Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 28. Nov. 2016 - 3 A 787/15 HGW

bei uns veröffentlicht am28.11.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um einen Anschlussbeitrag Schmutzwasser.

2

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks G1. Das Grundstück liegt im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 21 „Am Wiesenweg“ der Gemeinde Zinnowitz.

3

Das Plangebiet wurde auf der Grundlage eines Erschließungsvertrages zwischen dem Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Insel Usedom und der A.-GmbH vom 19. April 2006 erschlossen. In dem Vertrag verpflichtete sich die A.- GmbH unter anderem zur technischen Herstellung der inneren Erschließungsanlagen der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage des Beklagten. Mit der Übernahme der Gesamterschließungskosten durch die A.- GmbH sollten auch die Beiträge zur erstmaligen Herstellung der Abwasserbeseitigungsanlage für das Baugebiet abgegolten sein. Zur Ablösung der entstehenden Schmutzwasserbeiträge vereinbarten die Vertragsparteien eine pauschale Ablösesumme in Höhe von 5.932 Euro. Das entsprach etwa 25 v.H. des angenommenen Gesamtbeitragsaufkommens im Baugebiet nach der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbands Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Insel Usedom vom 16. März 2005.

4

Mit Bescheid vom 4. März 2015 setzte der Beklagte gegen die Kläger einen Anschlussbeitrag zur öffentlichen Anlage zur Abwasserbeseitigung in Höhe von 1.523,82 Euro fest und machte unter Anrechnung des anteiligen Ablösebetrages ein Zahlungsgebot in Höhe von 1.142,85 Euro geltend. Den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2015, zugestellt am 29. August 2015, zurück.

5

Am 4. September 2015 hat der Kläger Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Beitragssatzung vom 19. Oktober 2011 sei unwirksam, weil sie eine unwirksame Bestimmung zur Ermittlung der Vollgeschosse in den Fällen enthalte, in denen ein Bebauungsplan nicht die Anzahl der Vollgeschosse, sondern die höchstzulässige Höhe der baulichen Anlagen regele. Die Beitragserhebung sei zudem wegen der Ablösevereinbarung im Erschließungsvertrag ausgeschlossen. Die Vereinbarung gehe davon aus, dass 75 v.H. der Erschließungskosten auf die innere Erschließung des Baugebiets entfielen. Dies halte den vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern entwickelten Grundsätzen zur Wirksamkeit von Ablösevereinbarungen stand. Die Ablösesumme orientiere sich an der Beitragshöhe. Der Beitragsbescheid verkenne außerdem, dass dem Beklagten die Anlagenbestandteile der inneren Erschließung durch den Erschließungsträger unentgeltlich übertragen worden seien. Es komme deshalb zu einer doppelten Heranziehung des Klägers.

6

Der Kläger beantragt,

7

den Bescheid des Beklagten vom 4. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2015 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er verteidigt die angefochtenen Bescheide. Der vom Erschließungsträger abgeführte Beitragsanteil sei bei der Festsetzung berücksichtigt worden. Der Beklagte sei verpflichtet, seinen noch nicht verjährten Beitragsanspruch voll auszuschöpfen. Selbst wenn 2004 wirksames Satzungsrecht bestanden hätte, sei der Erschließungsvertrag nichtig, weil er einen unzulässigen Verzicht auf kommunale Abgaben beinhalte. Es habe eine Beitragserhebungspflicht bestanden. Für die Reduzierung des abzuführenden Betrages auf 25 v.H. der Beitragshöhe bestehe keine genügende Grundlage. Maßgeblich sei ein pauschaler Beschluss der Verbandsversammlung gewesen. Ermittlungen zu den tatsächlichen Aufwendungen des Erschließungsträgers seien nicht vorgenommen worden.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

1. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

13

a) Den streitgegenständlichen Abgabenbescheiden fehlt es nicht an der gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderlichen Rechtsgrundlage. Nach dieser Vorschrift dürfen Abgaben nur aufgrund einer Satzung erhoben werden. Rechtsgrundlage für den vorliegend vom Beklagten geltend gemachten Anschlussbeitrag ist die Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbands Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Insel Usedom vom 19. Oktober 2011 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 13. Dezember 2012 (Beitragssatzung 2012). Diese Satzung ist nach jetziger Erkenntnis wirksam (so OVG Greifswald, Urt. v. 06.09.2016 – 1 L 212/13 –, juris Rn. 56 ff. zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung – Insel Usedom vom 18. März 2005 in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 16. Mai 2011). Soweit mit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Cottbus (Urt. v. 03.03.2011 – 6 K 351/09 –, juris) die Regelung in § 5 Abs. 3 Buchst. b Beitragssatzung 2012 zur Bestimmung der anrechenbaren Vollgeschosse im Falle eines Bebauungsplans ohne Festsetzung der Anzahl der zulässigen Vollgeschosse angegriffen wird, lag dem dortigen Urteil eine andere Sachlage zugrunde – es handelte sich dabei, anders als hier, um eine bloße Aufrundungsregelung. In der beitragsrechtlichen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern sind entsprechende Satzungsbestimmungen für wirksam gehalten worden (vgl. nur Urt. v. 21.04.2015 – 1 K 46/11 –, juris Rn. 62 ff.). Dem schließt sich das erkennende Gericht an.

14

b) Auch die Rechtsanwendung im Einzelfall begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

15

Die Beitragserhebung ist nicht durch den Erschließungsvertrag vom 19. April 2006 ausgeschlossen. Die darin enthaltene Ablösungsvereinbarung ist unwirksam. In der Rechtsprechung der Kammer ist geklärt, dass ein Ablösevertrag über Beiträge unter anderem voraussetzt, dass der Beitragsgläubiger vor der Ablösung entsprechende Ablösebestimmungen getroffen hat. Nur dann darf er von der Ermächtigung in § 7 Abs. 5 KAG M-V (bzw. § 8 Abs. 9 KAG M-V a.F.) Gebrauch machen (VG Greifswald, Beschl. v. 27.01.2015 – 3 B 879/14 –, juris Rn. 35; Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz/Seppelt, KAG M-V, Stand April 2013, § 7 Anm. 16.1 m.w.N.). Solche Ablösebestimmungen lagen zum Zeitpunkt des Abschlusses des fraglichen Erschließungsvertrages hier jedoch nicht vor. Wirksames Satzungsrecht mit entsprechenden Regelungen bestand im April 2006 nicht (dazu näher sogleich). Der vom Beklagten vorgelegte Beschluss der Verbandsversammlung vom 26. Januar 2000, mit dem die Festlegung eines Mustervertrages mit einer Ablösevereinbarung in Höhe von 25 v.H. der voraussichtlichen Beiträge im Plangebiet verbunden war, stellt gleichfalls keine wirksame Ablösebestimmung dar. Die Höhe des Ablösebetrags ist nach beitragsrechtlichen Kriterien zu ermitteln (VG Greifswald, Urt. v. 03.08.2005 – 3 A 211/04 -, juris Rn. 21; Beschl. v. 27.01.2015 – 3 B 879/14 –, juris Rn. 37). Die Ablösung ist eine vorweggenommene Tilgung des gesamten voraussichtlich zu zahlenden Beitrags (Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz/Seppelt, KAG M-V, Stand April 2013, § 7 Anm. 16). Dies verbietet eine pauschalierende Ablösebestimmung dergestalt, dass eine Ablösung der künftig entstehenden Beitragsansprüche mit einer Zahlung in Höhe von lediglich 25. v.H. der voraussichtlichen Beitragshöhe erfolgen soll. Eine solche Vereinbarung verfehlt wegen der erheblichen Unterschreitung der voraussichtlichen Beitragshöhe das Gebot der Abgabengerechtigkeit unabhängig von der Überlegung, dass eine absolute Missbilligungsgrenze, bei deren Überschreitung ein Auseinanderfallen von Ablösungsbetrag und Beitrag in jedem Fall nicht mehr hinzunehmen ist, nicht besteht. Diese Grenze bestimmt sich vielmehr im Einzelfall nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anhand einer Abwägung aller sich im Zusammenhang mit Ablösungsverträgen ergebenden Umstände und gegenläufigen Interessen (BVerwG, Urt. v. 21.01.2015 – 9 C 1/14 –, BVerwGE 151, 171). Maßgeblich ist, dass die Vertragsparteien eine Deckung der prognostizierten Beitragsschuld durch den Ablösebetrag gar nicht angestrebt haben.

16

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Überlegung, dass dem Beklagten in Ansehung der inneren Erschließung, also der leitungsgebundenen Abwasserentsorgungsanlagen im Plangebiet, kein beitragsfähiger Aufwand entstanden ist. Der Erschließungsträger hat diese Anlagen auf eigene Rechnung technisch hergestellt und die Kosten über die Vermarktung der Grundstücke refinanziert. Die vorliegend im Streit stehende Beitragserhebung dient demgemäß auch nicht der Refinanzierung des Aufwandes für die innere Erschließung (dieser ist überhaupt nicht beitragsfähig, da die Anlagenbestandteile dem Beklagten unentgeltlich übertragen wurden), sondern betrifft die äußere Erschließung, also den Aufwand für die Herstellung der zentralen Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Beklagten insgesamt (vgl. VG Greifswald, Beschl. v. 27.01.2015 – 3 B 879/14 –, juris Rn. 32). Das ist der Vorteil, der durch die Beitragserhebung abgegolten wird. Die Legitimation des Anschlussbeitrags ergibt sich aus der Überlegung, dass das bevorteilte Grundstück durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Anlage (§ 9 Abs. 3 KAG M-V) eine dauerhafte Erschließung erfährt. Der Vorteilsbegriff ist mithin grundstücksbezogen. Der abzugeltende Vorteil ist für das Grundstück in der positiven Veränderung der Erschließungssituation zu sehen (OVG Greifswald, Beschl. v. 20.10.1998 – 1 M 17/98 –, juris). Die dauernd gesicherte Möglichkeit des Anschlusses an eine Abwasserentsorgungsanlage ist für die ordnungsgemäße Erschließung eines Grundstücks erforderlich und unabdingbare Voraussetzung für die Nutzung eines Grundstücks zu baulichen Zwecken (VG Greifswald, Urt. v. 14.11.2013 – 3 A 524/11 –, juris Rn. 22). Dieser Vorteil unterscheidet sich aber bei Grundstücken innerhalb und außerhalb eines Erschließungsgebietes nicht. Beide Gruppen haben in diesem Sinne denselben Vorteil (sie sind an die öffentliche Einrichtung angeschlossen bzw. können an sie angeschlossen werden), so dass eine so weitgehende beitragsrechtliche Privilegierung von Grundstückseigentümern in einem durch einen Dritten erschlossenen Plangebiet nicht gerechtfertigt ist (vgl. zu Grundstücken im räumlichen Geltungsbereich eines Vorhaben- und Erschließungsplans OVG Greifswald, Beschl. v. 14.05.2001 – 1 L 23/00 –, juris Rn. 11; VG Greifswald, Urt. v. 13.01.2010 – 3 A 330/08 –). Das Gericht verkennt nicht, dass die Eigentümer im Baugebiet bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Kosten der inneren Erschließung getragen haben, um überhaupt die Baureifmachung der Grundstücke schon zum damaligen Zeitpunkt zu erreichen. Für die Bemessung der Beitragshöhe in Gestalt des Beitragssatzes kommt es jedoch auf den Gesamtaufwand für die Herstellung der Anlage und nicht darauf an, welcher Aufwand sich dem einzelnen Grundstück konkret zuordnen lässt.

17

Der Beitragsanspruch des Beklagten ist nicht infolge Festsetzungsverjährung (§ 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 47 AO) erloschen. Die Festsetzungsfrist beträgt gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V für alle kommunalen Abgaben und Steuern vier Jahre. Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V). Der Beitragsanspruch des Beklagten ist erst im Jahre 2011 entstanden, so dass bei Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten war. Die Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Insel Usedom vom 18. März 2005 in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 16. Mai 2011 war die erste rechtswirksame Beitragssatzung des Beklagten. Erst das Inkrafttreten dieser Satzung hat die sachliche Beitragspflicht ausgelöst und damit die Verjährungsfrist anlaufen lassen. Die früheren Satzungen des Beklagten aus den Jahren 1996, 2001 und 2004 waren unwirksam (OVG Greifswald, Urt. v. 06.09.2016 – 1 L 212/13 –, juris Rn. 46 ff.).

18

Der Gesetzgeber hat durch Art. 1 Nr. 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016 (GVOBl. S. 584) eine Höchstfrist für die Beitragsfestsetzung eingeführt. Mit dieser Regelung genügt das Landesrecht nunmehr den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten (Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143) Anforderungen an die zeitliche Begrenzung der Festsetzung vorteilsausgleichender kommunaler Abgaben (OVG Greifswald, Urt. v. 06.09.2016 - 1 L 212/13 -, juris Rn. 68 ff.).

19

Der Beitragsanspruch ist nicht verwirkt. Verwirkung bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete in Folge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung) (OVG Greifswald, Urt. v. 02.11.2005 – 1 L 105/05 –, juris Rn. 81). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Wenn man voraussetzt, dass nur ein bereits entstandener Beitragsanspruch verwirkt werden kann, fehlt es bereits am Verstreichen eines längeren Zeitraums ohne Geltendmachung des Anspruchs. Jedenfalls ist klägerseitig nichts zu den Voraussetzungen des Vertrauenstatbestands und der Vertrauensbetätigung dargetan worden.

20

Schließlich ist die Geltendmachung des Beitragsanspruchs auch nicht unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung ausgeschlossen. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass der Beklagte mit Abschluss des Erschließungsvertrages selbst eine Rechtslage herbeiführen wollte, nach der eine Beitragserhebung ausgeschlossen war. Der Beklagte war aber nicht gehindert und wegen der grundsätzlichen Beitragserhebungspflicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V auch gehalten, rechtmäßige Zustände herzustellen, nachdem er erkannt hatte, dass die geschlossene Ablösevereinbarung unwirksam ist. Anderenfalls würden die Gründe, die zur Unwirksamkeit der Ablösevereinbarung führenden Gründe regelmäßig leerlaufen und eine Rückkehr zu den Grundsätzen der Rechtmäßigkeit der Verwaltung versperrt bleiben (vgl. zu einem Abgabenverzicht VG Cottbus, Urt. v. 16.12.2014 – 6 K 794/12 –, juris Rn. 48).

21

Ob der Beklagte das Zahlungsgebot um den auf das Grundstück des Klägers entfallenden Anteils des Ablösebetrags reduzieren musste, kann für diese Entscheidung offenbleiben. Der Kläger ist dadurch rechtlich ausschließlich bevorteilt.

22

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung bestehen nicht.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 28. Nov. 2016 - 3 A 787/15 HGW

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 28. Nov. 2016 - 3 A 787/15 HGW

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 28. Nov. 2016 - 3 A 787/15 HGW zitiert 7 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Abgabenordnung - AO 1977 | § 170 Beginn der Festsetzungsfrist


(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist. (2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn1.eine Steuererklärung od

Abgabenordnung - AO 1977 | § 47 Erlöschen


Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch Zahlung (§§ 224, 224a, 225), Aufrechnung (§ 226), Erlass (§§ 163, 227), Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232), ferner durch Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ans

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 28. Nov. 2016 - 3 A 787/15 HGW zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 28. Nov. 2016 - 3 A 787/15 HGW zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 06. Sept. 2016 - 1 L 212/13

bei uns veröffentlicht am 06.09.2016

Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. August 2013 – 3 A 291/10 – wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherhe

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 21. Apr. 2015 - 1 K 46/11

bei uns veröffentlicht am 21.04.2015

Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der.

Verwaltungsgericht Greifswald Beschluss, 27. Jan. 2015 - 3 B 879/14

bei uns veröffentlicht am 27.01.2015

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Antragsteller auferlegt. 3. Der Streitwert beträgt 595,53 EUR. Gründe I. 1 Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Anschlussbeiträgen (Schmutz- u

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 21. Jan. 2015 - 9 C 1/14

bei uns veröffentlicht am 21.01.2015

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen. 2

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 14. Nov. 2013 - 3 A 524/11

bei uns veröffentlicht am 14.11.2013

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. 3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegu

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 05. März 2013 - 1 BvR 2457/08

bei uns veröffentlicht am 05.03.2013

Tenor 1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom

Referenzen

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. August 2013 – 3 A 291/10 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenansatzes vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin zu Anschlussbeiträgen (Schmutzwasser).

2

Der Zweckverband, dem der Beklagte vorsteht, betreibt im Ostseebad Heringsdorf die zentrale Abwasserbeseitigung durch die in seiner Beitragssatzung als öffentliche Einrichtung II bezeichnete Anlage.

3

Die Klägerin ist als Wohnungseigentümerin (Mit-)Eigentümerin des Grundstücks Flurstück ../.. und ../.., Flur .., Gemarkung H…, welches an die Einrichtung II des Zweckverbandes angeschlossen ist.

4

Bereits mit Bescheiden vom 25. Februar 1999 zog der Beklagte die Klägerin zu Anschlussbeiträgen Schmutzwasser für das Grundstück Flurstück /.., Flur .., Gemarkung H… in Höhe von 4.089,18 DM und für das Grundstück Flurstück ../.., Flur .., Gemarkung H… in Höhe von 1.470,25 DM heran (Rechtsgrundlage Beitragssatzung 1996). Die Bescheide wurden bestandskräftig.

5

Mit Bescheiden vom 15. Oktober 2009 zog der Beklagte die Klägerin unter Anrechnung der bereits geleisteten Beiträge zu Anschlussbeiträgen für das Wohnungs- und Teileigentum in Höhe von insgesamt 30.974,76 Euro heran (Rechtsgrundlage Beitragssatzung 2005).

6

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 11. November 2009 Widerspruch ein.

7

Mit Änderungs- und Widerspruchsbescheid vom 1. März 2010 stellte der Beklagte unter Ziffer 1 klar, dass ein Beitrag von insgesamt 30.974,76 Euro zu zahlen sei. Unter Ziffer 2 des Bescheides werden die in der Anlage l aufgeführten Bescheide wegen offenbarer Unrichtigkeit auf Seite 2, Zeile 3 dahingehend berichtigt, dass nur die Bescheide vom 25. Februar 1999 (und nicht auch vom 11. Februar 1999) geändert werden sollen. Im Übrigen werden die Widersprüche zurückgewiesen.

8

Die Klägerin hat am 30. März 2010 Klage erhoben.

9

Sie ist der Ansicht, ihre Heranziehung sei rechtswidrig.

10

Der Beklagte habe den Widerspruchsbescheid nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen begründet, da er nur einen Widerspruchsbescheid erlassen habe und hinsichtlich der gesamten 135 Kanalbauanschlussbeitragsbescheide auf eine dem Widerspruchsbescheid als Anlage l beigefügte Liste verwiesen habe.

11

Die Bescheide seien (auch) materiell rechtswidrig. Sie verstießen gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung. Der Beklagte habe die Klägerin bereits mit Beitragsbescheiden vom 25. Februar 1999 zu Anschlussbeiträgen (Schmutzwasser) herangezogen, und diese Bescheide seien bestandskräftig geworden. Der Beitrag sei voll ausgeschöpft worden.

12

Der nochmaligen Veranlagung stehe darüber hinaus der Grundsatz der Verwirkung entgegen. Im Übrigen habe der Gesetzgeber erst mit der Änderung des KAG M-V im Jahr 2005 entschieden, dass die sachliche Beitragspflicht mit der ersten wirksamen Satzung entstehe (Änderung des § 9 Abs. 3 KAG M-V), sodass nach der alten Rechtslage die Beitragspflicht bereits entstanden und damit verjährt sei. Diese gesetzliche Änderung habe echte Rückwirkung entfaltet. Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – werde Bezug genommen. Nach Ablauf von mehr als zehn Jahren habe die Klägerin auch nicht mehr mit dem Erlass eines weiteren Beitragsbescheides rechnen müssen.

13

Weiterhin sei die dem Beitragssatz zugrunde liegende Kalkulation fehlerhaft. Die Gemeinde Seebad Heringsdorf habe im Jahr 2011 einen Bebauungsplan Nr. 23 „Ortszentrum an der Delbrückstraße 1 in Heringsdorf“ aufgestellt, nach welchem anstelle eines bisherigen Parkplatzes und eines dreigeschossigen Einkaufszentrums ein maximal 25,9 m hoher Hotelkomplex zwischen der S-straße und der D-straße entstehen solle. Diese Planungen seien bei der Flächenermittlung nicht berücksichtigt worden. Auch im Bereich Neu-Sallenthin, Alt-Sallenthin weise die Flächenberechnung lediglich eine eingeschossige Nutzungsfläche auf. Dies sei fehlerhaft. In der Gemeinde gebe es eine Reihe zweigeschossiger Gebäude, wie beispielsweise in der Straße „An den Krebsseen" Nummer 1, 8, 16, 39 und 42. Das in Neu-Sallenthin vorhandene Hotel „B" sei darüber hinaus dreigeschossig. Die Fortschreibung der Beitragskalkulation enthalte eine Ermittlung der Erstattung von Abwasserabgaben. Hierbei handele es sich nicht um eine Fortschreibung, da die Angaben aus den Jahren 2006 bis 2008 stammten.

14

Die Klägerin hat beantragt,

15

die Kanalbaubeitragsbescheide des Beklagten – Bescheidnummern … bis … – vom 15. Oktober 2009 in der Fassung des Änderungs- und Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 aufzuheben.

16

Der Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Er hat im Wesentlichen vorgetragen, der Nachveranlagung könne weder der Grundsatz der einmaligen Beitragserhebung noch Verwirkung entgegengehalten werden. Dies habe auch das OVG Greifswald zwischenzeitlich bestätigt. Erst mit Erlass der angefochtenen Bescheide, gestützt auf die Beitragssatzung vom 16. März 2005, habe der Beklagte seinen Beitragsanspruch voll ausgeschöpft, da die Vorgängersatzungen allesamt unwirksam gewesen seien.

19

Gegen die Kalkulation beständen keine Bedenken. Die aktuelle Fortschreibung der Kalkulation sei bis 2015 erfolgt. Da der Bebauungsplan Nr. 23 der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf bislang nicht wirksam sei, sei das Grundstück auch nur mit der tatsächlichen Bebauung mit drei Vollgeschossen bei der Flächenermittlung berücksichtigt worden.

20

Durch Urteil vom 22. August 2013 – 3 A 291/10 – hat das Verwaltungsgericht Greifswald die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

21

Die zulässige Klage habe keinen Erfolg. Die Beitragsbescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2009 in Gestalt des Änderungs- und Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten.

22

Die Bescheide seien formell rechtmäßig; sie genügten dem Begründungserfordernis. Im Änderungs- und Widerspruchsbescheid werde ausführlich erläutert, wie sich die einzelnen für die Miteigentumsanteile festgesetzten Beiträge errechneten. Der errechnete Betrag sei für jeden Miteigentumsanteil anhand der Bescheidnummern genau bestimmbar.

23

Die Bescheide seien materiell rechtmäßig. Die der Beitragssatzung zugrundeliegenden Normen des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern – KAG M-V –, insbesondere § 9 Abs. 3 KAG M-V, verstießen nicht gegen höherrangiges Recht. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, da die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern in entscheidungserheblichen Punkten nicht mit der des Bayrischen Kommunalabgabengesetzes – BayKAG – vergleichbar sei. Eine „Verflüchtigung“ des Vorteils wie im bayrischen Landesrecht sei im Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern nicht möglich.

24

Die Beitragsbescheide fänden ihre nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung – Insel Usedom – (Abwasserbeitragssatzung – ABS) vom 18. März 2005 in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 20. Mai 2011. Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung beständen nicht.

25

Die dem Beitragssatz für die Einrichtung II zugrundeliegende, in der Verbandssitzung am 16. Mai 2011 beschlossene Globalkalkulation sei nicht zu beanstanden. Der Einwand der Klägerseite, es sei rechtsfehlerhaft, dass der Beklagte die mit dem Bebauungsplan Nr. 23 erfolgten Planungen der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf bei der Flächenermittlung nicht berücksichtigt habe, verfange nicht. Zwar sei es zutreffend, dass bei der Beschlussfassung über die Kalkulation in der Verbandsversammlung am 16. Mai 2011 der Bebauungsplan Nr. 23 bereits beschlossen und bekannt gemacht worden war. Allerdings sei der Beklagte nicht verpflichtet, (zukünftige) Baulandflächen zu berücksichtigen, die auf einem unwirksamen Bebauungsplan beruhten. Dies sei vorliegend der Fall. Das OVG Greifswald habe in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 21. November 2012 - Az. 3 K 22/11 - den Bebauungsplan Nr. 23 für unwirksam erklärt. Der Einwand der Klägerin, die Einstufung der in der Ortschaft Neu-Sallenthin gelegenen Grundstücke als insgesamt eingeschossig bebaut, sei teilweise unrichtig, führe nicht zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulation. Zwar habe der Beklagte eingeräumt, dass die in der Straße „An den K“ Nr. 1, 8, 16 und 42 gelegenen Grundstücke zweigeschossig bebaut seien und auch das Hotel „B“ über zwei Vollgeschosse verfüge. Dieser Fehler wirke sich jedoch wegen seiner Geringfügigkeit bei einer ermittelten Gesamtfläche von 2.290.027 m² weder auf den kalkulatorisch höchstzulässigen ermittelten Beitragssatz für die Einrichtung II von 8,29 Euro noch auf den festgesetzten Beitragssatz von 4,83 Euro wesentlich aus. Die Auswirkungen auf den Deckungsgrad seien gering und der beschlossene Beitrag von 4,83 Euro sei noch weit von dem höchstzulässigen Beitrag entfernt. Die der Verbandsversammlung unterbreitete Kalkulation sei damit nicht in einem für den Abgabensatz wesentlichen Punkt mangelhaft und auch nicht methodisch fehlerhaft, sodass die Verbandsversammlung trotz dieses Fehlers das ihr bei der Festsetzung des Abgabensatzes eingeräumte Ermessen fehlerfrei habe ausüben können. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeführt habe, es könne aus der fehlerhaften Flächenermittlung im Bereich der Ortschaft Neu-Sallenthin geschlossen werden, dass auch für die übrigen Gebiete der Einrichtung II die Flächen fehlerhaft ermittelt worden seien, treffe das nicht zu. Zum einen gebe es einen solchen Erfahrungssatz nicht. Zum anderen habe der Beklagte unwidersprochen ausgeführt, dass die Ortschaft Neu-Sallenthin abwasserseitig noch nicht erschlossen sei. Da insoweit die exakten Daten über das Maß der baulichen Nutzung fehlten, sei eine Schätzung auf repräsentativer Grundlage erfolgt. Demgegenüber seien 80 v. H. der im Einzugsbereich der Einrichtung II gelegenen Grundstücke tatsächlich angeschlossen, sodass insoweit auch die exakten Daten über das Maß der baulichen Nutzung vorlägen und bei der Kalkulation berücksichtigt worden seien. Im Übrigen sei es Sache der Klägerin, etwaige Satzungs- oder Rechtsanwendungsfehler hinreichend bestimmt darzulegen. Das Gericht sei nicht gehalten, von sich aus auf Fehlersuche zu gehen. Denn dies liefe auf eine auch vom verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) nicht mehr gedeckte Fehlersuche „ins Blaue“ hinaus.

26

Nicht zu beanstanden sei die aufwandsmindernde Berücksichtigung der zurückerstatteten Beträge aus der Abwasserabgabe in der Kalkulation (als „Leistungen Dritter“). Dass der Beklagte die Verrechnung der Abwassergabe nicht fortgeschrieben habe, sei rechtsfehlerfrei. Denn eine Verrechnung der Abwasserabgabe sei in der Zukunft nicht zu erwarten, da alle in der Einrichtung II anfallenden Abwässer entweder durch Überleitung in die Kläranlage Swinemünde oder zum Zweckverband Wolgast gereinigt würden. Eine eigene Klärung des Abwassers durch den Zweckverband entfalle damit im Bereich der Einrichtung II. Daher sei auch keine Abwasserabgabe durch den Zweckverband zu entrichten; eine Verrechnungsmöglichkeit entfalle.

27

Rechtmäßig sei auch die Nachberechnung des Beitrags, obwohl bereits mit Bescheiden vom 25. Februar 1999 für dasselbe Grundstück ein Anschlussbeitrag erhoben worden sei. Der dem Bescheid vom 25. Februar 1999 zugrunde gelegte Beitragssatz beruhte auf einer unwirksamen Kalkulation, da die am 4. November 1996 beschlossene Beitragssatzung in § 5 ABS u. a. zwischen erstmalig und bereits an einen Mischkanal angeschlossen gewesene Grundstücke differenziert und dafür unterschiedliche Beitragssätze vorgesehen habe. Die Regelung eines sog. gespaltenen Beitragssatzes sei gleichheitswidrig und habe zur Unwirksamkeit des Beitragssatzes geführt. Der Beklagte sei daher gehalten gewesen, eine dem nunmehr festgesetzten Beitragssatz für die Einrichtung II von 4,83 Euro entsprechende Nachforderung zu erheben. Auf die Frage, wer den Veranlagungsfehler 1999 verschuldet habe, komme es für die Rechtmäßigkeit der Nacherhebung nicht an.

28

Der Nachveranlagung des Beitrages stehe auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen. Dieser sei dann nicht verletzt, wenn der bereits gezahlte Betrag – wie hier – auf die Beitragsschuld angerechnet werde. Gleiches gelte für die Bestandskraft des früheren Beitragsbescheides und die Regelungen der §§ 170 ff. AbgabenordnungAO –.

29

Der Beitragsanspruch sei nicht durch Festsetzungsverjährung erloschen. Gemäß § 12 Abs. 2 KAG M-V betrage die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und Steuern vier Jahre. Nach § 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V beginne die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden sei. Obwohl das Grundstück bereits seit längerem an die Anlage angeschlossen worden sei, sei die sachliche Beitragspflicht erst im Kalenderjahr 2011 entstanden, sodass die vierjährige Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2011 anlaufe und frühestens am 31. Dezember 2015 ablaufe.

30

Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V entstehe die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden könne, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Gemeint gewesen sei auch nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. eine wirksame (gültige) Satzung, denn auf Grundlage einer unwirksamen Satzung könnten Beitragspflichten von vornherein nicht entstehen. Der Einwand der Klägerin, der Gesetzgeber habe erst mit Änderung des KAG M-V im Jahr 2005 entschieden, dass die sachliche Beitragspflicht erst mit der ersten wirksamen Satzung entstehe, verfange damit nicht.

31

Gleiches gilt für ihren Einwand, der Lauf der Festsetzungsfrist sei bereits durch den tatsächlichen Anschluss ausgelöst worden, da § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. im Lichte der eingangs erwähnten Rechtsprechung des BVerfG im strengen Wortsinne auszulegen sei, denn die Erwägungen des BVerfG seien auf die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern nicht übertragbar.

32

In dem Anknüpfen der Verjährungsfrist an den Erlass der ersten wirksamen Beitragssatzung liege schließlich auch keine im Regelfall nach Art. 20 Abs. 3 GG unzulässige (echte) Rückwirkung, sondern lediglich eine sogenannte tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung), die allgemein zulässig sei. Der Gesetzgeber regele keinen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt mit Wirkung für die Vergangenheit neu, sondern nehme einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt zum Anlass, daran Rechtsfolgen für die Zukunft – die Beitragspflicht – zu knüpfen.

33

Das Gericht gehe davon aus, dass die ABS vom 18. März 2005 in Gestalt der 7. Änderungssatzung vom 20. März 2011 die erste wirksame Beitragssatzung des Zweckverbandes sei und die sachliche Beitragspflicht daher frühestens auf Grundlage dieser Satzung habe entstehen können. Frühere Beitragssatzungen des Zweckverbandes aus den Jahren 1996, 2001 und 2004 seien unwirksam gewesen.

34

Die am 4. November 1996 beschlossene erste Beitragssatzung habe unterschiedliche Beitragssätze für sogenannte altangeschlossene und neuangeschlossene Grundstücke aufgewiesen und daher gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Der Beitragssatzung vom 22. November 2001 habe es an einer widerspruchsfreien Abgrenzung zwischen öffentlicher Einrichtung und Grundstücksanschlüssen gefehlt, was auch durch die Abwasseranschluss- und Beseitigungssatzung – AAS – vom 9. Oktober 2002 nicht geändert worden sei. Der ABS vom 16. April 2004 habe es an wirksam beschlossenen Beitragssätzen gefehlt. Die ABS vom 18. März 2005 habe nicht den nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderlichen Mindestinhalt aufgewiesen, da die Maßstabsregel unvollständig gewesen sei.

35

Die Klägerin hat am 11. Oktober 2013 die Zulassung der Berufung beantragt. Durch Beschluss vom 17. September 2015 hat der Senat die Berufung zugelassen.

36

Zur Begründung ihrer Berufung verweist die Klägerin ergänzend auf die Beschlüsse des BVerfG vom 12. November 2015 und auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG – vom 15. April 2015. Danach sei eine Beitragserhebung in Mecklenburg-Vorpommern nur bis zum 31. Dezember 2008 zulässig gewesen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V a. F.). Die Beiträge seien somit verjährt. Zudem sei auch die Beitragskalkulation fehlerhaft.

37

Auch das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016, mit dem die Verjährungsregelung des § 12 Abs. 2 KAG M-V geändert worden sei, habe die Beitragserhebung nicht nachträglich rechtlich zulässig gemacht. Das BVerfG habe im Beschluss vom 5. März 2013 (Orientierungssatz 3 und Rn. 49 ff.) dem Bayerischen Landesgesetzgeber eine Frist bis zum 31. März 2014 eingeräumt, eine gesetzlich zulässige Regelung zur Bestimmung der Verjährungsfrist zu schaffen. Wegen der Bindungswirkung des § 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz – BVerfGG – gelte diese Frist auch für den Landesgesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern, der diese Frist habe verstreichen lassen, sodass die gesetzliche Änderung von 14. Juli 2016 die Beitragserhebung nicht mehr habe heilen können.

38

Die Klägerin beantragt,

39

die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. August 2013 abzuändern und die Kanalbaubeitragsbescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2009 – … - … – in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 aufzuheben und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

40

Der Beklagte beantragt,

41

Die Berufung zurückzuweisen.

42

Er tritt der Berufung entgegen.

43

Am 14. Juli 2016 hat der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes erlassen und dort unter anderem eine neue Verjährungsregelung eingefügt. Das Gesetz ist im GVOBl. M-V 2016 S. 584, Heft Nr. 15 vom 29. Juli 2016, veröffentlicht und nach Art. 2 des Gesetzes am Tag nach seiner Verkündung in Kraft getreten.

44

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

45

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die angefochtenen Beitragsbescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2009 in der Fassung des Änderungs- und Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

46

Die Beitragsbescheide finden ihre nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung – Insel Usedom – (Abwasserbeitragssatzung – ABS) vom 18. März 2005 in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 16. Mai 2011, ausgefertigt am 20. März 2011. Dies ist die erste rechtswirksame Abwasserbeseitigungssatzung des Beklagten (zu 1). Erst das Inkrafttreten dieser Satzung hat die sachliche Beitragspflicht ausgelöst; einer Rückwirkung dieser Satzung hat es nicht bedurft (zu 2). Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung hat der Senat – in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts – VG – nicht (zu 3). Die Heranziehung der Klägerin im vorliegenden Einzelfall ist rechtmäßig (zu 4).

47

1. Die früheren Satzungen des Beklagten aus den Jahren 1996, 2001 und 2004 waren unwirksam; so zutreffend das VG im angefochtenen Urteil. Dem ist die Klägerseite zum einen nicht substantiiert entgegengetreten. Zum anderen hat die Prüfung des Senats von Amts wegen nichts Abweichendes ergeben.

48

Die ABS vom 4. November 1996 hat in § 5 für jede der drei Einrichtungen (I bis III) drei Beitragstatbestände enthalten, nämlich einen Beitragssatz für den „erstmaligen Anschluss eines Grundstücks an die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung“, einen geminderten Beitragssatz für Grundstücke, die bereits den Überlauf der Grundstücksentwässerungsanlage an einen Mischkanal besaßen, und – zum Dritten – für Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des KAG M-V voll an die gemeindliche Kläranlage angeschlossen gewesen waren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates, an der festgehalten wird, lag in dem dritten Beitragstatbestand eine unwirksame, weil gegen Art. 3 Grundgesetz – GG – verstoßende Altanschließerregelung. Den Altanschließern wird durch die nach der Wende geschaffene öffentliche Einrichtung des Aufgabenträgers derselbe Vorteil geboten wie denjenigen Anschlussnehmern, deren Grundstück erstmalig nach der Wende an eine öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossen worden ist (vgl. OVG Greifswald in ständiger Rechtsprechung seit Beschl. vom 21. April 1999 – 1 M 12/99 –, LKV 2000 S. 161).

49

Die Beitragssatzung vom 21. November 2001 hat diese fehlerhafte Ungleichbehandlung der Altanschließer in ihrem § 5 noch weiter vertieft, indem sie nicht nur einen reduzierten Beitragssatz für die Altanschließer vorgesehen hat, sondern diese vollständig von der Beitragspflicht hat freistellen wollen. Es gibt in der ABS 2001 nur noch den Beitragstatbestand für den „erstmaligen Anschluss“ eines Grundstücks an die öffentliche Entwässerungsbeseitigung.

50

Der Satzung vom 31. März 2004 fehlte es an wirksam beschlossenen Beitragssätzen. Denn dieser Satzung hat keine wirksame Kalkulation des Beitragssatzes zugrunde gelegen. Die Beitragskalkulation vom November 2001 (vgl. VG Greifswald, Beschl. vom 24. August 2004 – 3 B 1625/04 –) hat ihre Gültigkeit verloren, weil sie auf einer anderen Organisationsentscheidung des Beklagten beruht. Ausweislich § 1 Abs. 4 der Abwasseranschluss- und -beseitigungssatzung des Zweckverbandes Wasserversorgung vom 9. Oktober 2002 – AAS 2002 – waren seinerzeit die Grundstücksanschlüsse noch Bestandteil der öffentlichen Einrichtung. Nach § 1 Abs. 2c ABS 2004 gehörten diese nicht mehr zur öffentlichen Einrichtung, sodass eine diese Organisationsentscheidung berücksichtigende Fortschreibung der Kalkulation im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die ABS 2004 der Zweckverbandsversammlung hätte vorliegen müssen. Zum einen stellt sich somit der Umfang der öffentlichen Einrichtung als widersprüchlich definiert dar. Zum anderen hätte auf der Kostenseite der Kalkulation berücksichtigt werden müssen, dass nach der ABS 2004 die Kosten für die Erstellung der Grundstücksanschlüsse keine Kosten der öffentlichen Einrichtung mehr sind (methodischer Fehler).

51

Die Beitragssatzung vom 31. März 2005 wies (ebenfalls) nicht den nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderlichen Mindestinhalt auf, da die Maßstabsregeln unvollständig waren. In der Satzung 2005 fehlte eine Maßstabsregelung für Grundstücke, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen, der keine Regelung über die Anzahl der zulässigen Vollgeschosse trifft, aber eine maximale Höhe und eine Baumassenzahl festsetzt. Dies hat bereits das VG zutreffend herausgearbeitet.

52

2. Damit hat die sachliche Beitragspflicht erst im Jahre 2011 unter Geltung der 7. Änderungssatzung entstehen können. Denn seit Inkrafttreten des KAG vom 11. April 1991 hat das OVG Greifswald stets die Rechtsauffassung vertreten, dass (nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1991, heute § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) ohne einewirksame Satzung keine sachliche Beitragspflicht entstehen kann und mithin auch der Lauf der regelmäßigen Verjährung nicht in Gang gesetzt wird (vgl. insoweit die Rechtsprechungsnachweise bei Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Anm. 7.2 mit weiteren Nachweisen). Insbesondere wird auf die älteste dort zitierte Entscheidung, nämlich den Beschl. des OVG Greifswald vom 8. April 1999 – 1 M 41/99 –, verwiesen. Seit diesem Zeitpunkt ist das KAG (M-V) stets in dieser Weise durch das OVG Greifswald ausgelegt worden. Daran wird auch in dem vorliegenden Urteil festgehalten.

53

Weil nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Greifswald eine wirksame Satzung der Anschlussmöglichkeit auch nachfolgen kann, hat es einer Rückwirkung der ABS nicht bedurft. Eine nachträglich erlassene wirksame Abgabensatzung heilt dann einen eventuell zuvor bei Erlass der Bescheide bestehenden rechtlichen Mangel. Erst mit Inkrafttreten der wirksamen ABS im Jahre 2011 ist die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist (§ 12 KAG M-V i. V. m. § 169 Abs. 2 AO) angelaufen; denknotwendigerweise ist sie im Jahre 2009 – bei Erlass der hier streitigen Abgabenbescheide – auch nicht abgelaufen gewesen. Auch wenn die Heranziehungsbescheide im Jahre 2009 – wegen des vorgenannten Satzungsmangels – noch rechtswidrig gewesen sind, sind sie im Jahre 2011 geheilt worden und unterliegen daher nicht mehr der verwaltungsgerichtlichen Aufhebung (Grundsatz der Aufrechterhaltung). Hierdurch werden Abgabepflichtige nicht in rechtswidriger Weise benachteiligt. Die Klägerseite hätte das Inkrafttreten der wirksamen Satzung zum Anlass nehmen können, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, um nicht die Kosten für einen zunächst aussichtsreichen, dann aber – wegen des Inkrafttretens einer wirksamen Satzung – erfolglos gewordenen Verwaltungsprozesses tragen zu müssen.

54

Die Klägerseite kann sich – im Hinblick auf das Erfordernis einer wirksamen Satzung – nicht mit Erfolg auf die abweichende Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg berufen. Nicht nur nach Auffassung des OVG Greifswald, sondern nach ganz herrschender, seit Jahrzehnten gefestigter Rechtsprechung fast aller Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe setzt das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht voraus, dass eine wirksame Abgabensatzung vorhanden ist. Denn eine unwirksame Abgabensatzung ist nichtig und daher im Ergebnis nicht existent. Eine gesetzliche Formulierung, das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht setze eine „wirksame Satzung“ voraus, ist im Ergebnis ein „weißer Schimmel“. Der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern hat durch die KAG-Änderung 2005 lediglich das klargestellt, was nach der Rechtsprechung des OVG Greifswald seit Gründung dieses Gerichtes gegolten hatte.

55

Dass es auf die Auslegung des Landesrechtes durch das oberste Landesgericht ankommt, wird auch aus dem Beschluss des BVerfG, 2. Kammer, vom 12. November 2015 – 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 –, LKV 2016 S. 25 ff., deutlich (siehe unter 4c), wo an mehreren Stellen darauf abgestellt wird, wie das in dem dortigen Fall vorgehende OVG Berlin-Brandenburg seit dem Jahre 2000 das KAG BB ausgelegt hat. Erst durch den Wechsel der Auslegung des Landesrechts von Brandenburg sei, so das BVerfG, die Sach- und Rechtslage in Brandenburg dergestalt „umgestaltet“ worden, dass es auf die erste Satzung ankomme, auch wenn sie nicht wirksam gewesen sein sollte.

56

3. Zweifel an der Gültigkeit der ABS (Fassung 2011) sind – abgesehen von der Beitragskalkulation – nicht vorgetragen worden. Solche Zweifel sind auch sonst für den Senat nicht ersichtlich.

57

Die der ABS 2005 in der Fassung 2011 zugrunde liegende Beitragskalkulation ist nach Auffassung des Senates ausreichend, eine ordnungsgemäße ortsgesetzgeberische Ermessensentscheidung zu tragen.

58

Insbesondere hat der Verbandsversammlung am 16. Mai 2011 eine aktuelle Kalkulation vorgelegen, die beschlossen worden ist (Fortschreibung der Beitragskalkulation von März 2011). Für die hier in Rede stehende Einrichtung II ist ein Beitragssatz von 8,29 Euro/m² kalkuliert worden; festgesetzt worden ist durch die Verbandsversammlung ein Beitragssatz von 4,83 Euro/m². Als umlagefähig sind angesehen worden Kosten in Höhe von 18.975.383 Euro. Die beitragspflichtige Fläche ist mit 2.290.027 m² ermittelt worden.

59

Die Beitragskalkulation ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das VG ausgeführt, dass zwar „kleine Ungenauigkeiten“ vorgelegen haben mögen. Es sind aber insgesamt insbesondere keine schweren methodischen Fehler erkennbar geworden. Insbesondere ist kein methodischer Fehler unter dem Gesichtspunkt festzustellen, dass in erheblichem Umfang nicht beitragsfähiger Aufwand in die Ermittlung des Beitragssatzes eingestellt worden wäre. Insoweit kann auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden.

60

Vor dem Hintergrund, dass die ermittelte beitragspflichtige Fläche 2.290.027 m² beträgt, steht für den Senat fest, dass eine eventuell fehlerhafte Bewertung einzelner Grundstücke im Verbandsgebiet nur zu kleinen Ungenauigkeiten führen kann.

61

Im Hinblick auf den Bebauungsplan Nr. 23 ist der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu folgen. Ein Bebauungsplan eröffnet Planungsrecht. Es liegt nach Erlass eines Bebauungsplanes nicht mehr in der Hand der Gemeinde, ob die Planung auch umgesetzt wird. Etwas anderes mag nur dann gelten, wenn ein Baugebot festgesetzt worden ist. Daher liegt es im ortsgesetzgeberischen Ermessen, ob der räumliche Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, der gerade erst in Kraft getreten ist, einbezogen wird oder nicht. Die Nichteinstellung des räumlichen Geltungsbereichs dieses Bebauungsplanes Nr. 23 kann auch auf der Einschätzung beruhen, dass sich der Bebauungsplan als von Anfang an unwirksam erwiesen hat.

62

Im Hinblick auf die Ortschaft Neu-Sallenthin, die im Zeitpunkt der Kalkulation noch nicht abwasserseitig angeschlossen gewesen ist, kommt bei der Erstellung einer Globalkalkulation nur eine überschlägige Schätzung der beitragspflichtigen Flächen in Betracht. Sinn einer Globalkalkulation ist es nicht, das gesamte Verbandsgebiet Quadratmeter genau zu ermitteln. Erst im Rahmen der Beitragsfestsetzung für einzelne Grundstücke wird es dann Aufgabe des Beklagten sein, das jeweilige Grundstück genau zu betrachten. Daher ist es für die Rechtmäßigkeit der Kalkulation bedeutungslos, ob das eine oder andere Grundstück in Neu-Sallenthin und auch zum Beispiel das Hotel Bergmühle mit einem, zwei oder drei Vollgeschossen bebaut ist. Insoweit liegt nicht einmal ein Fehler der Kalkulation vor.

63

Aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen hat die Frage der Abwasserabgabe im Hinblick auf die Beitragskalkulation auch für den Senat keine Relevanz.

64

Zudem ist festzustellen, dass der Beklagte nur eine teilweise Deckung seiner Aufwendungen durch Beiträge angestrebt hat, da er einen „politischen Beitrag“ erhebt, der nur etwas mehr als die Hälfte des kalkulierten Beitragssatzes ausmacht. Eine Kostenüberdeckung durch Beiträge ist damit definitiv ausgeschlossen (Beitragssatz von 8,29 Euro/m² wurde als höchstzulässiger Beitragssatz kalkuliert; festgesetzt worden ist durch die Verbandsversammlung „nur“ ein Beitragssatz von 4,83 Euro/m²). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates ist es rechtlich zulässig, im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen eine sich aus Beiträgen und Gebühren zusammensetzende Finanzierung vorzunehmen, wie der Beklagte das im vorliegenden Fall tut.

65

4. Die Heranziehung der Klägerin im vorliegenden Einzelfall ist rechtmäßig.

66

Die Anwendung der ABS (Fassung 2011) auf den vorliegenden Einzelfall ist in rechtmäßiger Weise erfolgt; sowohl die Beitragsfestsetzungen als auch das Zahlungsgebot erweisen sich als rechtmäßig (zu a). Die Beitragserhebungsmöglichkeit hat sich weder „verflüchtigt“ (b) noch verstößt sie gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (c) oder liegt eine unzulässige Doppelveranlagung vor (d).

67

a) Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bestimmtheit ist nicht gegeben. Die komplizierte Materie einer Wohnungseigentümergemeinschaft erfordert auch komplizierte Bescheide. Daher ist es ein adäquates Vorgehen des Beklagten, 135 Bescheide zu erlassen, diese aber dann letztlich objektbezogen in einem Widerspruchsbescheid zu bündeln. Im Widerspruchsbescheid ist hinreichend klargestellt, auf welchen Betrag sich das Leistungsgebot der Veranlagung bezieht und dass die zuvor bezahlten Beiträge angerechnet werden. Zutreffend hat der Beklagte berücksichtigt, dass die im Jahre 2011 entstandenen Beiträge durch die auf die Bescheide von 1999 geleisteten Zahlungen teilweise durch Erfüllung erloschen sind. Daher hat das Leistungsgebot diese Zahlungen zutreffend berücksichtigt.

68

b) Das vom BVerfG im Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143 = NVwZ 2013 S. 1004, entwickelte Rechtsinstitut der „Verflüchtigung“ greift im Ergebnis nicht durch. Danach kann ein zwar nicht verjährter Beitrag aus rechtsstaatlichen Gründen eventuell nicht mehr erhoben werden (vgl. hierzu im Einzelnen Aussprung in Aussprung/Siemens/Holz, § 7 Erläuterung 8.1.4.2, Seite 60 ff.).

69

Der Leitsatz des Beschlusses des BVerfG vom 5. März 2013 lautet im Wesentlichen, das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verlange Regelungen, die sicherstellten, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden könne.

70

In dem genannten Beschluss hat das BVerfG – ausweislich der Nr. 1 des Tenors – den anzuwendenden Art. 13 des BayKAG für mit dem Grundgesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) „unvereinbar“ erklärt, nicht aber für nichtig. Dies hat entscheidende Bedeutung für die weitere Möglichkeit des bayerischen Landesgesetzgebers, diesen Mangel zu beseitigen. So führt das BVerfG dann auch aus (Orientierungssatz 3 und Rn. 49 ff.), dem Gesetzgeber ständen mehrere Möglichkeiten zur Beseitigung des verfassungswidrigen Zustandes zur Verfügung, und zunächst komme nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht. „Nichtigkeit“ trete jedoch zum 1. April 2014 ein, wenn der Gesetzgeber auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist verzichte.

71

Das BVerwG (Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 15.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 139/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 16.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 140/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 17.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 142/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 18.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 143/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 19.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 207/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 20.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 208/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 21.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 210/13 –; vgl. hierzu Aussprung in Aussprung/Siemens/Holz, KAG M-V, § 7 Erläuterung 8.1.4.6 Seite 86) hat für die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern durch Urteile vom 15. April 2015 die Revisionen der dortigen Kläger gegen die Urteile des OVG Greifswald vom 1. April 2014 zurückgewiesen, weil die Beitragserhebung noch innerhalb der Übergangsfrist des § 12 Abs. 2 KAG M-V in der bis zum 29. Juli 2016 geltenden Fassung erfolgt sind, d. h. bis zum 31. Dezember 2008. Ferner hat das BVerwG in einem umfassenden obiter dictum weitere „Segelanweisungen“ gegeben.

72

Ausdrücklich hat das BVerwG, a. a. O., dem Landesgesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern die Möglichkeit offen gelassen, eine weitergehende und längere Festsetzungsverjährungsfrist als den 31. Dezember 2008 zu bestimmen und im Einzelnen ausgeführt:

73

„Denn es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen einerseits der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und andererseits der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen (BVerfG, Beschl. vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143 Rn. 42). Mit diesem Gestaltungsauftrag ist – nicht zuletzt angesichts der Vielzahl der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten, jedoch gerade nicht den Verweis auf die Höchstverjährungsfrist einschließenden Lösungsmöglichkeiten wie auch der Unterschiedlichkeit der in einzelnen Ländern erlassenen und zudem deutlich kürzeren Ausschlussfristen – der schematische Rückgriff auf § 53 Abs. 2 VwVfG M-V wohl unvereinbar, zumal die Vorschrift gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG M-V nicht für Verfahren gilt, die – wie vorliegend – nach den Vorschriften der Abgabenordnung durchzuführen sind.“

74

Eine solche Fristbestimmung hat der Landesgesetzgeber jetzt durch Gesetz vom 14. Juli 2016 getroffen; ebenso wie zahlreiche andere Bundesländer bereits ihre Verjährungsregelungen nachgebessert haben.

75

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass diese gesetzliche Neuregelung den von Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht gemachten Vorgaben entspricht, sodass der Senat die geänderte Fassung des § 12 Abs. 2 KAG MV seiner Entscheidung zugrunde legen kann. Der Gesetzgeber hat jetzt eine Regelung geschaffen, nach der eine zeitlich unbefristete Heranziehung zu (Anschluss-) Beiträgen nicht mehr möglich ist.

76

§ 12 Abs. 2 in der jetzt geltenden Fassung lautet u. a.:

77

§ 169 der Abgabenordnung gilt mit der Maßgabe, dass

78

1. über § 169 Absatz 1 Satz 1 der Abgabenordnung hinaus die Festsetzung eines Beitrages unabhängig von dem Entstehen der Beitragspflicht spätestens 20 Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist, wobei der Lauf der Frist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2000 beginnt, …"

79

Diese Frist ist ersichtlich im Jahre 2009 noch nicht abgelaufen gewesen, weil im vorliegenden Fall – wie oben ausgeführt – noch nicht einmal die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist nach § 169 Abs. 2 AO an- und erst Recht nicht abgelaufen ist.

80

Zur weiteren Klarstellung hat der Landesgesetzgeber noch in § 22 KAG M-V folgenden Abs. 3 angefügt:

81

„Soweit sich für bestehende Abgabensatzung ein Rechtsmangel daraus ergibt, dass das Kommunalabgabengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. April 2005 (GVOBl. M-V S. 146), das zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes vom 13. Juli 2011 (GVOBl. M-V S. 777, 833) geändert worden ist, die Heranziehung zu Beiträgen keiner zeitlichen Obergrenze unterwirft, ist dieser Rechtsmangel mit Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016 (GVOBl. M-V S. 584) unbeachtlich.“

82

Nach Auffassung des Senates hätte es dieser salvatorischen Klausel nicht bedurft, da jedes Gesetz, soweit nichts anderes geregelt ist, mit Inkrafttreten seine Gültigkeit beansprucht. Nach den bisherigen Regelungen war lediglich keine zeitliche Obergrenze für eine Verjährung eines Anschlussbeitrages geregelt. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der Anschlussbeitrag verjährt wäre.

83

Da das BVerwG in seinen Urteilen vom 15. April 2015 dem Gesetzgeber gerade die Möglichkeit eröffnet, entsprechend seiner Gesetzgebungskompetenz eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen und die Länge der Verjährungsfrist zu bestimmen, hätte eine diesbezügliche Neuregelung ausgereicht. Gegenstand des Rechtsstreits um das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit („Verflüchtigungsrechtsstreit“) war nicht etwa eine gesetzliche Regelung, die verfassungswidrig sei, sondern die Tatsache, dass eine Gesetzeslücke gesehen wurde, die die Anwendung des im Übrigen verfassungsgemäßen KAG M-V ab einem gewissen vom Gesetzgeber festzulegenden Stichtag verfassungswidrig machen würde. Einer weitergehenden deklaratorischen Klausel hätte es nicht bedurft; als deklaratorische Klausel ist die Regelung des § 22 Abs. 3 KAG M-V (Fassung 16. Juli 2016) aber „unschädlich“.

84

Der Senat hat keine Bedenken, dass die nunmehr bestimmte Festsetzungsfrist die Interessen der Abgabepflichtigen in Mecklenburg-Vorpommern in adäquater Weise behandelt. Die Festsetzungsfrist betrifft ein neues Bundesland, in dem die landesrechtlichen Grundlagen für einen Anschlussbeitrag erst geschaffen werden mussten, und bleibt unterhalb der in der Rechtsordnung bekannten längsten Verjährungsfrist von 30 Jahren. Der Landesgesetzgesetzgeber hat sich innerhalb des gesetzgeberischen Spielraumes bewegt und sich von folgenden Erwägungen leiten lassen (Gesetzentwurf der Landesregierung vom 11. März 2016, LT-Dr. 6/5257 S. 2 f.):

85

„Bei der konkreten Ausgestaltung einer landesgesetzlichen Festlegung einer zeitlichen Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum hinsichtlich des gesetzlich zu schaffenden Ausgleichs zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für Vorteile (hier: durch Anschluss an eine gemeindliche Einrichtung) einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann, zu (BVerwG, Urteil vom 15.04.2015 – 9 C 15/14 – u. a.; vergleiche BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, a. a. O.).

86

Nach Auffassung des BVerfG bleibt es dem Landesgesetzgeber überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die der Rechtssicherheit genügt. So könnte der Landesgesetzgeber etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt.

87

Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt. Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143-163, Rn. 50).

88

Die Bundesländer Sachsen, Brandenburg, Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt haben bei einer mit Mecklenburg-Vorpommern vergleichbaren Rechtslage ihre Kommunalabgabengesetze bereits an die Forderungen des BVerfG (Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –) angepasst. Insofern wird die Änderung des KAG M-V auch in Kenntnis der in diesen Bundesländern erfolgten landesgesetzlichen Regelungen vorgenommen. Maßgebliches Ziel des Landesgesetzgebers ist es, die kommunalen Aufgabenträger im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren, ohne dabei gegen das Verbot zu verstoßen, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festzusetzen.

89

In Abwägung der Interessen der kommunalen Aufgabenträger und der Abgabenpflichtigen wird deshalb eine 20-jährige Verjährungsfrist geregelt, wobei aufgrund der Sondersituation nach der Deutschen Einheit der Lauf der Frist bis zum Ablauf des Jahres 2000 gehemmt ist („…wobei der Lauf der Frist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2000 beginnt.“). Damit ist die maximal mögliche Verjährungsfrist von 30 Jahren deutlich unterschritten und in Kombination mit einer Regelung zur Verjährungshemmung gleichwohl eine Beitragserhebung bis 2020 ermöglicht. Mit der Regelung zur Verjährungshemmung hatte auch der Landesgesetzgeber Brandenburg auf die Forderungen des BVerfG reagiert.“

90

Da der Senat die neue Festsetzungsfrist als verfassungsgemäß ansieht, hat er keine Veranlassung, den Rechtsstreit dem BVerfG vorzulegen (Art. 100 Abs. 1 GG).

91

c) Der Grundsatz des Vertrauensschutzes, wie er in dem stattgebenden Kammerbeschluss des BVerfG, 2. Kammer, Beschl. vom 12. November 2015 – 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 –, LKV 2016 S. 25 ff., vorgehend OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 29. September 2014 – OVG 9 N 40.14 –, vorgehend BVerwG, Beschl. vom 11. September 2014 – 9 B 21.14 –, vorgehend OVG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 13. November 2013 – OVG 9 B 35.12 – konkretisiert worden ist, führt gleichfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der hier streitigen Abgabenerhebung

92

In dem dortigen Kammerbeschluss nimmt das BVerfG im Kern eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG an durch rückwirkende Erhebung kommunaler Abwasseranschlussbeiträge – hier: Abgabenerhebung gem. § 8 Abs. 7 S. 2 KAG BB i. d. F. vom 17. 12. 2003 – in Fällen, in denen die Beiträge nicht mehr nach § 8 Abs. 7 S. 2 KAG BB i. d. F vom 27.06.1991 hätten erhoben werden können, da mit Entstehen der Beitragspflicht durch rückwirkendes Inkrafttreten einer wirksamen Beitragssatzung zugleich Festsetzungsverjährung eingetreten wäre.

93

Nach Auffassung des Senates ist der Beschluss des BVerfG, der grundsätzlich nach § 31 BVerfGG in seinem Tenor und seinen tragenden Gründen auch für das OVG Greifswald Bindungswirkung entfaltet (vgl. Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 7 Anm. 8.1.4.6.), nicht einschlägig, sodass gerade keine Bindungswirkung eintritt. Denn der vom Senat zu entscheidende Sachverhalt unterscheidet sich von dem Sachverhalt, der den Verfahren aus Berlin-Brandenburg zugrunde gelegen hat, sodass eine Bindung des OVG Greifswald an die tragenden Gründe des Kammerbeschlusses vom 12. November 2015 ausscheidet.

94

Die Kernaussage des BVerfG in seinem Beschluss vom 12. November 2015 ist, dass es gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot verstößt, wenn eine gesetzliche Vorschrift dergestalt geändert wird, dass nunmehr Beiträge erhoben werden sollen, die nach der Vorgängervorschrift nicht mehr hätten erhoben werden dürfen (vgl. z. B. Rn. 39, a. a. O.). In den Fällen aus Brandenburg wären nach alter Rechtslage die Beitragsschulden wegen Festsetzungsverjährung erloschen (Rn. 64, a. a. O.). Dass in einem solchen Fall eine gesetzliche Vorschrift, die rückwirkend die angelaufene und eine logische Sekunde später auch abgelaufene Festsetzungsverjährung „aus den Angeln hebt“, sich als echte Rückwirkung darstellt und den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nicht genügt, wird auch vom Senat in gleicher Weise gesehen.

95

Wie bereits oben ausgeführt, unterscheidet sich die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern elementar von der in Brandenburg. Seit Inkrafttreten des KAG vom 11. April 1991 hat das OVG Greifswald stets die Rechtsauffassung vertreten, dass (nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1991, heute § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) ohne eine wirksame Satzung keine sachliche Beitragspflicht entstehen kann und mithin auch der Lauf der regelmäßigen Verjährung nicht in Gang gesetzt wird (vgl. zur ähnlichen Rechtslage in Sachsen-Anhalt, OVG Magdeburg, Beschl. vom 17. Februar 2016 – 4 L 119/15 –, Rn. 58 und 59 und OVG Weimar, Urt. vom 12. Januar 2016 – 4 KO 850/09 –, juris Rn. 48, zur Rechtslage in Thüringen).

96

Dass es auf die Auslegung des Landesrechtes durch das oberste Landesgericht ankommt, wird auch aus dem Beschluss des BVerfG vom 12. November 2015 deutlich, wo an mehreren Stellen darauf abgestellt wird, wie das OVG Berlin-Brandenburg seit dem Jahre 2000 das dortige Landesrecht ausgelegt hat. Erst durch den Wechsel der Auslegung des Landesrechts von Brandenburg ist die „Sach- und Rechtslage“ in Brandenburg dergestalt „umgestaltet“ worden, dass es auf die erste Satzung ankomme, auch wenn sie nicht wirksam gewesen sein sollte. In Rn. 52 spricht das BVerfG sogar von „Gesetzeslage“, und versteht darunter nicht nur § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG BB a. F., sondern auch und gerade, wie das OVG Berlin-Brandenburg diese Bestimmung ausgelegt hat.

97

Anzumerken ist schließlich noch, dass seit Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes, jetzt BauGB, im Jahr 1960 das BVerwG im Erschließungsbeitragsrecht stets auf die Wirksamkeit der Satzung abgestellt hat. Diese gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung hat das OVG Greifswald auf das Anschlussbeitragsrecht übertragen. Diese Rechtsprechung, die ca. 50 Jahre alt ist, ist für das Erschließungsbeitragsrecht höchstrichterlich noch nie infrage gestellt worden.

98

Der Senat schließt sich der Auffassung des OVG Magdeburg, a. a. O. (Rn. 62), insoweit an, dass die Abgabenpflichtigen vor der Entscheidung des BVerfG vom 5. März 2013 nicht haben darauf vertrauen können, dass ihnen gegenüber aufgrund eines langen Zeitraumes seit Entstehen einer Vorteilslage keine Abgabe mehr festgesetzt werden könnte. Insoweit kam es allein darauf an, ob und in welcher Weise der Landesgesetzgeber auf die Entscheidung des BVerfG reagieren würde.

99

Schließlich kann die Klägerin mit ihrer Auffassung nicht durchdringen, der Landesgesetzgeber M-V sei wegen der Bindungswirkung des § 31 BVerfGG auch an die dem bayerischen Landesgesetzgeber im Beschluss des BVerfG vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – gesetzte Frist gebunden, bis zum 31. März 2014 (Ziffer 1 des Tenors) eine gesetzliche Neuregelung vorzunehmen. Diese Frist ist ausschließlich für den bayerischen Landesgesetzgeber maßgeblich gewesen. Nur er ist von dem Beschlusstenor gebunden, wonach die bayerische Regelung des Art. 13 BayKAG mit dem Grundgesetz unvereinbar sei. Nur er hat die Gesetzgebungskompetenz, diesen Art. 13 BayKAG zu ändern. In der Sache hat das BVerfG somit das Abgabenerhebungsverfahren ausgesetzt (siehe Rn. 52), um dem bayerischen Gesetzgeber die Gelegenheit zur verfassungsgemäßen Neuregelung zu geben. Zudem hat das BVerfG den Verwaltungsgerichten die Kompetenz eröffnet, das Landesrecht verfassungskonform auszulegen (Rn. 52).

100

Zutreffend ist zwar, dass nicht nur der Tenor einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung Bindungswirkung entfaltet, sondern auch die tragenden Gründe. Die gegenüber dem bayerischen Landesgesetzgeber ausgesprochene zeitliche Höchstgrenze für eine gesetzliche Neuregelung in Bayern ist aber kein tragender Entscheidungsgrund, der sich über das bayerische Landesrecht hinausgehende Bedeutung beimisst.

101

d) Die Abgabenerhebung aus dem Jahre 1999 steht nicht unter dem Blickwinkel einer „unzulässigen Doppelveranlagung“ oder „unzulässigen Nacherhebung“ der Rechtmäßigkeit der hier angefochtenen Abgabenbescheide aus dem Jahre 2009 entgegen. Das Problem der Nachveranlagung oder auch Doppelveranlagung ist (vgl. Aussprung in Aussprung/Siemens/Holz, KAG M-V, § 12 Erläuterungen 50 ff., Seite 71 ff.) in der Rechtsprechung des OVG Greifswald geklärt (vgl. OVG Greifswald, Urt. vom 15. Dezember 2009 – 1 L 323/06 –, OVG Greifswald Urt. vom 15. Dezember 2010 – 1 L 1/09 –, ferner Beschl. vom 28. Januar 2010 – 1 L 217/09 – und Beschl. vom 28. Januar 2010 – 1 M 181/09 –). Dort hat das OVG Greifswald den Grundsatz aufgestellt, dass bei leitungsgebundenen Einrichtungen die Aufgabenträger grundsätzlich berechtigt und verpflichtet sind, eine Nacherhebung in dem Sinne vorzunehmen, dass sie einen wirksam entstandenen Anschlussbeitragsanspruch voll ausschöpfen. Einer solchen Nacherhebung stehen der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung, die Rechtsfolgen der Bestandskraft des erster Heranziehungsbescheides und der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ebenso wenig entgegen wie die Bestimmung des § 12 Abs. 1 KAG M-V und die darin enthaltene Verweisung auf die Bestimmungen der Abgabenordnung (Aussprung, a. a. O., Erläuterung 50.2.3, Seite 76 f.). An dieser Auffassung hält der Senat fest.

102

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; insoweit kommt auch eine Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht in Betracht.

103

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist der Vorteilsbegriff landesrechtlich determiniert. Auch der Fragenkomplex, ob eine Abgabenerhebung in Mecklenburg-Vorpommern in der vorliegenden Fallkonstellation rechtlich noch zulässig ist, beruht auf der Auslegung des Landesrechts. Dies gilt insbesondere auch für die Frage der Nacherhebung eines noch nicht ausgeschöpften Beitragsanspruches, weil auch die anzuwendende Abgabenordnung im Bereich des Kommunalabgabenrechts Landesrecht ist. Zudem sind die grundsätzlichen Rechtsfragen der „Verflüchtigung“ eines beitragsrechtlichen Vorteils und des Vertrauensschutzes durch die im Urteil zitierte Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG geklärt.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn der Antragsgegner nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in A-Stadt. Der Antragsgegner betreibt in seinem Verbandsgebiet eine öffentliche Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung. Das Grundstück der Antragstellerin ist an diese Anlage angeschlossen. Mit Bescheid vom 15. Februar 2013 setzte der Antragsgegner gegen die Antragstellerin einen Anschlussbeitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung in Höhe von 1.863,92 Euro fest. Über den Widerspruch der Antragstellerin gegen diesen Bescheid ist noch nicht entschieden.

2

Nachdem das erkennende Gericht mit Urteil vom 14. September 2010 (– 4 K 12/07 –, juris) die Trinkwasserbeitragssatzung des Antragsgegners vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 23. Dezember 2009 für unwirksam erklärt hatte, beschloss die Verbandsversammlung des Antragsgegners am 9. Dezember 2010 die hier streitgegenständliche Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt/ (nachfolgend: Trinkwasserbeitragssatzung). Gegenstand der Beschlussvorlage war neben dem Satzungstext auch eine Begründung zur Festsetzung einer Tiefenbegrenzung und zur Kalkulation des Beitragssatzes. Die Satzung wurde am 10. Dezember 2010 ausgefertigt und am 11. Dezember 2010 in der „Schweriner Volkszeitung“ öffentlich bekanntgemacht.

3

Am 7. November 2011 hat die Antragstellerin Normenkontrollantrag gegen die Trinkwasserbeitragssatzung gestellt.

4

Zur Begründung trägt die Antragstellerin im Wesentlichen vor:

5

Die Satzungsregelung zum Beginn der Verjährung in § 3 Trinkwasserbeitragssatzung sei wie auch § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –) verfassungswidrig. Die Vorschriften seien nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendem Gebot der Belastungsklarheit und Belastungsvorhersehbarkeit vereinbar. Die Bestimmung, wonach die Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung entstehe, ermögliche auf eine unbegrenzte Zeit die Festsetzung von Beiträgen. In bestimmten Fällen lasse die Trinkwasserbeitragssatzung sogar einen späteren Zeitpunkt als das Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung für das Entstehen der Beitragspflicht maßgeblich werden.

6

Soweit § 4 Abs. 2 Buchst. d Trinkwasserbeitragssatzung eine qualifizierte Tiefenbegrenzung normiere, sei die Maßstabsregel unwirksam. Die Tiefenbegrenzungslinie sei methodisch fehlerhaft ermittelt worden, nicht vorteilsgerecht und entspreche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Zwar sei es möglich, die örtlichen Verhältnisse auf der Grundlage repräsentativer Grundstücke und Ortslagen zu ermitteln, dies setze jedoch voraus, dass die ausgewählten Grundstücke und Ortslagen tatsächlich repräsentativ seien. Daran fehle es. Der Antragsgegner habe die Anzahl der Ortslagen, die von der Tiefenbegrenzungsregelung betroffen seien, unzutreffend ermittelt. Dies zeige sich schon daran, dass die Ermittlung nicht zwischen den öffentlichen Einrichtungen zur zentralen Trinkwasserversorgung und denen zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung unterscheide, obwohl der Anschlussgrad im Schmutzwasserbereich deutlich niedriger liege. Der Antragsgegner habe es versäumt, die ortsübliche Bebauungstiefe anlagenbezogen festzustellen. Für eine vorteilsgerechte Regelung wäre er sogar verpflichtet gewesen, innerhalb derselben Einrichtung unterschiedliche Tiefenbegrenzungslinien zu bestimmen.

7

Doch selbst wenn man dazu kommen wollte, dass die ausgewählten Grundstücke die tatsächlichen Verhältnisse im Verbandsgebiet repräsentieren würden, sei die Schlussfolgerung einer ortsüblichen Bebauungstiefe von 40 Metern fehlerhaft. Im Verbandsgebiet existierten nicht nur eine Vielzahl von Ortslagen, diese differierten auch hinsichtlich der durchschnittlichen Bebauungstiefe beim Übergangsbereich zwischen Innen- und Außenbereich. Eine homogene und typische Bebauung existiere im Verbandsgebiet nicht. Die Gemeinden unterschieden sich hinsichtlich Größe und Bebauungsstruktur nachhaltig voneinander. Selbst in den einzelnen Gemeinden bestehe keine typische Bebauungstiefe. Bei einer inhomogenen Bebauung im Verbandsgebiet sei die Festsetzung einer einheitlichen Tiefenbegrenzungsregelung ausgeschlossen.

8

Der Antragsgegner habe bis zur Beschlussfassung über die Kalkulation des Beitragssatzes bereits die beitragspflichtige Fläche für sämtliche Grundstücke ermittelt. Damit sei er nicht mehr berechtigt gewesen, sich bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe auf einzelne, nach seiner Auffassung repräsentative Ortslagen zu beschränken. Für eine Tiefenbegrenzung habe deshalb keine sachliche Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung mehr bestanden. Auch der Gedanke der Verwaltungspraktikabilität könne eine Abweichung von der einzelfallbezogenen Vorteilsgerechtigkeit nicht legitimieren. Die konkrete Feststellung, wie weit im Einzelfall die Erschließungswirkung einer öffentlichen Einrichtung auf Grundstücke im Übergang zum Außenbereich reiche, könne zwar schwierig sein. Da der Antragsgegner bei der Ermittlung sowohl der repräsentativen Bautiefe als auch sämtlicher beitragspflichtigen Flächen im Verbandsgebiet ausschließlich auf die hintere Kante des letzten Gebäudes abgestellt habe, sei die Rechtsanwendung jedoch einfach. Diese Methodik sei zudem baurechtlich unzutreffend. Zwar ende der Bebauungszusammenhang in der Regel am letzten vorhandenen Gebäude, zu diesem Zusammenhang zählten jedoch nur Bauten, die optisch wahrnehmbar seien und ein gewisses Gewicht hätten. Untergeordnete Baulichkeiten seien, anders als der Antragsgegner meine, nicht zu berücksichtigen.

9

Die Regelung in § 4 Abs. 2 Buchst. d Satz 2 Trinkwasserbeitragssatzung, nach der die Tiefenbegrenzungslinie bei Grundstücken, die mit der Straße nur durch eine Zuwegung verbunden seien, vom Ende der Zuwegung an gemessen werde, lasse gleichheitswidrig unberücksichtigt, dass auch der als Zuwegung genutzte Teil eines Buchgrundstücks bei der Kalkulation und bei der Beitragserhebung berücksichtigt werden müsse.

10

Als unwirksam erweise sich auch die Maßstabsregelung in § 4 Abs. 2 Buchst. f der Trinkwasserbeitragssatzung. Diese Vorschrift erfasse die atypischen Fälle einer übergreifenden Grundstücksnutzung. Nach dem Willen des Satzungsgebers solle bei der Festsetzung des Beitrags jede Grundstückfläche im Außenbereich bis zur hinteren Grenze der letzten baulichen Nutzung berücksichtigt werden. Das stehe im Widerspruch zu dem Vorteil, den die öffentliche Einrichtung des Antragsgegners für das Grundstück vermittele. Im Außenbereich vermittelten die öffentlichen Einrichtungen zur Trinkwasserversorgung und Schmutzwasserentsorgung trotz einer baulichen oder gewerblichen Nutzung keinen Vorteil, solange das Gebäude nicht tatsächlich angeschlossen sei.

11

Die Kalkulation des Beitragssatzes sei fehlerhaft. Dies führe zu einer unwirksamen Regelung über den Beitragssatz und damit zur Gesamtunwirksamkeit der Satzung. Die Methode der Beitragskalkulation habe eine teilweise Doppelfinanzierung des Herstellungsaufwands der öffentlichen Einrichtung zum Ergebnis und verstoße gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot. Soweit der Aufwand für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung bereits durch andere Einnahmen gedeckt sei, scheide die Erhebung eines Beitrags aus. Insoweit sei eine abgabenübergreifende Gesamtschau des Aufkommens aus Beiträgen und Gebühren geboten.

12

Der Antragsgegner habe die über die Benutzungsgebühren vereinnahmten Abschreibungen auf das kostenlos übernommene Vermögen nicht aufwandsmindernd berücksichtigt. Der Substanzwert dieser Einrichtungsbestandteile sei gemäß § 6 Abs. 2a Satz 1 KAG M-V nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen auf Basis des wertmäßigen Kostenbegriffs abzuschreiben gewesen. Für die Bemessung der Abschreibungsbasis sei dabei nach § 7 Abs. 1 Satz 2 DMBilG der Sachzeitwert in der Eröffnungsbilanz maßgeblich gewesen. Die Abschreibung auch des unentgeltlich übernommenen Vermögens führe zu Einnahmen, die etwa 30 Prozent des im Rahmen der Kalkulation nach Abzug der Fördermittel verbliebenen beitragsfähigen Aufwandes entsprechen würden. Diese Einnahmen lägen deutlich über der Differenz zwischen dem höchstmöglichen und dem beschlossenen Beitragssatz. Bei Fertigstellung der Anlage werde die Dauer der Abschreibung für die unentgeltlich übernommenen Anlagenbestandteile bereits über 25 Jahre betragen. Bei durchschnittlichen Abschreibungssätzen entspreche dies nahezu dem vollen Herstellungsaufwand. Der Antragsgegner habe verkannt, dass der Herstellungsaufwand für den technischen Ersatz der unentgeltlich übernommenen Anlagengüter in der Herstellungsphase bereits zum Teil durch die dafür vereinnahmten Abschreibungen gedeckt gewesen sei. Insoweit liege Zweckgleichheit vor. Der Antragsgegner hätte bei der Festsetzung des Beitragssatzes einen Abzug für denjenigen Anschaffungs- und Herstellungsaufwand vornehmen müssen, der im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Anschlussbeitragssatzung durch in den Gebühren enthaltene Abschreibungen gedeckt war. Die erstmalige Herstellung des Anlagengutes im rechtlichen Sinne führe dazu, dass das im technischen Sinne erneuerte Anlagegut nach wirtschaftlichen Grundsätzen untergehe. Gebührenrechtlich sei der Wertverzehr jedoch immer auf das jeweilige Anlagegut bezogen über die Abschreibung festzusetzen.

13

Der Berücksichtigung der über Abschreibungen erzielten Einnahmen bei der Kalkulation des Anschlussbeitrages stehe der Gesetzeswortlaut nicht entgegen. Gebührenzahlungen seien, soweit sie Abschreibungen enthielten, Leistungen Dritter im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V. Der Kreis der Gebührenschuldner nach § 6 Abs. 4 Satz 2 KAG M-V sei mit dem Kreis der Beitragspflichtigen nach § 7 KAG M-V nicht identisch, die Beitragsschuldner könnten deshalb als „Dritte“ im gesetzlichen Sinne angesehen werden. Diesem Verständnis stehe nicht entgegen, dass § 9 KAG M-V den Abzug von Abschreibungen nicht ausdrücklich vorschreibe. Der Gesetzgeber habe durch die Einführung von § 6 Abs. 2a Satz 1 KAG M-V zum Ausdruck gebracht, dass im Ergebnis eine Doppelbelastung auszuschließen sei. Was für die Gebührenkalkulation im Zusammenwirken mit den Beiträgen bereits ausdrücklich geregelt worden sei, gelte im Umkehrschluss auch für die Anrechnung der Abschreibungen im Rahmen der Beitragskalkulation.

14

Soweit die Auffassung vertreten werde, dass diese Abschreibungen ausschließlich bei den Erneuerungsbeiträgen zu berücksichtigen seien, sei dies unzutreffend. Anlagenbestandteile, die nach dem Konzept des Zweckverbandes rechtlich durch ihn erstmalig hergestellt wurden, würden nach Fertigstellung der Anlage erneut mit den vollen Anschaffungs- und Herstellungskosten in die Anlagenbuchhaltung übernommen. Der volle Herstellungsaufwand unterliege dann erneut der Abschreibung. Ausschließlich diese nach der rechtlichen Herstellung vereinnahmten Abschreibungen seien jedoch bei einem möglichen Erneuerungsbeitrag zu berücksichtigten.

15

Soweit der Antragsgegner hierzu auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verweise, sei der der Entscheidung (BVerwG, Beschl. v. 05.11.2012 – 9 B 2/12 –) zugrunde liegende Sachverhalt auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Die in den Gebühren enthaltenen Abschreibungen hätten durchaus eine Finanzierungsfunktion für die Herstellung der Anlage. Abschreibungen dienten der Umwandlung des im Sachkapital gebundenen Geldes in Geldkapital, um den Wertverzehr der Anlagengüter durch Ersatzbeschaffung aufzufangen. Die Investitionen von 2006 bis zur Fertigstellung der Anlage seien ganz überwiegend eine Ersatzbeschaffung im technischen und betriebswirtschaftlichen Sinne. Die Berücksichtigung der Abschreibungen beim Herstellungsbeitrag entspreche auch der Absicht des Landesgesetzgebers, wie sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs (Landtagsdrucksache 4/1307, Seite 33) ergebe. Dort habe der Gesetzgeber die Funktion der Abschreibung mit der „Substanzerhaltung des Anlagevermögens und der Bereitstellung von Mitteln für die spätere Erneuerung“ beschrieben. Das Bundesverwaltungsgericht hätte dagegen über einen Fall entschieden, in dem die neben den Beiträgen erhobenen Benutzungsgebühren nicht zur Refinanzierung der Herstellungskosten, sondern ausschließlich zur Abdeckung der übrigen Kosten der Einrichtung dienten. Das sei hier nicht der Fall. Zudem habe der Antragsgegner erst ab dem Jahre 2005 erstmalig die flächendeckende Erhebung von Beiträgen auf der Grundlage einer Globalkalkulation veranlasst. Zuvor sei im Wege einer Rechnungsperiodenkalkulation lediglich das Leitungssystem über Beiträge abgerechnet worden. Dies sei 14 Jahre nach der Gründung des Zweckverbandes mit einer Umstellung des Finanzierungssystems im Sinne eines vom Bundesverwaltungsgericht als Ausnahmefall benannten Systemwechsels gleichzusetzen. Bis dahin sei die Anlage nahezu ausschließlich über Gebühren finanziert worden.

16

Soweit der Antragsgegner auf die Anrechnungsvorschrift des § 6 Abs. 2a Satz 1 KAG M-V Bezug nehme, gelte dieser Mechanismus nur für die jeweilige Kalkulationsperiode. Entscheide sich der Versorgungsträger, den Herstellungsaufwand für ein Anlagegut über Beiträge zu finanzieren, sei für die Abschreibungen der Anlagewert in der Kalkulation der Benutzungsgebühren um den Beitrag zu kürzen. Dies betreffe jedoch nur den Zeitraum von der (rechtlichen) Herstellung des Anlagegutes bis zu seiner Erneuerung. Das Anlagegut, das bereits vor der Herstellung im Rechtssinne bestanden habe, werde von der Norm dagegen nicht erfasst. Entscheide sich der Versorgungsträger, ein tatsächlich vorhandenes Anlagegut bereits vor der (rechtlichen) Herstellung abzuschreiben, sei dies zwar zulässig, die Abschreibungen darauf seien dann jedoch in der Beitragskalkulation zu berücksichtigen.

17

Die Maßstabsregel in § 5 Abs. 4 Buchst. b Trinkwasserbeitragssatzung sei unwirksam. Im Verbandsgebiet bestünden mehrere Bebauungspläne, in denen die Zahl der Vollgeschosse nicht bestimmt sei, sondern stattdessen nur die zulässige Höhe der baulichen Anlagen festgesetzt werde. Die Maßstabsregelung sei unvollständig, weil sie für diesen Fall nicht bestimme, welche der Methoden zur Berechnung der Anzahl der Vollgeschosse zur Anwendung komme. Zudem kläre das Satzungsrecht des Antragsgegners nicht, welche von mehreren Höhenfestsetzungen im Bebauungsplan maßgeblich sei, etwa wenn dort eine höchstzulässige Firsthöhe und eine höchstzulässige Traufhöhe bestimmt sei oder ausnahmsweise Abweichungen von Höhenmaßen zugelassen würden. Unabhängig davon sei der Divisor von 3,5 nicht vorteilsgerecht. Der Antragsgegner habe sich mit dieser Umrechnungsformel nicht an der durchschnittlichen Höhe der Vollgeschosse bei Wohngebäuden im Verbandsgebiet orientiert und keine Differenzierung nach der Art der baulichen Nutzung vorgenommen. Außerdem sei nicht ersichtlich, warum der Satzungsgeber von allgemeinen mathematischen Grundsätzen abgewichen sei und eine Aufrundung auf ein weiteres Vollgeschoss bereits bei einer Bruchzahl von mehr als 0,4 anordne.

18

Die Nichtigkeit von Maßstabsregeln führe wegen des Gebots der konkreten Vollständigkeit zur Gesamtnichtigkeit der Satzung. Auf eine Maßstabsregelung könne nur dann verzichtet werden, wenn betreffende Anwendungsfälle derzeit nicht vorhanden seien und dem Zweckverband gesicherte Erkenntnisse darüber vorlägen, dass während der Geltung der Beitragssatzung im Herstellungszeitraum der öffentlichen Einrichtung eine solche Grundstückssituation auch nicht entstehen werde. Dazu sei nichts vorgetragen.

19

Obwohl nach dem Satzungsrecht des Antragsgegners die Grundstücksanschlüsse Bestandteil der öffentlichen Einrichtung seien, erfolge die Refinanzierung des Aufwandes für die Herstellung sowohl über Beiträge als auch über Kostenerstattungsansprüche. Dies sei unzulässig. Die Geltendmachung von öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüchen nach § 10 KAG M-V sei nur zulässig, wenn die Grundstücksanschlüsse nicht zugleich Bestandteil der öffentlichen Einrichtung seien. Das Satzungsrecht des Antragsgegners regele demgegenüber jedoch, dass auch die weiteren Grundstücksanschlüsse Bestandteil der öffentlichen Einrichtung würden.

20

Die Antragstellerin beantragt,

21

die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt/ vom 9. Dezember 2010 für unwirksam zu erklären.

22

Der Antragsgegner beantragt,

23

den Antrag zurückzuweisen.

24

Die Verbandsversammlung habe unter Beachtung der zur Vorgängersatzung ergangenen Rechtsprechung die streitbefangene Satzung einschließlich einer Tiefenbegrenzungsregelung auf der Grundlage einer aktualisierten Ermittlung der örtlichen Verhältnisse und ohne die vom Oberverwaltungsgericht beanstandete Kombination mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit neu beschlossen. Die Ermittlungsmethode des Zweckverbandes sei vom Oberverwaltungsgericht grundsätzlich anerkannt worden. Die Antragstellerin verkenne, dass der Antragsgegner nur diejenigen Ortslagen für die Ermittlung der örtlichen Verhältnisse in Betracht gezogen habe, die Übergangsgrundstücke vom Innen- zum Außenbereich aufwiesen. Nur in diesen Ortslagen komme die beanstandete Regelung zur Anwendung. Aus den Ermittlungen zur ortsüblichen Bebauungstiefe lasse sich kein Rückschluss auf die Homogenität des Verbandsgebietes ziehen. Vielmehr würden die Ergebnisse der Ermittlungen nach diesen Kriterien zeigen, dass vergleichbare örtliche Verhältnisse vorliegen. Die Flächenermittlung stehe im Einklang mit den Regelungen der Beitragssatzung.

25

Die Maßstabsregelung über die qualifizierte Tiefenbegrenzung sei vorteilsgerecht. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin komme es bei der Beurteilung der ortsüblichen Bebauungstiefe nicht auf die Bebauungstiefen innerhalb einzelner Gemeinden oder Ortsteile, sondern auf die Vergleichbarkeit der örtlichen Verhältnisse im gesamten Verbandsgebiet an. Die Tiefenbegrenzung nach Ortslagen zu differenzieren liefe dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung zuwider. Der Antragsgegner betreibe im Verbandsgebiet jeweils nur eine Anlage zur zentralen Trinkwasserversorgung bzw. Abwasserentsorgung. Entscheidend sei, ob sich eine hinreichend große Vergleichsgruppe im Sinne der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern feststellen lasse. In dem vorliegenden Fall sei für die Gruppe der bis zu 40 Meter tief bebauten Grundstücke ein Anteil von ca. 70 Prozent aller in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke ermittelt worden, wobei die durchschnittliche Bebauungstiefe aller untersuchten Grundstücke zudem 38,19 Meter betrage. Hinsichtlich des Einflusses und der Maßgeblichkeit der Bebauungsstruktur einzelner Gemeinden oder Ortsteile unterliege die Antragstellerin einem grundsätzlichen Irrtum. Die Bebauungsstruktur einer Ortslage betreffe sämtliche Bauten, insbesondere auch auf reinen Innenbereichsgrundstücken und nicht nur auf sogenannten Übergangsgrundstücken. Die Bebauungsstruktur beschreibe ohne Ansehung von Grundstücksgrenzen lediglich die räumliche Anordnung von Baulichkeiten. Die bauplanungsrechtliche Zugehörigkeit der einzelnen Grundstücke zum Innen-, Übergangs- oder Außenbereich spiele für die Bebauungsstruktur keine Rolle. Aus dieser lasse sich folglich keine Aussage zu den Bebauungstiefen der sogenannten Übergangsgrundstücke treffen. Allein das Vorhandensein von unterschiedlichen Bebauungsstrukturen oder von Städten neben kleineren Gemeinden in einem Verbandsgebiet führe nicht automatisch zum Ausschluss einer einheitlichen Tiefenbegrenzungsregelung. Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, sondern vom Gesetzgeber gewollt, dass prinzipiell mit der Schaffung einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung im Rechtssinne eine Nivellierung der Beiträge und Gebühren eintrete. Dies liege im Wesen einer Pauschalierung. Beim Verbandsgebiet des Antragsgegners handele es sich insgesamt um ein ländlich geprägtes Gebiet. Die Kerngebiete größerer Städte wie C-Stadt oder D-Stadt gehörten gerade nicht zum Verbandsgebiet. Die beiden größten Gemeinden im Verbandsgebiet seien die beiden Kleinstädte E- Stadt und A-Stadt. Diese seien in ihrer Randlagenbebauung mit Dörfern vergleichbar.

26

Der Antragsgegner habe für die Beschlussfassung über den Beitragssatz die bevorteilten Grundstücksflächen für sämtliche Grundstücke im Verbandsgebiet ermitteln müssen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Antragstellerin hieraus den Schluss ziehe, der Antragsgegner sei nicht mehr berechtigt, sich bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe auf repräsentative Ortslagen zu beschränken. Die festgestellte ortsübliche Bebauungstiefe bilde erst die Grundlage für die Festsetzung der Tiefenbegrenzung und damit die Ermittlung der bevorteilten Grundstücksflächen. Der Antragsgegner habe dabei keine rechtlich schwierigen Einzelfallentscheidungen für jedes einzelne Übergangsgrundstück mehr treffen müssen.

27

Die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich sei anhand des Bebauungszusammenhangs erfolgt. Der Bebauungszusammenhang ende grundsätzlich unmittelbar hinter dem letzten Gebäude. Demzufolge sei es nicht zu beanstanden, bei der Ermittlung der örtlichen Verhältnisse auf die Bebauungstiefe abzustellen. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern habe ausgesprochen, dass die Abgrenzung von Innen- und Außenbereich nach Maßgabe der hinteren Begrenzung des letzten relevanten Gebäudes oder unter Einbeziehung der bauakzessorischen Nutzung bzw. der topographischen Verhältnisse erfolgen könne. Dies unterliege der ortsgesetzgeberischen Ermessensentscheidung, beide Vorgehensweisen seien zulässig. Der Antragsgegner habe sich dafür entschieden, die hintere Begrenzung des letzten relevanten Gebäudes anzusetzen, weil sich diese hinreichend verlässlich feststellen lasse. Die Antragstellerin verkenne, dass auch Baulichkeiten wie Scheunen und Ställe maßstabsbildend sein könnten. Auch diese Gebäude seien für die Frage, wie weit der Bebauungszusammenhang reiche, gegebenenfalls von Bedeutung. Der Antragsgegner habe bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe nur diejenigen Gebäude berücksichtigt, die am Bebauungszusammenhang teilnähmen und nicht solche, die eindeutig dem Außenbereich zuzuordnen seien.

28

Die Regelung in der Satzung, wonach sich bei sogenannter übergreifender Bebauung die Tiefenbegrenzungslinie bis zur hinteren Grenze der baulichen Nutzung verschiebe, sei nicht zu beanstanden. Dabei gehe es nur um eine „übergreifende“ Grundstücksnutzung und gerade nicht um Grundstücksflächen oder Gebäude, die im Außenbereich belegen seien. Die Vermutungsregelung der Tiefenbegrenzung werde in diesen atypischen Fällen durchbrochen. Für die beitragsrechtliche Vorteilslage komme es nicht darauf an, ob die übergreifenden Baulichkeiten tatsächlich angeschlossen oder anzuschließen seien.

29

Die Behauptung der Antragstellerin, die Nichtberücksichtigung von Abschreibungen auf kostenlos übernommenes Altanlagevermögen in der Beitragskalkulation führe zu einer Kostenüberdeckung und Doppelfinanzierung der öffentlichen Einrichtung, sei unzutreffend. Die Antragstellerin verkenne, dass Anschlussbeiträge der einmaligen Deckung des Aufwandes für die erstmalige Herstellung der öffentlichen Einrichtung dienten. Abschreibungen hätten dagegen eine andere Funktion und dienten der Umwandlung des im Sachkapital gebundenen Geldes in Geldkapital, um den Wertverzehr der Anlagegüter durch Ersatzbeschaffung aufzufangen. Abschreibungen bewirkten anders als Beiträge mithin keinen zusätzlichen Kapitalzufluss. Bereits die unterschiedliche Finanzierungsfunktion zeige, dass Abschreibungen nicht in der Beitrags- sondern in der Gebührenkalkulation zu berücksichtigen seien. Zudem komme es auch deshalb zu keiner Doppelfinanzierung, weil gemäß § 6 Abs. 2a Satz 1 KAG M-V für die Abschreibungen die Anlagewerte in der Kalkulation der Benutzungsgebühren um Beiträge und ähnliche Entgelte zu kürzen bzw. diese gemäß Satz 3 ertragswirksam aufzulösen seien. Nach der Gesetzeslage in Mecklenburg-Vorpommern sei es mithin gerade umgekehrt: Abschreibungen seien nicht in der Beitragskalkulation zu berücksichtigen, sondern das Beitragsaufkommen finde für die Abschreibungen in der Gebührenkalkulation Berücksichtigung. Wenn die Antragstellerin meine, Gebührenzahlungen seien, soweit sie Abschreibungen enthielten, Leistungen Dritter im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V, verkenne sie wiederum den Regelungszusammenhang. Leistungen und Zuschüsse Dritter im Sinne dieser Vorschrift seien Sach- oder Geldmittel, die der Anschaffung und Herstellung der öffentlichen Einrichtung dienten, nicht jedoch dem Ausgleich des Wertverzehrs. Soweit die Antragstellerin auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (Urt. v. 14.11.2013 – 9 B 35/12 –) hinweise, sei dazu anzumerken, dass sich das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 5. November 2012 mit Blick auf die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern mit dem Argument der Doppelbelastung bereits auseinandergesetzt habe. Die Frage der Doppelbelastung könne sich danach allenfalls im Rahmen der Erhebung von Erneuerungsbeiträgen stellen. Würden die Abschreibungen bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes berücksichtigt, käme dies nicht den Gebührenschuldnern, die die Abschreibungen finanziert hätten, sondern den Beitragsschuldnern zugute.

30

Dem Anschlussbeitrag liege eine Globalkalkulation zugrunde. Darin sei für die Vergangenheit der gesamte tatsächlich entstandene und für die Zukunft der gesamte prognostizierte Investitionsaufwand für die Anschaffung und Herstellung der öffentlichen Einrichtung eingestellt worden. Maßgeblich hierfür sei ausschließlich die Einrichtungsdefinition zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflichten mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Es könne deshalb dahinstehen, wie die öffentliche Einrichtung zuvor definiert gewesen sei. Die Vorfinanzierung bereits hergestellter Anlagenteile spiele für die Beitragskalkulation keine Rolle. Dass auch vorfinanzierte Investitionen einzustellen seien, ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, wonach es auch auf die tatsächlich entstandenen Kosten ankomme. Soweit in der Vergangenheit bereits Beiträge gezahlt worden seien, sei dies bei der Veranlagung zu Anschlussbeiträgen aufgrund der aktuellen Satzung zu berücksichtigen, nicht jedoch bei der Kalkulation des Beitragssatzes. Irreführend sei der Hinweis der Antragstellerin auf die Rechtsprechung zur „Systemumstellung“. Einen Systemwechsel habe der Antragsgegner nicht vorgenommen. Zu keinem Zeitpunkt habe es im Verbandsgebiet ein reines Gebührenmodell gegeben.

31

Die Auffassung der Antragstellerin, der Herstellungsaufwand der Anlage dürfe grundsätzlich nicht über Gebühren finanziert werden, sei unzutreffend. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern halte sogar eine vollständige Finanzierung des Anschaffungs- und Herstellungsaufwandes über die Gebühren für zulässig (Urt. v. 03.05.2011 – 1 L 59/10 –). Es sei anerkannt, dass die Beitragsfinanzierung dieses Aufwandes nur anteilig erfolgen könne und damit auch immer über die Benutzungsgebühren eine Mitfinanzierung des Anschaffungs- und Herstellungsaufwandes nötig sei.

32

Es sei sachlich zwingend, die Refinanzierung weiterer Grundstücksanschlüsse über eine Kostenerstattung und nicht über den Herstellungsbeitrag vorzunehmen, § 10 Abs. 3 KAG M-V sei insoweit eine abschließende und spezielle Regelung.

33

Die Maßstabsregelung in § 4 Abs. 4 Trinkwasserbeitragssatzung schließlich sei vom weiten Satzungsermessen der Verbandsversammlung gedeckt, vorteilsgerecht und nicht mehrdeutig.

34

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 21. April 2015 sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte und der übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

35

Der Normenkontrollantrag ist zulässig (1.), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt/D-Stadt vom 9. Dezember 2010 ist wirksam (2.).

36

1. Der Senat versteht den nicht ausdrücklich beschränkten Antrag der Antragstellerin, die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt/D-Stadt vom 9. Dezember 2010 für unwirksam zu erklären, in der Weise (§ 133 BGB), dass die Ordnungswidrigkeitenbestimmungen in § 11 Trinkwasserbeitragssatzung nicht angegriffen sind. Regelungen des Ordnungswidrigkeitenrechts unterfallen nicht dem Verwaltungsrechtsweg und können daher von vornherein nicht Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle sein (OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 17).

37

Der so verstandene Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie kann geltend machen, durch die Anwendung der streitgegenständlichen Satzung in absehbarer Zeit in ihren Rechten verletzt zu werden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO), da der aufgrund dieser Satzung gegen sie ergangene Beitragsbescheid noch nicht bestandskräftig ist (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 03.07.2002 – 4 K 35/01 –, juris Rn. 11). Da ohne eine wirksame Satzung gemeindliche Abgaben gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V nicht erhoben werden dürfen, hängt der Bestand des Beitragsbescheids von der Wirksamkeit der zur Normenkontrolle gestellten Trinkwasserbeitragssatzung ab. Die Antragsfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist eingehalten, der Normenkontrollantrag wurde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift gestellt.

38

2. Der Normenkontrollantrag ist jedoch nicht begründet. Die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt/D-Stadt vom 9. Dezember 2010 steht mit höherrangigem Recht in Einklang und ist wirksam.

39

a) Die Regelung in § 3 Abs. 1 Trinkwasserbeitragssatzung, wonach die Beitragspflicht entsteht, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung, ist wirksam. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V muss eine Abgabensatzung in Mecklenburg-Vorpommern auch den Zeitpunkt des Entstehens der Abgabe regeln. Die Vorschrift regelt das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht in Übereinstimmung mit § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V. Dass das Kommunalabgabenrecht in Mecklenburg-Vorpommern die sachliche Anschlussbeitragspflicht nicht vor dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung entstehen lässt, liegt im rechtlichen Charakter der sachlichen Beitragspflicht begründet. Das Landesrecht geht davon aus, dass der beitragsrelevante Vorteil mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung bereits vollständig ausgebildet ist und die Erhebung des Beitrags in voller Höhe rechtfertigt. Das setzt voraus, dass der Beitrag, mit dem das bevorteilte Grundstück zu den Herstellungskosten herangezogen wird und der als öffentliche Last auf dem Grundstück (§ 7 Abs. 6 KAG M-V) ruht, auch der Höhe nach ausgeprägt ist. Die sachliche Beitragspflicht steht der Höhe nach unveränderlich fest und begründet mit diesem Inhalt ein abstraktes Beitragsschuldverhältnis. Da die Höhe des Beitrags unter anderem von den Maßstabsregeln und dem Beitragssatz abhängt, die in der Beitragssatzung normiert sind, ist ein Entstehen der sachlichen Beitragspflicht vor dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung ausgeschlossen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 15.12.2009 – 1 L 323/06 –, juris Rn. 50 f.). Zu einem früheren Zeitpunkt kann die sachliche Beitragspflicht nicht entstehen. Es ist rechtlich zwingend, das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht tatbestandlich vom Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung abhängig zu machen.

40

Die Satzungsvorschrift unterliegt auch in Ansehung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit einer zeitlich unbegrenzten Festsetzbarkeit vorteilsausgleichender kommunaler Abgaben (BVerfG, Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Bestimmung des Zeitpunktes der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht durch eine Rechtsnorm ist – wie erläutert – zwingende Voraussetzung der Beitragserhebung. Die Satzungsbestimmung steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage, wie lange der Antragsgegner nach Eintritt der Vorteilslage einen Anschlussbeitrag erheben darf. Ihr Regelungsgegenstand ist insbesondere nicht die Verjährung des Beitragsanspruchs. Diese richtet sich vielmehr nach den gesetzlichen Vorschriften in § 12 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KAG M-V i.V.m. §§ 47, 169 Abs. 1, 170 Abs. 1 AO. Das Gesetz knüpft dabei zwar tatbestandlich an das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht für die Bestimmung des Beginns der Festsetzungsfrist an. Die Rechtsfolge – das Erlöschen des Beitragsanspruchs nach Ablauf von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Beitrag entstanden ist – wird jedoch entsprechend der Kompetenzordnung durch den Landesgesetzgeber und nicht durch den kommunalen Satzungsgeber gesetzt.

41

Dementsprechend weist das Bundesverfassungsgericht auch dem Gesetzgeber die Aufgabe zu, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen und dem Interesse des Beitragsschuldners, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und des Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen oder anderweitige Regelungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris Rn. 42, 45). Fehlt eine solche gesetzliche Bestimmung, lässt das die Wirksamkeit einer Beitragssatzung grundsätzlich unberührt. Ihr Fehlen kann sich erst auf der Ebene der Rechtsanwendung im Einzelfall auswirken, wenn im konkreten Erhebungsfall die Schlussfolgerung gerechtfertigt wäre, die Legitimation für die Beitragserhebung sei mit Blick auf den Zeitraum zwischen der Entstehung der Vorteilslage und der Beitragserhebung entfallen.

42

Aus den vorgenannten Erwägungen folgt zugleich, dass die Bestimmung in § 3 Abs. 1 Trinkwasserbeitragssatzung zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nicht deshalb unwirksam ist, weil deren landesgesetzliche Grundlage in § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V gegen Verfassungsrecht verstieße. Auch diese Vorschrift ist zum einen nach der beitragsrechtlichen Systematik unverzichtbar und betrifft zum anderen unmittelbar nur das Entstehen des Beitragsanspruchs, nicht dessen Erlöschen. Der Eintritt der Vorteilslage durch die Möglichkeit des Anschlusses des Grundstücks an die öffentliche Einrichtung, den das Bundesverfassungsgericht zum Anknüpfungspunkt für die Legitimation der Beitragserhebung macht, fällt mit dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht nicht notwendigerweise, sondern nur dann zusammen, wenn zu diesem Zeitpunkt eine wirksame Beitragssatzung besteht. Für diesen Fall stellt sich aber das verfassungsrechtliche Problem der Rechtssicherheit nicht, weil zugleich die Festsetzungsverjährungsfrist in Gang gesetzt wird, die das Interesse der Abgabenschuldner hinreichend schützt. Fallen der Eintritt der Vorteilslage und das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht auseinander, weil bei Anschlussmöglichkeit wirksames Satzungsrecht noch nicht besteht, kommt es für die verfassungsrechtliche Frage der Rechtssicherheit auf den späteren Zeitpunkt (des Inkrafttretens wirksamen Beitragsrechts) ohnehin nicht an. Der Gesetzgeber muss die zeitliche Legitimation der Beitragserhebung vielmehr mit Blick auf den Zeitraum sicherstellen, der seit dem Eintritt der Vorteilslage vergangen ist.

43

Mit diesen Überlegungen korrespondiert der Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeitsfeststellung in seinem Beschluss vom 5. März 2013 (– 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143) nicht auf die Vorschriften zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht im bayerischen Kommunalabgabengesetz, sondern lediglich auf die Regelung zum Beginn der Festsetzungsfrist erstreckt hat. Eine Gesamtunwirksamkeit des bayerischen Kommunalabgabengesetzes hat das Bundesverfassungsgericht selbst für den Fall nicht angenommen, dass die mit dem Grundgesetz unvereinbare Bestimmung nach Ablauf der gesetzten Anpassungsfrist nicht neu geregelt worden ist. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das – im Übrigen wirksame – Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris Rn. 52). Nach alledem sind weder § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V noch das gesamte Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar, mit der Folge, dass keine Satzungsermächtigung für den Antragsgegner mehr bestünde.

44

Der Senat muss deshalb für diese Entscheidung nicht klären, ob an seiner Rechtsprechung, wonach das Regelungssystem des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern jedenfalls im Rahmen des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und des Einzelnen an Rechtssicherheit zu einem angemessenen Ausgleich bringt (OVG Greifswald Urt. v. 01.04.2014 – 1 L 142/13 –, juris Rn. 62), auch nach den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 2015 (– 9 C 15.14 bis 9 C 21.14 –), die im Übrigen noch nicht vollständig abgefasst vorliegen, festzuhalten ist.

45

Soweit § 3 Abs. 2 und 3 Trinkwasserbeitragssatzung spätere Zeitpunkte für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht begründen, finden die Vorschriften ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 3 Satz 2 KAG M-V. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit stehen diesen Bestimmungen in gleicher Weise keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Hindernisse entgegen, soweit sie das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht neben dem tatsächlichen Anschluss an die öffentliche Einrichtung vom Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung abhängig machen.

46

b) Die Bestimmung in § 4 Abs. 2 Buchst. d Satz 1 Trinkwasserbeitragssatzung, nach der als (bevorteilte) Grundstücksfläche bei Grundstücken, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 40 Metern dazu verlaufenden Parallelen gilt, ist gleichfalls mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Vorschrift regelt eine sogenannte qualifizierte Tiefenbegrenzung. Sie gilt ausschließlich für Grundstücke, die planungsrechtlich im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich liegen, und anders als die sogenannte schlichte Tiefenbegrenzung nicht auch für vollständig im Innenbereich liegende Grundstücke.

47

Die Regelung einer Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht grundsätzlich zulässig. Die Tiefenbegrenzung ist eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks Bauland ist. Eine Tiefenbegrenzung findet im Anschlussbeitragsrecht ihre Rechtfertigung darin, dass im Rahmen der Beitragskalkulation die Ermittlung der Gesamtbeitragsfläche erforderlich ist, die auf metrische Festlegungen angewiesen ist. Dadurch gewinnt der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und Verwaltungsvereinfachung besondere Bedeutung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegenden unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs angestellt werden. Die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität stehen im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V). Danach sind die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden. Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem – wie hier in § 4 Abs. 1 Trinkwasserbeitragssatzung geregelten – kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab zu bemessen.

48

Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt – wenn eine solche ermittelbar ist – die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln. Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden. Das Normenkontrollgericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen (so grundlegend OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 75 ff. m.w.N., daran anschließend OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –, juris Rn. 33 f.).

49

Diesen rechtlichen Maßstäben genügt die hier zu überprüfende Bestimmung. Der Satzungsgeber hat die örtlichen Verhältnisse methodisch fehlerfrei ermittelt. Die metrische Festsetzung der Tiefenbegrenzung hält sich im Rahmen seines Satzungsermessens.

50

aa) Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, dass wegen des unterschiedlichen Anschlussgrades für die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe von vornherein nur solche Ortslagen zu berücksichtigen seien, die an die betreffende zentrale Einrichtung angeschlossen seien oder in der Herstellungsphase noch angeschlossen werden sollten, ist dem nicht zu folgen. Es besteht kein rechtliches Gebot, die örtlichen Verhältnisse zur Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie nur an den Verhältnissen im Bereich der von der Satzungsregelung konkret betroffenen Grundstücke zu messen. Vielmehr reicht es aus, die Bestimmung einer Tiefenbegrenzung an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Bestimmung auszurichten. Regelungen über eine qualifizierte Tiefenbegrenzung zur Bestimmung der bevorteilten Grundstücksfläche gelten aber jedenfalls dann im gesamten Verbandsgebiet, wenn die betreffende Körperschaft – wie hier – nur eine zentrale Anlage zur Trinkwasserversorgung in ihrem Zuständigkeitsbereich betreibt (vgl. § 1 Abs. 1 der Wasserversorgungssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt-Lübz vom 29. September 2006). Jedenfalls in diesen Fällen ist nichts dagegen zu erinnern, im Ausgangspunkt das gesamte Verbandsgebiet bei der Ermittlung einer ortsüblichen Bebauungstiefe in den Blick zu nehmen. Ob im Falle von mehreren Einrichtungen im Verbandsgebiet etwas anderes gelten muss (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 15.03.1995 – 4 K 22/94 –, juris Rn. 54), ist hier nicht zu entscheiden.

51

Der Senat hat mehrfach entschieden, dass der Satzungsgeber bei Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe seine Untersuchung der örtlichen Verhältnisse auf repräsentativ ausgewählte Ortslagen beschränken darf (vgl. etwa OVG Greifswald, Urt. v. 30.04.2014 – 1 L 80/12 –, juris Rn. 20, im Anschluss an OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 78). Müsste der Ortsgesetzgeber die tatsächlichen Bebauungstiefen in allen Ortslagen des Verbandsgebietes untersuchen, verlöre die Tiefenbegrenzung als Instrument zur Verwaltungsvereinfachung ihre Berechtigung, denn dann würden die Grundstücksdaten, die aufgrund der Tiefenbegrenzungsregel nicht sollen erhoben werden müssen, schon für die Bildung der Regel benötigt. Vorliegend hat der Satzungsgeber 47 Ortslagen mit sog. Übergangsgrundstücken identifiziert. Dass er dabei die von einer baurechtlichen Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB erfassten Gemeindegebiete unberücksichtigt gelassen hat, unterfällt seinem Ermessensspielraum (OVG Greifswald, Urt. v. 30.04.2014 – 1 L 80/12 –, juris Rn. 19). Diese Ortslagen hat die Verbandsversammlung nach Größe und Siedlungsstruktur kategorisiert und unter Wahrung der Relation zueinander 16 Ortslagen bestimmt, in denen die tatsächliche Bebauungstiefe aller von der Satzungsbestimmung betroffenen Grundstücke zu ermitteln war. Gegen diese Verfahrensweise ist nichts einzuwenden, sie erscheint dem Senat hinreichend nachvollziehbar.

52

Der Zweckverband hat für die so aufgefundenen repräsentativen Ortslagen alle 780 Übergangsgrundstücke hinsichtlich der Bebauungstiefe untersucht. Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass er dabei auf die rückwärtige Grenze des letzten dem Innenbereich zuzurechnenden Gebäudes abgestellt hat. Eine eventuell daneben bestehende und den planungsrechtlichen Innenbereich „in die Tiefe“ erweiternde bauakzessorische Nutzung (zum Beispiel einen Hausgarten) musste die Verbandsversammlung nicht aus Rechtsgründen berücksichtigen. Soweit die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 23. Oktober 2014 zu deutlich geringeren Bautiefen als die Verbandsversammlung gelangt ist, beruht das im Wesentlichen auf der unzutreffenden Annahme, dass die Tiefe der Wohnbebauung insoweit maßgeblich sei. Zwar sind für die Frage, ob ein Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde einen Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildet, grundsätzlich nur solche Gebäude als gebietsprägend zu berücksichtigen, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen zu dienen bestimmt sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.04.2007 – 4 B 7/07 –, juris Rn. 5). Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, wie weit der Bebauungszusammenhang eines (bauplanungsrechtlichen) Ortsteils reicht. Zum Bebauungszusammenhang gehört die tatsächlich vorhandene Bebauung, soweit sie von einem gewissen Gewicht ist, ohne dass es darauf ankäme, ob es sich bei dabei um Wohnhäuser, gewerblich genutzte Vorhaben, landwirtschaftliche Anwesen oder auch Nebengebäude handelt; dies ist für die Frage der Ausdehnung des Bebauungszusammenhangs gleichgültig (vgl. zusammenfassend OVG Greifswald, Urt. v. 05.07.2001 – 3 L 197/00 –, NordÖR 2002, 18). An diesen planungsrechtlichen Kriterien hat sich der Zweckverband bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe ersichtlich orientiert.

53

bb) Schließlich leidet auch die Ermessensbetätigung der Verbandsversammlung hinsichtlich der metrischen Festsetzung der Tiefenbegrenzung nicht an Rechtsfehlern.

54

Es ist anerkannt, dass sich die Tiefenbegrenzung an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren muss. Bei der Frage der Ortsüblichkeit geht es allerdings nicht um die Ermittlung einer exakt berechenbaren Größe (OVG Greifswald, Urt. v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –, juris Rn. 60). Das bringen die Begriffe „ortsüblich“ und „orientieren“ mit der ihnen inbegriffenen Unschärfe zum Ausdruck. Das Erfordernis der Üblichkeit einer Bebauungstiefe setzt vielmehr schon voraus, dass es daneben eine nicht nur geringe Anzahl von Grundstücken mit im Gebiet nicht üblichen Bebauungstiefen geben wird, die nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen muss. Aus all dem folgt, dass für die Annahme der Ortsüblichkeit eine zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken ausreichend ist, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, sodass von einer üblichen Tiefe gesprochen werden kann (OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 83).

55

Dem Satzungsbeschluss liegt eine hinreichende Orientierung an der ortsüblichen Bebauungstiefe zugrunde. Zwar hat die Verbandsversammlung ausweislich der dokumentierten Ermessenserwägungen keine Aufstellung der Ermittlungsergebnisse dahingehend vorgenommen, dass sie die Gruppe der betreffenden Grundstücke mit einer Bebauungstiefe von etwa 40 Metern gesondert dargestellt hätte. Die Dokumentation stellt lediglich fest, dass 69 Prozent aller untersuchten Grundstücke bis zu einer Tiefe von 40 Metern bebaut sind und die durchschnittliche Bebauungstiefe 38,19 Meter beträgt. Diese Feststellungen bilden jedoch zusammengenommen eine genügende Tatsachengrundlage für die Ermessensbetätigung der Verbandsversammlung.

56

Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass der Satzungsgeber bei der Festsetzung einer Tiefenbegrenzung zwar nicht ausschließlich, aber auch auf die durchschnittliche Bebauungstiefe abstellen darf, wenn der Berechnung einer solchen durchschnittlichen Bebauungstiefe – wie hier – eine hinreichend große Zahl von Grundstücken zugrunde liegt und „Ausreißer“ deshalb weitgehend eliminiert werden (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –, juris Rn. 53 f., in Fortführung von OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 83). Die durchschnittliche Bebauungstiefe weist einen Bezug zur ortsüblichen Bebauungstiefe auf. Je mehr Grundstücke in einem Bereich bebaut sind, der als ortsüblich qualifiziert werden kann, umso eher wird auch die durchschnittliche Bebauungstiefe in diesem Bereich liegen. Dieser Wert hat Aussagekraft auch für die Frage, ob sich die Abweichungen beiderseits der beabsichtigten Tiefenbegrenzungslinie in etwa die Waage halten und sich die Mengen der Grundstücke, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit diesseits bzw. jenseits der Tiefenbegrenzungslinie endet, in etwa entsprechen.

57

Gleichermaßen berücksichtigungsfähig war der vom Zweckverband herangezogene Umstand, dass 69 Prozent aller betreffenden Grundstücke nicht tiefer als 40 Meter bebaut sind. Auch dies entspricht der Spruchpraxis des Gerichts in den vorerwähnten Entscheidungen. Der vom Antragsgegner ermittelte Befund lässt unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vorteilsgerechtigkeit aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität eine Typisierung der bevorteilten Grundstücksflächen durch eine Tiefenbegrenzungslinie zu. Auch diese Erwägungen erscheinen jedenfalls nicht unplausibel und bei Berücksichtigung des weiten Satzungsermessens gemeinsam mit der ermittelten durchschnittlichen Bebauungstiefe als genügende Grundlage für die Ermessensbetätigung des Satzungsgebers.

58

Soweit die Antragstellerin der Auffassung ist, dass eine qualifizierte Tiefenbegrenzungsregelung nur im Falle einer homogenen Bebauungsstruktur im Verbandsgebiet in Betracht komme, an der es vorliegend fehle, dringt sie damit nicht durch. Einen solchen Rechtssatz gibt es nicht. Zwar mag eine Tiefenbegrenzungsregelung bei einem großen und inhomogenen Verbandsgebiet ausscheiden (vgl. Sauthoff, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2012, § 8, Rn. 1655). Maßgeblich für die Zulässigkeit einer qualifizierten Tiefenbegrenzung im Anschlussbeitragsrecht ist dabei aber nicht der Umstand der Homogenität der Bebauungsstruktur, sondern die Frage, ob im maßgeblichen Verbandsgebiet eine ortsübliche Bebauungstiefe bei sog. Übergangsgrundstücken besteht. Das ist vorliegend der Fall.

59

cc) Der Antragstellerin ist auch nicht in ihrer Ansicht zu folgen, wonach Gründe der Verwaltungsvereinfachung eine Tiefenbegrenzungsregelung nicht mehr zu rechtfertigen vermögen, weil der Antragsgegner ohnehin sämtliche Grundstücke im Verbandsgebiet nach Innen- und Außenbereich erfasst habe. Unabhängig von der Frage, ob ein solches Vorgehen die Normierung einer qualifizierten Tiefenbegrenzung überhaupt ausschließen würde, trägt der Antragsgegner dazu vor, die Einzelerfassung der Grundstücke sei unter Anwendung der Tiefenbegrenzungsvorschrift erfolgt und habe der Ermittlung der beitragsfähigen Vorteilsfläche bei der Kalkulation des Beitragssatzes gedient. Der Vortrag der Antragstellerin geht daher ins Leere.

60

c) Wirksam ist auch die Regelung zu sog. „Pfeifenstielgrundstücken“ in § 4 Abs. 2 Buchst. d Satz 2 Trinkwasserbeitragssatzung, nach der der Abstand zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der dazu verlaufenden Parallelen bei Grundstücken, die mit der Straße nur durch eine Zuwegung verbunden sind, vom Ende der Zuwegung an gemessen wird. Die aus dem Vorteilsprinzip folgenden Bedenken der Antragstellerin sind bei richtigem Verständnis der Bestimmung unbegründet. Im Falle einer Grundstückszuwegung wird nicht der straßenseitige Anfang der zu berechnenden Fläche von der Straße weg bis zum Ende der Zuwegung und Anfang der eigentlichen Grundstücksfläche verlegt mit der Folge, dass die Fläche der Zuwegung nicht mitzählte, sondern nur der Verlauf der Tiefenbegrenzungslinie, indem insoweit der Abstand erst ab dem Ende der Zuwegung gemessen wird. Maßgeblich ist grundsätzlich die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der im Abstand von 40 Metern dazu verlaufenden Parallelen. Bei „Pfeifenstielgrundstücken“ wird nur der Verlauf dieser Parallele verschoben, indem der 40 Meter betragende Abstand (zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der Parallelen) erst von dem Ende der Zuwegung an gemessen wird. Die der Straße zugewandte Grundstücksseite wird nicht verschoben. Daher fällt die Zuwegung – anders als die Antragstellerin meint – in die beitragspflichtige Fläche (OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 48).

61

d) Ebenso mit höherrangigem Recht vereinbar ist § 4 Abs. 2 Buchst. f Trinkwasserbeitragssatzung. Nach dieser Vorschrift ist für die Begrenzung der bevorteilten Grundstücksfläche die Grundstückstiefe maßgebend, die durch die rückwärtige Grenze der baulichen Nutzung bestimmt wird, wenn die bauliche oder gewerbliche Nutzung über die Tiefenbegrenzungslinie hinaus reicht. Die Regelung rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass in den Fällen übergreifender baulicher bzw. gewerblicher Nutzung die in der Tiefenbegrenzung liegende Vermutung, dass der planungsrechtliche Innenbereich an der Tiefenbegrenzungslinie ende, widerlegt ist und zugunsten einer konkreten Vorteilsbetrachtung nach Maßgabe der hinteren Grenze der betreffenden Nutzung zurücktritt (vgl. OVG Koblenz, Beschl. v. 02.02.2012 – 6 A 11232/11 –, juris Rn. 18; VG Greifswald, Urt. v. 20.09.2006 – 3 A 2268/04 –).

62

e) Rechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Regelung in § 4 Abs. 4 Trinkwasserbeitragssatzung. Diese Vorschrift trifft Bestimmungen zur Anzahl der Vollgeschosse, die bei der Bewertung der bevorteilten Grundstücksfläche gemäß § 4 Abs. 3 Trinkwasserbeitragssatzung zu berücksichtigen sind. Soweit die Antragstellerin hierzu rügt, die Maßstabsregelung sei unvollständig, weil sie im Fall eines Bebauungsplans, der keine höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse festsetze, ungeregelt lasse, wie viele Vollgeschosse zu berücksichtigen seien, folgt der Senat dem nicht. Das Gebot der konkreten Vollständigkeit ist nicht verletzt. Wenn der Bebauungsplan keine Festsetzungen zur höchstzulässigen Zahl der Vollgeschosse enthält, gilt § 4 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b Trinkwasserbeitragssatzung schon nach seinem Wortlaut. Maßgeblich ist dann die Zahl der auf dem Grundstück tatsächlich vorhandenen, der genehmigten bzw. der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse. Hiervon macht § 4 Abs. 4 Satz 2 Trinkwasserbeitragssatzung als speziellere Regelung eine Ausnahme für den Fall, dass im Bebauungsplan eine Baumassenzahl und bzw. oder die zulässige Höhe der baulichen Anlagen auf dem betreffenden Grundstück festgesetzt ist. Dann ist die Baumassenzahl bzw. die festgesetzte Höhe durch 3,5 zu teilen und nach § 4 Abs. 4 Satz 3 Trinkwasserbeitragssatzung ab- bzw. aufzurunden. Die hier zur Überprüfung stehende Beitragssatzung enthält auch (insofern lag der Sachverhalt in OVG Greifswald, Urt. v. 24.04.2013 – 4 K 1/10 –, juris Rn. 72 anders) eine Kollisionsregel für den Fall, dass der Bebauungsplan für das betreffende Grundstück gleichermaßen Baumassenzahl und zulässige Höhe festsetzt. In diesem Fall ist die Baumassenzahl vorrangig, der zweite Halbsatz des § 4 Abs. 4 Satz 2 Trinkwasserbeitragssatzung kommt nach seinem Wortlaut ausschließlich dann zur Anwendung, wenn „nur“ die zulässige Höhe der baulichen Anlagen bestimmt ist.

63

Aus dem Regelungszusammenhang der Satzung ergibt sich zwanglos, dass mit der „zulässigen Höhe“ die „höchstzulässige Höhe“ in Gestalt der Firsthöhe gemeint ist, da die bauliche Ausnutzbarkeit des Grundstücks in einem solchen Fall nicht mit der Traufhöhe endet (so auch VG Schwerin, Urt. v. 11.04.2013 – 4 A 1250/12 –, juris Rn. 79). Auch insoweit ist die Satzungsregelung einer eindeutigen Auslegung zugänglich und hinreichend bestimmt.

64

Soweit die Antragstellerin schließlich (im Anschluss an VG Schwerin, Urt. v. 05.05.2011 – 4 A 826/08 –, zit. n. Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz/Seppelt, KAG M-V, Stand April 2013, § 7, Anm. 9.1.6.) der Auffassung ist, dass die Beitragssatzung bei der Bestimmung der Anzahl der anzusetzenden Vollgeschosse im Falle eines Bebauungsplans ohne entsprechende Festsetzung nicht unterschiedslos denselben Divisor (hier 3,5) zur Anwendung bringen dürfe, sondern nach der Art der baulichen Nutzung differenzieren müsse, führt das gleichfalls nicht zur Unwirksamkeit der Vorschrift. Die Verbandsversammlung bewegt sich innerhalb ihres weiten Satzungsermessens im Rahmen des Vorteilsprinzips, wenn sie auf eine entsprechende Differenzierung verzichtet. Es ist schon fraglich, ob es einen Erfahrungssatz gibt, dass gewerblich genutzte Gebäude (zu denen auch zum Beispiel Bürogebäude gehören) im Bereich eines Bebauungsplans nach § 4 Abs. 4 Satz 2 Trinkwasserbeitragssatzung regelmäßig größere Vollgeschosshöhen als Wohngebäude aufweisen. Zudem muss der Satzungsgeber jedenfalls zu vermeiden suchen, dass beitragsrechtlich mehr Vollgeschosse berücksichtigt werden, als baurechtlich zulässigerweise errichtet werden können. Dem beugen ein großzügiger Divisor und eine Abrundungsregel vor. Die Divisionsregel stellt sich zusammen mit der Rundungsregel als zulässige Typisierung eines Mittelwerts der baulichen Ausnutzbarkeit eines Grundstücks in Hinblick auf die Anzahl der Vollgeschosse dar. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, nach dem die Rundung nach kaufmännischen oder mathematischen Regeln zu erfolgen hat. Der Divisor von 3,5, der für eine angenommene Vollgeschosshöhe von 3,5 Metern steht, begegnet keinen rechtlichen Bedenken (so bereits OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2007 – 1 L 256/06 –, juris Rn. 13 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 26.01.1979 – IV C 61.75 –, BVerwGE 57, 240 und § 21 Abs. 4 BauNVO; vgl. auch OVG Greifswald, Urt. v. 15.03.1995 – 4 K 22/94 –, juris Rn. 52).

65

f) Soweit § 9 Abs. 1 Trinkwasserbeitragssatzung einen Kostenerstattungsanspruch des Zweckverbandes für die auf Antrag des Grundstückseigentümers vorgenommene Herstellung eines weiteren oder Verlegung eines bestehenden Grundstücksanschlusses begründet, bestehen dagegen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar gehören gemäß §§ 1 Abs. 2, 7 Abs. 1 der Wasserversorgungssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt-D-Stadt vom 25. September 2006 (Wasserversorgungssatzung) in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 29. November 2013 sämtliche Grundstücksanschlüsse zur öffentlichen Einrichtung des Antragsgegners. Es gilt ferner der Grundsatz, dass Aufwendungen für die Herstellung von der öffentlichen Einrichtung zugehörigen Grundstücksanschlüssen nur über Beiträge gedeckt werden können und ein Erstattungsanspruch nur in Betracht kommt, wenn die Haus- bzw. Grundstücksanschlussleitungen nicht Teil der öffentlichen Einrichtung sind (OVG Greifswald, Urt. v. 16.07.2008 – 3 L 336/05 –, juris Rn. 35). Allerdings trifft das Gesetz in den Fällen von weiteren Grundstücksanschlüssen neben dem Erstanschluss mit § 10 Abs. 3 KAG M-V eine abschließende Regelung zur Refinanzierung, die unabhängig von der Frage eingreift, ob diese Grundstücksanschlüsse Teil der öffentlichen Einrichtung werden (Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz/Seppelt, KAG M-V, Stand August 2010, § 10, Anm. 8). Nach dieser Vorschrift ist für die Herstellung weiterer vom Anschlussberechtigten zusätzlich geforderter Anschlussleitungen und für die Beseitigung von Anschlüssen eine Kostenerstattung in Höhe des tatsächlich entstandenen Aufwandes als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu leisten. Als Beseitigung und Neuherstellung lässt sich die Verlegung eines Grundstücksanschlusses verstehen. Für diese Auffassung spricht zudem der Umstand, dass eine Kalkulation weiterer Grundstücksanschlüsse in den Herstellungsbeitrag nach § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V schon deshalb ausscheidet, weil sich dieser Aufwand schwerlich prognostizieren lässt.

66

g) Schließlich ist auch die Festsetzung des Beitragssatzes in § 5 Trinkwasserbeitragssatzung rechtlich nicht zu beanstanden. Diese beruht insbesondere auf einer ordnungsgemäßen Kalkulation.

67

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts muss dem Rechtssetzungsorgan – neben der Beschlussvorlage über die Satzung – bei der Beschlussfassung eine Kalkulation über den Abgabensatz vorliegen. Wird dem Vertretungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Abgabensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet oder ist die unterbreitete Abgabenkalkulation in einem für die Abgabensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Unwirksamkeit der Bestimmung des Abgabensatzes zur Folge. Die Unwirksamkeit eines festgelegten Abgabensatzes ist dabei dann anzunehmen, wenn erstens in erheblichem Umfang nicht beitragsfähiger Aufwand angesetzt und daher gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot verstoßen wird, oder zweitens, wenn erhebliche methodische Fehler die Feststellung unmöglich machen, ob das Aufwandsüberschreitungsverbot beachtet ist oder nicht. Die Unwirksamkeit der Festsetzung eines Abgabensatzes tritt als zwingende Folge immer dann ein, wenn die unterbreitete Kalkulation in einem für die Abgabenhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft ist, weil das Vertretungsorgan anderenfalls sein Ermessen nicht fehlerfrei ausüben kann (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, juris Rn. 63, 142, m.w.N.)

68

Wie der Aufwand für einen Herstellungsbeitrag zu kalkulieren ist, bestimmt sich im Wesentlichen nach § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 KAG M-V. Danach ist der Aufwand nach den tatsächlich entstandenen und voraussichtlich zu erwartenden Kosten unter Berücksichtigung der Leistungen und Zuschüsse Dritter zu ermitteln. Die Aufwandsermittlung hat für die gesamte öffentliche Einrichtung (Globalkalkulation) oder für einen sowohl zeitlich als auch hinsichtlich des Bauprogramms sowie der bevorteilten Grundstücke repräsentativen Teil der öffentlichen Einrichtung (Rechnungsperiodenkalkulation) zu erfolgen.

69

Entsprechend diesen gesetzlichen Vorgaben ist der Antragsgegner ausweislich der bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen „Kalkulation Baukostenbeitrag Trinkwasser“ verfahren. Es handelt sich dabei um eine gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V zulässige Globalkalkulation. Die Kalkulation ermittelte aufwandsseitig das zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bestehende Anlagevermögen einschließlich der tatsächlichen Investitionen aus dem Zeitraum 2006/09 zuzüglich der prognostizierten Investitionen für den Zeitraum bis zur geplanten endgültigen Herstellung der Anlage. Davon wurde das dem Betrieb der Anlage und nicht deren Herstellung dienende Anlagevermögen abgezogen. Ein Abzug erfolgte auch hinsichtlich des vom Verband unentgeltlich übernommenen Vermögens. Das entspricht der Rechtsprechung des Gerichts. Wenn eine Altanlage kostenlos übernommen wird, ist es rechtlich nicht zulässig, für diese einen Wert in die Kalkulation einzustellen, da es sich dabei nicht um Aufwand handelt, der dem Zweckverband für die Herstellung der Anlage tatsächlich entstanden ist. Etwas anderes gilt jedoch, wenn dabei Schulden übernommen werden. Diese können als eigener Aufwand in die Kalkulation eingestellt werden (OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 23). So ist hier verfahren worden.

70

Insoweit greift die Antragstellerin die Kalkulation des Beitragssatzes auch nicht an. Sie ist vielmehr der Auffassung, dass der Antragsgegner die bei der Kalkulation der Benutzungsgebühren gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2a KAG M-V eingestellten Abschreibungen in der Beitragskalkulation als Leistungen Dritter im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V aufwandsmindernd berücksichtigen müsse. Dem folgt der Senat nicht.

71

Allerdings ist der Antragstellerin im Ausgangspunkt zuzustimmen: Entscheidet sich der Träger der öffentlichen Einrichtung für ein gemischtes System der Refinanzierung aus Beiträgen und Gebühren, muss er sicherstellen, dass es nicht zu einer Doppelbelastung der Abgabenschuldner kommt. Der Senat hat das für die Fälle des – hier nicht vorliegenden – Systemwechsels von einem gemischten Refinanzierungssystem zu einem reinen Gebührenmodell bereits mehrfach ausgesprochen (OVG Greifswald, Urt. v. 03.05.2011 – 1 L 59/10 –, juris Rn. 106; OVG Greifswald, Beschl. v. 25.05.2009 – 1 M 157/08 –, juris Rn. 60), der angesprochene Rechtssatz gilt jedoch als allgemeiner Grundsatz über diese Fallgestaltung hinaus.

72

Der Antragstellerin ist jedoch nicht darin zu folgen, dass das Verbot der Doppelbelastung dazu führt, dass diejenigen Anschaffungs- und Herstellungskosten vom beitragsfähigen Aufwand abzusetzen sind, die der Höhe der Anteile für Abschreibungen in der Kalkulation der Benutzungsgebühren für die Anlage entsprechen. Das gilt unabhängig davon, ob man diesen Einwand nur auf die bei Inkrafttreten der Beitragssatzung schon vereinnahmten Abschreibungen, auf die bis zur endgültigen Herstellung der Anlage noch zu erwartenden gebührenfähigen Abschreibungen oder nur auf die Abschreibungen auf unentgeltlich übernommenen Anlagenbestandteile beziehen will. Die Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg, an die die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen anknüpft (OVG Berlin, Urt. v. 14.11.2013 – OVG 9 B 35.12 –, juris Rn. 51 ff.), lässt sich auf das Kommunalabgabenrecht in Mecklenburg-Vorpommern nicht übertragen.

73

Dagegen sprechen durchgreifend Wortlaut und Systematik des Gesetzes. Die Aufwandsermittlung ist in § 9 Abs. 2 KAG M-V ohne die Berücksichtigung von über die Benutzungsgebühr vereinnahmten Abschreibungen geregelt. Das verkennt auch die Antragstellerin nicht, die Abschreibungen deshalb als „Leistungen Dritter“ im Sinne der Vorschrift verstehen will. Gegen ein solches Gesetzesverständnis spricht aber in systematischer Hinsicht, dass das Gesetz selbst den Begriff der Abschreibung in § 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2a KAG M-V verwendet. Hätte der Gesetzgeber die Anrechnung von Abschreibungen auf den Herstellungsaufwand anordnen wollen, hätte es nahegelegen, dass er diesen Rechtsbegriff auch in § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V zur Anwendung bringt. Das Gesetz verwendet die Begriffe „Abschreibungen“, „Leistungen“ und „Zuschüsse“ in den §§ 6, 9 KAG M-V in differenzierter Weise. Dies zeigt sich insbesondere in dem Umstand, dass der Gesetzgeber im umgekehrten Fall einer Anrechnungsvorschrift – der Kürzung der Anlagewerte für Abschreibungen nach § 6 Abs. 2a Satz 1 bzw. der ertragswirksamen Auflösung der Beiträge gemäß § 6 Abs. 2a Satz 3 KAG M-V in der Gebührenkalkulation – den Rechtsbegriff des Beitrags in einer eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Weise benutzt. Es spricht nichts dafür, dass die mit Blick auf § 6 KAG M-V vergleichsweise wenig komplexe Anrechnungsvorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V über den Wortlaut hinaus auszulegen ist. „Leistungen Dritter“ im Sinne der Vorschrift sind Erlöse aus der Erhebung von privatrechtlich erhobenen Benutzungsentgelten, soweit diese der Refinanzierung von Herstellungskosten der öffentlichen Wasserversorgungsanlage dienten. Im Übrigen ist die Berücksichtigung von Erlösen aus der Erhebung von Beiträgen und Gebühren in einer Beitragskalkulation nach § 9 Abs. 2 KAG M-V nicht vorgesehen und damit prinzipiell unzulässig (OVG Greifswald, Urt. v. 24.04.2013 – 4 K 1/10 –, juris Rn. 53 ff., 62). Darauf würde eine aufwandsmindernde Berücksichtigung von (gebührenwirksamen) Abschreibungen indes hinauslaufen. Aus alledem ergibt sich, dass der Aufgabenträger der Gefahr einer Doppelbelastung der Abgabenschuldner nicht in der Kalkulation des Herstellungsbeitrags zu begegnen hat (so im Ergebnis auch VG Schwerin, Urt. v. 27.05.2011 – 8 A 898/10 –, juris Rn. 28 f. und VG Greifswald, Urt. v. 16.10.2014 – 3 A 509/13 –, juris Rn. 35).

74

Eine Gesetzesauslegung im Sinne der Antragstellerin ist auch deshalb nicht geboten, weil die Durchsetzung des Verbots der Doppelbelastung als systemübergreifende Ausprägung des Kostenüberdeckungsverbots an einem anderen Ort als der Aufwandsermittlung für den Herstellungsbeitrag näherliegt. Dazu kommen verschiedene Modelle in Betracht. Der Senat kann für diese Entscheidung offenlassen, ob das von der Antragstellerin grundsätzlich zu Recht aufgeworfene Problem bei der Kalkulation der Benutzungsgebühren, bei der Kalkulation von Erneuerungsbeiträgen, bei beiden Kalkulationsvorgängen oder auf andere Weise zu lösen ist, da dies für die hier zu beurteilende Frage der Wirksamkeit der Beitragssatzung unerheblich ist.

75

In Betracht kommt eine Anrechnung der nach § 6 Abs. 2a KAG M-V gekürzten Abschreibungen auf den beitragsfähigen Aufwand bei einem Erneuerungsbeitrag, soweit die Abschreibungen nicht der Tilgung von Herstellungskosten, sondern dazu dienen, den eintretenden Wertverzehr der Anlagegüter in der Rechnungsperiode abzugelten, um die Ersatzbeschaffung der Anlagegüter nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer zu finanzieren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.11.2012 – 9 BN 2/12 –, juris Rn. 3 m.w.N.; VG Cottbus, Urt. v. 10.02.2015 – 6 K 756/14 –, juris Rn. 54; ausdrücklich geregelt in § 8 Abs. 4 Satz 5 Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg: „Bei der Erneuerung von öffentlichen Einrichtungen und Anlagen bleiben die bei der Erhebung von Benutzungsgebühren nach § 6 Abs. 2 kalkulierten Abschreibungen außer Ansatz“). Erwägenswert erscheint dem Senat auch eine Verkürzung der gebührenfähigen Kosten der Anlage um die im Kalkulationszeitraum der Benutzungsgebühr vereinnahmten Herstellungsbeiträge (vgl. OVG Bautzen, Urt. v. 28.10.2010 – 5 D 5/06 –, juris Rn. 111, unter Verweis auf § 12 Abs. 1 SächsKAG), zumal sich das Gebührenrecht mit der Möglichkeit des Ausgleichs von Kostenunterdeckungen und Kostenüberdeckungen nach § 6 Abs. 2d Satz 2 KAG M-V und kürzeren Kalkulationsperioden im Vergleich zur Globalkalkulation eines Herstellungsbeitrags als im Sinne des Vorteilsprinzips anpassungsfähiger für in der Zukunft liegende Entwicklungen erweist. Schließlich hat der Senat erwogen, ob wegen der Kalkulation von Abschreibungen in die gebührenfähigen Kosten die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen überhaupt ausgeschlossen ist, soweit der Finanzbedarf der Ersatzinvestitionen nicht über den Finanzbedarf der Erstinvestition hinausgeht (in diesem Sinne Siemers, in: Aussprung/Siemers/Holz/Seppelt, KAG M-V, Stand Juli 2014, § 6, Anm. 6.3.2.4.2.3, unter Hinweis auf OVG Lüneburg, Urt. v. 09.10.1990 – 9 L 279/89 –, juris Rn. 7). Dabei wäre jedoch zu bedenken, dass § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V die Erhebung von Erneuerungsbeiträge ausdrücklich vorsieht und die Abschreibungen zudem wegen der eingenommenen Beiträge gemäß § 6 Abs. 2a KAG M-V zu kürzen sind.

76

Einer abschließenden Entscheidung bedürfen diese Fragen für das vorliegende Normenkontrollverfahren jedoch nicht.

77

3. Da der Antrag erfolglos bleibt, hat die Antragstellerin nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Grundlage der Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Antragsteller auferlegt.

3. Der Streitwert beträgt 595,53 EUR.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Anschlussbeiträgen (Schmutz- und Niederschlagswasser).

2

Der Antragsteller ist Erbbauberechtigter des Wohngrundstücks G1 in einer Größe von 394 m². Das im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 9 der Stadt Barth (Wohngebiet „ K.“) gelegene Grundstück ist seit dem Jahre 1998 an die zentrale Schmutz- und Niederschlagswasserbehandlungsanlage angeschlossen.

3

Die Erschließung des Wohngebietes erfolgt durch die Firma T. GmbH (im Folgenden: Erschließungsträger) auf Grundlage des zwischen der Stadt Barth und dem Erschließungsträger geschlossenen Erschließungsvertrages vom 20. Januar 1997.

4

In § 8 „Übernahme der Erschließungsanlagen“ heißt es:

5

(1) Alle öffentlichen Erschließungsanlagen im Wohngebiet „ K.“, lt. B-Plan Nr. 9 der Stadt Barth, werden nach Abnahme kostenfrei an diese übergeben. (…)

6

(2) Mit Erfüllung dieses Vertrages entstehen keine Ansprüche der Stadt auf Erhebung eines Erschließungsbeitrages nach dem BauGB bzw. eines Straßenausbaubeitrages nach dem KAG gegen den Erschließungsträger sowie den Erbbauberechtigten für die Anlagen, die im Rahmen dieses Erschließungsvertrages hergestellt werden; ausgenommen hiervon werden ausdrücklich Beiträge nach § 9 des Vertrages.

7

In § 9 „Kosten der Grundstücksentwässerung, Entwässerungsbeiträge“ heißt es weiter:

8

(1) Für die Anschlussmöglichkeit an die Kläranlage ist durch den Erschließungsträger ein Beitrag von 1,93 DM/m² Nettobauland aus dem Wohngebiet „ K.“ lt. B-Plan Nr. 9 an die Stadt zu zahlen. (…)

9

(2) Der Erschließungsträger und die Erbbaurechtserwerber werden für die außerhalb des B-Plangebietes „ K.“ entstandenen und anerkannten Kosten von Teilen der öffentlichen Abwasseranlage ansonsten nicht zu Entwässerungsbeiträgen herangezogen.

10

Der Erschließungsträger zahlte mit Blick auf die Vereinbarung in § 9 Abs. 1 Satz 1 des Erschließungsvertrages den Betrag von 390,06 EUR an die Stadt Barth.

11

Im Jahre 1998 erwarb der Antragsteller das Erbbaurecht vom Erschließungsträger.

12

Mit Bescheid vom 11. Juni 2014 zog der Antragsgegner den Antragsteller zu einem Anschlussbeitrag für das Grundstück Flurstück G1 i.H.v. 2.382,12 EUR heran. Der Betrag ergibt sich aus der Summe der Teilbeiträge Schmutz- und Niederschlagswasser i.H.v. 1.686,32 EUR und 1.085,86 EUR abzüglich des vom Erschließungsträger gezahlten Betrages von 390,06 EUR. Unter dem 2. Juli 2014 legte der Antragsteller Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Mit Schreiben vom 25. Juli 2014 setzte der Antragsgegner die Vollziehung bis zur Durchführung eines Gesprächstermins am 5. August 2014 an. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2014 wies der Antragsgegner den Rechtsbehelf zurück.

13

Am 30. September 2014 hat der Antragsteller z. Az. 3 A 878/14 Anfechtungsklage erhoben und um gerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht. Er ist der Auffassung, seine Heranziehung sei rechtswidrig. In formell-rechtlicher Hinsicht sei zu beanstanden, dass er vor dem Erlass des Beitragsbescheides nicht angehört worden sei. In materiell-rechtlicher Hinsicht fehle es an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Die im Jahre 2013 in Kraft getretene Abwasserbeitragssatzung erfasse nur Grundstücke, bei denen die Beitragspflicht nach ihrem Inkrafttreten entstanden sei. Dies erkläre sich vor dem Hintergrund, dass für Grundstücke, die – wie z.B. das des Antragstellers – vor dem Inkrafttreten der Abwasserbeitragssatzung an die Anlage angeschlossen worden seien, Zahlungen auf vertraglicher Grundlage erfolgt seien. Ungeachtet dessen stehe die Vereinbarung in § 9 Abs. 2 des Erschließungsvertrages der Beitragserhebung entgegen. Die Vereinbarung sei wirksam. Sie sei von der Stadt Barth freiwillig geschlossen worden. Ein Beitragsverzicht liege darin nicht, da die Stadt Barth den ausgehandelten Betrag vom Erschließungsträger erhalten habe. Es habe lediglich ein Schuldnerwechsel stattgefunden. Die Vereinbarung verstoße auch nicht gegen ein gesetzliches Verbot. Sie umfasse lediglich das Gebot, keine Beiträge zu erheben.

14

Der Antragsteller beantragt,

15

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Beitragsbescheid des Antragsgegners vom 11. Juni 2014 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 11. September 2014 anzuordnen.

16

Der Antragsgegner verteidigt den angegriffenen Bescheid und beantragt,

17

den Antrag abzulehnen.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Kammer haben bei der Entscheidung die beim Antragsgegner entstandenen Verwaltungsvorgänge sowie die beigezogenen Akten des Verfahrens 3 A 878/14 vorgelegen.

II.

19

Der zulässige Antrag ist unbegründet. Das Gericht ordnet die aufschiebende Wirkung der Klage in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 4 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) an, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Letzteres wird vom Antragsteller nicht geltend gemacht. Anhaltspunkte für eine unbillige Härte drängen sich auch nicht auf.

20

Entgegen der Auffassung des Antragstellers bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides. Er findet seine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung in der Stadt Barth (Abwasserbeitragssatzung – ABS) vom 24. Oktober 2013.

21

1. Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung bestehen im Prüfungsumfang des Eilverfahrens nicht. Ausweislich der dem Satzungsbeschluss zu Grunde liegenden Beschlussvorlage (BA-Abw/B/921/2013) erfolgte der Neuerlass der Abwasserbeitragssatzung zur Beseitigung der vom Verwaltungsgericht Greifswald in dem Urteil vom 29. November 2012 – 3 A 678/11 – festgestellten Fehler. Die Regelung der (schlichten) Tiefenbegrenzung in § 4 Abs. 2 Buchst. c ABS ist nicht zu beanstanden. Anders als die Festlegung der Tiefenbegrenzung in der dem Urteil vom 29. November 2012 zu Grunde liegenden Abwasserbeitragssatzung der Stadt Barth vom 26. August 2010 beruht die Festlegung der nunmehr normierten Tiefenbegrenzung auf einer Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe anhand mehrerer repräsentativer Straßen in der Ortslage (vgl. hierzu OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris). Von weiteren Darlegungen wird mit Blick auf den summarischen Charakter des Eilverfahrens abgesehen, zumal der Antragsteller diesbezügliche Einwände nicht geltend gemacht hat.

22

Auch die Maßstabsregelung für die Ermittlung des Niederschlagswasserbeitrags und dabei insbesondere die nunmehr in § 4 Abs. 6 Buchst. c Satz 2 ABS normierte Auffangregelung für Grundstücke, die nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen und bei denen die Baunutzungsverordnung (BauNVO) auch nicht über § 34 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) Anwendung findet, ist unter Vorteilsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Da der Antragsteller auch insoweit keine Einwände geltend macht, kann von weiteren Darlegungen ebenfalls abgesehen werden.

23

Fehlerhaft ist allerdings die Regelung über den Gegenstand der Beitragspflicht in § 2 Abs. 1 Buchst. c und d ABS, wonach Grundstücke der Beitragspflicht unterliegen, die über eine Anschlussleitung an die öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung, die zentrale Niederschlagswasserbeseitigung (verfügen) oder an beide genannten Einrichtungen angeschlossen werden können und wenn sie bebaut sind oder wenn sie gewerblich genutzt werden. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Vorschrift sprachlich fehlerhaft formuliert ist. Das im Klammerzusatz ergänzte Wort „verfügen“ fehlt in der Bestimmung. Es ergibt sich aber aus dem Sinn der Regelung, so dass von einem unschädlichen Redaktionsversehen auszugehen ist.

24

Ungenau ist auch die Verknüpfung der unterschiedlichen Varianten der Vorschrift. Ihre ersten beiden Varianten (vorhandene Anschlussleitung an die öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasser, vorhandene Anschlussleitung an die öffentliche Einrichtung der Niederschlagswasserbeseitigung) sind lediglich mit einem Komma getrennt, eine Konjunktion fehlt. Damit ist davon auszugehen, dass ein Grundstück bereits dann der Beitragspflicht unterliegt, wenn es über einen tatsächlichen Anschluss an eine der beiden genannten Einrichtung verfügt. Dies ist mit Blick auf den Umstand, dass die Stadt Barth gemäß § 1 Abs. 2 der Satzung über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentlichen Abwasseranlagen der Stadt Barth (Abwassersatzung – AwS) vom 20. Juni 2013 i.d.F. der ersten Änderung vom 24. Oktober 2013 jeweils selbstständige öffentliche Einrichtungen zur zentralen Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung betreibt, auch nicht zu beanstanden. Die dritte Variante der Vorschrift („… oder an beide genannten Einrichtungen angeschlossen werden können …“) lässt demgegenüber den Eindruck entstehen, dass bei Grundstücken, die bereits beim Bestehen einer Anschlussmöglichkeit der Beitragspflicht unterliegen, eine Anschlussmöglichkeit an beide Einrichtungen gegeben sein muss. Dies wäre mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Grundgesetz – GG) nicht zu vereinbaren, denn es ist kein Grund erkennbar, der es rechtfertigt, bei tatsächlich angeschlossenen Grundstücken jeweils gesondert Anschlussbeiträge für die Einrichtungen zur Schmutz- bzw. Niederschlagswasserbeseitigung zu erheben, bei Grundstücken, die bereits wegen des Bestehens einer Anschlussmöglichkeit der Beitragspflicht unterliegen, dagegen das Vorhandensein der Anschlussmöglichkeit an beide Einrichtungen zu fordern. Allerdings geht die Kammer davon aus, dass es sich auch insofern um ein unschädliches Redaktionsversehen handelt. Denn der Regelung über die Entstehung der Beitragspflicht in § 3 Abs. 1 ABS kann wegen der dort normierten Konjunktion „und/oder“ mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, dass auch in den Fällen, in denen das bloße Bestehen einer Anschlussmöglichkeit für die Entstehung der Beitragspflicht ausreicht, das Bestehen einer Anschlussmöglichkeit an eine der Einrichtungen gemeint ist.

25

Fehlerhaft und nicht durch Auslegung zu heilen ist jedoch der Umstand, dass nach § 2 Abs. 1 Buchst. c und d ABS (jeweils in der dritten Variante) auch Grundstücke der Beitragspflicht unterliegen, die an die öffentliche Einrichtung der Schmutzwasserbeseitigung bzw. der Niederschlagswasserbeseitigung angeschlossen werden können und die baulich bzw. gewerblich genutzt werden. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist auf Außenbereichsgrundstücke (§ 35 BauGB) beschränkt. Hierzu zwingt der Umkehrschluss aus den übrigen Bestimmungen des § 2 Abs. 1 ABS. § 2 Abs. 1 Buchst. a ABS betrifft Grundstücke im Geltungsbereich von Bebauungsplänen (vgl. § 30 BauGB), denn nur dort kann eine bauliche oder gewerbliche Nutzung „festgesetzt“ sein. § 2 Abs. 1 Buchst. b ABS bezieht sich auf Grundstück im unbeplanten Innenbereich (§ 34 Abs. 1 BauGB), denn nur diese Grundstücke können „nach der Verkehrsauffassung Bauland“ sein; bei Außenbereichsflächen scheidet eine solche Annahme regelmäßig aus (vgl. § 35 Abs. 2 BauGB). Die Annahme einer Beitragspflicht für bebaute oder gewerblich genutzte Außenbereichsgrundstücke bereits beim Vorliegen einer Anschlussmöglichkeit ist mit dem Vorteilsprinzip nicht zu vereinbaren. Denn bei diesen Grundstücken ist die Vorteilslage – anders als bei Grundstücken im Geltungsbereich von Bebauungsplänen und im unbeplanten Innenbereich – erst gegeben, wenn das Grundstück an die zentrale Abwasseranlage tatsächlich angeschlossen ist (OVG Greifswald, Urt. v. 15.04.2009 – 1 L 205/07 –, juris Rn. 43).

26

Die Fehlerhaftigkeit der Bestimmung des § 2 Abs. 1 Buchst. c und d ABS schlägt aber nicht auf die übrigen Bestimmungen der Vorschrift durch. Denn deren Regelungsbereiche sind logisch von dem des § 2 Abs. 1 Buchst. c und d ABS trennbar. Die verbleibenden Regelungen des § 2 Abs. 1 und 2 ABS sind auch vollständig, denn die Bestimmungen decken die drei allein in Betracht kommenden Fallgruppen (Grundstücke im Geltungsbereich von Bebauungsplänen – § 2 Abs. 1 Buchst. a ABS, Grundstücke im unbeplanten Innenbereich – § 2 Abs. 1 Buchst. b ABS und tatsächlich angeschlossene Grundstücke im Außenbereich – § 2 Abs. 2 ABS) vollständig ab. Offen bleiben kann auch, ob und in welchem Umfang auf Grundlage des § 2 Abs. 1 Buchst. c und d ABS Beitragseinheiten auf der Flächenseite der Beitragskalkulation berücksichtigt worden sind. Deren Berücksichtigung wäre zwar unzulässig. Der – hier nur unterstellte – Fehler führt jedoch lediglich dazu, dass die Anzahl der Beitragseinheiten überhöht ist. Wegen der damit verbundenen Absenkung des (höchstzulässigen) Beitragssatzes führt dies nicht zu einer Benachteiligung der Beitragspflichtigen. Es liegt damit ein Fall der Teilnichtigkeit nach dem Rechtsgedanken aus § 139 BGB vor.

27

2. Die Rechtsanwendung durch den Antragsgegner ist nicht zu beanstanden.

28

a. Dies gilt zunächst in formell-rechtlicher Hinsicht. Soweit eine Anhörung nach § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 91 Abgabenordnung (AO) erforderlich gewesen sein sollte, wäre der in ihrem Unterbleiben liegende Fehler dadurch geheilt worden, dass sich der Antragsgegner im Widerspruchsverfahren mit den Einwänden des Antragstellers auseinandergesetzt hat, § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 126 Abs. 1 Nr. 3 Abs. 2 AO. Ungeachtet dessen ist der – hier nur unterstellte – Anhörungsfehler nach § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 127 AO unbeachtlich. Nach dieser Bestimmung kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 125 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da der Bescheid nämlich materiell-rechtlich nicht zu beanstanden ist (dazu sogleich).

29

b. In materiell-rechtlicher Hinsicht ist die Rechtsanwendung durch den Beklagten ebenfalls nicht zu beanstanden.

30

aa. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die sachliche Beitragspflicht für sein Grundstück entstanden, obwohl es bereits im Jahre 1998 und damit weit vor dem Inkrafttreten der Abwasserbeitragssatzung an die zentralen Einrichtungen zur Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung angeschlossen wurde. Dies folgt aus § 3 Abs. 1 ABS i.V.m. § 9 Abs. 3 KAG M-V. Nach der zuletzt genannten Bestimmung, an deren Verfassungsgemäßheit auch mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (– 1 BvR 2457/08 –) keine Zweifel bestehen (eingehend: OVG Greifswald, Urt. v. 01.04.2014 – 1 L 142/13 –, S. 22 ff. des Entscheidungsumdrucks), entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Die Vorschrift gibt damit keine bestimmte zeitliche Reihenfolge für das Vorliegen der Entstehungsvoraussetzungen der sachlichen Beitragspflicht vor. Ausreichend – aber auch erforderlich – ist das Vorliegen eines Anschlusses bzw. einer Anschlussmöglichkeit des Grundstücks und die Existenz einer wirksamen Beitragssatzung. Liegen beide Voraussetzungen vor, so entsteht ungeachtet der zeitlichen Reihenfolge ihres Eintritts die sachliche Beitragspflicht. Daraus folgt, dass bei Grundstücken, die – wie hier – vor dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung an die Anlage angeschlossen worden sind, die sachliche Betragspflicht gleichwohl erst mit dem Inkrafttreten dieser Satzung entsteht.

31

Die Abwasserbeitragssatzung vom 24. Oktober 2013 ist die erste wirksame Satzung in diesem Sinne. Die Abwasserbeitragssatzung der Stadt Barth vom 26. August 2010 ist ausweislich des bereits benannten Urteils des VG Greifswald vom 29. November 2012 unwirksam. Die darin normierte Tiefenbegrenzung beruht nicht auf einer ordnungsgemäßen Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe im Verbandsgebiet. Dieser Fehler, der erst „bekannt“ ist, seitdem das OVG Mecklenburg-Vorpommern in dem Urteil vom 14.12.2010 (– 4 K 12/07 –) die Anforderungen an die Ermittlung der Tiefenbegrenzung definiert hat, haftet sämtlichen Vorgängersatzungen an, so dass von einer Einzeldarstellung abgesehen werden kann.

32

bb. Der Umstand, dass das Grundstück des Antragstellers nicht in Eigenregie der Stadt Barth, sondern auf Grundlage des genannten Erschließungsvertrages erschlossen wurde, steht der Entstehung der Beitragspflicht ebenfalls nicht entgegen. Richtig ist zwar, dass dem Antragsgegner in Ansehung der „inneren“ Erschließung, also der innerhalb des Erschließungsgebietes gelegenen leitungsgebundenen Erschließungsanlagen kein beitragsfähiger Aufwand entstanden ist, weil diese Anlagen vom Erschließungsträger auf eigene Rechnung hergestellt worden sind (vgl. § 8 Abs. 1 des Erschließungsvertrages). Hierum geht es vorliegend jedoch nicht. Denn die Kosten, die dem Erschließungsträger auf Grundlage eines Erschließungsvertrages i.S.d. § 124 a.F. BauGB (vgl. insbesondere § 124 Abs. 2 BauGB) entstehen, sind einer Beitragserhebung generell entzogen („Regimeentscheidung“, vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 6 Rn. 10 ff.). Demgemäß dient die vorliegende Beitragserhebung auch nicht der Refinanzierung des Aufwandes für die „innere“ Erschließung, sondern der „äußeren“ Erschließung, d.h. der außerhalb von Erschließungsgebieten gelegenen Bestandteile der öffentlichen Einrichtungen zur zentralen Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung.

33

cc. Auch § 9 des Erschließungsvertrages schließt die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nicht aus, denn die darin getroffene Vereinbarung ist nichtig. Trotz des kommunalabgabenrechtlichen Bezugs der Vereinbarung ist Prüfungsmaßstab für ihre Wirksamkeit die Bestimmungen über den öffentlich-rechtlichen Vertrag nach den §§ 54 ff. Landesverwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG M-V). Zwar bestimmt § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG M-V, dass die Vorschriften dieses Hauptteiles (§ 2 bis § 93 VwVfG M-V) nicht für Verfahren gelten, die nach den Vorschriften der vorliegend Kraft der Verweisung in § 12 Abs. 1 KAG M-V anzuwendenden Abgabenordnung durchzuführen sind. Vom grundsätzlichen Ausschluss der Anwendung der Vorschriften des ersten Hauptteiles des VwVfG M-V normiert § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG M-V lediglich die Ausnahme, dass die (vorliegend nicht einschlägigen) Bestimmungen der § 61 Abs. 3 und § 80 Abs. 4 Nr. 2 VwVfG M-V hiervon unberührt bleiben. Dennoch geht die Kammer von der Anwendbarkeit der §§ 54 ff. VwVfG M-V aus. Weil die Abgabenordnung keine Regelungen für den öffentlich-rechtlichen Vertrag enthält, kann er nicht "nach den Vorschriften der Abgabenordnung" durchgeführt werden. Damit schließt § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG M-V eine Anwendbarkeit der Bestimmungen der § 54 ff. VwVfG M-V nicht aus. Da aber die Abgabenordnung in § 78 Nr. 3 AO das Institut des öffentlich-rechtlichen Vertrages ausdrücklich anerkennt, kann aus dem Fehlen entsprechender Bestimmungen nicht auf eine "Sperrwirkung" der Abgabenordnung geschlossen werden.

34

Nach § 59 Abs. 1 VwVfG M-V ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ergibt. § 134 BGB bestimmt, dass ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig ist, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dass es sich bei dem Erschließungsvertrag um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handelt, kann mit Blick auf § 124 Abs. 2 BauGB a.F. keinen Zweifeln unterliegen. Die Vereinbarung verstößt gegen den zum damaligen Zeitpunkt geltenden § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993. Die Vorschrift normiert eine Beitragserhebungspflicht. Diese begründet ein gesetzliches Verbot i.S.d. § 134 BGB, auf die Erhebung von Beiträgen ganz oder teilweise zu verzichten. Das Abgabenrecht wird von dem Grundsatz beherrscht, dass die Abgabenerhebung nur nach Maßgabe der Gesetze und nicht abweichend von den gesetzlichen Regelungen aufgrund von Vereinbarungen zwischen Abgabengläubiger und Abgabenschuldner erfolgen darf. Daraus folgt, dass andere Vereinbarungen über die (endgültige) Finanzierung beitragspflichtiger Anlagen als ein Ablösevertrag nach § 8 Abs. 9 KAG 1993 bzw. § 7 Abs. 5 KAG M-V ausgeschlossen sind (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 03.08.2005 – 3 A 211/04 –, juris Rn. 19).

35

Bei der Vereinbarung in § 9 des Erschließungsvertrages handelt es sich nicht um einen wirksamen Ablösevertrag. Nach der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Bestimmung des § 8 Abs. 9 KAG 1993 können die Beitragsberechtigten Bestimmungen über die Ablösung des Beitrages im Ganzen vor Entstehen der Beitragspflicht treffen. Zwar ist sie im Einklang mit § 8 Abs. 9 letzter Halbsatz KAG 1993 vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht geschlossen worden, da zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Anschlussmöglichkeiten für die im Erschließungsgebiet gelegenen Grundstücke nicht bestanden. Auch war es ausweislich § 9 Abs. 2 des Erschließungsvertrages das Ziel der Vertragsparteien, mit der Zahlung des vereinbarten Betrages eine spätere Beitragserhebung auszuschließen. Gleichwohl kann in der Vereinbarung keine wirksame Ablösung erblickt werden. Denn die Kommunen und Zweckverbände konnten (und können) von der Ermächtigung in § 8 Abs. 9 KAG 1993 bzw. § 7 Abs. 5 KAG M-V nur Gebrauch machen, wenn sie zuvor die über die Ablösung zu treffenden "Bestimmungen" erlassen haben. Demgemäß ist eine Ablösungsvereinbarung nichtig, wenn sie abgeschlossen worden ist, bevor ausreichende Ablösungsbestimmungen getroffen worden sind (allg. Ansicht: vgl. Aussprung in: ders./Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 07/2013, § 7 Anm. 16.1 m.w.N.).

36

Bereits diese Voraussetzung fehlt hier. Denn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses existierten keine Ablösebestimmungen. Dies aus zwei Gründen: Zum einen sah die damals Geltung beanspruchende Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung der Stadt Barth (Kanalbaubeitragssatzung – KBS) vom 26. März 1996 eine Ablösung von Anschlussbeiträgen nicht vor. Zum anderen ist die Satzung unwirksam. Ungeachtet der Frage der ordnungsgemäßen Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe und damit der Frage der Wirksamkeit der in § 4 Abs. 3 KBS normierten Tiefenbegrenzung folgt die Nichtigkeit der Satzung aus dem Umstand, dass sie Altanschließer privilegiert. Nach § 2 Abs. 3 KBS zahlen Grundstücke, die bereits vor (dem) Inkrafttreten des KAG Mecklenburg-Vorpommern voll an die öffentliche Einrichtung Abwasserbeseitigung angeschlossen waren, zur Abdeckung des Vorteils der verbesserten Reinigung durch die Kläranlage, wenn das Grundstück an die neue Kläranlage angeschlossen ist, den Beitragssatz aus § 4 Abs. 10 c. Diese Vorschrift sieht einen gegenüber dem allgemeinen Schmutzwasserbeitrag abgesenkten „Klärwerksbeitrag“ vor. Die Privilegierung altangeschlossener Grundstücke ist unzulässig. Sie ist vorteilswidrig und verletzt den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) (allg. Ansicht: vgl. Aussprung a.a.O. § 9 Anm. 2.5.2.2 m.w.N.).

37

Die Ablösungsvereinbarung ist auch aus inhaltlichen Gründen unwirksam. Beim Abschluss eines solchen Vertrages sind die Beteiligten nicht „frei". Insbesondere handelt die Behörde nicht in Ausübung einer privatautonomen Gestaltungsbefugnis, sondern unterliegt der strengen Gesetzesbindung. Daraus folgt nicht nur, dass ein Ablösungsvertrag nur in Bezug auf eine beitragsfähige Maßnahme geschlossen werden darf, sondern auch, dass die Höhe des Ablösungsbetrages nach beitragsrechtlichen Kriterien zu ermitteln ist (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 03.08.2005 – 3 A 211/04 –, juris Rn. 21). Dies trifft auf den in § 9 Abs. 1 des Erschließungsvertrages vereinbarten Betrag von 1,93 DM/m² Nettobauland nicht zu. Zwar orientiert sich der Betrag offensichtlich an dem Beitragssatz in § 4 Abs. 10 Buchst. c Satz 2 KBS. Allerdings ist der Rückgriff auf diese Bestimmung willkürlich, denn sie beanspruchte gemäß § 2 Abs. 3 KBS lediglich für sogenannte altangeschlossene Grundstücke Geltung. Unabhängig von der Frage ihrer Wirksamkeit (s.o.) konnte sie in Bezug auf (unerschlossene) Grundstücke in Erschließungsgebieten keine Anwendung finden. Für diese Grundstücke hätte der Ablösungsbetrag nach den in § 4 Abs. 10 Buchst. a und b KBS normierten deutlich höheren Beitragssätzen bestimmt werden müssen. Dies ist jedoch – wie dargelegt – nicht erfolgt.

38

Selbst wenn man trotz der vorstehenden Erwägungen von der Wirksamkeit der Ablösungsvereinbarung ausgeht, ist der Antragsgegner dennoch zur Erhebung des Differenzbetrages zwischen der Ablösungssumme und dem tatsächlich bestehenden Beitragsanspruch berechtigt. Denn der vereinbarte Ablösungsbetrag beläuft sich nur auf etwa 23 v.H. des Beitragsanspruchs (Schmutzwasser). Damit wird die vom Bundesverwaltungsgericht definierte absolute Missbilligungsgrenze von 50 v.H. (Urt. v. 09.11.1990 – 8 C 36/89 –, juris Rn. 15) deutlich unterschritten, was den Antragsgegner zur Nacherhebung berechtigt und verpflichtet.

39

dd. Da der Beitragsanspruch des Antragsgegners erst im Jahre 2013 entstanden ist, scheidet die Annahme seines Erlöschens wegen Festsetzungsverjährung (§ 47 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V) von vornherein aus.

40

ee. Weiter hat der Antragsgegner sein Recht, den Beitragsanspruch gegenüber dem Antragsteller geltend zu machen, nicht verwirkt (vgl. § 242 BGB). Als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung bedeutet Verwirkung, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete in Folge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung) (OVG Greifswald, Urt. v. 02.11.2005 – 1 L 105/05 –, juris Rn. 81).

41

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Geht man davon aus, dass nur ein bereits entstandener Beitragsanspruch der Verwirkung unterliegen kann (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 28.02.2002 – 2 S 2327/01 –, juris Rn. 39), scheidet ihre Annahme bereits deshalb aus, weil der Anspruch erst mit dem Inkrafttreten der Abwasserbeitragssatzung vom 24. Oktober 2013 entstanden ist (s.o. S. 8), so dass von einer verspäteten Geltendmachung keine Rede sein kann.

42

Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn man davon ausgeht, dass mit dem Recht der Beitragserhebung nicht ein konkret bestehender Anspruch, sondern – in einem weiteren Sinne – allgemein die Befugnis zur Beitragserhebung gemeint ist, die in Mecklenburg-Vorpommern seit dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes 1991 besteht. Im Falle des Antragstellers wäre die Erhebung eines Anschlussbeitrages ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Vorteilslage – dem Zeitpunkt der Schaffung der Anschlussmöglichkeit an die zentralen Schmutz- und Niederschlagswasserbehandlungsanlagen im Jahre 1998 – möglich gewesen. Bezogen auf diesen Zeitpunkt erfolgte die Beitragserhebung im Jahre 2013 ohne Zweifel verspätet. Dennoch konnte keine Vertrauensgrundlage dahingehend entstehen, dass Anschlussbeiträge nicht erhoben werden. Zwar sieht § 9 Abs. 2 des von der Stadt Barth mit dem Erschließungsträger geschlossenen Erschließungsvertrages vom 20. Januar 1997 genau diese Rechtsfolge vor. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Erschließungsträgers und seiner Rechtsnachfolger konnte dadurch jedoch nicht begründet werden, denn die Bestimmung des Ablösungsbetrages anhand des abgesenkten Beitragssatzes für „altangeschlossene“ Grundstücke (§ 4 Abs. 10 Buchst. a Satz 2 KBS) ist – wie bereits ausgeführt – willkürlich. Der Erschließungsträger und seine Rechtsnachfolger sollten im Verhältnis zu anderen Eigentümern „neuangeschlossener“ Grundstücke, für die gemäß § 4 Abs. 10 Buchst. a und b KBS deutlich höhere Beitragssätze gelten sollten, entlastet werden, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich ist. Der Fehler ist auch offensichtlich, da § 3 Abs. 2 der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Geltung beanspruchenden Kanalbaubeitragssatzung vom 26. März 1996 die Anwendung des abgesenkten Beitragssatzes ausdrücklich auf „altangeschlossene“ Grundstücke beschränkt.

43

Ungeachtet dessen ist darauf hinzuweisen, dass sich der Antragsteller nicht auf eine Verwirkung des Beitragsanspruchs beruft. Daher fehlen Angaben zum Vertrauenstatbestand und zur Vertrauensbetätigung, so dass die Annahme einer Verwirkung auch aus diesem Grund ausscheidet (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 29.11.2006 – 3 B 1909/06 –, juris Rn. 6).

44

ff. Schließlich steht der Geltendmachung des Beitragsanspruchs auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Dies wäre dann der Fall, wenn die betroffenen Eigentümer durch die Beitragserhebung in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt würden, so etwa, wenn dem Abgabengläubiger eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint (BVerwG, Urt. v. 20.03.2014 – 4 C 11/13 –, juris Rn. 31). Die Erwägungen der zur Erhebung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags nach § 154 ff. BauGB ergangenen Entscheidung sind wegen einer vergleichbaren Risikosituation der Abgabenpflichtigen – der Ausgleichsanspruch entsteht unabhängig vom Zeitpunkt des Eintritts der Vorteilslage gemäß § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB erst nach Abschluss der Sanierung, auch wenn dieser von der Gemeinde verzögert wird – auf die Erhebung von Anschlussbeiträgen übertragbar.

45

In der – bezogen auf den Zeitpunkt des Eintritts der Vorteilslage – verzögerten Beitragserhebung allein liegt noch keine Treuwidrigkeit. Treuwidrig ist die Abgabenerhebung erst dann, wenn es aufgrund einer Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren (BVerwG a.a.O. Rn. 32). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Verzögerung beruht ersichtlich auf dem gerichtsbekannten Umstand, dass die Stadt Barth in der Vergangenheit erhebliche Schwierigkeiten hatte, eine wirksame Beitragssatzung als Voraussetzung für eine rechtmäßige Beitragserhebung zu erlassen. In Bezug auf den Antragsteller kommen offenbar auch Auslegungsschwierigkeiten in Bezug auf die bereits benannten Bestimmungen des Erschließungsvertrages hinzu.

46

Auch die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften führen vorliegend nicht zur Annahme des Treuwidrigkeitstatbestandes. Nach § 53 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG) beginnt eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist zwar auf die Erhebung von Anschlussbeiträgen nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unabhängig vom Zeitpunkt seiner Entstehung (vgl. § 199 BGB) auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, kann aber zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden (BVerwG a.a.O., Rn. 32). Die Erhebung von Anschlussbeiträgen ist damit generell ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen.

47

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG), wobei der streitige Abgabenbetrag für das Eilverfahren zu vierteln war.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen.

2

Er ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung M., Flur ..., Flurstück 17..., welches an die M.straße angrenzt. Diese besteht aus einem Hauptzug sowie einer hiervon abgehenden Stichstraße. In den Jahren 1970/71 wurde sie als Baustraße angelegt. Die M.straße und das Grundstück des Klägers liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 19 aus dem Jahr 1969. Im Zuge eines vom Kläger eingeleiteten Baugenehmigungsverfahrens zur Errichtung eines Wohngebäudes übersandte ihm die Beklagte den Entwurf eines Ablösungsvertrags, mit dem Hinweis, der Kläger werde im Falle des Vertragsabschlusses nach der endgültigen Herstellung der Straße nicht zu einem weiteren Erschließungsbeitrag oder zur Nachzahlung etwaiger Mehrkosten herangezogen. Die Beteiligten unterzeichneten den Vertrag unter dem 2. Mai 1972. Darin verpflichtete sich der Kläger, die auf sein Grundstück anfallenden anteiligen Kosten des Ausbaus der Erschließungsanlagen als Vorausleistung auf den später entstehenden Erschließungsbeitrag zu zahlen. Die Höhe der Vorausleistung sollte die Beklagte nach Vorliegen der Beitragssätze für das Abrechnungsgebiet der M.straße errechnen. Darüber hinaus vereinbarten die Beteiligten, die Vorausleistung solle gemäß § 133 Abs. 3 Satz 2 BBauG den für das Grundstück nach der Herstellung der Erschließungsanlagen zu zahlenden Erschließungsbeitrag endgültig tilgen. Ein Anspruch des Klägers, den Ausbau der Erschließungsanlage zu einem bestimmten Zeitpunkt zu verlangen, wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Unter Zugrundelegung des in der damaligen Erschließungsbeitragssatzung festgelegten Einheitssatzes sowie unter Berücksichtigung weiterer Kosten veranschlagte die Beklagte den beitrags- und umlagefähigen Gesamtaufwand auf 261 272,47 DM und verteilte diesen auf die zu erschließenden Grundstücke anhand deren Flächen und Frontlängen. Den danach auf den Kläger entfallenden Betrag in Höhe von 3 594,33 DM zahlte dieser nachfolgend.

3

Die M.straße wurde im Jahr 2007 endgültig hergestellt und im Februar 2012 dem öffentlichen Verkehr gewidmet. Den umlegungsfähigen Erschließungsaufwand ermittelte die Beklagte mit 277 939,35 € (Hauptzug) und 129 232,80 € (Stichstraße). Nach Anhörung des Klägers begründete die Beklagte die beabsichtigte Nacherhebung von Erschließungsbeiträgen mit dem Überschreiten der sogenannten Missbilligungsgrenze, da der auf das Grundstück des Klägers entfallende Erschließungsbeitrag den von ihm gezahlten Ablösungsbetrag um mehr als das Doppelte übersteige. Mit Bescheid vom 23. August 2012 zog die Beklagte den Kläger zu einem Erschließungsbeitrag i.H.v. 8 003,58 € heran und setzte die noch zu erbringende Zahlung unter Anrechnung der Ablösungssumme i.H.v. umgerechnet 1 837,75 € auf 6 165,83 € fest.

4

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid mit Urteil vom 28. November 2013 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, mit der Erfüllung der Zahlungsverpflichtung aus dem Ablösungsvertrag sei die Erschließungsbeitragspflicht des Klägers erloschen. Der preissteigerungsbedingte Wertverlust der Ablösungssumme sei der Risikosphäre der Beklagten zuzurechnen. Eine Anpassung des Vertrags nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage scheide deshalb aus. Aufgrund der vorliegenden Besonderheiten sei dessen Wirksamkeit auch nicht durch Anwendung der Missbilligungsgrenze entfallen. Mit der Regelung, dass allein die Beklagte den Zeitpunkt des Straßenausbaus bestimme, habe sie die mit einem späteren Ausbau verbundenen Risiken übernommen. Eine Zeitdauer von fast 40 Jahren zwischen der Ablösungsvereinbarung und der Herstellung der Erschließungsanlage führe zudem regelmäßig zu einem Überschreiten der Missbilligungsgrenze. Bei deren ausnahmsloser Geltung könne die Gemeinde dem Ablösungsvertrag durch einen verzögerten Ausbau die vereinbarten Rechtswirkungen nehmen. Aus § 133 Abs. 3 BauGB folge, dass die Gemeinde nach der Vereinnahmung von Vorausleistungen Erschließungsanlagen zeitnah herstellen müsse. Auch deshalb dürften Nachteile einer verspäteten Herstellung nicht dem Beitragspflichtigen aufgebürdet werden.

5

Die Beklagte macht mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision, deren Einlegung der Kläger vorab in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zugestimmt hat, geltend, der Ablösungsvertrag habe seine Wirksamkeit verloren. Die Missbilligungsgrenze gelte ausnahmslos und damit auch dann, wenn die Differenz zwischen dem Ablösungsbetrag und dem Erschließungsbeitrag auf einem langen Zeitraum zwischen dem Vertragsschluss und der Entstehung der Beitragspflicht beruhe. Es widerspreche der Beitragsgerechtigkeit, den Grundstückseigentümer, der keinen Ablösungsvertrag geschlossen habe, trotz vergleichbarem Erschließungsvorteil mit höheren Erschließungskosten als denjenigen zu belasten, der einen Vertrag geschlossen habe. Aufgrund der gesetzlichen Beitragserhebungspflicht könne die Differenz zwischen der Ablösungssumme und dem Erschließungsbeitrag nicht der Gemeinde aufgebürdet werden.

6

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 28. November 2013 zu ändern und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Beklagte aufgrund des mit dem Kläger wirksam geschlossenen Vertrags vom 2. Mai 1972 (1.) kein Recht zur Nacherhebung der Differenz zwischen dem damaligen Ablösungsbetrag und dem nunmehr auf das Grundstück des Klägers entfallenden Erschließungsbeitrag hat. Soweit im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 1990 (8 C 36.89 - BVerwGE 87, 77) eine absolute Missbilligungsgrenze entwickelt worden ist, hält der Senat daran nicht fest (2.). Auch nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage kann die Beklagte weder die Anpassung des Vertrags verlangen noch von ihm zurücktreten (3.).

9

1. Der Kläger und die Beklagte haben im Vertrag vom 2. Mai 1972 wirksam die Ablösung des künftigen Erschließungsbeitrags des Klägers vereinbart.

10

Gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB entsteht die Beitragspflicht des Eigentümers oder Erbbauberechtigten eines Grundstücks für den darauf entfallenden Anteil am beitragsfähigen Erschließungsaufwand mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage. Ist die Erschließung demnach grundsätzlich von der Gemeinde vorzufinanzieren, so kann diese gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB schon vor Entstehung der Beitragspflicht Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag erheben. Alternativ hierzu eröffnet § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB - wie auch die bei Abschluss des vorliegenden Ablösungsvertrags geltende Vorgängerregelung des § 133 Abs. 3 Satz 2 BBauG - den Gemeinden als Ausnahme von dem gesetzlichen Verbot vertraglicher Vereinbarungen über Erschließungskosten die Möglichkeit, mit dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten eines Grundstücks vor Entstehung der Beitragspflicht einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Ablösung des gesamten Erschließungsbeitrags zu schließen (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Januar 1982 - 8 C 24.81 - BVerwGE 64, 361 <363 f.> und vom 1. Dezember 1989 - 8 C 44.88 - BVerwGE 84, 183 <188>). Ein solcher Ablösungsvertrag bewirkt, dass ein anderenfalls mit Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflicht begründetes abstraktes Schuldverhältnis zwischen der Gemeinde und dem Grundeigentümer gar nicht erst entsteht, indem schon in einem Zeitpunkt, in dem die Anlage noch nicht endgültig hergestellt und folglich die Höhe des dafür anfallenden Aufwands nicht bekannt ist, eine abschließende vertragliche Regelung über die Belastung eines Grundstücks mit Erschließungskosten getroffen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 1990 - 8 C 36.89 - BVerwGE 87, 77 <79>).

11

Voraussetzung für das wirksame Zustandekommen eines solchen Vertrags ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 2 BBauG, § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB, dass eine Ablösung des Erschließungsbeitrags im Ganzen und vor Entstehen der Beitragspflicht für ein später der Beitragspflicht unterliegendes Grundstück erfolgt. Darüber hinaus müssen der Vereinbarung Ablösungsbestimmungen der Gemeinde zugrunde liegen, die festlegen, wie der mutmaßliche Erschließungsaufwand ermittelt und verteilt werden soll. Dabei ist die Gemeinde nicht verpflichtet, den Ablösungsbestimmungen und der Erschließungsbeitragssatzung einen identischen Verteilungsmaßstab zugrunde zu legen. Der in den Ablösungsbestimmungen enthaltene Verteilungsmaßstab muss jedoch geeignet sein, den für eine bestimmte Erschließungsanlage mutmaßlich entstehenden beitragsfähigen Aufwand angemessen vorteilsgerecht den Grundstücken zuzuordnen. Maßgebend ist insoweit, dass die Vertragsparteien von der Eignung des Verteilungsmaßstabs ausgegangen sind und ausgehen konnten (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1982 - 8 C 24.81 - BVerwGE 64, 361 <365 ff.>). Dies schließt die missbräuchliche Vereinbarung eines von Anfang an offenkundig zu geringen oder überhöhten Ablösungsbetrags aus.

12

Diesen Anforderungen genügt der vorliegende Vertrag. Ihm liegen mit der Anknüpfung an die seinerzeit geltende Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten insbesondere hinreichende Ablösungsbestimmungen zugrunde (vgl. § 12 der Erschließungsbeitragssatzung vom 22. Dezember 1969 i.d.F. der Änderungssatzung vom 22. März 1971). Dies gilt auch insofern, als der Ablösungsbetrag im Vertrag nicht bestimmt, sondern einer künftigen - sodann unter dem 13. März 1973 erfolgten - Berechnung vorbehalten wurde, da er durch die Bezugnahme auf die Erschließungsbeitragssatzung jedenfalls bestimmbar war.

13

2. Erlaubt das Gesetz mithin eine abschließende Ablösungsvereinbarung zu einem Zeitpunkt, in dem regelmäßig noch (erhebliche) Unsicherheiten über den weiteren Geschehensablauf bis zur endgültigen Herstellung der beitragsfähigen Erschließungsanlage einschließlich der Höhe des dafür entstehenden Aufwands bestehen, so sind Ablösungsverträgen beträchtliche Risiken - insbesondere die Gefahr einer Abweichung des Erschließungsbeitrags von der Ablösungssumme - immanent (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 1990 - 8 C 36.89 - BVerwGE 87, 77 <79 f.>). Die Realisierung eines solchen ablösungstypischen Risikos allein lässt daher die Wirksamkeit des Vertrags unberührt.

14

a) Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings im vorgenannten Urteil ausgeführt, die geltende Rechtsordnung lasse keine uneingeschränkte Verwirklichung dieser Risiken zu. Vielmehr setze das Erschließungsbeitragsrecht dem Ausmaß einer von den Vertragspartnern hinzunehmenden Differenz zwischen der Höhe eines Ablösungsbetrags und der Höhe eines (ohne die Ablösung) auf ein Grundstück entfallenden Erschließungsbeitrags eine absolute Grenze ohne Rücksicht darauf, ob diese Differenz auf ablösungstypische Risiken zurückgehe. Der Ablösungsbetrag sei als ein vorgezogener Erschließungsbeitrag in das Regelungssystem des gesetzlichen Erschließungsbeitragsrechts eingebettet. Aus der gesetzlichen Beitragserhebungspflicht sowie dem Gebot der Abgabengerechtigkeit folge eine Missbilligungsgrenze, welche überschritten werde, wenn der Betrag, der dem Grundstück als Erschließungsbeitrag zuzuordnen sei, mindestens das Doppelte oder höchstens die Hälfte des vereinbarten Ablösungsbetrags ausmache. Im ersten Fall stehe der Gemeinde ein Nacherhebungsrecht, im zweiten dem Grundeigentümer ein Rückzahlungsanspruch zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 1990 - 8 C 36.89 - BVerwGE 87, 77 <82 ff.>).

15

b) Hieran hält der erkennende Senat nicht fest. Eine absolute, von der Ursache des Auseinanderfallens von Ablösungsbetrag und Erschließungsbeitrag unabhängige, allein an die Höhe der Differenz anknüpfende Grenze ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Sie lässt sich nicht mit dem "Wesen" des Ablösungsbetrags als "vorgezogener" Erschließungsbeitrag und der Einbettung des Ablösungsvertrags in das Regelungssystem des gesetzlichen Erschließungsbeitragsrechts begründen (so BVerwG, Urteil vom 9. November 1990 - 8 C 36.89 - BVerwGE 87, 77 <82 f.>). Die Annahme, die aus § 127 Abs. 1 BauGB ableitbare Pflicht zur möglichst umfassenden Abwälzung der für die Herstellung von beitragsfähigen Erschließungsanlagen entstandenen Kosten auf die Grundstückseigentümer zwinge zur Annahme einer absoluten Missbilligungsgrenze, berücksichtigt nicht hinreichend, dass der Gesetzgeber selbst mit § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB eine Ausnahme von der Pflicht zur Beitragserhebung ermöglicht, und zwar in Kenntnis des mit dieser Vertragsgestaltung geradezu typischerweise verbundenen Risikos einer - auch erheblichen - Abweichung der vertraglich vereinbarten Beträge von den ohne die Ablösung auf das Grundstück entfallenden Erschließungsbeiträgen. Hätte der Gesetzgeber der Fortgeltung eines Ablösungsvertrags eine spezifisch erschließungsbeitragsrechtliche und dazu noch "absolute" Grenze setzten wollen, hätte er dies durch eine entsprechende Regelung zum Ausdruck bringen müssen. Das Fehlen einer solchen gesetzlichen Regelung kann nach Überzeugung des Senats nicht durch eine aus dem allgemeinen Regelungssystem des gesetzlichen Erschließungsbeitragsrechts abgeleitete und zudem noch gegriffene richterrechtliche Missbilligungsgrenze überspielt werden. Dies gilt umso mehr, als die gesetzliche Konzeption des Ablösungsvertrags dazu führt, dass mit Abschluss eines solchen Vertrags und der Entrichtung des Ablösungsbetrags durch den Grundeigentümer für das betroffene Grundstück das beitragsrechtliche Rechtsregime erst gar nicht zum Entstehen gelangt. Hinzu kommt, dass die Pflicht der Gemeinde zur Beitragserhebung nach § 127 Abs. 1, § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB für die gemeindliche Beteiligung an den Erschließungskosten nur eine Mindest-, nicht jedoch eine Höchstgrenze festsetzt; der gemeindliche Anteil kann daher mehr als 10 v.H. des beitragsfähigen Erschließungsaufwands betragen (vgl. VGH München, Urteil vom 12. März 1971 - 290 VI 70 - VGHE 24, 64 <67>; Ernst/Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand November 2014, § 129 Rn. 19; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 129 Rn. 30).

16

Das durch Art. 3 Abs. 1 GG unterstützte Gebot der Abgabengerechtigkeit trägt eine absolute Missbilligungsgrenze ebenfalls nicht. Zum einen liegen schon keine vergleichbaren Sachverhalte vor, wenn im einen Fall der Grundstückseigentümer im Wege der Ablösungsvereinbarung den Bau der Anlage unter Umständen über viele Jahre oder - wie hier - sogar Jahrzehnte hinweg vorfinanziert, während sich im anderen Fall der Eigentümer eines vergleichbar großen Grundstücks erst im Nachhinein im Beitragswege an der Finanzierung beteiligt. Zum anderen würde eine absolute Missbilligungsgrenze auch dann Anwendung finden, wenn - wie es durchaus nicht selten der Fall sein wird - alle oder die Mehrzahl der Grundstückseigentümer eines Baugebiets Ablösungsverträge abgeschlossen haben, es also nicht oder nicht in großem Umfang dazu käme, dass gleich große Grundstücke eines Abrechnungsgebiets trotz gleich großen Erschließungsvorteils unterschiedlich belastet würden. Die Freiwilligkeit der vertraglichen Regelung unterscheidet die Ablösungsvereinbarung schließlich auch von dem Vorfinanzierungsinstitut der Vorausleistung, das zudem in § 133 Abs. 3 Satz 1 bis 4 BauGB eine Reihe von Schutzregelungen zugunsten des Vorausleistungspflichtigen kennt.

17

c) Gerade das vorliegende Verfahren zeigt, dass die Annahme einer absoluten Wirksamkeitsgrenze zu unbilligen Ergebnissen führen kann. Mit ihr soll Fällen Rechnung getragen werden, in denen der vereinbarte Ablösungsbetrag den durch ihn ersetzten Erschließungsbeitrag mehr oder weniger total verfehlt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 1990 - 8 C 36.89 - BVerwGE 87, 77 <79, 82>). Von einer solchen totalen Verfehlung kann jedoch keine Rede sein, wenn das erhebliche Auseinanderfallen - wie hier - allein oder weit überwiegend auf einer durch sachliche Gründe nicht gerechtfertigten Verzögerung der Herstellung der Erschließungsanlage und der dadurch eingetretenen Preissteigerung beruht. Der Kläger hat als Ablösungssumme einen Betrag gezahlt, der bei einer zeitnahen Herstellung der Erschließungsanlagen in keinem Missverhältnis zu dem Erschließungsbeitrag gestanden hätte. Nur dadurch, dass die Beklagte die Ablösungsbeträge anderweitig verwendet und mit der Fertigstellung der M.straße fast 40 Jahre zugewartet hat, konnte es zu einer Differenz der Beträge in diesem Ausmaß kommen. Inflationsbedingt hat sich der Wert des vom Kläger gezahlten Ablösungsbetrags unter Zugrundelegung des Verbraucherpreisindex bereits nach rund 20 Jahren halbiert (vgl. Statistisches Bundesamt, Verbraucherpreisindizes für Deutschland, Lange Reihen ab 1948, Stand November 2014, S. 2 ff.), während sich die Straßenbaukosten innerhalb dieses Zeitraums verdoppelt haben (vgl. Statistisches Bundesamt, Preisindizes für die Bauwirtschaft, Stand November 2014, S. 27 f.). Daher wäre es nicht zu rechtfertigen, mit dem Unterschiedsbetrag nicht die Gemeinde, welche die Ursache hierfür gesetzt und zudem von der frühzeitigen Überlassung des Ablösungsbetrags profitiert hat, sondern einseitig den Bürger zu belasten.

18

3. Fallgestaltungen, in denen der Ablösungsbetrag außer Verhältnis zum mit der Fertigstellung der Anlagen vermittelten Erschließungsvorteil steht, ist daher nicht durch eine absolute Grenze Rechnung zu tragen, welche darüber hinaus zu dem von Zufällen nicht freien und mit Blick auf den Gleichheitssatz problematischen Ergebnis führt, dass der betroffene Grundeigentümer entweder nichts oder den vollen Differenzbetrag nachzahlen muss. Die Grenze der notwendigen Tolerierung eines derartigen Missverhältnisses bestimmt sich vielmehr im Einzelfall nach den bundesrechtlich in § 60 VwVfG verankerten, im öffentlichen Recht darüber hinaus seit langem allgemein anerkannten Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anhand einer Abwägung aller sich im Zusammenhang mit Ablösungsverträgen ergebenden Umstände und gegenläufigen Interessen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 8 C 4.11 - BVerwGE 143, 335 Rn. 65; s. - in anderem Zusammenhang - auch Urteil vom 9. November 1990 - 8 C 36.89 - BVerwGE 87, 77 <83 f.>). Diese Grundsätze finden nicht nur auf Dauerschuldverhältnisse, sondern auch auf öffentlich-rechtliche Verträge Anwendung, die - wie hier - eine einmalige Leistungspflicht begründen; dies gilt auch dann, wenn die vertraglich geschuldete Leistung schon erbracht wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 8 C 4.11 - BVerwGE 143, 335 Rn. 46 f.). Damit ermöglicht die Rechtsordnung auch ohne Heranziehung einer absoluten Missbilligungsgrenze, Abweichungen zwischen dem Erschließungsbeitrag und der vereinbarten Ablösung eine Grenze zu ziehen, bei deren Bestimmung zudem den Umständen des Einzelfalls Rechnung getragen werden kann. Ein sich danach möglicherweise ergebendes Nacherhebungsrecht kann die Gemeinde indes nicht unmittelbar durch Erschließungsbeitragsbescheid durchsetzen. Vielmehr bedarf es der Geltendmachung des Anpassungsverlangens - ggf. im Wege der auf Vertragsanpassung gerichteten Leistungsklage (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1995 - 3 C 21.93 - BVerwGE 97, 331 <340 f.>) - oder des Rücktritts vom Ablösungsvertrag (vgl. § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB; s. auch BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 8 C 4.11 - BVerwGE 143, 335 Rn. 46 f. zur Abgrenzung von der Kündigung gem. § 60 VwVfG bei Dauerschuldverhältnissen).

19

Voraussetzung für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage ist allerdings ein - zudem unzumutbares - Überschreiten des Risikorahmens, den die Partei, die eine Anpassung des Vertrags begehrt oder von ihm zurücktreten will, mit dem Vertragsschluss übernommen hat. Eine bloße Realisierung des vertraglich übernommenen Risikos hingegen lässt die Wirksamkeit des Vertrags ebenso unberührt wie der Umstand, dass eine Vertragspartei nach ihrer gegenwärtigen Interessenlage in den Vertragsschluss vernünftigerweise jetzt nicht mehr einwilligen würde. Vielmehr muss die Änderung der für den Vertragsinhalt maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse zu schwerwiegenden, bei Vertragsschluss nicht absehbaren Nachteilen für die Vertragspartei geführt haben, denen die Vertragspartner bei Kenntnis der Entwicklung billigerweise Rechnung getragen hätten (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 8 C 4.11 - BVerwGE 143, 335 Rn. 57, 64). Mehrkosten der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage, die - wie vorliegend - allein oder weit überwiegend inflationsbedingt sind, lassen danach als ablösungstypische Risiken die Geschäftsgrundlage eines Ablösungsvertrags grundsätzlich unberührt. Sie unterfallen einseitig dem Risikobereich der Gemeinde, welche es zudem in der Hand hat, mit dem Zeitpunkt der Fertigstellung auch darüber zu entscheiden, inwiefern die eingenommenen Ablösungsbeträge die Erschließungskosten abdecken (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 1990 - 8 C 36.89 - BVerwGE 87, 77 <79 f.>).

20

Auch soweit aus anderen, nicht preissteigerungsbedingten Gründen in Einzelfällen ein nicht mehr tolerierbares Missverhältnis zwischen der Belastung eines Grundstücks mit Erschließungskosten und dem ihm vermittelten Vorteil bestehen sollte, bedarf es keiner absoluten Grenze. Ob sich derartige Mehrkosten innerhalb des Rahmens der ablösungstypischen Risiken halten oder die Geschäftsgrundlage des Ablösungsvertrags berühren, ist ebenfalls anhand einer Abwägung aller Umstände und Interessen des Einzelfalls festzustellen. Auch insoweit ist allerdings die dem Ablösungsvertrag immanente Unsicherheit über die Höhe des Erschließungsaufwands und das damit einhergehende Risiko eines Auseinanderfallens von Ablösungsbetrag und Erschließungsbeitrag zu berücksichtigen. Eine Kostensteigerung, die den Betrag, der dem betroffenen Grundstück als Erschließungsbeitrag zuzuordnen ist, auf weniger als das Doppelte des vereinbarten Ablösungsbetrags anhebt, vermag sich daher auch dann, wenn sie ausstattungsbedingt ist, in der Regel nicht auf die vertragliche Bindung auszuwirken (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 1990 - 8 C 36.89 - BVerwGE 87, 77 <83 f.>).

21

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Antragsteller auferlegt.

3. Der Streitwert beträgt 595,53 EUR.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Anschlussbeiträgen (Schmutz- und Niederschlagswasser).

2

Der Antragsteller ist Erbbauberechtigter des Wohngrundstücks G1 in einer Größe von 394 m². Das im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 9 der Stadt Barth (Wohngebiet „ K.“) gelegene Grundstück ist seit dem Jahre 1998 an die zentrale Schmutz- und Niederschlagswasserbehandlungsanlage angeschlossen.

3

Die Erschließung des Wohngebietes erfolgt durch die Firma T. GmbH (im Folgenden: Erschließungsträger) auf Grundlage des zwischen der Stadt Barth und dem Erschließungsträger geschlossenen Erschließungsvertrages vom 20. Januar 1997.

4

In § 8 „Übernahme der Erschließungsanlagen“ heißt es:

5

(1) Alle öffentlichen Erschließungsanlagen im Wohngebiet „ K.“, lt. B-Plan Nr. 9 der Stadt Barth, werden nach Abnahme kostenfrei an diese übergeben. (…)

6

(2) Mit Erfüllung dieses Vertrages entstehen keine Ansprüche der Stadt auf Erhebung eines Erschließungsbeitrages nach dem BauGB bzw. eines Straßenausbaubeitrages nach dem KAG gegen den Erschließungsträger sowie den Erbbauberechtigten für die Anlagen, die im Rahmen dieses Erschließungsvertrages hergestellt werden; ausgenommen hiervon werden ausdrücklich Beiträge nach § 9 des Vertrages.

7

In § 9 „Kosten der Grundstücksentwässerung, Entwässerungsbeiträge“ heißt es weiter:

8

(1) Für die Anschlussmöglichkeit an die Kläranlage ist durch den Erschließungsträger ein Beitrag von 1,93 DM/m² Nettobauland aus dem Wohngebiet „ K.“ lt. B-Plan Nr. 9 an die Stadt zu zahlen. (…)

9

(2) Der Erschließungsträger und die Erbbaurechtserwerber werden für die außerhalb des B-Plangebietes „ K.“ entstandenen und anerkannten Kosten von Teilen der öffentlichen Abwasseranlage ansonsten nicht zu Entwässerungsbeiträgen herangezogen.

10

Der Erschließungsträger zahlte mit Blick auf die Vereinbarung in § 9 Abs. 1 Satz 1 des Erschließungsvertrages den Betrag von 390,06 EUR an die Stadt Barth.

11

Im Jahre 1998 erwarb der Antragsteller das Erbbaurecht vom Erschließungsträger.

12

Mit Bescheid vom 11. Juni 2014 zog der Antragsgegner den Antragsteller zu einem Anschlussbeitrag für das Grundstück Flurstück G1 i.H.v. 2.382,12 EUR heran. Der Betrag ergibt sich aus der Summe der Teilbeiträge Schmutz- und Niederschlagswasser i.H.v. 1.686,32 EUR und 1.085,86 EUR abzüglich des vom Erschließungsträger gezahlten Betrages von 390,06 EUR. Unter dem 2. Juli 2014 legte der Antragsteller Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Mit Schreiben vom 25. Juli 2014 setzte der Antragsgegner die Vollziehung bis zur Durchführung eines Gesprächstermins am 5. August 2014 an. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2014 wies der Antragsgegner den Rechtsbehelf zurück.

13

Am 30. September 2014 hat der Antragsteller z. Az. 3 A 878/14 Anfechtungsklage erhoben und um gerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht. Er ist der Auffassung, seine Heranziehung sei rechtswidrig. In formell-rechtlicher Hinsicht sei zu beanstanden, dass er vor dem Erlass des Beitragsbescheides nicht angehört worden sei. In materiell-rechtlicher Hinsicht fehle es an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Die im Jahre 2013 in Kraft getretene Abwasserbeitragssatzung erfasse nur Grundstücke, bei denen die Beitragspflicht nach ihrem Inkrafttreten entstanden sei. Dies erkläre sich vor dem Hintergrund, dass für Grundstücke, die – wie z.B. das des Antragstellers – vor dem Inkrafttreten der Abwasserbeitragssatzung an die Anlage angeschlossen worden seien, Zahlungen auf vertraglicher Grundlage erfolgt seien. Ungeachtet dessen stehe die Vereinbarung in § 9 Abs. 2 des Erschließungsvertrages der Beitragserhebung entgegen. Die Vereinbarung sei wirksam. Sie sei von der Stadt Barth freiwillig geschlossen worden. Ein Beitragsverzicht liege darin nicht, da die Stadt Barth den ausgehandelten Betrag vom Erschließungsträger erhalten habe. Es habe lediglich ein Schuldnerwechsel stattgefunden. Die Vereinbarung verstoße auch nicht gegen ein gesetzliches Verbot. Sie umfasse lediglich das Gebot, keine Beiträge zu erheben.

14

Der Antragsteller beantragt,

15

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Beitragsbescheid des Antragsgegners vom 11. Juni 2014 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 11. September 2014 anzuordnen.

16

Der Antragsgegner verteidigt den angegriffenen Bescheid und beantragt,

17

den Antrag abzulehnen.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Kammer haben bei der Entscheidung die beim Antragsgegner entstandenen Verwaltungsvorgänge sowie die beigezogenen Akten des Verfahrens 3 A 878/14 vorgelegen.

II.

19

Der zulässige Antrag ist unbegründet. Das Gericht ordnet die aufschiebende Wirkung der Klage in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 4 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) an, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Letzteres wird vom Antragsteller nicht geltend gemacht. Anhaltspunkte für eine unbillige Härte drängen sich auch nicht auf.

20

Entgegen der Auffassung des Antragstellers bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides. Er findet seine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung in der Stadt Barth (Abwasserbeitragssatzung – ABS) vom 24. Oktober 2013.

21

1. Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung bestehen im Prüfungsumfang des Eilverfahrens nicht. Ausweislich der dem Satzungsbeschluss zu Grunde liegenden Beschlussvorlage (BA-Abw/B/921/2013) erfolgte der Neuerlass der Abwasserbeitragssatzung zur Beseitigung der vom Verwaltungsgericht Greifswald in dem Urteil vom 29. November 2012 – 3 A 678/11 – festgestellten Fehler. Die Regelung der (schlichten) Tiefenbegrenzung in § 4 Abs. 2 Buchst. c ABS ist nicht zu beanstanden. Anders als die Festlegung der Tiefenbegrenzung in der dem Urteil vom 29. November 2012 zu Grunde liegenden Abwasserbeitragssatzung der Stadt Barth vom 26. August 2010 beruht die Festlegung der nunmehr normierten Tiefenbegrenzung auf einer Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe anhand mehrerer repräsentativer Straßen in der Ortslage (vgl. hierzu OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris). Von weiteren Darlegungen wird mit Blick auf den summarischen Charakter des Eilverfahrens abgesehen, zumal der Antragsteller diesbezügliche Einwände nicht geltend gemacht hat.

22

Auch die Maßstabsregelung für die Ermittlung des Niederschlagswasserbeitrags und dabei insbesondere die nunmehr in § 4 Abs. 6 Buchst. c Satz 2 ABS normierte Auffangregelung für Grundstücke, die nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen und bei denen die Baunutzungsverordnung (BauNVO) auch nicht über § 34 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) Anwendung findet, ist unter Vorteilsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Da der Antragsteller auch insoweit keine Einwände geltend macht, kann von weiteren Darlegungen ebenfalls abgesehen werden.

23

Fehlerhaft ist allerdings die Regelung über den Gegenstand der Beitragspflicht in § 2 Abs. 1 Buchst. c und d ABS, wonach Grundstücke der Beitragspflicht unterliegen, die über eine Anschlussleitung an die öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung, die zentrale Niederschlagswasserbeseitigung (verfügen) oder an beide genannten Einrichtungen angeschlossen werden können und wenn sie bebaut sind oder wenn sie gewerblich genutzt werden. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Vorschrift sprachlich fehlerhaft formuliert ist. Das im Klammerzusatz ergänzte Wort „verfügen“ fehlt in der Bestimmung. Es ergibt sich aber aus dem Sinn der Regelung, so dass von einem unschädlichen Redaktionsversehen auszugehen ist.

24

Ungenau ist auch die Verknüpfung der unterschiedlichen Varianten der Vorschrift. Ihre ersten beiden Varianten (vorhandene Anschlussleitung an die öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasser, vorhandene Anschlussleitung an die öffentliche Einrichtung der Niederschlagswasserbeseitigung) sind lediglich mit einem Komma getrennt, eine Konjunktion fehlt. Damit ist davon auszugehen, dass ein Grundstück bereits dann der Beitragspflicht unterliegt, wenn es über einen tatsächlichen Anschluss an eine der beiden genannten Einrichtung verfügt. Dies ist mit Blick auf den Umstand, dass die Stadt Barth gemäß § 1 Abs. 2 der Satzung über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentlichen Abwasseranlagen der Stadt Barth (Abwassersatzung – AwS) vom 20. Juni 2013 i.d.F. der ersten Änderung vom 24. Oktober 2013 jeweils selbstständige öffentliche Einrichtungen zur zentralen Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung betreibt, auch nicht zu beanstanden. Die dritte Variante der Vorschrift („… oder an beide genannten Einrichtungen angeschlossen werden können …“) lässt demgegenüber den Eindruck entstehen, dass bei Grundstücken, die bereits beim Bestehen einer Anschlussmöglichkeit der Beitragspflicht unterliegen, eine Anschlussmöglichkeit an beide Einrichtungen gegeben sein muss. Dies wäre mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Grundgesetz – GG) nicht zu vereinbaren, denn es ist kein Grund erkennbar, der es rechtfertigt, bei tatsächlich angeschlossenen Grundstücken jeweils gesondert Anschlussbeiträge für die Einrichtungen zur Schmutz- bzw. Niederschlagswasserbeseitigung zu erheben, bei Grundstücken, die bereits wegen des Bestehens einer Anschlussmöglichkeit der Beitragspflicht unterliegen, dagegen das Vorhandensein der Anschlussmöglichkeit an beide Einrichtungen zu fordern. Allerdings geht die Kammer davon aus, dass es sich auch insofern um ein unschädliches Redaktionsversehen handelt. Denn der Regelung über die Entstehung der Beitragspflicht in § 3 Abs. 1 ABS kann wegen der dort normierten Konjunktion „und/oder“ mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, dass auch in den Fällen, in denen das bloße Bestehen einer Anschlussmöglichkeit für die Entstehung der Beitragspflicht ausreicht, das Bestehen einer Anschlussmöglichkeit an eine der Einrichtungen gemeint ist.

25

Fehlerhaft und nicht durch Auslegung zu heilen ist jedoch der Umstand, dass nach § 2 Abs. 1 Buchst. c und d ABS (jeweils in der dritten Variante) auch Grundstücke der Beitragspflicht unterliegen, die an die öffentliche Einrichtung der Schmutzwasserbeseitigung bzw. der Niederschlagswasserbeseitigung angeschlossen werden können und die baulich bzw. gewerblich genutzt werden. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist auf Außenbereichsgrundstücke (§ 35 BauGB) beschränkt. Hierzu zwingt der Umkehrschluss aus den übrigen Bestimmungen des § 2 Abs. 1 ABS. § 2 Abs. 1 Buchst. a ABS betrifft Grundstücke im Geltungsbereich von Bebauungsplänen (vgl. § 30 BauGB), denn nur dort kann eine bauliche oder gewerbliche Nutzung „festgesetzt“ sein. § 2 Abs. 1 Buchst. b ABS bezieht sich auf Grundstück im unbeplanten Innenbereich (§ 34 Abs. 1 BauGB), denn nur diese Grundstücke können „nach der Verkehrsauffassung Bauland“ sein; bei Außenbereichsflächen scheidet eine solche Annahme regelmäßig aus (vgl. § 35 Abs. 2 BauGB). Die Annahme einer Beitragspflicht für bebaute oder gewerblich genutzte Außenbereichsgrundstücke bereits beim Vorliegen einer Anschlussmöglichkeit ist mit dem Vorteilsprinzip nicht zu vereinbaren. Denn bei diesen Grundstücken ist die Vorteilslage – anders als bei Grundstücken im Geltungsbereich von Bebauungsplänen und im unbeplanten Innenbereich – erst gegeben, wenn das Grundstück an die zentrale Abwasseranlage tatsächlich angeschlossen ist (OVG Greifswald, Urt. v. 15.04.2009 – 1 L 205/07 –, juris Rn. 43).

26

Die Fehlerhaftigkeit der Bestimmung des § 2 Abs. 1 Buchst. c und d ABS schlägt aber nicht auf die übrigen Bestimmungen der Vorschrift durch. Denn deren Regelungsbereiche sind logisch von dem des § 2 Abs. 1 Buchst. c und d ABS trennbar. Die verbleibenden Regelungen des § 2 Abs. 1 und 2 ABS sind auch vollständig, denn die Bestimmungen decken die drei allein in Betracht kommenden Fallgruppen (Grundstücke im Geltungsbereich von Bebauungsplänen – § 2 Abs. 1 Buchst. a ABS, Grundstücke im unbeplanten Innenbereich – § 2 Abs. 1 Buchst. b ABS und tatsächlich angeschlossene Grundstücke im Außenbereich – § 2 Abs. 2 ABS) vollständig ab. Offen bleiben kann auch, ob und in welchem Umfang auf Grundlage des § 2 Abs. 1 Buchst. c und d ABS Beitragseinheiten auf der Flächenseite der Beitragskalkulation berücksichtigt worden sind. Deren Berücksichtigung wäre zwar unzulässig. Der – hier nur unterstellte – Fehler führt jedoch lediglich dazu, dass die Anzahl der Beitragseinheiten überhöht ist. Wegen der damit verbundenen Absenkung des (höchstzulässigen) Beitragssatzes führt dies nicht zu einer Benachteiligung der Beitragspflichtigen. Es liegt damit ein Fall der Teilnichtigkeit nach dem Rechtsgedanken aus § 139 BGB vor.

27

2. Die Rechtsanwendung durch den Antragsgegner ist nicht zu beanstanden.

28

a. Dies gilt zunächst in formell-rechtlicher Hinsicht. Soweit eine Anhörung nach § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 91 Abgabenordnung (AO) erforderlich gewesen sein sollte, wäre der in ihrem Unterbleiben liegende Fehler dadurch geheilt worden, dass sich der Antragsgegner im Widerspruchsverfahren mit den Einwänden des Antragstellers auseinandergesetzt hat, § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 126 Abs. 1 Nr. 3 Abs. 2 AO. Ungeachtet dessen ist der – hier nur unterstellte – Anhörungsfehler nach § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 127 AO unbeachtlich. Nach dieser Bestimmung kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 125 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da der Bescheid nämlich materiell-rechtlich nicht zu beanstanden ist (dazu sogleich).

29

b. In materiell-rechtlicher Hinsicht ist die Rechtsanwendung durch den Beklagten ebenfalls nicht zu beanstanden.

30

aa. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die sachliche Beitragspflicht für sein Grundstück entstanden, obwohl es bereits im Jahre 1998 und damit weit vor dem Inkrafttreten der Abwasserbeitragssatzung an die zentralen Einrichtungen zur Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung angeschlossen wurde. Dies folgt aus § 3 Abs. 1 ABS i.V.m. § 9 Abs. 3 KAG M-V. Nach der zuletzt genannten Bestimmung, an deren Verfassungsgemäßheit auch mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (– 1 BvR 2457/08 –) keine Zweifel bestehen (eingehend: OVG Greifswald, Urt. v. 01.04.2014 – 1 L 142/13 –, S. 22 ff. des Entscheidungsumdrucks), entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Die Vorschrift gibt damit keine bestimmte zeitliche Reihenfolge für das Vorliegen der Entstehungsvoraussetzungen der sachlichen Beitragspflicht vor. Ausreichend – aber auch erforderlich – ist das Vorliegen eines Anschlusses bzw. einer Anschlussmöglichkeit des Grundstücks und die Existenz einer wirksamen Beitragssatzung. Liegen beide Voraussetzungen vor, so entsteht ungeachtet der zeitlichen Reihenfolge ihres Eintritts die sachliche Beitragspflicht. Daraus folgt, dass bei Grundstücken, die – wie hier – vor dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung an die Anlage angeschlossen worden sind, die sachliche Betragspflicht gleichwohl erst mit dem Inkrafttreten dieser Satzung entsteht.

31

Die Abwasserbeitragssatzung vom 24. Oktober 2013 ist die erste wirksame Satzung in diesem Sinne. Die Abwasserbeitragssatzung der Stadt Barth vom 26. August 2010 ist ausweislich des bereits benannten Urteils des VG Greifswald vom 29. November 2012 unwirksam. Die darin normierte Tiefenbegrenzung beruht nicht auf einer ordnungsgemäßen Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe im Verbandsgebiet. Dieser Fehler, der erst „bekannt“ ist, seitdem das OVG Mecklenburg-Vorpommern in dem Urteil vom 14.12.2010 (– 4 K 12/07 –) die Anforderungen an die Ermittlung der Tiefenbegrenzung definiert hat, haftet sämtlichen Vorgängersatzungen an, so dass von einer Einzeldarstellung abgesehen werden kann.

32

bb. Der Umstand, dass das Grundstück des Antragstellers nicht in Eigenregie der Stadt Barth, sondern auf Grundlage des genannten Erschließungsvertrages erschlossen wurde, steht der Entstehung der Beitragspflicht ebenfalls nicht entgegen. Richtig ist zwar, dass dem Antragsgegner in Ansehung der „inneren“ Erschließung, also der innerhalb des Erschließungsgebietes gelegenen leitungsgebundenen Erschließungsanlagen kein beitragsfähiger Aufwand entstanden ist, weil diese Anlagen vom Erschließungsträger auf eigene Rechnung hergestellt worden sind (vgl. § 8 Abs. 1 des Erschließungsvertrages). Hierum geht es vorliegend jedoch nicht. Denn die Kosten, die dem Erschließungsträger auf Grundlage eines Erschließungsvertrages i.S.d. § 124 a.F. BauGB (vgl. insbesondere § 124 Abs. 2 BauGB) entstehen, sind einer Beitragserhebung generell entzogen („Regimeentscheidung“, vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 6 Rn. 10 ff.). Demgemäß dient die vorliegende Beitragserhebung auch nicht der Refinanzierung des Aufwandes für die „innere“ Erschließung, sondern der „äußeren“ Erschließung, d.h. der außerhalb von Erschließungsgebieten gelegenen Bestandteile der öffentlichen Einrichtungen zur zentralen Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung.

33

cc. Auch § 9 des Erschließungsvertrages schließt die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nicht aus, denn die darin getroffene Vereinbarung ist nichtig. Trotz des kommunalabgabenrechtlichen Bezugs der Vereinbarung ist Prüfungsmaßstab für ihre Wirksamkeit die Bestimmungen über den öffentlich-rechtlichen Vertrag nach den §§ 54 ff. Landesverwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG M-V). Zwar bestimmt § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG M-V, dass die Vorschriften dieses Hauptteiles (§ 2 bis § 93 VwVfG M-V) nicht für Verfahren gelten, die nach den Vorschriften der vorliegend Kraft der Verweisung in § 12 Abs. 1 KAG M-V anzuwendenden Abgabenordnung durchzuführen sind. Vom grundsätzlichen Ausschluss der Anwendung der Vorschriften des ersten Hauptteiles des VwVfG M-V normiert § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG M-V lediglich die Ausnahme, dass die (vorliegend nicht einschlägigen) Bestimmungen der § 61 Abs. 3 und § 80 Abs. 4 Nr. 2 VwVfG M-V hiervon unberührt bleiben. Dennoch geht die Kammer von der Anwendbarkeit der §§ 54 ff. VwVfG M-V aus. Weil die Abgabenordnung keine Regelungen für den öffentlich-rechtlichen Vertrag enthält, kann er nicht "nach den Vorschriften der Abgabenordnung" durchgeführt werden. Damit schließt § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG M-V eine Anwendbarkeit der Bestimmungen der § 54 ff. VwVfG M-V nicht aus. Da aber die Abgabenordnung in § 78 Nr. 3 AO das Institut des öffentlich-rechtlichen Vertrages ausdrücklich anerkennt, kann aus dem Fehlen entsprechender Bestimmungen nicht auf eine "Sperrwirkung" der Abgabenordnung geschlossen werden.

34

Nach § 59 Abs. 1 VwVfG M-V ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ergibt. § 134 BGB bestimmt, dass ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig ist, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dass es sich bei dem Erschließungsvertrag um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handelt, kann mit Blick auf § 124 Abs. 2 BauGB a.F. keinen Zweifeln unterliegen. Die Vereinbarung verstößt gegen den zum damaligen Zeitpunkt geltenden § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993. Die Vorschrift normiert eine Beitragserhebungspflicht. Diese begründet ein gesetzliches Verbot i.S.d. § 134 BGB, auf die Erhebung von Beiträgen ganz oder teilweise zu verzichten. Das Abgabenrecht wird von dem Grundsatz beherrscht, dass die Abgabenerhebung nur nach Maßgabe der Gesetze und nicht abweichend von den gesetzlichen Regelungen aufgrund von Vereinbarungen zwischen Abgabengläubiger und Abgabenschuldner erfolgen darf. Daraus folgt, dass andere Vereinbarungen über die (endgültige) Finanzierung beitragspflichtiger Anlagen als ein Ablösevertrag nach § 8 Abs. 9 KAG 1993 bzw. § 7 Abs. 5 KAG M-V ausgeschlossen sind (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 03.08.2005 – 3 A 211/04 –, juris Rn. 19).

35

Bei der Vereinbarung in § 9 des Erschließungsvertrages handelt es sich nicht um einen wirksamen Ablösevertrag. Nach der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Bestimmung des § 8 Abs. 9 KAG 1993 können die Beitragsberechtigten Bestimmungen über die Ablösung des Beitrages im Ganzen vor Entstehen der Beitragspflicht treffen. Zwar ist sie im Einklang mit § 8 Abs. 9 letzter Halbsatz KAG 1993 vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht geschlossen worden, da zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Anschlussmöglichkeiten für die im Erschließungsgebiet gelegenen Grundstücke nicht bestanden. Auch war es ausweislich § 9 Abs. 2 des Erschließungsvertrages das Ziel der Vertragsparteien, mit der Zahlung des vereinbarten Betrages eine spätere Beitragserhebung auszuschließen. Gleichwohl kann in der Vereinbarung keine wirksame Ablösung erblickt werden. Denn die Kommunen und Zweckverbände konnten (und können) von der Ermächtigung in § 8 Abs. 9 KAG 1993 bzw. § 7 Abs. 5 KAG M-V nur Gebrauch machen, wenn sie zuvor die über die Ablösung zu treffenden "Bestimmungen" erlassen haben. Demgemäß ist eine Ablösungsvereinbarung nichtig, wenn sie abgeschlossen worden ist, bevor ausreichende Ablösungsbestimmungen getroffen worden sind (allg. Ansicht: vgl. Aussprung in: ders./Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 07/2013, § 7 Anm. 16.1 m.w.N.).

36

Bereits diese Voraussetzung fehlt hier. Denn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses existierten keine Ablösebestimmungen. Dies aus zwei Gründen: Zum einen sah die damals Geltung beanspruchende Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung der Stadt Barth (Kanalbaubeitragssatzung – KBS) vom 26. März 1996 eine Ablösung von Anschlussbeiträgen nicht vor. Zum anderen ist die Satzung unwirksam. Ungeachtet der Frage der ordnungsgemäßen Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe und damit der Frage der Wirksamkeit der in § 4 Abs. 3 KBS normierten Tiefenbegrenzung folgt die Nichtigkeit der Satzung aus dem Umstand, dass sie Altanschließer privilegiert. Nach § 2 Abs. 3 KBS zahlen Grundstücke, die bereits vor (dem) Inkrafttreten des KAG Mecklenburg-Vorpommern voll an die öffentliche Einrichtung Abwasserbeseitigung angeschlossen waren, zur Abdeckung des Vorteils der verbesserten Reinigung durch die Kläranlage, wenn das Grundstück an die neue Kläranlage angeschlossen ist, den Beitragssatz aus § 4 Abs. 10 c. Diese Vorschrift sieht einen gegenüber dem allgemeinen Schmutzwasserbeitrag abgesenkten „Klärwerksbeitrag“ vor. Die Privilegierung altangeschlossener Grundstücke ist unzulässig. Sie ist vorteilswidrig und verletzt den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) (allg. Ansicht: vgl. Aussprung a.a.O. § 9 Anm. 2.5.2.2 m.w.N.).

37

Die Ablösungsvereinbarung ist auch aus inhaltlichen Gründen unwirksam. Beim Abschluss eines solchen Vertrages sind die Beteiligten nicht „frei". Insbesondere handelt die Behörde nicht in Ausübung einer privatautonomen Gestaltungsbefugnis, sondern unterliegt der strengen Gesetzesbindung. Daraus folgt nicht nur, dass ein Ablösungsvertrag nur in Bezug auf eine beitragsfähige Maßnahme geschlossen werden darf, sondern auch, dass die Höhe des Ablösungsbetrages nach beitragsrechtlichen Kriterien zu ermitteln ist (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 03.08.2005 – 3 A 211/04 –, juris Rn. 21). Dies trifft auf den in § 9 Abs. 1 des Erschließungsvertrages vereinbarten Betrag von 1,93 DM/m² Nettobauland nicht zu. Zwar orientiert sich der Betrag offensichtlich an dem Beitragssatz in § 4 Abs. 10 Buchst. c Satz 2 KBS. Allerdings ist der Rückgriff auf diese Bestimmung willkürlich, denn sie beanspruchte gemäß § 2 Abs. 3 KBS lediglich für sogenannte altangeschlossene Grundstücke Geltung. Unabhängig von der Frage ihrer Wirksamkeit (s.o.) konnte sie in Bezug auf (unerschlossene) Grundstücke in Erschließungsgebieten keine Anwendung finden. Für diese Grundstücke hätte der Ablösungsbetrag nach den in § 4 Abs. 10 Buchst. a und b KBS normierten deutlich höheren Beitragssätzen bestimmt werden müssen. Dies ist jedoch – wie dargelegt – nicht erfolgt.

38

Selbst wenn man trotz der vorstehenden Erwägungen von der Wirksamkeit der Ablösungsvereinbarung ausgeht, ist der Antragsgegner dennoch zur Erhebung des Differenzbetrages zwischen der Ablösungssumme und dem tatsächlich bestehenden Beitragsanspruch berechtigt. Denn der vereinbarte Ablösungsbetrag beläuft sich nur auf etwa 23 v.H. des Beitragsanspruchs (Schmutzwasser). Damit wird die vom Bundesverwaltungsgericht definierte absolute Missbilligungsgrenze von 50 v.H. (Urt. v. 09.11.1990 – 8 C 36/89 –, juris Rn. 15) deutlich unterschritten, was den Antragsgegner zur Nacherhebung berechtigt und verpflichtet.

39

dd. Da der Beitragsanspruch des Antragsgegners erst im Jahre 2013 entstanden ist, scheidet die Annahme seines Erlöschens wegen Festsetzungsverjährung (§ 47 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V) von vornherein aus.

40

ee. Weiter hat der Antragsgegner sein Recht, den Beitragsanspruch gegenüber dem Antragsteller geltend zu machen, nicht verwirkt (vgl. § 242 BGB). Als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung bedeutet Verwirkung, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete in Folge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung) (OVG Greifswald, Urt. v. 02.11.2005 – 1 L 105/05 –, juris Rn. 81).

41

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Geht man davon aus, dass nur ein bereits entstandener Beitragsanspruch der Verwirkung unterliegen kann (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 28.02.2002 – 2 S 2327/01 –, juris Rn. 39), scheidet ihre Annahme bereits deshalb aus, weil der Anspruch erst mit dem Inkrafttreten der Abwasserbeitragssatzung vom 24. Oktober 2013 entstanden ist (s.o. S. 8), so dass von einer verspäteten Geltendmachung keine Rede sein kann.

42

Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn man davon ausgeht, dass mit dem Recht der Beitragserhebung nicht ein konkret bestehender Anspruch, sondern – in einem weiteren Sinne – allgemein die Befugnis zur Beitragserhebung gemeint ist, die in Mecklenburg-Vorpommern seit dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes 1991 besteht. Im Falle des Antragstellers wäre die Erhebung eines Anschlussbeitrages ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Vorteilslage – dem Zeitpunkt der Schaffung der Anschlussmöglichkeit an die zentralen Schmutz- und Niederschlagswasserbehandlungsanlagen im Jahre 1998 – möglich gewesen. Bezogen auf diesen Zeitpunkt erfolgte die Beitragserhebung im Jahre 2013 ohne Zweifel verspätet. Dennoch konnte keine Vertrauensgrundlage dahingehend entstehen, dass Anschlussbeiträge nicht erhoben werden. Zwar sieht § 9 Abs. 2 des von der Stadt Barth mit dem Erschließungsträger geschlossenen Erschließungsvertrages vom 20. Januar 1997 genau diese Rechtsfolge vor. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Erschließungsträgers und seiner Rechtsnachfolger konnte dadurch jedoch nicht begründet werden, denn die Bestimmung des Ablösungsbetrages anhand des abgesenkten Beitragssatzes für „altangeschlossene“ Grundstücke (§ 4 Abs. 10 Buchst. a Satz 2 KBS) ist – wie bereits ausgeführt – willkürlich. Der Erschließungsträger und seine Rechtsnachfolger sollten im Verhältnis zu anderen Eigentümern „neuangeschlossener“ Grundstücke, für die gemäß § 4 Abs. 10 Buchst. a und b KBS deutlich höhere Beitragssätze gelten sollten, entlastet werden, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich ist. Der Fehler ist auch offensichtlich, da § 3 Abs. 2 der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Geltung beanspruchenden Kanalbaubeitragssatzung vom 26. März 1996 die Anwendung des abgesenkten Beitragssatzes ausdrücklich auf „altangeschlossene“ Grundstücke beschränkt.

43

Ungeachtet dessen ist darauf hinzuweisen, dass sich der Antragsteller nicht auf eine Verwirkung des Beitragsanspruchs beruft. Daher fehlen Angaben zum Vertrauenstatbestand und zur Vertrauensbetätigung, so dass die Annahme einer Verwirkung auch aus diesem Grund ausscheidet (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 29.11.2006 – 3 B 1909/06 –, juris Rn. 6).

44

ff. Schließlich steht der Geltendmachung des Beitragsanspruchs auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Dies wäre dann der Fall, wenn die betroffenen Eigentümer durch die Beitragserhebung in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt würden, so etwa, wenn dem Abgabengläubiger eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint (BVerwG, Urt. v. 20.03.2014 – 4 C 11/13 –, juris Rn. 31). Die Erwägungen der zur Erhebung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags nach § 154 ff. BauGB ergangenen Entscheidung sind wegen einer vergleichbaren Risikosituation der Abgabenpflichtigen – der Ausgleichsanspruch entsteht unabhängig vom Zeitpunkt des Eintritts der Vorteilslage gemäß § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB erst nach Abschluss der Sanierung, auch wenn dieser von der Gemeinde verzögert wird – auf die Erhebung von Anschlussbeiträgen übertragbar.

45

In der – bezogen auf den Zeitpunkt des Eintritts der Vorteilslage – verzögerten Beitragserhebung allein liegt noch keine Treuwidrigkeit. Treuwidrig ist die Abgabenerhebung erst dann, wenn es aufgrund einer Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren (BVerwG a.a.O. Rn. 32). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Verzögerung beruht ersichtlich auf dem gerichtsbekannten Umstand, dass die Stadt Barth in der Vergangenheit erhebliche Schwierigkeiten hatte, eine wirksame Beitragssatzung als Voraussetzung für eine rechtmäßige Beitragserhebung zu erlassen. In Bezug auf den Antragsteller kommen offenbar auch Auslegungsschwierigkeiten in Bezug auf die bereits benannten Bestimmungen des Erschließungsvertrages hinzu.

46

Auch die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften führen vorliegend nicht zur Annahme des Treuwidrigkeitstatbestandes. Nach § 53 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG) beginnt eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist zwar auf die Erhebung von Anschlussbeiträgen nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unabhängig vom Zeitpunkt seiner Entstehung (vgl. § 199 BGB) auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, kann aber zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden (BVerwG a.a.O., Rn. 32). Die Erhebung von Anschlussbeiträgen ist damit generell ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen.

47

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG), wobei der streitige Abgabenbetrag für das Eilverfahren zu vierteln war.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag Trinkwasser.

2

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Flurstück G1, W.-Straße in B. mit einer Größe von 3.539 m², welches an die öffentliche Trinkwasserversorgungsanlage des Wasserzweckverbandes Strelitz angeschlossen ist.

3

Mit Bescheid vom 23. Dezember 2008 zog der Beklagte die Kläger jeweils zu einem Anschlussbeitrag i.H.v. 967,75 Euro netto zzgl. 19% Ust. in Höhe von 187,87 Euro, d.h. insgesamt 1.151,62 Euro heran. Dabei wies er darauf hin, dass die beiden Miteigentümer den zu entrichteten Betrag gemeinsam schuldeten, dieser aber nur einmal zu zahlen sei. Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 12. Januar 2009 Widerspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides, was der Beklagte mit Schreiben vom 28. Januar 2009 ablehnte. Dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gab das erkennende Gericht mit Beschluss vom 6. Mai 2009 – 3 B 249/09 - teilweise statt, soweit die Beitragsfestsetzung den Betrag von 1.035,49 Euro übersteigt. Im Übrigen lehnte es den Antrag ab. Mit Beschluss vom 27. August 2009 – 1 M 91/09 – ordnete das OVG Greifswald die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an, soweit sie vom erkennenden Gericht abgelehnt worden war. Auf den Antrag des Beklagten vom 3. März 2011 änderte das erkennende Gericht durch Beschluss vom 14. April 2011 – 3 B 260/11 - den Beschluss vom OVG Greifswald vom 27. August 2009 ab und lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ab, soweit die Festsetzung im Bescheid vom 23. Dezember 2008 den Betrag von 1.035,49 Euro nicht übersteigt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde vom OVG Greifswald mit Beschluss vom 5. Juli 2012 – 1 M 59/11 – zurückgewiesen.

4

Bereits mit Änderungsbescheid vom 18. Januar 2010 hatte der Beklagte den Umsatzsteuersatz von 19 v.H. auf 7 v.H. reduziert und den zu zahlenden Anschlussbeitrag auf 1.035,49 Euro für das klägerische Grundstück festgesetzt. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

5

Die Kläger haben am 3. Juni 2011 Klage erhoben. Sie sind der Ansicht, dass die Heranziehung rechtswidrig sei. Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage, da die Wasserabgabensatzung (WAgS) nichtig sei. Die der Beitragssatzung zugrundeliegenden Normen, insbesondere die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V, seien verfassungswidrig. Auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – und 3. September 2013 – 1 BvR 1282/13 – werde Bezug genommen. Damit sei der Anspruch verjährt.

6

Weiterhin habe der Beklagte die ihm durch das Kommunalabgabengesetz eingeräumte Satzungsbefugnis überschritten, indem er in Anlage 1 Ziff. 1.3 WAgS den Beitragssatz auf 0,49 Euro/m² Nutzungsfläche (brutto 0,58 Euro/m²) festsetze. Mit der Festsetzung der Umsatzsteuer auf den Herstellungsbeitrag greife der Beklagte in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ein. Darüber hinaus seien Wasserversorgungsbeiträge nicht umsatzsteuerpflichtig.

7

Die dem Beitragssatz zugrunde liegende Kalkulation sei fehlerhaft. Rechtsfehlerhaft sei die Berechnung der zugrunde liegenden Herstellungskosten, deren Höhe ebenfalls bestritten werde. Auch ein prozentualer Abzug von den Investitionsaufwendungen, der dem Vorteil der Allgemeinheit – wie etwa für die Brandbekämpfung – entspreche, sei nicht erfolgt. Mit Nichtwissen werde zudem der ausgewiesene Anlagenwert in der Kalkulation bestritten. Der Beklagte habe in der Globalberechnung auch nicht zwischen Erneuerungs- und Herstellungskosten unterschieden. Die Beitragssatzung sehe in § 1 Abs. 2 WAgS vor, dass bei Hausanschlüssen für die Deckung des Aufwandes für Herstellung und Erneuerung Beiträge erhoben werden können, wohingegen für die öffentliche Einrichtung Wasserversorgung nur Beiträge für die Anschaffung und Herstellung erhoben werden dürften. Weiterhin sei die Errechnung der beitragspflichtigen Fläche nicht nachvollziehbar.

8

Im Übrigen sei die Maßstabsregel unwirksam. Die Satzung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, als in Anlage 1 Ziff. 1.3 lit. B. WAgS Grundstücke, die im Bereich eines B-Planes liegen, aber darüber hinaus reichten, anders veranlagt würden, als Grundstücke, für die ein B-Plan nicht bestehe, die aber im unbeplanten Innenbereich lägen, aber darüber hinaus in den Außenbereich ragten. Ähnliches gelte für die in der Satzung enthaltene Eckgrundstücksregelung. Auch diese verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Rechtsfehlerhaft sei darüber hinaus die Regelung der Nutzungsfaktoren gemäß Anlage 1 Ziff. 1.3 lit. C. Abs. 1 WAgS, in der der Beklagte für das 2. und 3. Geschoss jeweils einen Steigerungsfaktor von 25 v.H. vorsehe, für das 4. und 5. Geschoss zusammen dagegen nur 25 v.H. und für das 6. Geschoss wiederum 25 v.H..

9

Die Kläger beantragen,

10

den Bescheid des Beklagten vom 23. Dezember 2008, abgeändert durch den Änderungsbescheid vom 18. Januar 2010, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2011 aufzuheben.

11

Der Beklagte verteidigt die angegriffenen Bescheide und beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Das Gericht hat mit Beschluss vom 9. August 2013 den Rechtsstreit auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen. Die Einzelrichterin hat mit Beschluss vom 22. Oktober 2013 den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

Die Klage hat keinen Erfolg.

16

1. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Der Beitragsbescheid des Beklagten vom 23. Dezember 2008 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 18. Januar 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

17

a) Gemäß § 1 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) können Zweckverbände in Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben des eigenen Wirkungskreises Abgaben mit Ausnahme von Steuern erheben. Abgaben dürfen nur aufgrund einer Satzung erhoben werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V). Die dem Erlass der Wasserabgabensatzung und der Beitragserhebung zugrundeliegenden Vorschriften des KAG M-V sind wirksam. Sie verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht. Das gilt insbesondere für die Regelung der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht in § 9 Abs. 3 KAG M-V (vgl. dazu auch VG Schwerin, Urteil vom 11. April 2013 – 4 K 1250/12 –, juris). Das Anschlussbeitragsrecht in Mecklenburg-Vorpommern hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen stand.

18

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährleisten Rechtssicherheit und Vertrauensschutz im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürger und Bürgerinnen sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris).

19

Nach den landesrechtlichen kommunalabgabenrechtlichen Regelungen konnte sich in Mecklenburg-Vorpommern kein Vertrauen der Abgabenschuldner darauf bilden, von der Erhebung von Anschlussbeiträgen verschont zu bleiben.

20

Das Kommunalabgabengesetz sieht seit seinem Inkrafttreten am 11. April 1991 (GVOBl. M-V 2009, 113) eine Erhebung von Beiträgen vor. Seit dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes vom 1. Juni 1993 (GVOBl. M-V 1993, 522) bestand eine Beitragserhebungspflicht (ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. VG Greifswald, Beschluss vom 15. Juni 2011 – 3 B 484/11 –, n.v., m.w.N; a.A. OVG Greifswald, Urteil vom 3. Mai 2011 – 1 L 59/10 –, juris, Rn. 56 ff.), von der auch nach dem Inkrafttreten nach dem Kommunalabgabengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. April 2005 (GVOBl. M-V, 146) nur in atypischen Fällen abgewichen werden kann. Die Abgabenpflichtigen mussten mithin stets damit rechnen, dass die Aufgabenträger leitungsgebundene Anschlussbeiträge erheben würden. Der Umstand, dass in Mecklenburg-Vorpommern die sachliche Beitragspflicht für Anschlussbeiträge erst nach Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung entsteht (§ 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V), gibt für einen Vertrauenstatbestand gleichfalls nichts her. Wird eine unwirksame durch eine wirksame Satzung ersetzt, liegt darin keine echte Rückwirkung, da die Satzung nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreift, sondern an einen fortdauernden, abgabenrechtlich bisher nicht aktualisierten Zustand andere abgabenrechtliche Folgerungen knüpft (BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 – 8 B 123/84 –, juris). Der durch eine ungültige Norm erzeugte Rechtsschein ist keine Grundlage für den Vertrauensschutz des Normunterworfenen (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 19. Dezember 1961 – 2 BvL 6/59 –, BVerfGE 13, 261). Der Umstand, dass nach der genannten Regelung unwirksame Beitragssatzungen abgabenrechtlich und im Sinne des Erlöschenstatbestandes der Festsetzungsverjährung ohne Belang sind, begründet kein schutzwürdiges Vertrauen im Falle solcher Satzungen, sondern steht diesem allenfalls entgegen (vgl. für rückwirkende Abgabensatzungen BVerfG, Beschluss vom 3. September 2009 – 1 BvR 2384/08 –, juris). Schließlich genießen auch diejenigen Beitragspflichtigen keinen besonderen Vertrauensschutz, deren Grundstücke schon vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes tatsächlich an eine leitungsgebundene öffentliche Anlage angeschlossen waren (sog. Altanschließer). Auch ihre Heranziehung ist abgabenrechtlich geboten und stellt sich nicht als unzulässige Rückwirkung dar (vgl. OVG Greifswald, Urteil vom 13. November 2011 – 1 L 192/08 –, juris; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 21. September 2012 – 46/11 –, juris, zur vergleichbaren Rechtslage in Brandenburg).

21

bb) Das Rechtstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchem Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsgleichheit und Belastungsvorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris). Die Regelungen des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern über die Entstehung und Festsetzung von Anschlussbeiträgen verstoßen auch nicht gegen dieses verfassungsrechtliche Gebot.

22

Schmutz- und Trinkwasserbeiträge nach § 9 KAG M-V knüpfen nicht an in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge an. Die Legitimation des Anschlussbeitrags ergibt sich vielmehr aus der Überlegung, dass das bevorteilte Grundstück durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Anlage (§ 9 Abs. 3 KAG M-V) eine dauerhafte Erschließung erfährt. Der Vorteilsbegriff ist grundstücksbezogen, der abzugeltende Vorteil ist für das Grundstück in der positiven Veränderung der Erschließungssituation zu sehen (OVG Greifswald, Beschluss vom 20. Oktober 1998 – 1 M 17/98 –, juris). Die Möglichkeit des Anschlusses an eine Abwasserentsorgungs- bzw. Trinkwasserversorgungsanlage ist für die ordnungsgemäße Erschließung eines Grundstücks in gleicher Weise erforderlich wie etwa das Vorhandensein einer Straße. Eine ausreichende und auf Dauer gesicherte Erschließung ist sowohl nach Bauplanungsrecht – §§ 30 ff. Baugesetzbuch (BauGB) – als auch nach Bauordnungsrecht unabdingbare Voraussetzung für die Nutzung eines Grundstücks zu baulichen Zwecken. Die Sicherung der Erschließung bezieht sich somit nicht nur auf den Zeitpunkt der erstmaligen Herstellung. Vielmehr wirkt die durch die Sicherung der Erschließung herbeigeführte Bebaubarkeit eines Grundstücks auf die Zukunft ab der erstmaligen Herstellung der Anlage. Beitragsfähig ist nur der Vorteil, der rechtlich sicher und auf Dauer geboten wird (Dietzel, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2007, § 8, Rn. 532 ff.; vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 29. August 2013 – AN 3 S 13.01273 –, juris, zum Erschließungsbeitragsrecht). Der Schmutz- bzw. Trinkwasserbeitrag wird nicht dafür gezahlt, dass das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen wurde oder angeschlossen werden konnte, sondern dafür, dass es angeschlossen ist oder angeschlossen werden kann und auf Dauer angeschlossen bleibt.

23

Soweit das Bundesverfassungsgericht der Auffassung ist, die Legitimation von Beiträgen liege in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris, Rn. 45) und damit in einem tatsächlichen Vorgang, der zeitlich immer weiter in die Vergangenheit rücke, vermag die Kammer dem in Ansehung der landesrechtlichen Vorschriften zum Anschlussbeitragsrecht nicht zu folgen. Soweit sich das Bundesverfassungsgericht insoweit auf die eigene Rechtsprechung bezieht, führt das nicht weiter. Der zitierte Beschluss vom 12. Oktober 1978 (2 BvR 154/74 –, BVerfGE 49, 343) betrifft keinen Beitrag, sondern eine Steuer und erwähnt nur allgemein das Vorteilsprinzip. In der weiterhin angeführten Entscheidung findet sich gleichfalls kein Beleg für den aufgestellten Rechtssatz. Dort heißt es in Übereinstimmung mit den oben dargestellten beitragsrechtlichen Grundsätzen zur Rechtfertigung von Vorzugslasten im Präsens: „So empfängt, wer eine öffentliche Leistung in Anspruch nimmt, einen besonderen Vorteil, der es rechtfertigt, ihn zur Tragung der Kosten der öffentlichen Leistung heranzuziehen oder die durch die öffentliche Leistung gewährten Vorteile ganz oder teilweise abzuschöpfen“ (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995 – 2 BvR 413/88 –, 2 BvR 1300/93 –, BVerfGE 93, 319). Von einem abgeschlossenen Vorgang ist dort gerade nicht die Rede.

24

Das landesrechtliche Anschlussbeitragsrecht knüpft die Beitragserhebung auch nicht insoweit an einen in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossenen Vorgang, als ein vormaliger Eigentümer des bevorteilten Grundstücks zeitlich unbegrenzt zum Schmutz- bzw. Trinkwasserbeitrag herangezogen werden könnte. Nach dem gesetzlichen Regelfall des § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des bevorteilten Grundstücks ist. Sachliche und persönliche Beitragspflicht fallen (erst) hier zusammen. Wer das Eigentum am betreffenden Grundstück verliert und durch die abgerechnete öffentliche Einrichtung nicht mehr bevorteilt ist, muss regelmäßig auch nicht mehr damit rechnen, zu einem Anschlussbeitrag herangezogen zu werden.

25

Soweit § 7 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V eine davon abweichende Regelung des Ortsgesetzgebers erlaubt, ist das verfassungsrechtlich unbedenklich. Wenn die Abgabensatzung bestimmt, dass persönlich beitragspflichtig ist, wer bei Entstehen der sachlichen Beitragspflicht Eigentümer des bevorteilten Grundstücks war, ist damit kein ungewisser oder unbegrenzter Zeitraum nach Ende der Vorteilslage in Gang gesetzt, in dem eine Beitragserhebung rechtmäßig erfolgen könnte. Der von der Regelung betroffene Grundstückseigentümer kann der Satzung vielmehr entnehmen, wann die sachliche Beitragspflicht entstanden ist und damit auch, wann die persönliche Beitragspflicht wegen der Festsetzungsverjährung gemäß § 12 Abs. 1 und 2 KAG M-V i.V.m. §§ 47, 169 bis 171 Abgabenordnung (AO) erlöschen wird.

26

Nach alledem genügt das einschlägige Kommunalabgabenrecht in Mecklenburg-Vorpommern den aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gebot der Rechtssicherheit folgenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. Solange ein Grundstück durch eine zentrale Abwasserentsorgungs- bzw. Trinkwasserversorgungsanlage bevorteilt ist, ist es legitim, dessen Eigentümer zu einem Anschlussbeitrag heranzuziehen, sobald die sachliche Beitragspflicht durch eine wirksame Beitragssatzung des Aufgabenträgers der Höhe nach ausgeprägt wurde. Die Verjährungsregelungen gewährleisten bereits einen gerechten Ausgleich zwischen dem öffentlichen Interesse an der Realisierung der (entstandenen) Beitragsansprüche und den schutzwürdigen Interessen der Beitragspflichtigen, nach Ablauf eines gewissen Zeitraums nicht mehr mit ihrer Inanspruchnahme rechnen zu müssen. Dies gilt auch für den Fall, dass der persönlich Beitragspflichtige ausnahmsweise bei der Festsetzung des Beitrags nicht mehr Eigentümer des Grundstücks ist. Die Kammer vermag dem vom Bundesverfassungsgericht allgemein aufgestellten Rechtssatz, der Gesetzgeber sei verpflichtet sicherzustellen, dass Beiträge nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris, Rn. 45), nicht zu folgen, da sie die Legitimation von Anschlussbeiträgen nicht aus dem einmaligen Akt der Schaffung der Anschlussmöglichkeit, sondern aus der auf Dauer gesicherten Anschlussmöglichkeit selbst herleitet. Aus dem Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 2013 (– 1 BvR 1282/13 –, juris) ergibt sich insoweit nichts anderes.

27

2. Der angefochtene Bescheid findet seine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die öffentliche Wasserversorgung der Grundstücke (Wasseranschlusssatzung – WAS) vom 27. November 2007 in der Fassung der Zweiten Änderungssatzung vom 17. Februar 2011, rückwirkend zum 1. Januar 2008 in Kraft getreten, i.V.m. der am 10. August 2011 beschlossenen, am 17. August 2011 ausgefertigten und nach § 24 Satz 1 rückwirkend zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung – WAgS). Die Satzungen sind nach derzeitiger Kenntnis wirksam (vgl. OVG Greifswald, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 1 L 289/11 –, juris; Beschluss vom 5. Juli 2012 – 1 M 59/11 –, n.v.).

28

Soweit die Kläger einwenden, der festgesetzte Beitragssatz sei deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte in der Globalberechnung nicht zwischen Erneuerungs- und Herstellungskosten differenziere und Erneuerungskosten nicht von § 1 Abs. 2 a 1. Alt WAgS erfasst werden würden, verfängt dieser Einwand nicht. Die Kläger verkennen, dass in die Globalkalkulation keine „Erneuerungskosten“ eingeflossen sind. Denn solange sich die öffentliche Anlage einschließlich der darin einbezogenen Hausanschlüsse in der Herstellungsphase befindet, weil sie ihre Endausbaustufe noch nicht erreicht hat, stellen sich alle notwendigen Maßnahmen an einzelnen Bestandteilen der Anlage als Herstellungsmaßnahme dar, auch wenn sie einen Austausch vorhandener Anlagenbestandteile beinhalten. Dies gilt auch, wenn der Betreiber eine Altanlage „übernommen“ hat. Die Sanierung alter (zu DDR-Zeiten errichteter) Wasserkanäle bewirkt keine Verbesserung bzw. Erneuerung im beitragsrechtlichen Sinne; sie ist lediglich ein unselbstständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließt und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten wird (OVG Greifswald, Beschluss vom 13. Februar 2013 – 4 K 16/10 –, juris, Rn. 20; Beschluss vom 21. April 1999 – 1 M 12/99 –, juris; Urteil vom 18. Oktober 2005 – 1 L 197/05 –, juris m.w.N.).

29

Der Wasserzweckverband Strelitz befand sich ausweislich der vorliegenden Globalkalkulation bis zum 31. Dezember 2009 in der Herstellungsphase. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde das Trinkwasserversorgungskonzept 2000 umgesetzt und die Investitionen damit abgeschlossen (vgl. Seite 4 der Globalkalkulation). Der Kalkulationszeitraum für den höchstzulässigen Beitragssatz begann mit dem 3. Oktober 1990 und endete mit dem 31. Dezember 2009. Nur die in diesem Zeitraum angefallenen Aufwendungen/Investitionen sind in die Globalkalkulation eingeflossen. Darauf hat der Beklagte auch in seinem Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2011, Seite 4, hingewiesen.

30

Da in die Globalkalkulation keine Aufwendungen für die Erneuerung der Anlage eingeflossen sind, bestand für den Satzungsgeber keine Verpflichtung, die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen in der Beitragssatzung zu regeln. Eine solche ergibt sich auch nicht aus dem Kommunalabgabengesetz. Zwar haben die Kläger zutreffend angeführt, dass das Kommunalabgabengesetz in § 9 zwischen Herstellungs- und Erneuerungskosten differenziert. Allerdings können neben den Anschaffungs- und Herstellungsbeiträgen nach Satz 1 Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Erneuerung erhoben werden, vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V. Eine Verpflichtung zur Erhebung von Erneuerungsbeiträgen besteht daher nicht und bedarf somit keiner zwingenden gesetzlichen Regelung in der Beitragssatzung.

31

Der Einwand der Kläger, die vom Beklagten in der Kalkulation geltend gemachten Herstellungskosten bis zum Jahr 2009 und der angeführte Anlagenwert werde der Höhe nach bestritten, verfängt nicht. Er ist nicht geeignet, Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Kalkulation zu begründen. Es ist Sache der Kläger, etwaige Satzungs- oder Rechtsanwendungsfehler hinreichend bestimmt darzulegen. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Kläger nicht. Die Kläger haben keinerlei Umstände dargelegt, aus denen die Unrichtigkeit der Angaben des Beklagten über die Herstellungskosten folgen könnte. Auch aus dem vorliegenden Prozessstoff ergeben sich keine dahingehenden Anhaltspunkte, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Behauptung aufs Geratewohl aufgestellt worden ist. Sie ist damit nicht geeignet, weitere gerichtliche Ermittlungen auszulösen. Dies liefe auf eine auch vom verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) nicht mehr gedeckte Fehlersuche „ins Blaue“ hinaus. Denn der Untersuchungsgrundsatz ist keine prozessuale Hoffnung, das Gericht würde mit seiner Hilfe schon die klagebegründenden Tatsachen finden (BVerwG, Buchholz 310 § 86 Nr. 76).

32

Auch mit Blick auf die Regelung in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 1 WAgS bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Rechtswirksamkeit der Wasserabgabensatzung. Gemäß Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 1 WAgS beträgt der Beitragssatz betreffend die Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage „0,49 Euro/m² Nutzungsfläche (Brutto 0,58 Euro/m²)“. Die Regelung geht also von einem Umsatzsteuersatz von 19 v.H. aus, der zunächst auch der streitgegenständlichen Beitragsfestsetzung zugrunde lag. Dies ist unzutreffend. Es ist von einem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 v.H. auszugehen (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 30. November 2009 – 1 M 134/09 –, juris). Die Wirksamkeit der Satzung ist damit nicht in Frage gestellt. Denn die Bruttoangabe – worauf schon die Einklammerung hinweist – ist lediglich deklaratorischer Natur. Zudem wäre allenfalls von einer Teilunwirksamkeit des Klammerzusatzes auszugehen; der Umsatzsteuersatz ergibt sich ohnehin von Gesetzes wegen, er bedarf keiner Ausweisung in der Satzung, zumal der Zweckverband ihn auch nicht abweichend vom Gesetz festlegen dürfte (OVG Greifswald, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 1 L 27/09 –, juris Rn. 68).

33

Der in Anlage 1 Ziff. 1.3 lit. A WAgS geregelte Beitragsmaßstab ist nicht zu beanstanden. Gegen den normierten abgestuften Vollgeschossmaßstab, bei dem zunächst die maßgebliche Grundstücksfläche ermittelt und sodann diese mit einem Nutzungsfaktor vervielfacht wird, bestehen grundsätzlich keine Bedenken (vgl. OVG Greifswald, Urteil vom 15. März 1995 – 4 K 22/94 –, juris). Auch die in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 lit. C Abs. 1 WAgS festgelegte Steigerung der Nutzungsfaktoren ist rechtmäßig. Der Nutzungsfaktor für das erste Vollgeschoß beträgt 1,0, für das zweite und dritte Vollgeschoss je 0,25, für das vierte bis fünfte Vollgeschoss 0,25 und für das sechste Vollgeschoss 0,25. Die Regelung orientiert sich damit an der in § 17 Abs. 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) i.d.F. vom 1. Oktober 1970, gültig bis zum 26. Januar 1990, vorgesehenen Nutzungssteigerung je Geschoss.

34

Dagegen gibt es nichts zu erinnern. Welchen Maßstab der Ortsgesetzgeber für die Steigerung des Nutzungsfaktors nach dem ersten Vollgeschoss wählt, dass heißt, ob der Nutzungsfaktor linear-progressiv oder degressiv ansteigt und in welchen Stufen, liegt grundsätzlich im Ermessen des Satzungsgebers. Er muss sich nicht für den zweckmäßigsten, gerechtesten, vernünftigsten oder wahrscheinlichsten Maßstab entscheiden. Vielmehr findet das Ermessen des Satzungsgebers erst dort seine Grenze, wo sich sachliche Gründe für die Abstufung nicht mehr finden lassen oder der gewählte Maßstab ersichtlich unangemessen und deshalb dem Vorteilsprinzip und dem Gleichheitssatz nicht mehr entsprechend ist.

35

Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die vier- und fünfgeschossig bebaubaren (bebauten) Grundstücke einerseits sowie die sechsgeschossig bebaubaren (bebauten) Grundstücke andererseits mit jeweils einem einheitlichen Nutzungsfaktor belegt sind, d.h. dass nicht jedem unterschiedlichen Maß der Nutzung ein unterschiedlicher Nutzungsfaktor entspricht. Die Regelung hält sich im Rahmen des dem Ortsgesetzgeber eingeräumten weiten ortsgesetzgeberischen Ermessens (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1979 – 4 C 84.75 –, juris; OVG Magdeburg, Beschluss vom 24. Juni 2003 – 2 M 255/02 –, juris, Rn. 28ff. für das Erschließungsbeitragsrecht; a.A. OVG Bautzen, Urteil vom 22. August 2001 – 5 B 501/01 –, juris; Urteil vom 28. Oktober 2010 – 5 D 5/06 –, juris). Mit dem kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab wird von vornherein die an sich die Ausnutzbarkeit der Grundstücke genauer wiedergebende Geschossfläche vernachlässigt (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1979, a.a.O.). Dies ist jedoch unbedenklich, da grundsätzlich nicht jedem (auch nur geringen) Unterschied in der zulässigen Nutzung durch entsprechende Unterschiede im Verteilungsmaßstab Rechnung zu tragen ist (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 – IV C 92.74 –, ZMR 1978, 146). Die den Anschlussbeitrag auslösenden Vorteile sind zwar der Sache nach daran zu messen, was der Anschluss für die bauliche oder gewerbliche Nutzung der Grundstücke hergibt; dennoch sind Anschlussvorteil und bauliche Nutzbarkeit nicht „gleiche Größen“; der größere oder kleinere Anschlussvorteil lässt sich mit Hilfe der jeweiligen baulichen Nutzung niemals genau, sondern nur grob fassen. Aus diesem Grund wird ein Beitragsmaßstab den Anforderungen des Kommunalabgabenrechtes gerecht, wenn unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität und Überschaubarkeit sowie der zulässigen Typisierung und Pauschalierung nur erhebliche, hinreichend abgrenzbare Unterschiede der den Beitragsvorteil bewirkenden Nutzbarkeit in typischen Fallgruppen nach dem Maß (und der Art) der Nutzung angemessen erfasst werden (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1979, a.a.O. zum Erschließungsbeitragsrecht; OVG Magdeburg, Beschluss vom 24. Juni 2003, a.a.O., juris, Rn. 28).

36

Unter Beachtung dieser Grundsätze stellt sich die Zusammenfassung des vierten und fünften Vollgeschosses unter einem einheitlichen Nutzungsfaktor und die weitere Steigerung von 0,25 für das sechste Vollgeschoss als zulässig dar. Denn der Unterschied zwischen viergeschossiger und fünfgeschossiger Wohnbebauung ist nicht so groß, dass man für das vierte und fünfte Vollgeschoss nicht von annähernd gleichen Vorteilen ausgehen und eine Zusammenfassung zu einem einheitlichen Nutzungsfaktor nicht als zulässig ansehen könnte (vgl. OVG Magdeburg, Beschluss vom 24. Juni 2003, a.a.O., m.w.N.; a.A. OVG Bautzen, Urteil vom 22. August 2001, a.a.O.). Denn erfahrungsgemäß steigt – bei gleicher überbaubarer Fläche – die mögliche Geschossfläche beim Übergang von einem Geschoss zum nächsthöheren Geschoss immer weniger an. Hinzu kommt, dass bei einer zunehmenden höheren Bebauung gleichzeitig die tatsächlich bebaubare Grundstücksfläche wegen der Abstandsflächenregelungen typischerweise sinkt. Die Nutzungsflächensteigerung verringert sich damit mit jedem weiteren Vollgeschoss. Diesen Abnehmen der überbaubaren Fläche wird mit der degressiven Gestaltung der Nutzungsfaktoren Rechnung getragen.

37

Soweit die Kläger weiterhin einwenden, die Maßstabsregel in Anlage 1 Ziff. 1.3 lit. B WAgS und die Eckgrundstücksregelung verstießen gegen den Gleichheitsgrundsatz, die Flächenberechnung in der Kalkulation sei fehlerhaft und der Beklagte habe in der Kalkulation keinen Abzug für Investitionen vorgenommen, die der Allgemeinheit zugute kämen (wie etwa für die Brandbekämpfung), verfangen diese, bereits in den einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorgetragenen Einwendungen, nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in den Beschlüssen der erkennenden Kammer vom 6. Mai 2009 – 3 B 249/09 - und 14. April 2011 – 3 B 260/11 – sowie des OVG Greifswald vom 5. Juli 2012 – 1 M 59/11 –, verwiesen. An diesen wird festgehalten.

38

3. Gegen die Rechtsanwendung gibt es nichts zu erinnern.

39

Es kann als geklärt gelten, dass Wasserversorgungsbeiträge umsatzsteuerpflichtig sind und die Umsatzsteuer auf die Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Landesrechtes abgewälzt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil 29. April 1988 − 8 C 33.85 −, juris; OVG Greifswald, Beschluss vom 30. November 2009 – 1 M 134/09 −, juris).

40

Die Berechnung des Beitrages ist rechtsfehlerfrei. Die Veranlagung des Grundstücks nach Anlage 1 Ziffer 1.3 Buchst. B Absatz c) WAgS ist nicht zu beanstanden. Danach gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen (§ 34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Das klägerische Grundstück liegt nach Auffassung der Kammer innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 BauGB, so dass sich unter Beachtung einer Tiefenbegrenzungslinie von 50 m und einer Breite des Grundstücks von 39,50 m eine zu veranlagende Fläche von 1.975 m² ergibt. Der errechnete Beitrag von 1.035,49 Euro ist rechtsfehlerfrei.

41

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Berufung ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Klärung der Frage der Vereinbarkeit des Kommunalabgabengesetzes mit dem Verfassungsrecht zuzulassen

42

(§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch Zahlung (§§ 224, 224a, 225), Aufrechnung (§ 226), Erlass (§§ 163, 227), Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232), ferner durch Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ansprüchen.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. August 2013 – 3 A 291/10 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenansatzes vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin zu Anschlussbeiträgen (Schmutzwasser).

2

Der Zweckverband, dem der Beklagte vorsteht, betreibt im Ostseebad Heringsdorf die zentrale Abwasserbeseitigung durch die in seiner Beitragssatzung als öffentliche Einrichtung II bezeichnete Anlage.

3

Die Klägerin ist als Wohnungseigentümerin (Mit-)Eigentümerin des Grundstücks Flurstück ../.. und ../.., Flur .., Gemarkung H…, welches an die Einrichtung II des Zweckverbandes angeschlossen ist.

4

Bereits mit Bescheiden vom 25. Februar 1999 zog der Beklagte die Klägerin zu Anschlussbeiträgen Schmutzwasser für das Grundstück Flurstück /.., Flur .., Gemarkung H… in Höhe von 4.089,18 DM und für das Grundstück Flurstück ../.., Flur .., Gemarkung H… in Höhe von 1.470,25 DM heran (Rechtsgrundlage Beitragssatzung 1996). Die Bescheide wurden bestandskräftig.

5

Mit Bescheiden vom 15. Oktober 2009 zog der Beklagte die Klägerin unter Anrechnung der bereits geleisteten Beiträge zu Anschlussbeiträgen für das Wohnungs- und Teileigentum in Höhe von insgesamt 30.974,76 Euro heran (Rechtsgrundlage Beitragssatzung 2005).

6

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 11. November 2009 Widerspruch ein.

7

Mit Änderungs- und Widerspruchsbescheid vom 1. März 2010 stellte der Beklagte unter Ziffer 1 klar, dass ein Beitrag von insgesamt 30.974,76 Euro zu zahlen sei. Unter Ziffer 2 des Bescheides werden die in der Anlage l aufgeführten Bescheide wegen offenbarer Unrichtigkeit auf Seite 2, Zeile 3 dahingehend berichtigt, dass nur die Bescheide vom 25. Februar 1999 (und nicht auch vom 11. Februar 1999) geändert werden sollen. Im Übrigen werden die Widersprüche zurückgewiesen.

8

Die Klägerin hat am 30. März 2010 Klage erhoben.

9

Sie ist der Ansicht, ihre Heranziehung sei rechtswidrig.

10

Der Beklagte habe den Widerspruchsbescheid nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen begründet, da er nur einen Widerspruchsbescheid erlassen habe und hinsichtlich der gesamten 135 Kanalbauanschlussbeitragsbescheide auf eine dem Widerspruchsbescheid als Anlage l beigefügte Liste verwiesen habe.

11

Die Bescheide seien (auch) materiell rechtswidrig. Sie verstießen gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung. Der Beklagte habe die Klägerin bereits mit Beitragsbescheiden vom 25. Februar 1999 zu Anschlussbeiträgen (Schmutzwasser) herangezogen, und diese Bescheide seien bestandskräftig geworden. Der Beitrag sei voll ausgeschöpft worden.

12

Der nochmaligen Veranlagung stehe darüber hinaus der Grundsatz der Verwirkung entgegen. Im Übrigen habe der Gesetzgeber erst mit der Änderung des KAG M-V im Jahr 2005 entschieden, dass die sachliche Beitragspflicht mit der ersten wirksamen Satzung entstehe (Änderung des § 9 Abs. 3 KAG M-V), sodass nach der alten Rechtslage die Beitragspflicht bereits entstanden und damit verjährt sei. Diese gesetzliche Änderung habe echte Rückwirkung entfaltet. Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – werde Bezug genommen. Nach Ablauf von mehr als zehn Jahren habe die Klägerin auch nicht mehr mit dem Erlass eines weiteren Beitragsbescheides rechnen müssen.

13

Weiterhin sei die dem Beitragssatz zugrunde liegende Kalkulation fehlerhaft. Die Gemeinde Seebad Heringsdorf habe im Jahr 2011 einen Bebauungsplan Nr. 23 „Ortszentrum an der Delbrückstraße 1 in Heringsdorf“ aufgestellt, nach welchem anstelle eines bisherigen Parkplatzes und eines dreigeschossigen Einkaufszentrums ein maximal 25,9 m hoher Hotelkomplex zwischen der S-straße und der D-straße entstehen solle. Diese Planungen seien bei der Flächenermittlung nicht berücksichtigt worden. Auch im Bereich Neu-Sallenthin, Alt-Sallenthin weise die Flächenberechnung lediglich eine eingeschossige Nutzungsfläche auf. Dies sei fehlerhaft. In der Gemeinde gebe es eine Reihe zweigeschossiger Gebäude, wie beispielsweise in der Straße „An den Krebsseen" Nummer 1, 8, 16, 39 und 42. Das in Neu-Sallenthin vorhandene Hotel „B" sei darüber hinaus dreigeschossig. Die Fortschreibung der Beitragskalkulation enthalte eine Ermittlung der Erstattung von Abwasserabgaben. Hierbei handele es sich nicht um eine Fortschreibung, da die Angaben aus den Jahren 2006 bis 2008 stammten.

14

Die Klägerin hat beantragt,

15

die Kanalbaubeitragsbescheide des Beklagten – Bescheidnummern … bis … – vom 15. Oktober 2009 in der Fassung des Änderungs- und Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 aufzuheben.

16

Der Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Er hat im Wesentlichen vorgetragen, der Nachveranlagung könne weder der Grundsatz der einmaligen Beitragserhebung noch Verwirkung entgegengehalten werden. Dies habe auch das OVG Greifswald zwischenzeitlich bestätigt. Erst mit Erlass der angefochtenen Bescheide, gestützt auf die Beitragssatzung vom 16. März 2005, habe der Beklagte seinen Beitragsanspruch voll ausgeschöpft, da die Vorgängersatzungen allesamt unwirksam gewesen seien.

19

Gegen die Kalkulation beständen keine Bedenken. Die aktuelle Fortschreibung der Kalkulation sei bis 2015 erfolgt. Da der Bebauungsplan Nr. 23 der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf bislang nicht wirksam sei, sei das Grundstück auch nur mit der tatsächlichen Bebauung mit drei Vollgeschossen bei der Flächenermittlung berücksichtigt worden.

20

Durch Urteil vom 22. August 2013 – 3 A 291/10 – hat das Verwaltungsgericht Greifswald die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

21

Die zulässige Klage habe keinen Erfolg. Die Beitragsbescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2009 in Gestalt des Änderungs- und Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten.

22

Die Bescheide seien formell rechtmäßig; sie genügten dem Begründungserfordernis. Im Änderungs- und Widerspruchsbescheid werde ausführlich erläutert, wie sich die einzelnen für die Miteigentumsanteile festgesetzten Beiträge errechneten. Der errechnete Betrag sei für jeden Miteigentumsanteil anhand der Bescheidnummern genau bestimmbar.

23

Die Bescheide seien materiell rechtmäßig. Die der Beitragssatzung zugrundeliegenden Normen des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern – KAG M-V –, insbesondere § 9 Abs. 3 KAG M-V, verstießen nicht gegen höherrangiges Recht. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, da die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern in entscheidungserheblichen Punkten nicht mit der des Bayrischen Kommunalabgabengesetzes – BayKAG – vergleichbar sei. Eine „Verflüchtigung“ des Vorteils wie im bayrischen Landesrecht sei im Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern nicht möglich.

24

Die Beitragsbescheide fänden ihre nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung – Insel Usedom – (Abwasserbeitragssatzung – ABS) vom 18. März 2005 in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 20. Mai 2011. Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung beständen nicht.

25

Die dem Beitragssatz für die Einrichtung II zugrundeliegende, in der Verbandssitzung am 16. Mai 2011 beschlossene Globalkalkulation sei nicht zu beanstanden. Der Einwand der Klägerseite, es sei rechtsfehlerhaft, dass der Beklagte die mit dem Bebauungsplan Nr. 23 erfolgten Planungen der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf bei der Flächenermittlung nicht berücksichtigt habe, verfange nicht. Zwar sei es zutreffend, dass bei der Beschlussfassung über die Kalkulation in der Verbandsversammlung am 16. Mai 2011 der Bebauungsplan Nr. 23 bereits beschlossen und bekannt gemacht worden war. Allerdings sei der Beklagte nicht verpflichtet, (zukünftige) Baulandflächen zu berücksichtigen, die auf einem unwirksamen Bebauungsplan beruhten. Dies sei vorliegend der Fall. Das OVG Greifswald habe in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 21. November 2012 - Az. 3 K 22/11 - den Bebauungsplan Nr. 23 für unwirksam erklärt. Der Einwand der Klägerin, die Einstufung der in der Ortschaft Neu-Sallenthin gelegenen Grundstücke als insgesamt eingeschossig bebaut, sei teilweise unrichtig, führe nicht zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulation. Zwar habe der Beklagte eingeräumt, dass die in der Straße „An den K“ Nr. 1, 8, 16 und 42 gelegenen Grundstücke zweigeschossig bebaut seien und auch das Hotel „B“ über zwei Vollgeschosse verfüge. Dieser Fehler wirke sich jedoch wegen seiner Geringfügigkeit bei einer ermittelten Gesamtfläche von 2.290.027 m² weder auf den kalkulatorisch höchstzulässigen ermittelten Beitragssatz für die Einrichtung II von 8,29 Euro noch auf den festgesetzten Beitragssatz von 4,83 Euro wesentlich aus. Die Auswirkungen auf den Deckungsgrad seien gering und der beschlossene Beitrag von 4,83 Euro sei noch weit von dem höchstzulässigen Beitrag entfernt. Die der Verbandsversammlung unterbreitete Kalkulation sei damit nicht in einem für den Abgabensatz wesentlichen Punkt mangelhaft und auch nicht methodisch fehlerhaft, sodass die Verbandsversammlung trotz dieses Fehlers das ihr bei der Festsetzung des Abgabensatzes eingeräumte Ermessen fehlerfrei habe ausüben können. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeführt habe, es könne aus der fehlerhaften Flächenermittlung im Bereich der Ortschaft Neu-Sallenthin geschlossen werden, dass auch für die übrigen Gebiete der Einrichtung II die Flächen fehlerhaft ermittelt worden seien, treffe das nicht zu. Zum einen gebe es einen solchen Erfahrungssatz nicht. Zum anderen habe der Beklagte unwidersprochen ausgeführt, dass die Ortschaft Neu-Sallenthin abwasserseitig noch nicht erschlossen sei. Da insoweit die exakten Daten über das Maß der baulichen Nutzung fehlten, sei eine Schätzung auf repräsentativer Grundlage erfolgt. Demgegenüber seien 80 v. H. der im Einzugsbereich der Einrichtung II gelegenen Grundstücke tatsächlich angeschlossen, sodass insoweit auch die exakten Daten über das Maß der baulichen Nutzung vorlägen und bei der Kalkulation berücksichtigt worden seien. Im Übrigen sei es Sache der Klägerin, etwaige Satzungs- oder Rechtsanwendungsfehler hinreichend bestimmt darzulegen. Das Gericht sei nicht gehalten, von sich aus auf Fehlersuche zu gehen. Denn dies liefe auf eine auch vom verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) nicht mehr gedeckte Fehlersuche „ins Blaue“ hinaus.

26

Nicht zu beanstanden sei die aufwandsmindernde Berücksichtigung der zurückerstatteten Beträge aus der Abwasserabgabe in der Kalkulation (als „Leistungen Dritter“). Dass der Beklagte die Verrechnung der Abwassergabe nicht fortgeschrieben habe, sei rechtsfehlerfrei. Denn eine Verrechnung der Abwasserabgabe sei in der Zukunft nicht zu erwarten, da alle in der Einrichtung II anfallenden Abwässer entweder durch Überleitung in die Kläranlage Swinemünde oder zum Zweckverband Wolgast gereinigt würden. Eine eigene Klärung des Abwassers durch den Zweckverband entfalle damit im Bereich der Einrichtung II. Daher sei auch keine Abwasserabgabe durch den Zweckverband zu entrichten; eine Verrechnungsmöglichkeit entfalle.

27

Rechtmäßig sei auch die Nachberechnung des Beitrags, obwohl bereits mit Bescheiden vom 25. Februar 1999 für dasselbe Grundstück ein Anschlussbeitrag erhoben worden sei. Der dem Bescheid vom 25. Februar 1999 zugrunde gelegte Beitragssatz beruhte auf einer unwirksamen Kalkulation, da die am 4. November 1996 beschlossene Beitragssatzung in § 5 ABS u. a. zwischen erstmalig und bereits an einen Mischkanal angeschlossen gewesene Grundstücke differenziert und dafür unterschiedliche Beitragssätze vorgesehen habe. Die Regelung eines sog. gespaltenen Beitragssatzes sei gleichheitswidrig und habe zur Unwirksamkeit des Beitragssatzes geführt. Der Beklagte sei daher gehalten gewesen, eine dem nunmehr festgesetzten Beitragssatz für die Einrichtung II von 4,83 Euro entsprechende Nachforderung zu erheben. Auf die Frage, wer den Veranlagungsfehler 1999 verschuldet habe, komme es für die Rechtmäßigkeit der Nacherhebung nicht an.

28

Der Nachveranlagung des Beitrages stehe auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen. Dieser sei dann nicht verletzt, wenn der bereits gezahlte Betrag – wie hier – auf die Beitragsschuld angerechnet werde. Gleiches gelte für die Bestandskraft des früheren Beitragsbescheides und die Regelungen der §§ 170 ff. AbgabenordnungAO –.

29

Der Beitragsanspruch sei nicht durch Festsetzungsverjährung erloschen. Gemäß § 12 Abs. 2 KAG M-V betrage die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und Steuern vier Jahre. Nach § 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V beginne die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden sei. Obwohl das Grundstück bereits seit längerem an die Anlage angeschlossen worden sei, sei die sachliche Beitragspflicht erst im Kalenderjahr 2011 entstanden, sodass die vierjährige Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2011 anlaufe und frühestens am 31. Dezember 2015 ablaufe.

30

Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V entstehe die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden könne, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Gemeint gewesen sei auch nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. eine wirksame (gültige) Satzung, denn auf Grundlage einer unwirksamen Satzung könnten Beitragspflichten von vornherein nicht entstehen. Der Einwand der Klägerin, der Gesetzgeber habe erst mit Änderung des KAG M-V im Jahr 2005 entschieden, dass die sachliche Beitragspflicht erst mit der ersten wirksamen Satzung entstehe, verfange damit nicht.

31

Gleiches gilt für ihren Einwand, der Lauf der Festsetzungsfrist sei bereits durch den tatsächlichen Anschluss ausgelöst worden, da § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. im Lichte der eingangs erwähnten Rechtsprechung des BVerfG im strengen Wortsinne auszulegen sei, denn die Erwägungen des BVerfG seien auf die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern nicht übertragbar.

32

In dem Anknüpfen der Verjährungsfrist an den Erlass der ersten wirksamen Beitragssatzung liege schließlich auch keine im Regelfall nach Art. 20 Abs. 3 GG unzulässige (echte) Rückwirkung, sondern lediglich eine sogenannte tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung), die allgemein zulässig sei. Der Gesetzgeber regele keinen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt mit Wirkung für die Vergangenheit neu, sondern nehme einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt zum Anlass, daran Rechtsfolgen für die Zukunft – die Beitragspflicht – zu knüpfen.

33

Das Gericht gehe davon aus, dass die ABS vom 18. März 2005 in Gestalt der 7. Änderungssatzung vom 20. März 2011 die erste wirksame Beitragssatzung des Zweckverbandes sei und die sachliche Beitragspflicht daher frühestens auf Grundlage dieser Satzung habe entstehen können. Frühere Beitragssatzungen des Zweckverbandes aus den Jahren 1996, 2001 und 2004 seien unwirksam gewesen.

34

Die am 4. November 1996 beschlossene erste Beitragssatzung habe unterschiedliche Beitragssätze für sogenannte altangeschlossene und neuangeschlossene Grundstücke aufgewiesen und daher gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Der Beitragssatzung vom 22. November 2001 habe es an einer widerspruchsfreien Abgrenzung zwischen öffentlicher Einrichtung und Grundstücksanschlüssen gefehlt, was auch durch die Abwasseranschluss- und Beseitigungssatzung – AAS – vom 9. Oktober 2002 nicht geändert worden sei. Der ABS vom 16. April 2004 habe es an wirksam beschlossenen Beitragssätzen gefehlt. Die ABS vom 18. März 2005 habe nicht den nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderlichen Mindestinhalt aufgewiesen, da die Maßstabsregel unvollständig gewesen sei.

35

Die Klägerin hat am 11. Oktober 2013 die Zulassung der Berufung beantragt. Durch Beschluss vom 17. September 2015 hat der Senat die Berufung zugelassen.

36

Zur Begründung ihrer Berufung verweist die Klägerin ergänzend auf die Beschlüsse des BVerfG vom 12. November 2015 und auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG – vom 15. April 2015. Danach sei eine Beitragserhebung in Mecklenburg-Vorpommern nur bis zum 31. Dezember 2008 zulässig gewesen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V a. F.). Die Beiträge seien somit verjährt. Zudem sei auch die Beitragskalkulation fehlerhaft.

37

Auch das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016, mit dem die Verjährungsregelung des § 12 Abs. 2 KAG M-V geändert worden sei, habe die Beitragserhebung nicht nachträglich rechtlich zulässig gemacht. Das BVerfG habe im Beschluss vom 5. März 2013 (Orientierungssatz 3 und Rn. 49 ff.) dem Bayerischen Landesgesetzgeber eine Frist bis zum 31. März 2014 eingeräumt, eine gesetzlich zulässige Regelung zur Bestimmung der Verjährungsfrist zu schaffen. Wegen der Bindungswirkung des § 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz – BVerfGG – gelte diese Frist auch für den Landesgesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern, der diese Frist habe verstreichen lassen, sodass die gesetzliche Änderung von 14. Juli 2016 die Beitragserhebung nicht mehr habe heilen können.

38

Die Klägerin beantragt,

39

die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. August 2013 abzuändern und die Kanalbaubeitragsbescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2009 – … - … – in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 aufzuheben und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

40

Der Beklagte beantragt,

41

Die Berufung zurückzuweisen.

42

Er tritt der Berufung entgegen.

43

Am 14. Juli 2016 hat der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes erlassen und dort unter anderem eine neue Verjährungsregelung eingefügt. Das Gesetz ist im GVOBl. M-V 2016 S. 584, Heft Nr. 15 vom 29. Juli 2016, veröffentlicht und nach Art. 2 des Gesetzes am Tag nach seiner Verkündung in Kraft getreten.

44

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

45

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die angefochtenen Beitragsbescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2009 in der Fassung des Änderungs- und Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

46

Die Beitragsbescheide finden ihre nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung – Insel Usedom – (Abwasserbeitragssatzung – ABS) vom 18. März 2005 in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 16. Mai 2011, ausgefertigt am 20. März 2011. Dies ist die erste rechtswirksame Abwasserbeseitigungssatzung des Beklagten (zu 1). Erst das Inkrafttreten dieser Satzung hat die sachliche Beitragspflicht ausgelöst; einer Rückwirkung dieser Satzung hat es nicht bedurft (zu 2). Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung hat der Senat – in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts – VG – nicht (zu 3). Die Heranziehung der Klägerin im vorliegenden Einzelfall ist rechtmäßig (zu 4).

47

1. Die früheren Satzungen des Beklagten aus den Jahren 1996, 2001 und 2004 waren unwirksam; so zutreffend das VG im angefochtenen Urteil. Dem ist die Klägerseite zum einen nicht substantiiert entgegengetreten. Zum anderen hat die Prüfung des Senats von Amts wegen nichts Abweichendes ergeben.

48

Die ABS vom 4. November 1996 hat in § 5 für jede der drei Einrichtungen (I bis III) drei Beitragstatbestände enthalten, nämlich einen Beitragssatz für den „erstmaligen Anschluss eines Grundstücks an die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung“, einen geminderten Beitragssatz für Grundstücke, die bereits den Überlauf der Grundstücksentwässerungsanlage an einen Mischkanal besaßen, und – zum Dritten – für Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des KAG M-V voll an die gemeindliche Kläranlage angeschlossen gewesen waren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates, an der festgehalten wird, lag in dem dritten Beitragstatbestand eine unwirksame, weil gegen Art. 3 Grundgesetz – GG – verstoßende Altanschließerregelung. Den Altanschließern wird durch die nach der Wende geschaffene öffentliche Einrichtung des Aufgabenträgers derselbe Vorteil geboten wie denjenigen Anschlussnehmern, deren Grundstück erstmalig nach der Wende an eine öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossen worden ist (vgl. OVG Greifswald in ständiger Rechtsprechung seit Beschl. vom 21. April 1999 – 1 M 12/99 –, LKV 2000 S. 161).

49

Die Beitragssatzung vom 21. November 2001 hat diese fehlerhafte Ungleichbehandlung der Altanschließer in ihrem § 5 noch weiter vertieft, indem sie nicht nur einen reduzierten Beitragssatz für die Altanschließer vorgesehen hat, sondern diese vollständig von der Beitragspflicht hat freistellen wollen. Es gibt in der ABS 2001 nur noch den Beitragstatbestand für den „erstmaligen Anschluss“ eines Grundstücks an die öffentliche Entwässerungsbeseitigung.

50

Der Satzung vom 31. März 2004 fehlte es an wirksam beschlossenen Beitragssätzen. Denn dieser Satzung hat keine wirksame Kalkulation des Beitragssatzes zugrunde gelegen. Die Beitragskalkulation vom November 2001 (vgl. VG Greifswald, Beschl. vom 24. August 2004 – 3 B 1625/04 –) hat ihre Gültigkeit verloren, weil sie auf einer anderen Organisationsentscheidung des Beklagten beruht. Ausweislich § 1 Abs. 4 der Abwasseranschluss- und -beseitigungssatzung des Zweckverbandes Wasserversorgung vom 9. Oktober 2002 – AAS 2002 – waren seinerzeit die Grundstücksanschlüsse noch Bestandteil der öffentlichen Einrichtung. Nach § 1 Abs. 2c ABS 2004 gehörten diese nicht mehr zur öffentlichen Einrichtung, sodass eine diese Organisationsentscheidung berücksichtigende Fortschreibung der Kalkulation im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die ABS 2004 der Zweckverbandsversammlung hätte vorliegen müssen. Zum einen stellt sich somit der Umfang der öffentlichen Einrichtung als widersprüchlich definiert dar. Zum anderen hätte auf der Kostenseite der Kalkulation berücksichtigt werden müssen, dass nach der ABS 2004 die Kosten für die Erstellung der Grundstücksanschlüsse keine Kosten der öffentlichen Einrichtung mehr sind (methodischer Fehler).

51

Die Beitragssatzung vom 31. März 2005 wies (ebenfalls) nicht den nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderlichen Mindestinhalt auf, da die Maßstabsregeln unvollständig waren. In der Satzung 2005 fehlte eine Maßstabsregelung für Grundstücke, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen, der keine Regelung über die Anzahl der zulässigen Vollgeschosse trifft, aber eine maximale Höhe und eine Baumassenzahl festsetzt. Dies hat bereits das VG zutreffend herausgearbeitet.

52

2. Damit hat die sachliche Beitragspflicht erst im Jahre 2011 unter Geltung der 7. Änderungssatzung entstehen können. Denn seit Inkrafttreten des KAG vom 11. April 1991 hat das OVG Greifswald stets die Rechtsauffassung vertreten, dass (nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1991, heute § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) ohne einewirksame Satzung keine sachliche Beitragspflicht entstehen kann und mithin auch der Lauf der regelmäßigen Verjährung nicht in Gang gesetzt wird (vgl. insoweit die Rechtsprechungsnachweise bei Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Anm. 7.2 mit weiteren Nachweisen). Insbesondere wird auf die älteste dort zitierte Entscheidung, nämlich den Beschl. des OVG Greifswald vom 8. April 1999 – 1 M 41/99 –, verwiesen. Seit diesem Zeitpunkt ist das KAG (M-V) stets in dieser Weise durch das OVG Greifswald ausgelegt worden. Daran wird auch in dem vorliegenden Urteil festgehalten.

53

Weil nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Greifswald eine wirksame Satzung der Anschlussmöglichkeit auch nachfolgen kann, hat es einer Rückwirkung der ABS nicht bedurft. Eine nachträglich erlassene wirksame Abgabensatzung heilt dann einen eventuell zuvor bei Erlass der Bescheide bestehenden rechtlichen Mangel. Erst mit Inkrafttreten der wirksamen ABS im Jahre 2011 ist die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist (§ 12 KAG M-V i. V. m. § 169 Abs. 2 AO) angelaufen; denknotwendigerweise ist sie im Jahre 2009 – bei Erlass der hier streitigen Abgabenbescheide – auch nicht abgelaufen gewesen. Auch wenn die Heranziehungsbescheide im Jahre 2009 – wegen des vorgenannten Satzungsmangels – noch rechtswidrig gewesen sind, sind sie im Jahre 2011 geheilt worden und unterliegen daher nicht mehr der verwaltungsgerichtlichen Aufhebung (Grundsatz der Aufrechterhaltung). Hierdurch werden Abgabepflichtige nicht in rechtswidriger Weise benachteiligt. Die Klägerseite hätte das Inkrafttreten der wirksamen Satzung zum Anlass nehmen können, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, um nicht die Kosten für einen zunächst aussichtsreichen, dann aber – wegen des Inkrafttretens einer wirksamen Satzung – erfolglos gewordenen Verwaltungsprozesses tragen zu müssen.

54

Die Klägerseite kann sich – im Hinblick auf das Erfordernis einer wirksamen Satzung – nicht mit Erfolg auf die abweichende Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg berufen. Nicht nur nach Auffassung des OVG Greifswald, sondern nach ganz herrschender, seit Jahrzehnten gefestigter Rechtsprechung fast aller Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe setzt das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht voraus, dass eine wirksame Abgabensatzung vorhanden ist. Denn eine unwirksame Abgabensatzung ist nichtig und daher im Ergebnis nicht existent. Eine gesetzliche Formulierung, das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht setze eine „wirksame Satzung“ voraus, ist im Ergebnis ein „weißer Schimmel“. Der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern hat durch die KAG-Änderung 2005 lediglich das klargestellt, was nach der Rechtsprechung des OVG Greifswald seit Gründung dieses Gerichtes gegolten hatte.

55

Dass es auf die Auslegung des Landesrechtes durch das oberste Landesgericht ankommt, wird auch aus dem Beschluss des BVerfG, 2. Kammer, vom 12. November 2015 – 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 –, LKV 2016 S. 25 ff., deutlich (siehe unter 4c), wo an mehreren Stellen darauf abgestellt wird, wie das in dem dortigen Fall vorgehende OVG Berlin-Brandenburg seit dem Jahre 2000 das KAG BB ausgelegt hat. Erst durch den Wechsel der Auslegung des Landesrechts von Brandenburg sei, so das BVerfG, die Sach- und Rechtslage in Brandenburg dergestalt „umgestaltet“ worden, dass es auf die erste Satzung ankomme, auch wenn sie nicht wirksam gewesen sein sollte.

56

3. Zweifel an der Gültigkeit der ABS (Fassung 2011) sind – abgesehen von der Beitragskalkulation – nicht vorgetragen worden. Solche Zweifel sind auch sonst für den Senat nicht ersichtlich.

57

Die der ABS 2005 in der Fassung 2011 zugrunde liegende Beitragskalkulation ist nach Auffassung des Senates ausreichend, eine ordnungsgemäße ortsgesetzgeberische Ermessensentscheidung zu tragen.

58

Insbesondere hat der Verbandsversammlung am 16. Mai 2011 eine aktuelle Kalkulation vorgelegen, die beschlossen worden ist (Fortschreibung der Beitragskalkulation von März 2011). Für die hier in Rede stehende Einrichtung II ist ein Beitragssatz von 8,29 Euro/m² kalkuliert worden; festgesetzt worden ist durch die Verbandsversammlung ein Beitragssatz von 4,83 Euro/m². Als umlagefähig sind angesehen worden Kosten in Höhe von 18.975.383 Euro. Die beitragspflichtige Fläche ist mit 2.290.027 m² ermittelt worden.

59

Die Beitragskalkulation ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das VG ausgeführt, dass zwar „kleine Ungenauigkeiten“ vorgelegen haben mögen. Es sind aber insgesamt insbesondere keine schweren methodischen Fehler erkennbar geworden. Insbesondere ist kein methodischer Fehler unter dem Gesichtspunkt festzustellen, dass in erheblichem Umfang nicht beitragsfähiger Aufwand in die Ermittlung des Beitragssatzes eingestellt worden wäre. Insoweit kann auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden.

60

Vor dem Hintergrund, dass die ermittelte beitragspflichtige Fläche 2.290.027 m² beträgt, steht für den Senat fest, dass eine eventuell fehlerhafte Bewertung einzelner Grundstücke im Verbandsgebiet nur zu kleinen Ungenauigkeiten führen kann.

61

Im Hinblick auf den Bebauungsplan Nr. 23 ist der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu folgen. Ein Bebauungsplan eröffnet Planungsrecht. Es liegt nach Erlass eines Bebauungsplanes nicht mehr in der Hand der Gemeinde, ob die Planung auch umgesetzt wird. Etwas anderes mag nur dann gelten, wenn ein Baugebot festgesetzt worden ist. Daher liegt es im ortsgesetzgeberischen Ermessen, ob der räumliche Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, der gerade erst in Kraft getreten ist, einbezogen wird oder nicht. Die Nichteinstellung des räumlichen Geltungsbereichs dieses Bebauungsplanes Nr. 23 kann auch auf der Einschätzung beruhen, dass sich der Bebauungsplan als von Anfang an unwirksam erwiesen hat.

62

Im Hinblick auf die Ortschaft Neu-Sallenthin, die im Zeitpunkt der Kalkulation noch nicht abwasserseitig angeschlossen gewesen ist, kommt bei der Erstellung einer Globalkalkulation nur eine überschlägige Schätzung der beitragspflichtigen Flächen in Betracht. Sinn einer Globalkalkulation ist es nicht, das gesamte Verbandsgebiet Quadratmeter genau zu ermitteln. Erst im Rahmen der Beitragsfestsetzung für einzelne Grundstücke wird es dann Aufgabe des Beklagten sein, das jeweilige Grundstück genau zu betrachten. Daher ist es für die Rechtmäßigkeit der Kalkulation bedeutungslos, ob das eine oder andere Grundstück in Neu-Sallenthin und auch zum Beispiel das Hotel Bergmühle mit einem, zwei oder drei Vollgeschossen bebaut ist. Insoweit liegt nicht einmal ein Fehler der Kalkulation vor.

63

Aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen hat die Frage der Abwasserabgabe im Hinblick auf die Beitragskalkulation auch für den Senat keine Relevanz.

64

Zudem ist festzustellen, dass der Beklagte nur eine teilweise Deckung seiner Aufwendungen durch Beiträge angestrebt hat, da er einen „politischen Beitrag“ erhebt, der nur etwas mehr als die Hälfte des kalkulierten Beitragssatzes ausmacht. Eine Kostenüberdeckung durch Beiträge ist damit definitiv ausgeschlossen (Beitragssatz von 8,29 Euro/m² wurde als höchstzulässiger Beitragssatz kalkuliert; festgesetzt worden ist durch die Verbandsversammlung „nur“ ein Beitragssatz von 4,83 Euro/m²). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates ist es rechtlich zulässig, im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen eine sich aus Beiträgen und Gebühren zusammensetzende Finanzierung vorzunehmen, wie der Beklagte das im vorliegenden Fall tut.

65

4. Die Heranziehung der Klägerin im vorliegenden Einzelfall ist rechtmäßig.

66

Die Anwendung der ABS (Fassung 2011) auf den vorliegenden Einzelfall ist in rechtmäßiger Weise erfolgt; sowohl die Beitragsfestsetzungen als auch das Zahlungsgebot erweisen sich als rechtmäßig (zu a). Die Beitragserhebungsmöglichkeit hat sich weder „verflüchtigt“ (b) noch verstößt sie gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (c) oder liegt eine unzulässige Doppelveranlagung vor (d).

67

a) Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bestimmtheit ist nicht gegeben. Die komplizierte Materie einer Wohnungseigentümergemeinschaft erfordert auch komplizierte Bescheide. Daher ist es ein adäquates Vorgehen des Beklagten, 135 Bescheide zu erlassen, diese aber dann letztlich objektbezogen in einem Widerspruchsbescheid zu bündeln. Im Widerspruchsbescheid ist hinreichend klargestellt, auf welchen Betrag sich das Leistungsgebot der Veranlagung bezieht und dass die zuvor bezahlten Beiträge angerechnet werden. Zutreffend hat der Beklagte berücksichtigt, dass die im Jahre 2011 entstandenen Beiträge durch die auf die Bescheide von 1999 geleisteten Zahlungen teilweise durch Erfüllung erloschen sind. Daher hat das Leistungsgebot diese Zahlungen zutreffend berücksichtigt.

68

b) Das vom BVerfG im Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143 = NVwZ 2013 S. 1004, entwickelte Rechtsinstitut der „Verflüchtigung“ greift im Ergebnis nicht durch. Danach kann ein zwar nicht verjährter Beitrag aus rechtsstaatlichen Gründen eventuell nicht mehr erhoben werden (vgl. hierzu im Einzelnen Aussprung in Aussprung/Siemens/Holz, § 7 Erläuterung 8.1.4.2, Seite 60 ff.).

69

Der Leitsatz des Beschlusses des BVerfG vom 5. März 2013 lautet im Wesentlichen, das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verlange Regelungen, die sicherstellten, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden könne.

70

In dem genannten Beschluss hat das BVerfG – ausweislich der Nr. 1 des Tenors – den anzuwendenden Art. 13 des BayKAG für mit dem Grundgesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) „unvereinbar“ erklärt, nicht aber für nichtig. Dies hat entscheidende Bedeutung für die weitere Möglichkeit des bayerischen Landesgesetzgebers, diesen Mangel zu beseitigen. So führt das BVerfG dann auch aus (Orientierungssatz 3 und Rn. 49 ff.), dem Gesetzgeber ständen mehrere Möglichkeiten zur Beseitigung des verfassungswidrigen Zustandes zur Verfügung, und zunächst komme nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht. „Nichtigkeit“ trete jedoch zum 1. April 2014 ein, wenn der Gesetzgeber auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist verzichte.

71

Das BVerwG (Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 15.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 139/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 16.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 140/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 17.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 142/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 18.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 143/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 19.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 207/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 20.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 208/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 21.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 210/13 –; vgl. hierzu Aussprung in Aussprung/Siemens/Holz, KAG M-V, § 7 Erläuterung 8.1.4.6 Seite 86) hat für die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern durch Urteile vom 15. April 2015 die Revisionen der dortigen Kläger gegen die Urteile des OVG Greifswald vom 1. April 2014 zurückgewiesen, weil die Beitragserhebung noch innerhalb der Übergangsfrist des § 12 Abs. 2 KAG M-V in der bis zum 29. Juli 2016 geltenden Fassung erfolgt sind, d. h. bis zum 31. Dezember 2008. Ferner hat das BVerwG in einem umfassenden obiter dictum weitere „Segelanweisungen“ gegeben.

72

Ausdrücklich hat das BVerwG, a. a. O., dem Landesgesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern die Möglichkeit offen gelassen, eine weitergehende und längere Festsetzungsverjährungsfrist als den 31. Dezember 2008 zu bestimmen und im Einzelnen ausgeführt:

73

„Denn es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen einerseits der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und andererseits der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen (BVerfG, Beschl. vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143 Rn. 42). Mit diesem Gestaltungsauftrag ist – nicht zuletzt angesichts der Vielzahl der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten, jedoch gerade nicht den Verweis auf die Höchstverjährungsfrist einschließenden Lösungsmöglichkeiten wie auch der Unterschiedlichkeit der in einzelnen Ländern erlassenen und zudem deutlich kürzeren Ausschlussfristen – der schematische Rückgriff auf § 53 Abs. 2 VwVfG M-V wohl unvereinbar, zumal die Vorschrift gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG M-V nicht für Verfahren gilt, die – wie vorliegend – nach den Vorschriften der Abgabenordnung durchzuführen sind.“

74

Eine solche Fristbestimmung hat der Landesgesetzgeber jetzt durch Gesetz vom 14. Juli 2016 getroffen; ebenso wie zahlreiche andere Bundesländer bereits ihre Verjährungsregelungen nachgebessert haben.

75

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass diese gesetzliche Neuregelung den von Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht gemachten Vorgaben entspricht, sodass der Senat die geänderte Fassung des § 12 Abs. 2 KAG MV seiner Entscheidung zugrunde legen kann. Der Gesetzgeber hat jetzt eine Regelung geschaffen, nach der eine zeitlich unbefristete Heranziehung zu (Anschluss-) Beiträgen nicht mehr möglich ist.

76

§ 12 Abs. 2 in der jetzt geltenden Fassung lautet u. a.:

77

§ 169 der Abgabenordnung gilt mit der Maßgabe, dass

78

1. über § 169 Absatz 1 Satz 1 der Abgabenordnung hinaus die Festsetzung eines Beitrages unabhängig von dem Entstehen der Beitragspflicht spätestens 20 Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist, wobei der Lauf der Frist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2000 beginnt, …"

79

Diese Frist ist ersichtlich im Jahre 2009 noch nicht abgelaufen gewesen, weil im vorliegenden Fall – wie oben ausgeführt – noch nicht einmal die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist nach § 169 Abs. 2 AO an- und erst Recht nicht abgelaufen ist.

80

Zur weiteren Klarstellung hat der Landesgesetzgeber noch in § 22 KAG M-V folgenden Abs. 3 angefügt:

81

„Soweit sich für bestehende Abgabensatzung ein Rechtsmangel daraus ergibt, dass das Kommunalabgabengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. April 2005 (GVOBl. M-V S. 146), das zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes vom 13. Juli 2011 (GVOBl. M-V S. 777, 833) geändert worden ist, die Heranziehung zu Beiträgen keiner zeitlichen Obergrenze unterwirft, ist dieser Rechtsmangel mit Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016 (GVOBl. M-V S. 584) unbeachtlich.“

82

Nach Auffassung des Senates hätte es dieser salvatorischen Klausel nicht bedurft, da jedes Gesetz, soweit nichts anderes geregelt ist, mit Inkrafttreten seine Gültigkeit beansprucht. Nach den bisherigen Regelungen war lediglich keine zeitliche Obergrenze für eine Verjährung eines Anschlussbeitrages geregelt. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der Anschlussbeitrag verjährt wäre.

83

Da das BVerwG in seinen Urteilen vom 15. April 2015 dem Gesetzgeber gerade die Möglichkeit eröffnet, entsprechend seiner Gesetzgebungskompetenz eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen und die Länge der Verjährungsfrist zu bestimmen, hätte eine diesbezügliche Neuregelung ausgereicht. Gegenstand des Rechtsstreits um das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit („Verflüchtigungsrechtsstreit“) war nicht etwa eine gesetzliche Regelung, die verfassungswidrig sei, sondern die Tatsache, dass eine Gesetzeslücke gesehen wurde, die die Anwendung des im Übrigen verfassungsgemäßen KAG M-V ab einem gewissen vom Gesetzgeber festzulegenden Stichtag verfassungswidrig machen würde. Einer weitergehenden deklaratorischen Klausel hätte es nicht bedurft; als deklaratorische Klausel ist die Regelung des § 22 Abs. 3 KAG M-V (Fassung 16. Juli 2016) aber „unschädlich“.

84

Der Senat hat keine Bedenken, dass die nunmehr bestimmte Festsetzungsfrist die Interessen der Abgabepflichtigen in Mecklenburg-Vorpommern in adäquater Weise behandelt. Die Festsetzungsfrist betrifft ein neues Bundesland, in dem die landesrechtlichen Grundlagen für einen Anschlussbeitrag erst geschaffen werden mussten, und bleibt unterhalb der in der Rechtsordnung bekannten längsten Verjährungsfrist von 30 Jahren. Der Landesgesetzgesetzgeber hat sich innerhalb des gesetzgeberischen Spielraumes bewegt und sich von folgenden Erwägungen leiten lassen (Gesetzentwurf der Landesregierung vom 11. März 2016, LT-Dr. 6/5257 S. 2 f.):

85

„Bei der konkreten Ausgestaltung einer landesgesetzlichen Festlegung einer zeitlichen Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum hinsichtlich des gesetzlich zu schaffenden Ausgleichs zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für Vorteile (hier: durch Anschluss an eine gemeindliche Einrichtung) einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann, zu (BVerwG, Urteil vom 15.04.2015 – 9 C 15/14 – u. a.; vergleiche BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, a. a. O.).

86

Nach Auffassung des BVerfG bleibt es dem Landesgesetzgeber überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die der Rechtssicherheit genügt. So könnte der Landesgesetzgeber etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt.

87

Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt. Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143-163, Rn. 50).

88

Die Bundesländer Sachsen, Brandenburg, Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt haben bei einer mit Mecklenburg-Vorpommern vergleichbaren Rechtslage ihre Kommunalabgabengesetze bereits an die Forderungen des BVerfG (Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –) angepasst. Insofern wird die Änderung des KAG M-V auch in Kenntnis der in diesen Bundesländern erfolgten landesgesetzlichen Regelungen vorgenommen. Maßgebliches Ziel des Landesgesetzgebers ist es, die kommunalen Aufgabenträger im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren, ohne dabei gegen das Verbot zu verstoßen, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festzusetzen.

89

In Abwägung der Interessen der kommunalen Aufgabenträger und der Abgabenpflichtigen wird deshalb eine 20-jährige Verjährungsfrist geregelt, wobei aufgrund der Sondersituation nach der Deutschen Einheit der Lauf der Frist bis zum Ablauf des Jahres 2000 gehemmt ist („…wobei der Lauf der Frist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2000 beginnt.“). Damit ist die maximal mögliche Verjährungsfrist von 30 Jahren deutlich unterschritten und in Kombination mit einer Regelung zur Verjährungshemmung gleichwohl eine Beitragserhebung bis 2020 ermöglicht. Mit der Regelung zur Verjährungshemmung hatte auch der Landesgesetzgeber Brandenburg auf die Forderungen des BVerfG reagiert.“

90

Da der Senat die neue Festsetzungsfrist als verfassungsgemäß ansieht, hat er keine Veranlassung, den Rechtsstreit dem BVerfG vorzulegen (Art. 100 Abs. 1 GG).

91

c) Der Grundsatz des Vertrauensschutzes, wie er in dem stattgebenden Kammerbeschluss des BVerfG, 2. Kammer, Beschl. vom 12. November 2015 – 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 –, LKV 2016 S. 25 ff., vorgehend OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 29. September 2014 – OVG 9 N 40.14 –, vorgehend BVerwG, Beschl. vom 11. September 2014 – 9 B 21.14 –, vorgehend OVG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 13. November 2013 – OVG 9 B 35.12 – konkretisiert worden ist, führt gleichfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der hier streitigen Abgabenerhebung

92

In dem dortigen Kammerbeschluss nimmt das BVerfG im Kern eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG an durch rückwirkende Erhebung kommunaler Abwasseranschlussbeiträge – hier: Abgabenerhebung gem. § 8 Abs. 7 S. 2 KAG BB i. d. F. vom 17. 12. 2003 – in Fällen, in denen die Beiträge nicht mehr nach § 8 Abs. 7 S. 2 KAG BB i. d. F vom 27.06.1991 hätten erhoben werden können, da mit Entstehen der Beitragspflicht durch rückwirkendes Inkrafttreten einer wirksamen Beitragssatzung zugleich Festsetzungsverjährung eingetreten wäre.

93

Nach Auffassung des Senates ist der Beschluss des BVerfG, der grundsätzlich nach § 31 BVerfGG in seinem Tenor und seinen tragenden Gründen auch für das OVG Greifswald Bindungswirkung entfaltet (vgl. Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 7 Anm. 8.1.4.6.), nicht einschlägig, sodass gerade keine Bindungswirkung eintritt. Denn der vom Senat zu entscheidende Sachverhalt unterscheidet sich von dem Sachverhalt, der den Verfahren aus Berlin-Brandenburg zugrunde gelegen hat, sodass eine Bindung des OVG Greifswald an die tragenden Gründe des Kammerbeschlusses vom 12. November 2015 ausscheidet.

94

Die Kernaussage des BVerfG in seinem Beschluss vom 12. November 2015 ist, dass es gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot verstößt, wenn eine gesetzliche Vorschrift dergestalt geändert wird, dass nunmehr Beiträge erhoben werden sollen, die nach der Vorgängervorschrift nicht mehr hätten erhoben werden dürfen (vgl. z. B. Rn. 39, a. a. O.). In den Fällen aus Brandenburg wären nach alter Rechtslage die Beitragsschulden wegen Festsetzungsverjährung erloschen (Rn. 64, a. a. O.). Dass in einem solchen Fall eine gesetzliche Vorschrift, die rückwirkend die angelaufene und eine logische Sekunde später auch abgelaufene Festsetzungsverjährung „aus den Angeln hebt“, sich als echte Rückwirkung darstellt und den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nicht genügt, wird auch vom Senat in gleicher Weise gesehen.

95

Wie bereits oben ausgeführt, unterscheidet sich die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern elementar von der in Brandenburg. Seit Inkrafttreten des KAG vom 11. April 1991 hat das OVG Greifswald stets die Rechtsauffassung vertreten, dass (nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1991, heute § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) ohne eine wirksame Satzung keine sachliche Beitragspflicht entstehen kann und mithin auch der Lauf der regelmäßigen Verjährung nicht in Gang gesetzt wird (vgl. zur ähnlichen Rechtslage in Sachsen-Anhalt, OVG Magdeburg, Beschl. vom 17. Februar 2016 – 4 L 119/15 –, Rn. 58 und 59 und OVG Weimar, Urt. vom 12. Januar 2016 – 4 KO 850/09 –, juris Rn. 48, zur Rechtslage in Thüringen).

96

Dass es auf die Auslegung des Landesrechtes durch das oberste Landesgericht ankommt, wird auch aus dem Beschluss des BVerfG vom 12. November 2015 deutlich, wo an mehreren Stellen darauf abgestellt wird, wie das OVG Berlin-Brandenburg seit dem Jahre 2000 das dortige Landesrecht ausgelegt hat. Erst durch den Wechsel der Auslegung des Landesrechts von Brandenburg ist die „Sach- und Rechtslage“ in Brandenburg dergestalt „umgestaltet“ worden, dass es auf die erste Satzung ankomme, auch wenn sie nicht wirksam gewesen sein sollte. In Rn. 52 spricht das BVerfG sogar von „Gesetzeslage“, und versteht darunter nicht nur § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG BB a. F., sondern auch und gerade, wie das OVG Berlin-Brandenburg diese Bestimmung ausgelegt hat.

97

Anzumerken ist schließlich noch, dass seit Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes, jetzt BauGB, im Jahr 1960 das BVerwG im Erschließungsbeitragsrecht stets auf die Wirksamkeit der Satzung abgestellt hat. Diese gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung hat das OVG Greifswald auf das Anschlussbeitragsrecht übertragen. Diese Rechtsprechung, die ca. 50 Jahre alt ist, ist für das Erschließungsbeitragsrecht höchstrichterlich noch nie infrage gestellt worden.

98

Der Senat schließt sich der Auffassung des OVG Magdeburg, a. a. O. (Rn. 62), insoweit an, dass die Abgabenpflichtigen vor der Entscheidung des BVerfG vom 5. März 2013 nicht haben darauf vertrauen können, dass ihnen gegenüber aufgrund eines langen Zeitraumes seit Entstehen einer Vorteilslage keine Abgabe mehr festgesetzt werden könnte. Insoweit kam es allein darauf an, ob und in welcher Weise der Landesgesetzgeber auf die Entscheidung des BVerfG reagieren würde.

99

Schließlich kann die Klägerin mit ihrer Auffassung nicht durchdringen, der Landesgesetzgeber M-V sei wegen der Bindungswirkung des § 31 BVerfGG auch an die dem bayerischen Landesgesetzgeber im Beschluss des BVerfG vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – gesetzte Frist gebunden, bis zum 31. März 2014 (Ziffer 1 des Tenors) eine gesetzliche Neuregelung vorzunehmen. Diese Frist ist ausschließlich für den bayerischen Landesgesetzgeber maßgeblich gewesen. Nur er ist von dem Beschlusstenor gebunden, wonach die bayerische Regelung des Art. 13 BayKAG mit dem Grundgesetz unvereinbar sei. Nur er hat die Gesetzgebungskompetenz, diesen Art. 13 BayKAG zu ändern. In der Sache hat das BVerfG somit das Abgabenerhebungsverfahren ausgesetzt (siehe Rn. 52), um dem bayerischen Gesetzgeber die Gelegenheit zur verfassungsgemäßen Neuregelung zu geben. Zudem hat das BVerfG den Verwaltungsgerichten die Kompetenz eröffnet, das Landesrecht verfassungskonform auszulegen (Rn. 52).

100

Zutreffend ist zwar, dass nicht nur der Tenor einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung Bindungswirkung entfaltet, sondern auch die tragenden Gründe. Die gegenüber dem bayerischen Landesgesetzgeber ausgesprochene zeitliche Höchstgrenze für eine gesetzliche Neuregelung in Bayern ist aber kein tragender Entscheidungsgrund, der sich über das bayerische Landesrecht hinausgehende Bedeutung beimisst.

101

d) Die Abgabenerhebung aus dem Jahre 1999 steht nicht unter dem Blickwinkel einer „unzulässigen Doppelveranlagung“ oder „unzulässigen Nacherhebung“ der Rechtmäßigkeit der hier angefochtenen Abgabenbescheide aus dem Jahre 2009 entgegen. Das Problem der Nachveranlagung oder auch Doppelveranlagung ist (vgl. Aussprung in Aussprung/Siemens/Holz, KAG M-V, § 12 Erläuterungen 50 ff., Seite 71 ff.) in der Rechtsprechung des OVG Greifswald geklärt (vgl. OVG Greifswald, Urt. vom 15. Dezember 2009 – 1 L 323/06 –, OVG Greifswald Urt. vom 15. Dezember 2010 – 1 L 1/09 –, ferner Beschl. vom 28. Januar 2010 – 1 L 217/09 – und Beschl. vom 28. Januar 2010 – 1 M 181/09 –). Dort hat das OVG Greifswald den Grundsatz aufgestellt, dass bei leitungsgebundenen Einrichtungen die Aufgabenträger grundsätzlich berechtigt und verpflichtet sind, eine Nacherhebung in dem Sinne vorzunehmen, dass sie einen wirksam entstandenen Anschlussbeitragsanspruch voll ausschöpfen. Einer solchen Nacherhebung stehen der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung, die Rechtsfolgen der Bestandskraft des erster Heranziehungsbescheides und der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ebenso wenig entgegen wie die Bestimmung des § 12 Abs. 1 KAG M-V und die darin enthaltene Verweisung auf die Bestimmungen der Abgabenordnung (Aussprung, a. a. O., Erläuterung 50.2.3, Seite 76 f.). An dieser Auffassung hält der Senat fest.

102

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; insoweit kommt auch eine Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht in Betracht.

103

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist der Vorteilsbegriff landesrechtlich determiniert. Auch der Fragenkomplex, ob eine Abgabenerhebung in Mecklenburg-Vorpommern in der vorliegenden Fallkonstellation rechtlich noch zulässig ist, beruht auf der Auslegung des Landesrechts. Dies gilt insbesondere auch für die Frage der Nacherhebung eines noch nicht ausgeschöpften Beitragsanspruches, weil auch die anzuwendende Abgabenordnung im Bereich des Kommunalabgabenrechts Landesrecht ist. Zudem sind die grundsätzlichen Rechtsfragen der „Verflüchtigung“ eines beitragsrechtlichen Vorteils und des Vertrauensschutzes durch die im Urteil zitierte Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG geklärt.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. August 2013 – 3 A 291/10 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenansatzes vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin zu Anschlussbeiträgen (Schmutzwasser).

2

Der Zweckverband, dem der Beklagte vorsteht, betreibt im Ostseebad Heringsdorf die zentrale Abwasserbeseitigung durch die in seiner Beitragssatzung als öffentliche Einrichtung II bezeichnete Anlage.

3

Die Klägerin ist als Wohnungseigentümerin (Mit-)Eigentümerin des Grundstücks Flurstück ../.. und ../.., Flur .., Gemarkung H…, welches an die Einrichtung II des Zweckverbandes angeschlossen ist.

4

Bereits mit Bescheiden vom 25. Februar 1999 zog der Beklagte die Klägerin zu Anschlussbeiträgen Schmutzwasser für das Grundstück Flurstück /.., Flur .., Gemarkung H… in Höhe von 4.089,18 DM und für das Grundstück Flurstück ../.., Flur .., Gemarkung H… in Höhe von 1.470,25 DM heran (Rechtsgrundlage Beitragssatzung 1996). Die Bescheide wurden bestandskräftig.

5

Mit Bescheiden vom 15. Oktober 2009 zog der Beklagte die Klägerin unter Anrechnung der bereits geleisteten Beiträge zu Anschlussbeiträgen für das Wohnungs- und Teileigentum in Höhe von insgesamt 30.974,76 Euro heran (Rechtsgrundlage Beitragssatzung 2005).

6

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 11. November 2009 Widerspruch ein.

7

Mit Änderungs- und Widerspruchsbescheid vom 1. März 2010 stellte der Beklagte unter Ziffer 1 klar, dass ein Beitrag von insgesamt 30.974,76 Euro zu zahlen sei. Unter Ziffer 2 des Bescheides werden die in der Anlage l aufgeführten Bescheide wegen offenbarer Unrichtigkeit auf Seite 2, Zeile 3 dahingehend berichtigt, dass nur die Bescheide vom 25. Februar 1999 (und nicht auch vom 11. Februar 1999) geändert werden sollen. Im Übrigen werden die Widersprüche zurückgewiesen.

8

Die Klägerin hat am 30. März 2010 Klage erhoben.

9

Sie ist der Ansicht, ihre Heranziehung sei rechtswidrig.

10

Der Beklagte habe den Widerspruchsbescheid nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen begründet, da er nur einen Widerspruchsbescheid erlassen habe und hinsichtlich der gesamten 135 Kanalbauanschlussbeitragsbescheide auf eine dem Widerspruchsbescheid als Anlage l beigefügte Liste verwiesen habe.

11

Die Bescheide seien (auch) materiell rechtswidrig. Sie verstießen gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung. Der Beklagte habe die Klägerin bereits mit Beitragsbescheiden vom 25. Februar 1999 zu Anschlussbeiträgen (Schmutzwasser) herangezogen, und diese Bescheide seien bestandskräftig geworden. Der Beitrag sei voll ausgeschöpft worden.

12

Der nochmaligen Veranlagung stehe darüber hinaus der Grundsatz der Verwirkung entgegen. Im Übrigen habe der Gesetzgeber erst mit der Änderung des KAG M-V im Jahr 2005 entschieden, dass die sachliche Beitragspflicht mit der ersten wirksamen Satzung entstehe (Änderung des § 9 Abs. 3 KAG M-V), sodass nach der alten Rechtslage die Beitragspflicht bereits entstanden und damit verjährt sei. Diese gesetzliche Änderung habe echte Rückwirkung entfaltet. Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – werde Bezug genommen. Nach Ablauf von mehr als zehn Jahren habe die Klägerin auch nicht mehr mit dem Erlass eines weiteren Beitragsbescheides rechnen müssen.

13

Weiterhin sei die dem Beitragssatz zugrunde liegende Kalkulation fehlerhaft. Die Gemeinde Seebad Heringsdorf habe im Jahr 2011 einen Bebauungsplan Nr. 23 „Ortszentrum an der Delbrückstraße 1 in Heringsdorf“ aufgestellt, nach welchem anstelle eines bisherigen Parkplatzes und eines dreigeschossigen Einkaufszentrums ein maximal 25,9 m hoher Hotelkomplex zwischen der S-straße und der D-straße entstehen solle. Diese Planungen seien bei der Flächenermittlung nicht berücksichtigt worden. Auch im Bereich Neu-Sallenthin, Alt-Sallenthin weise die Flächenberechnung lediglich eine eingeschossige Nutzungsfläche auf. Dies sei fehlerhaft. In der Gemeinde gebe es eine Reihe zweigeschossiger Gebäude, wie beispielsweise in der Straße „An den Krebsseen" Nummer 1, 8, 16, 39 und 42. Das in Neu-Sallenthin vorhandene Hotel „B" sei darüber hinaus dreigeschossig. Die Fortschreibung der Beitragskalkulation enthalte eine Ermittlung der Erstattung von Abwasserabgaben. Hierbei handele es sich nicht um eine Fortschreibung, da die Angaben aus den Jahren 2006 bis 2008 stammten.

14

Die Klägerin hat beantragt,

15

die Kanalbaubeitragsbescheide des Beklagten – Bescheidnummern … bis … – vom 15. Oktober 2009 in der Fassung des Änderungs- und Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 aufzuheben.

16

Der Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Er hat im Wesentlichen vorgetragen, der Nachveranlagung könne weder der Grundsatz der einmaligen Beitragserhebung noch Verwirkung entgegengehalten werden. Dies habe auch das OVG Greifswald zwischenzeitlich bestätigt. Erst mit Erlass der angefochtenen Bescheide, gestützt auf die Beitragssatzung vom 16. März 2005, habe der Beklagte seinen Beitragsanspruch voll ausgeschöpft, da die Vorgängersatzungen allesamt unwirksam gewesen seien.

19

Gegen die Kalkulation beständen keine Bedenken. Die aktuelle Fortschreibung der Kalkulation sei bis 2015 erfolgt. Da der Bebauungsplan Nr. 23 der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf bislang nicht wirksam sei, sei das Grundstück auch nur mit der tatsächlichen Bebauung mit drei Vollgeschossen bei der Flächenermittlung berücksichtigt worden.

20

Durch Urteil vom 22. August 2013 – 3 A 291/10 – hat das Verwaltungsgericht Greifswald die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

21

Die zulässige Klage habe keinen Erfolg. Die Beitragsbescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2009 in Gestalt des Änderungs- und Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten.

22

Die Bescheide seien formell rechtmäßig; sie genügten dem Begründungserfordernis. Im Änderungs- und Widerspruchsbescheid werde ausführlich erläutert, wie sich die einzelnen für die Miteigentumsanteile festgesetzten Beiträge errechneten. Der errechnete Betrag sei für jeden Miteigentumsanteil anhand der Bescheidnummern genau bestimmbar.

23

Die Bescheide seien materiell rechtmäßig. Die der Beitragssatzung zugrundeliegenden Normen des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern – KAG M-V –, insbesondere § 9 Abs. 3 KAG M-V, verstießen nicht gegen höherrangiges Recht. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, da die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern in entscheidungserheblichen Punkten nicht mit der des Bayrischen Kommunalabgabengesetzes – BayKAG – vergleichbar sei. Eine „Verflüchtigung“ des Vorteils wie im bayrischen Landesrecht sei im Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern nicht möglich.

24

Die Beitragsbescheide fänden ihre nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung – Insel Usedom – (Abwasserbeitragssatzung – ABS) vom 18. März 2005 in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 20. Mai 2011. Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung beständen nicht.

25

Die dem Beitragssatz für die Einrichtung II zugrundeliegende, in der Verbandssitzung am 16. Mai 2011 beschlossene Globalkalkulation sei nicht zu beanstanden. Der Einwand der Klägerseite, es sei rechtsfehlerhaft, dass der Beklagte die mit dem Bebauungsplan Nr. 23 erfolgten Planungen der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf bei der Flächenermittlung nicht berücksichtigt habe, verfange nicht. Zwar sei es zutreffend, dass bei der Beschlussfassung über die Kalkulation in der Verbandsversammlung am 16. Mai 2011 der Bebauungsplan Nr. 23 bereits beschlossen und bekannt gemacht worden war. Allerdings sei der Beklagte nicht verpflichtet, (zukünftige) Baulandflächen zu berücksichtigen, die auf einem unwirksamen Bebauungsplan beruhten. Dies sei vorliegend der Fall. Das OVG Greifswald habe in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 21. November 2012 - Az. 3 K 22/11 - den Bebauungsplan Nr. 23 für unwirksam erklärt. Der Einwand der Klägerin, die Einstufung der in der Ortschaft Neu-Sallenthin gelegenen Grundstücke als insgesamt eingeschossig bebaut, sei teilweise unrichtig, führe nicht zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulation. Zwar habe der Beklagte eingeräumt, dass die in der Straße „An den K“ Nr. 1, 8, 16 und 42 gelegenen Grundstücke zweigeschossig bebaut seien und auch das Hotel „B“ über zwei Vollgeschosse verfüge. Dieser Fehler wirke sich jedoch wegen seiner Geringfügigkeit bei einer ermittelten Gesamtfläche von 2.290.027 m² weder auf den kalkulatorisch höchstzulässigen ermittelten Beitragssatz für die Einrichtung II von 8,29 Euro noch auf den festgesetzten Beitragssatz von 4,83 Euro wesentlich aus. Die Auswirkungen auf den Deckungsgrad seien gering und der beschlossene Beitrag von 4,83 Euro sei noch weit von dem höchstzulässigen Beitrag entfernt. Die der Verbandsversammlung unterbreitete Kalkulation sei damit nicht in einem für den Abgabensatz wesentlichen Punkt mangelhaft und auch nicht methodisch fehlerhaft, sodass die Verbandsversammlung trotz dieses Fehlers das ihr bei der Festsetzung des Abgabensatzes eingeräumte Ermessen fehlerfrei habe ausüben können. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeführt habe, es könne aus der fehlerhaften Flächenermittlung im Bereich der Ortschaft Neu-Sallenthin geschlossen werden, dass auch für die übrigen Gebiete der Einrichtung II die Flächen fehlerhaft ermittelt worden seien, treffe das nicht zu. Zum einen gebe es einen solchen Erfahrungssatz nicht. Zum anderen habe der Beklagte unwidersprochen ausgeführt, dass die Ortschaft Neu-Sallenthin abwasserseitig noch nicht erschlossen sei. Da insoweit die exakten Daten über das Maß der baulichen Nutzung fehlten, sei eine Schätzung auf repräsentativer Grundlage erfolgt. Demgegenüber seien 80 v. H. der im Einzugsbereich der Einrichtung II gelegenen Grundstücke tatsächlich angeschlossen, sodass insoweit auch die exakten Daten über das Maß der baulichen Nutzung vorlägen und bei der Kalkulation berücksichtigt worden seien. Im Übrigen sei es Sache der Klägerin, etwaige Satzungs- oder Rechtsanwendungsfehler hinreichend bestimmt darzulegen. Das Gericht sei nicht gehalten, von sich aus auf Fehlersuche zu gehen. Denn dies liefe auf eine auch vom verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) nicht mehr gedeckte Fehlersuche „ins Blaue“ hinaus.

26

Nicht zu beanstanden sei die aufwandsmindernde Berücksichtigung der zurückerstatteten Beträge aus der Abwasserabgabe in der Kalkulation (als „Leistungen Dritter“). Dass der Beklagte die Verrechnung der Abwassergabe nicht fortgeschrieben habe, sei rechtsfehlerfrei. Denn eine Verrechnung der Abwasserabgabe sei in der Zukunft nicht zu erwarten, da alle in der Einrichtung II anfallenden Abwässer entweder durch Überleitung in die Kläranlage Swinemünde oder zum Zweckverband Wolgast gereinigt würden. Eine eigene Klärung des Abwassers durch den Zweckverband entfalle damit im Bereich der Einrichtung II. Daher sei auch keine Abwasserabgabe durch den Zweckverband zu entrichten; eine Verrechnungsmöglichkeit entfalle.

27

Rechtmäßig sei auch die Nachberechnung des Beitrags, obwohl bereits mit Bescheiden vom 25. Februar 1999 für dasselbe Grundstück ein Anschlussbeitrag erhoben worden sei. Der dem Bescheid vom 25. Februar 1999 zugrunde gelegte Beitragssatz beruhte auf einer unwirksamen Kalkulation, da die am 4. November 1996 beschlossene Beitragssatzung in § 5 ABS u. a. zwischen erstmalig und bereits an einen Mischkanal angeschlossen gewesene Grundstücke differenziert und dafür unterschiedliche Beitragssätze vorgesehen habe. Die Regelung eines sog. gespaltenen Beitragssatzes sei gleichheitswidrig und habe zur Unwirksamkeit des Beitragssatzes geführt. Der Beklagte sei daher gehalten gewesen, eine dem nunmehr festgesetzten Beitragssatz für die Einrichtung II von 4,83 Euro entsprechende Nachforderung zu erheben. Auf die Frage, wer den Veranlagungsfehler 1999 verschuldet habe, komme es für die Rechtmäßigkeit der Nacherhebung nicht an.

28

Der Nachveranlagung des Beitrages stehe auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen. Dieser sei dann nicht verletzt, wenn der bereits gezahlte Betrag – wie hier – auf die Beitragsschuld angerechnet werde. Gleiches gelte für die Bestandskraft des früheren Beitragsbescheides und die Regelungen der §§ 170 ff. AbgabenordnungAO –.

29

Der Beitragsanspruch sei nicht durch Festsetzungsverjährung erloschen. Gemäß § 12 Abs. 2 KAG M-V betrage die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und Steuern vier Jahre. Nach § 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V beginne die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden sei. Obwohl das Grundstück bereits seit längerem an die Anlage angeschlossen worden sei, sei die sachliche Beitragspflicht erst im Kalenderjahr 2011 entstanden, sodass die vierjährige Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2011 anlaufe und frühestens am 31. Dezember 2015 ablaufe.

30

Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V entstehe die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden könne, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Gemeint gewesen sei auch nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. eine wirksame (gültige) Satzung, denn auf Grundlage einer unwirksamen Satzung könnten Beitragspflichten von vornherein nicht entstehen. Der Einwand der Klägerin, der Gesetzgeber habe erst mit Änderung des KAG M-V im Jahr 2005 entschieden, dass die sachliche Beitragspflicht erst mit der ersten wirksamen Satzung entstehe, verfange damit nicht.

31

Gleiches gilt für ihren Einwand, der Lauf der Festsetzungsfrist sei bereits durch den tatsächlichen Anschluss ausgelöst worden, da § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. im Lichte der eingangs erwähnten Rechtsprechung des BVerfG im strengen Wortsinne auszulegen sei, denn die Erwägungen des BVerfG seien auf die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern nicht übertragbar.

32

In dem Anknüpfen der Verjährungsfrist an den Erlass der ersten wirksamen Beitragssatzung liege schließlich auch keine im Regelfall nach Art. 20 Abs. 3 GG unzulässige (echte) Rückwirkung, sondern lediglich eine sogenannte tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung), die allgemein zulässig sei. Der Gesetzgeber regele keinen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt mit Wirkung für die Vergangenheit neu, sondern nehme einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt zum Anlass, daran Rechtsfolgen für die Zukunft – die Beitragspflicht – zu knüpfen.

33

Das Gericht gehe davon aus, dass die ABS vom 18. März 2005 in Gestalt der 7. Änderungssatzung vom 20. März 2011 die erste wirksame Beitragssatzung des Zweckverbandes sei und die sachliche Beitragspflicht daher frühestens auf Grundlage dieser Satzung habe entstehen können. Frühere Beitragssatzungen des Zweckverbandes aus den Jahren 1996, 2001 und 2004 seien unwirksam gewesen.

34

Die am 4. November 1996 beschlossene erste Beitragssatzung habe unterschiedliche Beitragssätze für sogenannte altangeschlossene und neuangeschlossene Grundstücke aufgewiesen und daher gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Der Beitragssatzung vom 22. November 2001 habe es an einer widerspruchsfreien Abgrenzung zwischen öffentlicher Einrichtung und Grundstücksanschlüssen gefehlt, was auch durch die Abwasseranschluss- und Beseitigungssatzung – AAS – vom 9. Oktober 2002 nicht geändert worden sei. Der ABS vom 16. April 2004 habe es an wirksam beschlossenen Beitragssätzen gefehlt. Die ABS vom 18. März 2005 habe nicht den nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderlichen Mindestinhalt aufgewiesen, da die Maßstabsregel unvollständig gewesen sei.

35

Die Klägerin hat am 11. Oktober 2013 die Zulassung der Berufung beantragt. Durch Beschluss vom 17. September 2015 hat der Senat die Berufung zugelassen.

36

Zur Begründung ihrer Berufung verweist die Klägerin ergänzend auf die Beschlüsse des BVerfG vom 12. November 2015 und auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG – vom 15. April 2015. Danach sei eine Beitragserhebung in Mecklenburg-Vorpommern nur bis zum 31. Dezember 2008 zulässig gewesen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V a. F.). Die Beiträge seien somit verjährt. Zudem sei auch die Beitragskalkulation fehlerhaft.

37

Auch das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016, mit dem die Verjährungsregelung des § 12 Abs. 2 KAG M-V geändert worden sei, habe die Beitragserhebung nicht nachträglich rechtlich zulässig gemacht. Das BVerfG habe im Beschluss vom 5. März 2013 (Orientierungssatz 3 und Rn. 49 ff.) dem Bayerischen Landesgesetzgeber eine Frist bis zum 31. März 2014 eingeräumt, eine gesetzlich zulässige Regelung zur Bestimmung der Verjährungsfrist zu schaffen. Wegen der Bindungswirkung des § 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz – BVerfGG – gelte diese Frist auch für den Landesgesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern, der diese Frist habe verstreichen lassen, sodass die gesetzliche Änderung von 14. Juli 2016 die Beitragserhebung nicht mehr habe heilen können.

38

Die Klägerin beantragt,

39

die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. August 2013 abzuändern und die Kanalbaubeitragsbescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2009 – … - … – in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 aufzuheben und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

40

Der Beklagte beantragt,

41

Die Berufung zurückzuweisen.

42

Er tritt der Berufung entgegen.

43

Am 14. Juli 2016 hat der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes erlassen und dort unter anderem eine neue Verjährungsregelung eingefügt. Das Gesetz ist im GVOBl. M-V 2016 S. 584, Heft Nr. 15 vom 29. Juli 2016, veröffentlicht und nach Art. 2 des Gesetzes am Tag nach seiner Verkündung in Kraft getreten.

44

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

45

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die angefochtenen Beitragsbescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2009 in der Fassung des Änderungs- und Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

46

Die Beitragsbescheide finden ihre nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung – Insel Usedom – (Abwasserbeitragssatzung – ABS) vom 18. März 2005 in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 16. Mai 2011, ausgefertigt am 20. März 2011. Dies ist die erste rechtswirksame Abwasserbeseitigungssatzung des Beklagten (zu 1). Erst das Inkrafttreten dieser Satzung hat die sachliche Beitragspflicht ausgelöst; einer Rückwirkung dieser Satzung hat es nicht bedurft (zu 2). Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung hat der Senat – in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts – VG – nicht (zu 3). Die Heranziehung der Klägerin im vorliegenden Einzelfall ist rechtmäßig (zu 4).

47

1. Die früheren Satzungen des Beklagten aus den Jahren 1996, 2001 und 2004 waren unwirksam; so zutreffend das VG im angefochtenen Urteil. Dem ist die Klägerseite zum einen nicht substantiiert entgegengetreten. Zum anderen hat die Prüfung des Senats von Amts wegen nichts Abweichendes ergeben.

48

Die ABS vom 4. November 1996 hat in § 5 für jede der drei Einrichtungen (I bis III) drei Beitragstatbestände enthalten, nämlich einen Beitragssatz für den „erstmaligen Anschluss eines Grundstücks an die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung“, einen geminderten Beitragssatz für Grundstücke, die bereits den Überlauf der Grundstücksentwässerungsanlage an einen Mischkanal besaßen, und – zum Dritten – für Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des KAG M-V voll an die gemeindliche Kläranlage angeschlossen gewesen waren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates, an der festgehalten wird, lag in dem dritten Beitragstatbestand eine unwirksame, weil gegen Art. 3 Grundgesetz – GG – verstoßende Altanschließerregelung. Den Altanschließern wird durch die nach der Wende geschaffene öffentliche Einrichtung des Aufgabenträgers derselbe Vorteil geboten wie denjenigen Anschlussnehmern, deren Grundstück erstmalig nach der Wende an eine öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossen worden ist (vgl. OVG Greifswald in ständiger Rechtsprechung seit Beschl. vom 21. April 1999 – 1 M 12/99 –, LKV 2000 S. 161).

49

Die Beitragssatzung vom 21. November 2001 hat diese fehlerhafte Ungleichbehandlung der Altanschließer in ihrem § 5 noch weiter vertieft, indem sie nicht nur einen reduzierten Beitragssatz für die Altanschließer vorgesehen hat, sondern diese vollständig von der Beitragspflicht hat freistellen wollen. Es gibt in der ABS 2001 nur noch den Beitragstatbestand für den „erstmaligen Anschluss“ eines Grundstücks an die öffentliche Entwässerungsbeseitigung.

50

Der Satzung vom 31. März 2004 fehlte es an wirksam beschlossenen Beitragssätzen. Denn dieser Satzung hat keine wirksame Kalkulation des Beitragssatzes zugrunde gelegen. Die Beitragskalkulation vom November 2001 (vgl. VG Greifswald, Beschl. vom 24. August 2004 – 3 B 1625/04 –) hat ihre Gültigkeit verloren, weil sie auf einer anderen Organisationsentscheidung des Beklagten beruht. Ausweislich § 1 Abs. 4 der Abwasseranschluss- und -beseitigungssatzung des Zweckverbandes Wasserversorgung vom 9. Oktober 2002 – AAS 2002 – waren seinerzeit die Grundstücksanschlüsse noch Bestandteil der öffentlichen Einrichtung. Nach § 1 Abs. 2c ABS 2004 gehörten diese nicht mehr zur öffentlichen Einrichtung, sodass eine diese Organisationsentscheidung berücksichtigende Fortschreibung der Kalkulation im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die ABS 2004 der Zweckverbandsversammlung hätte vorliegen müssen. Zum einen stellt sich somit der Umfang der öffentlichen Einrichtung als widersprüchlich definiert dar. Zum anderen hätte auf der Kostenseite der Kalkulation berücksichtigt werden müssen, dass nach der ABS 2004 die Kosten für die Erstellung der Grundstücksanschlüsse keine Kosten der öffentlichen Einrichtung mehr sind (methodischer Fehler).

51

Die Beitragssatzung vom 31. März 2005 wies (ebenfalls) nicht den nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderlichen Mindestinhalt auf, da die Maßstabsregeln unvollständig waren. In der Satzung 2005 fehlte eine Maßstabsregelung für Grundstücke, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen, der keine Regelung über die Anzahl der zulässigen Vollgeschosse trifft, aber eine maximale Höhe und eine Baumassenzahl festsetzt. Dies hat bereits das VG zutreffend herausgearbeitet.

52

2. Damit hat die sachliche Beitragspflicht erst im Jahre 2011 unter Geltung der 7. Änderungssatzung entstehen können. Denn seit Inkrafttreten des KAG vom 11. April 1991 hat das OVG Greifswald stets die Rechtsauffassung vertreten, dass (nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1991, heute § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) ohne einewirksame Satzung keine sachliche Beitragspflicht entstehen kann und mithin auch der Lauf der regelmäßigen Verjährung nicht in Gang gesetzt wird (vgl. insoweit die Rechtsprechungsnachweise bei Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Anm. 7.2 mit weiteren Nachweisen). Insbesondere wird auf die älteste dort zitierte Entscheidung, nämlich den Beschl. des OVG Greifswald vom 8. April 1999 – 1 M 41/99 –, verwiesen. Seit diesem Zeitpunkt ist das KAG (M-V) stets in dieser Weise durch das OVG Greifswald ausgelegt worden. Daran wird auch in dem vorliegenden Urteil festgehalten.

53

Weil nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Greifswald eine wirksame Satzung der Anschlussmöglichkeit auch nachfolgen kann, hat es einer Rückwirkung der ABS nicht bedurft. Eine nachträglich erlassene wirksame Abgabensatzung heilt dann einen eventuell zuvor bei Erlass der Bescheide bestehenden rechtlichen Mangel. Erst mit Inkrafttreten der wirksamen ABS im Jahre 2011 ist die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist (§ 12 KAG M-V i. V. m. § 169 Abs. 2 AO) angelaufen; denknotwendigerweise ist sie im Jahre 2009 – bei Erlass der hier streitigen Abgabenbescheide – auch nicht abgelaufen gewesen. Auch wenn die Heranziehungsbescheide im Jahre 2009 – wegen des vorgenannten Satzungsmangels – noch rechtswidrig gewesen sind, sind sie im Jahre 2011 geheilt worden und unterliegen daher nicht mehr der verwaltungsgerichtlichen Aufhebung (Grundsatz der Aufrechterhaltung). Hierdurch werden Abgabepflichtige nicht in rechtswidriger Weise benachteiligt. Die Klägerseite hätte das Inkrafttreten der wirksamen Satzung zum Anlass nehmen können, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, um nicht die Kosten für einen zunächst aussichtsreichen, dann aber – wegen des Inkrafttretens einer wirksamen Satzung – erfolglos gewordenen Verwaltungsprozesses tragen zu müssen.

54

Die Klägerseite kann sich – im Hinblick auf das Erfordernis einer wirksamen Satzung – nicht mit Erfolg auf die abweichende Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg berufen. Nicht nur nach Auffassung des OVG Greifswald, sondern nach ganz herrschender, seit Jahrzehnten gefestigter Rechtsprechung fast aller Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe setzt das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht voraus, dass eine wirksame Abgabensatzung vorhanden ist. Denn eine unwirksame Abgabensatzung ist nichtig und daher im Ergebnis nicht existent. Eine gesetzliche Formulierung, das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht setze eine „wirksame Satzung“ voraus, ist im Ergebnis ein „weißer Schimmel“. Der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern hat durch die KAG-Änderung 2005 lediglich das klargestellt, was nach der Rechtsprechung des OVG Greifswald seit Gründung dieses Gerichtes gegolten hatte.

55

Dass es auf die Auslegung des Landesrechtes durch das oberste Landesgericht ankommt, wird auch aus dem Beschluss des BVerfG, 2. Kammer, vom 12. November 2015 – 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 –, LKV 2016 S. 25 ff., deutlich (siehe unter 4c), wo an mehreren Stellen darauf abgestellt wird, wie das in dem dortigen Fall vorgehende OVG Berlin-Brandenburg seit dem Jahre 2000 das KAG BB ausgelegt hat. Erst durch den Wechsel der Auslegung des Landesrechts von Brandenburg sei, so das BVerfG, die Sach- und Rechtslage in Brandenburg dergestalt „umgestaltet“ worden, dass es auf die erste Satzung ankomme, auch wenn sie nicht wirksam gewesen sein sollte.

56

3. Zweifel an der Gültigkeit der ABS (Fassung 2011) sind – abgesehen von der Beitragskalkulation – nicht vorgetragen worden. Solche Zweifel sind auch sonst für den Senat nicht ersichtlich.

57

Die der ABS 2005 in der Fassung 2011 zugrunde liegende Beitragskalkulation ist nach Auffassung des Senates ausreichend, eine ordnungsgemäße ortsgesetzgeberische Ermessensentscheidung zu tragen.

58

Insbesondere hat der Verbandsversammlung am 16. Mai 2011 eine aktuelle Kalkulation vorgelegen, die beschlossen worden ist (Fortschreibung der Beitragskalkulation von März 2011). Für die hier in Rede stehende Einrichtung II ist ein Beitragssatz von 8,29 Euro/m² kalkuliert worden; festgesetzt worden ist durch die Verbandsversammlung ein Beitragssatz von 4,83 Euro/m². Als umlagefähig sind angesehen worden Kosten in Höhe von 18.975.383 Euro. Die beitragspflichtige Fläche ist mit 2.290.027 m² ermittelt worden.

59

Die Beitragskalkulation ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das VG ausgeführt, dass zwar „kleine Ungenauigkeiten“ vorgelegen haben mögen. Es sind aber insgesamt insbesondere keine schweren methodischen Fehler erkennbar geworden. Insbesondere ist kein methodischer Fehler unter dem Gesichtspunkt festzustellen, dass in erheblichem Umfang nicht beitragsfähiger Aufwand in die Ermittlung des Beitragssatzes eingestellt worden wäre. Insoweit kann auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden.

60

Vor dem Hintergrund, dass die ermittelte beitragspflichtige Fläche 2.290.027 m² beträgt, steht für den Senat fest, dass eine eventuell fehlerhafte Bewertung einzelner Grundstücke im Verbandsgebiet nur zu kleinen Ungenauigkeiten führen kann.

61

Im Hinblick auf den Bebauungsplan Nr. 23 ist der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu folgen. Ein Bebauungsplan eröffnet Planungsrecht. Es liegt nach Erlass eines Bebauungsplanes nicht mehr in der Hand der Gemeinde, ob die Planung auch umgesetzt wird. Etwas anderes mag nur dann gelten, wenn ein Baugebot festgesetzt worden ist. Daher liegt es im ortsgesetzgeberischen Ermessen, ob der räumliche Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, der gerade erst in Kraft getreten ist, einbezogen wird oder nicht. Die Nichteinstellung des räumlichen Geltungsbereichs dieses Bebauungsplanes Nr. 23 kann auch auf der Einschätzung beruhen, dass sich der Bebauungsplan als von Anfang an unwirksam erwiesen hat.

62

Im Hinblick auf die Ortschaft Neu-Sallenthin, die im Zeitpunkt der Kalkulation noch nicht abwasserseitig angeschlossen gewesen ist, kommt bei der Erstellung einer Globalkalkulation nur eine überschlägige Schätzung der beitragspflichtigen Flächen in Betracht. Sinn einer Globalkalkulation ist es nicht, das gesamte Verbandsgebiet Quadratmeter genau zu ermitteln. Erst im Rahmen der Beitragsfestsetzung für einzelne Grundstücke wird es dann Aufgabe des Beklagten sein, das jeweilige Grundstück genau zu betrachten. Daher ist es für die Rechtmäßigkeit der Kalkulation bedeutungslos, ob das eine oder andere Grundstück in Neu-Sallenthin und auch zum Beispiel das Hotel Bergmühle mit einem, zwei oder drei Vollgeschossen bebaut ist. Insoweit liegt nicht einmal ein Fehler der Kalkulation vor.

63

Aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen hat die Frage der Abwasserabgabe im Hinblick auf die Beitragskalkulation auch für den Senat keine Relevanz.

64

Zudem ist festzustellen, dass der Beklagte nur eine teilweise Deckung seiner Aufwendungen durch Beiträge angestrebt hat, da er einen „politischen Beitrag“ erhebt, der nur etwas mehr als die Hälfte des kalkulierten Beitragssatzes ausmacht. Eine Kostenüberdeckung durch Beiträge ist damit definitiv ausgeschlossen (Beitragssatz von 8,29 Euro/m² wurde als höchstzulässiger Beitragssatz kalkuliert; festgesetzt worden ist durch die Verbandsversammlung „nur“ ein Beitragssatz von 4,83 Euro/m²). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates ist es rechtlich zulässig, im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen eine sich aus Beiträgen und Gebühren zusammensetzende Finanzierung vorzunehmen, wie der Beklagte das im vorliegenden Fall tut.

65

4. Die Heranziehung der Klägerin im vorliegenden Einzelfall ist rechtmäßig.

66

Die Anwendung der ABS (Fassung 2011) auf den vorliegenden Einzelfall ist in rechtmäßiger Weise erfolgt; sowohl die Beitragsfestsetzungen als auch das Zahlungsgebot erweisen sich als rechtmäßig (zu a). Die Beitragserhebungsmöglichkeit hat sich weder „verflüchtigt“ (b) noch verstößt sie gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (c) oder liegt eine unzulässige Doppelveranlagung vor (d).

67

a) Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bestimmtheit ist nicht gegeben. Die komplizierte Materie einer Wohnungseigentümergemeinschaft erfordert auch komplizierte Bescheide. Daher ist es ein adäquates Vorgehen des Beklagten, 135 Bescheide zu erlassen, diese aber dann letztlich objektbezogen in einem Widerspruchsbescheid zu bündeln. Im Widerspruchsbescheid ist hinreichend klargestellt, auf welchen Betrag sich das Leistungsgebot der Veranlagung bezieht und dass die zuvor bezahlten Beiträge angerechnet werden. Zutreffend hat der Beklagte berücksichtigt, dass die im Jahre 2011 entstandenen Beiträge durch die auf die Bescheide von 1999 geleisteten Zahlungen teilweise durch Erfüllung erloschen sind. Daher hat das Leistungsgebot diese Zahlungen zutreffend berücksichtigt.

68

b) Das vom BVerfG im Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143 = NVwZ 2013 S. 1004, entwickelte Rechtsinstitut der „Verflüchtigung“ greift im Ergebnis nicht durch. Danach kann ein zwar nicht verjährter Beitrag aus rechtsstaatlichen Gründen eventuell nicht mehr erhoben werden (vgl. hierzu im Einzelnen Aussprung in Aussprung/Siemens/Holz, § 7 Erläuterung 8.1.4.2, Seite 60 ff.).

69

Der Leitsatz des Beschlusses des BVerfG vom 5. März 2013 lautet im Wesentlichen, das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verlange Regelungen, die sicherstellten, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden könne.

70

In dem genannten Beschluss hat das BVerfG – ausweislich der Nr. 1 des Tenors – den anzuwendenden Art. 13 des BayKAG für mit dem Grundgesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) „unvereinbar“ erklärt, nicht aber für nichtig. Dies hat entscheidende Bedeutung für die weitere Möglichkeit des bayerischen Landesgesetzgebers, diesen Mangel zu beseitigen. So führt das BVerfG dann auch aus (Orientierungssatz 3 und Rn. 49 ff.), dem Gesetzgeber ständen mehrere Möglichkeiten zur Beseitigung des verfassungswidrigen Zustandes zur Verfügung, und zunächst komme nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht. „Nichtigkeit“ trete jedoch zum 1. April 2014 ein, wenn der Gesetzgeber auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist verzichte.

71

Das BVerwG (Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 15.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 139/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 16.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 140/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 17.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 142/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 18.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 143/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 19.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 207/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 20.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 208/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 21.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 210/13 –; vgl. hierzu Aussprung in Aussprung/Siemens/Holz, KAG M-V, § 7 Erläuterung 8.1.4.6 Seite 86) hat für die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern durch Urteile vom 15. April 2015 die Revisionen der dortigen Kläger gegen die Urteile des OVG Greifswald vom 1. April 2014 zurückgewiesen, weil die Beitragserhebung noch innerhalb der Übergangsfrist des § 12 Abs. 2 KAG M-V in der bis zum 29. Juli 2016 geltenden Fassung erfolgt sind, d. h. bis zum 31. Dezember 2008. Ferner hat das BVerwG in einem umfassenden obiter dictum weitere „Segelanweisungen“ gegeben.

72

Ausdrücklich hat das BVerwG, a. a. O., dem Landesgesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern die Möglichkeit offen gelassen, eine weitergehende und längere Festsetzungsverjährungsfrist als den 31. Dezember 2008 zu bestimmen und im Einzelnen ausgeführt:

73

„Denn es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen einerseits der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und andererseits der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen (BVerfG, Beschl. vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143 Rn. 42). Mit diesem Gestaltungsauftrag ist – nicht zuletzt angesichts der Vielzahl der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten, jedoch gerade nicht den Verweis auf die Höchstverjährungsfrist einschließenden Lösungsmöglichkeiten wie auch der Unterschiedlichkeit der in einzelnen Ländern erlassenen und zudem deutlich kürzeren Ausschlussfristen – der schematische Rückgriff auf § 53 Abs. 2 VwVfG M-V wohl unvereinbar, zumal die Vorschrift gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG M-V nicht für Verfahren gilt, die – wie vorliegend – nach den Vorschriften der Abgabenordnung durchzuführen sind.“

74

Eine solche Fristbestimmung hat der Landesgesetzgeber jetzt durch Gesetz vom 14. Juli 2016 getroffen; ebenso wie zahlreiche andere Bundesländer bereits ihre Verjährungsregelungen nachgebessert haben.

75

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass diese gesetzliche Neuregelung den von Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht gemachten Vorgaben entspricht, sodass der Senat die geänderte Fassung des § 12 Abs. 2 KAG MV seiner Entscheidung zugrunde legen kann. Der Gesetzgeber hat jetzt eine Regelung geschaffen, nach der eine zeitlich unbefristete Heranziehung zu (Anschluss-) Beiträgen nicht mehr möglich ist.

76

§ 12 Abs. 2 in der jetzt geltenden Fassung lautet u. a.:

77

§ 169 der Abgabenordnung gilt mit der Maßgabe, dass

78

1. über § 169 Absatz 1 Satz 1 der Abgabenordnung hinaus die Festsetzung eines Beitrages unabhängig von dem Entstehen der Beitragspflicht spätestens 20 Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist, wobei der Lauf der Frist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2000 beginnt, …"

79

Diese Frist ist ersichtlich im Jahre 2009 noch nicht abgelaufen gewesen, weil im vorliegenden Fall – wie oben ausgeführt – noch nicht einmal die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist nach § 169 Abs. 2 AO an- und erst Recht nicht abgelaufen ist.

80

Zur weiteren Klarstellung hat der Landesgesetzgeber noch in § 22 KAG M-V folgenden Abs. 3 angefügt:

81

„Soweit sich für bestehende Abgabensatzung ein Rechtsmangel daraus ergibt, dass das Kommunalabgabengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. April 2005 (GVOBl. M-V S. 146), das zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes vom 13. Juli 2011 (GVOBl. M-V S. 777, 833) geändert worden ist, die Heranziehung zu Beiträgen keiner zeitlichen Obergrenze unterwirft, ist dieser Rechtsmangel mit Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016 (GVOBl. M-V S. 584) unbeachtlich.“

82

Nach Auffassung des Senates hätte es dieser salvatorischen Klausel nicht bedurft, da jedes Gesetz, soweit nichts anderes geregelt ist, mit Inkrafttreten seine Gültigkeit beansprucht. Nach den bisherigen Regelungen war lediglich keine zeitliche Obergrenze für eine Verjährung eines Anschlussbeitrages geregelt. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der Anschlussbeitrag verjährt wäre.

83

Da das BVerwG in seinen Urteilen vom 15. April 2015 dem Gesetzgeber gerade die Möglichkeit eröffnet, entsprechend seiner Gesetzgebungskompetenz eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen und die Länge der Verjährungsfrist zu bestimmen, hätte eine diesbezügliche Neuregelung ausgereicht. Gegenstand des Rechtsstreits um das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit („Verflüchtigungsrechtsstreit“) war nicht etwa eine gesetzliche Regelung, die verfassungswidrig sei, sondern die Tatsache, dass eine Gesetzeslücke gesehen wurde, die die Anwendung des im Übrigen verfassungsgemäßen KAG M-V ab einem gewissen vom Gesetzgeber festzulegenden Stichtag verfassungswidrig machen würde. Einer weitergehenden deklaratorischen Klausel hätte es nicht bedurft; als deklaratorische Klausel ist die Regelung des § 22 Abs. 3 KAG M-V (Fassung 16. Juli 2016) aber „unschädlich“.

84

Der Senat hat keine Bedenken, dass die nunmehr bestimmte Festsetzungsfrist die Interessen der Abgabepflichtigen in Mecklenburg-Vorpommern in adäquater Weise behandelt. Die Festsetzungsfrist betrifft ein neues Bundesland, in dem die landesrechtlichen Grundlagen für einen Anschlussbeitrag erst geschaffen werden mussten, und bleibt unterhalb der in der Rechtsordnung bekannten längsten Verjährungsfrist von 30 Jahren. Der Landesgesetzgesetzgeber hat sich innerhalb des gesetzgeberischen Spielraumes bewegt und sich von folgenden Erwägungen leiten lassen (Gesetzentwurf der Landesregierung vom 11. März 2016, LT-Dr. 6/5257 S. 2 f.):

85

„Bei der konkreten Ausgestaltung einer landesgesetzlichen Festlegung einer zeitlichen Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum hinsichtlich des gesetzlich zu schaffenden Ausgleichs zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für Vorteile (hier: durch Anschluss an eine gemeindliche Einrichtung) einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann, zu (BVerwG, Urteil vom 15.04.2015 – 9 C 15/14 – u. a.; vergleiche BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, a. a. O.).

86

Nach Auffassung des BVerfG bleibt es dem Landesgesetzgeber überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die der Rechtssicherheit genügt. So könnte der Landesgesetzgeber etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt.

87

Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt. Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143-163, Rn. 50).

88

Die Bundesländer Sachsen, Brandenburg, Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt haben bei einer mit Mecklenburg-Vorpommern vergleichbaren Rechtslage ihre Kommunalabgabengesetze bereits an die Forderungen des BVerfG (Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –) angepasst. Insofern wird die Änderung des KAG M-V auch in Kenntnis der in diesen Bundesländern erfolgten landesgesetzlichen Regelungen vorgenommen. Maßgebliches Ziel des Landesgesetzgebers ist es, die kommunalen Aufgabenträger im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren, ohne dabei gegen das Verbot zu verstoßen, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festzusetzen.

89

In Abwägung der Interessen der kommunalen Aufgabenträger und der Abgabenpflichtigen wird deshalb eine 20-jährige Verjährungsfrist geregelt, wobei aufgrund der Sondersituation nach der Deutschen Einheit der Lauf der Frist bis zum Ablauf des Jahres 2000 gehemmt ist („…wobei der Lauf der Frist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2000 beginnt.“). Damit ist die maximal mögliche Verjährungsfrist von 30 Jahren deutlich unterschritten und in Kombination mit einer Regelung zur Verjährungshemmung gleichwohl eine Beitragserhebung bis 2020 ermöglicht. Mit der Regelung zur Verjährungshemmung hatte auch der Landesgesetzgeber Brandenburg auf die Forderungen des BVerfG reagiert.“

90

Da der Senat die neue Festsetzungsfrist als verfassungsgemäß ansieht, hat er keine Veranlassung, den Rechtsstreit dem BVerfG vorzulegen (Art. 100 Abs. 1 GG).

91

c) Der Grundsatz des Vertrauensschutzes, wie er in dem stattgebenden Kammerbeschluss des BVerfG, 2. Kammer, Beschl. vom 12. November 2015 – 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 –, LKV 2016 S. 25 ff., vorgehend OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 29. September 2014 – OVG 9 N 40.14 –, vorgehend BVerwG, Beschl. vom 11. September 2014 – 9 B 21.14 –, vorgehend OVG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 13. November 2013 – OVG 9 B 35.12 – konkretisiert worden ist, führt gleichfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der hier streitigen Abgabenerhebung

92

In dem dortigen Kammerbeschluss nimmt das BVerfG im Kern eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG an durch rückwirkende Erhebung kommunaler Abwasseranschlussbeiträge – hier: Abgabenerhebung gem. § 8 Abs. 7 S. 2 KAG BB i. d. F. vom 17. 12. 2003 – in Fällen, in denen die Beiträge nicht mehr nach § 8 Abs. 7 S. 2 KAG BB i. d. F vom 27.06.1991 hätten erhoben werden können, da mit Entstehen der Beitragspflicht durch rückwirkendes Inkrafttreten einer wirksamen Beitragssatzung zugleich Festsetzungsverjährung eingetreten wäre.

93

Nach Auffassung des Senates ist der Beschluss des BVerfG, der grundsätzlich nach § 31 BVerfGG in seinem Tenor und seinen tragenden Gründen auch für das OVG Greifswald Bindungswirkung entfaltet (vgl. Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 7 Anm. 8.1.4.6.), nicht einschlägig, sodass gerade keine Bindungswirkung eintritt. Denn der vom Senat zu entscheidende Sachverhalt unterscheidet sich von dem Sachverhalt, der den Verfahren aus Berlin-Brandenburg zugrunde gelegen hat, sodass eine Bindung des OVG Greifswald an die tragenden Gründe des Kammerbeschlusses vom 12. November 2015 ausscheidet.

94

Die Kernaussage des BVerfG in seinem Beschluss vom 12. November 2015 ist, dass es gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot verstößt, wenn eine gesetzliche Vorschrift dergestalt geändert wird, dass nunmehr Beiträge erhoben werden sollen, die nach der Vorgängervorschrift nicht mehr hätten erhoben werden dürfen (vgl. z. B. Rn. 39, a. a. O.). In den Fällen aus Brandenburg wären nach alter Rechtslage die Beitragsschulden wegen Festsetzungsverjährung erloschen (Rn. 64, a. a. O.). Dass in einem solchen Fall eine gesetzliche Vorschrift, die rückwirkend die angelaufene und eine logische Sekunde später auch abgelaufene Festsetzungsverjährung „aus den Angeln hebt“, sich als echte Rückwirkung darstellt und den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nicht genügt, wird auch vom Senat in gleicher Weise gesehen.

95

Wie bereits oben ausgeführt, unterscheidet sich die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern elementar von der in Brandenburg. Seit Inkrafttreten des KAG vom 11. April 1991 hat das OVG Greifswald stets die Rechtsauffassung vertreten, dass (nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1991, heute § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) ohne eine wirksame Satzung keine sachliche Beitragspflicht entstehen kann und mithin auch der Lauf der regelmäßigen Verjährung nicht in Gang gesetzt wird (vgl. zur ähnlichen Rechtslage in Sachsen-Anhalt, OVG Magdeburg, Beschl. vom 17. Februar 2016 – 4 L 119/15 –, Rn. 58 und 59 und OVG Weimar, Urt. vom 12. Januar 2016 – 4 KO 850/09 –, juris Rn. 48, zur Rechtslage in Thüringen).

96

Dass es auf die Auslegung des Landesrechtes durch das oberste Landesgericht ankommt, wird auch aus dem Beschluss des BVerfG vom 12. November 2015 deutlich, wo an mehreren Stellen darauf abgestellt wird, wie das OVG Berlin-Brandenburg seit dem Jahre 2000 das dortige Landesrecht ausgelegt hat. Erst durch den Wechsel der Auslegung des Landesrechts von Brandenburg ist die „Sach- und Rechtslage“ in Brandenburg dergestalt „umgestaltet“ worden, dass es auf die erste Satzung ankomme, auch wenn sie nicht wirksam gewesen sein sollte. In Rn. 52 spricht das BVerfG sogar von „Gesetzeslage“, und versteht darunter nicht nur § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG BB a. F., sondern auch und gerade, wie das OVG Berlin-Brandenburg diese Bestimmung ausgelegt hat.

97

Anzumerken ist schließlich noch, dass seit Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes, jetzt BauGB, im Jahr 1960 das BVerwG im Erschließungsbeitragsrecht stets auf die Wirksamkeit der Satzung abgestellt hat. Diese gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung hat das OVG Greifswald auf das Anschlussbeitragsrecht übertragen. Diese Rechtsprechung, die ca. 50 Jahre alt ist, ist für das Erschließungsbeitragsrecht höchstrichterlich noch nie infrage gestellt worden.

98

Der Senat schließt sich der Auffassung des OVG Magdeburg, a. a. O. (Rn. 62), insoweit an, dass die Abgabenpflichtigen vor der Entscheidung des BVerfG vom 5. März 2013 nicht haben darauf vertrauen können, dass ihnen gegenüber aufgrund eines langen Zeitraumes seit Entstehen einer Vorteilslage keine Abgabe mehr festgesetzt werden könnte. Insoweit kam es allein darauf an, ob und in welcher Weise der Landesgesetzgeber auf die Entscheidung des BVerfG reagieren würde.

99

Schließlich kann die Klägerin mit ihrer Auffassung nicht durchdringen, der Landesgesetzgeber M-V sei wegen der Bindungswirkung des § 31 BVerfGG auch an die dem bayerischen Landesgesetzgeber im Beschluss des BVerfG vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – gesetzte Frist gebunden, bis zum 31. März 2014 (Ziffer 1 des Tenors) eine gesetzliche Neuregelung vorzunehmen. Diese Frist ist ausschließlich für den bayerischen Landesgesetzgeber maßgeblich gewesen. Nur er ist von dem Beschlusstenor gebunden, wonach die bayerische Regelung des Art. 13 BayKAG mit dem Grundgesetz unvereinbar sei. Nur er hat die Gesetzgebungskompetenz, diesen Art. 13 BayKAG zu ändern. In der Sache hat das BVerfG somit das Abgabenerhebungsverfahren ausgesetzt (siehe Rn. 52), um dem bayerischen Gesetzgeber die Gelegenheit zur verfassungsgemäßen Neuregelung zu geben. Zudem hat das BVerfG den Verwaltungsgerichten die Kompetenz eröffnet, das Landesrecht verfassungskonform auszulegen (Rn. 52).

100

Zutreffend ist zwar, dass nicht nur der Tenor einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung Bindungswirkung entfaltet, sondern auch die tragenden Gründe. Die gegenüber dem bayerischen Landesgesetzgeber ausgesprochene zeitliche Höchstgrenze für eine gesetzliche Neuregelung in Bayern ist aber kein tragender Entscheidungsgrund, der sich über das bayerische Landesrecht hinausgehende Bedeutung beimisst.

101

d) Die Abgabenerhebung aus dem Jahre 1999 steht nicht unter dem Blickwinkel einer „unzulässigen Doppelveranlagung“ oder „unzulässigen Nacherhebung“ der Rechtmäßigkeit der hier angefochtenen Abgabenbescheide aus dem Jahre 2009 entgegen. Das Problem der Nachveranlagung oder auch Doppelveranlagung ist (vgl. Aussprung in Aussprung/Siemens/Holz, KAG M-V, § 12 Erläuterungen 50 ff., Seite 71 ff.) in der Rechtsprechung des OVG Greifswald geklärt (vgl. OVG Greifswald, Urt. vom 15. Dezember 2009 – 1 L 323/06 –, OVG Greifswald Urt. vom 15. Dezember 2010 – 1 L 1/09 –, ferner Beschl. vom 28. Januar 2010 – 1 L 217/09 – und Beschl. vom 28. Januar 2010 – 1 M 181/09 –). Dort hat das OVG Greifswald den Grundsatz aufgestellt, dass bei leitungsgebundenen Einrichtungen die Aufgabenträger grundsätzlich berechtigt und verpflichtet sind, eine Nacherhebung in dem Sinne vorzunehmen, dass sie einen wirksam entstandenen Anschlussbeitragsanspruch voll ausschöpfen. Einer solchen Nacherhebung stehen der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung, die Rechtsfolgen der Bestandskraft des erster Heranziehungsbescheides und der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ebenso wenig entgegen wie die Bestimmung des § 12 Abs. 1 KAG M-V und die darin enthaltene Verweisung auf die Bestimmungen der Abgabenordnung (Aussprung, a. a. O., Erläuterung 50.2.3, Seite 76 f.). An dieser Auffassung hält der Senat fest.

102

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; insoweit kommt auch eine Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht in Betracht.

103

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist der Vorteilsbegriff landesrechtlich determiniert. Auch der Fragenkomplex, ob eine Abgabenerhebung in Mecklenburg-Vorpommern in der vorliegenden Fallkonstellation rechtlich noch zulässig ist, beruht auf der Auslegung des Landesrechts. Dies gilt insbesondere auch für die Frage der Nacherhebung eines noch nicht ausgeschöpften Beitragsanspruches, weil auch die anzuwendende Abgabenordnung im Bereich des Kommunalabgabenrechts Landesrecht ist. Zudem sind die grundsätzlichen Rechtsfragen der „Verflüchtigung“ eines beitragsrechtlichen Vorteils und des Vertrauensschutzes durch die im Urteil zitierte Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG geklärt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.