2006 i.Vm. der als Anlage beigefügten Karte ordnungsgemäß bezeichnet. Die Hauptsatzung 2006 weist damit den vom Antragsteller in Bezug auf die Hauptsatzung 1999 gerügten Fehler nicht auf. Da Gegenteiliges vom Antragsteller nicht geltend gemacht wird, sieht der Senat von weiteren Darlegungen ab.

28

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) bestehen nicht. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).

29

Hinweis:

30

Die Festsetzung des Streitwerts ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 5 und § 66 Abs. 3 Satz 3 Gerichtskostengesetz (GKG) unanfechtbar.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 22. Juli 2009 - 4 B 205/09 - zu Ziffer 1. geändert:

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 23. März 2009 gegen den Bescheid des Antragsgegners zur Erhebung eines Anschlussbeitrages für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung vom 27. Februar 2009 - Bescheidnummer BW0000008421 - wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Antragsgegner trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 412,50 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die Antragstellerin wendet sich als Eigentümerin des Grundstücks X in S. (Flurstück Y) gegen ihre Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung durch Bescheid des Antragsgegners vom 27. Februar 2009 in Höhe von 1.649,99 EUR.

2

Das Verwaltungsgericht hat ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem vorliegend angegriffenen Beschluss unter Ziffer 1 des Tenors abgelehnt.

3

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr am 23. Juli 2009 zugestellten Beschluss zu Ziffer1, die mit am 31. Juli 2009 eingegangenem Schriftsatz fristgemäß (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) eingelegt und ebenso fristgerecht (§146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) begründet worden ist, hat Erfolg.

4

In Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Wie sich aus § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 3 VwGO ergibt, können nur solche Gründe in die Prüfung einbezogen werden, die der Beschwerdeführer innerhalb der einmonatigen gesetzlichen Begründungsfrist vorbringt. Nach Ablauf dieser Frist können zwar fristgerecht geltend gemachte Gründe vertieft, nicht aber neue Gründe in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden.

5

Das Beschwerdevorbringen weckt ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Beitragsbescheides; der angefochtene Beschluss ist deshalb abzuändern und dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz stattzugeben.

6

Der Antrag ist nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO zulässig, da der Antragsgegner den Aussetzungsantrag der Antragstellerin abgelehnt hat.

7

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ganz oder teilweise anordnen. Die gerichtliche Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ergeht auf der Grundlage einer Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Interesse des Antragstellers, vorläufig vom Vollzug des Verwaltungsaktes verschont zu bleiben (Aussetzungsinteresse), und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes (Vollziehungsinteresse). Im Rahmen der Interessenabwägung ist der Gesichtspunkt der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bzw. der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. In der Regel überwiegt das öffentliche Vollziehungsinteresse, wenn sich der angegriffene Verwaltungsakt nach dem Prüfungsmaßstab des - summarischen - vorläufigen Rechtsschutzverfahrens als rechtmäßig erweist und der Rechtsbehelf in der Hauptsache ohne Aussicht auf Erfolg sein dürfte. Demgegenüber überwiegt grundsätzlich das private Aussetzungsinteresse, wenn sich der Verwaltungsakt nach diesem Maßstab als rechtswidrig erweist; an der Vollziehung eines rechtswidrigen Bescheides besteht regelmäßig kein schutzwürdiges öffentliches Interesse. Lässt sich die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht in diesem Sinne klären bzw. ist der Ausgang der Hauptsache offen, bedarf es einer Abwägung der (sonstigen) wechselseitigen Interessen.

8

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bestehen unter dem von der Antragstellerin angesprochenen rechtlichen Gesichtspunkt einer fehlerhaften Festsetzung des Abgabensatzes ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes, die vorliegend die Interessenabwägung zu Lasten des Antragsgegners ausgehen lassen.

9

Der angefochtene Beitragsbescheid dürfte mangels einer gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderlichen wirksamen Rechtsgrundlage für die Erhebung der Abgabe rechtswidrig sein. Die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes Parchim/Lübz vom 14. Dezember 2006 i.d.F. der ersten Änderungssatzung vom 15. November 2007 (nachfolgend: BS), auf die der angefochtene Beitragsbescheid gestützt ist, dürfte unwirksam sein. Gemäß § 2 Abs.1 Satz 2 KAG M-V muss die Satzung insbesondere den Satz der Abgabe angeben. Dieser Anforderung dürfte die Trinkwasserbeitragssatzung nicht in hinreichendem Maße gerecht werden; dieser rechtliche Gesichtspunkt war nicht Gegenstand der Senatsentscheidung vom 14. September 2009 - 1 M 57/09 - (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).

10

Zwar enthält die Trinkwasserbeitragssatzung mit § 5 BS eine Bestimmung zum Beitragssatz, die wie folgt lautet:

11

Der Beitragssatz für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung beträgt je m² bevorteilter Grundstücksfläche 6,00 einschließlich Umsatzsteuer.

12

Dieser Beitragssatz dürfte jedoch von der Verbandsversammlung nicht nach pflichtgemäßem Ermessen festgesetzt worden und damit rechtswidrig sein.

13

In Anerkennung eines gewissen Gestaltungsspielraums für den kommunalen Gesetzgeber hat dieser nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V den Abgabensatz in den Grenzen, die dem normsetzenden Organ durch das Vorteilsprinzip, den Kostendeckungsgrundsatz und den Gleichheitsgrundsatz gezogen sind, nach pflichtgemäßem Ermessen festzusetzen. Das bedeutet, dass der Abgabensatz grundsätzlich der gerichtlichen Kontrolle jedenfalls im Hinblick auf das Vorteilsprinzip, den Kostendeckungsgrundsatz und den Gleichheitssatz unterliegt. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine weitergehende gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit besteht, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich bewertet. Die Ungültigkeit eines Abgabensatzes tritt mit Blick auf das im Rahmen der Normsetzung auszuübende Ermessen - vorbehaltlich der Regelung des § 2 Abs. 3 KAG M-V - als zwingende Folge z. B. immer dann ein, wenn die unterbreitete Kalkulation in einem für die Abgabenhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft ist, weil das Vertretungsorgan ansonsten ein Ermessen nicht fehlerfrei ausüben kann (OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004 - 4 K 38/02 -, DVBl. 2005, 64 = juris; Urt. v. 25.02.1998 - 4 K 8/97 -, NordÖR 1998, 256 = VwRR MO 1998, 227 = KStZ 2000, 12 = NJ 1998, 609 = NVwZ-RR 1999, 144 = ZKF 1999, 111 = GemH 1999, 234 = Überblick 1998, 518).

14

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V sollen zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebundenen Versorgung insbesondere mit Wasser Anschlussbeiträge erhoben werden. In der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern ist unter Anerkennung eines entsprechenden Ermessensspielraums des Satzungsgebers eine nur teilweise Deckung durch Beiträge (und im Übrigen durch Gebühren) bzw. die Festsetzung eines Beitragssatzes, der keine vollständige Refinanzierung des Aufwandes über die Erhebung von Anschlussbeiträgen erlaubt, verschiedentlich gebilligt worden (vgl. dazu insoweit ohne nähere Prüfung etwa Urt. v. 25.02.1998 - 4 K 8/97, 4 K 18/97 -, NordÖR 1998, 256 = KStZ 2000, 12 = juris; Beschl. v. 05.02.2004 - 1 M 256/03 -, juris; vgl. dazu, dass in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts eine Mindestdeckungsgrenze bislang nicht formuliert worden ist, OVG Greifswald, Beschl. v. 25.05.2009 - 1 M 157/08 -, juris). Dass die Festsetzung eines Abgabensatzes, der dem nach der Kalkulation höchst zulässigen bzw. vollständig kostendeckenden Beitragssatzes entspricht, mit Blick auf die gesetzliche Regelung des §9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V keiner näheren Begründung bedarf bzw. eine Ermessensentscheidung im Sinne einer 100 %-igen Kostendeckung darstellt, liegt auf der Hand.

15

In der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts ist aber ebenso bereits geklärt, dass das im Rahmen der Normsetzung bzw. Festsetzung des Abgabensatzes auszuübende Ermessen eine - gerichtlich nur beschränkt überprüfbare - Entscheidung der Frage beinhaltet und erfordert, welcher Kostendeckungsgrad erreicht werden bzw. wie im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen die Aufteilung zwischen Beiträgen und Gebühren bei einer nicht vollständigen Beitragsfinanzierung erfolgen soll. Ein solches Erfordernis besteht insbesondere wegen der mit dieser Entscheidung einhergehenden Implikationen etwa zur Gebührenbelastung der Benutzer und eines voraussichtlich höheren Vorfinanzierungs- bzw. Kreditbedarfs des Zweckverbandes. Die gerichtliche Überprüfung bezieht sich insoweit nicht auf eine bloße rechnerische "Ergebniskontrolle" des Abgabensatzes, sondern auf die ihm zugrunde gelegten Sachverhalte und Wertentscheidungen (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Urt. v. 25.02.1998 - 4 K 8/97, 4 K 18/97 -, a.a.O.; vgl. auch Urt. v. 18.09.1996 - 6 L 11/96 -, LKV 1997, 422; Beschl. v. 05.02.2004 - 1 M 256/03 -, juris).

16

Mit diesen Grundsätzen dürfte die Festsetzung des Beitragssatzes in § 5 BS nicht in Einklang stehen.

17

Dabei dürfte es sich allerdings entgegen dem Beschwerdevorbringen weniger um ein Problem der Bestimmtheit des Abgabensatzes handeln, wenn dessen Betrag "einschließlich Umsatzsteuer" festgesetzt worden ist. Auch wenn im Normsetzungsprozess einerseits verschiedene Steuersätze genannt worden sind (16 % bzw. 19 % mit Blick auf die zum 01.01.2007 erfolgte Erhöhung des Umsatzsteuersatzes in § 12 Abs. 1 UStG) und der ermäßigte Steuersatz von 7 % gemäß § 12 Abs. 2 UStG gar keine Erwähnung gefunden hat, könnte man diese Formulierung - normerhaltend - dahin verstehen, dass der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Trinkwasserbeitragssatzung am 08. Januar 2007 geltende und gesetzlich einschlägige Umsatzsteuersatz maßgeblich sein soll. Dies ist - insoweit schließt sich der Senat den zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts an, § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO - nach Maßgabe der Urteile des EuGH vom 03. April 2008 - C-442/05 - (juris) und des Bundesfinanzhofs vom 08. Oktober 2008 - V R 61/03 - (juris) der ermäßigte Steuersatz von 7 % gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG (vgl. auch VG München, Beschl. v. 11.02.2009 - M 10 S 08.4278 -, juris; Erlass des Finanzministeriums M-V v. 26.05.2009 - IV 303 - S 7100 - 38/99, auch wenn dort fälschlich von Erschließungsbeiträgen die Rede ist). Dabei kann im Übrigen als geklärt vorausgesetzt werden, dass Wasserversorgungsbeiträge umsatzsteuerpflichtig sind und die Umsatzsteuer auf die Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Landesrechts abgewälzt werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.1988 - 8 C 33.85 -, BVerwGE 79, 266 - zitiert nach juris). Mit einem solchen Normverständnis wäre zugleich die Schlussfolgerung verbunden, dass im vorliegenden Fall Änderungen des Umsatzsteuersatzes - dynamisch - auf § 5 BS durchschlagen und den Netto-Beitragssatz beeinflussen. In diesem Zusammenhang ist der Vorstellung des Antragsgegners eine Absage zu erteilen, dass mit Blick auf den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht und der zu diesem Zeitpunkt bzw. vor den Entscheidungen von EuGH und Bundesfinanzhof zur Höhe des Umsatzsteuersatzes vorherrschenden Rechtsauffassung ein Umsatzsteuersatz von 19 % rechtmäßig zugrunde gelegt werden dürfe.

18

Mit Blick auf das Erfordernis einer bewussten Ermessensentscheidung zu dem mit der Beitragserhebung erzielten Kostendeckungsgrad ist durch eine dermaßen vorgenommene Normauslegung allerdings nichts gewonnen. Die Verbandsversammlung wollte im Ergebnis ausweislich der bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Sitzungsprotokolle sowohl der Versammlung als auch sonstiger Gremien erreichen, dass die Abgabenschuldner nicht mehr als 6,00 EUR brutto/m² zahlen müssen. Diesem Ziel entspricht die Bestimmung des § 5 BS. Der gesamte Normsetzungsprozess zur Höhe des Abgabensatzes ist demgegenüber dadurch geprägt, dass die Verbandsversammlung nicht verbindlich und bewusst in den Blick genommen hat, welcher Netto-Abgabensatz damit eigentlich - je nach Höhe der Umsatzsteuer - verbunden ist. Dem Verwaltungsgericht ist insoweit in seiner Einschätzung zuzustimmen, dass der beschlossene Beitragssatz offensichtlich unabhängig vom jeweils geltenden Umsatzsteuersatz gelten sollte, um die Beitragspflichtigen nicht mit einem noch höheren Beitrag zu belasten. Der Antragsgegner hat diese Sichtweise im Beschwerdeverfahren mit seinem Schriftsatz vom 21. September 2009 ausdrücklich bestätigt. Dort hat er vorgetragen, die Verbandsversammlung habe sich vor dem Hintergrund der seinerzeitigen Erhöhung des Regelsteuersatzes von 16 % auf 19 %, wonach der höchst zulässige Beitragssatz 7,37 je m² betragen hätte, dazu entschlossen, mit § 5 BS einen Beitragssatz von 6,00 EUR je m² bevorteilter Grundstücksfläche unabhängig von dem jeweils gültigen Umsatzsteuersatz zu beschließen.

19

Fehlt es jedoch infolgedessen überhaupt an einer Festlegung des Netto-Abgabensatzes, ist damit zugleich gesagt, dass es im Sinne eines Ermessensausfalls an einer Bestimmung zum konkret gewollten Kostendeckungsgrad fehlt. Eine solche Bestimmung dürfte jedoch erforderlich gewesen sein, da der höchstmögliche bzw. vollständig kostendeckende Netto-Beitragssatz nach der "Kalkulation Anschlussbeitrag Trinkwasser" 6,20 EUR/m² betragen hätte und infolge der niedrigeren und damit nicht gänzlich kostendeckenden Festlegung des Abgabensatzes in § 5 BS das Verhältnis von Beitrags- und Gebührenfinanzierung im Zuge einer entsprechenden Ermessensentscheidung festzulegen gewesen sein dürfte. Dass man sich auf Seiten des Antragsgegners im Übrigen grundsätzlich der Konsequenzen eines Abgabensatzes unterhalb des höchst zulässigen Beitragssatzes insbesondere mit Blick auf eine entsprechend erforderlich werdende Gebührenfinanzierung bewusst war, lässt sich den Verwaltungsvorgängen verschiedentlich entnehmen.

20

Selbst wenn man in Betrachtung des Normsetzungsprozesses annehmen wollte, die Verbandsversammlung habe sich im Hinblick auf die Regelung des § 5 BS einen bestimmten Umsatzsteuersatz und damit einen bestimmten Netto-Abgabensatz bzw. Kostendeckungsgrad vorgestellt, dürfte dennoch Überwiegendes für eine ermessensfehlerhafte Bestimmung des Kostendeckungsgrades sprechen. Die Verbandsversammlung und auch sonstige Gremien sind - durchaus nachvollziehbar mit Blick darauf, dass die Entscheidungen des EuGH und des Bundesfinanzhofs noch nicht vorlagen - ausweislich der Verwaltungsvorgänge allenfalls von einem Umsatzsteuersatz von 19 % mit einem entsprechend resultierenden Netto-Beitragssatz ausgegangen; diese Annahme des Senats bestätigt sowohl das erstinstanzliche Vorbringen des Antragsgegners, das noch einen Umsatzsteuersatz von 19 % verteidigt, als auch das Beschwerdevorbringen. Ihrer Entscheidung zum Abgabensatz hat also jedenfalls nicht der rechtlich allein zulässige, - bei entsprechender Auslegung - ggfs. in § 5 BS geregelte Umsatzsteuersatz von 7% und ebensowenig der daraus resultierende Netto-Abgabensatz zugrunde gelegen. Daraus folgt zumindest gleichzeitig eine fehlerhafte Vorstellung vom mit der Erhebung von Anschlussbeiträgen erzielten Kostendeckungsgrad. Der Unterschied zwischen dem jeweiligen Kostendeckungsgrad bei einem Umsatzsteuersatz von einerseits 7 % oder andererseits 19 % würde ausgehend vom in § 5 BS festgelegten Brutto-Abgabensatz in Höhe von 6,00 EUR etwa 10 % betragen (5,58 EUR netto gegenüber 5,04 EUR netto) und wäre damit nicht mehr nur geringfügig (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004 - 4 K 38/02 -, a.a.O.).

21

§ 2 Abs. 3 KAG M-V ist im Übrigen tatbestandlich nicht einschlägig.

22

Abschließend weist der Senat darauf hin, dass es dem Wasser- und Abwasserzweckverband Parchim/Lübz grundsätzlich unbenommen sein dürfte, die Festlegung des Netto-Abgabensatzes bzw. Deckungsgrades unter Zugrundelegung eines Umsatzsteuersatzes von 7 % nachzuholen und im Ergebnis an einem Brutto-Abgabensatz von 6,00 EUR festzuhalten.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

24

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3, 47 GKG, wobei der streitige Abgabenbetrag nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Eilverfahren zu vierteln ist.

25

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Bei der Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung nach § 16 bestehen, auch wenn eine Geschossflächenzahl oder eine Baumassenzahl nicht dargestellt oder festgesetzt wird, folgende Orientierungswerte für Obergrenzen:

1234
BaugebietGrund-
flächenzahl (GRZ)
Geschoss-
flächenzahl (GFZ)
Bau-
massenzahl
(BMZ)
inKleinsiedlungsgebieten (WS)0,20,4
inreinen Wohngebieten (WR)
allgemeinen Wohngebieten (WA)
Ferienhausgebieten


0,4


1,2


inbesonderen Wohngebieten (WB)0,61,6
inDorfgebieten (MD)
Mischgebieten (MI)
dörflichen Wohngebieten (MDW)


0,6


1,2


inurbanen Gebieten (MU)0,83,0
inKerngebieten (MK)1,03,0
inGewerbegebieten (GE)
Industriegebieten (GI)
sonstigen Sondergebieten


0,8


2,4


10,0
inWochenendhausgebieten0,20,2

In Wochenendhausgebieten und Ferienhausgebieten dürfen die Orientierungswerte für Obergrenzen nach Satz 1 nicht überschritten werden.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 14. April 2011 – 3 B 260/11 – wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 287,91 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Antragsteller zu einem Trinkwasseranschlussbeitrag.

2

Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks in Gestalt des Flurstücks ## der Flur ## in der Gemarkung B### (W### Straße 10 in B###). B### ist ein Ortsteil der Gemeinde S###, die zum Amt Röbel-Müritz und zum früheren Landkreis Müritz, jetzt Landkreis Mecklenburgische-Seenplatte zugehörig ist. Die Gemeinde S### ist Verbandsmitglied des Wasserzweckverbandes Strelitz.

3

Mit Bescheid Nr. #### vom 23. Dezember 2008 zog der Antragsgegner die Antragsteller jeweils zu einem Anschlussbeitrag in Höhe von 967,75 EUR netto zzgl. 19 % USt. in Höhe von 183,87 EUR, also insgesamt 1.151,62 EUR heran. Dabei wies er darauf hin, dass die beiden Miteigentümer den zu entrichtenden Betrag gemeinsam schuldeten, dieser aber nur einmal zu zahlen sei. Dagegen legten die Antragsteller am 12. Januar 2009 Widerspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung, was der Antragsgegner mit Schreiben vom 28. Januar 2009 ablehnte.

4

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragsteller auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 06. Mai 2009 – 3 B 249/09 – teilweise stattgegeben, soweit die Beitragsfestsetzung den Betrag von 1.035,49 EUR übersteigt, und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Als maßgeblich für die Teilstattgabe hat das Verwaltungsgericht angeführt, der Herstellungsbeitrag habe voraussichtlich nur mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % besteuert werden dürfen. Zweifel an der Wirksamkeit der zugrunde liegenden Satzung bestünden demgegenüber derzeit nicht, insbesondere sei diese wirksam bekannt gemacht worden.

5

Mit Beschluss vom 27. August 2009 – 1 M 91/09 – hat der Senat auf die Beschwerde der Antragsteller den Beschluss des Verwaltungsgerichts im Umfang der Ablehnung geändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs insgesamt angeordnet. Es liege ein Bekanntmachungsmangel vor, der nach dem Prüfungsmaßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu der Annahme führe, dass die der streitgegenständlichen Beitragserhebung zugrunde liegende Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung - WAgS) vom 27. November 2007 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts jedenfalls im Gebiet der Gemeinde S#### nicht wirksam bekannt gemacht worden sein dürfte. Die Bekanntmachung im "Müritz-Anzeiger" habe nicht den Anforderungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO i. d. F. vom 23. April 1999 (GVOBl. M-V, S. 295; ber. in GVOBl. M-V, S. 306 und 431) genügt. Der "Müritz-Anzeiger" vom 24. Dezember 2007 habe auf seinem Deckblatt am unteren Rand in einem abgesetzten Block angegeben, dass er "Amtliches Bekanntmachungsblatt“ für verschiedene Körperschaften sei, der Wasserzweckverband Strelitz finde danach jedoch keine Erwähnung. Folglich weise der "Müritz-Anzeiger" entgegen § 6 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO i. d. F. vom 23. April 1999 nicht durch seine Bezeichnung darauf hin, dass es sich um ein amtliches Bekanntmachungsblatt gerade – auch – des Wasserzweckverbandes Strelitz als herausgebender Träger öffentlicher Verwaltung handele.

6

Auf den Abänderungsantrag des Antragsgegners vom 03. März 2011 hat das Verwaltungsgericht den Beschluss des Senats vom 27. August 2009 – 1 M 91/09 – gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO geändert und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt, soweit die Festsetzung im Bescheid vom 23. Dezember 2008 den Betrag von 1.035,49 EUR nicht übersteigt. Der angefochtene Bescheid finde seine Rechtsgrundlage in der Wasserabgabensatzung vom 27. November 2007 in Gestalt der – rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft getretenen – 1. Änderungssatzung vom 02. Juni 2009. Die Satzung sei inzwischen insbesondere im „Müritz-Anzeiger“ am 13. Februar 2010 ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Der „Müritz-Anzeiger“ weise nunmehr auf seinem Deckblatt und in seinem Impressum – wie aus anderen gerichtlichen Verfahren bekannt sei – darauf hin, dass es sich auch um das amtliche Bekanntmachungsblatt des Wasserzweckverbandes Strelitz als herausgebender Träger der öffentlichen Verwaltung handele. Die Satzung sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Keine Bedenken bestünden gegen den in § 2 Satz 2 WAgS i. V. m. Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 1 geregelten Beitragssatz; er beruhe auf einer wirksamen Kalkulation. Das Verwaltungsgericht verweist insoweit auf sein Urteil vom 08. September 2010 – 3 A 728/09 – (richtig: 3 A 729/09).

II.

7

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den ihnen am 18. April 2011 zugestellten Beschluss, die mit dem am 29. April 2011 eingegangenen Schriftsatz fristgemäß (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) eingelegt und mit am 18. Mai 2011 eingegangenem Schriftsatz ebenso fristgerecht (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) begründet worden ist, hat keinen Erfolg.

8

§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO bestimmt, dass die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen ist. Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.

9

In Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Wie sich aus § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 3 VwGO ergibt, können nur solche Gründe in die Prüfung einbezogen werden, die der Beschwerdeführer innerhalb der einmonatigen gesetzlichen Begründungsfrist vorbringt. Nach Ablauf dieser Frist können zwar fristgerecht – dem Darlegungserfordernis genügend – geltend gemachte Gründe vertieft, nicht aber neue Gründe in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden. Die Beschwerde bleibt erfolglos, wenn sich die erstinstanzliche Entscheidung aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist und – soweit die entsprechenden Umstände bzw. rechtlichen Überlegungen bislang nicht Gegenstand des Rechtsstreits waren – den Beteiligten hierzu zuvor rechtliches Gehör gewährt worden ist.

10

Vor diesem Hintergrund verlangt das Darlegungserfordernis von dem Beschwerdeführer, dass die Beschwerdebegründung auf die rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen eingeht, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat. Es ist für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderlich, dass die Beschwerdebegründung an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpft und aufzeigt, weshalb sich diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen der Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss sich insofern an der Begründungsstruktur der angegriffenen Entscheidung orientieren. Grundsätzlich reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ebenso wenig aus wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen. Stützt das Verwaltungsgericht sein Ergebnis alternativ auf mehrere Begründungen, muss die Beschwerde alle Begründungen aufgreifen, sich mit diesen auseinander setzen und sie in Zweifel ziehen. Geht die Beschwerdebegründung auf nur eine Erwägung nicht ein, die die angefochtene Entscheidung selbstständig trägt, bzw. lässt sie unangefochten, bleibt der Beschwerde schon aus diesem Grund der Erfolg versagt. Diese Anforderungen an die Beschwerdebegründung sind für einen Beschwerdeführer auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang gemäß § 67 Abs. 4 VwGO ist sichergestellt, dass Beschwerdeführer – in aller Regel durch einen Rechtsanwalt – rechtskundig vertreten sind (insgesamt ständige Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschl. v. 19.08.2008 – 1 M 44/08 –).

11

Unter Zugrundlegung dieses Maßstabes genügt das Beschwerdevorbringen teilweise schon nicht dem Darlegungserfordernis und weckt im Übrigen insgesamt keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides bzw. an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

12

1. Zunächst ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht den Antrag des erstinstanzlich nicht anwaltlich vertretenen Antragsgegners gemäß § 80 Abs. 7 VwGO,

13

den Beschluss des OVG M-V vom 27.08.2009, Az. 1 M 91/09 zu ändern und die Beschwerde gegen den Beschluss des VG Greifswald vom 06. Mai 2009, Az. 3 B 249/09 zurückzuweisen,

14

als sinngemäßen Antrag,

15

den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 27.08.2009 – 1 M 91/09 – zu ändern und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches des Antragstellers abzulehnen, soweit die Festsetzung den Betrag von 1.035,49 EUR nicht übersteigt,

16

ausgelegt hat. Dies entspricht ohne weiteres dem erkennbaren Rechtsschutzziel des Antragsgegners und überschreitet nicht die durch § 88 VwGO vorgegebenen Grenzen. Der Antragsgegner wollte ausdrücklich eine Abänderung des betreffenden Senatsbeschlusses mit dem eindeutigen Ziel erreichen, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller wieder entfällt, soweit nicht schon das Verwaltungsgericht dem vorläufigen Rechtsschutzantrag im Verfahren Az. 3 B 249/09 stattgegeben hatte. Er hat lediglich die angestrebte einschlägige Tenorierung teilweise unzutreffend bezeichnet, weil das Verwaltungsgericht eine Beschwerde nicht zurückweisen kann und auch kein Beschwerdeverfahren mehr anhängig war. Der Sachverhalt ist auch in verschiedener Hinsicht anders gelagert, als er etwa dem Senatsbeschluss vom 16. Mai 2011 – 1 M 54/11 – (NVwZ-RR 2011, 959) zugrunde lag.

17

2. Die Antragsteller machen auch keinen Bekanntmachungsmangel geltend, der nach dem Prüfungsmaßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu der – erneuten – Annahme führen könnte, dass die der streitgegenständlichen Beitragserhebung zugrunde liegende Satzung des Zweckverbandes unwirksam sein könnte.

18

Eine Verletzung von § 5 KV-DVO a. F. (i. d. F. v. 04.03.2008, GVOBl. M-V, S. 85) dürfte nach dem Prüfungsmaßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht vorliegen. Die Antragsteller meinen zunächst, dem „Müritz-Anzeiger“ sei nicht zu entnehmen, dass der Wasserzweckverband Strelitz dessen Herausgeber sei. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO a. F. muss das amtliche Bekanntmachungsblatt durch seine Bezeichnung auf seinen Charakter und den Träger der öffentlichen Verwaltung, der es herausgibt, hinweisen. Diese Voraussetzungen dürften vorliegend entgegen dem Beschwerdevorbringen erfüllt sein. Der „Müritz-Anzeiger“ vom 13. Februar 2010 ist auf seinem Deckblatt im unteren Bereich als „Amtliches Bekanntmachungsblatt“ (auch) des Wasserzweckverbandes Strelitz benannt. Diese Bezeichnung des amtlichen Charakters ist zunächst ohne weiteres ausreichend, um die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO a. F. insoweit zu erfüllen. Die Ausführungen der Antragsteller dazu, dass der Name „Müritzer-Anzeiger“ und die räumliche Anordnung („Layout“) der Bezeichnung als amtliches Bekanntmachungsblatt nicht hinreichend auf dessen amtlichen Charakter hinweisen würden, sind abwegig. Der Wasserzweckverband Strelitz dürfte in Ansehung des amtlichen Teils des „Müritz Anzeigers“ auch hinreichend deutlich als Herausgeber im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO a. F. identifizierbar sein. Nach dessen Wortlaut muss das amtliche Bekanntmachungsblatt „durch seine Bezeichnung (auch) auf … den Träger der öffentlichen Verwaltung, der es herausgibt, hinweisen“. Durch die auf dem Deckblatt des „Müritz-Anzeigers“ vorgenommene Bezeichnung als (auch) amtliches Bekanntmachungsblatt des Wasserzweckverbandes Strelitz wird auf letzteren ohne weiteres als den Träger der öffentlichen Verwaltung, der es herausgibt, hingewiesen. Wenn Satzungen des Wasserzweckverbandes Strelitz in seinem amtlichen Bekanntmachungsblatt bekannt gemacht werden, erscheint unzweifelhaft – auch – er selbst als der Träger öffentlicher Verwaltung, der den „Müritz-Anzeiger“ insoweit in dem Sinne herausgibt, als der Inhalt des amtlichen Teils von ihm herrührt. Zudem ist zu unterscheiden zwischen einem Träger öffentlicher Verwaltung, der im Selbstverlag Druck und Vertrieb des amtlichen Bekanntmachungsblattes übernimmt, und einem solchen, der Druck und Vertrieb einem Dritten überträgt. Dies zeigt die systematische Gegenüberstellung der Regelungen in § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 KV-DVO a. F. Sofern der Druck und Vertrieb Dritten übertragen ist, ist nach der letztgenannten Vorschrift der Gemeinde hinreichende Einflussmöglichkeit auf Inhalt, Erscheinungsweise und Vertrieb einzuräumen, so dass es bei Bedarf jederzeit erscheinen kann und die Kenntnisnahme der Einwohner gewährleistet ist. In beiden Fällen ist jedenfalls für den amtlichen Teil des Bekanntmachungsblatts dennoch kommunalverfassungsrechtlich betrachtet der betreffende Träger öffentlicher Verwaltung „Herausgeber“, auf den durch seine Bezeichnung hingewiesen wird. Insoweit kommt es auf das presserechtlich vorgeschriebene Impressum nicht an und ist es unschädlich, wenn die Antragsteller darauf verweisen, im Impressum des „Müritz Anzeiger“ sei nur die Verlag + Druck #### als Herausgeber bezeichnet. Der entsprechenden Angabe liegt § 7 LPrG M-V (Impressum) zugrunde, nach dessen Abs. 1 auf jedem im Lande Mecklenburg-Vorpommern erscheinenden Druckwerk Name oder Firma und Anschrift des Druckers und des Verlegers (1. Alternative) genannt sein müssen, beim Selbstverlag die des Verfassers oder des Herausgebers (2. Alternative). Presserechtlich hätte demnach nur im Falle des Selbstverlags, also wenn der Wasserzweckverband Strelitz selbst ein amtliches Bekanntmachungsblatt herstellen und verlegen würde, der Verband als Herausgeber bezeichnet werden müssen bzw. können. Da der Wasserzweckverband Strelitz den Druck und Vertrieb einem Dritten in Gestalt der Verlag + Druck #### übertragen hat, entspricht das Impressum § 7 Abs. 1, 1. Alt. LPrG M-V. Ist presserechtlich also für die beiden kommunalrechtlich eröffneten Möglichkeiten der Herausgabe eines amtlichen Bekanntmachungsblattes jeweils ein unterschiedliches Impressum vorgesehen, kann der Herausgeberbegriff in § 5 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO a. F. nicht hieran anknüpfen, da sonst im Falle einer Übertragung nach § 5 Abs. 2 KV-DVO a. F. die entsprechende Voraussetzung nie erfüllt wäre. Dass im Übrigen die Anforderungen des § 5 Abs. 2 KV-DVO a. F. nicht erfüllt sein könnten, ist unter Berücksichtigung der Beschwerdeerwiderung und des mit ihr vorgelegten „Fortführungsvertrages“ von den Antragstellern jedenfalls nicht dargelegt worden. Soweit mit Blick auf § 7 Abs. 2 LPrG M-V im Impressum „verantwortlich für den amtlichen Teil: Amtsvorsteher/Bürgermeister/Leitender Verwaltungsbeamter“ sind, ist dies für die kommunalverfassungsrechtlichen Bekanntmachungsanforderungen letztlich ohne maßgebliche Bedeutung.

19

3. Das weitere Vorbringen der Antragsteller, die Wasserabgabensatzung und die dazu ergangene Anlage seien nichtig, weil der Wasserzweckverband seine Satzungsbefugnis überschritten habe, als er von einem Umsatzsteuersatz von 19 % ausgegangen sei, vermag schon mit Blick auf die insoweit überzeugenden Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 06. Mai 2009 – 3 B 249/09 – (S. 7) nicht zum Erfolg der Beschwerde zu führen; diese Erwägungen werden auch durch die hierauf bezogenen Ausführungen im Schriftsatz der Antragsteller vom 15. Juni 2009 im Verfahren Az. 1 M 91/09 nicht durchgreifend in Frage gestellt. Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann im Übrigen als geklärt gelten, dass Wasserversorgungsbeiträge umsatzsteuerpflichtig sind und die Umsatzsteuer auf die Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Landesrechts abgewälzt werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.1988 – 8 C 33.85 –, BVerwGE 79, 266 – zitiert nach juris; OVG Greifswald, Beschl. v. 30.11.2009 – 1 M 134/09 u. a., juris). Der weitere Vortrag, jedenfalls habe der Antragsgegner lediglich einen Umsatzsteuersatz von 7 % zugrunde legen dürfen, ist nicht mehr nachvollziehbar, nachdem das Verwaltungsgericht eben unter diesem Blickwinkel einen Rechtsanwendungsfehler bejaht und dem Antrag in seinem Beschluss vom 06. Mai 2009 – 3 B 249/09 – im entsprechenden Umfang stattgegeben hat. Diese Stattgabe wird von dem angefochtenen Beschluss nicht berührt.

20

Die weitere pauschale Rüge, der Antragsgegner habe – gemeint ist: im Rahmen der Kalkulation – nicht die tatsächlich entstandenen Kosten zu Grunde gelegt, sondern das Anlagevermögen pauschal mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten gleichgesetzt, genügt nicht dem Darlegungserfordernis. Zudem ist das Verwaltungsgericht diesem Vortrag in seinem Beschluss vom 06. Mai 2009 – 3 B 249/09 – (S. 7 f.) entgegen getreten, ohne dass sich die Antragsteller hiermit in ihrem Beschwerdevorbringen auseinander setzen. Die Erwägungen des Verwaltungsgerichts werden auch durch die hierauf bezogenen Ausführungen im Schriftsatz der Antragsteller vom 15. Juni 2009 im Verfahren Az. 1 M 91/09 nicht durchgreifend in Frage gestellt; auch letztere setzten sich mit den betreffenden Entscheidungsgründen nicht hinreichend auseinander bzw. wecken keine Richtigkeitszweifel.

21

Dies gilt insgesamt in gleicher Weise für den Vortrag der Antragsteller, von den Investitionskosten sei ein prozentualer Abzug vorzunehmen, der – insbesondere hinsichtlich der Installation von Hydranten zur Brandbekämpfung – dem Vorteil der Allgemeinheit entspreche. Jedenfalls erschöpfen sich die Ausführungen der Antragsteller insoweit in Spekulationen und wäre eine ggfs. notwendige Aufklärung der betreffenden Kalkulationsgrundlagen dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.

22

Die Beschwerdebegründung betreffend die Maßstabsregelungen der Wasserabgabensatzung (Ziff. VI des Schriftsatzes vom 18. Mai 2011) wiederholt – wie auch, außer zur Frage der ordnungsgemäßen Bekanntmachung, schon zu den vorstehenden Gesichtspunkten – das erstinstanzliche Vorbringen im Verfahren Az. 3 B 249/09 des Verwaltungsgerichts und enthält infolge dessen auch keine Auseinandersetzung mit dessen Erwägungen im Beschluss vom 06. Mai 2009, wonach die Maßstabsregelungen nicht zu beanstanden seien; sie ist jedenfalls insoweit nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu begründen, soweit er noch streitgegenständlich ist. Das diesbezügliche Vorbringen der Antragsteller in ihrem Schriftsatz vom 15. Juni 2009 zum nachfolgenden Beschwerdeverfahren Az. 1 M 91/09 enthält hierzu ebenfalls keine hinreichende Auseinandersetzung und kann folglich ebenso wenig derartige Zweifel begründen. Dies gilt insbesondere auch für die Frage, ob die in Anlage 1 Ziff. 1 B c) WAgS normierte Tiefenbegrenzungsregelung von 50 m rechtmäßig ist. Im Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 18. Mai 2011 selbst wird diese Regelung der Sache nach nicht angegriffen. Lediglich in dem in Bezug genommenen Schriftsatz vom 15. Juni 2009 findet sich hierzu ein kurzer Absatz, der sich in der pauschalen Behauptung erschöpft, „wie sich aber gerade aus der von dem Antragsgegner eingereichten Skizze ergibt, entspricht die Tiefenbegrenzungsregelung jedenfalls im Bereich des Ortes B### nicht der ortsüblichen Bebauung“, „vielmehr ist deutlich zu erkennen, dass die wenigsten Grundstücke in einer Tiefe von 50 m Bauland darstellen“. Hierin kann kein hinreichend substantiierter Vortrag erblickt werden, der dem Senat im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens handgreiflich Veranlassung bieten könnte, in eine auch nur summarische Überprüfung der Tiefenbegrenzungsregelung einzutreten. Soweit zur Begründung eines vorläufigen Rechtsschutzantrages die Rechtswirksamkeit von Satzungen als normative Rechtsgrundlagen einer angegriffenen Abgabenerhebung in Frage gestellt wird, ist für stattgebende gerichtliche Entscheidungen ein strenger Maßstab anzulegen. Da entsprechende Rügen häufig parallel von zahlreichen Abgabenpflichtigen erhoben werden, einzelne stattgebende Entscheidungen häufig zahlreiche parallele Rechtsbehelfe nicht an dem betreffenden Verfahren beteiligter Abgabenpflichtiger auslösen und die normsetzenden Körperschaften schon auf entsprechende stattgebende Entscheidungen der Gerichte im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht selten mit Satzungsänderungen reagieren, liegt mit Blick auf diese Breitenwirkung bzw. potentiellen Folgewirkungen solcher Entscheidungen und deren Vergleichbarkeit mit den Wirkungen einer stattgebenden einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO eine Orientierung an den für solche einstweilige Anordnungen geltenden strengen Grundsätzen (vgl. insoweit OVG Greifswald, Beschl. v. 22.12.2004 – 4 M 301/04 –, juris; Beschl. v. 08.06.2005 – 4 M 16/05 –) nahe.

23

Die Beantwortung der Frage, ob die gewählte Tiefenbegrenzung sich als ortsangemessen darstellt, den örtlichen Verhältnissen entspricht bzw. die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegelt und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientiert und ob die normsetzende Körperschaft vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermittelt hat (vgl. zu diesen Anforderungen OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris), ist zudem wegen ihrer Komplexität grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 10.03.2006 – 1 M 148/05 –, juris).

24

Da der Senat nur die – fristgerecht – dargelegten Gründe prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), kommt es vorliegend auch nicht darauf an, dass das Verwaltungsgericht zwischenzeitlich die entsprechende Tiefenbegrenzungsregelung in der am 10. August 2011 beschlossenen Wasserabgabensatzung nach Maßgabe seines Urteils vom 07. September 2011 – 3 A 402/10 – als rechtswidrig betrachtet hat (anhängiges Berufungsverfahren Az. 1 L 289/11). Insoweit erübrigt sich auch ein Eingehen auf die die Tiefenbegrenzungsregelung – auch unter dem Eindruck des vorerwähnten verwaltungsgerichtlichen Urteils – verteidigenden Ausführungen des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren, auf die die Antragsteller auch nicht erwidert haben.

25

Schließlich bleiben auch die gegen die Beitragskalkulation gerichteten Rügen der Antragsteller in einer Weise pauschal und bruchstückhaft, dass nach dem Prüfungsmaßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens hier keine durchgreifenden Bedenken bestehen, die der Beschwerde zum Erfolg verhelfen könnten. Die Antragsteller rügen im Wesentlichen auch nur die Nachvollziehbarkeit der Kalkulation, ohne substantiell darzulegen, dass diese in einem konkreten Punkt tatsächlich und erheblich fehlerhaft sei. Die Überprüfung der Kalkulation ist zudem wegen ihrer Komplexität grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 10.03.2006 – 1 M 148/05 –, juris).

26

4. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.

27

Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 47, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

28

Hinweis:

29

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 22. Juli 2009 - 4 B 205/09 - zu Ziffer 1. geändert:

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 23. März 2009 gegen den Bescheid des Antragsgegners zur Erhebung eines Anschlussbeitrages für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung vom 27. Februar 2009 - Bescheidnummer BW0000008421 - wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Antragsgegner trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 412,50 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die Antragstellerin wendet sich als Eigentümerin des Grundstücks X in S. (Flurstück Y) gegen ihre Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung durch Bescheid des Antragsgegners vom 27. Februar 2009 in Höhe von 1.649,99 EUR.

2

Das Verwaltungsgericht hat ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem vorliegend angegriffenen Beschluss unter Ziffer 1 des Tenors abgelehnt.

3

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr am 23. Juli 2009 zugestellten Beschluss zu Ziffer1, die mit am 31. Juli 2009 eingegangenem Schriftsatz fristgemäß (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) eingelegt und ebenso fristgerecht (§146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) begründet worden ist, hat Erfolg.

4

In Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Wie sich aus § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 3 VwGO ergibt, können nur solche Gründe in die Prüfung einbezogen werden, die der Beschwerdeführer innerhalb der einmonatigen gesetzlichen Begründungsfrist vorbringt. Nach Ablauf dieser Frist können zwar fristgerecht geltend gemachte Gründe vertieft, nicht aber neue Gründe in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden.

5

Das Beschwerdevorbringen weckt ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Beitragsbescheides; der angefochtene Beschluss ist deshalb abzuändern und dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz stattzugeben.

6

Der Antrag ist nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO zulässig, da der Antragsgegner den Aussetzungsantrag der Antragstellerin abgelehnt hat.

7

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ganz oder teilweise anordnen. Die gerichtliche Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ergeht auf der Grundlage einer Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Interesse des Antragstellers, vorläufig vom Vollzug des Verwaltungsaktes verschont zu bleiben (Aussetzungsinteresse), und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes (Vollziehungsinteresse). Im Rahmen der Interessenabwägung ist der Gesichtspunkt der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bzw. der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. In der Regel überwiegt das öffentliche Vollziehungsinteresse, wenn sich der angegriffene Verwaltungsakt nach dem Prüfungsmaßstab des - summarischen - vorläufigen Rechtsschutzverfahrens als rechtmäßig erweist und der Rechtsbehelf in der Hauptsache ohne Aussicht auf Erfolg sein dürfte. Demgegenüber überwiegt grundsätzlich das private Aussetzungsinteresse, wenn sich der Verwaltungsakt nach diesem Maßstab als rechtswidrig erweist; an der Vollziehung eines rechtswidrigen Bescheides besteht regelmäßig kein schutzwürdiges öffentliches Interesse. Lässt sich die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht in diesem Sinne klären bzw. ist der Ausgang der Hauptsache offen, bedarf es einer Abwägung der (sonstigen) wechselseitigen Interessen.

8

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bestehen unter dem von der Antragstellerin angesprochenen rechtlichen Gesichtspunkt einer fehlerhaften Festsetzung des Abgabensatzes ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes, die vorliegend die Interessenabwägung zu Lasten des Antragsgegners ausgehen lassen.

9

Der angefochtene Beitragsbescheid dürfte mangels einer gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderlichen wirksamen Rechtsgrundlage für die Erhebung der Abgabe rechtswidrig sein. Die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes Parchim/Lübz vom 14. Dezember 2006 i.d.F. der ersten Änderungssatzung vom 15. November 2007 (nachfolgend: BS), auf die der angefochtene Beitragsbescheid gestützt ist, dürfte unwirksam sein. Gemäß § 2 Abs.1 Satz 2 KAG M-V muss die Satzung insbesondere den Satz der Abgabe angeben. Dieser Anforderung dürfte die Trinkwasserbeitragssatzung nicht in hinreichendem Maße gerecht werden; dieser rechtliche Gesichtspunkt war nicht Gegenstand der Senatsentscheidung vom 14. September 2009 - 1 M 57/09 - (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).

10

Zwar enthält die Trinkwasserbeitragssatzung mit § 5 BS eine Bestimmung zum Beitragssatz, die wie folgt lautet:

11

Der Beitragssatz für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung beträgt je m² bevorteilter Grundstücksfläche 6,00 einschließlich Umsatzsteuer.

12

Dieser Beitragssatz dürfte jedoch von der Verbandsversammlung nicht nach pflichtgemäßem Ermessen festgesetzt worden und damit rechtswidrig sein.

13

In Anerkennung eines gewissen Gestaltungsspielraums für den kommunalen Gesetzgeber hat dieser nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V den Abgabensatz in den Grenzen, die dem normsetzenden Organ durch das Vorteilsprinzip, den Kostendeckungsgrundsatz und den Gleichheitsgrundsatz gezogen sind, nach pflichtgemäßem Ermessen festzusetzen. Das bedeutet, dass der Abgabensatz grundsätzlich der gerichtlichen Kontrolle jedenfalls im Hinblick auf das Vorteilsprinzip, den Kostendeckungsgrundsatz und den Gleichheitssatz unterliegt. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine weitergehende gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit besteht, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich bewertet. Die Ungültigkeit eines Abgabensatzes tritt mit Blick auf das im Rahmen der Normsetzung auszuübende Ermessen - vorbehaltlich der Regelung des § 2 Abs. 3 KAG M-V - als zwingende Folge z. B. immer dann ein, wenn die unterbreitete Kalkulation in einem für die Abgabenhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft ist, weil das Vertretungsorgan ansonsten ein Ermessen nicht fehlerfrei ausüben kann (OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004 - 4 K 38/02 -, DVBl. 2005, 64 = juris; Urt. v. 25.02.1998 - 4 K 8/97 -, NordÖR 1998, 256 = VwRR MO 1998, 227 = KStZ 2000, 12 = NJ 1998, 609 = NVwZ-RR 1999, 144 = ZKF 1999, 111 = GemH 1999, 234 = Überblick 1998, 518).

14

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V sollen zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebundenen Versorgung insbesondere mit Wasser Anschlussbeiträge erhoben werden. In der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern ist unter Anerkennung eines entsprechenden Ermessensspielraums des Satzungsgebers eine nur teilweise Deckung durch Beiträge (und im Übrigen durch Gebühren) bzw. die Festsetzung eines Beitragssatzes, der keine vollständige Refinanzierung des Aufwandes über die Erhebung von Anschlussbeiträgen erlaubt, verschiedentlich gebilligt worden (vgl. dazu insoweit ohne nähere Prüfung etwa Urt. v. 25.02.1998 - 4 K 8/97, 4 K 18/97 -, NordÖR 1998, 256 = KStZ 2000, 12 = juris; Beschl. v. 05.02.2004 - 1 M 256/03 -, juris; vgl. dazu, dass in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts eine Mindestdeckungsgrenze bislang nicht formuliert worden ist, OVG Greifswald, Beschl. v. 25.05.2009 - 1 M 157/08 -, juris). Dass die Festsetzung eines Abgabensatzes, der dem nach der Kalkulation höchst zulässigen bzw. vollständig kostendeckenden Beitragssatzes entspricht, mit Blick auf die gesetzliche Regelung des §9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V keiner näheren Begründung bedarf bzw. eine Ermessensentscheidung im Sinne einer 100 %-igen Kostendeckung darstellt, liegt auf der Hand.

15

In der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts ist aber ebenso bereits geklärt, dass das im Rahmen der Normsetzung bzw. Festsetzung des Abgabensatzes auszuübende Ermessen eine - gerichtlich nur beschränkt überprüfbare - Entscheidung der Frage beinhaltet und erfordert, welcher Kostendeckungsgrad erreicht werden bzw. wie im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen die Aufteilung zwischen Beiträgen und Gebühren bei einer nicht vollständigen Beitragsfinanzierung erfolgen soll. Ein solches Erfordernis besteht insbesondere wegen der mit dieser Entscheidung einhergehenden Implikationen etwa zur Gebührenbelastung der Benutzer und eines voraussichtlich höheren Vorfinanzierungs- bzw. Kreditbedarfs des Zweckverbandes. Die gerichtliche Überprüfung bezieht sich insoweit nicht auf eine bloße rechnerische "Ergebniskontrolle" des Abgabensatzes, sondern auf die ihm zugrunde gelegten Sachverhalte und Wertentscheidungen (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Urt. v. 25.02.1998 - 4 K 8/97, 4 K 18/97 -, a.a.O.; vgl. auch Urt. v. 18.09.1996 - 6 L 11/96 -, LKV 1997, 422; Beschl. v. 05.02.2004 - 1 M 256/03 -, juris).

16

Mit diesen Grundsätzen dürfte die Festsetzung des Beitragssatzes in § 5 BS nicht in Einklang stehen.

17

Dabei dürfte es sich allerdings entgegen dem Beschwerdevorbringen weniger um ein Problem der Bestimmtheit des Abgabensatzes handeln, wenn dessen Betrag "einschließlich Umsatzsteuer" festgesetzt worden ist. Auch wenn im Normsetzungsprozess einerseits verschiedene Steuersätze genannt worden sind (16 % bzw. 19 % mit Blick auf die zum 01.01.2007 erfolgte Erhöhung des Umsatzsteuersatzes in § 12 Abs. 1 UStG) und der ermäßigte Steuersatz von 7 % gemäß § 12 Abs. 2 UStG gar keine Erwähnung gefunden hat, könnte man diese Formulierung - normerhaltend - dahin verstehen, dass der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Trinkwasserbeitragssatzung am 08. Januar 2007 geltende und gesetzlich einschlägige Umsatzsteuersatz maßgeblich sein soll. Dies ist - insoweit schließt sich der Senat den zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts an, § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO - nach Maßgabe der Urteile des EuGH vom 03. April 2008 - C-442/05 - (juris) und des Bundesfinanzhofs vom 08. Oktober 2008 - V R 61/03 - (juris) der ermäßigte Steuersatz von 7 % gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG (vgl. auch VG München, Beschl. v. 11.02.2009 - M 10 S 08.4278 -, juris; Erlass des Finanzministeriums M-V v. 26.05.2009 - IV 303 - S 7100 - 38/99, auch wenn dort fälschlich von Erschließungsbeiträgen die Rede ist). Dabei kann im Übrigen als geklärt vorausgesetzt werden, dass Wasserversorgungsbeiträge umsatzsteuerpflichtig sind und die Umsatzsteuer auf die Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Landesrechts abgewälzt werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.1988 - 8 C 33.85 -, BVerwGE 79, 266 - zitiert nach juris). Mit einem solchen Normverständnis wäre zugleich die Schlussfolgerung verbunden, dass im vorliegenden Fall Änderungen des Umsatzsteuersatzes - dynamisch - auf § 5 BS durchschlagen und den Netto-Beitragssatz beeinflussen. In diesem Zusammenhang ist der Vorstellung des Antragsgegners eine Absage zu erteilen, dass mit Blick auf den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht und der zu diesem Zeitpunkt bzw. vor den Entscheidungen von EuGH und Bundesfinanzhof zur Höhe des Umsatzsteuersatzes vorherrschenden Rechtsauffassung ein Umsatzsteuersatz von 19 % rechtmäßig zugrunde gelegt werden dürfe.

18

Mit Blick auf das Erfordernis einer bewussten Ermessensentscheidung zu dem mit der Beitragserhebung erzielten Kostendeckungsgrad ist durch eine dermaßen vorgenommene Normauslegung allerdings nichts gewonnen. Die Verbandsversammlung wollte im Ergebnis ausweislich der bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Sitzungsprotokolle sowohl der Versammlung als auch sonstiger Gremien erreichen, dass die Abgabenschuldner nicht mehr als 6,00 EUR brutto/m² zahlen müssen. Diesem Ziel entspricht die Bestimmung des § 5 BS. Der gesamte Normsetzungsprozess zur Höhe des Abgabensatzes ist demgegenüber dadurch geprägt, dass die Verbandsversammlung nicht verbindlich und bewusst in den Blick genommen hat, welcher Netto-Abgabensatz damit eigentlich - je nach Höhe der Umsatzsteuer - verbunden ist. Dem Verwaltungsgericht ist insoweit in seiner Einschätzung zuzustimmen, dass der beschlossene Beitragssatz offensichtlich unabhängig vom jeweils geltenden Umsatzsteuersatz gelten sollte, um die Beitragspflichtigen nicht mit einem noch höheren Beitrag zu belasten. Der Antragsgegner hat diese Sichtweise im Beschwerdeverfahren mit seinem Schriftsatz vom 21. September 2009 ausdrücklich bestätigt. Dort hat er vorgetragen, die Verbandsversammlung habe sich vor dem Hintergrund der seinerzeitigen Erhöhung des Regelsteuersatzes von 16 % auf 19 %, wonach der höchst zulässige Beitragssatz 7,37 je m² betragen hätte, dazu entschlossen, mit § 5 BS einen Beitragssatz von 6,00 EUR je m² bevorteilter Grundstücksfläche unabhängig von dem jeweils gültigen Umsatzsteuersatz zu beschließen.

19

Fehlt es jedoch infolgedessen überhaupt an einer Festlegung des Netto-Abgabensatzes, ist damit zugleich gesagt, dass es im Sinne eines Ermessensausfalls an einer Bestimmung zum konkret gewollten Kostendeckungsgrad fehlt. Eine solche Bestimmung dürfte jedoch erforderlich gewesen sein, da der höchstmögliche bzw. vollständig kostendeckende Netto-Beitragssatz nach der "Kalkulation Anschlussbeitrag Trinkwasser" 6,20 EUR/m² betragen hätte und infolge der niedrigeren und damit nicht gänzlich kostendeckenden Festlegung des Abgabensatzes in § 5 BS das Verhältnis von Beitrags- und Gebührenfinanzierung im Zuge einer entsprechenden Ermessensentscheidung festzulegen gewesen sein dürfte. Dass man sich auf Seiten des Antragsgegners im Übrigen grundsätzlich der Konsequenzen eines Abgabensatzes unterhalb des höchst zulässigen Beitragssatzes insbesondere mit Blick auf eine entsprechend erforderlich werdende Gebührenfinanzierung bewusst war, lässt sich den Verwaltungsvorgängen verschiedentlich entnehmen.

20

Selbst wenn man in Betrachtung des Normsetzungsprozesses annehmen wollte, die Verbandsversammlung habe sich im Hinblick auf die Regelung des § 5 BS einen bestimmten Umsatzsteuersatz und damit einen bestimmten Netto-Abgabensatz bzw. Kostendeckungsgrad vorgestellt, dürfte dennoch Überwiegendes für eine ermessensfehlerhafte Bestimmung des Kostendeckungsgrades sprechen. Die Verbandsversammlung und auch sonstige Gremien sind - durchaus nachvollziehbar mit Blick darauf, dass die Entscheidungen des EuGH und des Bundesfinanzhofs noch nicht vorlagen - ausweislich der Verwaltungsvorgänge allenfalls von einem Umsatzsteuersatz von 19 % mit einem entsprechend resultierenden Netto-Beitragssatz ausgegangen; diese Annahme des Senats bestätigt sowohl das erstinstanzliche Vorbringen des Antragsgegners, das noch einen Umsatzsteuersatz von 19 % verteidigt, als auch das Beschwerdevorbringen. Ihrer Entscheidung zum Abgabensatz hat also jedenfalls nicht der rechtlich allein zulässige, - bei entsprechender Auslegung - ggfs. in § 5 BS geregelte Umsatzsteuersatz von 7% und ebensowenig der daraus resultierende Netto-Abgabensatz zugrunde gelegen. Daraus folgt zumindest gleichzeitig eine fehlerhafte Vorstellung vom mit der Erhebung von Anschlussbeiträgen erzielten Kostendeckungsgrad. Der Unterschied zwischen dem jeweiligen Kostendeckungsgrad bei einem Umsatzsteuersatz von einerseits 7 % oder andererseits 19 % würde ausgehend vom in § 5 BS festgelegten Brutto-Abgabensatz in Höhe von 6,00 EUR etwa 10 % betragen (5,58 EUR netto gegenüber 5,04 EUR netto) und wäre damit nicht mehr nur geringfügig (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004 - 4 K 38/02 -, a.a.O.).

21

§ 2 Abs. 3 KAG M-V ist im Übrigen tatbestandlich nicht einschlägig.

22

Abschließend weist der Senat darauf hin, dass es dem Wasser- und Abwasserzweckverband Parchim/Lübz grundsätzlich unbenommen sein dürfte, die Festlegung des Netto-Abgabensatzes bzw. Deckungsgrades unter Zugrundelegung eines Umsatzsteuersatzes von 7 % nachzuholen und im Ergebnis an einem Brutto-Abgabensatz von 6,00 EUR festzuhalten.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

24

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3, 47 GKG, wobei der streitige Abgabenbetrag nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Eilverfahren zu vierteln ist.

25

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.