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I. In dem bei der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Offenburg anhängigen Rechtsstreit 5 O 91/05 KfH hat deren Vorsitzender unter dem 21.07.2005 gem. § 48 ZPO angezeigt, daß der Geschäftsführer der klagenden GmbH als ehrenamtlicher Handelsrichter Mitglied der zuständigen Kammer für Handelssachen ist. Mit Beschluß vom 16.11.2005, der der Beklagten am 21.11.2005 zugestellt wurde, hat der stellvertretende Vorsitzende der Kammer für Handelssachen ausgesprochen, daß die angezeigten Umstände eine Ablehnung nicht rechtfertigen. Hiergegen richtet sich die fristgemäß eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten, welcher das Landgericht durch Beschluß vom 09.01.2006 nicht abgeholfen hat.
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II. Die nach wohl überwiegender Meinung gem. § 46 Abs. 2 ZPO statthafte Beschwerde (BGH, NJW 1995, S. 403 f.; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2000, S. 591; Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl. 2005, Rdn. 3 zu § 48; Musielak/Heinrich, ZPO, 4. Aufl. 2005, Rdn. 4 zu § 48; a.A. etwa Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, 22 Aufl. 2004, Rdn. 4 zu § 48) hat auch in der Sache Erfolg.
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1. Die Selbstablehnung eines Richters (§ 48 ZPO) ist unter den Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 ZPO begründet. Danach findet die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit statt, wenn ein das Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit rechtfertigender Grund vorliegt. Dies ist der Fall, wenn die aufgeführten Tatsachen vom Standpunkt eines ruhig abwägenden Verfahrensbeteiligten aus betrachtet geeignet erscheinen, Zweifel an der Unparteilichkeit des betreffenden Richters zu wecken (vgl. BayObLGZ 1986, S. 249 ff., 252 ff., m.w.N.).
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2. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben:
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Es ist zwar allgemein anerkannt, daß allein die Zugehörigkeit einer Partei bzw. ihres gesetzlichen Vertreters zum selben Gericht eine Ablehnung in der Regel nicht begründen kann. Ein Kollegialverhältnis kann aber dann berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit hervorrufen, wenn es zu einer regelmäßigen Zusammenarbeit führt, wie das nicht nur zwischen Berufsrichtern, die demselben Spruchkörper angehören, sondern auch zwischen dem ordentlichen Vorsitzenden einer Kammer für Handelssachen und den seiner Kammer angehörenden Handelsrichtern der Fall ist. Hier wie dort ist die gemeinsame Zugehörigkeit zu demselben Spruchkörper auf eine offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit auch für die Zukunft angelegt. Die Besorgnis einer Partei, daß dieses Verhältnis möglicherweise zu einer unbewussten Solidarisierung mit negativer Auswirkung auf die Behandlung ihrer Sache führt, ist daher mit der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur als objektiver und vernünftiger Grund für eine Ablehnung des ordentlichen Vorsitzenden einer Kammer für Handelssachen, welcher der gesetzliche Vertreter einer Partei als Handelsrichter angehört, anzuerkennen (vgl. etwa OLG Nürnberg, NJW 1967, S. 1964; OLG Hamm, MDR, 1978, S. 583; Wieczorek/Neumann, ZPO, 3. Aufl. 1994, Rdn. 16 zu § 42; Zimmermann, ZPO, 5. Aufl. 1998, Rdn. 11 zu § 42; Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rdn. 12 a zu § 42; Thomas/Putzo, a.a.O., Rdn. 10 zu § 42; Baumbach/Hartmann, ZPO, 64. Aufl. 2006, Rdn. 30 zu § 42 [Stichwort „Kollegialität“]; auch Musielak/Heinrich, a.a.O., Rdn. 15 zu § 42; a.A. OLG Schleswig, MDR 1988, S. 236 f.; Feiber, in: Münch.Komm. ZPO, 2. Aufl. 2000, Rdn. 12 zu § 42).
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III. Die angefochtene Entscheidung war deshalb dahin abzuändern, daß die Selbstablehnung des Vizepräsidenten des Landgerichts Dr. S. für begründet erklärt wird.
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Eine Kostenentscheidung war nicht veranlaßt, weil die Kosten der erfolgreichen Beschwerde solche des Rechtsstreits sind (hierzu: Thomas/Putzo, a.a.O., Rdn. 9 zu § 46 m.w.N.).
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