Verwaltungsgericht Freiburg Beschluss, 10. Feb. 2011 - 6 K 100/11
Tenor
Aufgrund der Anzeigen der Richter der 6. Kammer liegt kein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen der Beteiligten gegen die Unparteilichkeit eines der Richter zu rechtfertigen.
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Freiburg Beschluss, 10. Feb. 2011 - 6 K 100/11
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Freiburg Beschluss, 10. Feb. 2011 - 6 K 100/11
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenVerwaltungsgericht Freiburg Beschluss, 10. Feb. 2011 - 6 K 100/11 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten §§ 41 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter oder ehrenamtlicher Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.
(3) Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozeßordnung ist stets dann begründet, wenn der Richter oder ehrenamtliche Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden.
Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen sei.
(1) Über das Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung.
(2) Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter des Amtsgerichts über das Gesuch. Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der abgelehnte Richter das Ablehnungsgesuch für begründet hält.
(3) Wird das zur Entscheidung berufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlussunfähig, so entscheidet das im Rechtszug zunächst höhere Gericht.
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.
(1) Das zuständige Gericht innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird durch das nächsthöhere Gericht bestimmt,
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich oder tatsächlich verhindert ist, - 2.
wenn es wegen der Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiß ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig ist, - 3.
wenn der Gerichtsstand sich nach § 52 richtet und verschiedene Gerichte in Betracht kommen, - 4.
wenn verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben, - 5.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Wenn eine örtliche Zuständigkeit nach § 52 nicht gegeben ist, bestimmt das Bundesverwaltungsgericht das zuständige Gericht.
(3) Jeder am Rechtsstreit Beteiligte und jedes mit dem Rechtsstreit befaßte Gericht kann das im Rechtszug höhere Gericht oder das Bundesverwaltungsgericht anrufen. Das angerufene Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gegenstandswert: 194.202,50
Gründe:
I. Die Kläger begehren mit der Klage von der Beklagten Zahlung einer Tätigkeitstantieme für das Jahr 1995, im Wege der Stufenklage Auskunft hinsichtlich einer für das Jahr 1996 beanspruchten Tantieme, Erklärung des Einverständnisses mit dem Übergang von Rechten und Pflichten aus Versicherungsverträgen , ferner Zahlung einer vorgezogenen Altersrente und schließlich Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz. Das Landgericht - Kammer für Handelssachen - hat unter dem Vorsitz der Vorsitzenden Richterin am Landgericht W.-G. durch Teilurteil vom 6. Juni 2001 die Beklagte dazu verurteilt, ihr Einverständnis mit dem Übergang von Rechten und Pflichten aus den Versicherungsverträgen zu erklären und an den Kläger zu 1 ab 1. Januar 2001 monatlich im voraus eine vorgezogene Altersrente zu zahlen; ferner hat
es eine Schadensersatzpflicht teilweise festgestellt, das weitergehende Feststellungsbegehren hingegen abgewiesen. Unter Mitwirkung derselben Vorsitzenden hat das Landgericht durch weiteres Teilurteil vom 1. August 2001 die Klage wegen der Tantieme für 1995 abgewiesen. Gegen das erste Teilurteil hat die Beklagte Berufung mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung eingelegt , während der Kläger zu 1 mit seiner Anschlußberufung die Verzinsung der zugesprochenen Altersrente begehrt. Das zweite Teilurteil haben die Kläger in einem parallelen Berufungsrechtsstreit angefochten.
Mit Schreiben vom 26. September 2002 hat der dem zuständigen 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts angehörende Richter am Kammergericht G. die Parteien darauf hingewiesen, daß er der Ehemann der Vorsitzenden Richterin ist, die an dem angefochtenen ersten Teilurteil mitgewirkt hat. Daraufhin haben die Kläger mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2002 diesen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der abgelehnte Richter hat sich dienstlich dahingehend geäußert, er kenne den dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Sachverhalt nicht und schließe aus, mit seiner Ehefrau über den Fall und damit zusammenhängende Rechtsfragen gesprochen zu haben, daher fühle er sich nicht befangen.
Das Kammergericht hat das Ablehnungsgesuch - im Tenor als solches "der Beklagten vom 19. September 2002" bezeichnet - zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Kläger mit der - vom Kammergericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde.
II. 1. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO zugelassene, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Kläger ist auch im übrigen zulässig. Die Kläger sind durch den angefochtenen Beschluß be-
schwert. Zwar ist nach dem Wortlaut des Beschlußtenors ein "Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 19. September 2002" für unbegründet erklärt worden, und auch in den Gründen ist davon die Rede, daß das Gesuch "der Beklagten" erfolglos bleibe; dabei handelt es sich jedoch, worauf die Kläger in der Beschwerdebegründung zutreffend hinweisen, um offensichtliche - und damit unschädliche - Bezeichnungsfehler, weil es ausweislich der Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Beschluß und nach Aktenlage im vorliegenden Verfahren kein Ablehnungsgesuch der Beklagten und darüber hinaus auch kein solches vom 19. September 2002 gibt, sondern allein das Ablehnungsgesuch der Kläger vom 2. Oktober 2002. Nur dieses - auf Seite 3 des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich genannte - Gesuch ist daher vom Kammergericht - objektiv und subjektiv - zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht worden.
2. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Kammergericht hat das Ablehnungsgesuch der Kläger gegen den Richter am Kammergericht G. mit Recht für unbegründet erachtet.
a) Richter am Kammergericht G. ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht nach § 41 Nr. 6 ZPO von der Ausübung des Richteramtes im Berufungsverfahren gegen das (erste) Teilurteil vom 6. Juni 2001 des Landgerichts kraft Gesetzes ausgeschlossen, weil er bei dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung des ersten Rechtszuges nicht selbst mitgewirkt hat. Die Mitwirkung seiner Ehefrau, der Vorsitzenden Richterin am Landgericht W.-G., an diesem Teilurteil ist dem nicht gleichzusetzen, weil § 41 ZPO die Ausschließungsgründe abschließend aufführt; schon wegen der verfassungsmäßigen Forderung, den gesetzlichen Richter im voraus möglichst eindeutig zu bestimmen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), ist die Vorschrift einer er-
weiternden Auslegung nicht zugänglich (vgl. BGH, Urt. v. 5. Dezember 1980 - V ZR 16/80, NJW 1981, 1723 f.; Urt. v. 4. Dezember 1989 - RiZ(R) 5/89, NJW 1991, 425 - jeweils m.w.N.).
b) Die Mitwirkung der Ehefrau eines Rechtsmittelrichters an der angefochtenen Entscheidung stellt auch - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - keinen generellen Ablehnungsgrund gemäß § 42 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren dar. Eine solche generalisierende, allein auf die Tatsache des ehelichen Näheverhältnisses abstellende Betrachtung würde im Endergebnis auf dem Umweg über § 42 ZPO zu einer unzulässigen Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 41 ZPO führen, da sie faktisch einem Ausschluß kraft Gesetzes gleichkäme.
Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit vielmehr nur dann statt, wenn ein konkreter Grund vorgetragen und glaubhaft gemacht wird, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Nach diesem Maßstab ist im Ablehnungsverfahren nach § 42 Abs. 2 ZPO nicht darüber zu entscheiden, ob der Richter sich befangen fühlt oder tatsächlich befangen ist, sondern ob aus der Sicht einer objektiv und vernünftig urteilenden Partei die Besorgnis besteht, der zur Entscheidung berufene Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüber (st. Rspr., Nachweise bei Zöller/Vollkommer, ZPO 23. Aufl. § 46 Rdn. 9). Zu dieser Vorstellung kann eine nach diesem objektivierten Maßstab urteilende Partei nicht allein deswegen gelangen, weil der abgelehnte Richter mit der Vorsitzenden Richterin, die an der im Berufungsverfahren angegriffenen Kollegialentscheidung erster Instanz mitgewirkt, verheiratet ist. Nichts deutet im vorliegenden Fall darauf hin, der abgelehnte Richter könnte
geneigt sein, die Entscheidung, die seine Ehefrau nicht allein getroffen, sondern an der sie als Vorsitzende eines Kollegialgerichts lediglich mitgewirkt hat, aus sachfremden Erwägungen zu bestätigen oder zu ändern bzw. in die kollegiale Senatsentscheidung derartige sachfremde Erwägungen einfließen zu lassen. Umstände, aus denen sich etwas anderes ergeben könnte, haben die Kläger nicht dargetan, geschweige denn glaubhaft gemacht (§ 294 ZPO i.V.m. § 44 Abs. 2 ZPO).
Goette Kurzwelly Kraemer
Münke Gehrlein
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des stellvertretenden Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Offenburg vom 16.11.2005 - 5 O 91/05 KfH - dahin abgeändert, daß die Selbstablehnung des ordentlichen Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Offenburg, Vizepräsident des Landgerichts Dr. S., für begründet erklärt wird.
Gründe
|
| ||
|
| ||
|
| ||
|
| ||
|
| ||
|
| ||
|
|
Tenor
Das Ablehnungsgesuch der beklagten … gegen den Richter am Arbeitsgericht … als Vorsitzenden der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Lübeck sowie alle weiteren Kammervorsitzenden des Arbeitsgerichts Lübeck, in deren Kammern der Kläger als ehrenamtlicher Richter tätig war oder sein wird, wird als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe
I.
- 1
Der Kläger ist seit vielen Jahren Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in Schleswig-Holstein. Er ist seit 1995 freigestelltes Personalratsmitglied und auch freigestelltes Mitglied des Bezirkspersonalrats. Der Kläger ist zudem bei dem Arbeitsgericht Lübeck zum ehrenamtlichen Richter berufen. Er klagt nunmehr in einem Rechtstreit vor dem Arbeitsgericht Lübeck gegen die beklagte … als seinen Arbeitgeber auf fiktive Übertragung einer im Einzelnen benannten Tätigkeit und entsprechende Vergütung, gestützt auf § 46 Abs. 3 S. 6 BPersVG.
- 2
Das Arbeitsgericht Lübeck ist derzeit mit 145 ehrenamtlichen Richtern (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite) sowie fünf Berufsrichtern ausgestattet. Der Geschäftsverteilungsplan sieht keine Zuweisung von ehrenamtlichen Richtern ausschließlich an eine Kammer oder mehrere bestimmte Kammern vor. Die Zuteilung der ehrenamtlichen Richter erfolgt nach einer im Geschäftsverteilungsplan festgelegten alphabetisch geführten Heranziehungsliste in chronologischer Reihenfolge der anberaumten Sitzungen aller Kammern, ausgerichtet am jeweiligen konkreten Sitzungsbedarf. Ist die Liste erschöpft, wird wieder von vorne begonnen. Der Jahreswechsel hat keinen Einfluss auf die Heranziehungsreihenfolge. Herangezogen werden immer die ehrenamtlichen Richter (Arbeitgeber/Arbeitnehmer), die auf der Heranziehungsliste jeweils zuvorderst stehen.
- 3
Der Rechtsstreit des Klägers ist laut Geschäftsverteilungsplan der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Lübeck zugeordnet. Die beklagte …. hat den Vorsitzenden der 4. Kammer sowie alle weiteren Kammervorsitzenden des Arbeitsgerichts Lübeck wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil der Kläger deren ehrenamtlicher Beisitzer sei und als Arbeitsrichter mit den erkennenden Berufsrichtern in ständigem Rechtsverkehr stehe.
II.
A.
- 4
Die Zuständigkeit des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ergibt sich aus § 49 Abs. 2 ArbGG.
- 5
Das Ablehnungsgesuch ist zulässig. Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Ablehnung hat der Vorsitzende Richter der 4. Kammer nicht festgestellt. Das ergibt sich aus seiner den Parteien übermittelten Erklärung vom 17.08.2006 (Bl. 25 d. A.).
- 6
Die Voraussetzungen des § 44 ZPO liegen vor. An sich ist zwar nur die Ablehnung eines einzelnen Richters wegen eines bestimmten Grundes zulässig. Hier liegt jedoch der individuelle Grund der abgelehnten ganzen Berufsrichterschaft des Arbeitsgerichts Lübeck darin, dass jeder einzelne Berufsrichter als Mitglied eines Spruchkörpers, zu dem der Kläger als ehrenamtlicher Richter gehören kann, dann an einer Kollegialentscheidung mit diesem mitwirkt.
- 7
Sämtliche abgelehnten Richter des Arbeitsgerichts Lübeck haben auch eine dienstliche Äußerung abgegeben, die den Parteien mit Verfügung vom 18.09.2006 zur Kenntnis gebracht wurden. Damit ist Weg zu einer inhaltlichen Entscheidung über das Gesuch eröffnet.
- 8
B. Das Ablehnungsgesuch ist jedoch unbegründet.
- 9
1. Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Der Begriff der Besorgnis der Befangenheit erfordert, dass bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise die Partei befürchten kann, dass der Richter nicht unparteiisch entscheiden werde (allgemeine Meinung, vgl. nur BVerwG vom 11.06.1970, BVerwGE 35, 253; BGH vom 18.04.1980 - BGHZ 77, 72; Germelmann, Matthes, Prütting, Müller-Glöge, Kommentar zum ArbGG, Rd.-Ziff. 18 zu § 49 m. w. N, vgl. auch Baumbach-Hartmann, Kommentar zur ZPO, 64. Aufl., Rd.-Ziff. 10 zu § 42 m. w. N.).
- 10
Befangenheit, gleichbedeutend mit Parteilichkeit, Voreingenommenheit ist die unsachliche innere Einstellung des Richters zu den Beteiligten oder zum Gegenstand des konkreten Verfahrens. Sie tendiert zu der Gefahr, dass sachfremde Umstände die Bearbeitung und Entscheidung der Sache beeinflussen und dadurch ein Prozessbeteiligter bevorzugt oder benachteiligt wird (Münchener Kommentar zur ZPO - Feiber, Rd.-Ziff. 5 zu § 42 m. w. N.). Durch die Ablehnung wegen Befangenheit soll der Gefahr unsachlicher Beweggründe bei der Rechtsprechung begegnet werden.
- 11
Für die Ablehnung muss ausreichen, dass der Ablehnende einen vernünftigen Grund zu der Annahme hat, der Richter könne in die Verhandlung und Entscheidung des gerade anstehenden Falles sachfremde, unsachliche Erwägungen einfließen lassen (BAG vom 06.08.1997, NZA 1998, 332; Germelmann pp., a. a. O.).
- 12
Das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Rechtsprechung ist ein wertvolles Gut. Andererseits ist auch zu bedenken, dass eine zu weit gehende Bejahung der Besorgnis der Befangenheit das Prinzip des gesetzlich festgelegten Richters tangiert (Stein-Jonas, Komm. zur ZPO, 21. Aufl., Rd.-Ziff. 2 zu § 42). Als Ausnahmenorm (Korrektur der generellen Vorausbestimmung des gesetzlichen Richters) ist § 42 Abs. 2 ZPO eng auszulegen. Nur ausnahmsweise, wenn tatsächliche Gründe bestehen, die ernsthaft Parteilichkeit des Richters befürchten lassen, erlaubt Abs. 2, ihn gegen einen anderen auszuwechseln. Von dieser Grundüberlegung ist bei der Anwendung und Auslegung der Vorschrift auszugehen. Das Gesetz knüpft den Erfolg der Ablehnung daran, dass ein Ablehnungsgrund vorhanden ist. Bestehen Zweifel, ob er gegeben ist, so muss das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen werden (Münchener Kommentar - Feiber, Rd.-Ziff. 6 zu § 42).
- 13
Ob die Besorgnis der Befangenheit besteht, kann nur für den jeweiligen Einzelfall entschieden werden. (Germelmann pp. Rd.-Ziff. 19 zu § 49 ArbGG).
- 14
2. Das bloße Bestehen eines Kollegialitätsverhältnisses zwischen Richter und einem Verfahrensbeteiligten ist regelmäßig kein allgemeiner Befangenheitsgrund (Zöller- Vollkommer, Rz. 12 zu § 42 ZPO). Bei Bestehen eines Kollegialitätsverhältnisses müssen für einen Befangenheitsgrund darüber hinausgehende nähere berufliche oder private Beziehungen des Richters zu seinem Kollegen, der Partei, hinzutreten (Zöller-Vollkommer, Rd.-Ziff. 12 a zu § 42 ZPO). Insoweit ist in der Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die gemeinsame Zugehörigkeit zur gleichen Kammer, zum gleichen Spruchkörper, manchmal sogar zum gleichen kleineren Gericht die Besorgnis der Befangenheit begründen k a n n. Das wird insbesondere damit begründet, dass zwischen Richtern der gleichen Kammer in der Regel engere Beziehungen bestehen, die durch die gemeinsame Berufsarbeit begründet werden (vgl. OLG Nürnberg vom 08.12.1966 - 5 W 77/66 = NJW 1967, 1864 m. w. N.; sehr weitgehend OLG Hamm vom 29.06.1977 - 1 W 43/77 in MDR 1978, 583; vgl. auch zu diesem grundsätzlichen Ansatzpunkt OLG Schleswig vom 01.12.1987 - 1 W 63 und 88/87 in MDR 1988, 236 f. sowie LAG Schleswig-Holstein vom 16.04.1968 - 3 AR 68/68-G - in SchlHA 1968, 213 f). Die Zugehörigkeit zum gleichen größeren Gericht allein genügt jedoch regelmäßig nicht (BGH NJW 1957, 1400).
- 15
Nicht besonders enge gesellschaftliche, dienstliche oder berufliche Kontakte, kollegiales Verhältnis, sind abzugrenzen von freundschaftlicher Verbundenheit und geben regelmäßig bei Fehlen besonderer zusätzlicher Umstände keinen Befangenheitsgrund. Allerdings wird entscheidend auch hier immer die Intensität oder die Nähe der Beziehung sein. Im Prozess eines Richterkollegen wird die Besorgnis der Befangenheit wohl meistens bejaht werden müssen, wenn die Zusammenarbeit im beruflichen Bereich sehr eng ist, also in der Regel bei Zugehörigkeit zum gleichen Spruchkörper. Ist die Partei jedoch nicht Berufsrichter, so sind der Vorsitzende und die anderen Richter dieser Kammer nicht ohne weiteres als befangen zu erachten, denn hier ist die gemeinsame Mitwirkung an Verhandlungen und Beratungen wesentlich seltener und vom Umfang her geringer (Münchener Kommentar - Feiber, Rd.-Ziff. 12 zu § 72 ZPO).
- 16
3. In der Arbeitsgerichtsbarkeit sind, wenn nicht besondere - hier weder vorgetragene noch erkennbare - Umstände vorliegen, die persönlichen Beziehungen zwischen einem ehrenamtlichen Richter eines Arbeitsgerichts und den berufsrichterlichen Vorsitzenden desselben Arbeitsgerichts in der Regel nicht so eng ausgestaltet, dass sich hieraus allein vernünftigerweise ein begründetes Misstrauen ergeben kann, der betreffende Berufsrichter sei bei Durchführung des Rechtstreits, den einer der ehrenamtlichen Arbeitsrichter als Partei vor dem Gericht führt, befangen (LAG Schleswig-Holstein vom 16.04.1968 - 3 AR 68/68 in SchlHA 1968, 213 (214)). Schon angesichts der verhältnismäßig großen Zahl der ehrenamtlichen Richter - hier 145 - besteht kein Anhaltspunkt für eine so enge Bindung zwischen den Berufsrichtern und dem klagenden ehrenamtlichen Richter, dass vernünftigerweise hieraus allein die Besorgnis der Befangenheit begründet erscheint. Zu berücksichtigen ist ferner, dass in der Arbeitsgerichtsbarkeit nicht bei allen Verhandlungen, sondern ausschließlich im Rahmen der streitigen Verhandlungen und anschließenden Beratung überhaupt ein Kontakt zwischen den Berufsrichtern und den geschäftsplanmäßig ständig wechselnden ehrenamtlichen Richtern besteht. Diese sporadischen Kontakte sind nicht vergleichbar mit einer regelmäßigen engeren Zusammenarbeit anderer regelmäßig zusammenkommender Spruchkörper oder Berufskollegen. Das gilt vorliegend umso mehr angesichts der Tatsache, dass das Arbeitsgericht Lübeck in der Regel mit sechs - zur Zeit wegen einer Vakanz nur mit fünf - Berufsrichtern besetzt ist, mit der Folge, dass der einzelne ehrenamtliche Richter, geladen nach einer geschäftsplanmäßigen festen Listenreihenfolge nach konkretem Sitzungsbedarf der Kammern, jeweils völlig zufällig einem einzelnen Berufsrichter zu dessen anberaumtem Kammertermin zugeordnet wird. Bei dieser sporadischen, ständig wechselnden zufälligen punktuellen kollegialen Zusammenarbeit des ehrenamtlichen Richters mit den berufsrichterlichen Vorsitzenden desselben Arbeitsgerichts kann - ohne besondere weitere Umstände - nicht von einer so engen kollegialen und persönlichen Beziehung ausgegangen werden, dass eine Partei vernünftigerweise befürchten kann, der Berufsrichter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden (vgl. LAG Schleswig-Holstein a. a. O.).
- 17
Die seitens der beklagten …. angeführten möglichen „unbewussten Solidarisierungseffekte“ sind bei einer derartigen seltenen, zufälligen Zusammenarbeit zwischen Berufsrichtern und ehrenamtlichen Richtern in jährlich verschwindend geringer Zahl nahezu ausschließlich abstrakter, theoretischer Natur.
- 18
Das zeigt sich auch daran, das die beklagte …. mit ihrem Ablehnungsgesuch unter anderem die bereits mehrjährig an diesem Gericht tätige Vorsitzende Richterin der 2. Kammer ebenfalls als befangen abgelehnt hat, obgleich diese noch kein einziges Mal mit dem Kläger als ehrenamtlichen Richter zusammengearbeitet hat. Ebenso wurde der Vorsitzende der 6. Kammer als befangen abgelehnt, obgleich dieser zum Zeitpunkt des Ablehnungsgesuches keinerlei Erinnerung daran hatte, in der Vergangenheit mit dem Kläger zusammengearbeitet zu haben. Es ist auch nicht ansatzweise ersichtlich, auf Grund welcher Tatsachen sich bei vernünftiger Betrachtungsweise gleichwohl unbewusste Solidarisierungseffekte ergeben sollen. So weitgehende Folgen sind von § 42 Abs. 2 ZPO weder gedeckt, noch gewollt.
- 19
Bei „vernünftiger Betrachtungsweise“ im Sinne der Ausnahmenorm des § 42 Abs. 2 ZPO besteht bei derartig losen und sporadischen Kontakten der Zusammenarbeit zwischen den Berufsrichtern und dem ehrenamtlichen Richter kein objektiver Anhaltspunkt für ein begründetes Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Berufsrichters und eine parteiliche Beeinflussung der Rechtsprechung. Die Ausnahmenorm des § 42 Abs. 2 ZPO baut nicht auf der Rechtfertigung eines generellen Misstrauens gegen die unparteiische Amtsausübung des Richters auf und schafft insoweit gerade kein allgemeines Handlungsinstrument für jede besorgte Partei. An diesen Maßstab hat sich auch entgegen der Ansicht der beklagten …. seit 1968, dem Zeitpunkt der bereits zitierten, auch hier einschlägigen Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein nichts geändert. Ebenso wenig ist begründeter Handlungsbedarf ersichtlich.
- 20
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Arbeitsgerichts Freiburg vom 17.12.2002 - 5 Ca 625/02). Dort ging es um einen anderen Sachverhalt.
- 21
4. Letztendlich sind auch, wie das Landesarbeitsgericht in dem Beschluss vom 16.04.1968 zutreffend angeführt hat, Praktikabilitätsgesichtspunkte von Bedeutung. Wollte man der Auffassung der beklagten …. folgen, dass alle Berufsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen sind, sobald ein ehrenamtlicher Arbeitsrichter ihres Arbeitsgerichts einen Prozess führt, ungeachtet konkreter engerer beruflicher oder privater Beziehungen zu diesem ehrenamtlichen Richter, hätte dies zur Folge, dass maßgebende Arbeitgeber des Bezirkes des Arbeitsgerichts und auch maßgebende Betriebs- und Personalräte sowie Gewerkschaftsfunktionäre keine Rechtstreitigkeiten mehr vor dem ihnen nach der ZPO kraft Gesetzes zugewiesenen örtlich zuständigen Gericht führen können. Das steht im Widerspruch zu § 13 ZPO, vor allen Dingen aber zu §§ 21 und 29 ZPO. Ebenso wenig hat der Gesetzgeber in § 16 Abs. 2 ArbGG geregelt, dass die ehrenamtlichen Richter eines Arbeitsgerichtes zur Gewährleistung der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit nicht aus dem örtlichen Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Arbeitsgerichtes stammen dürfen. Eine solche Regelung wäre auch fatal. Dann müssten die ehrenamtlichen Richter des Landesarbeitsgerichts, die kraft Gesetzes aus dem ganzen Bundesland Schleswig - Holstein herangezogen werden, zur Vermeidung des Anscheins der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit der Arbeitsgerichtsbarkeit jeweils aus einem anderen Bundesland benannt werden, wollte man die abstrakte sporadische Möglichkeit, dass ein ehrenamtlicher Richter als Partei einen Prozess vor diesem Gericht führt, als einen berechtigten Grund für die Besorgnis der Befangenheit aller an dem jeweiligen Gericht tätigen Berufsrichter ansehen.
- 22
5. Besondere Umstände, die ungeachtet dessen das vorliegende Ablehnungsgesuch gleichwohl konkret rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen, noch erkennbar. Auch das Vorbringen der beklagten …., der Kläger habe unter Ausnutzung seiner als ehrenamtlicher Richter erworbenen Kenntnisse beim Verteidigungsministerium in Bonn angerufen und in diesem Gespräch auf einen raschen Kammertermin und die Auslastung des Arbeitsgerichts hingewiesen, was ihm nur aus der Funktion als ehrenamtlicher Richter bekannt sein könne, ist nicht geeignet, das Ablehnungsgesuch wirksam zu begründen. Insoweit handelt es sich um Äußerungen des Klägers. Die beklagte …. hat nicht den Kläger als befangen abgelehnt, sondern alle Berufsrichter des Arbeitsgerichts Lübeck. Maßgeblich für deren etwaige Befangenheit können nicht Äußerungen des Klägers, sondern nur Handlungen oder Äußerungen der abgelehnten Berufsrichter sein. Insoweit ist das erwähnte Telefonat mit dem Verteidigungsministerium für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch unbeachtlich.
- 23
Abgesehen davon sind die Informationen zur Auslastung des Arbeitsgerichts sowie zur zügigen Bearbeitung von Rechtstreitigkeiten allgemein zugänglich. Es sei in diesem Zusammenhang nur auf die letzte diesbezügliche Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichtes Schleswig-Holstein Nr. 8/2006 vom 12. Juni 2006 verwiesen. Etwas Verwerfliches an den behaupteten Äußerungen des Klägers ist daher nicht ersichtlich, schon gar nicht etwaige Auswirkungen seiner Äußerungen auf die Unparteilichkeit der Berufsrichter des Arbeitsgerichts Lübeck.
- 24
6. Aus den genannten Gründen war das Ablehnungsgesuch der beklagten …. vom 16.08.2006 als unbegründet zurückzuweisen. Es liegt kein Grund vor, der geeignet ist, begründetes Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Vorsitzenden der für diesen Rechtstreit zuständigen 4. Kammer des Arbeitsgerichts Lübeck, und sämtlicher weiterer Kammervorsitzenden des Arbeitsgerichts Lübeck rechtfertigen.
- 25
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 49 Abs. 3 ArbGG).
(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)