Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 30. Okt. 2015 - 17a K 1743/15.A
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der 1964 geborene Kläger zu 1., seine 1967 geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2., und ihr im August 1995 geborener Sohn, der Kläger zu 3., sind serbische Staatsangehörige und gehören dem Volk der Roma an.
3Frühere Asylverfahren der Kläger aus dem Jahr 2003 blieben erfolglos. Auf ihre Asylfolgeanträge vom November 2014 lehnte das Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden vom 29. Januar 2015 die Asylanträge und die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Kläger als offensichtlich unbegründet ab; ferner wurde der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Kläger wurden zur Ausreise innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung aufgefordert und die Abschiebung nach Serbien für den Fall nicht fristgemäßer Ausreise wurde angedroht.
4Mit Schriftsätzen ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12. Februar 2015 wurde beantragt, die Verfahren zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG betreffend die Klägerin zu 2. sowie für den Kläger zu 3. wiederaufzugreifen und ein Abschiebungsverbot nach dieser Bestimmung festzustellen. Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf eine Bescheinigung der Internistin Heidrich vom 11. Februar 2015, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, ausgeführt, bei der Klägerin zu 2. seien wiederholt Zustände von innerer Unruhe mit Herzrasen und Schweißausbrüchen festgestellt worden. Die Ursachen müssten diagnostisch abgeklärt werden; solange sei keine Reisefähigkeit gegeben. Der Kläger zu 3. sei wegen einer Herzerkrankung zu Untersuchungszwecken am 25. Februar 2015 stationär im Elisabeth Krankenhaus Essen aufgenommen worden; ein aussagekräftiges Attest könne erst nach Beendigung des Aufenthaltes beigebracht werden. Eine hinreichende medizinische Behandlung werde in Serbien angesichts der extremen Benachteiligungen für Roma für die Kläger nicht zu erlangen sein.
5Mit (zwei) Bescheiden vom 17. März 2015 lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger auf Abänderung der früher ergangenen Bescheide vom 29. Januar 2015 hinsichtlich der darin getroffenen Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Bescheide Bezug genommen.
6Die Kläger haben am 10. April 2015 Klage erhoben.
7Sie machen unter Vertiefung ihres Vorbringens gegenüber dem Bundesamt Abschiebungsverbote insbesondere für die Kläger zu 2. und 3. geltend. Die Klägerin zu 2. sei u.a. psychisch erkrankt (ängstlich depressives Syndrom mit Schlafstörungen und Somatisierungsstörung mit Schmerzsymptomatik) und leide zudem an Unterbauchbeschwerden (gesicherte Diagnose Uterus myomatosus, Blutungsstörungen). Für den Kläger zu 3. sei insbesondere eine Kardiomyopathie mit leichtgradig eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion bei am ehesten idiopathischer ventrikulärer Extrasystolie diagnostiziert worden. Sie beziehen sich auf eine Vielzahl ärztlicher Stellungnahmen und Befundberichte, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird: Bescheinigungen der Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. med. N. vom 17. Februar 2015 und 9. Juli 2015, der Ärzte für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie C. und L. vom 6. Mai, 25. August und 30. September 2015, der Gynokologischen Notfalluntersuchung des Klinikum O. vom 29. September 2015, der Fachärztinnen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe-Psychotherapie- Naturheilverfahren Dr. med. A. -N1. und I. vom 8. Oktober 2015 sowie der Befundberichte des F. -Krankenhaus F1. , Klinik für Kardiologie und Angiologie vom 4. Mai 2015.
8In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1. die Klage zurückgenommen.
9Die Kläger beantragen,
10die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17. März 2015 zu verpflichten festzustellen, dass in der Person der Klägerin zu 2. und des Klägers zu 3. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
11Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtenen Entscheidungen.
14Mit Beschluss vom 10. September 2015 ist der Rechtsstreit dem Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen worden.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes verwiesen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
17Die Klage ist einzustellen, soweit sie in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des Klägers zu 1. zurückgenommen worden ist (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
18Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
19Die Bescheide des Bundesamtes vom 17. März 2015 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Den Klägern zu 2. und zu 3. stehen die mit der Klage allein geltend gemachte Ansprüche nach § 60 Abs. 5 und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unabhängig davon nicht zu, ob die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen nach §§ 51 Abs. 1-3 und 5, 48, 49 VwVfG vorliegen.
20Für eine Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention ist weder etwas vorgetragen worden, noch ist eine solche aufgrund der aktuellen Erkenntnislage sonst beachtlich wahrscheinlich.
21Vgl. Lagebericht Serbien des Auswärtigen Amtes vom 15. Dezember 2014; VG Gelsenkirchen, Urteile vom8. Mai 2014 – 17a K 2848/13.A -, www.nrwe.de; VGH Mannheim, Urteil vom 24. Juni 2015 – A 6 S 1259/14 -, juris.
22Auch ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist nicht zu bestätigen.
23Nach dieser Bestimmung soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Entscheidend ist allein, ob für den Ausländer eine konkrete individuelle Gefahr für die in der Vorschrift genannten Rechtsgüter besteht und die Gefahr dem Einzelnen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit droht.
24Vgl. BVerwG, Urteile vom 17.Oktober 1995 - 9 C 9.95 - und 17. Oktober 2006 - 1 C 18.05 -, OVG NRW, Urteil vom 27. Januar 2015 – 13 A 1201/12.A -, jeweils juris.
25Ein Abschiebungsverbot nach dieser Vorschrift kann auch darin begründet sein, dass sich die individuelle Erkrankung eines ausreisepflichtigen Ausländers alsbald nach der Rückkehr in seinen Heimatstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlimmern würde, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind und er auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte.
26Vgl. dazu z. B. BVerwG, Urteil vom 29. Juli 1999- 9 C 2.99 - sowie Urteil vom 25. November 1997- 9 C 58.96 -, Beschluss vom 17. August 2011- 10 B 13/11 -, jeweils zitiert nach juris.
27Hiernach sind indes regelmäßig nur solche Umstände relevant, die für den betreffenden Ausländer den Aufenthalt im Zielland der angedrohten Abschiebung unzumutbar machen und damit in Gefahren begründet liegen, welche diesem im Zielstaat drohen (zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote). Treten die befürchteten negativen Auswirkungen jedoch allein durch die Abschiebung als solche und nicht wegen der spezifischen Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung ein, so handelt es sich um ein sogenanntes inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis. Ein solches ist nicht durch das zuständige Bundesamt der Beklagten bei der Entscheidung über Abschiebungsverbote, sondern durch die zuständige Ausländerbehörde zu berücksichtigen.
28Vgl. BVerwG, Urteile vom 21.September 1999 - 9 C 8.99 - und vom 15. Oktober 1999 - 9 C 7.99 -, jeweils zitiert nach juris.
29Für die Prognose einer Gefährdung nach Rückkehr in das Herkunftsland im dargestellten Sinn ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit der so umschriebenen Gefahr erforderlich. Daraus folgt, dass die im konkreten Einzelfall für eine zu erwartende Rechtsgutverletzung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Umstände überwiegen müssen. Dies erfordert die zusammenfassende verständige Würdigung aller objektiven Umstände unter Einbeziehung des Ranges des gefährdeten Rechtsgutes und der Zumutbarkeit des mit der Rückkehr verbundenen Risikos aus der Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Dritten dahingehend, ob die Umstände die erhebliche Gefahr einer Rechtsgutverletzung alsbald erwarten lassen.
30Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2001 - 1 B 71.01 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 46
31Das Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit der zu erwartenden Gefährdungssituation ist dabei nur dann gegeben, wenn der Eintritt der Gefahr eine bedeutende Rechtsgutbeeinträchtigung nach sich zieht. Ausgehend von einer unzureichenden medizinischen Behandlungsmöglichkeit liegt das für die hieraus resultierende akute Lebensgefahr auf der Hand und heißt für den Fall der befürchteten Verschlimmerung einer bereits vorhandenen Erkrankung, dass sich der Gesundheitszustand nach Ankunft im Zielland der Abschiebung in absehbarer Zeit wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern wird. Der Begriff der wesentlichen Verschlechterung liegt nur dann vor, wenn die befürchtete ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustandes nach Rückkehr derart gravierend sein wird, dass außergewöhnlich schwere körperliche oder psychische Schäden oder existenzbedrohende Zustände zu erwarten sind.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. September 2006- 13 A 1740/05.A -, Urteil vom 27. Januar 2015– 13 A 1201/12.A -, a.a.O.
33Daraus leitet sich zugleich ab, dass eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht schon dann vorliegt, wenn von einer Heilung der Erkrankung im Zielland der Abschiebung wegen der dortigen Verhältnisse nicht auszugehen ist, die Erkrankung sich aber auch nicht gravierend zu verschlimmern droht. Das Abschiebungsverbot dient nämlich nicht dazu, dem ausreisepflichtigen erkrankten Ausländer die Heilung seiner Erkrankung im Rahmen des sozialen Systems der Bundesrepublik Deutschland zu eröffnen; vielmehr stellt es alleine den Schutz vor einer gravierenden Beeinträchtigung von Leib und Leben im Zielland einer Abschiebung oder Rückkehr sicher. Der Ausländer muss sich grundsätzlich auf den Behandlungsstandard, der in seinem Herkunftsland für die von ihm geltend gemachten Erkrankungen allgemein besteht, verweisen lassen, wenn damit keine grundlegende Gefährdung verbunden ist.
34Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. September 2003- 13 A 3253/03.A -.
35Zu berücksichtigen ist dabei ferner, ob der Ausländer voraussichtlich in der Lage sein wird, ohne Schädigung des Existenzminimums im Sinne der Gefahr drohender Verelendung, die erforderliche, eine Verschlimmerung der Erkrankung verhindernde, im Herkunftsland mögliche Behandlung zu finanzieren. Hierzu sind seine genannten voraussichtlichen Lebensumstände im Herkunftsland aber auch eventuelle finanzielle Unterstützungen, z. B. durch Inanspruchnahme von Sozialleistungen oder durch Verwandte im Ausland, in den Blick zu nehmen.
36Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. September 2011- 13 A 1660/11.A -.
37Hiervon ausgehend lässt sich nach Maßgabe der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung für die Kläger zu 2. und 3. ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht herleiten.
38Die Kammer geht in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass diese unter den im Tatbestand benannten bzw. in den ärztlichen Bescheinigungen diagnostizierten Erkrankungen leiden.
39Es ist indessen nicht beachtlich wahrscheinlich, dass sich ihr Gesundheitszustand im Falle ihrer Rückkehr nach Serbien wegen fehlender Behandlungsmöglichkeiten, ihrer ethnischen Herkunft oder aus finanziellen Gründen im aufgezeigten Sinne wesentlich verschlechtern wird.
40Die attestierten Erkrankungen können nach den der Kammer vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen in Serbien behandelt werden, wobei ggfs. notwendige Medikamente ebenfalls zur Verfügung stehen.
41Für die Klägerin zu 2. ist folgendes wesentlich:
42Soweit in ihrer Person psychische Erkrankungen (u.a. ängstlich depressives Syndrom mit Schlafstörungen und Somatisierungsstörung mit Schmerzsymptomatik) diagnostiziert worden sind, ist nach der auf zahlreichen Auskünften beruhenden gesicherten Rechtsprechung der erkennenden Kammer davon auszugehen, dass derartige Erkrankungen (einschließlich einer posttraumatischen Belastungsstörung) in Serbien zureichend behandelbar sind, wobei ggfs. notwendige Medikamente ebenfalls zur Verfügung stehen.
43Vgl. Lageberichte des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Serbien vom 29. Januar 2013, 18. Oktober 2013 und 15. Dezember 2014; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 18. Mai 2012- 17a K 5213/10.A -, 13. März 2013 - 7a K 5298/12.A -,juris, 8. Mai 2014 - 17a K 2848/13.A -, www.nrwe.de und 24. Juli 2014 – 17a K 1801/13.A –-.
44Auch aus der Bescheinigung des Facharztes für Nervenheilkunde Psychotherapie L. vom 30. September 2015 lässt sich nicht ableiten, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin zu 2. bei einer Rückkehr nach Serbien aufgrund einer dortigen unzureichenden medizinischen Versorgung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde und es gerade für die Klägerin zu 2. unzumutbar wäre, sich auf den Behandlungsstandard in Serbien verweisen zu lassen. Das gilt selbst dann, wenn ihr dort keine zeitnahe Behandlung in einer psychiatrisch-psychosomatischen Klinik eröffnet würde. Soweit es demgegenüber in der Bescheinigung ohne nähere Substantiierung heißt, „wegen des komplexen Störungsbildes seien ambulante Therapiemaßnahmen meines Erachtens gegenwärtig nicht ausreichend, so dass aus nervenärztlicher Sicht eine stationäre Behandlung in einer geeigneten psychiatrisch-psychosomatischen Klinik erforderlich“ sei, lässt sich dem nicht entnehmen, dass die Klägerin zu 2. tatsächlich entsprechend dieser Empfehlung therapiert worden ist oder aktuell therapiert wird. Erst recht äußert sich der Facharzt nicht ansatzweise zu den Folgen, wenn die Klägerin zu 2. zukünftig nicht in einer derartigen Klinik behandelt bzw. eine solche unterbrochen bzw. abgebrochen würde.
45Soweit für die Klägerin zu 2. Unterbauchbeschwerden (gesicherte Diagnose: Uterus myomatosus, Blutungsstörungen) bzw. ein vergrößerter Uterus mit vielen intramuskulären Myomen sowie u.a. ein Ovarialtumor diagnostiziert worden sind (vgl. die Bescheinigungen A. -N1. I. sowie Menning vom 8. Oktober bzw. 9. Juli 2015) können auch derartige Erkrankungen zureichend in Serbien behandelt werden. Myome der Gebärmutter sind, wie allgemein, jedenfalls gerichtsbekannt ist, die häufigsten gutartigen Tumore der Frau, die ca. 25 % aller Frauen nach dem 30. Lebensjahr aufweisen und die vielfach beschwerdefrei verlaufen. Zur ggf. erforderlichen Behandlung kommen mehrere Therapien in Betracht.
46Vgl. www.frauenaerzte-im-netz.de (myom-was-ist-ein-myom), http://de.wikipedia-org/wiki/Hypermenorrhoe /Uterusmyom/ .
47Vorstehend ist ausweislich der aktuellen ärztlichen Bescheinigung der Fachärztinnen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe-Psychotherapie- Naturheilverfahren Dr. med. A. -N1. und I. vom 8. Oktober 2015 eine „Hysterektomie absolut indiziert“. Eine solche operative Entfernung der Gebärmutter kann (selbstverständlich) auch in Serbien durchgeführt werden. Grundsätzlich sind alle größeren Städte in Serbien mit allgemeinen Krankenhäusern ausgestattet, teilweise auch mit Spezialkliniken. Medizinische Eingriffe, die in Westeuropa Standard sind, werden trotz der mangelhaften Ausrüstung in fast allen Teilen des Landes durchgeführt. Es gibt nur sehr wenige Erkrankungen, die in Serbien nicht oder nur schlecht behandelt werden können. Allerdings können aufgrund von Engpässen für viele staatlich finanzierte Leistungen oft lange Wartelisten entstehen. Lebensbedrohliche Erkrankungen werden im Regelfall jedoch sofort behandelt. In Serbien können insbesondere auch Tumor- und ein Großteil der Krebserkrankungen behandelt werden, wobei ggfs. notwendige Medikamente ebenfalls zur Verfügung stehen.
48Vgl. Lageberichte des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Serbien vom 29. Januar 2013 und 18. Oktober 2013 und 15. Dezember 2014 ; speziell zur Hysterektomie vgl. die in der mündlichen Verhandlung eingeführte Stellungnahme der IOM (ZC177/04.11.14.) an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; vgl. auch VG Gelsenkirchen, Urteile vom 18. Mai 2012 - 17a K 5213/10.A -, 13. März 2013- 7a K 5298/12.A -, juris, 8. Mai 2014 - 17a K 2848/13.A -, www.nrwe.de und 24. Juli 2014 – 17a K 1801/13.A -, jeweils m.w.N.
49Angesichts dessen ist nicht zu besorgen, dass eine notwendige medizinische Behandlung der besagten Erkrankungen der Klägerin zu 2. in ihrem Heimatland nicht durchgeführt werden könnte.
50Ohne rechtserheblichen Belang ist, ob für die Klägerin zu 2. in Serbien das Medikament Esmya zur Verfügung stünde. Eine derartige Medikation wird in der vorbenannten ärztlichen Bescheinigung vom 8. Oktober 2015 lediglich als „Alternativtherapie“ bzw. als „Therapieversuch“ bezeichnet; als eindeutige Empfehlung hat sich die Gynokologin I. – ebenso wie das Klinikum O. in dessen Bericht vom 29. September 2015 – vielmehr für die besagte Hysterektomie ausgesprochen. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erwüchse nicht allein daraus, dass in Deutschland möglicherweise eine „bessere“ Behandlung eröffnet ist als im Heimatland.
51Im Übrigen ist nichts für die Annahme substantiiert worden oder sonst ersichtlich, dass etwaige von der Klägerin zu 2. benötigte Medikamente oder jedenfalls gleichwertige Präparate in Serbien nicht zur Verfügung stünden.
52Auch die für den Kläger zu 3. diagnostizierte Herzerkrankung vermag auf der Grundlage der bereits benannten Erkenntnislage ein Abschiebungsverbot in seiner Person nicht zu begründen.
53Vgl. die zitierten Lageberichte und ergänzend Auskünfte der deutschen Botschaft Belgrad an das Verwaltungsgericht Bremen vom 10. und 7. Juni 2013; zu kardiochirurgischen Operationsmöglichkeiten selbst für Kinder vgl. den in der mündlichen Verhandlung eingeführten Bericht des Kooperationsarztes der Botschaft Belgrad vom 17. September bzw. 20. August 2015 an das Verwaltungsgericht Gera zum Az. 2 K 29161/15.
54Hiernach ist gesichert, dass jedenfalls in den größeren medizinischen Zentren auch Herzerkrankungen behandelt werden.
55Zu berücksichtigen ist insoweit zudem, dass die im zuletzt vorgelegten Befundbericht der Klinik für Kardiologie und Angiologie im F. – Krankenhaus F1. vom 4. Mai 2015 für den Kläger zu 3. diagnostizierte Kardiomyopathie mit leichtgradig eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion bei am ehesten idiopathischer ventrikulärer Extrasystolie eine benigne, also eine eher „gutartige“ Rhythmusstörung darstellt,
56vgl.: Klinikum Rechts der Isar, Technische Universität München, „Ventrikuläre Tachykardien“, http://www.med1.mri.tum.de/de/node/219,
57und u.a. eine Myokarditis (Herzmuskelentzündung) bei dem Kläger zu 3. nicht nachzuweisen war. Im Übrigen wird der Kläger zu 3., soweit auf der Grundlage der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen ersichtlich, bis auf eine Medikation mit Betablockern (Metoprolol 47,5 mg) auch in Deutschland aktuell nicht in besonderer Weise therapiert.
58Das Gericht ist desweiteren davon überzeugt, dass für die Kläger im Fall ihrer Rückkehr nach Serbien die erforderliche Behandlung ihrer Krankheiten tatsächlich erreichbar ist.
59Dabei ist der Zugang zu medizinischen Behandlungen des öffentlichen Gesundheitssystems für die Bevölkerung in Serbien unabhängig von der ethnischen Herkunft gewährleistet.
60Vgl. die zitierten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18. Oktober 2013, S. 21 und vom 15. Dezember 2014, S. 15 ff sowie Auskünfte der deutschen Botschaft Belgrad an das Verwaltungsgericht Bremen vom 10. und 7. Juni 2013 VG Münster, Urteil vom 11. Mai 2015- 4 K 802/13.A -, juris, RdNr. 152 ff; Urteil der Kammer vom 8. Mai 2014 - 17a K 2848/13.A -, a.a.O.
61Unabhängig davon müsste sich die Kläger, sollten Kosten der notwendigen medizinischen Behandlung von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in voller Höhe übernommen werden (vgl. dazu den zitierten Lagebericht Serbien 2013, S. 21 f. und Lagebericht 2014, S. 16 f.) und durch Sozialhilfeleistungen nicht oder nicht vollständig gedeckt werden können, auch hinsichtlich des im Übrigen notwendigen Lebensunterhalts nicht zuletzt mit Blick auf den bei Roma-Familien besonders ausgeprägten familiären Zusammenhalt auf die Unterstützung durch die (Groß-) Familie verweisen lassen, die ihr ggf. benötigte Medikamente besorgen und zusenden kann. Dass eine solche Möglichkeit zur - wenn auch im Einzelfall nur geringen - ergänzenden finanziellen Unterstützung der Kläger auch durch nahe Verwandte ausgeschlossen ist, etwa wegen eigener unzureichender Geldmittel, ist vorstehend nicht substantiiert worden.
62Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 83b AsylG.
63Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 30. Okt. 2015 - 17a K 1743/15.A
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 30. Okt. 2015 - 17a K 1743/15.A zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn
- 1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat; - 2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden; - 3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.
(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.
(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.
(1) Eine Behörde kann um Amtshilfe insbesondere dann ersuchen, wenn sie
- 1.
aus rechtlichen Gründen die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann; - 2.
aus tatsächlichen Gründen, besonders weil die zur Vornahme der Amtshandlung erforderlichen Dienstkräfte oder Einrichtungen fehlen, die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann; - 3.
zur Durchführung ihrer Aufgaben auf die Kenntnis von Tatsachen angewiesen ist, die ihr unbekannt sind und die sie selbst nicht ermitteln kann; - 4.
zur Durchführung ihrer Aufgaben Urkunden oder sonstige Beweismittel benötigt, die sich im Besitz der ersuchten Behörde befinden; - 5.
die Amtshandlung nur mit wesentlich größerem Aufwand vornehmen könnte als die ersuchte Behörde.
(2) Die ersuchte Behörde darf Hilfe nicht leisten, wenn
- 1.
sie hierzu aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist; - 2.
durch die Hilfeleistung dem Wohl des Bundes oder eines Landes erhebliche Nachteile bereitet würden.
(3) Die ersuchte Behörde braucht Hilfe nicht zu leisten, wenn
- 1.
eine andere Behörde die Hilfe wesentlich einfacher oder mit wesentlich geringerem Aufwand leisten kann; - 2.
sie die Hilfe nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand leisten könnte; - 3.
sie unter Berücksichtigung der Aufgaben der ersuchenden Behörde durch die Hilfeleistung die Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben ernstlich gefährden würde.
(4) Die ersuchte Behörde darf die Hilfe nicht deshalb verweigern, weil sie das Ersuchen aus anderen als den in Absatz 3 genannten Gründen oder weil sie die mit der Amtshilfe zu verwirklichende Maßnahme für unzweckmäßig hält.
(5) Hält die ersuchte Behörde sich zur Hilfe nicht für verpflichtet, so teilt sie der ersuchenden Behörde ihre Auffassung mit. Besteht diese auf der Amtshilfe, so entscheidet über die Verpflichtung zur Amtshilfe die gemeinsame fachlich zuständige Aufsichtsbehörde oder, sofern eine solche nicht besteht, die für die ersuchte Behörde fachlich zuständige Aufsichtsbehörde.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.
(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,
- 1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist; - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat; - 3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde; - 4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde; - 5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,
- 1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird; - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.
(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet
1
Tatbestand:
2Die im Jahre 1957 geborene Klägerin ist serbische Staatsangehörige und gehört dem Volk der Roma an.
3Seit mindestens dem Jahr 1995 betrieb sie zusammen mit ihrem Ehemann in der Bundesrepublik Deutschland mehrfach Asylverfahren, die sämtlich, zumeist nach Durchführung gerichtlicher Verfahren vor dem erkennenden Gericht, erfolglos blieben. Auf ihren 3. Asylfolgeantrag wurden mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 7. Januar 2011 die Anträge auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und die Anträge auf Abänderung des nach altem Recht ergangenen Bescheides vom 11. September 1998 (Az.: °°°°°°°) bezüglich der Feststellung zu § 51 Abs. 1 bis 6 des Ausländergesetzes (gemeint: § 53 AuslG) abgelehnt; die Voraussetzungen subsidiären Schutzes gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG – lägen nicht vor. Die dagegen erhobene Klage wurde nach Rücknahme mit Beschluss vom 4. April 2011 eingestellt (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 4. April 2011 – 7a K 443/11.A -).
4Wegen der Einzelheiten der in den Verfahren ergangenen Bescheide des Bundesamtes (vormals Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) wird auf die einschlägigen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen (BA Hefte 1, 3, 4 und 5).
5Am 12. Oktober 2012 stellte die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann einen Asylfolgeantrag, nachdem diese auf dem Landweg erneut in das Bundesgebiet eingereist waren. Zur Begründung ihres Folgeantrages gaben sie im Wesentlichen an: Bis zum Jahr 2005 hätten sie 15 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland gelebt, wo auch noch ein Sohn lebe. Sie seien dann einmal nach T. abgeschoben worden und einmal freiwillig zurückgekehrt. Zuletzt hätten sie sich von April 2011 bis Oktober 2012 in T. , wie zuvor in C. , aufgehalten. Dort habe der Ehemann der Klägerin trotz seines Diploms nur Gelegenheitsarbeiten verrichten können. Sie seien mit eigenen Pässen ausgereist, hätten diese aber beim Fahrer als „Garantie“ abgegeben. Hauptgrund für die erneute Wiedereinreise sei der schlechte Gesundheitszustand der Klägerin. Sie leide schon seit langer Zeit an Depressionen, zudem unter Schlaflosigkeit, Angststörungen, Panikattacken, an Herzschmerzen, Herzrasen mit hohem Blutdruck und einer Erkrankung der Schilddrüse. Sie sei in T. regelmäßig in ärztlicher Behandlung gewesen und u.a. einen Monat stationär behandelt worden. Ihre bis zu fünf Medikamente pro Tag hätten sie selbst bezahlen müssen; das sei schon eine große Summe gewesen. In den staatlichen Apotheken habe es die wenigsten Medikamente gegeben, dort zahle man weniger. Die Arztbesuche seien für Arbeitslose kostenfrei. Sie seien in der Krankenversicherung für Arbeitslose gewesen.
6Die Klägerin hat eine Bescheinigung des Dr. Med., Dipl.-Psych. X. X1. vom 25. Februar 2013 über ihre seit November 2012 andauernde ambulante nervenärztliche Behandlung in Deutschland sowie mehrere Belege über ihre Behandlung in T. vorgelegt, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.
7Mit Bescheid vom 5. Juni 2013 lehnte das Bundesamt die Anträge der Klägerin und ihres Ehemannes auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie auf Abänderung des Bescheides vom 7. Januar 2011 bezüglich der darin getroffenen Feststellungen zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG ab. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen.
8Die Klägerin hat am 14. Juni 2013 Klage erhoben, mit der sie zunächst ausschließlich das Bestehen zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse geltend gemacht hat.
9Zur Begründung vertieft sie im Wesentlichen ihre Lebenssituation als Zugehörige zur Volksgruppe der Roma im Anschluss an ihre Abschiebung aus Deutschland im Jahr 2005, deren Umstände für sie sehr belastend gewesen seien. Hauptgrund für ihre erste Rückkehr nach Deutschland im Dezember 2010 sei der Umstand, dass sie die Trennung von ihren Kindern nicht habe ertragen können und einen Suizidversuch unternommen gehabt habe. Nach ihrer Rückkehr nach T. hätten sie sich in C. eine Wohnung angemietet und ihr Ehemann habe nur unter großen Schwierigkeiten als Schwarzhändler etwas Geld verdienen können; dabei sei er von der Polizei erwischt und mehrere Tage inhaftiert worden. Ihre Lebenssituation habe sich weiter verschlechtert. Sie habe gelegentlich Tabletten genommen, je nachdem wie sie diese habe bezahlen können. Ihre Suizidgedanken seien immer schlimmer geworden.
10Die Klägerin hat eine weitere ärztliche Bescheinigung des Dr. X1. vom 30. Juli 2013 vorgelegt, in der eine gegenwärtig mittelgradig bis schwer ausgeprägte rezidivierende depressive Störung sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert werden. Weiter wird ausgeführt, dass selbst bei einer psychiatrischen – psychotherapeutischen Behandlung im Herkunftsland es zu einer gesundheitlichen Verschlechterung kommen werde, „da die Ursachen aus dem Herkunftsland stammen“; es bestehe voraussichtlich mehrere Monate psychiatrischer Behandlungsbedarf, um eine tragfähige Stabilisierung zu gewährleisten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Bescheinigung Bezug genommen.
11Mit Schriftsatz vom 17. April 2014 wird bezugnehmend auf das neue serbische Strafrecht, aktuelle Erkenntnisse und eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. März 2014 geltend gemacht, dass Roma bei Inanspruchnahme ihres Menschenrechts auf Ausreisefreiheit und in Fällen der Asylantragstellung im Ausland im Rückkehrfall flüchtlingsschutzrelevante Bestrafung i.S.d. § 3a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG drohe. Sie selbst sei im Jahr 2012 unter Nutzung der Visa-Freiheit in das Bundesgebiet eingereist und daher von derartiger Verfolgung bedroht.
12Die Klägerin hat zunächst angekündigt zu beantragen,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Juni 2013 zu verpflichten festzustellen, dass in der Person der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
14Die Klägerin beantragt in letzter Fassung,
15die Beklagte unter Änderung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Juni 2013 zu verpflichten festzustellen,
16dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3, 3a bis 3 e AsylVfG,
17hilfsweise des subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AsylVfG,
18weiter hilfsweise Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in der Person der Klägerin vorliegen.
19Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
20die Klage abzuweisen.
21Sie nimmt Bezug auf den angefochtenen Bescheid.
22Mit Beschluss der Kammer vom 11. April 2014 ist der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes Bezug genommen.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
25Die Klage hat keinen Erfolg.
26Die Klage ist wegen der Versäumung der zweiwöchigen Klagefrist gemäß § 74 Abs.1 AsylVfG bereits unzulässig, soweit mit dem Klageantrag letzten Standes die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG begehrt wird.
27Die Klägerin hat mit ihrem Klageschriftsatz vom 14. Juni 2013 ausdrücklich einen auf die Zuerkennung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG begrenzten Klageantrag formuliert und klagebegründend zudem unter Ankündigung der Übersendung weiterer ärztlicher Belege klargestellt, insoweit (ausschließlich) zunächst zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote geltend zu machen. Mit dieser Beschränkung in Einklang stehend, hat die Klägerin nachfolgend mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2013 lediglich eine weitere ärztliche Bescheinigung übersandt.
28Damit ist davon auszugehen, dass die anwaltlich vertretene Klägerin ihr Klagebegehren bewusst nicht auf die Zuerkennung der Asylberechtigung und auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 AsylVfG erstrecken wollte und auch nicht erstreckt hat. Auch wenn die Ansprüche auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a GG und auf Feststellung der Voraussetzungen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG (vormals § 60 Abs.1 AufenthG bzw. § 51 Abs. 1 AuslG) sowie die Ansprüche auf Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG (vormals § 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2 AufenthG, bzw. § 53 Abs. 1, 2 AuslG) und die Zuerkennung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (vormals § 53 Abs. 4, Abs. 6 Satz 1 AuslG) regelmäßig in einem Asylprozess und im Verhältnis von Haupt- und Hilfsbegehren geltend gemacht werden, steht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts außer Frage, dass diese jedenfalls rechtlich abtrennbare Streitgegenstandsteile sind, die ausnahmsweise verfahrensrechtlich gesondert geltend gemacht werden können.
29Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 – 1 B 68/04 -, Urteil vom 24. Juni 2008 – 10 C 43.07 – und Beschluss vom 10. November 2011 – 10 B 24.11 -, jeweils juris.
30Letzteres ist hier der Fall. Eine solche bewusste Begrenzung des Klagegenstandes war vor dem Hintergrund der ursprünglichen Klagebegründung auch durchaus folgerichtig, weil insoweit allein Umstände in Gestalt gesundheitlicher Gründe vorgetragen worden waren, die ausschließlich im Rahmen der Gewährung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz1 AufenthG von Bedeutung sein können.
31Die Begrenzung des Klagebegehrens hat zur Folge, dass der bundesamtliche Bescheid vom 5. Juni 2013 in Bestandskraft erwachsen und folglich einer rechtlichen Überprüfung durch das Gericht entzogen ist, soweit darin (auch) die Wiederaufnahme des Verfahrens bzgl. der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt worden ist.
32Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nach Bekanntwerden des Urteils des VG T1. vom 25. März 2014 – A 11 K 5036/13 - erstmals auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für die Klägerin reklamiert hat, ist dieses Begehren folglich nicht mehr zulässiger Gegenstand des vorstehenden Klageverfahrens. Eine Wiedereinsetzung in die insoweit versäumte Klagefrist gemäß § 60 VwGO ist weder beantragt worden, noch mangels ersichtlicher Wiedereinsetzungsgründe von Amts wegen zu gewähren.
33Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen ist selbständig tragend festzustellen, dass die Klage insoweit auch unbegründet wäre, weil die Voraussetzungen des § 3 AsylVfG in der Person der Klägerin nicht erfüllt sind.
34Der Bescheid des Bundesamtes vom 5. Juni 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche im gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung unabhängig davon nicht zu, ob die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen nach §§ 51 Abs. 1 bis 3 und 5, 48, 49 VwVfG vorliegen. Das gilt auch unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich in Kraft getretenen Asylverfahrensgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) geändert worden ist.
35Danach ist einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Gemäß § 3c Nr. 1. bis 3. AsylVfG kann eine Verfolgung im vorstehenden Sinne ausgehen von dem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 3e AsylVfG). Die relevanten Verfolgungshandlungen und Verfolgungsgründe ergeben sich aus § 3a und § 3b AsylVfG.
36Die Klägerin hat in T. eine Verfolgung als Roma in Gestalt schwerwiegender Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte (§ 3a Abs. 1 AsylVfG) weder durch den Staat oder durch Parteien und Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, noch eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu befürchten. Im Hinblick auf die allgemeine Lage der Roma ist weder auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnislage noch der ständigen Rechtsprechung der Kammer und anderer Gerichte von einer drohenden schwerwiegenden Verletzung der Menschenrechte auszugehen.
37Vgl. Lagebericht T. des Auswärtigen Amtes vom 18. Oktober 2013; OVG NRW, Beschlüsse vom 04. April 2011 - 5 A 427/11.A - und vom 15. Dezember 2011- 5 A 1295/11.A -; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 17. April 2014 – 17a K 4588/13.A -, 18. Mai 2012 - 1a K 261/11.A - und 18. August 2010 - 7a K 2060/10.A -; Sächsisches OVG, Urteil vom 21. Juli 2009 - 4 B 554/07 -.
38Soweit das Verwaltungsgericht T1. in dem Urteil vom 25. März 2014 – A 11 K 5036/13 – demgegenüber nach Einvernahme der sachverständigen Zeugin Dr. X2. für aus T. stammende Roma im Wesentlichen wegen vermeintlich erheblicher Beschränkungen und Diskriminierungen von Angehörigen dieser Volksgruppe bei der Wahrnehmung deren elementaren Rechts auf Freizügigkeit/Ausreisefreiheit die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG bejaht, vermag dem die Kammer aus folgenden Gründen nicht zu folgen:
39Das Verwaltungsgericht T1. stellt entscheidungstragend darauf ab, dass Angehörigen der Roma die Ausreise aus T. erschwert oder unmöglich gemacht werden soll sowie Bestrafungen nach dem neuen serbischen Meldegesetz selektiv gegen diese Volksgruppe erfolgen (S. 9 f des amtlichen Abdrucks) und verweist in diesem Zusammenhang „entscheidend“ auf den neu eingeführten § 350a des serbischen StGB (S. 11 des amtlichen Abdrucks). Die insoweit in Bezug genommene „aktuelle Auskunftslage“ sowie „Informationen des Regional Center for Minorities“ werden indessen weder inhaltlich wiedergegeben noch sonst konkretisiert.
40Auch die zudem in Bezug genommenen „Erklärungen der Zeugin Dr. X2. in der mündlichen Verhandlung“ belegen eine solch weitgehende Schlussfolgerung nicht. Soweit deren Aussage im Tatbestand des Urteils mit den Worten wiedergegeben wird, dass „die Stellung eines Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland …nach serbischem Recht strafbar (sei)“ (S. 4 des amtlichen Abdrucks), lässt sich eine solche einschränkungslose Aussage der Zeugenaussage gerade nicht entnehmen. Ausweislich des dem Einzelrichter vorliegenden Sitzungsprotokolls hat Dr. X2. auf die gerichtliche Frage, ob die Stellung eines Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland nach serbischem Recht strafbar sei, vielmehr geantwortet: „Ende 2012 wurde das serbische Strafgesetzbuch reformiert. Nach den nun geltenden §§ 350 und 350a ist der unerlaubte Grenzübertritt und Menschenschmuggel sowie die Ermöglichung des Asylmissbrauchs im Ausland strafbar.“
41Auf der Grundlage des Wortlauts der deutschen Übersetzung der §§ 350, 350 a serbisches StGB, wie sie ausweislich des Sitzungsprotokoll von Dr. X2. wiedergegeben worden ist, ist die rechtliche Bewertung im Urteil des VG T1. , wonach Asylbewerber gemäß § 350 a Abs. 1 StGB „allein wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland mit strafrechtlicher Verfolgung und Verurteilung zu rechnen (haben)“ (S. 11 des amtlichen Abdrucks), schwerlich tragfähig.
42§ 350 a serbisches StGB lautet hiernach wie folgt:
43(1) Wer versucht, in der Absicht, sich selbst oder jemand anderem einen Vorteil zu verschaffen, einen Transport, eine Verlegung, eine Aufnahme, eine Unterkunft, ein Versteck organisiert oder auf eine andere Weise ermöglicht, dass ein(e) Staatsbürger(in) Serbiens mittels einer falschen Darstellung der Gefährdung seiner/ihrer Menschenrechte und Grundfreiheiten im Ausland Asyl beantragt, erhält eine Haftstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren.
44Dem Wortlaut nach ist die bloße Stellung eines Asylantrages durch einen Asylbewerber für diesen nicht unter Strafe gestellt. Vielmehr ist nach näherer Maßgabe (schon) der Versuch strafbar, durch Unterstützungsleistungen (wie Transport, Schleusung etc.) einem serbischen Staatsbürger zu ermöglichen, einen missbräuchlichen Asylantrag im Ausland zu stellen. Die Regelung zielt damit ersichtlich auf Schleuser bzw. Schlepper oder sonstige Dritte ab, die einem Asylbewerber die Stellung eines Asylantrages bspw. in der Bundesrepublik Deutschland ermöglichen wollen; dieser Asylantrag muss zudem durch eine „falsche Darstellung der Gefährdung…“ gekennzeichnet sein.
45In diesem Sinne wird die Bestimmung, die nach den vorliegenden Erkenntnissen vor dem Hintergrund der Sorge Serbiens, dass die Ende Dezember 2009 eingeführte Visumfreiheit im Schengen-Raum „wegen des Fehlverhaltens einer Minorität („Wirtschaftsflüchtlinge“, über 90 % Roma)“ für alle serbischen Staatsangehörigen wieder suspendiert werden könnte, am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist, auch durch das Auswärtige Amt bewertet.
46Vgl. Lagebericht T. vom 18. Oktober 2013, S. 23, 24, wonach es strafbar sei, durch Unterstützungsleistungen einem serbischen Staatsangehörigen zu ermöglichen, einen missbräuchlichen Asylantrag im Ausland zu stellen.
47Ein anderes, weitergehendes Verständnis des § 350a Abs. 1 serbisches StGB ist auch nicht aufgrund der Strafschärfungsregelungen in Absätzen 2 und 3 gerechtfertigt.
48Darüber, dass § 350 a Abs. 1 serbisches StGB entgegen seines Wortlauts in der Praxis auf Asylbewerber allein wegen der bloßen Stellung eines Asylantrages tatsächlich Anwendung findet, liegen keine verifizierbaren Erkenntnisse vor. Das Auswärtige Amt hebt im vorzitierten Lagebericht im Gegenteil hervor, dass es Sanktionen wegen der Stellung eines Asylantrages im Ausland bisher „weder de jure noch de facto“ gebe. Angesichts dessen, dass seit 2013 zahlreiche serbische Staatsangehörige und darunter vornehmlich Roma nach erfolgloser Stellung eines Asylantrages im Ausland nach T. zurückgekehrt sind, wie gerichtsbekannt ist, wäre zu erwarten, dass eine solche etwaige Praxis zwischenzeitlich bekannt geworden wäre.
49Gegenteilige Erkenntnisse werden auch in dem Urteil des Verwaltungsgerichts T1. vom 25. März 2014 nicht benannt. Soweit in dem Tatbestand Frau Dr. X2. mit der Erklärung zitiert wird, dass nach dem Fortschrittsbericht der EU 2013 aufgrund der Vorschrift des § 350a sieben Strafverfahren gegen acht Personen betrieben worden seien (S. 4 des amtlichen Abdrucks), findet die unmittelbar anschließende, im Sitzungsprotokoll festgehaltene weitere Aussage der Zeugin, wonach nach ihrer Kenntnis „noch kein Urteil“ vorliege, keine Erwähnung. Gerade diese Aussage stützt indessen nachdrücklich die vom Auswärtigen Amt benannte Erkenntnislage.
50Die bereits zitierte weitere Erklärung bzw. Bewertung der Frau Dr. X2. , wonach (auch) der unerlaubte Grenzübertritt strafbar sei, trifft nach Maßgabe des Wortlauts des § 350 serbisches StGB in dieser Allgemeinheit ebenfalls nicht zu.
51§ 350 serbisches StGB lautet nach der im Sitzungsprotokoll zitierten Übersetzung:
52(1) Wer ohne vorschriftsmäßige Erlaubnis die Grenze Serbiens überquert oder versucht, diese zu überqueren, bewaffnet oder unter Anwendung von Gewalt, erhält eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr.
53Es spricht alles dafür, dass hiernach nur der bewaffnete oder unter Anwendung von Gewalt erfolgte unerlaubte Grenzübertritt unter Strafe gestellt wird. Unabhängig davon ist nicht ohne weiteres ersichtlich, inwieweit eine Norm, die die unerlaubte Grenzüberquerung als solche unter Strafe stellt, erst Recht wenn dies bewaffnet oder unter Anwendung von Gewalt erfolgt, eine im Rahmen des § 3 AsylVfG (oder des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG bzw. von § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) relevante Maßnahme beinhalten sollte.
54Nach allem steht für die Klägerin eine Bestrafung nach § 350a (und/oder nach § 350) serbisches StGB oder eine sonstige, nach Maßgabe von §§ 3 bis 3 c AsylVfG flüchtlingsschutzerhebliche Behandlung im Rückkehrfall prognostisch keinesfalls mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu befürchten. Neben den vorstehenden generellen Erwägungen folgt dies auch daraus, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben unter Verwendung ihres gültigen serbischen Reisepasses, demnach also nicht „illegal“, ausgereist ist.
55Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Gewährung von subsidiärem Schutz gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AsylVfG (entsprechend § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG). Nach diesen Vorschriften ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn ihm in seinem Herkunftsland die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder ihm als Zivilperson eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3) droht. Derartige Gefahren drohen der Klägerin bei einer Rückkehr nach T. nicht.
56Auch ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG ist für die Klägerin nicht zu bestätigen. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Es entspricht gesicherter (Kammer-)Rechtsprechung, dass ein Abschiebungsverbot nach diesen Normen zu Gunsten von Angehörigen der Volksgruppe der Roma aus T. regelmäßig nicht besteht.
57Vgl. die obigen Rechtsprechungszitate; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2014 – 5 A 195/14.A -.
58Aus den Erwägungen des Verwaltungsgerichts T1. in der mehrfach zitierten Entscheidung vom 25. März 2014 folgt insoweit wiederum nichts anderes. Dies deshalb, weil den entscheidungstragenden Darlegungen, die u.a. einen angenommenen Verstoß gegen das Recht auf freie Ausreise und damit gegen ein grundlegendes Menschenrecht begründen sollen – auch wenn es nicht ausdrücklich in Art. 15 Abs. 2 der Konvention genannt ist (vgl. S. 8, 9 des amtlichen Abdrucks) –, zur Überzeugung des Einzelrichters weder vom Rechtlichen (Anwendungsbereich der §§ 350, 350a serbisches StGB), noch vom Tatsächlichen (selektive Anwendung/Diskriminierung/Bestrafung gegenüber den Angehörigen der Roma in der Praxis) zu folgen ist. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen in Zusammenhang mit der Zuerkennung von Flüchtlingsschutz verwiesen.
59Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die von etwaigen Verstößen gegen die Reisefreiheit Betroffenen, die von ihrem Grundrecht auf Asyl bzw. auf Zuerkennung von Flüchtlingsschutz Gebrauch machen wollen bzw. gemacht haben, zumutbar auf die Inanspruchnahme von Rechtsschutz im Abschiebezielstaat bzw. durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu verweisen sind.
60Vgl. zu behaupteten staatlichen Maßnahmen zu Lasten ausreisewilliger bzw. zurückkehrender Asylbewerber (Roma) aus Mazedonien: OVG NRW, Beschluss vom 30. Oktober 2013 – 5 A 2439/12. A – unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 – 10 C 5.09 - und 7. Dezember 2004 – 1 C 14.04 -, juris.
61Insoweit ist lediglich anzumerken, dass (auch) T. Signaturstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention ist.
62Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18. Oktober 2013, S. 17.
63Schließlich liegen in der Person der Klägerin auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vor.
64Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Entscheidend ist allein, ob für den Ausländer eine konkrete individuelle Gefahr für die in der Vorschrift genannten Rechtsgüter besteht und die Gefahr dem Einzelnen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit droht.
65Vgl. BVerwG, Urteile vom 17.Oktober 1995 - 9 C 9.95 – und 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 -, jeweils juris.
66Ein Abschiebungsverbot nach dieser Vorschrift kann auch darin begründet sein, dass sich die individuelle Erkrankung eines ausreisepflichtigen Ausländers alsbald nach der Rückkehr in seinen Heimatstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlimmern würde, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind und er auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte.
67Vgl. dazu z. B. BVerwG, Urteil vom 29. Juli 1999- 9 C 2.99 - sowie Urteil vom 25.November 1997- 9 C 58.96 -, Beschluss vom 17. August 2011 – 10 B 13/11 -, jeweils zitiert nach juris.
68Hiernach sind indes regelmäßig nur solche Umstände relevant, die für den betreffenden Ausländer den Aufenthalt im Zielland der angedrohten Abschiebung unzumutbar machen und damit in Gefahren begründet liegen, welche diesem im Zielstaat drohen (zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote). Treten die befürchteten negativen Auswirkungen jedoch allein durch die Abschiebung als solche und nicht wegen der spezifischen Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung ein, so handelt es sich um ein sogenanntes inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis. Ein solches ist nicht durch das zuständige Bundesamt der Beklagten bei der Entscheidung über Abschiebungsverbote, sondern durch die zuständige Ausländerbehörde zu berücksichtigen.
69Vgl. BVerwG, Urteile vom 21.September 1999 - 9 C 8.99 - und vom 15.Oktober 1999 - 9 C 7.99 -, jeweils zitiert nach juris.
70Für die Prognose einer Gefährdung nach Rückkehr in das Herkunftsland im dargestellten Sinn ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit der so umschriebenen Gefahr erforderlich. Daraus folgt, dass die im konkreten Einzelfall für eine zu erwartende Rechtsgutverletzung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Umstände überwiegen müssen. Dies erfordert die zusammenfassende verständige Würdigung aller objektiven Umstände unter Einbeziehung des Ranges des gefährdeten Rechtsgutes und der Zumutbarkeit des mit der Rückkehr verbundenen Risikos aus der Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Dritten dahingehend, ob die Umstände die erhebliche Gefahr einer Rechtsgutverletzung alsbald erwarten lassen.
71Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2001 - 1 B 71.01 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 46
72Das Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit der zu erwartenden Gefährdungssituation ist dabei nur dann gegeben, wenn der Eintritt der Gefahr eine bedeutende Rechtsgutbeeinträchtigung nach sich zieht. Ausgehend von einer unzureichenden medizinischen Behandlungsmöglichkeit liegt das für die hieraus resultierende akute Lebensgefahr auf der Hand und heißt für den Fall der befürchteten Verschlimmerung einer bereits vorhandenen Erkrankung, dass sich der Gesundheitszustand nach Ankunft im Zielland der Abschiebung in absehbarer Zeit wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern wird. Der Begriff der wesentlichen Verschlechterung liegt nur dann vor, wenn die befürchtete ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustandes nach Rückkehr derart gravierend sein wird, dass außergewöhnlich schwere körperliche oder psychische Schäden oder existenzbedrohende Zustände zu erwarten sind.
73Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. September 2006- 13 A 1740/05.A -.
74Daraus leitet sich zugleich ab, dass eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht schon dann vorliegt, wenn von einer Heilung der Erkrankung im Zielland der Abschiebung wegen der dortigen Verhältnisse nicht auszugehen ist, die Erkrankung sich aber auch nicht gravierend zu verschlimmern droht. Das Abschiebungsverbot dient nämlich nicht dazu, dem ausreisepflichtigen erkrankten Ausländer die Heilung seiner Erkrankung im Rahmen des sozialen Systems der Bundesrepublik Deutschland zu eröffnen; vielmehr stellt es alleine den Schutz vor einer gravierenden Beeinträchtigung von Leib und Leben im Zielland einer Abschiebung oder Rückkehr sicher. Der Ausländer muss sich grundsätzlich auf den Behandlungsstandard, der in seinem Herkunftsland für die von ihm geltend gemachten Erkrankungen allgemein besteht, verweisen lassen, wenn damit keine grundlegende Gefährdung verbunden ist.
75Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. September 2003- 13 A 3253/03.A -.
76Zu berücksichtigen ist dabei ferner, ob der Ausländer voraussichtlich in der Lage sein wird, ohne Schädigung des Existenzminimums im Sinne der Gefahr drohender Verelendung, die erforderliche, eine Verschlimmerung der Erkrankung verhindernde, im Herkunftsland mögliche Behandlung zu finanzieren. Hierzu sind seine genannten voraussichtlichen Lebensumstände im Herkunftsland aber auch eventuelle finanzielle Unterstützungen, z. B. durch Inanspruchnahme von Sozialleistungen oder durch Verwandte im Ausland, in den Blick zu nehmen.
77Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. September 2011- 13 A 1660/11.A -.
78Hiervon ausgehend lässt sich nach Maßgabe der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer für die Klägerin ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht herleiten.
79In tatsächlicher Hinsicht geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin unter den im Tatbestand benannten Erkrankungen leidet.
80Es ist indessen nicht beachtlich wahrscheinlich, dass sich ihr Gesundheitszustand im Falle ihrer Rückkehr nach T. wegen fehlender Behandlungsmöglichkeiten, ihrer ethnischen Herkunft oder aus finanziellen Gründen wesentlich verschlechtern wird.
81Die attestierten Erkrankungen können nach den der Kammer vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen in T. behandelt werden, wobei ggfs. notwendige Medikamente ebenfalls zur Verfügung stehen.
82Vgl. Lageberichte des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik T. vom 29. Januar 2013 und 18. Oktober 2013, S. 22 f.; Auskünfte der deutschen Botschaft C. an das Verwaltungsgericht Bremen vom 10. und 7. Juni 2013.
83Hiernach können jedenfalls in den größeren medizinischen Zentren, wie bspw. in Nis, C. u.a. nicht nur Herzerkrankungen, sondern insbesondere auch Patienten, die an psychischen Erkrankungen, wie bspw. depressiven Störungen leiden, zureichend behandelt werden.
84Vgl. dazu auch VG Gelsenkirchen, Urteile vom 18. Mai 2012 – 17a K 5213/10.A – und 13. März 2013 – 7a K 5298/12.A -, juris.
85Auch insoweit ist eine hinreichende medikamentöse Versorgung regelmäßig gewährleistet. Es stehen insbesondere zahlreiche Psychopharmaka/Antidepressiva zur Verfügung. Vorliegend ist nichts für die Annahme substantiiert worden oder sonst ersichtlich, dass die von der Klägerin benötigten Medikamente oder jedenfalls gleichwertige Präparate für sie in T. nicht erhältlich sind.
86Mit dieser Erkenntnislage in Einklang stehend, haben die Klägerin und ihr Ehemann anlässlich ihrer informatorischen Befragung am 13. Februar 2013 gegenüber dem Bundesamt ausdrücklich angegeben, dass die Klägerin in C. regelmäßig, teilweise stationär, (auch) wegen ihrer psychischen Erkrankung behandelt und in diesem Zusammenhang auch mit Medikamenten versorgt worden sei - wenn auch möglicherweise auf einem anderen Niveau als in Deutschland.
87Ein Verweis auf eine grundsätzlich mögliche Behandlung in ihrem Heimatland ist für die Klägerin - gemessen an den Anforderungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG -auch nicht aufgrund der Aussagen in der ärztlichen Bescheinigung des Arztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. X1. vom 30. Juli 2013 unzumutbar. Dabei legt die Kammer, wie erwähnt, die darin diagnostizierten Erkrankungen (gegenwärtig mittelgradig bis schwer ausgeprägte rezidivierende depressive Störung, somatoforme Schmerzstörung) der vorstehenden Entscheidung zu Grunde. Diese sind nach Maßgabe der obigen Ausführungen in T. indessen grundsätzlich zureichend behandelbar.
88Soweit darüber hinaus ausgeführt wird, dass es selbst bei einer psychiatrischen-psychotherapeutischen Behandlung im Herkunftsland zu einer gesundheitlichen Verschlechterung kommen werde, „da die Ursachen aus dem Herkunftsland stammen“, folgt auch hieraus nicht, dass in der Person der Klägerin mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot besteht.
89Dr. X1. erachtet einen psychiatrischen Behandlungsbedarf für einen Zeitraum von „voraussichtlich mehreren Monate(n)“ für erforderlich, um eine „tragfähige Stabilisierung“ zu gewährleisten. Ein solcher Zeitraum ist bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits deutlich verstrichen. Es ist weder vorgetragen, noch durch ärztliche Bescheinigungen belegt worden, dass eine derartige Stabilisierung des Gesundheitszustandes der Klägerin nicht eingetreten ist oder sich dieser gar verschlechtert haben könnte.
90Unabhängig davon ist mangels jeglicher weiterer Substantiierung weder aus der ärztlichen Bescheinigung ableitbar, noch sonst ersichtlich, dass die für den Fall einer Behandlung der Klägerin im Herkunftsland vage prognostizierte Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes die Schwelle der Erheblichkeit im oben aufgezeigten Sinne überschreiten würde.
91Schließlich vermag das Gericht nicht der für die prognostizierte Verschlechterung des Gesundheitszustandes angegebenen Begründung zu folgen. Dr. X1. hat insoweit angenommen, die Ursachen (der Erkrankung) stammten aus dem Herkunftsland. Für eine solche Annahme fehlt jegliche ärztliche Erklärung. Eine solche Annahme ist aufgrund des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten, insbesondere der Angaben der Klägerin (und ihres Ehemannes) in dem aktuellen und den früheren Asyl(folge)verfahren, die dem behandelnden Arzt schwerlich bekannt waren, eher fernliegend. Hiernach liegen die wesentlichen Ursachen für die psychische Erkrankung der Klägerin in den Umständen ihrer Abschiebung aus der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2005 begründet, die sie als „traumatisch“ empfunden hat (Anhörung vom 13. Februar 2013: „Wir wollten eigentlich unseren Aufenthalt bei der Ausländerbehörde verlängern. Wir wurden dann festgehalten für eine Nacht und ich musste mich am Flughafen vor einer Frau komplett ausziehen und das kann ich alles einfach nicht vergessen, das ist für mich wie ein Trauma. Seither ist es so schlimm. Das ist eigentlich die Ursache für meine schlechte psychische Situation.“, Bl. 69 BA Heft 2). Entsprechendes wird in der Klagebegründung vertieft, mit dem ergänzenden Bemerken, dass die Klägerin, insbesondere die Trennung von ihren in Deutschland zurückgebliebenen Kindern nicht habe ertragen können und (deshalb) einen Suizidversuch unternommen habe.
92Diese Umstände liegen folglich nicht in den im Heimatland herrschenden Verhältnissen begründet und bilden keine taugliche Grundlage für die Annahme eines im vorliegenden Verfahren allein beachtlichen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Für die Prüfung etwaiger aus der Durchführung der Abschiebung resultierender und sonstiger sog. inlandsbezogener und tatsächlicher Vollstreckungshindernisse ist demgegenüber, wie ausgeführt, allein die Ausländerbehörde zuständig.
93BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 10 B 39.12 -, juris, m.w.Nw.
94Das Gericht ist desweiteren davon überzeugt, dass für die Klägerin im Fall ihrer Rückkehr nach T. die erforderliche Behandlung ihrer Krankheiten tatsächlich erreichbar ist.
95Dabei ist der Zugang zu medizinischen Behandlungen des öffentlichen Gesundheitssystems für die Bevölkerung in T. unabhängig von der ethnischen Herkunft gewährleistet.
96Vgl. den zitierten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18. Oktober 2013, S. 21 sowie Auskünfte der deutschen Botschaft C. an das Verwaltungsgericht Bremen vom 10. und 7. Juni 2013.
97Die Kammer ist weiter davon überzeugt, dass die Klägerin auch nicht aus Mangel an finanziellen Mitteln an einer Inanspruchnahme der notwendigen medizinischen Behandlung gehindert sein wird. Das gilt selbst dann, wenn zugrunde gelegt wird, dass es ihr jedenfalls wegen der herrschenden prekären wirtschaftlichen Lage in T. nicht gelingen wird, ihren Lebensunterhalt selber sicherzustellen.
98Sollten Kosten der notwendigen medizinischen Behandlung der Klägerin von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in voller Höhe übernommen werden (vgl. dazu den zitierten Lagebericht T. , S. 21 f.) und durch Sozialhilfeleistungen nicht oder nicht vollständig gedeckt werden können, muss sich die Klägerin auch hinsichtlich des im Übrigen notwendigen Lebensunterhalts nicht zuletzt mit Blick auf den bei Roma-Familien besonders ausgeprägten familiären Zusammenhalt auf die Unterstützung durch die Familie verweisen lassen. Die Klägerin hat insoweit – in Übereinstimmung mit der Auskunftslage – angegeben, in T. als Arbeitslose Mitglied der Krankenversicherung gewesen zu sein, sie aber diejenigen Medikamente, die nicht in staatlichen Apotheken erhältlich gewesen seien, in den privaten Apotheken habe bezahlen müssen.
99Für eine solche ergänzende Unterstützung kommen neben dem ausreisepflichtigen Ehemann der Klägerin und der nach eigenen Angaben in T. lebenden Großfamilie vor allem der in Deutschland aufhältige Sohn der Klägerin in Betracht, der sie nicht nur finanziell unterstützen, sondern ihr auch ggf. benötigte Medikamente besorgen und zusenden kann. Mit dieser Bewertung in Einklang stehend, hat die Klägerin in einem früheren Folgeverfahren im Januar 2010 gegenüber dem Bundesamt ausdrücklich angegeben, sie sei von ihren zwei seinerzeit in Deutschland lebenden Kindern in T. finanziell unterstützt worden (Bl. 49 BA Heft 3). Dass eine solche Möglichkeit zur - wenn auch im Einzelfall nur geringen - ergänzenden finanziellen Unterstützung der Klägerin auch durch (sonstige) nahe Verwandte nunmehr ausgeschlossen ist, etwa wegen eigener unzureichender Geldmittel, ist aufgrund des Hinweises auf die Arbeitslosigkeit ihres Sohnes nicht hinreichend substantiiert worden oder sonst ersichtlich.
100Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
101Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
102Eine, vom Prozessbevollmächtigen der Klägerin angeregte, Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht ist gemäß § 78 Abs. 2, Abs. 3 AsylVfG nicht eröffnet.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. März 2014 - A 11 K 2917/13 -, soweit es den Kläger betrifft, geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Der Kläger trägt die ihn betreffenden Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 21. März 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der 1992 in der afghanischen Provinz Ghazni geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, tadschikischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit. Bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan im Mai/Juni 2009 lebte er ledig in dem Dorf L. R. im Bezirk R. in der Provinz Ghazni. Dort betätigte er sich eigenen Angaben zufolge - nachdem er die Schule nach der sechsten Klasse verlassen hatte - damit, seinem Vater bei Polsterarbeiten zu helfen.
3Der Kläger ist als damals 16-jähriger am 20. Juni 2009 nach ungefähr einmonatiger Landwegreise über den Iran, die Türkei und Griechenland und von dort kommend auf dem Luftweg nach Deutschland eingereist. Hier beantragte er am 17. August 2009 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
4Am 2. September 2009 und am 30. September 2010 wurde der Kläger vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) angehört, wo er u.a. folgende Angaben machte: Er habe in Afghanistan Bodybuilding betrieben und dabei einen Unfall verursacht. Während er mit einer Langhantel mit aufgesteckten ungesicherten Gewichtscheiben trainiert habe, seien zwei Scheiben mit einem Gewicht von jeweils 15 kg abgerutscht und auf das Gesicht und die Brust eines Mannes gefallen, der auf dem Rücken liegend in seiner Nähe trainiert habe. Als er dessen blutüberströmtes Gesicht gesehen und der Mann keine Reaktion gezeigt habe, sei er aus Angst davon gelaufen. Er habe einer anderen Person - die er bei der zweiten Anhörung als seinen Cousin bezeichnet hat - von dem Vorfall erzählt. Auf den Rat und mit der finanziellen Hilfe dieser Person sei er wenig später nach Kabul gereist. Dort habe er sich einige Zeit bei der ersten Frau seines Onkels aufgehalten. Anlass dafür sei gewesen, dass es sich bei dem Vater des Verletzten um I. A. , der so etwas Ähnliches wie ein einflussreicher Politiker sei, handele. Kurz darauf sei sein eigener Vater auf dessen Anzeige hin inhaftiert und ungefähr eine Woche später auf Initiative des Ältestenrates wieder freigelassen worden. Er gehe davon aus, in Afghanistan von dem Vater des Verletzten, dem I. A. , Tag und Nacht verfolgt zu werden.
5Mit Bescheid vom 6. Dezember 2010 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers mit der Begründung ab, dass dieser nicht geltend gemacht habe, aufgrund asylrelevanter Persönlichkeitsmerkmale verfolgt zu werden. Gleichzeitig stellte es fest, dass angesichts dessen auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorlägen. Ferner enthält der Bescheid die Feststellung, dass Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a. F.) nicht gegeben sind. Ob dem Kläger aufgrund der von ihm geschilderten Ereignisse eine Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 2 AufenthG (a. F.) drohe, könne dahin stehen, da er die Möglichkeit habe, in Afghanistan, namentlich in Herat oder Kabul, internen Schutz zu erlangen. Entsprechendes gelte bezogen auf Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (a. F.). Dass der Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan einer extremen allgemeinen Gefahr ausgesetzt sei, sei nicht feststellbar. Da kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen ihn anhängig sei, müsse er auch nicht die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 60 Abs. 3 AufenthG) befürchten. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, andernfalls er nach Afghanistan oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat abgeschoben werde.
6Der Kläger hat am 28. Dezember 2010 Klage erhoben, zu deren Begründung er sein Vorbringen vor dem Bundesamt wiederholt und vertieft und ergänzend u.a. Folgendes vorgetragen hat: Seine Familie habe vergebens versucht, sich von der zu erwartenden Rache frei zu kaufen. Obwohl der Vater des Verletzten, dessen Machtbasis in der Provinz Nangarhar angesiedelt gewesen sei, im Februar 2010 bei einem Bombenattentat zu Tode gekommen sei, bestehe für ihn weiterhin ein Verfolgungsrisiko. Denn es wäre überraschend, wenn das Verlangen nach Rache nicht auf Seiten der gesamten Familie des Opfers bestünde. Deswegen könne unterstellt werden, dass diese nach wie vor ein Interesse daran habe, ihn zu bestrafen, wobei damit zu rechnen sei, dass dies mit Misshandlungen einhergehe und rechtsstaatliche Prinzipien dabei außer Acht blieben. Für ihn bestehe keine inländische Fluchtalternative. Denn der Zuzug in eine Stadt würde sich in einer auf informellen Strukturen fußenden Gesellschaft wie der afghanischen schnell herumsprechen. Dass vorliegend ein nicht nur lokales Verfolgungsinteresse bestehe, ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass die Familie des Opfers provinzübergreifend tätig geworden sei. Seine eigene Familie hingegen verfüge nicht über ausreichend Macht und Einfluss, um ihm Schutz zu gewähren. Mit Schriftsatz vom 1. März 2012 hat der Kläger ergänzend mitgeteilt, dass das Opfer sich zwar schwere, teilweise wohl bleibende Verletzungen zugezogen, den Unfall aber überlebt habe. Dies ändere aber nichts an der fortbestehenden Verfolgungsgefahr durch dessen Familie und daran, dass er selbst - wie sich aus den dem Schriftsatz beigefügten Attesten ergebe - traumatisiert und im Falle einer erzwungenen Rückkehr nach Afghanistan gefährdet sei, retraumatisiert zu werden.
7Der Kläger hat beantragt,
8die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 6. Dezember 2010‑ zugestellt am 14. Dezember 2010 - Aktenzeichen 5386602 - 423 - zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
9hilfsweise
10die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 S. 2 AufenthG vorliegen,
11weiter hilfsweise
12die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 4, 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. März 2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter oder auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG. Ferner stehe ihm kein Anspruch darauf zu, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2, 3, 4, 5 und 7 Satz 2 AufenthG festgestellt werden. Insoweit werde zur Vermeidung von Wiederholungen auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Seine Schilderung des fluchtauslösenden Vorfalls im Sportstudio, dessentwegen er der Blutrache ausgesetzt sein wolle, sei nicht glaubhaft. Die attestierte posttraumatische Belastungsstörung stelle keine den § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (gemeint gewesen sein dürfte § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) auslösende Anomalie dar. Der Kläger habe trotz gerichtlicher Nachfrage keine Auswirkungen der Traumatisierung auf alltägliche Verrichtungen aufgezeigt. Angstzustände oder Schlafstörungen stellten keine Besonderheiten dar, die eine
16extreme Gefahr begründen könnten. Im Ergebnis könne der Kläger ohne Gefährdung nach Afghanistan zurückkehren.
17Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat mit Beschluss vom 22. März 2013 (nur) hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten nach
18§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (a.F.) zugelassenen Berufung, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem Klageverfahren wiederholt und vertieft. Ergänzend weist er darauf hin, das Verwaltungsgericht habe die Schilderungen zu seinem Verfolgungsschicksal zu Unrecht als unglaubhaft bewertet. Zu folgen sei insoweit der Beurteilung der Beklagten, die die Abläufe nicht in Frage gestellt habe. Wegen der in Afghanistan herrschenden Strukturen sei es ihm auch nicht möglich, dort „unterzutauchen“. Aufgrund drohender Rache bestehe für ihn eine Gefahr, die gleichermaßen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und die des § 60 Abs. 5 AufenthG erfülle. Seine Gefährdung ergebe sich zum einen aus dem Umstand, dass er nach wie vor wegen der von ihm verursachten Körperverletzung Vergeltungsabsichten ausgesetzt sei, und zum anderen daraus, dass er unter einem posttraumatischen Belastungssyndrom leide. Eine Weiterbehandlung dieser Erkrankung sei schon aufgrund der Gefahr der Retraumatisierung in Afghanistan nicht möglich.
19Die Kläger beantragt,
20das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 21. März 2012 zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 6. Dezember 2010 zu verpflichten, das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen.
21Die Beklagte beantragt,
22die Berufung zurückzuweisen.
23Der Senat hat mit Beschluss vom 18. September 2014 Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Facharztes für Psychiatrie Dr. med. K. T. dazu erhoben, ob der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, diese ggf. behandlungsbedürftig ist und ob im Falle einer Abschiebung mit einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung zu rechnen wäre. In der Sitzung am 27. Januar 2014 hat der Sachverständige sein Gutachten mündlich erläutert. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 7. Dezember 2014 und das Sitzungsprotokoll vom 27. Januar 2014 verwiesen.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamts Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe:
26Die nur hinsichtlich der Feststellung des Vorliegens nationaler Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und § 60 Abs. 5 AufenthG eingelegte Berufung hat keinen Erfolg.
27Sie ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage insoweit im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der ablehnende Bescheid des Bundesamts ist in diesem Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er hat keinen Anspruch auf die Feststellung in seiner Person begründeter Abschiebungsverbote gemäß
28§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (1) und § 60 Abs. 5 AufenthG (2).
29Für die Entscheidung über die Berufung ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende Sach- und Rechtslage maßgebend. Das ist hier die seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337/9; im Folgenden: QRL II) vom 28. August 2013 (BGBl. I, S. 3474) am 1. Dezember 2013 geltende Fassung des Aufenthalts- und des Asylverfahrensgesetzes. Eine Änderung des Streitgegenstandes ist durch diese Neufassung nicht eingetreten.
30Vgl. OVG NRW, Urteile vom 22. Januar 2014 - 9 A 2561/10.A - und vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11 -, jeweils juris; Sächsisches OVG, Urteil vom 29. April 2014 A - 4 A 104/14 -, juris.
31(1) Der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht dem Kläger nicht zu. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Umständen sie beruht. Für die Annahme einer „konkreten Gefahr" im Sinne dieser Vorschrift genügt aber nicht die bloße Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die geschützten Rechtsgüter zu werden. Vielmehr ist insoweit wie im Asylrecht der Maßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit" anzuwenden, und zwar unabhängig davon, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Zudem ergibt sich aus dem Element der „Konkretheit" der Gefahr für „diesen" Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer auf den Einzelfall bezogenen, individuell bestimmten und erheblichen, also auch alsbald nach der Rückkehr eintretenden Gefährdungssituation. Schließlich muss es sich um Gefahren handeln, die dem Ausländer landesweit drohen, denen er sich also nicht durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 - sowie Beschlüsse vom 18. Juli 2001 - 1 B 71.01 - und vom 4. Februar 2004 - 1 B 291.03 -, jeweils juris.
33Allerdings erfasst § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen. Gefahren, denen die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppen allgemein ausgesetzt ist bzw. sind, werden bei Entscheidungen über eine vorübergehende Abschiebung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG berücksichtigt. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne unterfallen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG selbst dann nicht, wenn sie den Einzelnen konkret und individuali-sierbar zu treffen drohen. Angesichts der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG kann ein Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur dann beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr in sein Heimatland aufgrund der dortigen Existenzbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.
34Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung damit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden muss, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 ‑ 10 C 24.10 -, juris.
36Bezogen auf krankheitsbedingte Verschlechterungen des Gesundheitszustands eines Ausländers bei Rückkehr in sein Heimatland muss daher ernsthaft zu befürchten stehen, dass sich sein Gesundheitszustand in seinem Heimatland wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, etwa weil er auf die dortigen unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seines Leidens angewiesen wäre und auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte. Erforderlich ist, dass die drohende Gesundheitsgefahr von besonderer Intensität ist und die zu erwartende Gesundheitsverschlechterung alsbald nach Rückkehr in den Zielstaat einzutreten droht.
37Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Oktober 2006 - 1 C 18.05 - und vom 29. Oktober 2002 - 1 C 1.02 -, jeweils juris.
38Dementsprechend kann von einer abschiebungsschutzrelevanten Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht schon dann gesprochen werden, wenn „lediglich" eine Heilung eines Krankheitszustandes des Ausländers im Abschiebungsfall nicht zu erwarten ist. Eine solche Gefahr ist auch nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur, wenn außergewöhnlich schwere körperliche oder psychische Schäden alsbald nach der Einreise des Betroffenen in den Zielstaat drohen.
39Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Oktober 2006 - 13 A 2820/04.A - und vom 30. Dezember 2004 - 13 A 1250/04.A -, jeweils juris.
40Diese Befürchtung kann auch dann begründet sein, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation im Herkunftsland des Ausländers zwar allgemein zur Verfügung steht, sie dem betroffenen Ausländer im Einzelfall jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. Die mögliche Unterstützung durch Angehörige ist dabei in die gerichtliche Prognose, ob eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes droht, einzubeziehen.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2002 - 1 C 1.02 -, juris.
42Ausgehend hiervon ist nicht feststellbar, dass für den Kläger eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG besteht. Eine den Anforderungen dieser Vorschrift genügende individuelle, also gerade in den persönlichen Eigenschaften und Verhältnissen des Klägers angelegte Gefahr ist in Anknüpfung an das von ihm geschilderte Vorfluchtschicksal nicht gegeben (a). Ferner sind keine schwerwiegenden gesundheitlichen Nachteile im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan feststellbar (b). Ebenso wenig besteht eine hohe oder auch nur beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger in diesem Fall mit einer extremen Gefahrenlage, die ihrer Dimension nach geeignet wäre, die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AsylVfG zu durchbrechen, konfrontiert wäre (c).
43(a) Die Schilderungen des Klägers zu seinem Vorfluchtschicksal rechtfertigen die Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht. Das gilt unabhängig davon, ob sie - wenngleich hieran erhebliche Bedenken bestehen - der Wahrheit entsprechen oder nicht. Denn seine Darlegungen erlauben bereits für sich genommen nicht die Prognose einer erheblichen konkreten Gefahr i. S. d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die Einschätzung des Klägers, dass sein Leben in Afghanistan aufgrund des geschilderten Vorfalls im Fitnessstudio in Gefahr sei, ist spekulativ. Sein Vorbringen vor dem Bundesamt und im Klageverfahren beinhaltet keine tragfähigen Anknüpfungstatsachen dafür, sondern erschöpft sich in Vermutungen. Danach haben weder tätliche Übergriffe auf den Kläger stattgefunden noch ist er in irgendeiner Form persönlich bedroht worden. Der Umstand, dass sein eigener Vater auf die Anzeige des Vaters des Verletzten hin eine Woche von der Polizei festgehalten und anschließend nach Aufklärung durch den Ältestenrat wieder freigelassen worden sein soll, begründet kein Indiz dafür, dass der Kläger in Afghanistan von der Familie des Verletzten verfolgt wird. Im Gegenteil wird daran allenfalls deutlich, dass dessen Familie jedenfalls keine Vergeltung außerhalb des staatlichen Strafverfolgungssystems sucht. Hinzu kommt, dass nach dem Vorfall einerseits zwischenzeitlich beinahe sechs Jahre verstrichen sind und andererseits mittlerweile bekannt geworden ist, dass der Trainingskollege des Klägers bei dem Unfall nicht verstorben ist, womit zugleich das vom Kläger angenommene Motiv für etwaige Verfolgungsmaßnahmen entfallen ist. Angesichts dessen, dass überdies diejenige Person, die der Kläger als mutmaßlichen Verfolger benannt und mit deren Einfluss er die vermutete Gefahr begründet hat, zwischenzeitlich verstorben ist, kann nicht von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Gefahr ausgegangen werden. Der pauschale Hinweis des Klägers, die „Familie des Verletzten“ habe gegenüber seinen zwischenzeitlich wieder in Ghazni lebenden Eltern geäußert, sie werde seine Rückkehr abwarten, um Rache zu üben, ist nicht hinreichend substantiiert und führt deswegen zu keiner anderen Bewertung. Mangels feststellbarer Gefahrensituation kann dahinstehen, ob die Familie des Verletzten tatsächlich die vom Kläger ohne nähere Erläuterung behaupteten Einflussmöglichkeiten hat.
44(b) Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats ebenfalls fest, dass dem Kläger keine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen einer zielstaatsbezogenen wesentlichen Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes, namentlich der Verschlechterung einer bestehenden posttraumatischen Belastungsstörung droht. Diese Überzeugung beruht auf dem Gutachten des Sachverständigen Dr. med. K. T. vom 7. Dezember 2014 und seinen ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2015. Hierin ist der Sachverständige in Beantwortung der vom Senat mit Beweisbeschluss vom 18. September 2014 gestellten Fragen zu folgenden Aussagen gelangt: Er habe seiner Begutachtung die Befunde von Frau Dr. med. N. aus Oktober 2010 und Januar 2012 zugrunde gelegt. Es sei davon auszugehen, dass die anfänglich bestehende posttraumatische Belastungsstörung durch die stattgefundene therapeutische Behandlung deutlich rückläufig sei, so dass nunmehr diagnostisch festgestellt werden könne, dass es sich um eine posttraumatische Belastungsstörung in weitgehender Teilremission handele. Dieser Befund sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass eine Vollremission grundsätzlich nicht erreichbar sei, da das Trauma - erkrankungsspezifisch - bestehen bleibe. Die einzig verbliebenen Symptome seien die Alpträume und die Kopfschmerzen. Kognitive Beeinträchtigungen seien während der beiden durchgeführten Untersuchungen nicht feststellbar gewesen. Für die therapeutische Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung seien in der Regel zwischen fünf und fünfzehn Sitzungen ausreichend. Im Anschluss daran komme es maßgebend auf die Vermittlung lebenspraktischer Fertigkeiten und Fähigkeiten an. Der Kläger habe - seiner Einschätzung zufolge - an mehr als fünfzehn therapeutischen Sitzungen teilgenommen. Die bisherige Behandlung sei intensiv, adäquat und vorbildlich gewesen und habe zu einem weitgehenden Rückgang der Symptomatik geführt. Die Symptome seien nur noch in verdünnter Form vorhanden und beeinträchtigten den Kläger nicht mehr so wie früher.
45Erste Maßnahme bei einer posttraumatischen Belastungsstörung sei das Herstellen einer sicheren Umgebung. In der zweiten Phase erfolge dann die Stabilisierung, in der der Proband lerne, im Alltag besser mit den bestehenden Symptomen umzugehen. Beides sei bei dem Kläger intensiv erfolgt und gelungen. In der dritten Phase werde versucht, das Trauma zu überwinden, hierzu müsse aber zunächst eine gewisse emotionale Stabilität vorliegen. Unter der Anleitung von Frau L1. und in dem geschützten Bereich des Internats habe sich der Kläger mit seinen inneren Traumata auseinandergesetzt. Er habe diese analysiert und auch ansatzweise verarbeitet. Eine zwingende Notwendigkeit zur Weiterführung dieser Therapie sei aus psychiatrisch-forensischer Sicht nicht zu erkennen. Eine medikamentöse Behandlung sei zu keiner Zeit durchgeführt worden und sei auch nicht indiziert gewesen. Eine wesentliche Gesundheitsverschlechterung sei mit der Abschiebung nicht zwangsläufig verbunden. Es liege auf der Hand, dass sich die psychopathologischen Symptome Angst, Gereiztheit, Schreckhaftigkeit und auch vegetative Übererregbarkeit nach einer Rückkehr mit unsicherer Perspektive zwangsläufig wieder verstärken würden. Dies seien aber vorübergehende Änderungen, die in einer sicheren Umgebung mit familiärer und sozialer Unterstützung im Zeitverlauf rückläufig seien dürften. Demgegenüber könne es bei einer direkten Konfrontation mit dem traumaauslösenden Ereignis zu einer Retraumatisierung kommen.
46Das schriftliche Gutachten des Sachverständigen enthält abschließend den Hinweis, dass bei einer Abschiebung möglicherweise eine suizidale Krise auftreten könne. Diese Anmerkung geht auf die Äußerung des Klägers zurück, er werde sich, wenn er wieder nach Afghanistan zurück müsse, vorher das Leben nehmen. In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige diesen Aspekt näher erläutert: Suizid sei ein allgemeines Phänomen. Die Äußerung des Klägers sei nicht als traumaspezifische Reaktion zu werten, sondern nicht ungewöhnlich für jemanden, der aus einer sicheren Lebenslage gerissen werde und einer unsicheren Zukunft entgegengehe. Diese Suizidankündigung lasse aber derzeit nur den Rückschluss auf eine gedankliche Befassung mit der Selbsttötung im Sinne einer passiven Suizidalität zu.
47Nach diesen eindeutigen fachlichen Aussagen lässt die maßgebende gegenwärtige Gesundheitssituation des Klägers nicht den Rückschluss auf eine alsbald nach seiner Rückkehr nach Afghanistan drohende Gesundheitsgefahr von besonderer Intensität zu. Die Befunderhebung ist unter umfassender Berücksichtigung des Akteninhalts und nach ausführlicher und differenzierter Anamnese des Klägers erfolgt. Sie ist erkennbar von besonderer Fachkunde getragen und durchgehend nachvollziehbar und plausibel begründet. Das gilt insbesondere mit Bezug auf die beschriebene rückläufige Symptomatik. Diese ist angesichts dessen, dass der Kläger nach Einschätzung des Sachverständigen einerseits ideale Rahmenbedingungen vorgefunden hat, indem er ein gut betreutes Internat besucht hat, schulisch gefördert wurde und andererseits - seit nunmehr fast drei Jahren - sehr gut therapeutisch betreut wurde, nicht nur nachvollziehbar, sondern auch naheliegend, zumal die Therapie mit eben diesem Ziel begonnen wurde. Dabei ist ein weitergehender Therapieerfolg als die festgestellte weitgehende Teilremission nicht zu erwarten, denn eine Vollremission ist bei einer posttraumatischen Belastungsstörung den Erläuterungen des Sachverständigen zufolge nicht erreichbar. Darüber hinaus steht der Befund in Einklang mit den in dem Gutachten beschriebenen schulischen und beruflichen Entwicklungen des Klägers und seiner Freizeitgestaltung, hinsichtlich derer keinerlei Anhalt für krankheitsbedingte Einschränkungen besteht.
48Zudem hat der Sachverständige die Vermutung der - insoweit fachfremden - Pädagogin C. T1. in ihrer Stellungnahme von Februar 2012, der Kläger leide an einer Borderline-Störung, überzeugend widerlegt. Insofern hat er darauf hingewiesen, dass eine solche Erkrankung mit schwerwiegenden Störungen der Affektregulation einhergehe, die bei dem Kläger nicht vorlägen. Die körperliche Überbeanspruchung, der er sich beim Bodybuilding aussetze, finde sich bei sehr vielen Hochleistungssportlern und sei kein spezifisches Symptom einer psychischen Störung.
49Zudem ist keine beachtliche Gefahr für eine Retraumatisierung feststellbar.
50Hierzu hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass diese Gefahr im Fall einer direkten Konfrontation mit dem traumaauslösenden Ereignis bestehe. Es fehlen aber tatsächlichen Anknüpfungspunkte dafür, dass es dazu bei einer Rückkehr des Klägers nach Afghanistan kommen wird, zumal als primär trauma-auslösend der Unfall beim Krafttraining beschrieben wird, so dass eine Retraumatisierung daher in erster Linie durch die Fortführung dieses Sports und nicht durch Rückkehr des Klägers in sein Heimatland in Betracht zu ziehen wäre. Da das Vorbringen des Klägers - wie dargelegt - nichts für eine stattgefundene Verfolgung durch die Familie des Verletzten hergibt und seine Befürchtung einer solchen bei Rückkehr nach Afghanistan ausgesetzt zu sein, angesichts des Tatsachenvorbringens rein spekulativ ist, besteht auch für die Prognose einer Retraumatisierung aus Furcht vor Rache keine tatsächliche Grundlage. Das gilt insbesondere deswegen, weil der Hauptakteur potentieller Vergeltungsmaßnahmen zwischenzeitlich verstorben und das vom Kläger zunächst vermutete Motiv ‑ der Tod des Trainingskollegen - entfallen ist.
51Soweit der Sachverständige auf die Möglichkeit einer suizidalen Krise bei der Abschiebung hingewiesen hat, begründet dies keine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Der Begriff Suizidalität umschreibt einen psychischen Zustand, in dem Gedanken, Phantasien, Impulse und Handlungen anhaltend, wiederholt oder in bestimmten krisenhaften Zuspitzungen darauf ausgerichtet sind, gezielt den eigenen Tod herbeizuführen. Es besteht eine graduelle Differenzierung zwischen Suizidgedanken ohne den Wunsch nach Selbsttötung ‑ die ebenfalls zur Suizidalität zählen - und drängenden Suizidgedanken mit konkreten Absichten, Plänen bis hin zu Vorbereitungen eines Suizids.
52http://de.wikipedia.org/wiki/Suizidalit%C3%A4t
53Daran wird deutlich, dass schon nicht jede Form der Suizidalität geeignet ist, eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen. Jedenfalls die zeitlich begrenzte bloße innere Hinwendung zu Selbsttötungsgedanken rechtfertigt ohne das Hinzutreten äußerer damit im Zusammenhang stehender Anzeichen einer Gesundheitsverschlechterung wie Verletzungshandlungen, körperlichem Verfall oder vegetativen Auffälligkeiten die Annahme einer besonders intensiven Gesundheitsverschlechterung nicht. Der Senat hat auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen schon nicht die Überzeugungsgewissheit gewonnen, dass der Kläger im Falle einer erzwungenen Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine suizidale Krise erleiden wird, die eine abschiebungsschutzrelevante Qualität erreicht. Der Hinweis des Sachverständigen auf eine „möglicherweise“ bei der Abschiebung auftretende suizidale Krise geht auf die Äußerung des Klägers zurück, er werde sich, wenn er wieder nach Afghanistan zurück müsse, vorher das Leben nehmen. Charakteristisch für derartige Ankündigungen ist, dass damit die Möglichkeit ihrer Umsetzung erst ins Blickfeld des Adressaten rückt und dies in der Regel auch bewusst veranlasst wird. Mangels zuverlässiger Überprüfbarkeit der dahinterstehenden Motivation und Ernsthaftigkeit muss schon die Äußerung als solche regelmäßig zu der Bewertung führen, dass suizidale Handlungen nicht ausgeschlossen werden können, was gleichbedeutend damit ist, dass die Möglichkeit einer Selbsttötung besteht. In gleichem Maße besteht diese Möglichkeit aber bei demjenigen, der entsprechende Gedanken hat, diese aber nicht äußert. Die Äußerung hat deswegen isoliert betrachtet wenig Aussagekraft. Die daraus allenfalls ableitbare Möglichkeit suizidaler Handlungen kann sich nur bei Hinzutreten weiterer Indizien zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit verdichten. Wie an der vom Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten gewählten Formulierung deutlich wird, fehlt es daran hier. Der Kläger hat seine Absicht, sich bei einer erzwungenen Rückkehr nach Afghanistan das Leben zu nehmen, im Rahmen der Anamnese eher beiläufig erwähnt. Seine Äußerungen dazu sind nicht hinreichend substantiell, um anhaltende und konkretisierte Selbsttötungsgedanken und -absichten als naheliegend erscheinen zu lassen. Das gilt zumal deswegen, weil in den vorgelegten Berichten seiner behandelnden Ärztin und Psychotherapeutin keine entsprechenden Gedankeninhalte dokumentiert sind. Hinzu kommt, dass das bisherige Leben des Klägers - folgt man seinem Vorbringen - durch eine Reihe krisenhafter Situationen gekennzeichnet war, die jedoch keine suizidalen Krisen bei ihm hervorgerufen haben. Es besteht kein Vortrag und Anhalt für in der Vergangenheit aufgetretene Suizidabsichten geschweige denn für auf eine Selbsttötung gerichtete selbstverletzende Handlungen. Die mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen bestätigen diese Einschätzung. Angesichts dessen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht die im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit für die Gefahr einer Selbsttötung feststellbar.
54Abgesehen davon liegt ein Abschiebungshindernis nach dieser Vorschrift aber auch deswegen nicht vor, weil die Äußerung des Klägers, sich das Leben nehmen zu wollen, im Zusammenhang mit der Abschiebung steht. Hierauf zielt auch der Hinweis des Sachverständigen ab, dass es „bei einer Abschiebung" möglicherweise zu einer suizidalen Krise kommen könne. In diese Richtung geht auch die Äußerung des Klägers, der erklärt hat, dass er sich vor einer Rückführung nach Afghanistan das Leben nehmen werde. Die als möglich erachtete suizidale Krise steht daher in Zusammenhang mit der Abschiebung als solcher, nicht hingegen mit den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat der Abschiebung. Bei dieser Sachlage sind aber nicht die Voraussetzungen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben, sondern allenfalls diejenigen eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG, das allein gegenüber der Ausländerbehörde geltend zu machen ist.
55(c) Eine extreme Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG lässt sich auch nicht mit der Sicherheits- und Versorgungslage begründen, der der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan ausgesetzt ist. Das gilt unabhängig davon, ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift angesichts der derzeitigen Situation in der Herkunftsregion des Klägers, der Provinz Ghazni, erfüllt sind, weil Kabul als inländische Fluchtalternative den Anspruch auf die Feststellungen eines Abschiebungshindernisses ausschließt. In seinem Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2298/11 - hat der Senat die Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul zusammenfassend dargestellt. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen. Dass sich seitdem grundlegende Veränderungen ergeben haben, ist ‑ abgesehen davon, dass der Kläger hierzu nichts vorgetragen hat - auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse nicht anzunehmen.
56Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan 2014 (Stand: November 2014), S. 20; ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Chronologie für Kabul, letzte Aktualisierung 13. Januar 2015
57https://www.ecoi.net/news/188769::afghanistan/101.general-security-situation-in-afghanistan-and-events-in-kabul.htm.
58Angesichts dessen muss sich der Kläger wegen seines sich als günstig erweisenden Risikoprofils auf Kabul als inländische Fluchtalternative verweisen lassen. Zwar ist die humanitäre Lage dort im Allgemeinen weiterhin äußerst schwierig. Das Verelendungsrisiko einzelner Bevölkerungsgruppen weicht indes stark voneinander ab. Jedenfalls für den Kläger als jungen, gesunden, arbeitsfähigen und alleinstehenden Mann besteht es allenfalls in einem geringfügigen Maße, denn es ist davon auszugehen, dass er seinen Lebensunterhalt nach einer Wiedereingliederungsphase zumindest auf einem nach westlichen Maßstäben niedrigen Niveau wird sicherstellen können. Der Kläger trägt keine Unterhaltslasten, muss nur für sich selbst sorgen und ist im Ausgangspunkt schon deswegen einem geringeren Armutsrisiko ausgesetzt. Die Beziehung zwischen Haushaltsgröße und Armutsrisiko ist für Afghanistan statistisch belegt. Danach steigt das Armutsrisiko bei einer Haushaltsgröße von drei Personen (11 %) bis zu einer Haushaltsgröße von neun Personen (über 40 %) kontinuierlich und liegt bei einer Haushaltsgröße von 15 Personen sogar bei über 45 %. Für eine alleinstehende Person bewegt es sich demgegenüber nur im Bereich zwischen 10 und 15 %.
59Vgl. Summary of the national risk and vulnerability assessment, 2007/8, A profile of Afghanistan, Main Report, S. 59.
60Hinzu kommt, dass der Kläger über Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt, die in Afghanistan nicht selbstverständlich sind und es ihm dort erleichtern dürften, eine Erwerbsgrundlage zu finden. Er hat in Afghanistan sechs Schuljahre beendet und kann von daher - anders als 70 % aller Afghanen - lesen und schreiben. Außerdem hat er dort handwerkliche Berufserfahrung gesammelt. Der Kläger spricht persisch, ein wenig paschtu und deutsch. Insbesondere der in Deutschland erfolgte Abschluss seiner Schulausbildung mit dem Fachabitur und die im Bereich des Einzelhandels erworbenen Berufserfahrungen dürften seine Erwerbsperspektiven in Afghanistan erheblich begünstigen. Zudem ist zu erwarten, dass anfängliche Wiedereingliederungsschwierigkeiten darüber abgefedert werden, dass eine Tante des Klägers in Kabul lebt und seine Eltern in der nahegelegenen Provinz Ghazni und er von daher über eine gewisse familiäre Anbindung verfügt.
61Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; das Verfahren ist nach § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.
62Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
63Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in beizutreibender Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d :
2Die 1988 geborene Klägerin stammt aus dem Kosovo und hat dort zuletzt in Ferizaj gelebt. Im März oder im Juni 2010, genau konnte sie das Datum bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 17. Juni 2010 nicht angeben, verließ sie ihr Heimatland und reiste in die Bundesrepublik Deutschland ein.
3Zur Begründung ihres Asylantrags gab sie u. a. an, sie sei Angehörige der Volksgruppe der Roma. Wegen ihrer Volkszugehörigkeit seien sie und ihre Familie malträtiert worden. Ihr Vater sei zusammengeschlagen worden. Sie glaube, dass dies ungefähr 2004 gewesen sei. Konkrete Gründe für ihre jetzige Ausreise gäbe es nicht.
4Durch Bescheid vom 5. Februar 2012 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte als offensichtlich unbegründet ab und stellte zugleich fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorlägen. Ferner wurde die Feststellung getroffen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorlägen. Rechtsmittel gegen den am 20. April 2012 zugestellten Bescheid hat die Klägerin nicht eingelegt.
5Mit Hilfe der gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender beantragte die Klägerin am 18. Juli 2012, den Bescheid vom 5. April 2012 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG abzuändern. Hierzu führte sie u. a. aus, sie sei Angehörige der Minderheit der Ashkali. Sowohl im Kosovo als auch in Serbien, wo sie sich kurzzeitig aufgehalten habe, sei sie vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt gewesen. Ihr Vater sei nicht 2004, vielmehr 1999 misshandelt worden. Sie seien dann nach Mazedonien geflohen und von dort 2002 nach Ferizaj zurückgekehrt. Bei einer Rückkehr in den Kosovo drohe ihr als alleinstehende junge Ashkali, nicht menschenwürdig leben zu können. Dies gelte in gleicher Weise im Falle einer Rückkehr nach Serbien. Dort drohe ihr eine menschenunwürdige Behandlung.
6Durch Bescheid vom 29. Januar 2013 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 5. April 2012 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG u. a. mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG lägen bereits nicht vor. Gründe, die unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gemäß § 49 VwVfG rechtfertigen würden, lägen ebenfalls nicht vor, sie ergäben sich insbesondere nicht aus dem von der Klägerin von der gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e. V. übernommenen Vortrag, nach Serbien erfolglos zurückkehrenden Asylantragstellern würde der Zugang zu Sozialleistungen verwehrt. Hierzu verwies das Bundesamt u. a. auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6. August 2012 an das Bundesamt.
7Die Klägerin hat am 19. Februar 2013 Klage erhoben und zur Begründung vertiefend ausgeführt, dass sie als alleinstehende junge Frau ohne Schul- oder Berufsabschluss, zudem als Angehörige der Minderheit der Ashkali, im Kosovo nicht in der Lage wäre, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Auch die Möglichkeit, der Gefahr der Verelendung durch Leistungen der Sozialhilfe zu entgehen, bestehe nicht, denn diese seien derart gering, dass ein Überleben hiervon nicht gesichert werden könne. Würde sie daher in den Kosovo abgeschoben, bedeutete dies, sie sehenden Auges der Gefahr schwerster gesundheitlicher Schädigungen auszusetzen. Nichts anders gelte für ein Abschiebungsverbot bezüglich Serbien. Hierzu nimmt die Klägerin auf das Urteil des VG Stuttgart vom 25. März 2014 – A 11 K 5036/13 – sowie der in der mündlichen Verhandlung des dortigen Verfahrens von der als sachverständige Zeugin vernommenen Dr. Karin Waringo gemachten Aussagen Bezug.
8Die Klägerin beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29. Januar 2013 zu verpflichten, unter entsprechender Änderung des Bescheides vom 5. April 2012 der Klägerin subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung nimmt sie auf den angefochtenen Bescheid Bezug.
13Das Gericht hat zur aktuellen Situation der Roma und Ashkali in Serbien Beweis erhoben durch Einholung von Auskünften des Auswärtigen Amtes und von Gutachten der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Auf die Beweisbeschlüsse vom 22. Mai 2014 (Blatt 71 bis 73 der Gerichtsakte) und 18. August 2014 (Blatt 87 f. der Gerichtsakte), die Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 1. Juli 2014 (Blatt 76 bis 81 der Gerichtsakte) und vom 3. September 2014 (Blatt 100 f.) sowie die Gutachten der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 15. März 2015 (Blatt 116 bis 131 der Gerichtsakte) und vom 26. März 2015 (Blatt 136 bis 150 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (2 Hefte) Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 5. April 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
17Maßgeblich für die geltend gemachten Ansprüche auf subsidiären Abschiebungsschutz und Feststellung von Abschiebungsverboten ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 11. Mai 2015 geltende Sach- und Rechtslage. Damit findet das Asylverfahrensgesetz in seiner Fassung durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Europäischen Richtlinie 2011/95/EU seit dem 1. Dezember 2013 Anwendung.
18Soweit beantragt wird, subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen und festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Kosovo vorliegt, hat die Beklagte auch unter Beachtung der oben genannten rechtlichen Vorgaben zu Recht die Voraussetzungen für das Wiederaufgreifen des Verfahrens im Rahmen eines Asylfolgeantrages gemäß § 71 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG verneint. Die Klägerin hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder rechtzeitig beachtliche neue Tatsachen zum Beleg der Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Abschiebungsschutzes oder zum Bestehen von rechtlich beachtlichen Abschiebungsverboten glaubhaft gemacht. Insoweit wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf den Bescheid des Bundesamtes vom 29. Januar 2013 Bezug genommen. Unabhängig davon ist nach dem Vorbringen der Klägerin und der heutigen Lage im Kosovo (1.) oder Serbien (2.) keine für sie günstigere Entscheidung zu treffen.
191. Nach § 4 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG). Diese Voraussetzungen liegen hier in Bezug auf den Kosovo nicht vor. Die Klägerin hat keine stichhaltigen Gründe im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG für die Annahme vorgebracht, dass ihr im Kosovo ein ernsthafter Schaden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit,
20vgl. zu diesem Maßstab: VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A -, juris, m. w. N.,
21droht. Für die hier allein in Betracht zu ziehende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG im Falle der Rückkehr der Klägerin in den Kosovo liegen keine beachtlich wahrscheinlichen Anhaltspunkte vor. Dabei kann dahinstehen, ob die von der Klägerin im Kern geltend gemachten schlechten allgemeinen wirtschaftlichen und humanitären Lebensbedingungen im Kosovo überhaupt vom Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG erfasst werden.
22Ablehnend etwa Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Juni 2014, § 4 AsylVfG Rdn. 41; ebenfalls offen gelassen: VG Berlin, Urteil vom 29. Januar 2015 – 7 K 13.15.A -, juris, Rdn.34.
23Schlechte wirtschaftliche und humanitäre Verhältnisse können allenfalls in Ausnahmefällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein.
24Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 ‑ 10 C 15.12 ‑, NVwZ 2013, 1167 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24. Juli 2013 – A 11 S 697/13 ‑ m. w. N. insbesondere zur einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.
25Die Klägerin hat jedenfalls keine stichhaltigen Gründe dafür vorgetragen, dass ihr im Kosovo konkret und individuell,
26vgl. zu diesen Anforderungen: VG Berlin, Urteil vom 29. Januar 2015 – 7 K 13.15.A -, a. a. O.,
27eine Situation, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellt, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Aus den nachfolgenden Ausführungen folgt zugleich, dass die Klägerin auch keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG bezüglich des Kosovo hat.
28Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Kosovo führen nicht zu der Annahme, dass bei der Abschiebung der Klägerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Danach darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Die für das Vorliegen dieser Voraussetzungen geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab sind nicht erfüllt. Eine zu berücksichtigende Gefährdung ergibt sich nicht aus der allgemeinen wirtschaftlichen Situation oder humanitären Lage. Dies hat das Gericht wiederholt unter Bezugnahme auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ausgeführt. Zwar ist die wirtschaftliche Versorgungssituation im Kosovo weiterhin schwierig; Angehörige ethnischer Minderheiten sind noch immer gravierenden Hindernissen beim Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen in den Bereichen des Gesundheitswesens, des Schulwesens, der Justiz und der öffentlichen Verwaltung ausgesetzt. Dies rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass die Klägerin bei ihrer Rückkehr in den Kosovo alsbald in eine lebensbedrohliche und ausweglose Lage geraten wird. Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen,
29vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo vom 25. November 2014; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 20. Februar 2013 – 5 A 2175/12.A -; VG Bayreuth, Urteile vom 15. Dezember 2014 – B 3 K 14.30324 – und ‑ B 3 K 14.30290 – jeweils m. w. N.,
30ist sowohl die Grundversorgung als auch die medizinische Versorgung im Kosovo nach einer Rückkehr grundsätzlich gewährleistet. Sofern die Klägerin nicht von ihren vollziehbar ausreisepflichtigen Eltern bzw. Geschwistern (vgl. VG Münster, Urteil vom 10. Dezember 2012 – 4 K 2708/11.A ‑) unterstützt werden sollte, besteht die Möglichkeit, Sozialleistungen zu beziehen. Auch wenn sich diese auf niedrigem Niveau bewegen, rechtfertigt dies nicht die Annahme, dass das erforderliche Existenzminimum der Klägerin nicht gesichert ist. Dies gilt auch für alleinstehende junge Frauen.
31Vgl. u. a. OVG NRW, Beschluss vom 5. Juli 2007 ‑ 13 A 4569/05.A – und vom 3. Februar 2011 ‑ 13 A 2499/10.A ‑.
32Auch die Beschaffung von Wohnraum ist Angehörigen der Volksgruppe der Roma bzw. Ashkali grundsätzlich möglich. Zudem bestehen Übergangsunterkünfte und bezugsfertige Wohnmöglichkeiten im groß angelegten Aufbauprojekt der Siedlung „Roma Mahallja“ in Süd-Mitrovica zur Verfügung, wo auch ein „Haus der Gesundheit“ eröffnet worden ist, das eine medizinische Grundversorgung der Bewohner unmittelbar vor Ort sicherstellen kann.
33Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. August 2012 ‑ 13 A 1311/12.A ‑ m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 4. Februar 2010 – A 11 S 331/07 ‑.
34Zudem können Rückkehrer die in fast allen Gemeinden eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (MOCR) in Anspruch nehmen. Diese sind zuständig für die Entgegennahme von Anträgen für Leistungen aus dem Reintegrationsprogramm sowie für Beratungsleistungen. Sie sollen innerhalb von maximal sieben Tagen über die Bewilligung von Leistungen entscheiden, die im Rahmen einer Soforthilfe gewährt werden müssen, insbesondere Unterkunft und Verpflegung. Leistungen aus dem Reintegrationsprogramm werden grundsätzlich für bis zu 12 Monate gewährt. Darüber hinaus kann die Klägerin auf die Leistungen aus dem Rückkehrer-Projekt „URA II“ zurückgreifen. URA II bietet in seiner Einrichtung in der Innenstadt von Priština Integrations-, Betreuungs- und Unterstützungsmaßnahmen für Rückkehrer aus Deutschland an. Es hilft u. a. bei der Wohnungssuche, zahlt für einen Übergangszeitraum die Miete, stellt Geld für Lebensmittel zur Verfügung, ist bei der Arbeitsplatz- und Ausbildungssuche behilflich und begleitet Zurückgekehrte bei Behördengängen.
35Vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo vom 25. November 2014.
36Soweit die Klägerin sich mit Schriftsatz vom 23. August 2013 zur Begründung ihrer Behauptung, ein Überleben sei ihr im Falle einer Rückkehr in den Kosovo dort nicht möglich, auf den Bescheid des Bundesamtes vom 8. Juli 2013 ‑ 5641444‑150 – berufen hat, kann sie aus den Feststellungen dieses Bescheides zu ihren Gunsten nichts herleiten, weil dort ausdrücklich ausgeführt wird, dass es sich aufgrund der bei der dortigen Antragstellerin bestehenden psychischen Erkrankung um einen besonderen Einzelfall gehandelt habe.
372. Die Klägerin hat auch in Bezug auf Serbien keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG. Sie hat auch insoweit keine stichhaltigen Gründe im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG für die Annahme vorgebracht, dass ihr in Serbien ein ernsthafter Schaden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Die Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG) ist nach der serbischen Verfassung verboten.
38Auswärtiges Amt, Lagebericht Serbien vom 15. Dezember 2014, S. 12.
39Folter (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG) ist seit dem 1. Januar 2006 im serbischen Strafgesetzbuch ein Straftatbestand. Vereinzelte Fälle von Misshandlungen durch Angehörige der serbischen Polizei betreffen nicht Personen mit einer bestimmten Volkszugehörigkeit, sondern ausschließlich Personen, die wegen krimineller Delikte verdächtig sind. In einzelnen Fällen derartiger Misshandlungen von Verdächtigen sind die misshandelnden Polizisten vom Dienst suspendiert worden. In mehreren Fällen wurde Folteropfern von serbischen Gerichten staatliche Entschädigung zugesprochen.
40Auswärtiges Amt, Lagebericht Serbien vom 15. Dezember 2014, a. a. O.
41Für eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG) bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte. Die Klägerin selbst hat keine dahingehenden Aspekte geltend gemacht.
42Der Klägerin droht in Serbien auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG. Dabei kann auch insoweit dahinstehen, ob schlechte allgemeine wirtschaftliche oder humanitäre Lebensbedingungen überhaupt vom Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG erfasst werden. Die Klägerin hat jedenfalls keine stichhaltigen Gründe dafür vorgetragen, dass ihr in Serbien konkret und individuell eine Situation, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellt, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Aus den nachfolgenden Ausführungen folgt zugleich, dass die Klägerin auch keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG hinsichtlich Serbien hat.
43a. Die von der Klägerin angeführten Ausreisebeschränkungen in Serbien stellen keine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung dar.
44Art. 17 der serbischen Verfassung garantiert das Recht auf Bewegungsfreiheit. Dieses Recht betrifft sowohl die Freizügigkeit innerhalb Serbiens und die freie Wahl des Wohnortes als auch das Recht, Serbien zu verlassen und nach dort zurückzukehren.
45Dr. Waringo, Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?, April 2013, S. 42.
46Diese verfassungsrechtliche Garantie wird in Serbien weder durch die geltenden melderechtlichen (a) und strafrechtlichen (b) Regelungen noch durch die tatsächliche Rechtsanwendung (c) in einer für die Bestimmung Serbiens zum sicheren Herkunftsstaat beachtlichen Weise aufgehoben.
47(a) Nach den serbischen melderechtlichen Vorschriften müssen sich serbische Staatsangehörige vor einem Auslandsaufenthalt von mehr als 90 Tagen bei den zuständigen serbischen Behörden melden. Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann nach der Rückkehr mit einer Geldbuße zwischen 10.000 und 50.000 Dinar (83 bis 415 Euro) geahndet werden.
48Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 10.
49Die Meldepflicht und die Sanktionierung ihrer Nichtbefolgung bewirken aber keinen unmittelbaren Eingriff in die Ausreisefreiheit. In Betracht kommt allein eine mittelbare Beeinflussung der Ausübung der Ausreisefreiheit im Einzelfall, die die Rechtsstaatlichkeit der serbischen melderechtlichen Vorschriften nicht in Frage stellt. Soweit Dr. Waringo, Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?, April 2013, S. 41, unter Bezugnahme auf einen Bericht des serbischen Regional Center for Minorities ausführt, die melderechtlichen Bestimmungen fänden selektiv auf Roma Anwendung, gibt es dafür keine hinreichenden Belege oder aussagekräftiges Datenmaterial.
50Ebenso Nds. OVG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 ‑ 8 LA 129/14 -, juris, Rdn. 19; VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 – 1 K 1667/12.DA.A -, S. 16 des Urteilsabdrucks; VG Freiburg, Urteil vom 30. Juni 2014 ‑ A 3 K 2238/12 -, juris, Rdn. 21; a. A. VG Stuttgart, Urteil vom 25. März 2014 – A 11 K 5036/13 -, S. 9 f. des Urteilsabdrucks.
51Dahin gehende belastbare Erkenntnisse hat auch die Beweisaufnahme im vorliegenden Verfahren nicht ergeben. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichtet zwar von einer Kontaktperson des Regional Center of Minorities, die im März 2015 angegeben habe, sie sei 2012 von verschiedenen Roma wegen Schwierigkeiten mit den serbischen melderechtlichen Vorschriften kontaktiert worden. Allerdings hätten die Personen meist den Kontakt abgebrochen und seien anschließend nicht mehr zu erreichen gewesen.
52Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 10 f..
53Soweit die Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O., in diesem Zusammenhang außerdem von einer erfolglosen Beschwerde einer Roma-Familie gegen einen erstinstanzlichen Entscheid berichtet, ist unabhängig davon, dass Einzelheiten dieses Falles nicht angeführt werden, ein Einzelfall nicht geeignet, eine rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechende selektive Anwendung der serbischen melderechtlichen Vorschriften auf Roma zu belegen.
54b. Eine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung in Serbien lassen sich weiter nicht mit Blick auf Art. 350 und 350 a des serbischen Strafgesetzbuches feststellen.
55Nach Art. 350 Abs. 1 wird bestraft, wer bewaffnet oder unter Anwendung von Gewalt ohne vorschriftsmäßige Erlaubnis die Grenze Serbiens überquert oder versucht, diese zu überqueren. Gemäß Art. 350 Abs. 2 wird bestraft, wer eine nicht erlaubte Überquerung der serbischen Grenze erlaubt oder einen nicht erlaubten Aufenthalt in Serbien oder Transit durch Serbien ermöglicht. Nach Art. 350 a wird bestraft, wer versucht, in der Absicht, sich selbst oder jemand anderen einen Vorteil zu verschaffen, einen Transport, eine Verlegung, eine Aufnahme, eine Unterkunft, ein Versteck organisiert oder auf eine andere Weise ermöglicht, dass serbischen Staatsangehörigen durch falsche Angaben über die Bedrohung ihrer Menschenrechte oder fundamentalen Freiheiten die Asylantragstellung in einem ausländischen Staat ermöglicht wird. Diese Strafvorschriften bezwecken nicht, Roma und Ashkali an der Ausreise in Serbien zu hindern,
56so aber Dr. Waringo in ihrer Zeugenaussage vor dem VG Stuttgart im Verfahren A 11 K 5036/13 -, S. 3 des Protokolls,
57oder Asylbewerber zu kriminalisieren,
58so aber Dr. Waringo, Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?, April 2013, S. 40,
59und richten sich nicht speziell gegen Roma.
60So aber VG Stuttgart, Urteil vom 25. März 2014 ‑ A 11 K 5036/13 -, S. 11 des Urteilsabdrucks; a. A. Nds. OVG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 8 LA 129/14 -, juris, Rdn. 21 ff.; VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 ‑ 1 K 1667/12.DA.A -, S. 17 f. des Urteilsabdrucks; VG Freiburg, Urteil vom 30. Juni 2014 – A 3 K 2238/12 -, juris, Rdn. 21.
61Zwischen dem 1. Januar 2013 und dem 31. Dezember 2014 waren nach Angaben der serbischen Organisation „Praxis“, die auf Befragungen serbischer Gerichte beruhen, bei den serbischen High Courts 350 Verfahren und bei den serbischen Basic Courts 223 Strafverfahren wegen Verstößen gegen Art. 350 des serbischen Strafgesetzbuches anhängig, wobei ein High Court und ein Basic Court auf die Anfrage der Organisation „Praxis“ nicht antworteten. Strafverfahren gemäß Art. 350 a waren in dem Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2014 nicht anhängig, wobei zwei Gerichte der Organisation „Praxis“ keine Auskunft erteilt hatten. Nach Mitteilung von „Praxis“ waren bei Verfahren nach Art. 350 mehrheitlich serbische Staatsangehörige angeklagt oder verurteilt, die Drittpersonen die illegale Durchreise (Transit) durch Serbien ermöglichten oder ausländischen Personen, die die Staatsgrenzen ohne gültige Papiere überquerten, eine Unterkunft organisiert oder zur Verfügung gestellt hatten. Serbische Staatsangehörige, die im Ausland aus berechtigten oder vorgetäuschten Gründen Asyl beantragt haben, werden nach Einschätzung von „Praxis“ nicht nach Art. 350 a des serbischen Gesetzbuches sanktioniert. Nur Personen, die Hilfeleistung („Enabling“) diesbezüglich leisten, sind von Art. 350 a betroffen.
62Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 12 f.
63Mit Rücksicht darauf, dass die Einschätzungen von „Praxis“ auf Anfragen bei serbischen Gerichten beruhen, sieht die Kammer keinen Anlass, die Einschätzungen in Zweifel zu ziehen. „Praxis“ ist eine der wichtigsten serbischen Flüchtlingsorganisationen.
64Dr. Waringo, Gutachten zum Gesetzentwurf zur Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten, Ausschussdrucksache 18 (4) 92 B, S. 34.
65c. Es besteht weiter kein hinreichender Anlass zu der Annahme, dass die serbischen Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen und ihre Anwendung auf ausreiswillige serbische Staatsangehörige eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung darstellen.
66Nach Art 6 des serbischen Gesetzes zum Grenzschutz aus 2008 kann die Grenzpolizei überprüfen, ob eine die Grenze überquerende Person die Kriterien zur Ein- und Ausreise erfüllt und was der Zweck der Reise ist. Nach der im Juni 2011 in Kraft getretenen serbischen Verordnung zur näheren Regelung der Art der Ausübung der polizeilichen Befugnisse der Grenzpolizisten und den Pflichten der Personen, die die Grenze überqueren, darf die Grenzpolizei von serbischen Staatsangehörigen außerdem folgende Unterlagen anfordern: Dokumente, welche den Zweck der Reise belegen (Hotelreservierungen, Rückreiseticket, schriftliche Einladung, Garantieerklärung, Bestätigung eines Reiseveranstalters und weitere Dokumente), Belege für genügende finanzielle Mittel für den Auslandsaufenthalt (Bargeld, Kreditkarten, Schecks und andere Belege) sowie Einladungen oder weitere Beweise bezüglich des Reisezwecks. Das Vorweisen dieser Unterlagen kann zusätzlich zu den normalen Reisedokumenten gefordert werden. Insoweit hat die Grenzpolizei einen weiten Ermessensspielraum. Die Verordnung enthält keine Angaben dazu, welche Personen kontrolliert werden sollen und welche Belege nötig sind, um die Grenzpolizei von der Legitimität der Ausreise zu überzeugen. Die Höhe der für den Aufenthalt in der Europäischen Union ausreichenden Geldsumme ist ebenfalls nicht definiert.
67Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 2 f.
68Diese Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen stehen für sich gesehen mit rechtsstaatlichen Grundsätzen in Einklang. Sie zielen weder auf eine generelle Ausreisebeschränkung noch auf bestimmte Personen, wie etwa Roma und Ashkali. Die Bestimmungen gelten für alle serbischen Staatsangehörigen in gleicher Weise und zielen darauf ab, die Interessen der Republik Serbien und ihrer Staatsangehörigen zu schützen und den Missbrauch der Regelungen der Visafreiheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Serbien zu verhindern.
69Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 3.
70Eine derartige Zielrichtung und die Anwendung der Regelungen mit dieser Zielrichtung lassen keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Bestrafung erkennen.
71Allerdings gibt es nicht nur vereinzelte Äußerungen des Leiters der ehemaligen serbischen Grenzpolizei gegenüber der Presse bzw. in den Medien,
72so Auswärtiges Amt, Auskunft vom 3. September 2014 ‑ 508-516.80/48127 -,
73sondern zudem von Vertretern der serbischen Regierung, dass die Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen auch dazu dienen und angewandt werden, um die Zahl „falscher“ Asylsuchender zu reduzieren.
74Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 3 f.
75Die Bestimmungen stehen nämlich im Zusammenhang mit dem von verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in den letzten Jahren auf Länder des Westbalkans ausgeübten Druck, präventive Maßnahmen zur Verhinderung von Asylgesuchen ihrer Staatsangehörigen in Westeuropa zu ergreifen.
76Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 1; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 3. September 2014 – 508-516.80/48127 -.
77Maßnahmen gegen Asylmissbrauch waren auch von der deutschen Regierung gefordert worden.
78Auswärtiges Amt, Auskunft vom 3. September 2014 ‑ 508‑516.80/48127 -.
79Bei der gebotenen Gesamtschau haben aber die serbischen Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen sowie deren Anwendung nicht die Intensität einer unmenschlichen oder erniedrigenden Bestrafung oder Behandlung.
80Ebenso VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 ‑ 1 K 1667/12.DA.A -, S. 16 f. des Urteilsabdrucks; VG Freiburg, Urteil vom 30. Juni 2014 – A 3 K 2238/12 -, juris, Rdn. 23, m. w. N.; a. A. VG Stuttgart, Urteil vom 25. März 2014 ‑ A 11 K 5036/13 -, S. 9 des Urteilsabdrucks.
81Vorrangig sind die Bestimmungen im Hinblick auf schengenkonforme Grenzkontrollen im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien beschlossen worden.
82Auswärtiges Amt, Auskunft vom 3. September 2014 ‑ 508‑516.80/48127 -.
83Die Beitrittsverhandlungen mit Serbien haben am 21. Januar 2014 begonnen.
84www.auswaertiges-amt.de/DE/Europa/Erweiterung/Serbien.html
85Es gibt auch keine hinreichenden Belege dafür, dass die große Zahl der Ausreiseverweigerungen an den serbischen Grenzen in beachtlicher Zahl der Verhinderung der Asylantragstellung in der Europäischen Union dient oder sich gezielt gegen nationale Minderheiten wie Roma und Ashkali richtet. Nach Angaben des serbischen Innenministeriums wurden seit dem Inkrafttreten der verschärften Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen am 2. Juni 2011 bis zum 31. Dezember insgesamt 7656 Personen an der Ausreise aus Serbien gehindert, „um den Missbrauch der Visafreiheit der EU-Staaten zu verhindern“.
86Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 3.
87Soweit vermutet wird, dass diese Praxis mit Menschenrechtsstandards und den Prinzipien der Nichtdiskriminierung nicht vereinbar sei, weil „die soziale Gruppe der Roma das klare Ziel“ sei,
88Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 3; Dr. Waringo, Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?, April 2013, S. 40,
89gibt es dafür keine hinreichenden Erkenntnisse.
90Ebenso Nds. OVG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 ‑ 8 LA 129/14 -, juris, Rdn. 29; VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 – 1 K 1667/12.DA.A -, S. 17 f. des Urteilsabdrucks, m. w. N.
91Es gibt lediglich vereinzelte Fälle, die darauf hindeuten, dass vor allem Roma von der serbischen Grenzpolizei an der Ausreise willkürlich gehindert worden sind.
92Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 5.
93Eine belastbare Dokumentation von Fällen dieser Art gibt es aber nicht. Verschiedene von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe kontaktierte nichtstaatliche Organisationen, die im Bereich Migration, Roma-Rechte oder Grenzkontrollen arbeiten, haben angegeben, dass ihnen die Problematik bezüglich der neuen Grenz- und Ausreisebestimmungen bekannt sei, sie jedoch keine Falldokumentationen vorweisen könnten.
94Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 6.
95Die serbischen Behörden haben keine Gründe für die zahlreichen Ausreiseverweigerungen genannt. Vor diesem Hintergrund kann zwar eine Ausreiseverweigerung aufgrund des Verdachts der missbräuchlichen Asylantragstellung im Ausland nicht ausgeschlossen werden. Sie ist aber auch nicht erwiesen, so dass auch andere Gründe für die Ausreiseverweigerung wie nicht gültige Reisedokumente oder abgelaufene Reisepässe maßgeblich gewesen sein können.
96Auswärtiges Amt, Auskunft vom 3. September 2014 ‑ 508‑516.80/48127 -.
97Dafür spricht auch, dass Zahl der Asylanträge von serbischen Staatsangehörigen in Deutschland in den letzten Jahren massiv angestiegen ist (2012: 12.812 und 2013 18.001 Asylanträge) und die serbischen Asylbewerber überwiegend legal mit Reisebussen in das Schengengebiet einreisen.
98Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 1. Juli 2014 ‑ 508‑516.80/48127 -, und vom 3. September 2014 ‑ 508‑516.80/48127 -; VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 – 1 K 1667/12.DA.A -, S. 17 des Urteilsabdrucks.
99Soweit in Einzelfällen tatsächlich willkürliche Ausreiseverweigerungen erfolgen, kann daraus eine nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG relevante konkrete und individuelle Gefährdung der Klägerin im Falle ihrer Rückkehr nach Serbien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit hergeleitet werden. Zum einen ist das Versagen von Amtswaltern im Einzelfall asylrechtlich prinzipiell ohne Bedeutung.
100BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 – 9 C 60.89 -, juris, Rdn. 31.
101Zum anderen folgt aus der Subsidiarität des Asyls und Flüchtlingsschutzes, dass ein Asylsuchender auf bestehende und zumutbare Rechtsschutzmöglichkeiten im Herkunftsstaat verwiesen werden kann.
102BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86 u. a. -, juris, Rdn. 65.
103Im Falle von Ausreisebeschränkungen, die die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Bestrafung und Behandlung nicht allgemein und unmittelbar, d. h. ohne Rücksicht auf die Dauer der Maßnahme und die Umstände des Einzelfalls überschreiten, ist die Inanspruchnahme von Rechtsschutz im Herkunftsstaat oder durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte regelmäßig zumutbar.
104OVG NRW, Beschluss vom 30. Oktober 2013 ‑ 5 A 2439/12.A -; VG Hamburg, Beschluss vom 6. März 2015 ‑ 5 AE 270/15 -, juris, Rdn. 12.
105Das gilt auch für serbische Staatsangehörige. Sie können sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden und machen von dieser Rechtsschutzmöglichkeit auch Gebrauch. So waren am 30. Januar 2014 1.256 Verfahren serbischer Staatsangehöriger beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig.
106Dr. Waringo, Gutachten zum Gesetzentwurf zur Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten, Ausschussdrucksache 18 (4) 92 B, S. 27.
107Serbische Staatsangehörige haben außerdem die Möglichkeit, gegen Beschränkungen ihrer Ausreisefreiheit durch die serbische Grenzpolizei um Rechtsschutz nachzusuchen. Nach Einschätzung der serbischen nichtstaatlichen Organisation „Praxis“ könnten auch mündliche Anordnungen der Grenzpolizei als Verwaltungsakte anzusehen sein, gegen die Beschwerde bei dem serbischen Verwaltungsgericht eingelegt werden kann. Soweit es sich bei den Maßnahmen der Grenzpolizei nicht um Verwaltungsakte handeln sollte, besteht die Möglichkeit der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
108Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 8 bis 10.
109Gegen die Zumutbarkeit dieser Rechtsschutzmöglichkeiten spricht nicht die zumeist lange Verfahrensdauer gerichtlicher Verfahren in Serbien.
110Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 6 und 10; Dr. Waringo, Gutachten zum Gesetzentwurf zur Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten, Ausschussdrucksache 18 (4) 92 B, S. 28.
111Eine auch in Rechtsstaaten wie die Bundesrepublik Deutschland nicht unübliche lange Verfahrensdauer überschreitet nicht generell die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung. Hinzu kommt, dass der serbische Staat erkennbar bemüht ist, das dortige Justizsystem zu verbessern. Nachdem eine zum 1. Januar 2010 in Kraft getretene umfassende Justizreform nicht zu der gewollten Verbesserung des Justizsystems geführt hatte, wurde im Juli 2013 eine neue Justizreformstrategie verabschiedet.
112Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Serbien vom 15. Dezember 2014, S. 6.
113Soweit noch kein Gesetz zur Gewährleistung kostenlosen Rechtsschutzes verabschiedet worden ist, ergibt sich auch hieraus nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG relevante Gefährdung. Denn es ist weder ersichtlich noch belegt, dass dadurch der Rechtsschutz in Serbien für die ärmeren Bevölkerungsschichten, insbesondere für Roma, unmöglich ist oder in einer die Menschenrechte verletzenden Weise unzumutbar erschwert wird. Ein Viertel der serbischen Gemeinden verfügt über Rechtshilfebüros und bei nichtstaatlichen Organisationen und weiteren Anbietern kann kostenlose Rechtsberatung in Anspruch genommen werden.
114Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 7.
115Soweit die Erfolgsaussichten von Rechtsmitteln gegen Ausreisebeschränkungen als gering eingeschätzt werden, hat diese Einschätzung schon deshalb kein Gewicht, weil derzeit nach Angaben von „Praxis“ die Entscheidungspraxis der serbischen Gerichte nicht bekannt und absehbar ist. So fehlen in der Entscheidungsdatenbank des serbischen Verwaltungsgerichts Urteile hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der serbischen Grenzpolizei.
116Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 6 und 8.
117Soweit die serbische Regierung vor allem auf Roma und die ethnisch albanische Bevölkerung aus Südserbien ausgerichtete Kampagnen durchgeführt hat, um die Stellung von Asylgesuchen serbischer Staatsangehöriger im Ausland zu verhindern,
118Dr. Waringo, Gutachten zum Gesetzentwurf zur Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten, Ausschussdrucksache 18 (4) 92 B, S. 33; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 4 f.
119beschränken die Kampagnen die Ausreisefreiheit nicht unmittelbar. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Kampagnen faktisch die Ausreisefreiheit eingeschränkt haben, indem serbische Staatsangehörige als Folge der Kampagnen von einer Ausreise aus Serbien abgesehen haben.
120Nds. OVG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 ‑ 8 LA 129/14 -, juris, Rdn. 28.
121Dahin gehende Erkenntnisse ergeben sich aus den genannten Gutachten von Dr. Waringo und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe nicht.
122d. Es ist weiter nicht ersichtlich, dass Roma und Ashkali in Serbien politisch verfolgt (a) oder sonst unmenschlich oder erniedrigend bestraft oder behandelt (b) werden
123(a) Roma und Ashkali sind in Serbien keiner Gruppenverfolgung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure ausgesetzt. Gruppenverfolgung setzt unabhängig davon, ob sie durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure erfolgt, voraus, dass jedes im Verfolgungsgebiet lebende Gruppenmitglied wegen der Gruppenzugehörigkeit von Verfolgung betroffen ist. Es müssen Verfolgungshandlungen gegen die Gruppe vorliegen, die so intensiv und zahlreich sind, dass jedes Mitglied der Gruppe die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit ableiten kann.
124Vgl. nur VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 ‑ 1 K 1667/12.DA.A -, S. 10 f. des Urteilsabdrucks; VG Freiburg, Urteil vom 30. Juni 2014 – A 3 K 2238/12 -, juris, Rdn. 23, jeweils m. w. N.
125Eine solche Verfolgungsdichte lässt sich für Angehörige der Roma und Ashkali in Serbien nicht feststellen.
126Anzeichen für systematische staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Roma und Ashkali gibt es nicht, auch wenn in der serbischen Öffentlichkeit Vorbehalte und Vorurteile gegen Minderheitenangehörige nach wie vor weit verbreitet sind. Die serbische Regierung bemüht sich vielmehr, die Lage der Roma durch eine aktive Minderheitenpolitik wie auch entsprechende Strukturen zu verbessern. Regierungshandeln zur Verbesserung der Lage der Roma ist ausgerichtet an der Strategie für Verbesserung der Situation der Roma, insbesondere in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Arbeitsaufnahme, Wohnbedingungen, amtliche Registrierung und soziale Sicherung. Staatliche Programme haben zu einem verbesserten Zugang im Gesundheitsbereich und bei der Bildung geführt
127Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Serbien vom 15. Dezember 2014, S. 9.
128Zwar geht die Polizei nicht in allen Fällen mit der gebotenen Konsequenz gegen Übergriffe auf Minderheiten, vor allem Roma, vor. Anzeigen von Roma wegen Körperverletzungen führen aber in der Praxis zu Gerichtsprozessen und Verurteilungen.
129Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Übergriffe gegen Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 3 f.; VG Freiburg, Urteil vom 30. Juni 2014 – A 3 K 2238/12 -, juris, Rdn. 17.
130Das im Dezember 2012 angepasste serbische Strafgesetz stellt Straftaten aus Hass, die Anstiftung von nationalistischem, ethnischem oder religiösem Hass oder Intoleranz, rassistische und weitere Diskriminierungen sowie die Herabsetzung einer Person wegen ihrer Rasse, Hautfarbe, Religion, Nationalität, ethnischer Herkunft und persönlicher Merkmale unter Strafe.
131Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Übergriffe gegen Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 2 f.
132Es fehlt ferner an Anhaltspunkten dafür, dass die immer wieder vorkommenden verbalen und physischen Übergriffe auf Roma durch Private ein Ausmaß erreicht haben, dass für jeden Roma ohne Weiteres eine aktuelle Gefährdung eigener Betroffenheit besteht. Das tatsächliche Ausmaß der Übergriffe auf Roma und andere Minderheiten in Serbien ist unklar. Nach einem Bericht der serbischen Regierung von August 2014 an den Europarat sind 2012 158 und 2013 157 Übergriffe gemeldet worden, die im weitesten Sinne als inter-ethnisch oder inter-konfessionell bezeichnet werden können. Nach den Angaben der serbischen Regierung waren 19 von insgesamt 34 physischen Attacken und insgesamt 20 Sachbeschädigungen gegen Roma gerichtet. Nichtstaatliche Organisationen gehen jedoch davon aus, dass das tatsächliche Ausmaß der Übergriffe nicht verlässlich durch die serbischen Stellen ermittelt worden sei.
133Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Übergriffe gegen Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 1 f.; Dr. Waringo, Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?, April 2013, S. 16 ff.,
134Angesichts der Zahl der in Serbien lebenden Roma, die nach Schätzungen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zwischen 300.000 und 500.000 und nach Schätzungen von Verbänden der Roma zwischen 700.000 bis 800.000 liegt,
135Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Serbien vom 15. Dezember 2014, S. 9; Dr. Waringo, Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?, April 2013, S. 26,
136sind jedoch die quantitativen und qualitativen Anforderungen an die Annahme einer Gruppenverfolgung der Roma nicht erfüllt.
137VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 ‑ 1 K 1667/12.DA.A -, S. 11 f. des Urteilsabdrucks; VG Freiburg, Urteil vom 30. Juni 2014 – A 3 K 2238/12 -, juris, Rdn. 18.
138Zwar werden die staatlichen Bemühungen zur Prävention bzw. Ermittlung und Strafverfolgung bei Angriffen Dritter gegenüber Roma teilweise als unzureichend bewertet.
139Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Übergriffe gegen Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 3 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Serbien vom 15. Dezember 2014, S. 9.
140Es liegen aber keine belastbaren Erkenntnisse vor, dass der Staat derartigen Übergriffen Vorschub leistet.
141Ebenso VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 ‑ 1 K 1667/12.DA.A -, S. 11 des Urteilsabdrucks.
142Die Annahme des VG Stuttgart, die serbischen staatlichen Organe würden gegen Übergriffe Dritter auf Roma in der Regel keinen Schutz gewähren,
143VG Stuttgart, Urteil vom 25. März 2014 – A 11 K 5036/13 -, S. 8 des Urteilsabdrucks,
144stützt sich allein auf die insoweit unergiebige Zeugenaussage von Frau Dr. Waringo in dem Verfahren A 11 K 5036/13. Ihre Aussage, S. 5 des Protokolls der Zeugenaussage, Übergriffe Dritter auf Roma blieben in der Regel folgenlos, die Polizei komme häufiger nicht, wenn sie von Roma gerufen werde und unternehme nichts, ist nicht durch Angabe konkreter Beispielsfälle konkretisiert worden. Die grundsätzliche Schutzbereitschaft der serbischen Behörde ergibt sich vielmehr daraus, dass es etwa in 2012 und 2013 zahlreiche Strafverfahren gegen sog. Hassverbrechen gegeben hat und zahlreiche Täter verurteilt worden sind.
145Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Übergriffe gegen Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 3 f.
146Soweit es bei Übergriffen auf Roma nicht zu Strafanzeigen und nach Strafanzeigen nicht zu Verurteilungen gekommen ist, ergibt sich aus den der Kammer zugänglichen Erkenntnissen kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass hierfür zumindest wesentlich mangelnde Schutzbereitschaft serbischer Behörden (mit-) ursächlich war. Im Übrigen lässt allein die Lückenhaftigkeit des Systems staatlicher Schutzgewährung oder eine im Einzelfall von den Betroffenen erfahrene Schutzversagung als solche die staatliche Schutzbereitschaft oder -fähigkeit nicht entfallen.
147VG Freiburg, Urteil vom 30. Juni 2014 – A 3 K 2238/12 -, juris, Rdn. 18, m. w. N.
148Entscheidend ist vielmehr, ob der Staat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln im Großen und Ganzen Schutz gewährt. Kein Staat ist in der Lage, Kriminalität und Übergriffe auf Minderheiten durchgängig zu verhindern.
149BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 – 9 C 60.89 -, juris, Rdn. 31; OVG NRW, Urteil vom 2. Juli 2001 ‑ 19 A 3030/99.A -, juris, Rdn. 42 f., m. w. N.
150An der generellen Bereitschaft des serbischen Staates, auch gegen Übergriffe auf Roma mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln vorzugehen, bestehen schon angesichts des Bemühens des serbischen Staates um eine Verbesserung der Situation der Roma keine Zweifel.
151Ebenso VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 ‑ 1 K 1667/12.DA.A -, S. 14 des Urteilsabdrucks.
152(b) Beachtliche Anhaltspunkte dafür, dass Roma und Ashkali in Serbien sonst unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung ausgesetzt sind, gibt es ebenfalls nicht.
153Ebenso VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 ‑ 1 K 1667/12.DA.A -, S. 12 f. des Urteilsabdrucks.
154Es lässt sich den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen nicht entnehmen, dass für Angehörige der Volksgruppe der Roma und Ashkali in Serbien die Gefahr schwerster Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Todesgefahr bestünde. Roma und Ashkali haben in Serbien grundsätzlich Zugang zu allen staatlichen Einrichtungen und Dienstleistungen einschließlich der Sozialhilfe und der medizinischen Grundversorgung. Ärztliche Notfallversorgung ist grundsätzlich auch für nicht registrierte Personen gewährleistet. Kinder unter 18 Jahren werden grundsätzlich kostenfrei behandelt, wenn sie registriert sind.
155Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Serbien vom 15. Dezember 2014, S. 12.
156Für bisher nicht registrierte Personen ist mit Gesetz vom 31. August 2012 die Grundlage für eine nachträgliche Eintragung ins Personenstandsregister unter vereinfachten Bedingungen geschaffen worden. Damit soll der rechtliche Status insbesondere der Roma verbessert werden. In dem Ende 2011 in Kraft getretenen neuen Meldegesetz ist darüber hinaus eine Regelung aufgenommen worden, um Personen, die nicht über einen Personalausweis verfügen, die Anmeldung zu erleichtern. Auch diese Regelung zielt darauf, bisher nicht registrierten Roma die Anmeldung zu ermöglichen. Roma werden auch dann grundsätzlich kostenfrei und ohne finanzielle Eigenbeteiligung in Serbien behandelt, wenn sie dort wegen ihrer traditionellen Lebensweise keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt haben. Mit der „Richtlinie über das Verfahren der Verwirklichung der Rechte aus der Sozialversicherung“ ist geregelt, dass Roma im System der Sozialversicherung angemeldet sein können, wenn sie eine persönliche Erklärung abgeben, dass sie Roma sind, und wenn sie eine persönliche Erklärung über den Ort ihres vorläufigen Aufenthalts abgeben.
157Auswärtiges Amt vom 1. Juli 2014 – 508-516.80/48127.
158In der Praxis ist allerdings der Zugang von Roma zu Sozialleistungen und zur Gesundheitsversorgung häufig aufgrund fehlender Dokumente für eine Registrierung schwierig. Außerdem wird berichtet, dass Roma von Staatsbediensteten beim Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen diskriminiert werden. Die Registrierung von Personen ohne dauerhaften oder vorübergehenden Wohnsitz an der Adresse eines staatlichen für die Gewährung von Sozialleistungen zuständigen Social Welfare Center ist oft ein langwieriger Prozess und nicht in allen Landesteilen möglich.
159Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Zugang zu Sozialleistungen für Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 1 ff.
160Entscheidend ist für die Gewährung subsidiären Abschiebungsschutzes und die Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG, dass der serbische Staat generell bereit und in der Lage ist, auch Roma den Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen unter zumutbaren Bedingungen zu eröffnen. Auf ein eventuelles Fehlverhalten von Amtswaltern in Einzelfällen bei der Anwendung der serbischen Vorschriften über den Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen kommt es ebenfalls nicht an. Davon abgesehen ist nicht ersichtlich, dass die auch für Roma eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten in Serbien keinen ausreichenden Schutz gegen die willkürliche Versagung des Zugangs zu Sozial- und Gesundheitsleistungen bieten. Dementsprechend ist auch ohne Bedeutung, dass die Gewährung von Sozialleistungen in Einzelfällen durch Social Welfare Center willkürlich zu niedrig berechnet wird und die Gewährung von Sozialleistungen unter Hinweis auf die Arbeitsfähigkeit eines Familienmitglieds versagt wird, obwohl dieses keine Arbeit findet.
161Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Zugang zu Sozialleistungen für Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 5 f.
162Hinzu kommt, dass das Bemühen um Arbeit auch in Deutschland eine Verpflichtung für Bedürftige ist (§ 2 SGB II). Im Übrigen besteht in Serbien für Bedürftige während der Zeit der Arbeitssuche die Möglichkeit, für die Dauer von drei Monaten Nothilfe einer serbischen Gemeinde in Anspruch zu nehmen.
163Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Zugang zu Sozialleistungen für Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 6, Fußnote 39.
164Soweit die Gewährung von Sozialhilfe voraussetzt, Unterstützung von zur Unterhaltsleistung verpflichteten Verwandten einzufordern,
165Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Zugang zu Sozialleistungen für Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 4 f.,
166stellt dies keine rechtsstaats- oder menschenrechtswidrige Voraussetzung dar. Sie ist ein auch das deutsche Sozialrecht prägender Grundsatz (§§ 9, 33 SGB II).
167Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
168Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet
1
Tatbestand:
2Die im Jahre 1957 geborene Klägerin ist serbische Staatsangehörige und gehört dem Volk der Roma an.
3Seit mindestens dem Jahr 1995 betrieb sie zusammen mit ihrem Ehemann in der Bundesrepublik Deutschland mehrfach Asylverfahren, die sämtlich, zumeist nach Durchführung gerichtlicher Verfahren vor dem erkennenden Gericht, erfolglos blieben. Auf ihren 3. Asylfolgeantrag wurden mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 7. Januar 2011 die Anträge auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und die Anträge auf Abänderung des nach altem Recht ergangenen Bescheides vom 11. September 1998 (Az.: °°°°°°°) bezüglich der Feststellung zu § 51 Abs. 1 bis 6 des Ausländergesetzes (gemeint: § 53 AuslG) abgelehnt; die Voraussetzungen subsidiären Schutzes gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG – lägen nicht vor. Die dagegen erhobene Klage wurde nach Rücknahme mit Beschluss vom 4. April 2011 eingestellt (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 4. April 2011 – 7a K 443/11.A -).
4Wegen der Einzelheiten der in den Verfahren ergangenen Bescheide des Bundesamtes (vormals Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) wird auf die einschlägigen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen (BA Hefte 1, 3, 4 und 5).
5Am 12. Oktober 2012 stellte die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann einen Asylfolgeantrag, nachdem diese auf dem Landweg erneut in das Bundesgebiet eingereist waren. Zur Begründung ihres Folgeantrages gaben sie im Wesentlichen an: Bis zum Jahr 2005 hätten sie 15 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland gelebt, wo auch noch ein Sohn lebe. Sie seien dann einmal nach T. abgeschoben worden und einmal freiwillig zurückgekehrt. Zuletzt hätten sie sich von April 2011 bis Oktober 2012 in T. , wie zuvor in C. , aufgehalten. Dort habe der Ehemann der Klägerin trotz seines Diploms nur Gelegenheitsarbeiten verrichten können. Sie seien mit eigenen Pässen ausgereist, hätten diese aber beim Fahrer als „Garantie“ abgegeben. Hauptgrund für die erneute Wiedereinreise sei der schlechte Gesundheitszustand der Klägerin. Sie leide schon seit langer Zeit an Depressionen, zudem unter Schlaflosigkeit, Angststörungen, Panikattacken, an Herzschmerzen, Herzrasen mit hohem Blutdruck und einer Erkrankung der Schilddrüse. Sie sei in T. regelmäßig in ärztlicher Behandlung gewesen und u.a. einen Monat stationär behandelt worden. Ihre bis zu fünf Medikamente pro Tag hätten sie selbst bezahlen müssen; das sei schon eine große Summe gewesen. In den staatlichen Apotheken habe es die wenigsten Medikamente gegeben, dort zahle man weniger. Die Arztbesuche seien für Arbeitslose kostenfrei. Sie seien in der Krankenversicherung für Arbeitslose gewesen.
6Die Klägerin hat eine Bescheinigung des Dr. Med., Dipl.-Psych. X. X1. vom 25. Februar 2013 über ihre seit November 2012 andauernde ambulante nervenärztliche Behandlung in Deutschland sowie mehrere Belege über ihre Behandlung in T. vorgelegt, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.
7Mit Bescheid vom 5. Juni 2013 lehnte das Bundesamt die Anträge der Klägerin und ihres Ehemannes auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie auf Abänderung des Bescheides vom 7. Januar 2011 bezüglich der darin getroffenen Feststellungen zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG ab. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen.
8Die Klägerin hat am 14. Juni 2013 Klage erhoben, mit der sie zunächst ausschließlich das Bestehen zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse geltend gemacht hat.
9Zur Begründung vertieft sie im Wesentlichen ihre Lebenssituation als Zugehörige zur Volksgruppe der Roma im Anschluss an ihre Abschiebung aus Deutschland im Jahr 2005, deren Umstände für sie sehr belastend gewesen seien. Hauptgrund für ihre erste Rückkehr nach Deutschland im Dezember 2010 sei der Umstand, dass sie die Trennung von ihren Kindern nicht habe ertragen können und einen Suizidversuch unternommen gehabt habe. Nach ihrer Rückkehr nach T. hätten sie sich in C. eine Wohnung angemietet und ihr Ehemann habe nur unter großen Schwierigkeiten als Schwarzhändler etwas Geld verdienen können; dabei sei er von der Polizei erwischt und mehrere Tage inhaftiert worden. Ihre Lebenssituation habe sich weiter verschlechtert. Sie habe gelegentlich Tabletten genommen, je nachdem wie sie diese habe bezahlen können. Ihre Suizidgedanken seien immer schlimmer geworden.
10Die Klägerin hat eine weitere ärztliche Bescheinigung des Dr. X1. vom 30. Juli 2013 vorgelegt, in der eine gegenwärtig mittelgradig bis schwer ausgeprägte rezidivierende depressive Störung sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert werden. Weiter wird ausgeführt, dass selbst bei einer psychiatrischen – psychotherapeutischen Behandlung im Herkunftsland es zu einer gesundheitlichen Verschlechterung kommen werde, „da die Ursachen aus dem Herkunftsland stammen“; es bestehe voraussichtlich mehrere Monate psychiatrischer Behandlungsbedarf, um eine tragfähige Stabilisierung zu gewährleisten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Bescheinigung Bezug genommen.
11Mit Schriftsatz vom 17. April 2014 wird bezugnehmend auf das neue serbische Strafrecht, aktuelle Erkenntnisse und eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. März 2014 geltend gemacht, dass Roma bei Inanspruchnahme ihres Menschenrechts auf Ausreisefreiheit und in Fällen der Asylantragstellung im Ausland im Rückkehrfall flüchtlingsschutzrelevante Bestrafung i.S.d. § 3a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG drohe. Sie selbst sei im Jahr 2012 unter Nutzung der Visa-Freiheit in das Bundesgebiet eingereist und daher von derartiger Verfolgung bedroht.
12Die Klägerin hat zunächst angekündigt zu beantragen,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Juni 2013 zu verpflichten festzustellen, dass in der Person der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
14Die Klägerin beantragt in letzter Fassung,
15die Beklagte unter Änderung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Juni 2013 zu verpflichten festzustellen,
16dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3, 3a bis 3 e AsylVfG,
17hilfsweise des subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AsylVfG,
18weiter hilfsweise Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in der Person der Klägerin vorliegen.
19Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
20die Klage abzuweisen.
21Sie nimmt Bezug auf den angefochtenen Bescheid.
22Mit Beschluss der Kammer vom 11. April 2014 ist der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes Bezug genommen.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
25Die Klage hat keinen Erfolg.
26Die Klage ist wegen der Versäumung der zweiwöchigen Klagefrist gemäß § 74 Abs.1 AsylVfG bereits unzulässig, soweit mit dem Klageantrag letzten Standes die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG begehrt wird.
27Die Klägerin hat mit ihrem Klageschriftsatz vom 14. Juni 2013 ausdrücklich einen auf die Zuerkennung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG begrenzten Klageantrag formuliert und klagebegründend zudem unter Ankündigung der Übersendung weiterer ärztlicher Belege klargestellt, insoweit (ausschließlich) zunächst zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote geltend zu machen. Mit dieser Beschränkung in Einklang stehend, hat die Klägerin nachfolgend mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2013 lediglich eine weitere ärztliche Bescheinigung übersandt.
28Damit ist davon auszugehen, dass die anwaltlich vertretene Klägerin ihr Klagebegehren bewusst nicht auf die Zuerkennung der Asylberechtigung und auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 AsylVfG erstrecken wollte und auch nicht erstreckt hat. Auch wenn die Ansprüche auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a GG und auf Feststellung der Voraussetzungen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG (vormals § 60 Abs.1 AufenthG bzw. § 51 Abs. 1 AuslG) sowie die Ansprüche auf Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG (vormals § 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2 AufenthG, bzw. § 53 Abs. 1, 2 AuslG) und die Zuerkennung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (vormals § 53 Abs. 4, Abs. 6 Satz 1 AuslG) regelmäßig in einem Asylprozess und im Verhältnis von Haupt- und Hilfsbegehren geltend gemacht werden, steht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts außer Frage, dass diese jedenfalls rechtlich abtrennbare Streitgegenstandsteile sind, die ausnahmsweise verfahrensrechtlich gesondert geltend gemacht werden können.
29Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 – 1 B 68/04 -, Urteil vom 24. Juni 2008 – 10 C 43.07 – und Beschluss vom 10. November 2011 – 10 B 24.11 -, jeweils juris.
30Letzteres ist hier der Fall. Eine solche bewusste Begrenzung des Klagegenstandes war vor dem Hintergrund der ursprünglichen Klagebegründung auch durchaus folgerichtig, weil insoweit allein Umstände in Gestalt gesundheitlicher Gründe vorgetragen worden waren, die ausschließlich im Rahmen der Gewährung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz1 AufenthG von Bedeutung sein können.
31Die Begrenzung des Klagebegehrens hat zur Folge, dass der bundesamtliche Bescheid vom 5. Juni 2013 in Bestandskraft erwachsen und folglich einer rechtlichen Überprüfung durch das Gericht entzogen ist, soweit darin (auch) die Wiederaufnahme des Verfahrens bzgl. der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt worden ist.
32Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nach Bekanntwerden des Urteils des VG T1. vom 25. März 2014 – A 11 K 5036/13 - erstmals auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für die Klägerin reklamiert hat, ist dieses Begehren folglich nicht mehr zulässiger Gegenstand des vorstehenden Klageverfahrens. Eine Wiedereinsetzung in die insoweit versäumte Klagefrist gemäß § 60 VwGO ist weder beantragt worden, noch mangels ersichtlicher Wiedereinsetzungsgründe von Amts wegen zu gewähren.
33Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen ist selbständig tragend festzustellen, dass die Klage insoweit auch unbegründet wäre, weil die Voraussetzungen des § 3 AsylVfG in der Person der Klägerin nicht erfüllt sind.
34Der Bescheid des Bundesamtes vom 5. Juni 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche im gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung unabhängig davon nicht zu, ob die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen nach §§ 51 Abs. 1 bis 3 und 5, 48, 49 VwVfG vorliegen. Das gilt auch unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich in Kraft getretenen Asylverfahrensgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) geändert worden ist.
35Danach ist einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Gemäß § 3c Nr. 1. bis 3. AsylVfG kann eine Verfolgung im vorstehenden Sinne ausgehen von dem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 3e AsylVfG). Die relevanten Verfolgungshandlungen und Verfolgungsgründe ergeben sich aus § 3a und § 3b AsylVfG.
36Die Klägerin hat in T. eine Verfolgung als Roma in Gestalt schwerwiegender Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte (§ 3a Abs. 1 AsylVfG) weder durch den Staat oder durch Parteien und Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, noch eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu befürchten. Im Hinblick auf die allgemeine Lage der Roma ist weder auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnislage noch der ständigen Rechtsprechung der Kammer und anderer Gerichte von einer drohenden schwerwiegenden Verletzung der Menschenrechte auszugehen.
37Vgl. Lagebericht T. des Auswärtigen Amtes vom 18. Oktober 2013; OVG NRW, Beschlüsse vom 04. April 2011 - 5 A 427/11.A - und vom 15. Dezember 2011- 5 A 1295/11.A -; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 17. April 2014 – 17a K 4588/13.A -, 18. Mai 2012 - 1a K 261/11.A - und 18. August 2010 - 7a K 2060/10.A -; Sächsisches OVG, Urteil vom 21. Juli 2009 - 4 B 554/07 -.
38Soweit das Verwaltungsgericht T1. in dem Urteil vom 25. März 2014 – A 11 K 5036/13 – demgegenüber nach Einvernahme der sachverständigen Zeugin Dr. X2. für aus T. stammende Roma im Wesentlichen wegen vermeintlich erheblicher Beschränkungen und Diskriminierungen von Angehörigen dieser Volksgruppe bei der Wahrnehmung deren elementaren Rechts auf Freizügigkeit/Ausreisefreiheit die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG bejaht, vermag dem die Kammer aus folgenden Gründen nicht zu folgen:
39Das Verwaltungsgericht T1. stellt entscheidungstragend darauf ab, dass Angehörigen der Roma die Ausreise aus T. erschwert oder unmöglich gemacht werden soll sowie Bestrafungen nach dem neuen serbischen Meldegesetz selektiv gegen diese Volksgruppe erfolgen (S. 9 f des amtlichen Abdrucks) und verweist in diesem Zusammenhang „entscheidend“ auf den neu eingeführten § 350a des serbischen StGB (S. 11 des amtlichen Abdrucks). Die insoweit in Bezug genommene „aktuelle Auskunftslage“ sowie „Informationen des Regional Center for Minorities“ werden indessen weder inhaltlich wiedergegeben noch sonst konkretisiert.
40Auch die zudem in Bezug genommenen „Erklärungen der Zeugin Dr. X2. in der mündlichen Verhandlung“ belegen eine solch weitgehende Schlussfolgerung nicht. Soweit deren Aussage im Tatbestand des Urteils mit den Worten wiedergegeben wird, dass „die Stellung eines Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland …nach serbischem Recht strafbar (sei)“ (S. 4 des amtlichen Abdrucks), lässt sich eine solche einschränkungslose Aussage der Zeugenaussage gerade nicht entnehmen. Ausweislich des dem Einzelrichter vorliegenden Sitzungsprotokolls hat Dr. X2. auf die gerichtliche Frage, ob die Stellung eines Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland nach serbischem Recht strafbar sei, vielmehr geantwortet: „Ende 2012 wurde das serbische Strafgesetzbuch reformiert. Nach den nun geltenden §§ 350 und 350a ist der unerlaubte Grenzübertritt und Menschenschmuggel sowie die Ermöglichung des Asylmissbrauchs im Ausland strafbar.“
41Auf der Grundlage des Wortlauts der deutschen Übersetzung der §§ 350, 350 a serbisches StGB, wie sie ausweislich des Sitzungsprotokoll von Dr. X2. wiedergegeben worden ist, ist die rechtliche Bewertung im Urteil des VG T1. , wonach Asylbewerber gemäß § 350 a Abs. 1 StGB „allein wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland mit strafrechtlicher Verfolgung und Verurteilung zu rechnen (haben)“ (S. 11 des amtlichen Abdrucks), schwerlich tragfähig.
42§ 350 a serbisches StGB lautet hiernach wie folgt:
43(1) Wer versucht, in der Absicht, sich selbst oder jemand anderem einen Vorteil zu verschaffen, einen Transport, eine Verlegung, eine Aufnahme, eine Unterkunft, ein Versteck organisiert oder auf eine andere Weise ermöglicht, dass ein(e) Staatsbürger(in) Serbiens mittels einer falschen Darstellung der Gefährdung seiner/ihrer Menschenrechte und Grundfreiheiten im Ausland Asyl beantragt, erhält eine Haftstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren.
44Dem Wortlaut nach ist die bloße Stellung eines Asylantrages durch einen Asylbewerber für diesen nicht unter Strafe gestellt. Vielmehr ist nach näherer Maßgabe (schon) der Versuch strafbar, durch Unterstützungsleistungen (wie Transport, Schleusung etc.) einem serbischen Staatsbürger zu ermöglichen, einen missbräuchlichen Asylantrag im Ausland zu stellen. Die Regelung zielt damit ersichtlich auf Schleuser bzw. Schlepper oder sonstige Dritte ab, die einem Asylbewerber die Stellung eines Asylantrages bspw. in der Bundesrepublik Deutschland ermöglichen wollen; dieser Asylantrag muss zudem durch eine „falsche Darstellung der Gefährdung…“ gekennzeichnet sein.
45In diesem Sinne wird die Bestimmung, die nach den vorliegenden Erkenntnissen vor dem Hintergrund der Sorge Serbiens, dass die Ende Dezember 2009 eingeführte Visumfreiheit im Schengen-Raum „wegen des Fehlverhaltens einer Minorität („Wirtschaftsflüchtlinge“, über 90 % Roma)“ für alle serbischen Staatsangehörigen wieder suspendiert werden könnte, am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist, auch durch das Auswärtige Amt bewertet.
46Vgl. Lagebericht T. vom 18. Oktober 2013, S. 23, 24, wonach es strafbar sei, durch Unterstützungsleistungen einem serbischen Staatsangehörigen zu ermöglichen, einen missbräuchlichen Asylantrag im Ausland zu stellen.
47Ein anderes, weitergehendes Verständnis des § 350a Abs. 1 serbisches StGB ist auch nicht aufgrund der Strafschärfungsregelungen in Absätzen 2 und 3 gerechtfertigt.
48Darüber, dass § 350 a Abs. 1 serbisches StGB entgegen seines Wortlauts in der Praxis auf Asylbewerber allein wegen der bloßen Stellung eines Asylantrages tatsächlich Anwendung findet, liegen keine verifizierbaren Erkenntnisse vor. Das Auswärtige Amt hebt im vorzitierten Lagebericht im Gegenteil hervor, dass es Sanktionen wegen der Stellung eines Asylantrages im Ausland bisher „weder de jure noch de facto“ gebe. Angesichts dessen, dass seit 2013 zahlreiche serbische Staatsangehörige und darunter vornehmlich Roma nach erfolgloser Stellung eines Asylantrages im Ausland nach T. zurückgekehrt sind, wie gerichtsbekannt ist, wäre zu erwarten, dass eine solche etwaige Praxis zwischenzeitlich bekannt geworden wäre.
49Gegenteilige Erkenntnisse werden auch in dem Urteil des Verwaltungsgerichts T1. vom 25. März 2014 nicht benannt. Soweit in dem Tatbestand Frau Dr. X2. mit der Erklärung zitiert wird, dass nach dem Fortschrittsbericht der EU 2013 aufgrund der Vorschrift des § 350a sieben Strafverfahren gegen acht Personen betrieben worden seien (S. 4 des amtlichen Abdrucks), findet die unmittelbar anschließende, im Sitzungsprotokoll festgehaltene weitere Aussage der Zeugin, wonach nach ihrer Kenntnis „noch kein Urteil“ vorliege, keine Erwähnung. Gerade diese Aussage stützt indessen nachdrücklich die vom Auswärtigen Amt benannte Erkenntnislage.
50Die bereits zitierte weitere Erklärung bzw. Bewertung der Frau Dr. X2. , wonach (auch) der unerlaubte Grenzübertritt strafbar sei, trifft nach Maßgabe des Wortlauts des § 350 serbisches StGB in dieser Allgemeinheit ebenfalls nicht zu.
51§ 350 serbisches StGB lautet nach der im Sitzungsprotokoll zitierten Übersetzung:
52(1) Wer ohne vorschriftsmäßige Erlaubnis die Grenze Serbiens überquert oder versucht, diese zu überqueren, bewaffnet oder unter Anwendung von Gewalt, erhält eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr.
53Es spricht alles dafür, dass hiernach nur der bewaffnete oder unter Anwendung von Gewalt erfolgte unerlaubte Grenzübertritt unter Strafe gestellt wird. Unabhängig davon ist nicht ohne weiteres ersichtlich, inwieweit eine Norm, die die unerlaubte Grenzüberquerung als solche unter Strafe stellt, erst Recht wenn dies bewaffnet oder unter Anwendung von Gewalt erfolgt, eine im Rahmen des § 3 AsylVfG (oder des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG bzw. von § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) relevante Maßnahme beinhalten sollte.
54Nach allem steht für die Klägerin eine Bestrafung nach § 350a (und/oder nach § 350) serbisches StGB oder eine sonstige, nach Maßgabe von §§ 3 bis 3 c AsylVfG flüchtlingsschutzerhebliche Behandlung im Rückkehrfall prognostisch keinesfalls mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu befürchten. Neben den vorstehenden generellen Erwägungen folgt dies auch daraus, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben unter Verwendung ihres gültigen serbischen Reisepasses, demnach also nicht „illegal“, ausgereist ist.
55Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Gewährung von subsidiärem Schutz gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AsylVfG (entsprechend § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG). Nach diesen Vorschriften ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn ihm in seinem Herkunftsland die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder ihm als Zivilperson eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3) droht. Derartige Gefahren drohen der Klägerin bei einer Rückkehr nach T. nicht.
56Auch ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG ist für die Klägerin nicht zu bestätigen. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Es entspricht gesicherter (Kammer-)Rechtsprechung, dass ein Abschiebungsverbot nach diesen Normen zu Gunsten von Angehörigen der Volksgruppe der Roma aus T. regelmäßig nicht besteht.
57Vgl. die obigen Rechtsprechungszitate; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2014 – 5 A 195/14.A -.
58Aus den Erwägungen des Verwaltungsgerichts T1. in der mehrfach zitierten Entscheidung vom 25. März 2014 folgt insoweit wiederum nichts anderes. Dies deshalb, weil den entscheidungstragenden Darlegungen, die u.a. einen angenommenen Verstoß gegen das Recht auf freie Ausreise und damit gegen ein grundlegendes Menschenrecht begründen sollen – auch wenn es nicht ausdrücklich in Art. 15 Abs. 2 der Konvention genannt ist (vgl. S. 8, 9 des amtlichen Abdrucks) –, zur Überzeugung des Einzelrichters weder vom Rechtlichen (Anwendungsbereich der §§ 350, 350a serbisches StGB), noch vom Tatsächlichen (selektive Anwendung/Diskriminierung/Bestrafung gegenüber den Angehörigen der Roma in der Praxis) zu folgen ist. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen in Zusammenhang mit der Zuerkennung von Flüchtlingsschutz verwiesen.
59Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die von etwaigen Verstößen gegen die Reisefreiheit Betroffenen, die von ihrem Grundrecht auf Asyl bzw. auf Zuerkennung von Flüchtlingsschutz Gebrauch machen wollen bzw. gemacht haben, zumutbar auf die Inanspruchnahme von Rechtsschutz im Abschiebezielstaat bzw. durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu verweisen sind.
60Vgl. zu behaupteten staatlichen Maßnahmen zu Lasten ausreisewilliger bzw. zurückkehrender Asylbewerber (Roma) aus Mazedonien: OVG NRW, Beschluss vom 30. Oktober 2013 – 5 A 2439/12. A – unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 – 10 C 5.09 - und 7. Dezember 2004 – 1 C 14.04 -, juris.
61Insoweit ist lediglich anzumerken, dass (auch) T. Signaturstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention ist.
62Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18. Oktober 2013, S. 17.
63Schließlich liegen in der Person der Klägerin auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vor.
64Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Entscheidend ist allein, ob für den Ausländer eine konkrete individuelle Gefahr für die in der Vorschrift genannten Rechtsgüter besteht und die Gefahr dem Einzelnen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit droht.
65Vgl. BVerwG, Urteile vom 17.Oktober 1995 - 9 C 9.95 – und 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 -, jeweils juris.
66Ein Abschiebungsverbot nach dieser Vorschrift kann auch darin begründet sein, dass sich die individuelle Erkrankung eines ausreisepflichtigen Ausländers alsbald nach der Rückkehr in seinen Heimatstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlimmern würde, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind und er auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte.
67Vgl. dazu z. B. BVerwG, Urteil vom 29. Juli 1999- 9 C 2.99 - sowie Urteil vom 25.November 1997- 9 C 58.96 -, Beschluss vom 17. August 2011 – 10 B 13/11 -, jeweils zitiert nach juris.
68Hiernach sind indes regelmäßig nur solche Umstände relevant, die für den betreffenden Ausländer den Aufenthalt im Zielland der angedrohten Abschiebung unzumutbar machen und damit in Gefahren begründet liegen, welche diesem im Zielstaat drohen (zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote). Treten die befürchteten negativen Auswirkungen jedoch allein durch die Abschiebung als solche und nicht wegen der spezifischen Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung ein, so handelt es sich um ein sogenanntes inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis. Ein solches ist nicht durch das zuständige Bundesamt der Beklagten bei der Entscheidung über Abschiebungsverbote, sondern durch die zuständige Ausländerbehörde zu berücksichtigen.
69Vgl. BVerwG, Urteile vom 21.September 1999 - 9 C 8.99 - und vom 15.Oktober 1999 - 9 C 7.99 -, jeweils zitiert nach juris.
70Für die Prognose einer Gefährdung nach Rückkehr in das Herkunftsland im dargestellten Sinn ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit der so umschriebenen Gefahr erforderlich. Daraus folgt, dass die im konkreten Einzelfall für eine zu erwartende Rechtsgutverletzung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Umstände überwiegen müssen. Dies erfordert die zusammenfassende verständige Würdigung aller objektiven Umstände unter Einbeziehung des Ranges des gefährdeten Rechtsgutes und der Zumutbarkeit des mit der Rückkehr verbundenen Risikos aus der Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Dritten dahingehend, ob die Umstände die erhebliche Gefahr einer Rechtsgutverletzung alsbald erwarten lassen.
71Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2001 - 1 B 71.01 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 46
72Das Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit der zu erwartenden Gefährdungssituation ist dabei nur dann gegeben, wenn der Eintritt der Gefahr eine bedeutende Rechtsgutbeeinträchtigung nach sich zieht. Ausgehend von einer unzureichenden medizinischen Behandlungsmöglichkeit liegt das für die hieraus resultierende akute Lebensgefahr auf der Hand und heißt für den Fall der befürchteten Verschlimmerung einer bereits vorhandenen Erkrankung, dass sich der Gesundheitszustand nach Ankunft im Zielland der Abschiebung in absehbarer Zeit wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern wird. Der Begriff der wesentlichen Verschlechterung liegt nur dann vor, wenn die befürchtete ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustandes nach Rückkehr derart gravierend sein wird, dass außergewöhnlich schwere körperliche oder psychische Schäden oder existenzbedrohende Zustände zu erwarten sind.
73Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. September 2006- 13 A 1740/05.A -.
74Daraus leitet sich zugleich ab, dass eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht schon dann vorliegt, wenn von einer Heilung der Erkrankung im Zielland der Abschiebung wegen der dortigen Verhältnisse nicht auszugehen ist, die Erkrankung sich aber auch nicht gravierend zu verschlimmern droht. Das Abschiebungsverbot dient nämlich nicht dazu, dem ausreisepflichtigen erkrankten Ausländer die Heilung seiner Erkrankung im Rahmen des sozialen Systems der Bundesrepublik Deutschland zu eröffnen; vielmehr stellt es alleine den Schutz vor einer gravierenden Beeinträchtigung von Leib und Leben im Zielland einer Abschiebung oder Rückkehr sicher. Der Ausländer muss sich grundsätzlich auf den Behandlungsstandard, der in seinem Herkunftsland für die von ihm geltend gemachten Erkrankungen allgemein besteht, verweisen lassen, wenn damit keine grundlegende Gefährdung verbunden ist.
75Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. September 2003- 13 A 3253/03.A -.
76Zu berücksichtigen ist dabei ferner, ob der Ausländer voraussichtlich in der Lage sein wird, ohne Schädigung des Existenzminimums im Sinne der Gefahr drohender Verelendung, die erforderliche, eine Verschlimmerung der Erkrankung verhindernde, im Herkunftsland mögliche Behandlung zu finanzieren. Hierzu sind seine genannten voraussichtlichen Lebensumstände im Herkunftsland aber auch eventuelle finanzielle Unterstützungen, z. B. durch Inanspruchnahme von Sozialleistungen oder durch Verwandte im Ausland, in den Blick zu nehmen.
77Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. September 2011- 13 A 1660/11.A -.
78Hiervon ausgehend lässt sich nach Maßgabe der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer für die Klägerin ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht herleiten.
79In tatsächlicher Hinsicht geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin unter den im Tatbestand benannten Erkrankungen leidet.
80Es ist indessen nicht beachtlich wahrscheinlich, dass sich ihr Gesundheitszustand im Falle ihrer Rückkehr nach T. wegen fehlender Behandlungsmöglichkeiten, ihrer ethnischen Herkunft oder aus finanziellen Gründen wesentlich verschlechtern wird.
81Die attestierten Erkrankungen können nach den der Kammer vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen in T. behandelt werden, wobei ggfs. notwendige Medikamente ebenfalls zur Verfügung stehen.
82Vgl. Lageberichte des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik T. vom 29. Januar 2013 und 18. Oktober 2013, S. 22 f.; Auskünfte der deutschen Botschaft C. an das Verwaltungsgericht Bremen vom 10. und 7. Juni 2013.
83Hiernach können jedenfalls in den größeren medizinischen Zentren, wie bspw. in Nis, C. u.a. nicht nur Herzerkrankungen, sondern insbesondere auch Patienten, die an psychischen Erkrankungen, wie bspw. depressiven Störungen leiden, zureichend behandelt werden.
84Vgl. dazu auch VG Gelsenkirchen, Urteile vom 18. Mai 2012 – 17a K 5213/10.A – und 13. März 2013 – 7a K 5298/12.A -, juris.
85Auch insoweit ist eine hinreichende medikamentöse Versorgung regelmäßig gewährleistet. Es stehen insbesondere zahlreiche Psychopharmaka/Antidepressiva zur Verfügung. Vorliegend ist nichts für die Annahme substantiiert worden oder sonst ersichtlich, dass die von der Klägerin benötigten Medikamente oder jedenfalls gleichwertige Präparate für sie in T. nicht erhältlich sind.
86Mit dieser Erkenntnislage in Einklang stehend, haben die Klägerin und ihr Ehemann anlässlich ihrer informatorischen Befragung am 13. Februar 2013 gegenüber dem Bundesamt ausdrücklich angegeben, dass die Klägerin in C. regelmäßig, teilweise stationär, (auch) wegen ihrer psychischen Erkrankung behandelt und in diesem Zusammenhang auch mit Medikamenten versorgt worden sei - wenn auch möglicherweise auf einem anderen Niveau als in Deutschland.
87Ein Verweis auf eine grundsätzlich mögliche Behandlung in ihrem Heimatland ist für die Klägerin - gemessen an den Anforderungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG -auch nicht aufgrund der Aussagen in der ärztlichen Bescheinigung des Arztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. X1. vom 30. Juli 2013 unzumutbar. Dabei legt die Kammer, wie erwähnt, die darin diagnostizierten Erkrankungen (gegenwärtig mittelgradig bis schwer ausgeprägte rezidivierende depressive Störung, somatoforme Schmerzstörung) der vorstehenden Entscheidung zu Grunde. Diese sind nach Maßgabe der obigen Ausführungen in T. indessen grundsätzlich zureichend behandelbar.
88Soweit darüber hinaus ausgeführt wird, dass es selbst bei einer psychiatrischen-psychotherapeutischen Behandlung im Herkunftsland zu einer gesundheitlichen Verschlechterung kommen werde, „da die Ursachen aus dem Herkunftsland stammen“, folgt auch hieraus nicht, dass in der Person der Klägerin mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot besteht.
89Dr. X1. erachtet einen psychiatrischen Behandlungsbedarf für einen Zeitraum von „voraussichtlich mehreren Monate(n)“ für erforderlich, um eine „tragfähige Stabilisierung“ zu gewährleisten. Ein solcher Zeitraum ist bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits deutlich verstrichen. Es ist weder vorgetragen, noch durch ärztliche Bescheinigungen belegt worden, dass eine derartige Stabilisierung des Gesundheitszustandes der Klägerin nicht eingetreten ist oder sich dieser gar verschlechtert haben könnte.
90Unabhängig davon ist mangels jeglicher weiterer Substantiierung weder aus der ärztlichen Bescheinigung ableitbar, noch sonst ersichtlich, dass die für den Fall einer Behandlung der Klägerin im Herkunftsland vage prognostizierte Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes die Schwelle der Erheblichkeit im oben aufgezeigten Sinne überschreiten würde.
91Schließlich vermag das Gericht nicht der für die prognostizierte Verschlechterung des Gesundheitszustandes angegebenen Begründung zu folgen. Dr. X1. hat insoweit angenommen, die Ursachen (der Erkrankung) stammten aus dem Herkunftsland. Für eine solche Annahme fehlt jegliche ärztliche Erklärung. Eine solche Annahme ist aufgrund des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten, insbesondere der Angaben der Klägerin (und ihres Ehemannes) in dem aktuellen und den früheren Asyl(folge)verfahren, die dem behandelnden Arzt schwerlich bekannt waren, eher fernliegend. Hiernach liegen die wesentlichen Ursachen für die psychische Erkrankung der Klägerin in den Umständen ihrer Abschiebung aus der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2005 begründet, die sie als „traumatisch“ empfunden hat (Anhörung vom 13. Februar 2013: „Wir wollten eigentlich unseren Aufenthalt bei der Ausländerbehörde verlängern. Wir wurden dann festgehalten für eine Nacht und ich musste mich am Flughafen vor einer Frau komplett ausziehen und das kann ich alles einfach nicht vergessen, das ist für mich wie ein Trauma. Seither ist es so schlimm. Das ist eigentlich die Ursache für meine schlechte psychische Situation.“, Bl. 69 BA Heft 2). Entsprechendes wird in der Klagebegründung vertieft, mit dem ergänzenden Bemerken, dass die Klägerin, insbesondere die Trennung von ihren in Deutschland zurückgebliebenen Kindern nicht habe ertragen können und (deshalb) einen Suizidversuch unternommen habe.
92Diese Umstände liegen folglich nicht in den im Heimatland herrschenden Verhältnissen begründet und bilden keine taugliche Grundlage für die Annahme eines im vorliegenden Verfahren allein beachtlichen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Für die Prüfung etwaiger aus der Durchführung der Abschiebung resultierender und sonstiger sog. inlandsbezogener und tatsächlicher Vollstreckungshindernisse ist demgegenüber, wie ausgeführt, allein die Ausländerbehörde zuständig.
93BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 10 B 39.12 -, juris, m.w.Nw.
94Das Gericht ist desweiteren davon überzeugt, dass für die Klägerin im Fall ihrer Rückkehr nach T. die erforderliche Behandlung ihrer Krankheiten tatsächlich erreichbar ist.
95Dabei ist der Zugang zu medizinischen Behandlungen des öffentlichen Gesundheitssystems für die Bevölkerung in T. unabhängig von der ethnischen Herkunft gewährleistet.
96Vgl. den zitierten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18. Oktober 2013, S. 21 sowie Auskünfte der deutschen Botschaft C. an das Verwaltungsgericht Bremen vom 10. und 7. Juni 2013.
97Die Kammer ist weiter davon überzeugt, dass die Klägerin auch nicht aus Mangel an finanziellen Mitteln an einer Inanspruchnahme der notwendigen medizinischen Behandlung gehindert sein wird. Das gilt selbst dann, wenn zugrunde gelegt wird, dass es ihr jedenfalls wegen der herrschenden prekären wirtschaftlichen Lage in T. nicht gelingen wird, ihren Lebensunterhalt selber sicherzustellen.
98Sollten Kosten der notwendigen medizinischen Behandlung der Klägerin von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in voller Höhe übernommen werden (vgl. dazu den zitierten Lagebericht T. , S. 21 f.) und durch Sozialhilfeleistungen nicht oder nicht vollständig gedeckt werden können, muss sich die Klägerin auch hinsichtlich des im Übrigen notwendigen Lebensunterhalts nicht zuletzt mit Blick auf den bei Roma-Familien besonders ausgeprägten familiären Zusammenhalt auf die Unterstützung durch die Familie verweisen lassen. Die Klägerin hat insoweit – in Übereinstimmung mit der Auskunftslage – angegeben, in T. als Arbeitslose Mitglied der Krankenversicherung gewesen zu sein, sie aber diejenigen Medikamente, die nicht in staatlichen Apotheken erhältlich gewesen seien, in den privaten Apotheken habe bezahlen müssen.
99Für eine solche ergänzende Unterstützung kommen neben dem ausreisepflichtigen Ehemann der Klägerin und der nach eigenen Angaben in T. lebenden Großfamilie vor allem der in Deutschland aufhältige Sohn der Klägerin in Betracht, der sie nicht nur finanziell unterstützen, sondern ihr auch ggf. benötigte Medikamente besorgen und zusenden kann. Mit dieser Bewertung in Einklang stehend, hat die Klägerin in einem früheren Folgeverfahren im Januar 2010 gegenüber dem Bundesamt ausdrücklich angegeben, sie sei von ihren zwei seinerzeit in Deutschland lebenden Kindern in T. finanziell unterstützt worden (Bl. 49 BA Heft 3). Dass eine solche Möglichkeit zur - wenn auch im Einzelfall nur geringen - ergänzenden finanziellen Unterstützung der Klägerin auch durch (sonstige) nahe Verwandte nunmehr ausgeschlossen ist, etwa wegen eigener unzureichender Geldmittel, ist aufgrund des Hinweises auf die Arbeitslosigkeit ihres Sohnes nicht hinreichend substantiiert worden oder sonst ersichtlich.
100Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
101Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
102Eine, vom Prozessbevollmächtigen der Klägerin angeregte, Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht ist gemäß § 78 Abs. 2, Abs. 3 AsylVfG nicht eröffnet.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.