Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2003 - II ZB 31/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gegenstandswert: 194.202,50
Gründe:
I. Die Kläger begehren mit der Klage von der Beklagten Zahlung einer Tätigkeitstantieme für das Jahr 1995, im Wege der Stufenklage Auskunft hinsichtlich einer für das Jahr 1996 beanspruchten Tantieme, Erklärung des Einverständnisses mit dem Übergang von Rechten und Pflichten aus Versicherungsverträgen , ferner Zahlung einer vorgezogenen Altersrente und schließlich Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz. Das Landgericht - Kammer für Handelssachen - hat unter dem Vorsitz der Vorsitzenden Richterin am Landgericht W.-G. durch Teilurteil vom 6. Juni 2001 die Beklagte dazu verurteilt, ihr Einverständnis mit dem Übergang von Rechten und Pflichten aus den Versicherungsverträgen zu erklären und an den Kläger zu 1 ab 1. Januar 2001 monatlich im voraus eine vorgezogene Altersrente zu zahlen; ferner hat
es eine Schadensersatzpflicht teilweise festgestellt, das weitergehende Feststellungsbegehren hingegen abgewiesen. Unter Mitwirkung derselben Vorsitzenden hat das Landgericht durch weiteres Teilurteil vom 1. August 2001 die Klage wegen der Tantieme für 1995 abgewiesen. Gegen das erste Teilurteil hat die Beklagte Berufung mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung eingelegt , während der Kläger zu 1 mit seiner Anschlußberufung die Verzinsung der zugesprochenen Altersrente begehrt. Das zweite Teilurteil haben die Kläger in einem parallelen Berufungsrechtsstreit angefochten.
Mit Schreiben vom 26. September 2002 hat der dem zuständigen 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts angehörende Richter am Kammergericht G. die Parteien darauf hingewiesen, daß er der Ehemann der Vorsitzenden Richterin ist, die an dem angefochtenen ersten Teilurteil mitgewirkt hat. Daraufhin haben die Kläger mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2002 diesen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der abgelehnte Richter hat sich dienstlich dahingehend geäußert, er kenne den dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Sachverhalt nicht und schließe aus, mit seiner Ehefrau über den Fall und damit zusammenhängende Rechtsfragen gesprochen zu haben, daher fühle er sich nicht befangen.
Das Kammergericht hat das Ablehnungsgesuch - im Tenor als solches "der Beklagten vom 19. September 2002" bezeichnet - zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Kläger mit der - vom Kammergericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde.
II. 1. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO zugelassene, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Kläger ist auch im übrigen zulässig. Die Kläger sind durch den angefochtenen Beschluß be-
schwert. Zwar ist nach dem Wortlaut des Beschlußtenors ein "Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 19. September 2002" für unbegründet erklärt worden, und auch in den Gründen ist davon die Rede, daß das Gesuch "der Beklagten" erfolglos bleibe; dabei handelt es sich jedoch, worauf die Kläger in der Beschwerdebegründung zutreffend hinweisen, um offensichtliche - und damit unschädliche - Bezeichnungsfehler, weil es ausweislich der Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Beschluß und nach Aktenlage im vorliegenden Verfahren kein Ablehnungsgesuch der Beklagten und darüber hinaus auch kein solches vom 19. September 2002 gibt, sondern allein das Ablehnungsgesuch der Kläger vom 2. Oktober 2002. Nur dieses - auf Seite 3 des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich genannte - Gesuch ist daher vom Kammergericht - objektiv und subjektiv - zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht worden.
2. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Kammergericht hat das Ablehnungsgesuch der Kläger gegen den Richter am Kammergericht G. mit Recht für unbegründet erachtet.
a) Richter am Kammergericht G. ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht nach § 41 Nr. 6 ZPO von der Ausübung des Richteramtes im Berufungsverfahren gegen das (erste) Teilurteil vom 6. Juni 2001 des Landgerichts kraft Gesetzes ausgeschlossen, weil er bei dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung des ersten Rechtszuges nicht selbst mitgewirkt hat. Die Mitwirkung seiner Ehefrau, der Vorsitzenden Richterin am Landgericht W.-G., an diesem Teilurteil ist dem nicht gleichzusetzen, weil § 41 ZPO die Ausschließungsgründe abschließend aufführt; schon wegen der verfassungsmäßigen Forderung, den gesetzlichen Richter im voraus möglichst eindeutig zu bestimmen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), ist die Vorschrift einer er-
weiternden Auslegung nicht zugänglich (vgl. BGH, Urt. v. 5. Dezember 1980 - V ZR 16/80, NJW 1981, 1723 f.; Urt. v. 4. Dezember 1989 - RiZ(R) 5/89, NJW 1991, 425 - jeweils m.w.N.).
b) Die Mitwirkung der Ehefrau eines Rechtsmittelrichters an der angefochtenen Entscheidung stellt auch - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - keinen generellen Ablehnungsgrund gemäß § 42 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren dar. Eine solche generalisierende, allein auf die Tatsache des ehelichen Näheverhältnisses abstellende Betrachtung würde im Endergebnis auf dem Umweg über § 42 ZPO zu einer unzulässigen Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 41 ZPO führen, da sie faktisch einem Ausschluß kraft Gesetzes gleichkäme.
Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit vielmehr nur dann statt, wenn ein konkreter Grund vorgetragen und glaubhaft gemacht wird, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Nach diesem Maßstab ist im Ablehnungsverfahren nach § 42 Abs. 2 ZPO nicht darüber zu entscheiden, ob der Richter sich befangen fühlt oder tatsächlich befangen ist, sondern ob aus der Sicht einer objektiv und vernünftig urteilenden Partei die Besorgnis besteht, der zur Entscheidung berufene Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüber (st. Rspr., Nachweise bei Zöller/Vollkommer, ZPO 23. Aufl. § 46 Rdn. 9). Zu dieser Vorstellung kann eine nach diesem objektivierten Maßstab urteilende Partei nicht allein deswegen gelangen, weil der abgelehnte Richter mit der Vorsitzenden Richterin, die an der im Berufungsverfahren angegriffenen Kollegialentscheidung erster Instanz mitgewirkt, verheiratet ist. Nichts deutet im vorliegenden Fall darauf hin, der abgelehnte Richter könnte
geneigt sein, die Entscheidung, die seine Ehefrau nicht allein getroffen, sondern an der sie als Vorsitzende eines Kollegialgerichts lediglich mitgewirkt hat, aus sachfremden Erwägungen zu bestätigen oder zu ändern bzw. in die kollegiale Senatsentscheidung derartige sachfremde Erwägungen einfließen zu lassen. Umstände, aus denen sich etwas anderes ergeben könnte, haben die Kläger nicht dargetan, geschweige denn glaubhaft gemacht (§ 294 ZPO i.V.m. § 44 Abs. 2 ZPO).
Goette Kurzwelly Kraemer
Münke Gehrlein
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Annotations
Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen:
- 1.
in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht; - 2.
in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; - 2a.
in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 3.
in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war; - 4.
in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist; - 5.
in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist; - 6.
in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt; - 7.
in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird; - 8.
in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen:
- 1.
in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht; - 2.
in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; - 2a.
in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 3.
in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war; - 4.
in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist; - 5.
in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist; - 6.
in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt; - 7.
in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird; - 8.
in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.
Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen:
- 1.
in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht; - 2.
in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; - 2a.
in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 3.
in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war; - 4.
in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist; - 5.
in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist; - 6.
in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt; - 7.
in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird; - 8.
in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.
(1) Das Ablehnungsgesuch ist bei dem Gericht, dem der Richter angehört, anzubringen; es kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.
(2) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden. Zur Glaubhaftmachung kann auf das Zeugnis des abgelehnten Richters Bezug genommen werden.
(3) Der abgelehnte Richter hat sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern.
(4) Wird ein Richter, bei dem die Partei sich in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so ist glaubhaft zu machen, dass der Ablehnungsgrund erst später entstanden oder der Partei bekannt geworden sei. Das Ablehnungsgesuch ist unverzüglich anzubringen.