Verwaltungsgericht Freiburg Beschluss, 10. Feb. 2011 - 6 K 100/11

published on 10/02/2011 00:00
Verwaltungsgericht Freiburg Beschluss, 10. Feb. 2011 - 6 K 100/11
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Gericht

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Tenor

Aufgrund der Anzeigen der Richter der 6. Kammer liegt kein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen der Beteiligten gegen die Unparteilichkeit eines der Richter zu rechtfertigen.

Gründe

 
Die Richter der 6. Kammer des Gerichts haben gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 48 Abs. 1 ZPO angezeigt, dass der Beklagte seit September 2010 als ehrenamtlicher Richter der 6. Kammer zugeteilt ist und dass er bereits einmal an einer mündlichen Verhandlung der Kammer mitgewirkt hat. Den Beteiligten wurden die Anzeigen zur Kenntnis und Stellungnahme gegeben. Beide haben mitgeteilt, dass aus ihrer Sicht eine Besorgnis der Befangenheit nicht gegeben ist.
Hat ein Richter von einem Verhältnis Anzeige gemacht, das seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit durch die Beteiligten rechtfertigen könnte, entscheidet das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs durch die Beteiligten zuständige Gericht (§ 48 ZPO). Dies ist das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung (§ 45 Abs. 1 ZPO). Eine solche Entscheidung wird nicht dadurch entbehrlich, dass die Beteiligten erklären, selbst keine Besorgnis der Befangenheit zu sehen; denn es ist Aufgabe und Amtspflicht des Richters, für die unparteilich, neutral besetzte Richterbank zu sorgen (Musielak, in Münchner Kommentar zur Zivilprozessordnung, § 48 Rdnr. 1) und bei Zweifeln daran eine Entscheidung herbeizuführen.
In ihren Anzeigen haben die Richter der 6. Kammer insbesondere auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Meiningen (Beschl. v. 06.01.2009 - 5 K 257/08 Me -, juris m.w.N., zitiert u.a. bei v. Albedyll, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 5. Aufl., § 54 Rdnr. 27) hingewiesen, wonach der Umstand, dass ein einer Kammer zugeteilter ehrenamtlicher Richter gerade bei dieser Kammer ein Verfahren führt, für sich allein die Besorgnis der Befangenheit aller Berufsrichter dieser Kammer begründet.
Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet wegen Besorgnis der Befangenheit die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Maßgeblich ist insoweit die Beurteilung eines verständigen, vernünftig abwägenden Prozessbeteiligten (BVerwG, Beschl. v. 13.09.2007 - 14 A 1007.07 - Buchholz 310 § 53 VwGO Nr. 68).
Nach Überzeugung der Kammer wird ein solcher Beteiligter nicht zu der Ansicht gelangen, ein ehrenamtlicher Richter stehe von vornherein zu den Berufsrichtern einer Kammer in einem solchen Näheverhältnis, dass diese - unbewusst - seinem Vortrag mehr Gehör schenken als dem der anderen Beteiligten des Verfahrens (so schon VG Freiburg, Beschl. 22.04.1994 - 10 K 357/94 -). Zwar besteht insoweit eine gewisse kollegiale Nähe. Kollegiale Nähe ist aber für sich allein nicht hinreichend für eine begründete Besorgnis der Befangenheit. Dies wird auch dadurch ausgedrückt, dass bei der Bejahung einer Besorgnis der Befangenheit bei gesellschaftlichen sozialen, dienstlichen oder beruflichen Kontakten Zurückhaltung geboten ist (Meissner, in: Schoch/Schmitt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 54 Rdnr. 36 m.w.N.; dem entsprechend BGH, Beschl. v. 20.10.2003 - II ZB 31/02 - NJW 2004, 163: Die Mitwirkung der Ehefrau eines Rechtsmittelrichters bei dem Erlass der angefochtenen Kollegialentscheidung stellt keinen generellen Ablehnungsgrund im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren dar).
Zu einer solchen Ansicht wird ein solcher Beteiligter vielmehr nur dann gelangen, wenn besondere Umstände hinzutreten, die auf eine engere Verbundenheit hinweisen. Dabei kommt es weniger auf die kollegiale Nähe in der Vergangenheit (so aber VG Freiburg, Beschl. v. 05.11.1993 - 7 K 1902/93 - VBlBW 1994, 37, unter Hinweis auf die Mitwirkung einer ehrenamtlichen Richterin in der betroffenen Kammer über acht Jahre hinweg), sondern mehr darauf an, ob eine solche Nähe auch in Zukunft besteht und ob besondere weitere Umstände hinzutreten (OVG MV, Beschl. v. 18.01.2001 - 2 M 4/01 - juris). Ein nur gelegentlicher beruflicher Kontakt reicht nicht aus (BGH, Beschl. v. 04.07.1957 - IV ARZ 5/57 - FamRZ 1957, 314; BGH, Beschl. v. 04.07.1957 - vgl. auch BFH, Beschl. v. 01.08.2001 - VII S 5/01 - juris).
Zwar soll es regelmäßig für eine Besorgnis der Befangenheit genügen, dass ein um Rechtsschutz ersuchender Richterkollege nicht nur dem Gericht, sondern gerade dem Spruchkörper angehört, der zur Entscheidung über die Sache berufen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.06.2004 - 1 BvR 336/04 - NJW 2004, 3550 m.w.N.). Dies gilt aber nur für die Berufsrichter einer Kammer und nicht etwa auch für die Berufsrichter, die in dieser Kammer hin und wieder vertretungsweise mitwirken.
Bei ehrenamtlichen Richtern, die einem Spruchkörper zugewiesen sind, wird ein besonderes Näheverhältnis teilweise angenommen.
Bejaht wird es, allerdings auch nicht allgemein, beim ordentlichen Vorsitzenden einer Handelskammer in einem Rechtsstreit, in dem ein der Kammer angehörender (ehrenamtlicher) Handelsrichter Geschäftsführer einer der Parteien ist (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.02.2006 - 14 W 3/06 - Justiz 2006, 535 m.w.N., auch zur Gegenauffassung).
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Dem gegenüber sieht die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung in dem Umstand, dass eine Prozesspartei dem Gericht als ehrenamtlicher Richter angehört, keinen Befangenheitsgrund, weil der ehrenamtliche Richter mit dem Vorsitzenden einer Kammer in der Regel nur sporadisch zusammenarbeitet; anders ist es nur, wenn besondere Umstände dazu kommen (LAG Schl.-H., Beschl. v. 06.11.2006 - AR 57/06 - ArbuR 2007, 139 m.w.N.).
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Die Kammer folgt dieser Auffassung. Sie gilt in der Verwaltungsgerichtsbarkeit umso mehr, als dort in erster Instanz grundsätzlich nicht ein Berufsrichter allein, sondern eine aus drei Berufsrichtern bestehende Kammer berufen ist, über Rechtsschutzbegehren zu entscheiden. Ein unbefangener, verständig abwägender Beteiligter wird diesen Umstand nicht nur als Gewähr für eine bessere Qualität der Rechtsprechung im Allgemeinen, sondern auch als Gewähr dafür begreifen, dass sich die Richter durch eine gewisse Nähe zu einem der Prozessbeteiligten bei der Rechtsfindung nicht beeinflussen lassen werden.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 146 Abs. 2 VwGO).
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun
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published on 20/10/2003 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZB 31/02 vom 20. Oktober 2003 in der Rechtsbeschwerdesache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 41 Nr. 6, 42 Abs. 2 Die Mitwirkung der Ehefrau eines Rechtsmittelrichters bei dem Erlaß der angefochtenen
published on 06/11/2006 00:00

Tenor Das Ablehnungsgesuch der beklagten … gegen den Richter am Arbeitsgericht … als Vorsitzenden der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Lübeck sowie alle weiteren Kammervorsitzenden des Arbeitsgerichts Lübeck, in deren Kammern der Kläger als ehrenamtl
published on 24/02/2006 00:00

Tenor Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des stellvertretenden Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Offenburg vom 16.11.2005 - 5 O 91/05 KfH - dahin abgeändert, daß die Selbstablehnung des ordentlichen
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Annotations

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten §§ 41 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter oder ehrenamtlicher Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.

(3) Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozeßordnung ist stets dann begründet, wenn der Richter oder ehrenamtliche Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden.

Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen sei.

(1) Über das Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung.

(2) Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter des Amtsgerichts über das Gesuch. Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der abgelehnte Richter das Ablehnungsgesuch für begründet hält.

(3) Wird das zur Entscheidung berufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlussunfähig, so entscheidet das im Rechtszug zunächst höhere Gericht.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.

(1) Das zuständige Gericht innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird durch das nächsthöhere Gericht bestimmt,

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich oder tatsächlich verhindert ist,
2.
wenn es wegen der Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiß ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig ist,
3.
wenn der Gerichtsstand sich nach § 52 richtet und verschiedene Gerichte in Betracht kommen,
4.
wenn verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben,
5.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Wenn eine örtliche Zuständigkeit nach § 52 nicht gegeben ist, bestimmt das Bundesverwaltungsgericht das zuständige Gericht.

(3) Jeder am Rechtsstreit Beteiligte und jedes mit dem Rechtsstreit befaßte Gericht kann das im Rechtszug höhere Gericht oder das Bundesverwaltungsgericht anrufen. Das angerufene Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)