Verwaltungsgericht Freiburg Beschluss, 30. Okt. 2014 - 4 K 1804/14

bei uns veröffentlicht am30.10.2014

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der zulässige Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung der der Beigeladenen bzw. ihrer Rechtsvorgängerin von der Antragsgegnerin erteilten Baugenehmigung vom 06.08.2014 ist unbegründet. Das Interesse der Beigeladenen, von dieser Baugenehmigung für den Umbau des Gasthauses „…“, Gastronomieerweiterung, Einbau weiterer Hotelzimmer, Dachgauben, Treppenhausanbau, Außenbewirtschaftung und Neubau eines Wohngebäudes (zwölf Wohneinheiten) mit Tiefgarage (mit 14 Stellplätzen) und vier oberirdischen Stellplätzen auf dem Grundstück Flst.-Nr. … der Gemarkung … (...straße …) - Baugrundstück - entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 212a BauGB sofort Gebrauch machen zu dürfen, überwiegt das private Interesse des Antragstellers, des Eigentümers der östlich des Baugrundstücks gelegenen, jeweils mit einem Reihenwohnhaus bebauten (zwei) Grundstücke Flst.-Nrn. … und … (...straße … und …) an einem Aufschub der Bauausführung bis zur Entscheidung in der Hauptsache. Denn der von dem Antragsteller rechtzeitig erhobene Widerspruch gegen die oben genannten Baugenehmigung wird aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben, da der Antragsteller durch diese Baugenehmigung weder in bauordnungsrechtlicher noch in bauplanungsrechtlicher Hinsicht in eigenen Rechten verletzt sein dürfte.
Für den Erfolg (einer Baunachbarklage bzw.) eines Nachbarwiderspruchs - wie hier - ist es anerkanntermaßen nicht ausreichend, wenn ein Bauvorhaben (nur) objektiv-rechtlich rechtswidrig ist. Vielmehr muss hinzukommen, dass das Bauvorhaben gegen Vorschriften verstößt, die auch dem Schutz der Nachbarn und nicht allein öffentlichen Interessen dienen (siehe u. a. Dürr, Baurecht - Baden-Württemberg, 14. Aufl. 2013, RdNrn. 294 ff., m.w.N., und 348; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 113 RdNrn. 24 ff., m.w.N.).
1. Die Baugenehmigung verstößt nicht gegen Vorschriften des Bauordnungsrechts, denen auch nachbarschützende Wirkung zukommt.
1.1 Die nach § 5 LBO erforderlichen Abstandsflächen sind, was auch vom Antragsteller nicht bestritten wird, bis auf die Südseite des Baugrundstücks auf dem Baugrundstück eingehalten. Soweit die Abstandsfläche für die Südwand des genehmigten Neubaus in der öffentlichen Straßenfläche der …straße liegt, steht das zum einen in Einklang mit § 5 Abs. 3 Satz 2 LBO und vermag zum anderen keine Rechte des Antragstellers als Eigentümer zweier östlich gelegener Grundstücke zu verletzen.
1.2 Die Frage, ob die Beigeladene ihre aus § 37 Abs. 1 und 2 LBO folgende Stellplatzverpflichtung (ausreichend) erfüllt hat oder ob die nachgewiesenen Stellplätze, wie der Antragsteller behauptet, hinter dem durch das Bauvorhaben, insbesondere auch durch die in größerem Umfang geplante Außenbewirtschaftung, zu erwartenden Bedarf an Stellplätzen zurückbleiben, kann hier dahingestellt bleiben. Denn die Vorschriften über die Stellplatzverpflichtung dienen anerkanntermaßen nicht dem Schutz Privater, sondern ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung öffentlicher Verkehrsflächen vom ruhenden Verkehr (Sauter, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, Stand: Nov. 2013, Bd. 1, § 37 RdNr. 12, m.w.N.; Dürr, Baurecht, a.a.O., RdNr. 315, m.w.N.; Urteil der Kammer vom 18.09.2014 - 4 K 2190/13 -). Ein möglicher Verstoß gegen § 37 Abs. 7 Satz 2 LBO wäre zwar geeignet, den Nachbarn in seinen Rechten zu verletzen (Dürr, Baurecht, a.a.O., RdNr. 315, m.w.N.). Doch ist hier angesichts der Umstands, dass sich die Ein- und Ausfahrt der genehmigten Tiefgarage im Norden an der Schwarzwaldstraße und damit weit entfernt von den Grundstücken des Antragstellers befindet, kein Anhaltspunkt für eine tatsächliche Beeinträchtigung des Antragstellers durch Lärm und/oder Abgase bei der Nutzung der Tiefgaragenstellplätze gegeben. Ob ein eventueller Mangel an Stellplätzen im Einzelfall zu Beeinträchtigungen führen kann, die für den Nachbarn unzumutbar sind, ist kein bauordnungsrechtlicher, sondern allenfalls ein bei der Prüfung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots zu berücksichtigender Gesichtspunkt (siehe hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.01.2008, NVwZ-RR 2008, 600; Dürr, Baurecht, a.a.O., RdNr. 315, m.w.N.; Beschluss der Kammer vom 18.12.2008 - 4 K 2219/08 -, juris; Näheres dazu unten Nr. 2.2.1).
2. Auch in bauplanungsrechtlicher Hinsicht verletzt das genehmigte Bauvorhaben bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung keine Rechte des Antragstellers.
2.1 Dabei kann die von dem Antragsteller in den Vordergrund seiner Begründung gestellte Frage, ob das Bauvorhaben nach dem für das Baugrundstück aktuell geltenden Bebauungsplan „…“ in der Fassung der vom Gemeinderat der Antragstellerin am 12.03.2013 als Satzung beschlossenen 1. Änderung (Plan-Nr. …) zu beurteilen ist, ebenso dahingestellt bleiben, wie die weitere Frage, ob der Entwurf über die 2. Änderung dieses Bebauungsplans gemäß dem Planentwurf vom 02.07.2014 (Plan-Nr. …) die für die Erteilung einer Baugenehmigung nach § 33 Abs. 3 BauGB erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Denn das genehmigte Bauvorhaben verletzt nach allen in Betracht kommenden bauplanungsrechtlichen Grundlagen keine Vorschriften bzw. Festsetzungen, die auch den Schutz des Antragstellers als Nachbarn bezwecken.
2.1.1 Der Antragsgegner behauptet die Rechtswidrigkeit und die daraus folgende Unwirksamkeit des aktuell geltenden Bebauungsplans „…“ in der 1. Änderungsfassung vom 12.03.2013 (Plan-Nr. …) aus verschiedenen formellen und materiellen Gründen. Für den Fall der Richtigkeit seiner Auffassung und der weiteren Annahme, dass auch der Entwurf über die 2. Änderung dieses Bebauungsplans gemäß dem Planentwurf vom 02.07.2014 (Plan-Nr. …) nicht geeignet sein sollte, die Fehler zu heilen, oder der Entwurf noch nicht die für eine Heilung der Baugenehmigung erforderliche Planreife haben sollte, käme es auf den Bebauungsplan „…“ in seiner ursprünglichen vom Regierungspräsidium … am 24.03.1970 genehmigten Fassung (Plan-Nr. …) an. Dieser Bebauungsplan setzt für das Baugrundstück u. a. als Art der baulichen Nutzung ein Baugebiet in Form eines Allgemeinen Wohngebiets (WA), als Maß der baulichen Nutzung höchstens zwei zulässige Vollgeschosse und eine Geschossflächenzahl (GFZ) von 0,7 sowie als überbaubare Grundstücksflächen Baugrenzen (exakt) entlang der vorhandenen Bebauung fest. Alle diese (vier) Festsetzungen, von denen zumindest die Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung und die überbaubare Grundstücksfläche recht deutlich überschritten sein dürften und deren Verletzung vom Antragsteller auch gerügt wird, dienen jedoch mit größter Wahrscheinlichkeit nicht dem Schutz des Antragstellers als Eigentümer der Grundstücke Flst.-Nrn. … und …. Das folgt bereits daraus, dass diese Grundstücke nicht innerhalb des Baugebiets und sogar außerhalb des Geltungsbereichs des oben bezeichneten Bebauungsplans (in all seinen Fassungen) liegen.
Festsetzungen in einem Bebauungsplan haben jedoch im Allgemeinen nur eine städtebauliche und damit öffentlichen Interessen dienende Funktion, ihnen kommt selbst innerhalb eines Baugebiets in aller Regel keine nachbarschützende Wirkung (zugunsten Privater) zu. Etwas anderes gilt nur dann, wenn den textlichen oder zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplans oder seiner Begründung (ggf. auch durch Auslegung) ein anderer Wille des Satzungsgebers entnommen werden kann (vgl. hierzu Dürr, in: Brügelmann, Baugesetzbuch, Stand: Febr. 2014, Bd. 2, § 30 RdNrn. 41 ff., m.w.N). Von den hier für eine Verletzung in Betracht kommenden (vier) Festsetzungen hat die Rechtsprechung lediglich den Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung und unter bestimmten Voraussetzungen auch den Festsetzungen über Baugrenzen eine nachbarschützende Wirkung zugesprochen, ohne dass sich dies eigens aus dem Bebauungsplan ergeben muss (siehe Dürr, in: Brügelmann, a.a.O., § 30 RdNrn. 45 ff. und 63 ff.). Demgegenüber ist allgemein anerkannt, dass Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung, das heißt hier über die Zahl der zulässigen (Voll-)Geschosse und die GFZ, nur dann eine nachbarschützende Wirkung zugesprochen werden kann, wenn dies im Bebauungsplan (ausdrücklich) zum Ausdruck kommt (siehe Dürr, in: Brügelmann, a.a.O., § 30 RdNrn. 57 ff., m.w.N.).
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Soweit ein Bebauungsplan nach den vorstehenden Ausführungen dem Nachbarn eines Bauvorhabens überhaupt einen Abwehranspruch gewährt, gilt das grundsätzlich nur für Grundstücke innerhalb des Bebauungsplangebiets. Eigentümer von Grundstücken außerhalb dieses Gebiets können sich selbst im Hinblick auf Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung und über Baugrenzen, denen innerhalb eines Baugebiets nachbarschützende Wirkung zukommen kann, generell nicht auf die Einhaltung des Bebauungsplans berufen, es sei denn, dem Bebauungsplan ließe sich entnehmen, dass der Satzungsgeber ausdrücklich (auch) den Schutz dieser außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücke bezweckt hätte (vgl. speziell zum fehlenden baugebietsübergreifender Nachbarschutz BVerwG, Urteil vom 18.12.2007, NVwZ 2008, 427; siehe auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 23.08.1996, VBlBW 1997, 62; siehe insgesamt zum planübergreifenden Nachbarschutz Dürr, in: Brügelmann, a.a.O., § 30 RdNr. 74, m.w.N.; Beschluss der Kammer vom 18.09.2009 - 4 K 1412/09 -, bestätigt durch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 24.03.2010 - 3 S 2216/09 -; ganz aktuell VG Augsburg, Beschluss vom 22.08.2014 - Au 5 S 14.1046 -, juris). Eine solche Zweckbestimmung lässt sich dem Bebauungsplan in seiner ursprünglichen am 24.03.1970 genehmigten Fassung nicht entnehmen. Es gibt weder im textlichen noch im zeichnerischen Teil des Bebauungsplans noch in der knappen Begründung irgendeinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gemeinderat der Antragsgegnerin überhaupt irgendeiner Festsetzung eine private Schutzwirkung zukommen lassen wollte. Etwas anderes hat auch der Antragsteller nicht zu belegen vermocht.
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Damit können durch eine Verletzung der in dem am 24.03.1970 genehmigten Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen keine Rechte des Antragstellers verletzt sein.
12 
2.1.2 Das gilt im Ergebnis auch für den Bebauungsplan in seiner späteren Fassung vom 12.03.2013 und in seiner Entwurfsfassung vom 02.07.2014 - beide Fassungen stimmen im Hinblick auf die getroffenen Festsetzungen und vor allem auch in ihrem räumlichen Geltungsbereich, der sich auf das Baugrundstück beschränkt, überein, sie unterscheiden sich nur in Teilen der Begründung und in ihren Bezugnahmen auf unterschiedliche Fassungen der Baunutzungsverordnung. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die in diesen Bebauungsplanänderungen getroffenen Festsetzungen von dem genehmigten Bauvorhaben weitestgehend eingehalten werden. Die Anzahl der Plätze für die Außenbewirtung in der auf dem Baugrundstück vorgesehenen Gaststätte ist, wie die Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt hat, nicht Gegenstand einer (normativen) Festsetzung, sondern nur eines Hinweises unter Nr. 9. der textlichen Festsetzungen, so dass durch die vorgesehene Anzahl von bis zu 100 Außenbewirtungsplätzen schon deshalb kein rechtlich erheblicher Verstoß gegen den Bebauungsplan in seiner Fassung vom 12.03.2013 vorliegt. Wenn überhaupt, dann kann eine die Interessen des Antragstellers betreffende Verletzung von (normativen) Festsetzungen des Bebauungsplans in den neueren Fassungen allenfalls insoweit erörterungswürdig sein, als es darum geht, ob die Überschreitung der östlichen Baugrenze um 1,50 m auf einer Länge von 26 m durch die ebenerdigen Terrassen im Erdgeschoss des genehmigten Neubaus von § 23 Abs. 5 BauNVO gedeckt und damit noch zulässig ist. Aber auch hier gilt, dass weder der Fassung der Satzung vom 12.03.2013 noch des Entwurfs vom 02.07.2014 zu entnehmen ist, dass der Gemeinderat der Antragsgegnerin einer Festsetzung im Bebauungsplan eine private, erst recht eine über das Plangebiet hinausreichende Schutzwirkung zukommen lassen wollte.
13 
Damit scheidet eine Rechtsverletzung des Antragstellers wegen etwaiger (objektiv-rechtlicher) Verstöße gegen Festsetzungen des Bebauungsplans in den neueren Fassungen aus denselben Gründen aus wie dies im Hinblick auf die ursprüngliche Fassung des Bebauungsplans der Fall ist (siehe hierzu oben unter 2.1.1).
14 
Auf die unter den Beteiligten zum Teil ausgiebig erörterten Fragen zur Eigenschaft der genehmigten Gaststätte als wohngebietsverträgliche Schank- und Speisewirtschaft im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 BauNVO sowie auf die abschließende Beantwortung der Zulässigkeit einer Baugrenzenüberschreitung durch die Terrassen nach § 23 Abs. 5 BauNVO kommt es hiernach nicht an.
15 
2.2 Damit können Rechtsverletzungen des Antragstellers durch das genehmigte Bauvorhaben nur im Fall einer Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme gegeben sein (siehe hierzu BVerwG, Urteil vom 18.12.2007, a.a.O.; Dürr, in: Brügelmann, a.a.O., § 30 RdNr. 74, m.w.N.; Beschluss der Kammer vom 18.09.2009, a.a.O.; VG Augsburg, Beschluss vom 22.08.2014, a.a.O.), ohne dass es hier darauf ankäme, ob das Rücksichtnahmegebot im vorliegenden Fall aus § 15 Abs. 1 BauNVO, aus dem Begriff des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB oder aus der „Würdigung nachbarlicher Interessen“ in § 31 Abs. 2 BauGB abzuleiten ist.
16 
Das Rücksichtnahmegebot hat insoweit zunächst objektiv-rechtliche Bedeutung. Nachbarschutz vermittelt es nur insoweit, als in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. In Nachbarrechtsverfahren kommt es deshalb allein darauf an, ob sich ein Vorhaben in der dargelegten qualifizierten Art und Weise rücksichtslos, das heißt unzumutbar auswirkt. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzuwägen ist, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (ständige Rechtsprechung; vgl. u. a. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.03.2012 - 3 S 223/12 -, juris, m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 28.10.1993, NVwZ 1994, 686; Urteil der Kammer vom 25.07.2012 - 4 K 2241/11 -, juris). Ob sich ein Vorhaben auf ein benachbartes Grundstück unzumutbar auswirkt, ist eine Frage des Einzelfalls. Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus; vielmehr ist eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit erforderlich (siehe hierzu insges. auch Dürr, Baurecht, a.a.O., RdNr. 301, m.w.N.).
17 
Nach diesen Grundsätzen liegt hier eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht vor.
18 
2.2.1 Das gilt zunächst für den genehmigten Gaststättenbetrieb einschließlich der Außenbewirtung. Vor allem durch die von der Antragsgegnerin vorgelegte schalltechnische Untersuchung - ergänzende Stellungnahme zum Gutachten vom 30.05.2012 - ist überzeugend belegt, dass dieser Betrieb nicht zu für die Wohngebäude des Antragstellers unzulässigen Lärmimmissionen führt. Das ist auch deshalb einleuchtend, weil zum einen das gesamte Gebiet ohnehin bereits erheblich durch den Lärm des Kfz- und Straßenbahnverkehrs auf der …straße und der …straße vorbelastet ist und weil der genehmigte Neubau auf dem Baugrundstück gegenüber den Grundstücken des Antragstellers wie eine Lärmschutzwand wirkt. Auch der durch die auf dem Baugrundstück genehmigten Nutzungen hervorgerufene Parksuchverkehr verletzt den Antragsteller unabhängig von der Frage, ob die nach der Landesbauordnung nachzuweisenden Stellplätze ausreichend sind, nicht in seinen Rechten. Das setze voraus, dass ernsthaft zu befürchten wäre, dass es aufgrund von Parkverstößen zu Erschwernissen für den fließenden Verkehr und auf diese Weise zu Behinderungen bei der Zufahrt für Feuerwehr, Polizei und Krankenwagen etc. kommen könnte, dass also die Erschließung der Grundstücke des Antragstellers unzumutbar beeinträchtigt wäre (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.01.2008, a.a.O.). Angesichts der konkreten örtlichen Situation, die durch generell fehlende Parkmöglichkeiten auf der Straße vor den Häusern des Antragstellers gekennzeichnet ist und einen vernünftigen Kraftfahrzeugführer von vornherein davon abhalten wird, dort nach Parkmöglichkeiten zu suchen, ist mit solchen Erschwernissen indes nicht zu rechnen. Falls es im Einzelfall erforderlich sein sollte, muss den Verstößen mit ordnungsrechtlichen Mitteln begegnet werden; notfalls kann sich auch die Anordnung straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen als erforderlich erweisen. Jedenfalls kann eine Baugenehmigung, auf deren Erteilung der Bauherr bei Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen einen grundrechtlich gewährleisteten Anspruch hat, wegen solcher Erschwernisse nicht versagt werden (Beschluss der Kammer vom 18.12.2008 - 4 K 2219/08 -, juris, m.w.N.).
19 
2.2.2 Auch aus den Ausmaßen der genehmigten Bebauung auf dem Baugrundstück und deren Lage ergibt sich kein Verstoß gegen das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme. Das gilt vor allem auch für den genehmigten Neubau an der Ostseite des Baugrundstücks, gegen den sich der Antragsteller in erster Linie wendet. Dieser Neubau hält die nach der Landesbauordnung erforderlichen Abstandsflächen auf dem Baugrundstück unstreitig ein. Die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächentiefen konkretisieren grundsätzlich - so auch hier - im Rahmen des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots die Grenzen eines hinsichtlich Belichtung, Belüftung, Besonnung und Einsichtnahme gebotenen Mindestschutzes (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22.11.1984, NVwZ 1985, 653, und vom 06.12.1996, NVwZ-RR 1997, 516; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.11.2007, VBlBW 2008, 147, m.w.N.; ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. u. a. Beschluss der Kammer vom 13.02.2013 - 4 K 103/13 -; siehe hierzu auch die Rechtsprechung in einem Bundesland mit anderen Regelungen zu den Abstandsflächen, so u. a. VG Augsburg, Beschluss vom 22.08.2014, a.a.O., m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall in Bezug auf die genannten Belange ausnahmsweise von Rechts wegen größere Abstandsflächentiefen erforderlich wären, hat der Antragsteller nicht geltend gemacht; hierfür ist auch nichts ersichtlich. Insbesondere grenzt das Baugrundstück nicht unmittelbar an die Grundstücke des Antragstellers. Dazwischen liegt vielmehr noch ein anderes mit mehreren Garagen bebautes Grundstück (Flst.-Nr. …). Dadurch ist der Abstand von dem nächstgelegenen Wohnhaus des Antragstellers zu der Grenze des Baugrundstücks an der engsten Stelle etwa 7 m (ca. 9 m an der breitesten Stelle) und zu dem genehmigten Neubau mehr als 11 m (bzw. 13 m) breit. Auf diese Weise entspricht der tatsächliche Abstand zwischen den Gebäuden mehr als dem Doppelten der gesetzlich erforderlichen Abstandsflächentiefe, die hier mit 0,4 der Wandhöhe ohnehin die größten Ausmaße aufweist, die die baden-württembergische Landesbauordnung vorsieht. Bei dieser Sachlage ist - abgesehen von den mit dem Abstandsflächenrecht abschließend erfassten nachbarlichen Belangen der Belichtung, Belüftung, Besonnung (bzw. Verschattung) und Einsichtnahme - auch kein Raum für die Annahme, das genehmigte Bauvorhaben könne sich auf die Wohnhäuser des Antragstellers erdrückend, einkesselnd oder einmauernd auswirken. Das wird außerdem auch daran deutlich, dass der genehmigte Neubau mit seiner absoluten Höhe exakt der Firsthöhe der Wohnhäuser des Antragstellers entspricht und insoweit sogar niedriger ist als andere Gebäude in der näheren Umgebung, darunter das bestehende Gebäude des (alten) Gasthauses „…“ und die im Osten an das oben bezeichnete Garagengrundstück angrenzenden Wohnhäuser auf der Südseite der …straße. Allein die Stellung des genehmigten Neubaus in Nord-Süd-Richtung und quer zu den westlich des Baugrundstücks zusammenlaufenden Straßen …straße und …straße vermag angesichts der zuvor dargestellten besonderen örtlichen Gegebenheiten eine Rücksichtlosigkeit gegenüber den Grundstücken des Antragstellers ebenfalls nicht zu begründen. Denn diese Gebäudestellung stellt sich angesichts der aufeinander zulaufenden, parallel zu den oben genannten Straßen angeordneten Häuserreihen, zu denen die Wohnhäuser des Antragstellers gehören, durchaus als nachvollziehbarer städtebaulich pointierter Endpunkt dieser Häuserreihen dar. Abgesehen davon übersieht der Antragsteller bei seinen Einwendungen gegen diese in der näheren Umgebung angeblich gebietsfremde Gebäudestellung, dass sich auf der Ostseite seiner beiden Wohnhäuser und in weniger als 20 m Entfernung dazu das so gen. „…“-Gebäude befindet, das im Verhältnis zu der umliegenden Bebauung eine ähnliche Gebäudestellung (in Nord-Süd-Richtung) aufweist wie der genehmigte Neubau und das die gesamte benachbarte Bebauung einschließlich des geplanten Neubaus auf dem Baugrundstück in Bezug auf Gebäudehöhe und -volumen deutlich übersteigt (siehe hierzu die in der Antragsschrift vom 12.08.2014 als Anlagen „Beweis“ bezeichneten Unterlagen in Form eines Lageplans und eines Lichtbilds).
20 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO.
21 
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG. Die Kammer orientiert sich hier an Ziff. 9.7.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, welcher bei der Anfechtung einer Baugenehmigung durch einen Nachbarn einen Streitwert von 7.500 EUR bis 15.000 EUR vorsieht, soweit nicht ein höherer wirtschaftlicher Schaden feststellbar ist. Im „Normalfall“ ist daher ein Streitwert von 10.000 EUR festzusetzen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 03.09.2014 - 5 S 804/14 -, juris). Im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens ist hier nicht nur der halbe Wert des für das Klageverfahren nach dem Klägerinteresse anzunehmenden Streitwerts anzusetzen, weil die begehrte Entscheidung im Erfolgsfall bereits die Hauptsache weitgehend vorwegnimmt.

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1.
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Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 3.750,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Neubaus von 54 Wohneinheiten, vier Büros, einem Café, Tiefgarage und Quartiersgarage.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... der Gemarkung ... (...), welches mit einem zweigeschossigen Mehrfamilienhaus mit als Vollgeschoss ausgebautem Dachgeschoss nebst Dachspitz bebaut ist. Das Grundstück liegt nördlich an die ...gasse an und befindet sich innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB).

Südlich an die ...gasse liegen die Grundstücke der Beigeladenen mit den Fl.Nrn. ... und ... jeweils der Gemarkung ... an, auf denen das Bauvorhaben verwirklicht werden soll. Die Grundstücke der Beigeladenen befinden sich im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. ... „...“ der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2001, rechtsverbindlich seit dem 14. Juni 2002. Der Bebauungsplan Nr. ... der Antragsgegnerin setzt sowohl in seinen textlichen Festsetzungen (§ 3 Abs. 2) als auch in seinen zeichnerischen Festsetzungen für die Baugrundstücke ein Mischgebiet fest.

Aus der Begründung des Bebauungsplanes ergibt sich, dass das Plangebiet überwiegend mit Betriebsanlagen der Brauereien „...“ und „...“ sowie mit verschiedenen Gaststätten bebaut war. Anlass für die Bauleitplanung war, wie sich aus der Satzungsbegründung unter D.2. ergibt, dass die Verlagerung der Produktionstechnik der Brauereien aus der Innenstadt durch eine planungsrechtliche Ausweisung des Gebiets als Wohnbau- bzw. Mischgebietsfläche ermöglicht werden sollte. Dafür sollten, wie aus Punkt D.3. „Ziele der Planung“ hervorgeht, allgemeine Wohngebiete bzw. Mischgebiete mit dem Schwerpunkt auf einer Wohnnutzung zugelassen werden. Angestrebt wurden ca. 500 Geschosswohnungen mit großzügig geschnittenen Grundrissen in meist zeilenförmig angeordneten, fünfgeschossigen, bis zu 80 m langen Baukörpern. Die Höhenentwicklung der vorgesehenen Baukörper gliedere sich prinzipiell in vier Geschosse und ein zurückgesetztes Terrassengeschoss mit flach geneigten Dächern. Der „bemerkenswerte Baukörper der ehemaligen ... in der ...gasse“ solle erhalten und ergänzt werden. Die Gebäudestruktur lasse eine gemischte Nutzung als Wohn- und Geschäftshaus zu. Nachdem sich in den Folgejahren herausgestellt hatte, dass der Baukörper der ... „wegen der äußerst schlechten und maroden Bausubstanz des ...-Gebäudes“ nicht erhalten werden konnte - so der Vortrag der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 21. Juli 2014 -, wurde das ...-Gebäude, welches sich im Wesentlichen auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... befand, von der Beigeladenen mit Ausnahme eines Teils der Gebäudemauer an der nördlichen Grundstücksgrenze im März 2013 abgebrochen.

Die Beigeladene beantragte mit Formblatt vom 27. Juni 2012 die Erteilung eines Vorbescheides, der von der Beklagten am 18. März 2013 für den Neubau einer Wohnanlage mit gewerblichen Einheiten, Tiefgarage und Quartiersgarage erteilt wurde. Die Frage nach der planungsrechtlichen Zulässigkeit der im Baugebiet ... dargestellten erdgeschossigen Quartiersgarage mit einer Größe von bis 50 Stellplätzen beantwortete die Antragsgegnerin für die Beigeladene positiv. Ferner wurde eine Befreiung für die Überschreitung der zulässigen Geschossflächen in den Baugebieten ... um 151 qm, ... um 282 qm und ... um 342 qm in Aussicht gestellt. Ebenfalls wurde eine Befreiung für die Überschreitung von den zulässigen Grundflächen unter anderem im Baugebiet ... um 323 qm in Aussicht gestellt. Auch für die Überschreitung von der zulässigen Zahl der Vollgeschosse unter anderem in dem Baufeld ... um jeweils ein Vollgeschoss, in untergeordneten Teilbereichen auch darüber hinaus, wurde eine Befreiung in Aussicht gestellt. Auch eine Befreiung hinsichtlich der Zahl der Vollgeschosse für den siebengeschossigen Gebäudeteil im ... sowie einer zusätzlichen Dachaufstockung für den Treppenraum in bestimmten Bereichen wurde in Aussicht gestellt. Die antragsgegenständliche Überschreitung der zulässigen Zahl der Vollgeschosse sowie der zulässigen Firsthöhe im Baufeld ... sei städtebaulich akzeptabel. Unter anderem für das Baufeld ... wurde eine Befreiung für die Überschreitung von den Baugrenzen und Abrücken von den Baulinien inklusive Überschreitung der Straßenbegrenzungslinie in den im Baurechtsplan Nr. ... blau schraffierten Bereichen in Aussicht gestellt. Weitere Befreiungen bezüglich der zulässigen Firsthöhen, der Gestaltung der Gebäude mit Flachdächern, der Überschreitung der zulässigen Grundfläche, der Überschreitung der Baugrenzen und Flächen für Tiefgaragen, für den Entfall von festgesetzten Mauern, den Entfall von privaten Grünflächen für die Überschreitung von Baugrenzen im westlichen Bereich des ... durch die eingeschossige Quartiersgarage, den drei- bis fünfgeschossigen Baukörper und durch den siebengeschossigen Gebäudeteil wurden ebenso wie für die Nichteinhaltung der erforderlichen Abstandsflächen gemäß Abstandsflächenplan Nr. ... eine Abweichung in Aussicht gestellt.

Unter V. „Hinweise“, A. „Immissionsschutz“ wurde auf § 7 des Bebauungsplanes Nr.... und insbesondere auf die Beachtung des § 7 Abs. 5 des Bebauungsplanes hingewiesen. Entsprechend sei der Schallschutz in einem schalltechnischen Gutachten für die Einzelbauvorhaben gesondert nachzuweisen. Dieser Nachweis sei bei Einreichung der Bauanträge vorzulegen. Maßgeblich sei der Nachweis der Einhaltung der Richtwerte nach TA Lärm. Zur Frequentierung sei die aktuelle Fassung der Parkplatzlärmstudie des Bayerischen Landesamts für Umweltschutz heranzuziehen.

Der Vorbescheid wurde im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 22. März 2013 öffentlich gemäß Art. 66 Bayerische Bauordnung (BayBO) bekannt gemacht.

Soweit ersichtlich, hat der Antragsteller den Vorbescheid nicht angefochten.

Mit Bauantrag vom 30. September 2013 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für das vorbezeichnete Vorhaben unter zahlreichen Befreiungen sowie Abweichungen von den Abstandsflächen nach Osten, Süden, Westen und Norden (A 22; Fläche von 634 m2).

Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. April 2014 wurde der Beigeladenen die Baugenehmigung für den Neubau von 54 Wohneinheiten, vier Büros, einem Café, Tiefgarage und Quartiersgarage (3. Bauabschnitt) für die Grundstücke Fl.Nrn. ... und ... der Gemarkung ... (...gasse ...) unter zahlreichen Befreiungen, Abweichungen und Auflagen erteilt. Der Bescheid wurde für den Antragsteller am 4. April 2014 mit Einschreiben zur Post gegeben. Der Baugenehmigungsbescheid wurde im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 11. April 2014 gemäß Art. 66 BayBO öffentlich bekannt gemacht.

Der Baugenehmigungsbescheid befreit die Beigeladene von der Einhaltung der nördlichen Baulinie an der ...gasse um die Breite der Wandstärke der städtebaulich zu erhaltenden Grenzwandscheibe der ehemaligen ..., der festgesetzten südlichen, westlichen, nordwestlichen sowie östlichen Baugrenze, der Einhaltung der durch Bebauungsplan zulässigen Grundfläche (Überschreitung um 354 qm), der für die Tiefgarage festgesetzten Flächen, der durch Bebauungsplan festgesetzten Geschosszahlen (4) und festgesetzten Firsthöhen in Teilbereichen, der zulässigen Geschossfläche (Überschreitung um 508 qm), der festgesetzten Firstrichtungen und Dachformen, der Ausführungen der Absturzsicherungen an Balkonen und Fenstern, der Baumstandorte, der festgesetzten Mauern und privaten Grünflächen sowie der Einhaltung der festgelegten Flächen für einen Kinderspielplatz. Zur Begründung ist ausgeführt, die Befreiungen könnten nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt werden, da sie städtebaulich vertretbar seien, die Grundzüge der Planung nicht berührten und die Abweichungen auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar seien.

Bauordnungsrechtliche Abweichungen wurden hinsichtlich der geplanten Zu- und Abfahrt vor der Quartiersgarage in der ...gasse sowie hinsichtlich der Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften zur westlichen, südlichen und östlichen Grundstücksgrenze erteilt. Die Abweichungen seien gemäß Art. 63 BayBO ermessensfehlerfrei zuzulassen, da sie auch unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange auch mit den öffentlichen Belangen vereinbar seien. Aus den geplanten Gebäudelagen ergebe sich keine Verschlechterung für die nachbarlichen Interessen. Auf die weitere Begründung sowie die tenorierten Auflagen des Baugenehmigungsbescheides wird Bezug genommen.

Die Bevollmächtigten des Antragstellers erhoben gegen den Bescheid vom 2. April 2014 am 5. Mai 2014 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg mit dem Antrag, den Baugenehmigungsbescheid aufzuheben. Über diese Klage (Az. Au 5 K 14.673) ist noch nicht entschieden.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 11. Juli 2014, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg am 14. Juli 2014, ließ der Antragsteller im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 5. Mai 2014 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. April 2014 anzuordnen.

Der Bescheid sei schon deshalb rechtswidrig, weil das Vorhaben der Beigeladenen die Abstandsflächenvorschriften nach Norden nicht einhalte und eine Abweichung trotz entsprechenden Antrags nicht erteilt worden sei. Gemäß dem Abstandsflächenplan zum Bauvorhaben überschreite die Abstandsfläche nicht nur die Straßenmitte, sondern auch die Grundstücksgrenze des Klägers und reiche weit bis in dessen Grundstück hinein. Der Planer der Beigeladenen habe dies offensichtlich erkannt und deswegen auch mit der Einreichung des Bauantrages hierzu einen Antrag auf Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften gestellt. Die verfahrensgegenständliche Baugenehmigung spreche eine solche Abweichung jedoch nur bezüglich der westlichen, südlichen und östlichen Außenwandbereiche aus. § 5 Abs. 3 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr.... „...“ regele, dass unabhängig von den festgesetzten Baulinien und Baugrenzen die nach Art. 6 Abs. 4 und 5 BayBO erforderlichen Abstandsflächen einzuhalten seien. Ausgenommen hiervon seien nur hier nicht interessierende Außenwandbereiche gemäß den im Beiplan „Abstandsflächen“ gekennzeichneten Bereichen.

Der Bescheid erweise sich auch hinsichtlich der Genehmigung der Kubatur und Höhe des Gebäudes, teilweise unter Erteilung von Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes, aufgrund eines Verstoßes gegen das nachbarschützende Rücksichtnahmegebot als rechtswidrig. Die Festsetzungen zur Kubatur des zulässigen Gebäudes im Bereich des Vorhabens seien ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan (D.3.) vor dem Hintergrund getroffen worden, dass vom Erhalt des an dieser Stelle damals noch bestehenden ...-Gebäudes ausgegangen worden sei. Die Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften, deren Anwendung für diesen Bereich nach § 5 Abs. 3 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes uneingeschränkt angeordnet werde, hätten in diesem Fall problemlos rechtmäßig erteilt werden können, ohne den Nachbarn in seinen Rechten zu verletzen. Nach dem nahezu vollständigen Abriss des Bestandsgebäudes könne diesem Konzept des Bebauungsplans allerdings nicht mehr Rechnung getragen werden. Es sei vielmehr nur noch das beantragte Gebäude, unabhängig von dem abgebrochenen Altbestand, zu beurteilen. Schon die Ausnutzung der festgesetzten Maximalmaße der Baugrenzen und Baulinien sei nicht ohne Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften möglich, die Befreiung von den Festsetzungen erst recht nicht. Die Genehmigung der beantragten Situierung auf dem Grundstück und der Ausmaße, insbesondere der Höhe des Vorhabens, widerspreche dem Rücksichtnahmegebot. Die Mindestabstände seien nicht eingehalten. Für den Antragsteller entstehe so eine erdrückende Wirkung dadurch, dass die bereits vorhandenen engen Verhältnisse im Stadtviertel verstärkt würden und seinem recht kleinen Haus eine Art massiver „Klotz“ gegenübergestellt werde. Dies werde durch die beigefügten Fotos veranschaulicht. Das Gebäude des Antragstellers sei deutlich niedriger als das verfahrensgegenständliche Gebäude. Die extremen Größenunterschiede wirkten sich im engen Altstadtbereich mit der schmalen ...gasse besonders deutlich aus und sorgten für den Eindruck, die gegenüberliegende Wand des Vorhabens befinde sich unmittelbar vor der Haustüre des Antragstellers. Dadurch entstehe ein bedrückendes Gefühl des Eingeschlossenseins. Der Antragsteller könne nicht darauf verwiesen werden, dass die Situation im Vergleich zum vorherigen Stand nicht verschlechtert werde. Jeder Bestandsschutz sei durch Abbruch des Gebäudes aufgegeben worden. Der Beigeladene könne sich hinsichtlich der Erteilung durch die Baugenehmigung ausgesprochenen Befreiungen auch nicht auf die Bindungswirkung des Vorbescheides vom 18. März 2013 berufen. Dieser habe die maßgeblichen Befreiungen noch nicht verbindlich ausgesprochen. Gleiches gelte für die erforderlichen Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften, die durch den Vorbescheid auch nicht erteilt worden seien.

Was die Quartiersgarage anbelange, beeinträchtige diese durch das von ihr ausgelöste Verkehrsaufkommen den Antragsteller unzumutbar durch Lärmeinwirkung und verstoße daher gegen das Rücksichtnahmegebot. Im Vorbescheidsverfahren habe die Fachstelle Immissionsschutz im Umweltamt der Antragsgegnerin in der Stellungnahme vom 1. Juli 2012 darauf hingewiesen, dass zwar hinsichtlich der Quartiersgarage keine grundsätzlichen Bedenken bestünden, allerdings der gutachterliche Nachweis der Einhaltung der Lärmschutz-Grenzwerte notwendig sein werde. Daraufhin sei die Frage nach der Genehmigungsfähigkeit der Quartiersgarage im Vorbescheid ausdrücklich nicht endgültig beantwortet, sondern dem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten worden. Dort sei dann allerdings entgegen der vorbezeichneten Stellungnahme und § 7 Abs. 5 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes auf den gutachterlichen Nachweis verzichtet worden. Es seien willkürliche Grenzwerte (3 dB(A) unter den Grenzwerten für Mischgebiete) als Auflage angeordnet und die Konfliktlösung weiter auf §§ 26, 24 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) verlagert worden. Diese Lösung der Lärmproblematik sei in Ansehung der Rechte des Antragstellers rechtswidrig, weil sie einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot darstelle. Die TA Lärm sehe einen Verzicht auf eine Vorbelastungsbewertung nur vor, wenn der Bauherr nachweise, dass die Emissionen seines Vorhabens an den maßgeblichen Immissionsorten den Richtwert um 6 dB(A) unterschritten (Ziffer 3.2.1 der TA Lärm). Hier sei weder ein Nachweis der Vorbelastung durch andere Betriebe noch der Nachweis der Einhaltung der Unterschreitung eines Richtwerts von 6 dB(A) erfolgt. Die im Bescheid festgelegten Werte seien somit willkürlich und nachweislich einhaltbar. Damit werde der sich aufdrängende Lärmkonflikt auf das Vollzugsverfahren und damit in die Risikosphäre der Nachbarschaft verlagert. Der Vorbescheid, namentlich die Antwort zur dortigen Frage 4, entfalte zu diesen Rechtsfragen keine Bindungswirkung. Auf die weitere Antragsbegründung wird Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 21. Juli 2014, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg am 24. Juli 2014,

den Antrag abzuweisen.

Einzelne Fragen im Zusammenhang mit der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens seien bereits durch den Vorbescheid vom 18. März 2013 geklärt worden. Dabei seien zahlreiche Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. ... rechtlich bindend abgehandelt worden, wie z. B. die vorgesehene erdgeschossige Quartiersgarage, deren Nutzung mit den verkehrlichen und immissionsschutzrechtlichen Belangen als vereinbar erachtet worden sei. Zutreffend sei, dass im Vorbescheid vom 18. März 2013 (unter V. Hinweise) auf § 7 des Bebauungsplans Nr.... hingewiesen worden sei, wonach der Schallschutz in einem schalltechnischen Gutachten für die Einzelbauvorhaben gesondert nachzuweisen sei. Dort sei auch vermerkt, dass der Nachweis bei der Einreichung der Bauanträge vorzulegen sei. Dieser Hinweis sei in den Bauvorbescheid aufgenommen worden, da zum damaligen Zeitpunkt und Planungsstand nicht klar gewesen sei, wie die tatsächliche Nutzung der streitgegenständlichen Grundstücke aussehen werde. Mit den Bauantragsunterlagen sei die Nutzung ausreichend konkretisiert worden. Wie der Fachstellenbeteiligung Umweltamt vom 12. November 2013 im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu entnehmen sei, seien lediglich die Tiefgaragenzufahrt der Quartiersgarage, der sonstige Parkverkehr, das Café und eventuelle Lüftungsanlagen als wesentliche Geräuschquellen zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung der Situierung und der geringen Größe der Quartiersgaragenausfahrt sowie des Cafés und dessen Betriebszeiten ergebe sich keine unzumutbare Lärmeinwirkung auf das Gebäude des Antragstellers. Dies gelte auch deshalb, weil in der Umgebung kaum gewerbliche Betriebe vorhanden seien, die ein nennenswertes Emissionspotenzial hätten.

Zudem werde mit dem Vorbescheid vom 18. März 2013 einer Befreiung für die Überschreitung der zulässigen Zahl der Vollgeschosse um jeweils ein Vollgeschoss auch im fraglichen Baufeld ... zugestimmt, wenn auf den auskragenden Teil des Penthouses verzichtet werde und dies von der nördlichen Gebäudekante abrücke. Die mit dem Baugenehmigungsbescheid vom 2. April 2014 erteilten Befreiungen zum Maß der baulichen Nutzung sowie zur überbaubaren Grundstücksfläche begründeten keine Verletzung nachbarschützender Vorschriften. Die Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche hätten nur städtebaulichen Charakter. Den Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung komme keine drittschützende Funktion zu, weil ein dahingehender Planungswille nicht vorliege. Das Vorhaben verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot wegen einer Beeinträchtigung der Belange Besonnung, Belichtung und Belüftung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO). Grundsätzlich scheide ein diesbezüglicher Verstoß schon dann aus, wenn das Vorhaben die erforderlichen Abstandsflächen einhalte. Der Vorbescheid entfalte hinsichtlich der erforderlichen Abstandsflächentiefen zum Nachbargrundstück wohl keinerlei Bindungswirkung. Das Vorhaben erfordere nach § 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO jedoch keine Abstandsflächen, da nach planungsrechtlichen Vorschriften infolge der festgesetzten Baulinie im Bereich der...gasse an der Grenze gebaut werden dürfe oder müsse. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller selbst die erforderlichen Abstandsflächen zum Grundstück der Beigeladenen nicht wahre und es ihm daher verwehrt sei, sich auf das Abstandsflächenrecht zu berufen. Vom Vorhaben gehe auch keine erdrückende Wirkung aus, weil dies keine unverhältnismäßigen Belastungen von der Kubatur, der Bauweise bzw. der Höhe her begründe. Die Frage, ob ausnahmsweise von einer erdrückenden Wirkung auszugehen sei, könne vorliegend nicht losgelöst vom ursprünglichen baulichen Bestand beurteilt werden. Um den Belangen Besonnung, Belichtung und Wohnfrieden ausreichend Rechnung zu tragen, sei für das Vorhaben ein Staffelgeschoss vorgesehen, welches zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf die gegenüberliegende Bebauung deutlich zurückgesetzt sei. Zusätzliche unzumutbare Einsichtmöglichkeiten schaffe das Vorhaben nicht. Von ihm gingen keine unzumutbaren Lärmbelästigungen aus. Die Behauptung, dass willkürliche Grenzwerte vorgesehen worden seien, sei zurückzuweisen. Seitens der Immissionsschutzbehörde werde eine Einhaltung der um 3 dB(A) reduzierten Immissionsrichtwertanteile als ausreichend angesehen, weil sich in der unmittelbaren Umgebung keine nennenswerten technischen Anlagen befänden, insbesondere auch keine wesentlichen sonstigen gewerblichen Nutzungen. Die Reduzierung der Immissionsrichtwerte um 3 dB(A) werde als „praktikabler Mittelwert“ herangezogen, um weiterhin Raum für andere Anlagen zu haben und zugleich die Nutzung nicht unverhältnismäßig stark einzuschränken. Die Quartiersgarage mit lediglich 38 Stellplätzen diene lediglich dem Stellplatzbedarf des Quartiers und nicht der überörtlichen Nutzung als öffentliche Parkgarage. § 7 Abs. 5 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes vermittle im Übrigen keinen Drittschutz. Auf die weitere Antragserwiderung wird Bezug genommen.

Die Bevollmächtigten der mit Beschluss des Gerichts vom 15. Juli 2014 Beigeladenen beantragten mit Schriftsatz vom 29. Juli 2014,

den Antrag abzuweisen.

Die Abstandsflächenvorschriften seien nicht verletzt, weil das Vorhaben entgegen der Auffassung des Antragstellers keiner Abweichung von Abstandsflächenvorschriften nach Norden bedürfe. Die Festsetzung einer Baulinie nach Norden zur ...gasse hin habe auch nach dem Abbruch der ehemaligen ... weiterhin Gültigkeit. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO sei aufgrund dieser Festsetzungen für das Bauvorhaben eine Abstandsfläche nach Norden hin nicht erforderlich.

Das Rücksichtnahmegebot sei ebenfalls nicht verletzt. Die Festsetzungen des Bebauungsplans hätten auch nach Abbruch des ehemaligen ...-Gebäudes weiterhin Bestand, die im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen würden durch den Abbruch eines Bestandsgebäudes nicht aufgehoben. Im Rahmen der Beurteilung, ob das Rücksichtnahmegebot zulasten des Antragstellers verletzt sei, sei die konkrete, jahrzehntelang bestehende Situation an der ...gasse zu berücksichtigen. Dies gelte umso mehr, als das Bauvorhaben städtebaulich erwünscht als „Architektur der Erinnerung“ an das ehemalige ...-Gebäude errichtet werde und eine Grenzwandscheibe erhalten bleibe. Das Rücksichtnahmegebot sei auch nicht aufgrund der Anordnung des Staffelgeschosses im Bereich des Anwesens des Antragstellers verletzt. Dieses sei um das Maß seiner Höhe zurückversetzt, so dass es zu keiner Beeinträchtigung der Besonnung und Belichtung komme. Ebenso wenig sei bei diesem großen Rücksprung ein Einmauerungseffekt gegeben. Die erteilte Befreiung sei rechtmäßig. Was die Genehmigung der Quartiersgarage anbelange, so habe der Vorbescheid in Frage 4 die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Quartiersgarage mit einer Größe von bis zu 50 Stellplätzen abgefragt. Die nun genehmigte Quartiersgarage umfasse 38 Stellplätze und sei somit von der im Vorbescheid festgestellten planungsrechtlichen Zulässigkeit einer Quartiersgarage mit bis zu 50 Stellplätzen umfasst. Außerdem ordne der Vorbescheid nicht die Einholung eines Gutachtens hinsichtlich der Auswirkungen der Quartiersgarage auf die Nachbarschaft an. Die Ausführungen zum schalltechnischen Gutachten befänden sich im Vorbescheid unter dem Punkt „Hinweise“, stellten also keine Auflage oder sonstige Nebenbestimmung des Vorbescheids dar. Ferner werde Bezug genommen auf § 7 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes, in der keine Festsetzungen enthalten seien, die den Antragsteller schützten. Auf die weitere Begründung wird ebenfalls ergänzend Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 6. August 2014 nahm der Bevollmächtigte des Antragstellers erneut Stellung wie folgt: Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen seien nach Norden Abstandsflächen erforderlich. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO sei nicht einschlägig, sondern allein Art. 6 Abs. 5 Satz 3 BayBO. Bei einer Verkürzung der Abstandsfläche durch eine städtebauliche Satzung finde letztgenannte Vorschrift mitsamt ihrer Ausnahmeregelung Anwendung. Da die Satzung hier ausdrücklich die Anwendbarkeit des Art. 6 BayBO anordne, gelte die Verkürzung der Abstandsfläche durch die festgesetzten Grenzen des Baukörpers nicht. Für diese Betrachtung spreche auch, dass die Antragsgegnerin im Rahmen der Begründung des Bebauungsplans keine Aussage zur Verkürzung der Abstandsflächen nach Norden getroffen habe. Offensichtlich sei man vom Erhalt des ...gebäudes ausgegangen und damit einem Bestandsschutz für die Kubatur. Das Problem stelle sich nun mit dem Abbruch des Gebäudes, da hierdurch der Bestandsschutz erloschen sei. Diese Situation habe der Bebauungsplan nicht im Blick gehabt. Die Festsetzungen zur Höhe des Gebäudes im Bebauungsplan könnten mithin jedoch ohne Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften gar nicht vollständig ausgenutzt werden. Daraus müsse gefolgert werden, dass die Festsetzung zur Zahl der Vollgeschosse und zur Gebäudehöhe unwirksam seien, da sie nicht umgesetzt werden könnten. Was den Immissionsschutz anbelange, so entfalte der Vorbescheid vom 18. März 2013 keine Bindungswirkung hinsichtlich der Lärmauswirkungen der Quartiersgarage. Dort sei dieser zwar planungsrechtlich zugestimmt worden, zugleich aber auf die Notwendigkeit des Lärmschutzgutachtens nach § 7 Abs. 5 des Bebauungsplanes hingewiesen worden. Dies könne nur so ausgelegt werden, als dass die Zustimmung vorbehaltlich des Ergebnisses dieses Gutachtens ausgesprochen worden sei. Die Bindungswirkung reiche damit nur soweit, als sich aus dem noch einzuholenden Gutachten keine anderweitige Beurteilung ergebe. Jede andere Auslegung des Bescheides würde unterstellen, dass die Antragsgegnerin in bewusst rechtswidriger Weise § 7 Abs. 5 der Satzung habe umgehen wollen. Der Rückgriff auf § 15 BauNVO diene der Abwehr unzumutbarer Lärmimmissionen, die vom verfahrensgegenständlichen Vorhaben ausgingen. Die Auflage mit „3 dB(A) unter“ greife zu kurz. Die TA Lärm sehe eine solche Lösung nicht vor. Im Übrigen unterliege eine Quartiersgarage nicht dem Lärmbonus der notwendigen Stellplätze, die im Quartiersüblichen Umfang als sozialadäquat hinzunehmen seien, sondern die Quartiersgarage sei als gewerbliche Anlage zu betrachten, und zwar wie ein sonstiges Parkhaus. Der einzige Unterschied bestehe darin, dass die Benutzer monatlich und nicht täglich zahlten. Die Behauptung, dass der von dieser Garage ausgehende An- und Abfahrtsverkehr die Richtwerte für Mischgebiete um 3 dB(A) unterschreite, sei nicht glaubhaft und letztlich durch nichts bewiesen. Im Übrigen seien im Umfeld sehr wohl weitere lärmemittierende Betriebe vorhanden, und zwar in der Gaststätte im Gebäude ...gasse .... Hinzu träten die Quartiersgarage und das Café mit Außenbewirtschaftung.

Mit Schriftsätzen vom 6. August 2014 und 11. August 2014 legte die Antragsgegnerin auf Aufforderung des Gerichts noch weitere Unterlagen sowie Lichtbilder des alten ...gebäudes vor und führte aus, dass das Gebäude des Antragstellers über eine Gebäudehöhe einschließlich Dach von 12,59 m verfüge. Der aus dem Bauakt zur Abbruchanzeige des ...gebäudes vorhandene Geländeschnitt L-M zeige, dass die Höhe der auf die Baulinie gesetzten Außenwand des ...gebäudes im Bereich der ...gasse ... 13,50 m, unter Einbeziehung des zurückversetzten Turmes sogar 25,95 m betragen habe. Dagegen betrage die künftige, wiederum auf die Baulinie gesetzte Außenwand des Vorhabens 13,56 m und sei somit lediglich um 6 cm höher als das ehemalige ...gebäude. Die künftige Höhe der Außenwand einschließlich des nach Süden zurückversetzten fünften Vollgeschosses betrage 16,86 m, die weitere Staffelung durch das sechste und siebte Vollgeschoss führe zu einer Höhe von lediglich 21,07 m. Damit bleibe das antragsgegenständliche Neubaugebäude in seiner Höhenentwicklung deutlich hinter dem ursprünglichen ...gebäude und den Festsetzungen des zugrunde liegenden Bebauungsplans Nr. ... zurück. Auf die weitere Begründung wird ergänzend Bezug genommen.

Zur weiteren Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verfahrensakte Au 5 K 14.673 sowie den der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist nicht begründet.

1. Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom 5. Mai 2014 (Au 5 K 14.643) gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 2. April 2014. Mangels aufschiebender Wirkung der Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung (§ 212a Abs. 1 BauGB i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) kann das Gericht der Hauptsache nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage aufgrund einer eigenen Ermessensentscheidung ganz oder teilweise anordnen. Bei der im summarischen Verfahren zu treffenden Ermessensentscheidung hat das Gericht die Interessen des Antragstellers, der Antragsgegnerin und die der Beigeladenen unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen. Insoweit stehen sich das Suspensivinteresse des Nachbarn und das Interesse der Bauherrin, von der Baugenehmigung sofort Gebrauch zu machen, grundsätzlich gleichwertig gegenüber. Deshalb ist bei der Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO in erster Linie auf die Erfolgsaussichten des Nachbarrechtsbehelfs abzustellen. Dies gilt ungeachtet des durch die Bestimmung in § 212a BauGB veränderten Ansatzes der gerichtlichen Prüfung (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2001 - 15 ZS 01.2570 - BayVBl 2003, 48 ff.). Fällt die Erfolgsprognose zugunsten des Nachbarn aus, erweist sich also nach summarischer Prüfung die angefochtene Baugenehmigung gegenüber dem Nachbarn als rechtswidrig, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen (BayVGH, B.v. 12.4.1991 - 1 CS 91.439 - BayVBl 1991, 720 ff.). Erscheint der Nachbarrechtsbehelf dagegen als offensichtlich aussichtslos, so ist der Rechtsschutzantrag abzulehnen. Stellen sich die Erfolgsaussichten nach summarischer Überprüfung als offen dar, findet eine reine Interessenabwägung statt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 152 ff.).

Nach der im Rahmen der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage wird die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. April 2014, der der Beigeladenen die Errichtung eines Neubaus mit 54 Wohneinheiten, vier Büros, einem Café, Tiefgarage und Quartiersgarage auf den Fl.Nrn. ..., ... der Gemarkung ... gestattet, im Hinblick auf eine Verletzung drittschützender Rechte, auf die sich der Antragsteller allein berufen kann (BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris -), voraussichtlich erfolglos bleiben. Denn der angefochtene Bescheid erscheint rechtmäßig und verletzt den Antragsteller voraussichtlich nicht in eigenen, drittschützenden Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

2. Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.

Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich nicht um einen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO, so dass ich das Prüfprogramm der Bauaufsichtsbehörde auf Art. 59 BayBO ergibt. Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren überprüft die Bauaufsichtsbehörde die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinne des Art. 81 Abs. 1 BayBO, beantragte Abweichungen im Sinne des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO sowie andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen als öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird.

Einem Nachbarn steht ein Anspruch auf Versagung der Baugenehmigung grundsätzlich nicht zu. Er kann eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg anfechten, wenn Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt.

Ein derartiger Fall ist bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage vorliegend nicht zu erkennen.

3. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich nach § 30 Abs. 1 BauGB, denn es befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr.... der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2001, rechtsverbindlich seit dem 14. Juni 2002. Das Bauvorhaben hält die Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplanes betreffend die Einhaltung der nördlichen Baulinie an der ...gasse, der südlichen, westlichen, nordwestlichen und östlichen festgesetzten Baugrenze, der zulässigen Grundfläche, der festgesetzten Geschosszahlen, Firsthöhe, Firstrichtungen, Baumstandorten, Mauern und privaten Grünflächen sowie der Fläche für den Kinderspielplatz nicht ein. Insoweit wurden von der Antragsgegnerin Befreiungen nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO i. V. m. § 31 Abs. 2 BauGB erteilt.

Das Grundstück des Antragstellers liegt außerhalb der Grenzen des Bebauungsplangebiets und grenzt nördlich an die ...gasse. Soweit dies im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beurteilt werden kann, handelt es sich dabei entweder um ein faktisches allgemeines Wohngebiet oder ein faktisches Mischgebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB bzw. um ein Gebiet sui generis. Der Antragsteller macht im Eilverfahren keinen Gebietserhaltungsanspruch im Rahmen eines gebietsübergreifenden Nachbarschutzes vor gebietsfremden Nutzungen im angrenzenden Plangebiet geltend. Dieser könnte auch nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn der Antragsteller mit seinem Grundstück ebenfalls im Bebauungsplangebiet gelegen wäre; denn nur die gemeinsame Lage der jeweiligen Grundstücke im Bebauungsplangebiet fasst die einem Plan Unterworfenen zu einer Schicksalsgemeinschaft zusammen, die es jedem von ihnen gestattet, sich zur Vermeidung der schleichenden Unterhöhlung auf die Einhaltung der festgesetzten Nutzungsart zu berufen (BayVGH, U.v. 14.7.2006 - 1 BV 03.2179 - BayVBl 2007, 334 ff.). Wenn aber, wie im vorliegenden Fall, zwischen dem Grundstück des Antragstellers und den Grundstücken der Beigeladenen nicht das für ein Plangebiet typische wechselseitige Verhältnis dergestalt besteht, dass die in einem Plangebiet zusammengefassten Grundstücke zu einer bau- und bodenrechtlichen Schicksalsgemeinschaft zusammenschließt, fehlt es an den spezifischen bauplanungsrechtlichem Grund, auf dem der nachbarschützende, von konkreten Beeinträchtigungen unabhängige Gebietserhaltungsanspruch als Abwehrrecht beruht.

4. Der Nachbarschutz eines außerhalb der Grenzen des Plangebiets gelegenen Grundstückseigentümers bestimmt sich bundesrechtlich nur nach dem in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme (BVerwG, B.v. 18.12.2007 - 4 B 55.07 - NVwZ 2008, 427).

Die Baugenehmigung verletzt voraussichtlich auch im Hinblick auf die erteilten Befreiungen den Antragsteller nicht in dem Drittschutz vermittelnden Rücksichtnahmegebot.

Ob ein Nachbar durch eine unter Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans erteilte Baugenehmigung in seinem Recht auf Einhaltung des Rücksichtnahmegebotes verletzt ist, hängt bei außerhalb des Plangebiets liegenden Grundstückseigentümern wie dem Antragsteller, der insoweit einen gebietsübergreifenden Nachbarschutz hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung geltend macht, davon ab, ob die Festsetzungen eines Bebauungsplanes, der typischerweise den Interessensausgleich von innerhalb des Plangebiets liegenden Grundstückseigentümern im Auge hat, auch Grundstückseigentümern außerhalb des Bebauungsplangebietes zugutekommen soll. Dies bemisst sich daran, ob sich aus dem Bebauungsplan mit seinen Festsetzungen und seiner Begründung oder aus sonstigen Unterlagen erkennen lässt, dass der Nachbarschutz nicht nur auf die Grundstückseigentümer im Plangebiet beschränkt bleiben soll.

Soweit der Antragsteller einen Verstoß gegen das nachbarschützende Rücksichtnahmegebot wegen der Kubatur und Höhe des Vorhabens geltend macht, ist festzustellen, dass er sich auf die Einhaltung der Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung im Bebauungsplan beruft. Festsetzungen im Bebauungsplan sind jedoch - abgesehen von der Art der baulichen Nutzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i. V. m. § 1 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 und 2 BauNVO - nicht kraft Gesetzes drittschützend (BVerwG, B.v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - NVwZ 1996, 888). Festsetzungen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung haben unter anderem bereits deswegen grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion, weil sie in der Regel den Gebietscharakter unberührt lassen und nur Auswirkungen auf das Baugebiet und die unmittelbar anschließenden Nachbargrundstücke haben (BVerwG, B.v. 23.6.1995 - 4 B 52/95 - Baurecht 1995, 823). Sie können Drittschutz nur vermitteln, wenn sie nach dem Willen des Planungsträgers diese Funktion haben sollen (BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris). Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung bzw. zur überbaubaren Grundstücksfläche erfolgen im Allgemeinen aus städtebaulichen Gründen und sind daher in der Regel nicht nachbarschützend. Von einer neben die städtebauliche Ordnungsfunktion tretenden nachbarschützenden Wirkung ist nur dann auszugehen, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen dahingehenden planerischen Willen erkennbar sind (BayVGH, B.v. 4.11.2009 - 9 CS 09.2422 - juris). Von einer neben die städtebauliche Ordnungsfunktion tretenden nachbarschützenden Wirkung der Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung könnte lediglich ausnahmsweise dann ausgegangen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen dahingehenden planerischen Willen aus dem Bebauungsplan selbst oder auch aus der Begründung der Satzung entnommen werden könnten. Der durch Auslegung zu ermittelnde Wille des Planungsträgers muss mit ausreichender Bestimmtheit aus den Willensäußerungen des Planungsträgers ableitbar sein. Erforderlich sind zureichende Anhaltspunkte und eine Deutlichkeit der Erklärungen (Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Aufl. 2009, § 31 Rn. 68).

Im Gegensatz zur Auffassung des Antragstellers vermitteln die entsprechenden Bestimmungen des Bebauungsplans, von denen Befreiungen erteilt wurden, im vorliegenden Fall keinen Drittschutz. Aus der Planzeichnung, den textlichen Festsetzungen und der Begründung der Satzung lässt sich ein Wille der Satzungsgeberin, dass die Grundstückseigentümer im Planbereich gegenseitig einen Anspruch auf die Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen erhalten sollten, nicht herleiten. Erst recht muss dies gelten, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Antragsteller mit seinem Grundstück nicht im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans gelegen ist. Auch wenn die Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der streitgegenständlichen Grundstücke im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans den Zweck hatten, den Erhalt des ehemaligen ...gebäudes, auf dessen Fläche nunmehr das streitgegenständliche Vorhaben verwirklicht werden soll, zu ermöglichen, ist weder aus den zeichnerischen noch textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans sowie aus seiner Begründung ersichtlich, dass beispielsweise die Festsetzungen zur Geschoßzahl bzw. Höhenentwicklung der Baukörper Nachbarschutz vermitteln sollten. Insbesondere ergibt sich aus der Begründung des Bebauungsplans unter D.3 „Ziele der Planung“, dass die Erwägungen der Satzungsgeberin ausschließlich von städtebaulichen Gesichtspunkten geprägt waren. In der Gesamtheit erlauben die Festsetzungen des Bebauungsplans nicht den Schluss, sie seien in drittschützender Weise aufeinander bezogen. Insgesamt lassen sich keine zureichenden Anhaltspunkte für einen von der Satzungsgeberin beabsichtigten Drittschutz zugunsten der im Bebauungsplangebiet liegenden Nachbarn und erst recht nicht für die außerhalb des Bebauungsplangebiets gelegenen Grundstücke erkennen.

5. Eine Verletzung von Nachbarrechten käme daher vorliegend nur in Betracht, wenn sich das Vorhaben dem Antragsteller gegenüber nach den Grundsätzen des Rücksichtnahmegebots gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO als rücksichtslos und nicht mehr hinnehmbar darstellen würde.

Das Gebot der Rücksichtnahme findet in qualifiziert beplanten Bereichen nach § 30 Abs. 1 BauGB über § 15 Abs. 1 BauNVO bzw. bei der Gewährung von Befreiungen bezüglich nicht nachbarschützender Vorschriften gemäß § 31 Abs. 2 BauGB über das Tatbestandmerkmal der „Würdigung nachbarlicher Interessen“ Eingang in die bauplanungsrechtliche Prüfung. Das Gebot der Rücksichtnahme soll einen angemessenen Interessensausgleich gewährleisten und vermittelt insoweit Drittschutz, als die Baugenehmigungsbehörde in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Belange eines erkennbar abgrenzbaren Kreises Dritter zu achten hat (BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris). Die vorzunehmende Interessensabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist, was sich nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke beurteilt. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmebegünstigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit dem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss dieser Rücksicht nehmen (BVerwG, U.v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - NVwZ 2005, 328).

Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich das mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. April 2014 genehmigte Bauvorhaben der Beigeladenen voraussichtlich nicht als rücksichtslos. Allein die Vielzahl der Befreiungen führt nicht automatisch bereits zu einer Rechtsverletzung des Antragstellers. Vielmehr ist das Bauvorhaben mitsamt seinen von nicht drittschützenden Vorschriften erteilen Befreiungen sowohl einzeln als auch in deren Summenwirkung voraussichtlich nicht nachbarrechtsverletzend.

Das Rücksichtnahmegebot ist dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird (BVerwG, U.v. 25.2.1977 - IV C 22.75, BVerwGE 52, 122). Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn aber nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung von Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Nur dann, wenn vom Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht, ist eine Rechtsverletzung zu bejahen (BayVGH, B.v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris). Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, ist regelmäßig als zumutbar hinzunehmen (BayVGH, B.v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris). Wenn ein Bauvorhaben den bauordnungsrechtlich für eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung erforderlichen Abstand von den Nachbargrundstücken einhält, ist für das Gebot der Rücksichtnahme grundsätzlich kein Raum mehr, weil das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme vom Landesgesetzgeber in den bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften konkretisiert worden ist (BVerwG, U.v. 16.9.1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151 ff.).

Die Antragsgegnerin hat im Baugenehmigungsverfahren trotz eines entsprechenden Abweichungsantrages der Beigeladenen, was die Einhaltung der Baulinie nach Norden anbelangt, sowie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Auffassung vertreten, dass infolge der festgesetzten Baulinie im Norden des streitgegenständlichen Grundstückes zur ...gasse hin die Einhaltung einer Abstandsfläche zum Grundstück des Antragstellers hin nicht erforderlich sei, wohingegen der Bevollmächtigte des Antragstellers der Auffassung ist, dass das Vorhaben nach Norden eine Abstandsfläche einhalten müsse, eine Abweichung beantragt, aber nicht erteilt worden sei und die Baugenehmigung schon wegen der fehlenden Berücksichtigung der nachbarlichen Rechte des Antragstellers hinsichtlich der Abweichung von den drittschützenden Abstandsflächenvorschriften rechtswidrig sei.

5.1 Hier ist vorauszuschicken, dass der Antragsteller entgegen der im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 21. Juli 2014 vorsorglich vertretenen Ansicht wegen der wechselseitigen Verletzung der Abstandsflächenvorschriften - auch das Anwesen des Antragstellers hält den erforderlichen Abstand zur Grundstücksgrenze nicht ein - nicht daran gehindert ist, die Baurechtswidrigkeit des nachbarlichen Vorhabens unter dem Aspekt des Abstandsflächenrechts anzugreifen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Grundsätzlich kann sich ein Nachbar gegen jede Unterschreitung der Mindestabstandsfläche zur Wehr setzen. Dieses Recht unterliegt allerdings mit Rücksicht auf den das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch - BBG) Grenzen. Nach diesem Grundsatz, der auch im öffentlichen Recht Anwendung findet, kann sich ein Nachbar in der Regel nicht mit Erfolg auf die Einhaltung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück nicht dieser Vorschrift entspricht. Im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ist jeder Eigentümer zugunsten seines Nachbarn bestimmten Beschränkungen unterworfen und kann im Austausch dafür verlangen, dass der Nachbar diese Beschränkungen gleichfalls beachtet (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 - 4 C 28.91 - DVBl 1994, 284). Aus diesem System nachbarlicher Ausgleichs- und Rücksichtnahmepflichten folgt, dass derjenige, der selbst mit seinem Gebäude den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, billigerweise nicht verlangen kann, dass der Nachbar die Abstandsfläche freihält. Der Vorwurf treuwidrigen Verhaltens entfällt nicht dadurch, dass das Gebäude des Antragstellers in Einklang mit den damals geltenden Bauvorschriften errichtet worden ist; maßgeblich ist allein, dass er mit seinem Gebäude die jetzt erforderlichen Grenzabstände nicht einhält. Ein eigener Abstandsflächenverstoß hindert den dadurch begünstigten Eigentümer jedoch nicht schlechthin daran, die Baurechtswidrigkeit eines nachbarlichen Vorhabens unter dem Aspekt des Abstandsflächenrechts anzugreifen. Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis erlaubt in diesen Fällen eine Abwehrmaßnahme nur dann, wenn die Verletzung nachbarschützender Abstandsregelungen durch das angegriffene Vorhaben nicht vergleichbar ist, sondern schwerer wiegt als die Inanspruchnahme des Bauwichs durch den sich wehrenden Nachbarn.

Für die Bewertung des Gewichts des Abstandsflächenverstoßes ist demnach in erster Linie die Beeinträchtigung der durch die Abstandsflächenvorschriften geschützten nachbarlichen Belange des Brandschutzes, der Belichtung, der Belüftung und der Besonnung des Nachbargrundstückes sowie der Wahrung eines ausreichenden Sozialabstands in den Blick zu nehmen. Das Gewicht eines Abstandsflächenverstoßes bestimmt sich außerdem nach dem Ausmaß, in dem die jeweils erforderliche Abstandsfläche zulasten des Nachbarn nicht eingehalten wird. Andere Parameter wie First- und Traufhöhen, Länge, Breite, Grundfläche, Geschossfläche und Erscheinungsbild des geplanten Gebäudes sowie eine etwaige intensivere bauliche Ausnutzung des Nachbargrundstücks spielen hingegen entweder bei der Bemessung der Abstandsfläche keine Rolle oder gehen in der Bemessung auf (OVG NRW, B.v. 20.2.2014 - 2 A 1599/13 - juris). Bei der Frage, ob die wechselseitigen Abstandsflächenverstöße vergleichbar, d. h. etwa gleichgewichtig sind und nicht zu schlechthin untragbaren, als Missstand im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayBO zu qualifizierenden Verhältnissen führen (vgl. BayVGH, U.v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris), ist dabei keine zentimetergenaue quantitative Entsprechung gefordert, sondern eine wertende Betrachtung in Bezug auf die Qualität der mit der Verletzung der Abstandsflächenvorschriften einhergehenden Beeinträchtigungen anzustellen (OVG NRW, B.v. 30.8.2012 - 2 B 983/12 - juris; VG München, U.v. 21.1.2013 - M 8 K 12.1226 - juris m. w. N. aus der Rechtsprechung).

In Anwendung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass sich das Vorhaben der Beigeladenen auf die abstandsflächenrechtlich beachtlichen Nachbarbelange intensiver auswirkt als das vorhandene Gebäude des Antragstellers auf das Neubauvorhaben der Beigeladenen. Eine vergleichbare wechselseitige Abstandsflächenverletzung ist schon deshalb nicht festzustellen, weil das Bauvorhaben der Beigeladenen, wie sich aus dem „Baurechtsplan mit Abstandsflächen“ vom 26. September 2013 ergibt, auf die nördlich der ...gasse gelegenen Grundstücke insgesamt eine Abstandsfläche von 634 qm wirft. Bezogen auf das Grundstück des Antragstellers (Fl.Nr. ... der Gemarkung ...) ist diesem Plan zu entnehmen, dass vom Bauvorhaben der Beigeladenen auf dem Grundstück des Antragstellers eine Abstandsfläche mit einer Tiefe von mindestens 4,20 m bis höchstens 5,20 m beansprucht wird und es sich dabei um eine Fläche von ca. 85 qm handelt, mit der das Vorhaben der Beigeladenen das insgesamt ca. 330 qm große Grundstück des Antragstellers abstandsflächenmäßig belegt.

Wie sich aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Bauakten des Antragstellers zum Baugenehmigungsbescheid vom 18. Dezember 1984 für die Renovierung und Nutzung der Änderung des Mehrfamilienhauses ergibt, würde das Vorhaben des Antragstellers eine Abstandsflächentiefe von ca. 9,30 m auslösen, die auf das Grundstück der Beigeladenen bei einer Breite von 19 m eine Tiefe von weniger als 1 m (ca. 19 qm) in Anspruch nehmen würde.

Schon allein dieser Vergleich zeigt nach Auffassung des Gerichts, dass es an einer quantitativen Vergleichbarkeit des wechselseitigen Abstandsflächenverstoßes fehlt. Setzt man die Abstandsflächenüberschreitungen in Relation zueinander, ergibt sich, dass vom Vorhaben der Beigeladenen mehr als 75% mehr Abstandsfläche vom Grundstück des Antragstellers in Anspruch genommen werden, als dieser seinerseits vom Grundstück der Beigeladenen beansprucht. Dies bewirkt eine erhebliche Diskrepanz und führt dazu, dass eine Gleichwertigkeit der wechselseitigen Abstandsflächenverstöße offensichtlich nicht mehr angenommen werden kann. Der Antragsteller ist daher nicht gehindert, sich mit Rücksicht auf den das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben auf die Nichteinhaltung von Abstandsflächen durch das Vorhaben der Beigeladenen zu berufen.

5.2 Nach den genehmigten Planunterlagen hält das Bauvorhaben nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung zum Grundstück des Antragstellers hin die nach Art. 6 BayBO erforderlichen Abstandsflächen nicht ein. Der Bebauungsplan Nr. ... der Antragsgegnerin setzt im Norden des streitgegenständlichen Grundstückes zur ...gasse hin eine Baulinie nach § 23 Abs. 2 Satz 1 der BauNVO fest. Wenn eine Festsetzung wie die vorerwähnte im Bebauungsplan aufgenommen worden ist, so muss - im Gegensatz zur Baugrenze - grundsätzlich an dieser Baulinie gebaut werden. Das Vorhaben der Baugeladenen weicht allerdings, wie u. a. aus dem „Baurechtsplan mit Abstandsflächen“ vom 26. September 2013 erkennbar ist, um ca. 1 m von der Baulinie zurück. Dies hat seine Ursache darin, dass im Zuge der von der Antragsgegnerin thematisieren „Architektur der Erinnerung“ ein Teil der ca. 1 m breiten Außenwand des ehemaligen ...gebäudes („Bestandswand“) bei dem Abbruch des ...gebäudes im Übrigen erhalten geblieben ist. Um die Breite der erhaltenen Außenmauer des ehemaligen ...gebäudes an der ...gasse weicht das Bauvorhaben der Beigeladenen von der Baulinie zurück. Dies kann nicht mehr als Zurücktreten geringfügigen Ausmaßes im Sinne von § 23 Abs. 2 Satz 2 BauNVO angesehen werden. Über den Antrag auf Erteilung einer Abweichung hat die Antragsgegnerin nicht entschieden. Die Frage, ob das Bauvorhaben die Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO einhält, gehört wegen des Antrags der Beigeladenen auf Erteilung einer Abweichung zum Prüfprogramm des vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach Art. 59 Abs. 1 Nr. 2 BayBO. Der Vorbescheid vom 18. März 2013 stellt zwar in Frage 8 für das Abrücken von den Baulinien u. a. im Baugebiet ... eine Befreiung in Aussicht, jedoch entfaltet dieser in diesem Punkt selbst nach Auffassung der Antragsgegnerin, die diese im Schriftsatz vom 21. Juli 2014 vertreten hat, wegen der pauschal in Aussicht gestellten Abweichungen bezüglich der Nichteinhaltung der erforderlichen Abstandsflächen wohl keine Bindungswirkung, weil im Zeitpunkt der Vorbescheidserteilung lediglich etwaige erforderliche Abweichungen für die westlichen, südlichen und östlichen Außenwandbereiche in den Blick genommen wurden und diese Abweichungen schließlich auch im Baugenehmigungsbescheid vom 2. April 2014 erteilt worden sind.

Gemäß § 5 Abs. 3 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr.... sind die erforderlichen Abstandsflächen nach Art. 6 Abs. 4 und 5 BayBO (a. F.) unabhängig von den festgesetzten Baulinien und Baugrenzen einzuhalten. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften - hier durch die Festsetzung einer Baulinie im Bebauungsplan - an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO dispensiert damit den Bauherrn von der Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften, wenn beispielsweise - wie vorliegend - nach den satzungsmäßigen Vorgaben des Bebauungsplanes durch die Festlegung einer Baulinie nach § 23 Abs. 2 Satz 1 BauNVO an der Grenze gebaut werden muss und räumt dem Städtebaurecht den Vorrang ein, soweit es um die Errichtung von Gebäuden ohne Grenzabstand geht. Das Vorhaben der Beigeladenen soll allerdings - wie bereits vorstehend erwähnt - nicht auf der Baulinie an der nördlichen Grundstücksgrenze errichtet werden, sondern weicht um ca. 1 m von der Baulinie wegen des Erhalts der Mauerscheibe der ehemaligen ... zurück.

Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ist daher nicht einschlägig, weil die Vorschrift nach ihrem klaren Wortlaut nur den unmittelbaren Anbau an die Grundstücksgrenze, nicht aber einen grenznahen Anbau mit Abstandsflächen, die kleiner als die gesetzlich vorgeschriebenen sind, regelt (BayVGH, U.v. 22.11.2006 - 25 B 05.1714 - NVwZ-RR 2007, 512 ff.; U.v. 7.5.2007 - 2 B 04.3589 - juris; B.v. 3.4.2014 - 1 ZB 13.2536 - juris). Nach der unmissverständlichen Aussage des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO setzt diese Vorschrift voraus, dass es sich um Außenwände handelt, „die an der Grundstücksgrenze errichtet werden“. An dieser Voraussetzung fehlt es, weil das Vorhaben nicht unmittelbar an der Grundstücksgrenze verwirklicht werden soll, sondern in einem Abstand von ca. 1 m. Nach der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in der vorerwähnten Entscheidung vom 3. April 2014 vertretenen Auffassung wird dies durch Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO bestätigt, der die Zulässigkeit von „Abstandsflächen größerer oder geringerer Tiefe“ regelt und letztlich leerlaufen würde, wenn Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO generell entsprechend auf grenznahe Gebäude angewendet würde. Zwar sei hierdurch nicht ausgeschlossen, dass diese Vorschrift bei sehr geringen zeitlichen Grenzabständen ausnahmsweise entsprechend angewendet werden könne. Angesichts dessen, dass in den vorerwähnten Entscheidungen allerdings bereits ein Abstand zwischen ca. 35 und 60 cm bzw. ca. 50 und 80 cm in Fällen, in denen nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden musste, für ausreichend erachtet wurde, die Einschlägigkeit des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO zu verneinen, besteht im vorliegenden Fall angesichts des Zurückweichens des Bauvorhabens der Beigeladenen um ca. 1 m von der Grundstücksgrenze keine Veranlassung anzunehmen, die Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO sei vorliegend ausnahmsweise entsprechend anzuwenden.

5.3 Ist nach dem Vorstehenden daher davon auszugehen, dass das Vorhaben nach Norden hin eine Abstandsfläche gemäß Art. 6 Abs. 5 BayBO einzuhalten hat, so bedarf es einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO, die auch vom Beigeladenen beantragt worden ist und damit zum Prüfprogramm der Bauaufsichtsbehörde im vereinfachten Genehmigungsfahren nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO gehört. Allein die Tatsache, dass die Beigeladene die erforderliche Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften nach Norden beantragt hat, die Antragsgegnerin jedoch darüber keine Entscheidung getroffen hat, ist bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden nicht geeignet, bereits eine beachtenswerte Verletzung drittschützender Rechte des Antragstellers annehmen zu können. Die fehlende Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde über die beantragte Abweichung und die dabei zu treffende Ermessensentscheidung entbindet das Gericht nämlich nicht von der inhaltlichen Prüfung, ob dem nachträglich erkannten Mangel der Baugenehmigung nicht durch eine nachträgliche Entscheidung über die beantragte Abweichung im Hauptsacheverfahren abgeholfen werden kann. Dass die Abweichung trotz ihres eigenen Regelungscharakters Teil der Baugenehmigung ist, gilt auch dann, wenn über den Antrag auf Abweichung erst mit gesondertem Bescheid, etwa im Hauptsacheverfahren entschieden wird (Dohm in Simon/Busse, BayBO, Stand Januar 2014, Art. 63, Rn. 58). Zwar verletzt die angefochtene Baugenehmigung den Antragsteller derzeit in öffentlich-rechtlich geschützten Nachbarrechten. Der Verstoß gegen die nachbarschützende Abstandsflächenvorschrift des Art. 6 Abs. 5 BayBO kann aber nach Überzeugung der erkennenden Kammer durch die Erteilung einer Abweichung von der Antragsgegnerin ermessensgerecht bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens ausgeräumt werden. Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs muss dann nicht angeordnet werden, wenn eine Baugenehmigung zwar möglicherweise Rechte des Antragstellers verletzt, dieser Mangel aber - wie hier - behebbar ist, so dass die Rechtsverletzung jedenfalls für die Zukunft entfällt (BayVGH, B.v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris).

Bei der Frage, ob die Erteilung einer Abweichung in Betracht kommt, ist auf Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO abzustellen, wonach die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von Anforderungen der Bayerischen Bauordnung zulassen kann, wenn sie unter Berücksichtigung des Zweckes der jeweiligen Anforderungen und Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere mit den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO, vereinbar sind. Diese Voraussetzungen sieht die Kammer im vorliegenden Fall wahrscheinlich als gegeben an. Die Erteilung einer Abweichung erscheint unter Berücksichtigung des Zweckes der jeweiligen Anforderungen, d. h. hier der Anforderungen des Abstandsflächenrechts, vertretbar. Durch das Abstandsflächenrecht sollen Gebäudeabstände gewahrt und dadurch eine ausreichende Belichtung und Belüftung der Grundstücke gewährleistet werden. Ein Zurückbleiben hinter dem angestrebten Schutzniveau erscheint vertretbar, wenn die strikte Einhaltung des Abstandsflächenrechts aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls mit Blick auf dessen Ziele nicht geboten ist (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2011 - 15 ZB 11.1882 - juris). Abweichungen von den Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO lassen sich deshalb in erster Linie dann rechtfertigen, wenn Gründe vorliegen, durch die sich der Einzelfall vom gesetzlichen Regelfall unterscheidet und wegen derer die Einbuße an Belichtung und Belüftung zu vernachlässigen ist (BayVGH, B.v. 8.12.2011 a.a.O).

So liegen die Dinge hier: Zum einen ist die bei der Zulassung einer Abweichung von der vorgeschriebenen Abstandsfläche zu fordernde atypische Situation gegeben. Sowohl das Grundstück des Antragstellers als auch das Grundstück der Beigeladenen liegen im dicht bebauten innerstädtischen Bereich mit zum Teil historischer Bausubstanz. Die Grundstücke befinden sich in einem Areal, in dem nahezu jede nicht unwesentliche bauliche Veränderung der bestehenden Gebäude geeignet ist, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen, weil im dicht bebauten Altstadtbereich kaum ein Gebäude die Abstandsflächen wahrt, wie die Lagepläne und auch die vorgelegten Fotografien zeigen. Der für die Erteilung einer Abweichung zu fordernde atypische Sonderfall (vgl. BayVGH, U.v. 14.12.1994 - 24 B 93.4017 - juris) begründet sich zwar im vorliegenden Fall wohl nicht mit einem besonderen Grundstückszuschnitt, welcher eine sinnvolle Nutzung des Grundstücks unter Einhaltung der Abstandsflächen unmöglich macht, sondern ergibt sich voraussichtlich auch daraus, dass das Gebäude des Antragstellers selbst die Abstandsflächenvorschriften nicht einhält. Die beantragte Abweichung sorgt für eine relative Gleichbehandlung unter den Nachbarn. Der Antragsteller kann nicht mehr an Schonung beanspruchen, als er selbst mit seinem Anwesen gewährt.

In entsprechender Anwendung der Grundsätze, die die Rechtsprechung zur Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme trotz Einhaltung der baurechtlichen Abstandsvorschriften entwickelt hat, kann ein nachbarliches Anwesen in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werden, wenn es durch die Verwirklichung eines genehmigten Vorhabens in unmittelbarer Nachbarschaft „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1/78 - DVBl 1981, 928: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zu 2,5-geschossigem Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - NVwZ 1987, 34: drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer abriegelnden bzw. erdrückenden Wirkung sind u. a. die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Der Antragsteller hat hierzu geltend gemacht, zwischen seinem Anwesen und dem Vorhaben der Beigeladenen bestehe ein extremer Größenunterschied, der im engen Altstadtbereich mit der schmalen ...gasse besonders deutlich wirke und für den Eindruck sorge, die gegenüberliegende Wand befinde sich unmittelbar vor der Haustüre des Antragstellers. Dadurch entstehe ein bedrückendes Gefühl des Eingeschlossenseins beim Verlassen des Hauses.

Eine erdrückende oder einmauernde Wirkung im vorbezeichneten Sinne ergibt sich durch das Vorhaben der Beigeladenen, welches in einem Abstand von mehr als 8 m dem Anwesen des Klägers gegenüber zu liegen kommt, mit hoher Voraussicht nicht.

Zwar verändert das genehmigte Vorhaben die städtische Kulisse an diesem Standort erheblich, auch weil das historische, aber nicht denkmalgeschützte ehemalige ...gebäude mit Ausnahme der erhaltenen Mauerscheibe einer Wohnbebauung weicht. Das Ergebnis stellt sich im Vergleich zum Normalfall verdichteter innerstädtischer Bebauung mit geschlossener Bauweise und einer höheren Anzahl an Vollgeschossen aber als noch hinnehmbar und für einen Durchschnittsbetrachter als nicht erdrückend dar. Nicht schon dann, wenn das angegriffene Vorhaben die Situation - auch nachteilig - für den Nachbarn verändert, kann schon von einer erdrückenden Situation im Sinne einer Gefängnishofsituation die Rede sein, zumal sich das Anwesen des Antragstellers jahrzehntelang einem in etwa vergleichbaren Baukörper gegenübersah.

Wie die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 11. August 2014 unter Vorlage der den Antragsteller betreffenden Bauakten vorgetragen hat, ergibt sich aus dem in der dortigen Planzeichnung dargestellten Gebäudeschnitt, dass das Gebäude des Antragstellers eine Firsthöhe von 12,59 m aufweist, während das Vorhaben der Beigeladenen bis zum vierten Obergeschoss eine Höhe zwischen 13,43 m und 13,56 m aufweist. Das um das Maß seiner Höhe zurückgesetzte fünfte Penthousegeschoss hinzugerechnet, erreicht das streitgegenständliche Gebäude insgesamt eine Höhe zwischen 16,73 m bis 16,88 m auf. Schon angesichts dieser Größenverhältnisse wird nur schwerlich von einer einmauernden oder erdrückenden Wirkung des streitgegenständlichen Vorhabens auf das Anwesen des Antragstellers ausgegangen werden können. Bei dem großen Rücksprung des Penthousegeschosses wird dieses voraussichtlich zu keinen Beeinträchtigungen der Besonnung, Belichtung und Belüftung führen und keinen Einmauerungseffekt als solches hervorrufen. Bei der Betrachtung, ob ein solcher für das Anwesen des Antragstellers vorliegt, kann, obwohl dem Bevollmächtigten des Antragstellers darin zuzustimmen ist, dass der Bestandsschutz durch den Abbruch des ehemaligen ...gebäudes erloschen ist, aus der Betrachtung auch nicht völlig ausgeblendet werden, dass sich das Anwesen des Antragstellers seit Jahrzehnten einem von Höhe, Länge, Breite und Kubatur dem streitgegenständlichen Vorhaben durchaus vergleichbaren Gebäudekörper gegenübersah. Wie die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 11. August 2014 unter Vorlage des Bauakts zur Abbruchanzeige für das ...gebäude vorgetragen hat und sich diesem Abbruchakt auch entnehmen lässt, betrug die Höhe der auf die Baulinie gesetzten Außenwand des ...gebäudes im Bereich des Anwesens des Antragstellers 13,50 m, wohingegen die künftige Außenwand des geplanten Vorhabens 13,56 m ohne Berücksichtigung des nach Süden zurückversetzten Penthousegeschosses beträgt (Gesamthöhe 16,86 m). Daraus ist ersichtlich, dass sich das Anwesen des Antragstellers - in Außerachtlassung des weggefallenen Bestandschutzes - seit Jahrzehnten einem Baukörper von vergleichbarer Höhenentwicklung gegenübersah. Eine so deutliche Diskrepanz in der Höhenentwicklung der in Relation gesetzten Gebäude, wie sie die o.a. Rechtsprechung für die Annahme einer erdrückenden oder einmauernden Wirkung gefordert hat, lässt sich nach alledem nicht feststellen. Auch wenn der Antragsteller spürbare Beeinträchtigungen durch das streitgegenständliche Vorhaben für sich erkennen mag, ist vorliegend davon auszugehen, dass sich die Grundstückssituation für den Antragsteller nicht in einer im Rahmen des Rücksichtnahmegebotes zu berücksichtigenden Weise ändert. Die sich durch das Wohnbauvorhaben zusätzlich ergebenden Einsichtsmöglichkeiten auf das Grundstück des Antragstellers führen ebenfalls nicht zu einer Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens. In aller Regel, so auch hier, besteht kein Schutz gegen unerwünschte Einblicksmöglichkeiten. Diese sind im innerstädtisch dicht bebauten Quartier auch hinzunehmen.

Die Erteilung einer Abweichung ist voraussichtlich mit den öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belangen des Antragstellers vereinbar. Mit der Verpflichtung zur Würdigung nachbarlicher Interessen verlangt das Gesetz - wie bei dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme - eine Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn (BayVGH, B.v. 17.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris). Ob eine Abweichung von Abstandsflächenvorschriften zugelassen werden kann, beurteilt sich dabei nicht allein danach, wie stark die Interessen des betroffenen Nachbarn beeinträchtigt werden. Es ist stets auch zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist (BayVGH, B.v. 17.7.2007 a. a. O.). Durch das Bauvorhaben der Beigeladenen wird zwar eine geringfügige Veränderung der durch das Abstandsflächenrecht geschützten Belange der Belichtung, Belüftung und Besonnung - im Vergleich zu dem Zustand vor Abbruch des ...gebäudes - zulasten des Antragstellers erfolgen, die aber nicht über das hinausgeht, was in städtischen Verdichtungslagen, die durch ähnliche Verhältnisse geprägt sind, üblich ist. Die Größenverhältnisse zwischen dem geplanten Wohnkomplex der Beigeladenen und dem Anwesen des Antragstellers sind nicht derart unterschiedlich, dass das Grundstück des Antragstellers im Vergleich zum geplanten Vorhaben nach dem äußeren Eindruck seine eigene baurechtliche Charakteristik verlöre. In der gegebenen, ohnehin bereits stark verdichteten innerstädtischen Lage muss mit Bauvorhaben der in Rede stehenden Dimension immer gerechnet werden. Wie die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 11. August 2014 detailliert dargelegt hat, liegt für den dem Anwesen des Antragstellers gegenüberliegenden Teil des geplanten Vorhabens eine Baurechtsmehrung zulasten des Antragstellers - verglichen mit dem vormals herrschenden Zustand - nur in ganz geringem Umfang vor. Das Anwesen des Antragstellers hält im Übrigen selbst die Abstandsflächenvorschriften nicht ein. Es kann bei der Bewertung der wechselseitigen Interessen auch nicht völlig außer Acht bleiben, dass der Bebauungsplan Nr. ... auf der nördlichen, dem Anwesen des Antragstellers zugewandten Grundstücksseite eine Baulinie nach § 23 Abs. 2 Satz 1 BauNVO festsetzt, die eigentlich erfordert hätte, dass an der Grenze gebaut werden muss. Bei einem Abstand zwischen dem Anwesen des Klägers und dem streitgegenständlichen Vorhaben von ca. 8 m wird es daher voraussichtlich zu keinen unzumutbaren Beeinträchtigungen der Belichtung, Belüftung oder des Wohnfriedens kommen. Dieser Abstand ist gerade in dem dicht bebauten Altstadtbereich nicht so gering, dass bereits deshalb von einer Unzumutbarkeit bzw. Unvereinbarkeit mit den nachbarlichen Belangen des Antragstellers auszugehen wäre. Die erforderliche Abweichung erscheint auch mit den öffentlichen Belangen vereinbar, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die allgemeinen Anforderungen an bauliche Anlagen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 BayBO, insbesondere im Hinblick auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung und damit auch in Bezug auf den Brandschutz, nicht gewahrt werden können.

6. Die am 2. April 2014 erteilte Baugenehmigung verletzt den Antragsteller auch nicht in nachbargeschützten Rechten im Hinblick auf den von ihm vorgetragenen Gesichtspunkt der unzumutbaren Lärmbelästigungen, die seiner Ansicht nach von der Quartiersgarage ausgehen.

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass der Vorbescheid der Antragsgegnerin vom 18. März 2013 unter II. die von der Beigeladenen gestellte Frage, ob die im Erdgeschossplan Nr. 3 dargestellte erdgeschossige Quartiersgarage im Baugebiet ... mit einer Größe von bis zu 50 Stellplätzen inklusive der dargestellten Erschließung aus planungsrechtlicher und verkehrsrechtlicher Sicht zulässig sei, bejaht hat und der Quartiersgarage planungsrechtlich gemäß § 30 Abs. 1 BauGB zugestimmt hat. Zudem sei die Nutzung mit den verkehrlichen und immissionsschutzrechtlichen Belangen vereinbar. Hierzu hat sie auf die Hinweise zum Immissionsschutz verwiesen. In den Hinweisen unter „V. A. Immissionsschutz“ hat die Antragsgegnerin auf § 7 des Bebauungsplans Nr...., insbesondere auf die Beachtung von § 7 Abs. 5 der Satzung, hingewiesen. Entsprechend sei der Schallschutz in einem schalltechnischen Gutachten für die Einzelbauvorhaben gesondert nachzuweisen. Dieser Nachweis sei bei Einreichung der Bauanträge vorzulegen.

Mit der für die Beigeladene positiven Beantwortung der Frage 4 nach der planungsrechtlichen Zulässigkeit der Quartiersgarage hat die Antragsgegnerin verbindlich über diese Frage entschieden. Die Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit eines Bauvorhabens umfasst auch die Beurteilung der Frage, ob das Vorhaben die an es gestellten immissionsschutzrechtlichen Anforderungen einhält. Ein bestandskräftiger, unanfechtbarer Vorbescheid entscheidet abschließend über das, was Gegenstand der Prüfung des Vorbescheidsverfahrens war. Die nachfolgende Baugenehmigung übernimmt demzufolge den Inhalt eines bestandskräftigen Vorbescheides nur redaktionell oder als Hinweis, aber ohne eine eigene, Dritte beschwerende Regelung. Die von einem Dritten trotzdem gegen die Baugenehmigung erhobene Klage ist dann zwar nicht unzulässig, wohl aber unbegründet, soweit sich der Dritte auf Feststellungen stützt, die ihm gegenüber durch den Vorbescheid bereits bestandskräftig geworden sind (Decker in Simon/Busse, a. a. O., Rn. 98 ff. zu Art. 71 m. w. N. aus der Rechtsprechung). Die Bindungswirkung eines Vorbescheides könnte nur dann nicht mehr angenommen werden, wenn sich das im Baugenehmigungsverfahren behandelte Vorhaben aufgrund nachträglicher eingereichter Unterlagen nicht mehr auf das ursprünglich mittels Vorbescheid bereits ausschnittsweise beurteilte Vorhaben bezieht, sondern von diesem abweicht. Die Bindungswirkung erstreckt sich nur auf Vorhaben, die inhaltlich dem Vorbescheid vollständig entsprechen oder von diesem ohne Veränderung der Grundkonzeption allenfalls geringfügig abweichen. Das Vorhaben darf mithin nicht derart verändert werden, dass wegen dieser Änderung die Genehmigungsfrage in bodenrechtlicher und/oder bauordnungsrechtlicher Hinweist erneut aufgeworfen wird (BayVGH, U.v. 4.11.1996 - 1 B 94.2923 - BayVBl 1997, 341 f.).

Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt für das vorliegende Verfahren, dass die dem Vorbescheid zugrunde liegenden Unterlagen, insbesondere die eingereichten Pläne im Vergleich zu den dem Baugenehmigungsverfahren zugrunde liegenden Unterlagen, insbesondere Plänen, keine bzw. allenfalls geringfügige Abweichungen von der Grundkonzeption ergeben. Insbesondere ist sowohl nach den Darstellungen in den dem Vorbescheid zugrunde liegenden Unterlagen als auch in den zum Bestandteil der Baugenehmigung gewordenen Plänen (z. B. „Grundriss Erdgeschoss - Plannr. A-G3-g-00) zu entnehmen, dass die Situierung der Einfahrt der Quartiersgarage im nordwestlichen Teil der ...gasse unverändert geblieben ist. Es ist daher davon auszugehen, dass der sachliche Umfang der Bindungswirkung des bestandskräftig gewordenen Vorbescheides das über die Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit der Quartiersgarage betrifft und dabei auch über die Frage, ob von dem Vorhaben unzumutbare Lärmbelästigungen ausgehen, abschließend unanfechtbar entschieden worden ist.

Daran vermag auch nichts zu ändern, dass die Antragsgegnerin im Vorbescheid unter dem Punkt „V. Hinweise/A. Immissionsschutz“ auf § 7, insbesondere § 7 Abs. 5 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes hingewiesen und gefordert hat, den „Schallschutz in einem schalltechnischen Gutachten für die Einzelbauvorhaben gesondert nachzuweisen“. Dieser Hinweis kann entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers nicht so ausgelegt werden, als dass die planungsrechtliche Zustimmung zur Quartiersgarage nur vorbehaltlich der Ergebnisse eines Gutachtens ausgesprochen worden sein soll. Denn die „Hinweise“ auf ein etwa erforderliches Gutachten nehmen am Regelungscharakter des Vorbescheides und damit auch an seiner Bindungswirkung nicht teil. Über einen bloßen Hinweis ohne Regelungscharakter kann der Umfang der planungsrechtlichen Prüfung und bestandskräftigen Entscheidung nicht eingeschränkt oder erweitert werden.

§ 7 Abs. 5 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes kann auch, entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers, keine nachbarschützende Wirkung für Planaußenlieger zugemessen werden. Aus diesem Grunde ist es dem Antragsteller, wie der Bevollmächtigte des Beigeladenen zu Recht vorgetragen hat, verwehrt, sich auf den nachbarschützenden Charakter des § 7 Abs. 5 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes zu berufen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Während die in § 7 Abs. 1 bis 3 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans postulierten immissionsschutzrechtlichen Anforderungen deutlich erkennbar und ohne Zweifel ausschließlich den im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans liegenden Grundstücken zugutekommen sollen, so wird dies aus § 7 Abs. 4 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht von vornherein ohne weiteres deutlich, erschließt sich aber dann in der Zusammenschau mit den zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplans, der eine Tiefgaragenzufahrt zwischen den Anwesen Hausnr. ... und Hausnr. ... an der ...Allee festsetzt. Abgesehen davon, dass es sich um die Tiefgaragenzufahrt für die Bewohner des streitgegenständlichen Anwesens handelt, die nicht Gegenstand der Kritik des Antragstellers ist, und die zudem an der ...Allee gelegen ist, den Antragsteller daher auch unter keinem Blickwinkel des Rücksichtnahmegebots einen Ansatzpunkt für eine Nachbarrechtsverletzung böte, ist festzustellen, dass die Grundstücke mit den Hausnrn. ... und ..., jeweils ...Allee, ebenfalls im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. ... der Antragsgegnerin liegen. In der Zusammenschau wird demnach deutlich, dass die Regelungen in § 7 Abs. 1 bis 4 der Satzung sich insgesamt ausschließlich auf die im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans befindlichen Grundstücke beziehen und nicht den Nachbarschutz von Planaußenliegern in den Blick genommen haben. Daraus folgt, dass die Regelung in § 7 Abs. 5 der Bebauungsplansatzung, wonach der Schallschutz in einem schalltechnischen Gutachten für die Einzelbauvorhaben gesondert nachzuweisen ist, sich ebenfalls nur auf die sich im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans befindlichen Grundstücke beziehen kann. Der Bebauungsplan sieht daher, worauf die Bevollmächtigte der Beigeladenen zu Recht hingewiesen hat, zugunsten des Antragstellers keine immissionsschutzrechtlichen Festsetzungen vor, deren Einhaltung er mittels Anforderung eines schalltechnischen Gutachtens fordern könnte.

Auch unter dem Blickwinkel des Rücksichtnahmegebots ist im Hinblick auf die vom Antragsteller vorgetragene, von der Quartiersgarage ausgehende Lärmbelästigung keine Nachbarrechtsverletzung festzustellen. Die Kammer vermag im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens auch durch das durch die Quartiersgarage ausgelöste Verkehrsaufkommen und die durch die im nordwestlichen Grundstücksbereich der Fl.Nr. ... der Gemarkung ... nahe der Einmündung der ...gasse in die ...Alle vorgesehene Ein- und Ausfahrt keine maßgebliche Belastung des Anwesens des Antragstellers zu erkennen.

Nach der Stellungnahme der Fachstelle Immissionsschutz/Umweltamt der Antragsgegnerin im Vorbescheidsverfahren vom 11. Juli 2012 handelt es sich bei der Quartiersgarage nicht um eine öffentlich genutzte Parkgarage, die jedermann innerhalb der Öffnungszeiten zugänglich ist, sondern um eine Garage, die an Personen vermietet werden soll, die im Gebiet wohnen, ansässig sind oder ihrer Berufstätigkeit nachgehen. Dem Bevollmächtigten des Antragstellers ist darin beizupflichten, dass eine Quartiersgarage nicht dem Lärmbonus notwendiger Stellplätze unterliegt, bei denen die durch die Nutzung verursachten Lärmimmissionen im Regelfall eine Vermutung der Nachbarverträglichkeit begründen und die als sozialadäquat hinzunehmen sind. Bei der Quartiersgarage handelt es sich wohl um einen im festgesetzten Mischgebiet nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO allgemein zulässigen sonstigen Gewerbebetrieb, dessen Geschäftsmodell darin besteht, Parkplätze monatlich an einen bestimmbaren Benutzerkreis zu vermieten und dessen Betrieb im Baugenehmigungsbescheid damit beauflagt wurde, sicherzustellen, dass die Quartiersgarage, insbesondere zur Nachtzeit, nicht als öffentliche Garage genutzt werden kann (V., E. 5. des Bescheides), wobei die Kammer der Auffassung zuneigt, dass - im Gegensatz zur Auffassung der Antragsgegnerin - zumindest eine „Quasi-Öffentlichkeit“ der Quartiersgarage anzunehmen ist. Nach § 12 Abs. 1 BauNVO sind Stellplätze und Garagen in allen Baugebieten zulässig, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 6 nichts anderes ergibt. Nur in Kleinsiedlungsgebieten, reinen Wohngebieten und allgemeinen Wohngebieten sowie Sondergebieten, die der Erholung dienen, sind Stellplätze und Garagen nur für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig (§ 12 Abs. 2 BauNVO). Nachdem die Quartiersgarage in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Mischgebiet errichtet werden soll, ist § 12 Abs. 2 BauNVO ebenso wie § 12 Abs. 3 bis 6 BauNVO vorliegend nicht einschlägig.

Wenn allerdings von der Herstellung und Nutzung von Stellplätzen Belästigungen ausgehen, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzulässig sind, greift § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO mit dem dort enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme ein. Die Frage, wann die Benutzung von Garagen und Stellplätzen die Umgebung unzumutbar stört, lässt sich nicht abstrakt und generell nach festen Merkmalen beurteilen. Vielmehr kommt es entscheidend auf die konkrete Situation an, in der sich die Belästigungen auswirken. Nachdem der Begriff der erheblichen Störung mit dem Begriff der erheblichen Belästigung der Nachbarschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG und damit mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen vergleichbar ist, kommt es bei der Bestimmung des Maßes dessen, was an Störungen billigerweise noch zumutbar und hinzunehmen ist, auf das Ergebnis einer situationsbezogenen Abwägung und einem Ausgleich der widerstreitenden Interessen im Einzelfall an. So werden bei der Beurteilung insbesondere die Gebietsart, der konkrete Standort, die Zahl und Benutzungsart der Stellplätze, die Art und Weise der Verbindung zum öffentlichen Verkehrsraum sowie die Funktion der Stellplätze als notwendige oder zusätzliche Stellplätze eine Rolle spielen (BVerwG, B.v. 20.3.2003 - 4 B 59/12 - NVwZ 2003, 1516).

In Anwendung dieser Grundsätze ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Nutzung der Quartiersgarage zu unzumutbaren Lärmbelastungen für den Antragsteller führt.

Im festgesetzten Mischgebiet ist die Quartiersgarage, wie bereits vorstehend erwähnt, wohl als sonstiger Gewerbebetrieb nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO allgemein zulässig. Die Zahl der in der Quartiersgarage geplanten Stellplätze (38) und die Benutzungsart der Stellplätze lässt nicht von vorne herein den Schluss zu, die Quartiersgarage sei aus Rücksichtnahmegesichtspunkten für den Antragsteller unzumutbar. Hier ist zwar einerseits in die Betrachtung einzustellen, dass die Quartiersgarage, die zur Nachtzeit nicht betrieben werden darf, wie es im Baugenehmigungsbescheid beauflagt worden ist, einem „qausi-öffentlichen“ Personenkreis zur Benutzung offensteht; es kann aber auch nicht außer Betracht gelassen werden, dass hier nicht der Betrieb eines öffentlichen Parkhauses mit einem möglicherweise stundenweise wechselnden unbestimmbaren Personenkreis vorgesehen ist, sondern die Stellplätze an gebietsansässige bzw. in dem Quartier arbeitende Personengruppen monatlich vermietet werden sollen, was einen deutlich geringeren An- und Abfahrtsverkehr als den zu einer öffentlichen Tiefgarage stattfindenden indiziert. Die Beigeladene hat zudem nach der Auflage E Nr. 5 des Baugenehmigungsbescheides sicherzustellen, dass die Quartiersgarage, insbesondere zur Nachtzeit, nicht als öffentliche Garage genutzt werden kann. Die Art und Weise der Verbindung der Stellplätze zum öffentlichen Verkehrsraum stellt sich vorliegend so dar, dass die Zu- und Abfahrt zur Quartiersgarage im nordwestlichen Bereich der ...gasse, zur ...Allee hin situiert werden soll und ca. 45 m entfernt von der westlichen Grundstücksgrenze des klägerischen Anwesens errichtet werden soll. Nachdem der Lage, der Ausgestaltung und der Entfernung der Zufahrt zu den Stellplätzen zum Grundstück des Antragstellers eine besondere Bedeutung zukommt, weil der Lärm des Zu- und Abfahrtsverkehrs die Nachbarschaft in aller Regel am stärksten belastet, können schon angesichts der Entfernung der Ein- und Ausfahrt der Quartiersgarage, bezogen auf das Anwesen des Antragstellers, vermutlich keine unzumutbaren Auswirkungen entstehen. Die geplante Zu- und Abfahrt liegt in unmittelbarer Nähe zur öffentlichen Verkehrsfläche der ...gasse, weswegen auch in IV. A. 1. des Baugenehmigungsbescheides eine Abweichung erteilt worden ist. Eine Belastung des Antragstellers, etwa durch eine längere, an seinem Grundstück vorbeiführende Zuwegung zur Quartiersgarage auf dem Grundstück der Beigeladenen liegt daher nicht vor (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 10.4.2014 - 1 CS 14.397 - juris). Die Benutzer der Quartiersgarage fahren demnach mindestens 45 m von der westlichen Grundstücksgrenze des Antragstellers entfernt in die Tiefgarage direkt von der öffentlichen Verkehrsfläche ein bzw. auf diese aus, ohne etwa beispielsweise zu lärmintensiven Rangiermanövern oder längeren Vorbeifahrten an der Grundstücksgrenze des Antragstellers gezwungen zu sein, um ihren Abstellort zu erreichen oder sich von ihm zu entfernen.

Im Übrigen setzt der angefochtene Bescheid unter VI. Auflagen, E. Immissionsschutz 1. fest, dass der Beurteilungspegel des beim Betrieb entstehenden Lärms, unabhängig davon, ob der Lärm durch Menschen, Maschinen, Fahrzeuge, Anlagen oder Einrichtungen entsteht, aufgrund der Summenwirkung mit anderen (möglichen) Betrieben in diesem Gebiet insgesamt die reduzierten Richtwerte in der Nachbarschaft an den umliegend nächsten schutzbedürftigen Nutzungen von tagsüber 57 dB(A) und nachts von 42 dB(A) (Pegelspitzen von 22.00 bis 6.00 Uhr: 65 dB(A)) nicht überschreiten darf und erklärt die TA Lärm für bei der Ermittlung des Lärms für zu beachten. Die Antragsgegnerin hat damit eine Reduzierung der Immissionsrichtwerte für den Beurteilungspegel für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden, die nach Nr. 6.1 c) in Mischgebieten tags 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) betragen, um jeweils 3 dB(A) reduziert und zur Begründung angeführt, diese Reduzierung werde als „praktikabler Mittelweg“ herangezogen, um weiterhin Raum für andere Anlagen zu haben und zugleich die Nutzung nicht unverhältnismäßig stark einzuschränken. Hiergegen ist von Seiten des Gerichts nichts zu erinnern. Ausgehend davon, dass sich das Grundstück des Antragstellers (bestenfalls) im allgemeinen Wohngebiet, eventuell auch im Mischgebiet oder in einem Gebiet sui generis befindet, könnte er nur dann als angrenzender Gebietsanlieger bei angenommener Lage im allgemeinen Wohngebiet die Einhaltung der für ein allgemeines Wohngebiet geltenden Richtwerte fordern, wenn das Vorhaben der Beigeladenen auch in einem allgemeinen Wohngebiet gelegen wäre. Da sich das streitgegenständliche Vorhaben allerdings im festgesetzten Mischgebiet befindet, besteht von Seiten des Gerichts im Rahmen des summarischen Verfahrens keine Veranlassung, angesichts der reduzierten Immissionsrichtwerte für den Beurteilungspegel von der durch den Antragsteller behaupteten Unzumutbarkeit der Lärmimmissionen auszugehen. Nähme man zugunsten des Antragstellers an, dass sein Grundstück in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet läge, wäre die westlich davon vorhandene gewerbliche Nutzung durch einen Gastronomiebetrieb (...gasse ...) schutzmindernd zu berücksichtigen. Ein solches bauplanungsrechtlich zulässiges Nebeneinander von Wohnen und gewerblicher Betätigung schlägt sich bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze in der Bildung eines Mittelwerts nieder, wie er im streitgegenständlichen Bescheid angesetzt worden ist. Die Bildung eines solchen Mittelwerts ist auch nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z. B. B.v. 3.3.2006 - 15 ZB 04.2453 - juris) geeignet, Nachbarrechte zu sichern, wenn eine Anlage bei regelmäßigem Betrieb nur so genutzt werden kann, dass die entstehenden Immissionen die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze nicht überschreiten. Selbst unter der für den Antragsteller günstigsten Annahme, sein Grundstück läge in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet, träfen hier unterschiedlich schutzwürdige Gebiete zusammen. Dabei weitet eine Mittelwertbildung der Immissionsrichtwerte die Duldungs- und Rücksichtnahmepflichten der Nachbarn aus (BayVGH, B.v. 30.6.2009 - 15 CS 08.3019 - juris), steht in Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung und ist nicht geeignet, bei summarischer Überprüfung Zweifel daran zu wecken, dass die festgesetzten Richtwerte nicht eingehalten werden könnten.

Der Antrag hat nach alledem keinen Erfolg.

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da sich die Beigeladene durch eigene Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entsprach es der Billigkeit, ihre entstandenen außergerichtlichen Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).

8. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - i. V. m. Nr. II. 1.5 und Nr. II. 9.7.1 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Nach den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist für Nachbarklagen ein Streitwert von 7.500,-- EUR anzusehen, der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren war.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 09. Januar 2012 - 5 K 2279/11 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, als Gesamtschuldner.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss vom 09.01.2012 ist statthaft und auch sonst zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, der Klage der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 15.06.2011 i.d.F. des Widerspruchsbescheids vom 05.08.2011 aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Auch nach Auffassung des Senats kommt dem Interesse der Beigeladenen an der - dem gesetzlichen Regelfall entsprechenden - sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung Vorrang vor dem Interesse der Antragsteller an einem vorläufigen Baustopp zu. Nach derzeitigem Erkenntnisstand und nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird die Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben. Denn die genehmigten zwei Mehrfamilienwohnhäuser (Haus 1 mit acht und Haus 2 mit sechs Wohneinheiten) mit vier offenen Stellplätzen und einer Tiefgarage auf dem derzeit unbebauten Grundstück Flst.-Nr. ... (G... ...) in Müllheim verstoßen nicht gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz der Antragsteller als Eigentümer des östlich angrenzenden und mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks Flst.-Nr. ... (G... ...) zu dienen bestimmt sind.
Zur Begründung nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), wobei davon auszugehen ist, dass die Antragsteller mit ihrem Vorbringen nicht nach § 55 Abs. 2 Satz 2 LBO präkludiert sind und daher Anspruch auf volle Überprüfung ihrer Einwendungen haben. Ergänzend und in Würdigung des Beschwerdevorbringens der Antragsteller ist Folgendes auszuführen:
I.
Die Antragsteller halten dem Verwaltungsgericht zusammengefasst vor, es hätte die Prüfung des - im unbeplanten Innenbereich von Müllheim innerhalb einer Baulücke gelegenen - Vorhabens auf seine objektive Rechtmäßigkeit nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht offen lassen dürfen. Das Gericht hätte diese Frage vielmehr notwendigerweise prüfen und als Prüfungsergebnis zwingend verneinen müssen, da die genehmigten Gebäude in ihrer Massivität, Lage und Wohnungszahl in der durch großzügige Einfamilienhausbebauung gekennzeichneten Umgebung beispiellos seien und eine irreversible Verfremdung des bislang harmonischen und völlig spannungsfreien Baugebiets einleiteten. Dieser massive Verstoß gegen das objektiv-rechtliche Einfügensgebot löse unmittelbare Abwehransprüche für sie als Angrenzer aus, ohne dass es eines Rückgriffs auf die Voraussetzungen des Rücksichtnahmegebots bedürfe. Im Übrigen wirkten sich die beiden Häuser aber auch rücksichtslos erdrückend und einmauernd auf ihr nur bescheiden bebautes Wohngrundstück aus, ohne dass es auf die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ankomme, da diese nur „technisches Recht“ umsetzten und nachbarliche Belange nur untergeordnet berücksichtigten.
II.
Dem ist im dogmatischen Ansatz und im Ergebnis nicht zu folgen:
1. a) In der Rechtsprechung ist seit langem geklärt, dass § 34 Abs. 1 BauGB, wonach sich ein Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, nach der Bauweise und nach seiner überbauten Grundstücksfläche in die jeweils maßgebliche nähere Umgebung einzufügen hat, d.h. sich in dem jeweils prägenden Rahmen halten muss und diesen Rahmen nur bei Vermeidung städtebaulicher Spannungen überschreiten darf, unmittelbar keine drittschützende Wirkung entfaltet. Unmittelbarer Drittschutz gegen Gebietsveränderungen steht Gebietsanliegern nur im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 2 BauGB zu, wenn die nähere Umgebung der Nutzungsart nach einem der gesetzlich vorgeformten Gebiete nach §§ 2 ff. BauNVO entspricht. Sie können in diesem Fall nach ihrer Nutzungsart unzulässige Vorhaben abwehren, ohne sich auf die qualifizierten Anforderungen des Rücksichtnahmegebots verweisen lassen zu müssen (sog. Gebietserhaltungs- oder Gebietsbewahrungsanspruch, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16.12.2008 - 4 B 68.08 -, ZfBR 2009, 376 f. sowie Urteil vom 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151 ff. = NJW 1994, 1546 ff.).
Nur in diesem Sonderfall des § 34 Abs. 2 BauGB gesteht der Gesetzgeber, beschränkt auf die Art der baulichen Nutzung auf Nachbargrundstücken, den Bewohnern unbeplanter und beplanter Gebiete unter dem Gesichtspunkt der „Schicksalsgemeinschaft“ gleiche - unmittelbare - Abwehrrechte zu. Für die übrigen Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB (Nutzungsmaß, Bauweise, über- baubare Grundstücksfläche) gilt dies nicht. Dies verkennen die Antragsteller. Nachbarschützende Wirkung kommt Verstößen gegen diese Merkmale nur mittelbar über das im Begriff des „Einfügens“ aufgehende Gebot der Rücksichtnahme zu. Dieses ist verletzt, wenn ein Vorhaben es trotz Einhaltung des Umgebungsrahmens hinsichtlich eines oder mehrerer der Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB „an der gebotenen Rücksichtnahme auf die sonstige, d.h. vor allem auf die in seiner unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung fehlen lässt“ (so bereits BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369, 386). Das Rücksichtnahmegebot hat insoweit zunächst objektiv-rechtliche Bedeutung. Nachbarschutz vermittelt es nur insoweit, als - mit den Worten des Bundesverwaltungsgerichts - „in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter“ Rücksicht zu nehmen ist (st. Rpr. zu. § 34 Abs. 1 BBauG wie zu § 34 Abs. 1 BauGB; vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 13.03.1981 - 4 C 1.78 -, BauR 1981, 354 ff. sowie Beschluss vom 20.01.1992 - 4 B 229.91 -, juris). An dieser Unterscheidung zwischen objektiv-rechtlicher und subjektiv-rechtlicher Ausprägung des Rücksichtnahmegebots ist rechtsdogmatisch bis heute festzuhalten, auch wenn in der Praxis beide Komponenten meist zusammenfallen und sich daher eine zweistufige Prüfung erübrigt. In Nachbarrechtsverfahren kommt es jedenfalls allein darauf an, ob sich ein Vorhaben in der dargelegten qualifizierten Art und Weise rücksichtslos, d.h. unzumutbar auswirkt. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats - bezogen auf die Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB - unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls - insbesondere der tatsächlichen und rechtlichen Vorbelastung der Grundstücke und des Gebiets, der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Bauherrn und des Nachbarn sowie der Art und Intensität aller in Betracht kommenden städtebaulich relevanten Nachteile - zu beurteilen (vgl. etwa Beschlüsse vom 08.11.2007 - 3 S 1923/07 -, VBlBW 2008, 147 ff. und vom 16.2.1990 - 3 S 155/90 -, juris).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen, an denen festzuhalten ist, war das Verwaltungsgericht nicht zu einer vollumfänglichen und abschließenden Prüfung der streitigen Mehrfamilienhäuser am objektiv-rechtlichen Maßstab des § 34 Abs. 1 BauGB (einschließlich des Rücksichtnahmegebots in seiner objektiv-rechtlichen Ausgestaltung) verpflichtet, sondern durfte sich auf die Prüfung beschränken, ob sich die Gebäude zu Lasten der Antragsteller anhand eines oder mehrerer der Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB subjektiv-rechtlich als rücksichtslos erweisen und insoweit „drittschützende“ städtebauliche Spannungen auslösen (zum Gebot der Rücksichtnahme als Unterfall des Verbots der Begründung oder Erhöhung bodenrechtlich beachtlicher Spannungen in § 34 Abs. 1 BauGB vgl. BVerwG, Urteil vom 16.09.2010 - 4 C 7.10 -, NVwZ 2011, 436 ff.). Derartige die Schwelle der Rücksichtslosigkeit erreichende Nachteile des Vorhabens für die Antragsteller vermag auch der Senat noch nicht zu erkennen.
a) Bezüglich der Nutzungsart (Wohnen) wird der Rahmen der Umgebung unstreitig eingehalten. Die den Gebietsrahmen möglicherweise übersteigende Gesamtwohnungszahl des Vorhabens (14 Wohneinheiten), die Wohnungsdichte, wird von § 34 Abs. 1 BauGB nicht erfasst (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.02.1992 - 3 S 309/92 -, VBlBW 1992, 344 ff. m.w.N.). Sie kann nur mittelbar durchschlagen, etwa dann, wenn gleichzeitig unzumutbarer Verkehrslärm durch die Bewohner hervorgerufen wird. Davon kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden, nachdem die Zufahrt zur genehmigten Tiefgarage sich auf der vom Grundstück der Antragsteller abgewandten Westseite des Baugrundstücks befindet.
b) Auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung sind rücksichtslose Auswirkungen des Vorhabens für die Antragsteller noch nicht zu erkennen. Bei der Beurteilung ist hierbei allerdings nicht auf „relative“ Maßkriterien wie insbesondere die - hier eingehaltene - Grund- und Geschossflächenzahl abzuheben, sondern es kommt vorrangig auf die nach außen im Verhältnis zur Umgebungsbebauung prägenden Eigenschaften an, zu denen insbesondere die flächenmäßige Ausdehnung, die Geschosszahl und die Höhe der den Rahmen bildenden Gebäude zählen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.06.2007 - 4 B 8.07 -, BauR 2007, 1691 f.). Diesbezüglich dürften sich die streitigen zwei Mehrfamilienhäuser sowohl nach ihrer Grundfläche von jeweils etwa 300 m² als auch nach ihrer Geschosszahl und ihrer Gebäudehöhe möglicherweise sogar objektiv-rechtlich (gerade noch) im Umgebungsrahmen halten, der räumlich mindestens die Bebauungszeile südlich der G... umfasst. In dieser Zeile befindet sich das große und damit auch prägende Mehrfamilienwohnhaus auf dem östlich an das Grundstück der Antragsteller angrenzenden Grundstück Flst.-Nr. ... (G... ...). Der dortige aus drei versetzten Einheiten bestehende Gebäudekomplex weist ausweislich der nicht bestrittenen Ermittlungen der Antragsgegnerin eine Grundfläche von 315 m² auf, hat ebenfalls zwei Vollgeschosse und ein Dachgeschoss und übertrifft die genehmigten Wohnhäuser in der Firsthöhe um mindestens 2 m. Allein schon wegen dieses prägenden Gebäudekomplexes kann der Einschätzung der Antragsteller nicht gefolgt werden, im Baugebiet herrsche „Harmonie“ im Sinne einer in sich geschlossenen und von kleinen freistehenden Einfamilienhäusern geprägten „Schicksalsgemeinschaft“. Unabhängig von ihrer objektiv-rechtlichen Bewertung kommt den genehmigten Häusern auf dem Grundstück der Beigeladenen jedenfalls aber keine (subjektiv) rücksichtslose, weil unzumutbar optisch erdrückende oder einmauernde Wirkung zu. Diese Entscheidung ist, worauf die Antragsteller zu Recht abheben, nicht allein schon dadurch determiniert, dass die genehmigten Gebäude die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften in jeder Hinsicht einhalten. Diese Abstandsflächengebote sind allerdings keine rein „technischen Normen“, sondern haben eine starke nachbarschützende Zielrichtung. Jedoch umfasst ihr Schutzbereichskatalog (Belichtung, Besonnung, Belüftung, Brandschutz und ggf. auch ein Minimum an Wohnfrieden) nicht auch den Schutz gegen optisch erdrückende oder abriegelnde Baukörper. Dieser Schutz wird vielmehr vom bundesrechtlichen Kriterium des Maßes baulicher Nutzung abgeleitet (vgl. Beschluss des Senats vom 08.11.2007 - 3 S 1923/07 -, VBlBW 2008, 147 ff.; im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 23.05.1986 - 4 C 34.85 -, BauR 1986, 542 f.). Indessen treten die beiden genehmigten Wohnhäuser der Beigeladenen gegenüber dem Grundstück der Antragsteller noch nicht unzumutbar optisch erdrückend oder gar abriegelnd in Erscheinung. Denn beide Gebäude sind, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, nur mit den Giebelseiten zum Grundstück der Antragsteller hin ausgerichtet, zudem voneinander durch eine Freifläche von ca. 13 m getrennt.
10 
c) Auch bezüglich der überbauten Grundstücksfläche und in einer Gesamtwürdigung aller Umstände müssen die Antragsteller noch nicht mit unzumutbaren Nachteilen rechnen. Dabei verkennt auch der Senat nicht, dass sich der bisher in Richtung Westen außergewöhnlich günstige Lagevorteil des Grundstücks der Antragsteller im Zuge der Verwirklichung des streitigen Vorhabens verschlechtern wird. Die Antragsteller, die ihr großes Gartengrundstück im Verhältnis zur Umgebung eher gering ausnutzen, können jedoch in Anwendung des Rücksichtnahmegebots nicht verlangen, dass das Nachbargrundstück auch in Zukunft gänzlich unbebaut bleibt oder zwingend nur „in erster Reihe“ mit nur einem Gebäude (Haus 1) bebaut werden darf. Denn im Blockinnenbereich zwischen G... und H... sind auch an anderer Stelle „Hinterlandbebauungen“ in zweiter Reihe anzutreffen. Dies gilt nicht nur mit Blick auf die durchgehend tiefgestaffelte Bebauung im Bereich nördlich der H..., sondern auch für den Bereich südlich der G...-..., da auch hier - prägend - Wohnbebauung in „zweiter Reihe“ auf den Grundstücken Flst.-Nr. ... (G... ...) und dem dahinterliegenden Grundstück Flst.-Nr. ... (G... ...) in einer mit Haus 2 vergleichbaren Bebauungstiefe vorhanden ist.
11 
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab und nimmt stattdessen auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug.
12 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Billigem Ermessen entspricht es nicht, den Antragstellern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Denn die Beigeladene hat im Schriftsatz vom 09.03.2012 zwar Ausführungen zur Sache gemacht. Die an den Anfang gestellte Formulierung, es werde im Folgenden dargetan, dass die Beschwerde zurückzuweisen sei, ist jedoch nicht als förmlicher Prozessantrag auszulegen. Da die Beigeladene daher für den Fall des Unterliegens kein Kostenrisiko zu tragen gehabt hätte (§ 154 Abs. 3 VwGO), ist es nach der Rechtsprechung aller Bausenate des erk. Gerichtshofs auch nicht unbillig, dass sie - korrespondierend - im Falle des Obsiegens keine Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten verlangen kann (vgl. zuletzt etwa Beschluss vom 20.01.2011 - 8 S 2567/10 -, VBlBW 2011, 279 f.).
13 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
14 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser auf sich behält.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die (teilweise) Aufhebung einer ihm zuvor durch die Beklagte erteilten Baugenehmigung.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlstNr. YYY, U-Straße 5, im Gemeindegebiet der Beklagten. Das Grundstück ist im südlichen, der U-Straße zugewandten Grundstücksteil mit einer Doppelhaushälfte (Mehrfamilienhaus mit 2 Vollschossen, Mansardgeschoss und nicht ausgebautem Dachgeschoss) bebaut. Eigentümer der westlich angrenzenden Doppelhaushälfte auf dem Grundstück FlstNr. XXX ist der Beigeladene. Die Grundstücke befinden sich nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans.
Der Kläger stellte bei der Beklagten unter dem 19.01.2011 Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Sanierung und zum Umbau seines Hauses. Soweit vorliegend erheblich, beantragte der Kläger die Erweiterung des Gebäudes durch einen 5,02 m tiefen und 8,86 m breiten, 2-geschossigen Anbau mit Dachterrasse in nördlicher Richtung direkt an der Grenze zum benachbarten Grundstück FlstNr. XXX.
Im Rahmen der Angrenzeranhörung trug der Beigeladene vor, der überdimensionale Wohnhausanbau entspreche nicht der Eigenart der näheren und auch weiteren Umgebung. Die Bebauung, besonders der untere Teil der U-Straße, bestehe ausschließlich aus jeweils deckungsgleichen Doppelhäusern an der Vorder- und Rückseite. Das sei das charakteristisch Prägende dieses Straßenzuges. Die vom Kläger beantragte Bebauung führe zwangsweise zu einem Bodennutzungskonflikt und widerspreche dem Gebot der Rücksichtnahme. Die Abstandsflächen würden nicht eingehalten. Es seien statische Schäden an der relativ schlechten Bausubstanz der alten Häuser zu befürchten. Die neu entstehende Grenzwand habe beträchtliche Lichteinbußen bis zur Totalverschattung der Gebäudenordseite und aller Wohnungen auf seinem Grundstück zur Folge. Die Wohn- und Lebensqualität wie auch der Wiederverkaufswert würden erheblich beeinträchtigt. Der Wohnfrieden sei durch zu geringen „Anstands-Abstand“ gefährdet, es bestünden direkte Einblickmöglichkeiten in die nach Norden fensterführenden Räume und Balkone. Es sei mit Beschädigung, gar Verlust der grenznahen Vegetation zu rechnen. Es würde ein Präzedenzfall geschaffen.
Die Beklagte erteilte dem Kläger die Baugenehmigung wie beantragt (mit Ausnahme eines Grüneintrags betreffend die Nutzung der Dachterrasse im westlichen Bereich) mit Bescheid vom 21.04.2011. Die Nachbareinwendungen des Beigeladenen wurden zurückgewiesen, da dem beantragten Vorhaben keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstünden.
Unter dem 09.05.2011 erhob der Beigeladene Widerspruch. Er selbst habe keinerlei Interesse an einem ähnlichen Anbau ohne Abstandsflächen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze.
Unter dem 12.05.2011 ordnete die Beklagte die aufschiebende Wirkung des vom Beigeladenen erhobenen Widerspruchs gegen die von der Beklagten erteilte Baugenehmigung an, da gewichtige Zweifel an der nachbarrechtlichen Unbedenklichkeit des Vorhabens bestünden.
Mit Schreiben vom selben Tag legte die Beklagte den Widerspruch dem Regierungspräsidium F. zur Entscheidung vor.
Das Regierungspräsidium F. wandte sich mit Schreiben vom 04.08.2011 an die Beklagte mit der Bitte, dem Widerspruch in eigener Zuständigkeit abzuhelfen und die Baugenehmigung aufzuheben, soweit diese einen nördlichen Anbau an das bestehende Wohnhaus in einer Tiefe von 5 m zulasse. Das Regierungspräsidium komme nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis, dass die Baugenehmigung insoweit keinen Bestand haben könne, da sie rechtswidrig sei und den Beigeladenen in seinen Rechten verletze. Der Anbau sei nicht mit Bauplanungsrecht vereinbar, denn er füge sich nicht nach § 34 Abs. 1 BauGB ein. Die nähere Umgebung des Baugrundstücks sei durch eine offene Bauweise geprägt, in der überwiegend Doppel- aber auch Einzelhäuser vorhanden seien. für die Umgebungsbebauung seien auch die überbaubaren Grundstücksflächen maßstabbildende prägende Merkmale, die für die Frage des Einfügens von Bedeutung seien. Diese Merkmale seien anhand der vorhandenen Bebauung und aufgrund der jeweils überbauten Grundfläche und räumlichen Lage der baulichen Anlagen zu ermitteln. Daraus sei vorliegend eine faktische hintere Baugrenze ableitbar, die in Höhe der hinteren Gebäudeaußenwand der nördlich der U-Straße liegenden Wohngebäude verlaufe. Zweifel daran könnten zwar dadurch hervorgerufen werden, dass etwa auf dem Grundstück FlstNr. ZZZ ein größerer Schuppen im rückwärtigen Grundstücksbereich vorhanden sei. Es sei jedoch zu beachten, dass maßgebend für eine faktische Baugrenze nur die Lage der Gebäude der Hauptnutzung sei, nicht hingegen die der Nebenanlagen. Die Überschreitung der nicht überbaubaren Grundstücksfläche durch den Anbau sei planungsrechtlich unzulässig, da es sich dabei nicht um eine Nebenanlage handele. Durch die Überschreitung der faktischen hinteren Baugrenze füge sich der Anbau nicht mehr in die Eigenart der näheren Umgebung i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB ein. Es spreche auch viel dafür, dass dieser faktischen Baugrenze nachbarschützende Funktion zukomme. Dabei sei insbesondere von Bedeutung, dass die Nachbarn infolge der vorhandenen Doppelhausbebauung im Sinne eines Austauschverhältnisses rechtlich derart verbunden seien, dass sie zu gesteigerter gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet seien. Zwar fehle es an einer planerischen Festsetzung von Doppelhäusern, jedoch stelle auch das bisher bestehende Doppelhaus ein faktisches Austauschverhältnis zwischen beiden benachbarten Grundstückseigentümern dar. Denn die Bebauung eines Grundstücks mit Doppelhaushälften unter Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze führe dazu, dass jede Veränderung eines Gebäudes nicht zuletzt in der Tiefe städtebauliche Spannungen mit Blick auf die Betroffenheit der anderen Grundstückseigentümer auslöse. Gemessen daran gelte, dass sich der geplante zweigeschossige Anbau mit einer Tiefe von 5 m und einer Höhe von 7,20 m direkt auf der Grundstücksgrenze dem Beigeladenen gegenüber als Verstoß gegen § 34 Abs. 1 BauGB sowie das Rücksichtnahmegebot darstelle. Dies wäre selbst dann der Fall, wenn man das Vorliegen einer faktischen hinteren Baugrenze verneinen wollte. Denn es werde durch den Anbau ein einseitiger Grenzanbau geschaffen, der gegen den Charakter eines Doppelhauses i.S.d. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO verstoße. Zwar müssten die ein Doppelhaus bildenden Gebäude nicht deckungsgleich aneinander gebaut sein, jedoch müssten sie zu einem wesentlichen Teil zusammengebaut sein. In welchem Umfang, lasse sich nicht prozentual festlegen, sondern sei anhand der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Kein Doppelhaus entstehe, wenn ein Gebäude gegen das andere so stark versetzt werde, dass sein Versprung den Rahmen einer wechselseitigen Grenzbebauung überschreite, den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus vermittele und dadurch einen neuen Bodennutzungskonflikt auslöse. Der Versprung des geplanten Vorhabens sei vor diesem rechtlichen Hintergrund in dem geplanten Ausmaß nicht mehr durch den wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze gedeckt. Er würde die Freifläche hinter dem bestehenden Wohnhaus des Bauherrn wandartig vom Grundstück des Widerspruchsführers abriegeln und so den Eindruck eines massiven einseitigen Grenzanbaus vermitteln, der dem Beigeladenen nicht mehr zuzumuten sei. Demnach erweise sich die erteilte Baugenehmigung im Hinblick auf den nördlichen Grenzanbau als rechtswidrig und sei daher gemäß §§ 48 Abs. 1 Satz 1, 50 LVwVfG aufzuheben.
10 
Der Kläger wurde mit Schreiben vom 22.08.2011 zum Inhalt des Schreibens des Regierungspräsidium F. vom 04.08.2011 und zu einer entsprechenden Teilrücknahme der Baugenehmigung vom 21.04.2011 angehört.
11 
Der Architekt des Klägers trug in dessen Auftrag vor, der geplante Anbau, dessen Höhe deutlich unterhalb derjenigen der vorhandenen Gebäude liege, füge sich i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB ein. Die Berücksichtigung einer faktischen Baugrenze sei nicht nachvollziehbar, da der hofseitige Balkon am Gebäude U-Straße 3 die Abmessungen eines untergeordneten Bauteils überschreite und somit auch innerhalb der Baugrenze liegen müsste. Die faktische Baugrenze sei daher mit dem Maß des Balkons am Gebäude U-Straße 3 zu fixieren, der 4,20 m vorspringe. Ferner gebe es auf den Grundstücken FlstNrn. VVV und WWW - ebenfalls Doppelhäuser - eine annähernd komplette Überbauung des Innenhofs in Form einer kompletten Grenzbebauung. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Baugrenzen nicht nachbarschützend seien, weil die schutzwürdigen Interessen der Nachbarn durch die Abstandsflächenvorschriften berücksichtigt würden. Allenfalls könnten die nachbarschützenden Belange in Form der Einhaltung der Abstandsflächen berücksichtigt werden. Was den Doppelhauscharakter i.S.d. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO betreffe, so gebe es bezüglich des Versprungmaßes keine mathematische Formel. Der Anbau von 5 m beeinträchtige den Charakter als Doppelhaus nicht. Es könne auch nicht sein, dass § 34 Abs. 1 BauGB so ausgelegt werde, dass eine ganze Häuserzeile keine Erweiterungen des bestehenden Wohnraums mehr habe.
12 
Ferner trug der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, der Widerspruch könne nur Erfolg haben, soweit die verfahrensgegenständliche Baugenehmigung gegen Vorschriften des öffentlichen Baurechts verstoße, die zumindest auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt seien. Im Anwendungsbereich von § 34 Abs. 1 BauGB komme nur dem Gebot der Rücksichtnahme nachbarschützende Bedeutung zu. Ein Vorhaben, das die nach §§ 5, 6 LBO gebotenen Abstandsflächen einhalte, verletze das Gebot der Rücksichtnahme im Regelfall zumindest aus tatsächlichen Gründen nicht. Daher verstoße der vom Regierungspräsidium F. gerügte Anbau nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO müsse der Anbau keine Abstandsflächen zum Grundstück des Beigeladenen einhalten, da an die gemeinsame Grundstücksgrenze des Vorhabengrundstücks zum Grundstück U-Straße 3 gebaut werden dürfe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Charakter als Doppelhaus. Soweit das Regierungspräsidium F. die Entscheidung des BVerwG (4 C 12.98) heranziehe, werde übersehen, dass hier ein anderer Sachverhalt zu beurteilen gewesen sei; dort sei es nicht auf das Gebot der Rücksichtnahme, sondern den durch Festsetzung eines Bebauungsplans zur offenen Bauweise vermittelten Nachbarschutz angekommen. Es liege auf der Hand, dass sich der rechtliche Maßstab für den Erfolg des nachbarlichen Widerspruchs erheblich verschiebe. Darüber hinaus stelle der Anbau den Charakter der Anwesen U-Straße 3 und 5 als Doppelhaus nicht in Frage. Denn die Grenzwände der beiden Anwesen seien in der Tiefe um gut zwei Drittel und bezogen auf die Gesamtfläche um mehr als 80 % kongruent. Die Rechtsprechung, wonach Doppelhaushälften auch zueinander versetzt oder gestaffelt aneinandergebaut werden können, dränge sich hier geradezu auf. Der Anbau füge sich hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung ein, auch wenn es darauf nicht entscheidend ankomme. Denn er überschreite keine „faktische Baugrenze“, er halte sich vielmehr in dem durch die Umgebung vermittelten Rahmen. Die den Maßstab bildende „nähere Umgebung“ umfasse nach ständiger Rechtsprechung nicht nur die unmittelbar benachbarten Grundstücke. Bei Wohnbauvorhaben in einem Wohngebiet - wie hier - gehörten regelmäßig das betroffene Straßenviereck und die gegenüberliegende Straßenseite zur näheren Umgebung. Daher seien zumindest auch die Gebäude entlang des H-Wegs und der F-Straße zu berücksichtigen, zumal das so bezeichnete Quartier eine räumliche Ausdehnung von lediglich etwa 75 m auf etwa 110 m aufweise, so dass sich eine gegenseitige Prägung aufdränge. Der Anbau halte sich innerhalb des so zu ziehenden Rahmens und füge sich damit ein. Die bereits vorhandenen Bebauungstiefen würden erkennbar nicht überschritten. Dies offenbare sich bei einem Blick auf den rückwärtigen Anbau am Gebäude F-Straße 28, der sich nur wenige Meter westlich des Vorhabengrundstücks befinde und dessen rückwärtigen Bereich damit zweifelsohne präge. Auch wenn das Gebäude F-Straße 28 unberücksichtigt bleibe und nur die Bebauung entlang der U-Straße in die Betrachtung einbezogen würde, handelte es sich zwar um eine erstmalige Hinterlandbebauung, die aber nach der Rechtsprechung nicht von vornherein städtebaulich unerwünscht sei. Vielmehr komme es entscheidend darauf an, ob diese Hinterlandbebauung die gebotene Rücksicht auf die unmittelbare Nachbarschaft nehme und keine bodenrechtlich beachtlichen Spannungen begründe oder erhöhe. So liege es hier. Der Anbau beeinträchtige weder die Durchlüftung oder eine bestehende Ruhelage noch vermindere er eine die Eigenart des Gebiets prägende vorhandene Freifläche in unangemessener Weise. Ebenso wenig sei eine negative Vorbildwirkung zu besorgen. Denn auch nachfolgende Anbauten beeinträchtigten weder die Durchlüftung bzw. eine bestehende Ruhelage noch verminderten sie vorhandene Freiflächen in unangemessener Weise.
13 
Nachdem die Beklagte das Schreiben der Prozessbevollmächtigen des Klägers an das Regierungspräsidium vorgelegt hatte, erklärte dieses gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 27.10.2011, die Frage, wie stark die beiden Hälften eines Doppelhauses i.R.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 LBO grundsätzlich gegeneinander verspringen dürften, ohne das Rücksichtnahmegebot zu verletzen, könne offen bleiben. Denn ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege bereits wegen der deutlichen Überschreitung der faktischen Baugrenze und dem damit verbundenen Eingriff in das nachbarliche Austauschverhältnis vor. Zwar sei dem Kläger Recht zu geben, dass das Straßengeviert regelmäßig zur näheren Umgebung i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB zu zählen sei; dies gelte aber nicht für den Verlauf der hier relevanten faktischen Baugrenze, die sich naturgemäß nur anhand der Gebäudestellung an demselben Straßenzug ermitteln lasse. Durch die Überschreitung der faktischen Baugrenze würde auch für die anderen Grundstücke entlang der U-Straße eine Vorbildwirkung für einen Anbau in die Tiefe entstehen. Da ein solcher Anbau jeweils zu einer wesentlichen Betroffenheit des Eigentümers des angrenzenden Doppelhauses führe, der bisher auf die Beibehaltung der Bebauungstiefe auf dem Nachbargrundstück habe vertrauen dürfen, würden bodenrechtlich beachtliche Spannungen begründet oder erhöht.
14 
Mit Bescheid der Beklagten vom 08.11.2011 wurde unter Ziff. 1 die Baugenehmigung der Beklagten vom 21.04.2011 zurückgenommen, „soweit diese einen nördlichen Anbau an das bestehende Wohnhaus mit einer Tiefe von 5,02 m zulässt“. Zur Begründung wurde auf die Stellungnahmen des Regierungspräsidiums F. vom 04.08.2011 und 27.10.2011 hingewiesen. Rechtsgrundlage seien §§ 50, 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG, § 72 VwGO. Diese Entscheidung sei die einzig mögliche Maßnahme, die geeignet sei, rechtmäßige Zustände wieder herzustellen. Eine mildere Maßnahme, welche dazu ebenfalls geeignet wäre, sei nicht ersichtlich. Diese Entscheidung sei auch angemessen, da das Interesse des Klägers am Fortbestand des Teiles der betroffenen Baugenehmigung deutlich weniger Gewicht besitze als das entgegenstehende Interesse der öffentlichen Verwaltung an der Schaffung einer rechtssicheren Planungsgrundlage. Die festgesetzte Maßnahme stelle auch keine unzumutbare Härte dar, da mit den hieraus entstehenden Nachteilen habe gerechnet werden müssen. Die Rücknahme diene auch der Rechtssicherheit der Bauherrschaft. Es bestehe aufgrund der Rechtssituation des § 50 LVwVfG kein schutzwürdiges Vertrauen, nachdem dem Kläger der Nachbarwiderspruch bekannt gemacht worden sei. Die teilweise Aufhebung der Baugenehmigung solle auch dem Umstand Rechnung tragen, dass die durch die Genehmigung Begünstigten, solange ein Rechtsbehelfsverfahren anhängig sei, ohnehin nicht auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertrauen könnten, sondern damit rechnen müssten.
15 
Der Kläger hat am 11.11.2011 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er die Argumente aus dem Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor: Beim streitgegenständlichen Bescheid handele es sich um einen Abhilfebescheid im Sinne von § 72 VwGO und nicht um eine teilweise Rücknahme der dem Kläger erteilten Baugenehmigung. Bei nicht auszuräumenden Unklarheiten darüber, ob die Behörde eine Abhilfeentscheidung innerhalb oder eine Rücknahmeentscheidung außerhalb des Widerspruchsverfahrens getroffen habe, sei von einer Entscheidung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens auszugehen. Weder das dem Bescheid vorausgegangene Verfahren noch der Bescheid selbst lieferten eindeutige Hinweise, ob es sich um einen Abhilfebescheid oder um eine teilweise Rücknahme handele. Im Bescheid vom 11.11.2011 nenne die Beklagte vielmehr als Rechtsgrundlagen die sich wechselseitig ausschließenden § 72 VwGO einerseits und §§ 48, 50 LVwVfG andererseits. Die Abhilfeentscheidung sei rechtswidrig, da die dem Kläger erteilte Baugenehmigung vom 21.04.2011 den Beigeladenen auch hinsichtlich des Anbaus nicht in dessen Rechten verletze. Die Klage sei selbst dann begründet, wenn der verfahrensgegenständliche Bescheid als teilweise Rücknahme der Baugenehmigung vom 21.04.2011 verstanden würde. Denn der aufgehobene Teil der Baugenehmigung sei nicht rechtswidrig gewesen. Vielmehr sei der verfahrensgegenständliche Anbau bauplanungsrechtlich zulässig. Denn bei zutreffender Bemessung des Betrachtungsrahmens füge sich der Anbau auch nach der überbaubaren Grundstücksfläche in die maßgebliche nähere Umgebung ein. Auch bei Bestimmung rückseitiger Baugrenzen sei nicht nur der jeweilige Straßenzug, sondern zumindest das Quartier, in dem sich das Baugrundstück befinde, hier also das Geviert, das durch F-Straße, U-Straße und H-Weg umfasst werde, in den Blick zu nehmen. In die Eigenart dieser näheren Umgebung füge sich der Anbau zwanglos ein. Es gebe in der näheren Umgebung keine einheitliche rückseitige Baugrenze. Dies zeigten die Grundstücke FlstNrn. ZZZ, WWW und VVV. Besonderes Augenmerk sei auf die Bebauung des Grundstücks FlstNr. VVV (F-Straße 28) zu legen, in dessen rückwärtigem Bereich sich - nur wenige Meter von dem verfahrensgegenständlichen Anbau entfernt - ein zweigeschossiges, direkt an die Grundstücksgrenze des Beigeladenen angebautes Gebäude befinde, das auch den rückwärtigen Bereich des Vorhabengrundstücks präge. Der Anbau füge sich aber auch dann ein, wenn das Gebäude F-Straße 28 unberücksichtigt bleibe. Denn die Hinterlandbebauung erhöhe keine bodenrechtlich beachtlichen Spannungen.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
den Bescheid der Beklagten vom 08.11.2011 aufzuheben sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Zur Begründung wird verwiesen auf die Schreiben der Beklagten vom 12.05.2011, die Schreiben des Regierungspräsidiums F. vom 04.08.2011 und vom 27.10.2011 und den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 08.11.2011. Ergänzend wird vorgetragen, dass durch den Kläger in überzogener Weise die nähere Umgebung i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB auf ein Quartier ausgeweitet werde. Wie auf den beiliegenden Luftbildern klar erkennbar sei, sei der Baublock von den Straßen U-Straße, H-Weg und F-Straße umfasst. Zur Beurteilung der faktischen rückwärtigen Baugrenze könnten insoweit selbstverständlich nur die Gebäude des Straßenzuges - hier die U-Straße - herangezogen werden. Die weiter aufgeworfene Frage, ob ein Abhilfe- oder eine Rücknahmeentscheidung vorliege, könne ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids der Beklagten führen, denn im Tenor und in der Begründung sei klar erkennbar, dass hier eine Baugenehmigung aufgrund eines Widerspruchsverfahrens teilweise zurückgenommen werde.
21 
Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er trägt vor, Rücksichtnahme könne nur stattfinden, wenn man andere und deren Bedürfnisse überhaupt wahrnehme, was leider beim Kläger nicht der Fall sei. Es sei unverständlich, dass die Festsetzung eines Bebauungsplans mehr Nachbarschutz vermitteln solle als es in einem unbeplanten Bereich der Fall sei. Ferner sei er der Ansicht, dass der Doppelhaus-Charakter durch die baulichen Veränderungen verloren gehe. Diese Walmdachhäuser seien vor ca. 106 Jahren zeit- und deckungsgleich erbaut worden. Auch wenn man sich das gesamte Ensemble des Straßenzugs der U-Straße ansehe, dränge sich der Verdacht auf, dass diese Häuser schon zum damaligen Zeitpunkt unter städteplanerischen Gesichtspunkten und Auflagen eben genau so erbaut worden seien. Ein über 5 m tiefer Versprung vermittele den Eindruck eines massiven einseitigen Grenzanbaus, insbesondere wenn er sich nur um ca. 40 cm von seinen, des Beigeladenen, nächstgelegenen Fenstern entfernt befinde und sich in der Höhe über 7,20 m erstrecke. Die geplante Wandfläche werde sich nochmals um ca. 40 cm erhöhen (Brüstung) und ein eventuell zusätzlicher Sichtschutz verstärke die erdrückende Wirkung zusätzlich. Der Anbau füge sich keineswegs ein. Es sei unangemessen, das gesamte Straßenviertel heranzuziehen, da sich die jeweiligen Straßenzüge durch eigenständige Charakteristika unterschieden, die nicht miteinander zu vergleichen seien. Beim Anbau F-Straße 28 handele es sich in diesem Quartier um einen echten Außenseiter, der nicht als Grundlage für die Bebauung des gesamten Viertels heranzuziehen sei. Wäre der Anbau zulässig, wäre dieser wiederum maßstabsbildend für einen Anbau des Beigeladenen, der dann problemlos auf eine Gebäudetiefe von 22 m anbauen könne. Dies könne nicht im Sinne einer vernünftigen Stadtbauplanung sein.
22 
In der mündlichen Verhandlung am 25.07.2012 wurden das Baugrundstück und dessen nähere Umgebung in Augenschein genommen. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
23 
Dem Gericht haben die einschlägigen Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bde.) sowie die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums F. (1 Bd.) vorgelegen. Hierauf sowie auf die Gerichtsakte wird wegen der weiteren Einzelheiten ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
I.
24 
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß §§ 40, 42 VwGO zulässig. Der Durchführung eines Vorverfahrens i.S.d. §§ 68 ff. VwGO bedurfte es nicht. Denn es handelt sich bei der angefochtenen Entscheidung um einen Abhilfebescheid i.S.d. § 72 VwGO - und nicht um eine außerhalb des Widerspruchsverfahrens erfolgte Rücknahme i.S.d. §§ 50, 48 LVwVfG -; durch diesen Abhilfebescheid ist der Kläger erstmalig beschwert, § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO, da die Beklagte damit die dem Kläger mit Bescheid vom 21.04.2011 erteilte Baugenehmigung (teilweise) aufhebt.
25 
Die Ausgangsbehörde hat - auch nach Abgabe des Widerspruchs an die Widerspruchsbehörde - die Wahl, ob sie einem zulässigen und begründeten Nachbarwiderspruch gemäß § 72 VwGO abhilft oder den angegriffenen Bescheid aus Anlass des Widerspruchsverfahrens gemäß §§ 50, 48 LVwVfG zurücknimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.04.1996 - 4 C 6.95 -, juris; Urteil vom 28.04.2009 - 2 A 8.08 -, juris; so auch OVG Niedersachsen, Beschluss vom 15.07.2002 - 1 LA 2816/01 -, juris; a.A. - in diesem Fall (nur) Abhilfe nach § 72 VwGO möglich - Schoch/Schmidt-Aßmann Pietzner, VwGO, Stand 2011, § 72 Rn. 16a). Ob die Behörde eine Abhilfeent-scheidung innerhalb oder eine Rücknahmeentscheidung außerhalb des Widerspruchsverfahrens getroffen hat, ist nach den üblichen Auslegungsgrundsätzen für behördliche Willenserklärungen zu beurteilen. Grundsätzlich hat die Behörde deutlich zu machen, was sie gewollt hat. Bei Unklarheiten ist von einer (Abhilfe-) Entscheidung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens auszugehen (BVerwG, Urteil vom 28.04.2009 - 2 A 8.08 -, juris; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 72 Rn. 41; Schoch/Schmidt-Aßmann Pietzner, a.a.O., § 72 Rn. 16; Kopp/Schenke, VwGO, § 72 Rn. 8).
26 
Vorliegend spricht nach Aktenlage Überwiegendes dafür, dass die Beklagte seinerzeit nicht bewusst eine Rücknahmeentscheidung nach §§ 50, 48 VwVfG außerhalb des Widerspruchsverfahrens hat treffen oder im Rahmen des Widerspruchsverfahrens dem Widerspruch hat abhelfen wollen; vielmehr scheint sich die Behörde ihrer diesbezüglichen Entscheidungsfreiheit nicht bewusst gewesen zu sein. Denn der angefochtene Bescheid vom 08.11.2011 spricht in Ziff. 1 zwar davon, die Baugenehmigung werde „zurückgenommen“, in den Gründen wird der Bescheid jedoch - widersprüchlich - auf „§§ 50 und 48 Abs. 2 Satz 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz und § 72 Verwaltungsgerichtsordnung“ gestützt, wobei im weiteren Verlauf der Begründung wiederum auf § 50 LVwVfG rekurriert wird. Inhaltlich wird die ergriffene Maßnahme ausschließlich widerspruchsbezogen - nämlich unter Verweis auf die vom Regierungspräsidium als Widerspruchsbehörde im Widerspruchsverfahren abgegebenen Stellungnahme - begründet. In den Aktenvermerken der Beklagten ist uneinheitlich mal von „Teilrücknahme“, mal von „Teilaufhebung“ die Rede. Das Regierungspräsidium F. hat in seinem Schreiben vom 04.08.2011 die Beklagte gebeten, „dem Widerspruch in eigener Zuständigkeit abzuhelfen und die Baugenehmigung aufzuheben“. Die Anhörung des Klägers erfolgte dagegen mit Schreiben vom 22.08.2011 zu einer „erforderlichen Teilrücknahme der Baugenehmigung“. Die Rechtsbehelfsbelehrung im angefochtenen Bescheid vom 08.11.2011 spricht wiederum für eine Abhilfeentscheidung, da - offensichtlich mit Blick auf § 68 Abs. 1 Nr. 2 VwGO - darauf verwiesen wird, gegen diesen Bescheid könne, „soweit er eine zusätzliche Beschwer enthält“, Klage erhoben werden; wäre die Entscheidung auf Grundlage von §§ 50, 48 VwVfG erfolgt, wäre ein erneutes Vorverfahren durchzuführen gewesen (vgl. Sodan/Ziekow, a.a.O., § 68 Rn. 152). Nachdem auch die Klagerwiderung mit ihrer Formulierung, „dass hier eine Baugenehmigung aufgrund eines Widerspruchsverfahrens teilweise zurückgenommen wird“, keine Klarheit hat schaffen können, machte die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung deutlich, man habe seinerzeit im Rahmen des anhängigen Widerspruchsverfahrens agieren und hier eine Abhilfeentscheidung erlassen wollen.
27 
Daher ist hier von einer Abhilfeentscheidung i.S.d. § 72 VwGO auszugehen, die keiner vorherigen Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bedurfte.
II.
28 
Die zulässige Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Aufhebung der dem Kläger unter dem 21.04.2011 erteilten Baugenehmigung für den beantragten Anbau an seine Doppelhaushälfte ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29 
Wendet sich der Inhaber einer Baugenehmigung gegen deren teilweise oder vollständige Aufhebung im Wege eines Abhilfebescheids gemäß § 72 VwGO, ist Klagegegenstand die Baugenehmigung nur insoweit, als zu Lasten des Nachbarn, der das Widerspruchsverfahren angestrengt hat, nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Baurechts verletzt werden (VG Braunschweig, Urteil vom 08.10.2002 - 2 A 317/01 -, juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 04.05.2011 - 5 K 2976/09 -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 26.06.2007 - 9 K 1008/05 -, juris). Denn die Aufhebung der Baugenehmigung im Wege der Abhilfe ist nur dann rechtmäßig, wenn der Widerspruch des Nachbarn zulässig und begründet ist; verstößt die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen, verletzt die Abhilfeentscheidung die subjektiv-öffentlichen Rechte des Bauherrn (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und ist auf dessen Anfechtungsklage hin daher aufzuheben (VG Würzburg, Urteil vom 08.11.2007 - W 5 K 07.745 -, juris; VG München, Urteil vom 14.02.2002 - M 11 K 01.3134 -, juris).
30 
Vorliegend ist das Gericht auf Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingenommenen Augenscheins der Überzeugung, dass die Baugenehmigung vom 21.04.2011 subjektiv-öffentliche Rechte des Beigeladenen, die das Gesetz im Verhältnis der Grundstücksnachbarn untereinander als schutzwürdig ansieht, verletzt hat, der Widerspruch des Beigeladenen folglich begründet war und die Beklagte daher eine Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO treffen durfte.
31 
Die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung resultiert entgegen der Ansicht des Beigeladenen allerdings weder aus der Verletzung einer faktischen hinteren Baugrenze noch aus einem Verstoß des Anbaus gegen den Charakter des im Eigentum des Klägers stehenden Hauses als Doppelhaus.
32 
1. Die Beklagte trägt - in Übereinstimmung mit der Argumentation des Regierungspräsidiums F. - vor, der geplante Anbau verstoße gegen eine faktische rückwärtige Baugrenze. Dieser Argumentation, die der Sache nach die Frage der von § 34 Abs. 1 BauGB umfassten überbaubaren Grundstücksfläche betrifft, vermag das Gericht aus mehreren Gründen nicht zu folgen.
33 
a) Zum einen lässt sich nach Auffassung des Gerichts auf Grundlage des Augenscheins für die fraglichen Grundstücke keine rückwärtige Baugrenze feststellen.
34 
(1) Ausweislich der vorhandenen Luftbilder in der U-Straße besteht - beginnend mit dem Eckgrundstück FlstNr. AAA (F-Straße 24) bis einschließlich zum Grundstück FlstNr. TTT (U-Straße 13) - zwar Hauptnutzung (Wohnnutzung) jeweils nur im vorderen Grundstücksbereich, wobei die hintere Bebauungsgrenze in relativ gleichmäßigem Abstand zu der in diesem Bereich leicht gebogenen U-Straße verläuft. Diese Einschätzung konnte durch den Augenschein bestätigt werden. Allerdings wird diese hintere Bebauungsgrenze auf dem Grundstück des Beigeladenen durch die rückwärtigen Balkone im ersten und zweiten Stock, die auf einer 4 m tiefen Stahlkonstruktion ruhen und (im ersten Stock) eine Gesamtbreite von 6,30 m sowie eine Tiefe zwischen 1,20 m und 3,50 m haben (vgl. Foto Nr. 2), durchbrochen.
35 
(2) Ferner ist zur Überzeugung der Kammer der Rahmen der für die Bewertung nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblichen näheren Umgebung nicht auf die U-Straße zu beschränken. Auch wenn der Rahmen aufgrund der regelmäßig geringeren wechselseitigen Auswirkungen, die von überbauten Grundflächen ausgehen, enger als beim Merkmal der Art der baulichen Nutzung zu bemessen ist (vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 29.12.2010 - 1 A 710/09 -, juris), verbietet es sich aufgrund der räumlichen Kleinteiligkeit des durch U-Straße, H-Weg und F-Straße gebildeten Gevierts, die nähere Umgebung für die Ermittlung der Existenz einer hinteren Baugrenze auf den Straßenzug U-Straße zu beschränken; in den Blick zu nehmen ist vielmehr das gesamte Geviert. Dies ergibt sich besonders eindrücklich bei einem Blick vom Wohnhaus des Beigeladenen in Richtung der Häuser F-Straße 26/28 (Foto Nr. 6), die die bauliche Situation auf dem Grundstück des Beigeladenen unmittelbar prägen. Das Grundstück F-Straße 28 aber ist in voller Grundstückstiefe mit - vom Grundstück des Beigeladenen deutlich wahrnehmbarer - Hauptnutzung bebaut. Auch der der U-Straße gegenüberliegende H-Weg weist keine einheitliche rückwärtige Bebauungsgrenze auf (Foto Nr. 8); insbesondere die Bebauung auf den Grundstücken FlstNr. KKK, H-Weg 2, und FlstNr. MMM, H-Weg 6, ragt deutlich weiter in die Grundstücke herein als die der übrigen Gebäude. Auch unter diesem Blickwinkel ist die Existenz einer hinteren Baugrenze abzulehnen.
36 
(3) Hinzu kommt schließlich, dass zwar nach der Rechtsprechung für die Frage, ob eine hintere faktische Baugrenze besteht, grundsätzlich nur die Hauptnutzung in den Blick zu nehmen ist, so dass eine Bebauung im rückwärtigen Bereich auch dann unzulässig ist, wenn dieser Bereich zwar nicht gänzlich unbebaut ist, sich dort jedoch nur Nebenanlagen wie Garagen oder Schuppen befinden (so bereits BVerwG, Beschluss vom 06.11.1997 - 4 B 172.97 -, juris; vgl. auch VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.11.2011 - 5 L 947/11 -, juris; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 06.05.2011 - 7 K 1080/05 -, juris; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 34 Rn. 57). Ist die Garagen- oder Nebengebäudebebauung dagegen derart groß und massiv, dass sie den Blockinnenbereich maßgeblich mit prägt, kann sie dazu führen, dass in diesem Bereich auch dort gegenwärtig nicht vorhandene Wohnnutzung zulässig ist (VG F., Beschluss vom 26.01.2006 - 1 K 137/06 -, juris). Ein solcher Fall ist nach Auffassung der Kammer vorliegend im Hinblick auf die riegelartige Bebauung des Grundstücks FlstNr. ZZZ gegeben, die - mit massivem Gartenhaus und Garagen - fast die gesamte rückwärtige Grundstücksfläche dieses Grundstücks einnimmt (Foto Nr. 10).
37 
b) Rechtfertigen folglich bereits die tatsächlichen Verhältnisse die Annahme einer faktischen Baugrenze nicht, sei nur der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass selbst ein - hier nicht vorliegender - Verstoß geschützte Nachbarrechte des Beigeladenen nicht verletzte, dieser objektive Rechtsverstoß folglich die Aufhebung der Baugenehmigung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht rechtfertigte.
38 
Dabei kann dahinstehen, ob mit wohl überwiegender Rechtsprechung Baugrenzen als Element des Maßes der baulichen Nutzung generell nachbarschützende Wirkung abgesprochen wird (so etwa VG München, Beschluss vom 01.09.2010 - M 8 SN 10.3907 -, juris; VG Saarlouis, Urteil vom 11.05.2011 - 5 K 893/10 -, juris), oder ob mit dem VGH Baden-Württemberg davon auszugehen ist, dass im Rahmen eines Bebauungsplans festgesetzte seitliche und hintere Baugrenzen und Baulinien regelmäßig nachbarschützend sind (vgl. nur Beschluss vom 02.06.2003 - 8 S 1098/03 -, juris, m.w.N.). Zum einen nämlich wird auch nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg das Nachbargrundstück räumlich grundsätzlich nur insoweit geschützt, als es der Baugrenze gegenüberliegt, denn nur in diesem räumlichen Umfang ist die Baugrenze Teil des für den Nachbarschutz typischen gegenseitigen Austauschverhältnisses des „Dürfens und Duldens“ (Urteil vom 01.02.1999 - 5 S 2507/96 -, juris; Urteil vom 29.10.2003 - 5 S 138/03 -, juris; Urteil vom 26.01.2012 - 5 S 2233/11 -, juris); das dem Beigeladenen gehörende Grundstück liegt aber der von ihm behaupteten faktischen Baugrenze nicht gegenüber, sondern grenzt aus der Perspektive dieser Grenze seitlich an das Baugrundstück. Ob von dieser Einschränkung im Einzelfall bei engräumiger Doppelhausbebauung im Hinblick auf die mit jeder Veränderung eines der Doppelhäuser entstehenden städtebauliche Spannungen eine Ausnahme zu machen ist mit der Folge, dass sich der Doppelhaus-Nachbar auch auf rückwärtige Baugrenzen berufen kann (so OVG Bremen, Urteil vom 20.02.1996 - 1 BA 53/95 -, juris; ähnlich auch VG Stuttgart, Urteil vom 08.11.2002 - 3 K 4103/01 -, juris, allerdings unter Verweis auf die konkreten örtlichen Verhältnisse und aufgehoben durch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.10.2003 - 5 S 138/03 -, juris; offengelassen von VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 -, juris), kann offen bleiben. Denn soweit in der Rechtsprechung Baugrenzen nachbarschützende Wirkung beigemessen wird, bezieht sich dies stets auf durch Bebauungsplan förmlich festgesetzte Baugrenzen. Vorliegend handelt es sich indes um eine faktische, einer gemeindlichen Zweckbestimmung im Rahmen der planerischen Entscheidung mithin entzogene Baugrenze. Für diese hat der VGH Baden-Württemberg ausdrücklich und überzeugend entschieden, die nur eingeschränkt nachbarschützende Wirkung des § 34 Abs. 1 BauGB schließe es aus, einer sich aus der vorhandenen Bebauung in der näheren Umgebung ergebenden faktischen Baugrenze oder Baulinie nachbarschützende Wirkung beizulegen (Beschluss vom 15.11.1994 - 8 S 2937/94 -, juris; so auch OVG Sachsen, Beschluss vom 20.10.2005 - 1 BS 251/05 -, juris; VG F., Beschluss vom 26.01.2006 - 1 K 137/06 -, juris).
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2. Der geplante Anbau verletzt zur Überzeugung der Kammer auf Grundlage des Augenscheins auch nicht den Charakter der im Eigentum von Kläger und Beigeladenem stehenden Häuser als Doppelhäuser.
40 
a) Bei dem grenzständig errichteten Wohnhaus des Klägers und dem ebenfalls grenzständigen Nachbargebäude des Beigeladenen handelt es sich - was von keinem der Beteiligten in Frage gestellt wird - um ein Doppelhaus i.S.d. § 22 BauNVO, denn beide Haushälften sind in „wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 -, juris).
41 
Diese offene Bauweise hat drittschützenden Charakter zugunsten des Eigentümers der jeweils anderen Doppelhaushälfte. Denn durch die Doppelhausbebauung gehen die Grundstückseigentümer ein nachbarliches Austauschverhältnis ein, das nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden darf. Die Zulässigkeit einer Bebauung als Doppelhaus setzt den Verzicht der Grundstückseigentümer auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze voraus. Dieser Verzicht bindet die benachbarten Grundeigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs ein und schafft eine enge Wechselbeziehung, die jeden Grundstückseigentümer zugleich begünstigt und belastet: Ihre Baufreiheit wird zugleich erweitert, indem die bauliche Nutzbarkeit der häufig schmalen Grundstücke unter Verzicht auf dem Wohnfrieden dienenden Freiflächen erhöht wird, und beschränkt (vgl. dazu grundlegend BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 -, juris).
42 
Dieser für die durch Bebauungsplan festgesetzte Doppelhausbebauung entwickelte Drittschutz beansprucht auch für den unbeplanten Innenbereich Geltung. Denn die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Doppelhausnachbarn und ihre enge Wechselbeziehung bestehen unabhängig davon, ob ihr Doppelhaus in einem mittels Bebauungsplan überplanten Bereich oder in einem unbeplanten Innenbereich liegt, und auch die Schutzwürdigkeit der wechselseitigen Interessen der Doppelhausnachbarn ist in beiden Fällen gleich zu beurteilen; ähnlich wie beim Gebietserhal-tungsanspruch, der unstreitig für den unbeplanten Innenbereich Geltung entfaltet, besteht auch hier ein nachbarliches Austauschverhältnis, das es rechtfertigt, Drittschutz unabhängig davon zu gewähren, ob die Doppelhausbebauung durch Bebauungsplan festgesetzt ist (OVG NRW, Urteil vom 28.02.2012 - 7 A 2444/09 -, juris; Urteil vom 16.08.2011 - 10 A 1224/09 -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.08.2011 - 5 L 579/11 -, juris; VG München, Urteil vom 07.04.2008 - M 8 K 07.3202 -, juris; VG Saarlouis, Urteil vom 07.06.2006 - 5 K 103/05 -, juris; vgl. auch Bayer. VGH, Urteil vom 28.08.2002 - 26 B 99.2728 -, juris; a.A. OVG RP, Urteil vom 27.05.2009 - 8 A 11090/08 -, juris). Die sich damit auch im unbeplanten Bereich hinsichtlich der Bauweise stellenden Anforderungen gelten nicht nur für den Neubau von Doppelhaushälften, sondern ebenso für Erweiterungs- oder Umbauvorhaben von bereits errichteten Doppelhaushälften; dies gilt insbesondere dann, wenn die Um- und Ausbaumaßnahme bautechnisch und funktional mit dem ursprünglich auf dem Grundstück vorhandenen Gebäudebestand untrennbar verbunden ist und das Gebäude insgesamt auf Grund der Dimensionierung des Um- bzw. Ausbaus erheblich geändert wird (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.08.2011 - 5 L 579/11 -, juris, m.w.N.). Der Umfang der Änderung kann dazu führen, dass sich der Anbau an eine Doppelhaushälfte nach der Bauweise nicht i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und damit zugleich Nachbarrechte des Doppelhausnachbarn verletzt.
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b) Der hier zunächst von der Beklagten genehmigte Anbau an das bestehende Doppelhaus ist nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 BauGB hinsichtlich der Bauweise zulässig. Das Gericht ist nach Einnahme des Augenscheins auf Grundlage der in der Rechtsprechung, überzeugend herausgearbeiteten Eckpunkte der Auffassung, dass das geänderte Gebäude des Klägers insgesamt zusammen mit dem benachbarten Wohnhaus des Beigeladenen (weiterhin) ein Doppelhaus in offener Bauweise im bauplanungsrechtlichen Sinne bildet und durch den geplanten Ausbau ihren Doppelhauscharakter nicht verliert.
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(1) Ein Abwehrrecht des Beigeladenen gegen den Anbau an die klägerische Doppelhaushälfte ist nicht bereits deshalb zu bejahen, weil infolge des Anbaus beide Doppelhaushälften nicht mehr deckungsgleich wären, der Anbau vielmehr einseitig an der Grenze stünde. Schutzwürdige Rechtspositionen des Doppelhaus-Nachbarn sind vielmehr nur dann verletzt, wenn beide Gebäude infolge des einseitigen Anbaus keine bauliche Einheit mehr bildeten. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner grundlegenden „Doppelhaus-Entscheidung“ (Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 -, juris; bestätigt in Beschluss vom 17.08.2011 - 4 B 25.11 -, juris; ihm folgend etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.04.2009 - 3 S 569/09 -, juris; Bayer. VGH, Urteil vom 28.08.2002 - 26 B 99.2728 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 06.05.2011 - 10 B 29/11 -) die Anforderungen an die bauliche Einheit in seiner Doppelhaus-Entscheidung wie folgt präzisiert: „Ein Doppelhaus entsteht deshalb nur dann, wenn zwei Gebäude derart zusammengebaut werden, dass sie einen Gesamtbaukörper bilden. […] Die bauplanungsrechtliche Festsetzung des Doppelhauses verlangt ferner, dass die beiden „Haushälften“ in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut werden. Insoweit enthält das Erfordernis einer baulichen Einheit nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives Element […]. Damit wird nicht gefordert, dass die ein Doppelhaus bildenden Gebäude vollständig oder im wesentlichen deckungsgleich aneinandergebaut werden müssen. Die beiden „Haushälften" können auch zueinander versetzt oder gestaffelt an der Grenze errichtet werden, sie müssen jedoch zu einem wesentlichen Teil aneinandergebaut sein. Insoweit setzt die Doppelhaus-Festsetzung der Baufreiheit Schranken. In welchem Umfang die beiden Haushälften an der Grenze zusammengebaut sein müssen, lässt sich jedoch weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Kein Doppelhaus entsteht, wenn ein Gebäude gegen das andere an der gemeinsamen Grundstücksgrenze so stark versetzt wird, dass sein vorderer oder rückwärtiger Versprung den Rahmen einer wechselseitigen Grenzbebauung überschreitet, den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus vermittelt und dadurch einen neuen Bodennutzungskonflikt auslöst.“ Die Anforderungen an die Hausform als Doppelhaus sah das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung bei einem Baukörper, der zwar über eine Länge von 5 m an die andere Haushälfte angebaut war, jedoch dahinter um weitere 8 m in den rückwärtigen Gartenbereich hinein versprang, als nicht gegeben an.
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(2) Der vom Kläger zur Genehmigung gestellte Anbau, dessen Genehmigung mit Bescheid der Beklagten vom 08.11.2011 aufgehoben wurde, soll mit einer Tiefe von 5,02 m und einer Wandhöhe von 7,20 m an die gemeinsame Grundstücksgrenze angebaut werden. Dem gegenüber stehen die bereits existierenden Doppelhaushälften mit einer Wandbreite von 9,80 m und einer Höhe von am Dachfirst 12,79 m. Daraus ergibt sich, bezogen auf die Tiefe der beiden Anwesen, eine Überdeckung beider Gebäudehälften von etwa 2/3, und bezogen auf die Wandfläche von etwa 3/4. Rein quantitativ bewegt sich der Anbau damit in einem Bereich, den die Rechtsprechung mit guten Gründen als den Doppelhauscharakter nicht in Frage stellend qualifiziert (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.02.2007 - 5 S 2826/06 -, juris: Überstand bei einer Überdeckung zu mehr als drei Viertel ist zulässig; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.08.2011 - 5 L 579/11 -, juris: Überdeckung zu mehr als 50% ist ausreichend; Bayer. VGH, Beschluss vom 31.01.2011 - 1 ZB 08.2498 -, juris: Anbau an Nachbargebäude zu ca. 63%, überlappende Wandfläche von ca. 56% genügt; VG München, Urteil vom 19.06.2008 - M 11 K 07.4600 -, juris: Anbau eines 10 m tiefen Gebäudes in Länge von 6 m an Nachbargebäude gefährdet nicht Charakter als Doppelhaus).
46 
Auch unter qualitativen Gesichtspunkten hebt der vom Kläger geplante Anbau - obwohl er, wie der Augenschein eindrücklich ergeben hat, deutlich in Erscheinung trä- te - den Charakter der beiden Haushälften als Doppelhaus nicht auf. Nicht nur, dass die beiden Doppelhaushälften zur Straße hin nach wie vor eine vollständige Überdeckung aufweisen (vgl. Foto Nr. 1) und das Dachgeschoss auch im rückwärtigen Bereich seine durchgehende Gestalt behält. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass das Wohnhaus des Beigeladenen - außerhalb der Abstandsflächen - über Balkone im ersten und zweiten Stock verfügt, deren Stahlkonstruktion mit 4 m fast ebenso weit vorspringt wie der nunmehr geplante Anbau des Klägers (Fotos Nr. 2 und 12). Die Wirkung des 5 m tiefen Versatzes auf der Gartenseite würde dadurch deutlich abgeschwächt, zumal er in der Höhe deutlich hinter der Gesamthöhe der Doppelhaushälften zurückbleibt.
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3. Zur Überzeugung der Kammer verstößt der zur Genehmigung gestellte Anbau jedoch zulasten des Beigeladenen gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme.
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a) Das Gebot der Rücksichtnahme ist verletzt, wenn ein Vorhaben es trotz Einhaltung des Umgebungsrahmens hinsichtlich eines oder mehrerer der Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB an der gebotenen Rücksichtnahme auf die sonstige, d.h. vor allem auf die in seiner unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung fehlen lässt. Das Rücksichtnahmegebot hat insoweit zunächst objektiv-rechtliche Bedeutung. Nachbarschutz vermittelt es nur insoweit, als - mit den Worten des Bundesverwaltungsgerichts - „in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter“ Rücksicht zu nehmen ist. In Nachbarrechtsverfahren kommt es deshalb allein darauf an, ob sich ein Vorhaben in der dargelegten qualifizierten Art und Weise rücksichtslos, d.h. unzumutbar auswirkt. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzuwägen ist, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (st. Rspr., vgl. nur jüngst VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.03.2012 - 3 S 223/12 -, juris, m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 28.10.1993 - 4 C 5.93 -, juris). Ob sich ein Vorhaben auf das Nachbargrundstück unzumutbar auswirkt, ist eine Frage des Einzelfalls unter besonderer Berücksichtigung des bauplanungsrechtlich an sich Zulässigen. Denn das Rücksichtnahmegebot ist keine allgemeine Härteklausel, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts steht (BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128.98 - juris). Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus; vielmehr ist eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit erforderlich.
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b) Bei Anwendung dieser Kriterien hält die Kammer das Vorhaben in seiner geplanten Gestalt für gegenüber dem Beigeladenen rücksichtslos.
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(1) Für die Frage, was einerseits dem Beigeladenen als dem Rücksichtnahme-begünstigten und andererseits dem Kläger als dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist, ist der Doppelhauscharakter beider Häuser in den Blick zu nehmen. Denn die Eigentümer von Reihen- bzw. Doppelhausgrundstücken sind untereinander in besonderer Weise zu einer Art bodenrechtlicher Schicksalsgemeinschaft verbunden und unterliegen daher grundsätzlich einer besonderen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 19.07.2010 - 7 A 44/09 -, juris; Beschluss vom 06.05.2011 - 10 B 29/11 -, juris). Angesichts des engen nachbarlichen Austauschverhältnisses sind Eigentümer von Doppel- oder Reihenhausgrundstücken zu besonderer Rücksichtnahme insbesondere auf die Interessen der anderen Eigentümer an der Freihaltung der jeweiligen Grundstücksflächen gehalten. In diesem Zusammenhang ist auf die konkrete Situation vor Ort abzustellen. Von Bedeutung sein können beispielsweise die topografischen und meteorologischen Verhältnisse, die Lage der Grundstücke zueinander, die Größe der betroffenen Grundstücke, die konkrete Nutzung der Grundstücke und gegebenenfalls einzelner Grundstücksbereiche, die Schutzbedürftigkeit und -würdigkeit bestehender Nutzungen, die Interessen des Bauherrn sowie die Höhe und Länge vorhandener und geplanter Baukörper. Letztlich bedarf es einer Gesamtbewertung sämtlicher einschlägiger Kriterien, um die Frage der Rücksichtslosigkeit zuverlässig beantworten zu können (OVG NRW, Urteil vom 18.12.2003 - 10 A 2512/01 -, juris; Urteil vom 19.07.2010 - 7 A 44/09 -, juris).
51 
(2) Vor diesem Hintergrund ist das Rücksichtnahmegebot jedenfalls verletzt, wenn einer der Grundstückseigentümer eines Doppel- oder Reihenhausgrundstücks durch massive An- oder Umbauten das enge nachbarschaftliche Austauschverhältnis einseitig aufhebt oder aus dem Gleichgewicht bringt; ein massiver Anbau, der den Anspruch auf Bewahrung des Doppelhauscharakters verletzt, stellt sich dem Grundstücksnachbarn gegenüber jedenfalls als rücksichtlos dar (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 19.04.2012 - 10 A 1035/10 -, juris).
52 
Das Rücksichtnahmegebot ist jedoch nicht auf diese Fälle beschränkt. Vielmehr gewinnt auch der Aspekt ausreichender Belichtung, Beleuchtung und Besonnung angesichts des engen nachbarlichen Austauschverhältnisses bei Doppel- und Reihenhausgrundstücken besondere Bedeutung.
53 
Dem kann zur Überzeugung der Kammer nicht entgegengehalten werden, dass in Fällen, in denen der Anbau die nach Landesrecht erforderlichen Abstandsflächen - die im Falle zulässiger Grenzbebauung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO auf Null reduziert sind - einhält, ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot unter Berufung auf Belange der Belichtung, Belüftung und Besonnung regelmäßig ausgeschlossen ist.
54 
Zutreffend ist zwar, dass nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung in Fällen, in denen ein Bauvorhaben die bauordnungsrechtlich für eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung sowie den Wohnfrieden von Nachbargrundstücken gebotenen Abstandsflächen einhält, für das Gebot der Rücksichtnahme insoweit grundsätzlich kein Raum mehr ist. In Bezug auf eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung ist das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme vom Landesgesetzgeber in den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften konkretisiert worden (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 16.9.1993 - 4 C 28/91 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.04.2008 - 8 S 98/08 -, juris; OVG Saarland, Beschluss vom 10.05.2012 - 2 B 49/12 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.02.2012 - 10 S 39.11 -, juris; Bayer. VGH, Beschluss vom 07.02.2012 - 15 CD 11.2865 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.01.2012 - 2 M 157/11 -, juris).
55 
Dies gilt aber nur „grundsätzlich“, was bedeutet, dass Ausnahmen möglich sein müssen, zumal das bauplanungsrechtliche Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht. Die Vorschriften des Bauordnungsrechts liefern insoweit zwar durchaus Anhaltspunkte dafür, ob das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme eingehalten ist, ersetzen die konkret auf das nachbarliche Austauschverhältnis abstellende Prüfung nach dem Maßstab des Rücksichtnahmegebotes aber nicht (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.04.2008 - 8 S 98/08 -, juris; OVG Bremen, Beschluss vom 14.05.2012 - 1 B 65/12 -, juris; Sächs. OVG, Beschluss vom 20.10.2005 - 1 BD 251/05 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 09.02.2009 - 10 B 1713/08 -, juris; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128.98 -, juris).
56 
Raum für eine eigenständige Prüfung eines Bauvorhabens am Grundsatz des Rücksichtnahmegebotes trotz Einhaltung der landesrechtlich erforderlichen Abstandsflächen sieht die Rechtsprechung vor allem in Fällen, in denen die Abstandsflächen gegenüber früherem Landesbaurecht nachhaltig verkürzt worden sind; sollen diese nunmehr nur noch ein sicherheitsrechtliches und gesundheitliches Minimum gewährleisten, sei eine Anwendung des Rücksichtnahmegebots daneben gerechtfertigt (so etwa OVG NRW, Beschluss vom 09.02.2009 - 10 B 1713/08 -, juris; Urteil vom 09.06.2011 - 7 A 1494/09 -, juris; Sächs. OVG, Beschluss vom 20.10.2005 - 1 BD 251/05 -, juris). Dieser Rechtsprechung schließt sich das Gericht an; denn je weniger der Landesgesetzgeber bei Regelung des Abstandsflächenrechts nachbarliche Belange wie Belichtung, Belüftung, Besonnung oder nachbarlichen Wohnfrieden in den Blick nimmt, umso größer ist der eigenständige Gehalt des - bundesrechtlichen - Rücksichtnahmegebots, welches durch landesrechtliche Regelungen nur überlagert, nicht aber inhaltlich determiniert werden kann.
57 
Diese Überlegungen aber gewinnen Bedeutung erst recht in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Landesbauordnung, hier § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO, nicht nur verkürzte Abstandsflächen zulässt, sondern zugunsten besserer baulicher Nutzbarkeit schmaler Grundstücke auf seitliche Grenzabstände sogar gänzlich verzichtet. Denn hier fehlt es gerade an einer auf Landesrecht basierenden Sicherstellung ausreichender Belüftung und Belichtung baulicher Anlagen und nicht bebauter Grundstücksteile auf dem unmittelbar benachbarten Doppel- oder Reihenhausgrundstück.
58 
Zwar dürfte in der Mehrzahl der Fälle ein einseitiger Grenzbau, der die Belichtung und Belüftung des Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt, gleichzeitig aufgrund seiner Massivität den in dem engen nachbarschaftlichen Austauschverhältnis wurzelnden Anspruch des Grundstücksnachbarn auf Bewahrung des Doppelhauscharakters verletzen und sich unter diesem Gesichtspunkt bereits als rücksichtslos darstellen. Auch eine bauliche Erweiterung, die aufgrund ihres Umfangs den Doppelhauscharakter noch bewahrt, aber kann aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung und Lage im Einzelfall erhebliche Auswirkungen auf das Nachbargrundstück im Hinblick auf Belichtung und Besonnung haben, und zwar auch dann, wenn in die Abwägung der gegenseitigen Interessen auch der Umstand in den Blick genommen wird, dass der Grundstücksnachbar seinerseits vom Verzicht auf seitliche Grenzabstände im Sinne besserer baulicher Ausnutzbarkeit seines Grundstücks profitiert und im Hinblick auf mit Doppelhausbebauung typischerweise verbundene Einschränkungen an Belichtung, Belüftung und Besonnung daher weniger schutzwürdig ist.
59 
Die Überprüfung eines nach Landesrecht zulässigen Grenzbaus im Hinblick auf die Gewährleistung ausreichender Belichtung, Belüftung und Besonnung des Nachbargrundstücks unter Berufung auf die Einhaltung landesrechtlicher Abstandsflächen zu unterlassen, bedeutete daher eine unzulässige Verkürzung des bundesrechtlichen Gebotes der Rücksichtnahme. Vielmehr gewinnt das Rücksichtnahmegebot auch unter dem Aspekt Besonnung, Belichtung und Belüftung gerade in Fällen der Doppel- und Reihenhausbebauung eine eigenständige Bedeutung (vgl. zu dieser Problematik mit einem anderen Ansatz - der Verstoß eines grenzständigen Anbaus gegen das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme führt dazu, dass nicht nach „planungsrechtlichen Vorschriften“ an die Grenze gebaut werden darf - auch OVG NRW, Beschluss vom 24.04.1995 - 10 B 3161/94 -, BauR 1996, 88).
60 
(3) Nach diesen Maßstäben lässt der Anbau in der vom Kläger begehrten Form, d.h. mit einer Tiefe von 5 m, einer Höhe von zwei Vollgeschossen (7,20 m) und seinem Standort direkt an der Grenze zum Grundstück des Beigeladenen die gebotene Rücksichtnahme gegenüber dem Grundstück des Beigeladenen unter dem Gesichtspunkt von Belichtung, Belüftung und Besonnung vermissen; diese Überzeugung hat das Gericht auf Grundlage des Augenscheins sowie der in den Akten befindlichen Lichtbilder gewonnen. Denn die massive, etwa 36 m² große Wand unmittelbar an der östlichen Grundstücksgrenze des Beigeladenen beeinträchtigte erheblich die Belichtungs- und Belüftungssituation insbesondere im Erdgeschoss des Wohnhauses des Beigeladenen; durch die teilweise nur etwa 60 cm von dem geplanten Anbau entfernten Fenster gelangte insbesondere aufgrund der Höhe des Anbaus (2 Vollgeschosse) deutlich weniger Licht in die dahinter liegenden Aufenthaltsräume. Auch würde der Anbau durch seine Höhe von 2 Vollgeschossen und seine Lage direkt an der Grundstücksgrenze die (eher schräg stehende) Vormittagssonne über eine Grundstückstiefe von 5 m vom Grundstück des Beigeladenen abschirmen und damit zu einer bedeutenden Verschattung der rückwärtigen Grundstücksbereiche führen. Die Kammer übersieht nicht, dass auch die gegenwärtigen Verhältnisse auf dem Grundstück des Beigeladenen selbst (Balkonanlage, große Esskastanie sowie weiterer Bewuchs) Belichtung und Besonnung negativ beeinflussen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Bäume und Sträucher gerade bei tieferstehender Sonne im Spätherbst / Winter mangels Blättern kaum Einfluss auf die Belichtungsverhältnisse haben und im übrigen jederzeit vom Beigeladenen auf eine hinreichende Beleuchtungsverhältnisse gewährleistende Größe zurückgeschnitten werden können, während der geplante Anbau ganzjährig die Belichtung aus östlicher Richtung massiv einschränkte, sieht die Kammer in dem geplanten Anbau eine gänzlich andere Qualität der Beschränkung der Belichtungs-, Besonnungs- und Belüftungsverhältnisse. Obwohl folglich der Anbau aufgrund seines Umfangs den Doppelhauscharakters noch bewahrt, hat er aufgrund seiner konkreten Ausgestaltung und seiner räumlichen Lage erhebliche, vom Beigeladenen nicht hinzunehmende negative Auswirkungen auf die Belichtungs- und Belüftungssituation auf dem Grundstück und im Wohnhaus des Beigeladenen. Ob dem Anbau zudem eine „erdrückende Wirkung“ auf das Grundstück des Beigeladenen zukommt, bedarf bei dieser Sachlage keiner Entscheidung.
61 
Die Kammer betont jedoch, dass nach ihrer Auffassung nicht jeglicher Anbau auf dem Grundstück des Klägers zu einer dem Beigeladenen unzumutbaren Beeinträchtigung führt, die unzumutbaren Auswirkungen vielmehr aus der konkreten zur Genehmigung gestellten Ausführung mit 2 Vollgeschossen, einer Tiefe von 5 m sowie der Lage direkt an der Grundstücksgrenze resultieren.
62 
4. Da die von der Beklagten dem Kläger unter dem 21.04.2011 erteilte Baugenehmigung folglich wegen Verstoßes gegen nachbarschützende Rechte zu Lasten des Beigeladenen - Rücksichtnahmegebot - rechtswidrig war, war der Abhilfebescheid seinerseits rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
63 
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Nachdem der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es billigem Ermessen, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
64 
Da der Kläger mit seiner Klage in vollem Umfang unterliegt, kommt eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung seines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht in Betracht.
65 
Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Denn die Frage, ob die Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (etwa Beschluss vom 08.11.2007 - 3 S 1923/07 -, juris) und anderer Obergerichte, wonach die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächentiefen grundsätzlich auch im Rahmen des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots die Grenzen eines hinsichtlich Belichtung, Belüftung, Besonnung und Einsichtnahme gebotenen Mindestschutzes konkretisieren, dem planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot im Hinblick auf Belichtung, Belüftung und Besonnung bei Einhaltung der Abstandsflächen somit im Regelfall keine eigenständige Bedeutung zukommt, auch in Fällen gilt, in denen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO an die Grenze gebaut werden darf, hat grundsätzliche Bedeutung und wurde vom VGH Baden-Württemberg, soweit ersichtlich, noch nicht ausdrücklich entschieden.

Gründe

 
I.
24 
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß §§ 40, 42 VwGO zulässig. Der Durchführung eines Vorverfahrens i.S.d. §§ 68 ff. VwGO bedurfte es nicht. Denn es handelt sich bei der angefochtenen Entscheidung um einen Abhilfebescheid i.S.d. § 72 VwGO - und nicht um eine außerhalb des Widerspruchsverfahrens erfolgte Rücknahme i.S.d. §§ 50, 48 LVwVfG -; durch diesen Abhilfebescheid ist der Kläger erstmalig beschwert, § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO, da die Beklagte damit die dem Kläger mit Bescheid vom 21.04.2011 erteilte Baugenehmigung (teilweise) aufhebt.
25 
Die Ausgangsbehörde hat - auch nach Abgabe des Widerspruchs an die Widerspruchsbehörde - die Wahl, ob sie einem zulässigen und begründeten Nachbarwiderspruch gemäß § 72 VwGO abhilft oder den angegriffenen Bescheid aus Anlass des Widerspruchsverfahrens gemäß §§ 50, 48 LVwVfG zurücknimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.04.1996 - 4 C 6.95 -, juris; Urteil vom 28.04.2009 - 2 A 8.08 -, juris; so auch OVG Niedersachsen, Beschluss vom 15.07.2002 - 1 LA 2816/01 -, juris; a.A. - in diesem Fall (nur) Abhilfe nach § 72 VwGO möglich - Schoch/Schmidt-Aßmann Pietzner, VwGO, Stand 2011, § 72 Rn. 16a). Ob die Behörde eine Abhilfeent-scheidung innerhalb oder eine Rücknahmeentscheidung außerhalb des Widerspruchsverfahrens getroffen hat, ist nach den üblichen Auslegungsgrundsätzen für behördliche Willenserklärungen zu beurteilen. Grundsätzlich hat die Behörde deutlich zu machen, was sie gewollt hat. Bei Unklarheiten ist von einer (Abhilfe-) Entscheidung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens auszugehen (BVerwG, Urteil vom 28.04.2009 - 2 A 8.08 -, juris; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 72 Rn. 41; Schoch/Schmidt-Aßmann Pietzner, a.a.O., § 72 Rn. 16; Kopp/Schenke, VwGO, § 72 Rn. 8).
26 
Vorliegend spricht nach Aktenlage Überwiegendes dafür, dass die Beklagte seinerzeit nicht bewusst eine Rücknahmeentscheidung nach §§ 50, 48 VwVfG außerhalb des Widerspruchsverfahrens hat treffen oder im Rahmen des Widerspruchsverfahrens dem Widerspruch hat abhelfen wollen; vielmehr scheint sich die Behörde ihrer diesbezüglichen Entscheidungsfreiheit nicht bewusst gewesen zu sein. Denn der angefochtene Bescheid vom 08.11.2011 spricht in Ziff. 1 zwar davon, die Baugenehmigung werde „zurückgenommen“, in den Gründen wird der Bescheid jedoch - widersprüchlich - auf „§§ 50 und 48 Abs. 2 Satz 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz und § 72 Verwaltungsgerichtsordnung“ gestützt, wobei im weiteren Verlauf der Begründung wiederum auf § 50 LVwVfG rekurriert wird. Inhaltlich wird die ergriffene Maßnahme ausschließlich widerspruchsbezogen - nämlich unter Verweis auf die vom Regierungspräsidium als Widerspruchsbehörde im Widerspruchsverfahren abgegebenen Stellungnahme - begründet. In den Aktenvermerken der Beklagten ist uneinheitlich mal von „Teilrücknahme“, mal von „Teilaufhebung“ die Rede. Das Regierungspräsidium F. hat in seinem Schreiben vom 04.08.2011 die Beklagte gebeten, „dem Widerspruch in eigener Zuständigkeit abzuhelfen und die Baugenehmigung aufzuheben“. Die Anhörung des Klägers erfolgte dagegen mit Schreiben vom 22.08.2011 zu einer „erforderlichen Teilrücknahme der Baugenehmigung“. Die Rechtsbehelfsbelehrung im angefochtenen Bescheid vom 08.11.2011 spricht wiederum für eine Abhilfeentscheidung, da - offensichtlich mit Blick auf § 68 Abs. 1 Nr. 2 VwGO - darauf verwiesen wird, gegen diesen Bescheid könne, „soweit er eine zusätzliche Beschwer enthält“, Klage erhoben werden; wäre die Entscheidung auf Grundlage von §§ 50, 48 VwVfG erfolgt, wäre ein erneutes Vorverfahren durchzuführen gewesen (vgl. Sodan/Ziekow, a.a.O., § 68 Rn. 152). Nachdem auch die Klagerwiderung mit ihrer Formulierung, „dass hier eine Baugenehmigung aufgrund eines Widerspruchsverfahrens teilweise zurückgenommen wird“, keine Klarheit hat schaffen können, machte die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung deutlich, man habe seinerzeit im Rahmen des anhängigen Widerspruchsverfahrens agieren und hier eine Abhilfeentscheidung erlassen wollen.
27 
Daher ist hier von einer Abhilfeentscheidung i.S.d. § 72 VwGO auszugehen, die keiner vorherigen Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bedurfte.
II.
28 
Die zulässige Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Aufhebung der dem Kläger unter dem 21.04.2011 erteilten Baugenehmigung für den beantragten Anbau an seine Doppelhaushälfte ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29 
Wendet sich der Inhaber einer Baugenehmigung gegen deren teilweise oder vollständige Aufhebung im Wege eines Abhilfebescheids gemäß § 72 VwGO, ist Klagegegenstand die Baugenehmigung nur insoweit, als zu Lasten des Nachbarn, der das Widerspruchsverfahren angestrengt hat, nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Baurechts verletzt werden (VG Braunschweig, Urteil vom 08.10.2002 - 2 A 317/01 -, juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 04.05.2011 - 5 K 2976/09 -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 26.06.2007 - 9 K 1008/05 -, juris). Denn die Aufhebung der Baugenehmigung im Wege der Abhilfe ist nur dann rechtmäßig, wenn der Widerspruch des Nachbarn zulässig und begründet ist; verstößt die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen, verletzt die Abhilfeentscheidung die subjektiv-öffentlichen Rechte des Bauherrn (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und ist auf dessen Anfechtungsklage hin daher aufzuheben (VG Würzburg, Urteil vom 08.11.2007 - W 5 K 07.745 -, juris; VG München, Urteil vom 14.02.2002 - M 11 K 01.3134 -, juris).
30 
Vorliegend ist das Gericht auf Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingenommenen Augenscheins der Überzeugung, dass die Baugenehmigung vom 21.04.2011 subjektiv-öffentliche Rechte des Beigeladenen, die das Gesetz im Verhältnis der Grundstücksnachbarn untereinander als schutzwürdig ansieht, verletzt hat, der Widerspruch des Beigeladenen folglich begründet war und die Beklagte daher eine Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO treffen durfte.
31 
Die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung resultiert entgegen der Ansicht des Beigeladenen allerdings weder aus der Verletzung einer faktischen hinteren Baugrenze noch aus einem Verstoß des Anbaus gegen den Charakter des im Eigentum des Klägers stehenden Hauses als Doppelhaus.
32 
1. Die Beklagte trägt - in Übereinstimmung mit der Argumentation des Regierungspräsidiums F. - vor, der geplante Anbau verstoße gegen eine faktische rückwärtige Baugrenze. Dieser Argumentation, die der Sache nach die Frage der von § 34 Abs. 1 BauGB umfassten überbaubaren Grundstücksfläche betrifft, vermag das Gericht aus mehreren Gründen nicht zu folgen.
33 
a) Zum einen lässt sich nach Auffassung des Gerichts auf Grundlage des Augenscheins für die fraglichen Grundstücke keine rückwärtige Baugrenze feststellen.
34 
(1) Ausweislich der vorhandenen Luftbilder in der U-Straße besteht - beginnend mit dem Eckgrundstück FlstNr. AAA (F-Straße 24) bis einschließlich zum Grundstück FlstNr. TTT (U-Straße 13) - zwar Hauptnutzung (Wohnnutzung) jeweils nur im vorderen Grundstücksbereich, wobei die hintere Bebauungsgrenze in relativ gleichmäßigem Abstand zu der in diesem Bereich leicht gebogenen U-Straße verläuft. Diese Einschätzung konnte durch den Augenschein bestätigt werden. Allerdings wird diese hintere Bebauungsgrenze auf dem Grundstück des Beigeladenen durch die rückwärtigen Balkone im ersten und zweiten Stock, die auf einer 4 m tiefen Stahlkonstruktion ruhen und (im ersten Stock) eine Gesamtbreite von 6,30 m sowie eine Tiefe zwischen 1,20 m und 3,50 m haben (vgl. Foto Nr. 2), durchbrochen.
35 
(2) Ferner ist zur Überzeugung der Kammer der Rahmen der für die Bewertung nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblichen näheren Umgebung nicht auf die U-Straße zu beschränken. Auch wenn der Rahmen aufgrund der regelmäßig geringeren wechselseitigen Auswirkungen, die von überbauten Grundflächen ausgehen, enger als beim Merkmal der Art der baulichen Nutzung zu bemessen ist (vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 29.12.2010 - 1 A 710/09 -, juris), verbietet es sich aufgrund der räumlichen Kleinteiligkeit des durch U-Straße, H-Weg und F-Straße gebildeten Gevierts, die nähere Umgebung für die Ermittlung der Existenz einer hinteren Baugrenze auf den Straßenzug U-Straße zu beschränken; in den Blick zu nehmen ist vielmehr das gesamte Geviert. Dies ergibt sich besonders eindrücklich bei einem Blick vom Wohnhaus des Beigeladenen in Richtung der Häuser F-Straße 26/28 (Foto Nr. 6), die die bauliche Situation auf dem Grundstück des Beigeladenen unmittelbar prägen. Das Grundstück F-Straße 28 aber ist in voller Grundstückstiefe mit - vom Grundstück des Beigeladenen deutlich wahrnehmbarer - Hauptnutzung bebaut. Auch der der U-Straße gegenüberliegende H-Weg weist keine einheitliche rückwärtige Bebauungsgrenze auf (Foto Nr. 8); insbesondere die Bebauung auf den Grundstücken FlstNr. KKK, H-Weg 2, und FlstNr. MMM, H-Weg 6, ragt deutlich weiter in die Grundstücke herein als die der übrigen Gebäude. Auch unter diesem Blickwinkel ist die Existenz einer hinteren Baugrenze abzulehnen.
36 
(3) Hinzu kommt schließlich, dass zwar nach der Rechtsprechung für die Frage, ob eine hintere faktische Baugrenze besteht, grundsätzlich nur die Hauptnutzung in den Blick zu nehmen ist, so dass eine Bebauung im rückwärtigen Bereich auch dann unzulässig ist, wenn dieser Bereich zwar nicht gänzlich unbebaut ist, sich dort jedoch nur Nebenanlagen wie Garagen oder Schuppen befinden (so bereits BVerwG, Beschluss vom 06.11.1997 - 4 B 172.97 -, juris; vgl. auch VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.11.2011 - 5 L 947/11 -, juris; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 06.05.2011 - 7 K 1080/05 -, juris; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 34 Rn. 57). Ist die Garagen- oder Nebengebäudebebauung dagegen derart groß und massiv, dass sie den Blockinnenbereich maßgeblich mit prägt, kann sie dazu führen, dass in diesem Bereich auch dort gegenwärtig nicht vorhandene Wohnnutzung zulässig ist (VG F., Beschluss vom 26.01.2006 - 1 K 137/06 -, juris). Ein solcher Fall ist nach Auffassung der Kammer vorliegend im Hinblick auf die riegelartige Bebauung des Grundstücks FlstNr. ZZZ gegeben, die - mit massivem Gartenhaus und Garagen - fast die gesamte rückwärtige Grundstücksfläche dieses Grundstücks einnimmt (Foto Nr. 10).
37 
b) Rechtfertigen folglich bereits die tatsächlichen Verhältnisse die Annahme einer faktischen Baugrenze nicht, sei nur der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass selbst ein - hier nicht vorliegender - Verstoß geschützte Nachbarrechte des Beigeladenen nicht verletzte, dieser objektive Rechtsverstoß folglich die Aufhebung der Baugenehmigung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht rechtfertigte.
38 
Dabei kann dahinstehen, ob mit wohl überwiegender Rechtsprechung Baugrenzen als Element des Maßes der baulichen Nutzung generell nachbarschützende Wirkung abgesprochen wird (so etwa VG München, Beschluss vom 01.09.2010 - M 8 SN 10.3907 -, juris; VG Saarlouis, Urteil vom 11.05.2011 - 5 K 893/10 -, juris), oder ob mit dem VGH Baden-Württemberg davon auszugehen ist, dass im Rahmen eines Bebauungsplans festgesetzte seitliche und hintere Baugrenzen und Baulinien regelmäßig nachbarschützend sind (vgl. nur Beschluss vom 02.06.2003 - 8 S 1098/03 -, juris, m.w.N.). Zum einen nämlich wird auch nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg das Nachbargrundstück räumlich grundsätzlich nur insoweit geschützt, als es der Baugrenze gegenüberliegt, denn nur in diesem räumlichen Umfang ist die Baugrenze Teil des für den Nachbarschutz typischen gegenseitigen Austauschverhältnisses des „Dürfens und Duldens“ (Urteil vom 01.02.1999 - 5 S 2507/96 -, juris; Urteil vom 29.10.2003 - 5 S 138/03 -, juris; Urteil vom 26.01.2012 - 5 S 2233/11 -, juris); das dem Beigeladenen gehörende Grundstück liegt aber der von ihm behaupteten faktischen Baugrenze nicht gegenüber, sondern grenzt aus der Perspektive dieser Grenze seitlich an das Baugrundstück. Ob von dieser Einschränkung im Einzelfall bei engräumiger Doppelhausbebauung im Hinblick auf die mit jeder Veränderung eines der Doppelhäuser entstehenden städtebauliche Spannungen eine Ausnahme zu machen ist mit der Folge, dass sich der Doppelhaus-Nachbar auch auf rückwärtige Baugrenzen berufen kann (so OVG Bremen, Urteil vom 20.02.1996 - 1 BA 53/95 -, juris; ähnlich auch VG Stuttgart, Urteil vom 08.11.2002 - 3 K 4103/01 -, juris, allerdings unter Verweis auf die konkreten örtlichen Verhältnisse und aufgehoben durch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.10.2003 - 5 S 138/03 -, juris; offengelassen von VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 -, juris), kann offen bleiben. Denn soweit in der Rechtsprechung Baugrenzen nachbarschützende Wirkung beigemessen wird, bezieht sich dies stets auf durch Bebauungsplan förmlich festgesetzte Baugrenzen. Vorliegend handelt es sich indes um eine faktische, einer gemeindlichen Zweckbestimmung im Rahmen der planerischen Entscheidung mithin entzogene Baugrenze. Für diese hat der VGH Baden-Württemberg ausdrücklich und überzeugend entschieden, die nur eingeschränkt nachbarschützende Wirkung des § 34 Abs. 1 BauGB schließe es aus, einer sich aus der vorhandenen Bebauung in der näheren Umgebung ergebenden faktischen Baugrenze oder Baulinie nachbarschützende Wirkung beizulegen (Beschluss vom 15.11.1994 - 8 S 2937/94 -, juris; so auch OVG Sachsen, Beschluss vom 20.10.2005 - 1 BS 251/05 -, juris; VG F., Beschluss vom 26.01.2006 - 1 K 137/06 -, juris).
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2. Der geplante Anbau verletzt zur Überzeugung der Kammer auf Grundlage des Augenscheins auch nicht den Charakter der im Eigentum von Kläger und Beigeladenem stehenden Häuser als Doppelhäuser.
40 
a) Bei dem grenzständig errichteten Wohnhaus des Klägers und dem ebenfalls grenzständigen Nachbargebäude des Beigeladenen handelt es sich - was von keinem der Beteiligten in Frage gestellt wird - um ein Doppelhaus i.S.d. § 22 BauNVO, denn beide Haushälften sind in „wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 -, juris).
41 
Diese offene Bauweise hat drittschützenden Charakter zugunsten des Eigentümers der jeweils anderen Doppelhaushälfte. Denn durch die Doppelhausbebauung gehen die Grundstückseigentümer ein nachbarliches Austauschverhältnis ein, das nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden darf. Die Zulässigkeit einer Bebauung als Doppelhaus setzt den Verzicht der Grundstückseigentümer auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze voraus. Dieser Verzicht bindet die benachbarten Grundeigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs ein und schafft eine enge Wechselbeziehung, die jeden Grundstückseigentümer zugleich begünstigt und belastet: Ihre Baufreiheit wird zugleich erweitert, indem die bauliche Nutzbarkeit der häufig schmalen Grundstücke unter Verzicht auf dem Wohnfrieden dienenden Freiflächen erhöht wird, und beschränkt (vgl. dazu grundlegend BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 -, juris).
42 
Dieser für die durch Bebauungsplan festgesetzte Doppelhausbebauung entwickelte Drittschutz beansprucht auch für den unbeplanten Innenbereich Geltung. Denn die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Doppelhausnachbarn und ihre enge Wechselbeziehung bestehen unabhängig davon, ob ihr Doppelhaus in einem mittels Bebauungsplan überplanten Bereich oder in einem unbeplanten Innenbereich liegt, und auch die Schutzwürdigkeit der wechselseitigen Interessen der Doppelhausnachbarn ist in beiden Fällen gleich zu beurteilen; ähnlich wie beim Gebietserhal-tungsanspruch, der unstreitig für den unbeplanten Innenbereich Geltung entfaltet, besteht auch hier ein nachbarliches Austauschverhältnis, das es rechtfertigt, Drittschutz unabhängig davon zu gewähren, ob die Doppelhausbebauung durch Bebauungsplan festgesetzt ist (OVG NRW, Urteil vom 28.02.2012 - 7 A 2444/09 -, juris; Urteil vom 16.08.2011 - 10 A 1224/09 -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.08.2011 - 5 L 579/11 -, juris; VG München, Urteil vom 07.04.2008 - M 8 K 07.3202 -, juris; VG Saarlouis, Urteil vom 07.06.2006 - 5 K 103/05 -, juris; vgl. auch Bayer. VGH, Urteil vom 28.08.2002 - 26 B 99.2728 -, juris; a.A. OVG RP, Urteil vom 27.05.2009 - 8 A 11090/08 -, juris). Die sich damit auch im unbeplanten Bereich hinsichtlich der Bauweise stellenden Anforderungen gelten nicht nur für den Neubau von Doppelhaushälften, sondern ebenso für Erweiterungs- oder Umbauvorhaben von bereits errichteten Doppelhaushälften; dies gilt insbesondere dann, wenn die Um- und Ausbaumaßnahme bautechnisch und funktional mit dem ursprünglich auf dem Grundstück vorhandenen Gebäudebestand untrennbar verbunden ist und das Gebäude insgesamt auf Grund der Dimensionierung des Um- bzw. Ausbaus erheblich geändert wird (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.08.2011 - 5 L 579/11 -, juris, m.w.N.). Der Umfang der Änderung kann dazu führen, dass sich der Anbau an eine Doppelhaushälfte nach der Bauweise nicht i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und damit zugleich Nachbarrechte des Doppelhausnachbarn verletzt.
43 
b) Der hier zunächst von der Beklagten genehmigte Anbau an das bestehende Doppelhaus ist nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 BauGB hinsichtlich der Bauweise zulässig. Das Gericht ist nach Einnahme des Augenscheins auf Grundlage der in der Rechtsprechung, überzeugend herausgearbeiteten Eckpunkte der Auffassung, dass das geänderte Gebäude des Klägers insgesamt zusammen mit dem benachbarten Wohnhaus des Beigeladenen (weiterhin) ein Doppelhaus in offener Bauweise im bauplanungsrechtlichen Sinne bildet und durch den geplanten Ausbau ihren Doppelhauscharakter nicht verliert.
44 
(1) Ein Abwehrrecht des Beigeladenen gegen den Anbau an die klägerische Doppelhaushälfte ist nicht bereits deshalb zu bejahen, weil infolge des Anbaus beide Doppelhaushälften nicht mehr deckungsgleich wären, der Anbau vielmehr einseitig an der Grenze stünde. Schutzwürdige Rechtspositionen des Doppelhaus-Nachbarn sind vielmehr nur dann verletzt, wenn beide Gebäude infolge des einseitigen Anbaus keine bauliche Einheit mehr bildeten. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner grundlegenden „Doppelhaus-Entscheidung“ (Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 -, juris; bestätigt in Beschluss vom 17.08.2011 - 4 B 25.11 -, juris; ihm folgend etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.04.2009 - 3 S 569/09 -, juris; Bayer. VGH, Urteil vom 28.08.2002 - 26 B 99.2728 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 06.05.2011 - 10 B 29/11 -) die Anforderungen an die bauliche Einheit in seiner Doppelhaus-Entscheidung wie folgt präzisiert: „Ein Doppelhaus entsteht deshalb nur dann, wenn zwei Gebäude derart zusammengebaut werden, dass sie einen Gesamtbaukörper bilden. […] Die bauplanungsrechtliche Festsetzung des Doppelhauses verlangt ferner, dass die beiden „Haushälften“ in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut werden. Insoweit enthält das Erfordernis einer baulichen Einheit nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives Element […]. Damit wird nicht gefordert, dass die ein Doppelhaus bildenden Gebäude vollständig oder im wesentlichen deckungsgleich aneinandergebaut werden müssen. Die beiden „Haushälften" können auch zueinander versetzt oder gestaffelt an der Grenze errichtet werden, sie müssen jedoch zu einem wesentlichen Teil aneinandergebaut sein. Insoweit setzt die Doppelhaus-Festsetzung der Baufreiheit Schranken. In welchem Umfang die beiden Haushälften an der Grenze zusammengebaut sein müssen, lässt sich jedoch weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Kein Doppelhaus entsteht, wenn ein Gebäude gegen das andere an der gemeinsamen Grundstücksgrenze so stark versetzt wird, dass sein vorderer oder rückwärtiger Versprung den Rahmen einer wechselseitigen Grenzbebauung überschreitet, den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus vermittelt und dadurch einen neuen Bodennutzungskonflikt auslöst.“ Die Anforderungen an die Hausform als Doppelhaus sah das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung bei einem Baukörper, der zwar über eine Länge von 5 m an die andere Haushälfte angebaut war, jedoch dahinter um weitere 8 m in den rückwärtigen Gartenbereich hinein versprang, als nicht gegeben an.
45 
(2) Der vom Kläger zur Genehmigung gestellte Anbau, dessen Genehmigung mit Bescheid der Beklagten vom 08.11.2011 aufgehoben wurde, soll mit einer Tiefe von 5,02 m und einer Wandhöhe von 7,20 m an die gemeinsame Grundstücksgrenze angebaut werden. Dem gegenüber stehen die bereits existierenden Doppelhaushälften mit einer Wandbreite von 9,80 m und einer Höhe von am Dachfirst 12,79 m. Daraus ergibt sich, bezogen auf die Tiefe der beiden Anwesen, eine Überdeckung beider Gebäudehälften von etwa 2/3, und bezogen auf die Wandfläche von etwa 3/4. Rein quantitativ bewegt sich der Anbau damit in einem Bereich, den die Rechtsprechung mit guten Gründen als den Doppelhauscharakter nicht in Frage stellend qualifiziert (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.02.2007 - 5 S 2826/06 -, juris: Überstand bei einer Überdeckung zu mehr als drei Viertel ist zulässig; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.08.2011 - 5 L 579/11 -, juris: Überdeckung zu mehr als 50% ist ausreichend; Bayer. VGH, Beschluss vom 31.01.2011 - 1 ZB 08.2498 -, juris: Anbau an Nachbargebäude zu ca. 63%, überlappende Wandfläche von ca. 56% genügt; VG München, Urteil vom 19.06.2008 - M 11 K 07.4600 -, juris: Anbau eines 10 m tiefen Gebäudes in Länge von 6 m an Nachbargebäude gefährdet nicht Charakter als Doppelhaus).
46 
Auch unter qualitativen Gesichtspunkten hebt der vom Kläger geplante Anbau - obwohl er, wie der Augenschein eindrücklich ergeben hat, deutlich in Erscheinung trä- te - den Charakter der beiden Haushälften als Doppelhaus nicht auf. Nicht nur, dass die beiden Doppelhaushälften zur Straße hin nach wie vor eine vollständige Überdeckung aufweisen (vgl. Foto Nr. 1) und das Dachgeschoss auch im rückwärtigen Bereich seine durchgehende Gestalt behält. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass das Wohnhaus des Beigeladenen - außerhalb der Abstandsflächen - über Balkone im ersten und zweiten Stock verfügt, deren Stahlkonstruktion mit 4 m fast ebenso weit vorspringt wie der nunmehr geplante Anbau des Klägers (Fotos Nr. 2 und 12). Die Wirkung des 5 m tiefen Versatzes auf der Gartenseite würde dadurch deutlich abgeschwächt, zumal er in der Höhe deutlich hinter der Gesamthöhe der Doppelhaushälften zurückbleibt.
47 
3. Zur Überzeugung der Kammer verstößt der zur Genehmigung gestellte Anbau jedoch zulasten des Beigeladenen gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme.
48 
a) Das Gebot der Rücksichtnahme ist verletzt, wenn ein Vorhaben es trotz Einhaltung des Umgebungsrahmens hinsichtlich eines oder mehrerer der Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB an der gebotenen Rücksichtnahme auf die sonstige, d.h. vor allem auf die in seiner unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung fehlen lässt. Das Rücksichtnahmegebot hat insoweit zunächst objektiv-rechtliche Bedeutung. Nachbarschutz vermittelt es nur insoweit, als - mit den Worten des Bundesverwaltungsgerichts - „in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter“ Rücksicht zu nehmen ist. In Nachbarrechtsverfahren kommt es deshalb allein darauf an, ob sich ein Vorhaben in der dargelegten qualifizierten Art und Weise rücksichtslos, d.h. unzumutbar auswirkt. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzuwägen ist, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (st. Rspr., vgl. nur jüngst VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.03.2012 - 3 S 223/12 -, juris, m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 28.10.1993 - 4 C 5.93 -, juris). Ob sich ein Vorhaben auf das Nachbargrundstück unzumutbar auswirkt, ist eine Frage des Einzelfalls unter besonderer Berücksichtigung des bauplanungsrechtlich an sich Zulässigen. Denn das Rücksichtnahmegebot ist keine allgemeine Härteklausel, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts steht (BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128.98 - juris). Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus; vielmehr ist eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit erforderlich.
49 
b) Bei Anwendung dieser Kriterien hält die Kammer das Vorhaben in seiner geplanten Gestalt für gegenüber dem Beigeladenen rücksichtslos.
50 
(1) Für die Frage, was einerseits dem Beigeladenen als dem Rücksichtnahme-begünstigten und andererseits dem Kläger als dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist, ist der Doppelhauscharakter beider Häuser in den Blick zu nehmen. Denn die Eigentümer von Reihen- bzw. Doppelhausgrundstücken sind untereinander in besonderer Weise zu einer Art bodenrechtlicher Schicksalsgemeinschaft verbunden und unterliegen daher grundsätzlich einer besonderen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 19.07.2010 - 7 A 44/09 -, juris; Beschluss vom 06.05.2011 - 10 B 29/11 -, juris). Angesichts des engen nachbarlichen Austauschverhältnisses sind Eigentümer von Doppel- oder Reihenhausgrundstücken zu besonderer Rücksichtnahme insbesondere auf die Interessen der anderen Eigentümer an der Freihaltung der jeweiligen Grundstücksflächen gehalten. In diesem Zusammenhang ist auf die konkrete Situation vor Ort abzustellen. Von Bedeutung sein können beispielsweise die topografischen und meteorologischen Verhältnisse, die Lage der Grundstücke zueinander, die Größe der betroffenen Grundstücke, die konkrete Nutzung der Grundstücke und gegebenenfalls einzelner Grundstücksbereiche, die Schutzbedürftigkeit und -würdigkeit bestehender Nutzungen, die Interessen des Bauherrn sowie die Höhe und Länge vorhandener und geplanter Baukörper. Letztlich bedarf es einer Gesamtbewertung sämtlicher einschlägiger Kriterien, um die Frage der Rücksichtslosigkeit zuverlässig beantworten zu können (OVG NRW, Urteil vom 18.12.2003 - 10 A 2512/01 -, juris; Urteil vom 19.07.2010 - 7 A 44/09 -, juris).
51 
(2) Vor diesem Hintergrund ist das Rücksichtnahmegebot jedenfalls verletzt, wenn einer der Grundstückseigentümer eines Doppel- oder Reihenhausgrundstücks durch massive An- oder Umbauten das enge nachbarschaftliche Austauschverhältnis einseitig aufhebt oder aus dem Gleichgewicht bringt; ein massiver Anbau, der den Anspruch auf Bewahrung des Doppelhauscharakters verletzt, stellt sich dem Grundstücksnachbarn gegenüber jedenfalls als rücksichtlos dar (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 19.04.2012 - 10 A 1035/10 -, juris).
52 
Das Rücksichtnahmegebot ist jedoch nicht auf diese Fälle beschränkt. Vielmehr gewinnt auch der Aspekt ausreichender Belichtung, Beleuchtung und Besonnung angesichts des engen nachbarlichen Austauschverhältnisses bei Doppel- und Reihenhausgrundstücken besondere Bedeutung.
53 
Dem kann zur Überzeugung der Kammer nicht entgegengehalten werden, dass in Fällen, in denen der Anbau die nach Landesrecht erforderlichen Abstandsflächen - die im Falle zulässiger Grenzbebauung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO auf Null reduziert sind - einhält, ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot unter Berufung auf Belange der Belichtung, Belüftung und Besonnung regelmäßig ausgeschlossen ist.
54 
Zutreffend ist zwar, dass nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung in Fällen, in denen ein Bauvorhaben die bauordnungsrechtlich für eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung sowie den Wohnfrieden von Nachbargrundstücken gebotenen Abstandsflächen einhält, für das Gebot der Rücksichtnahme insoweit grundsätzlich kein Raum mehr ist. In Bezug auf eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung ist das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme vom Landesgesetzgeber in den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften konkretisiert worden (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 16.9.1993 - 4 C 28/91 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.04.2008 - 8 S 98/08 -, juris; OVG Saarland, Beschluss vom 10.05.2012 - 2 B 49/12 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.02.2012 - 10 S 39.11 -, juris; Bayer. VGH, Beschluss vom 07.02.2012 - 15 CD 11.2865 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.01.2012 - 2 M 157/11 -, juris).
55 
Dies gilt aber nur „grundsätzlich“, was bedeutet, dass Ausnahmen möglich sein müssen, zumal das bauplanungsrechtliche Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht. Die Vorschriften des Bauordnungsrechts liefern insoweit zwar durchaus Anhaltspunkte dafür, ob das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme eingehalten ist, ersetzen die konkret auf das nachbarliche Austauschverhältnis abstellende Prüfung nach dem Maßstab des Rücksichtnahmegebotes aber nicht (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.04.2008 - 8 S 98/08 -, juris; OVG Bremen, Beschluss vom 14.05.2012 - 1 B 65/12 -, juris; Sächs. OVG, Beschluss vom 20.10.2005 - 1 BD 251/05 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 09.02.2009 - 10 B 1713/08 -, juris; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128.98 -, juris).
56 
Raum für eine eigenständige Prüfung eines Bauvorhabens am Grundsatz des Rücksichtnahmegebotes trotz Einhaltung der landesrechtlich erforderlichen Abstandsflächen sieht die Rechtsprechung vor allem in Fällen, in denen die Abstandsflächen gegenüber früherem Landesbaurecht nachhaltig verkürzt worden sind; sollen diese nunmehr nur noch ein sicherheitsrechtliches und gesundheitliches Minimum gewährleisten, sei eine Anwendung des Rücksichtnahmegebots daneben gerechtfertigt (so etwa OVG NRW, Beschluss vom 09.02.2009 - 10 B 1713/08 -, juris; Urteil vom 09.06.2011 - 7 A 1494/09 -, juris; Sächs. OVG, Beschluss vom 20.10.2005 - 1 BD 251/05 -, juris). Dieser Rechtsprechung schließt sich das Gericht an; denn je weniger der Landesgesetzgeber bei Regelung des Abstandsflächenrechts nachbarliche Belange wie Belichtung, Belüftung, Besonnung oder nachbarlichen Wohnfrieden in den Blick nimmt, umso größer ist der eigenständige Gehalt des - bundesrechtlichen - Rücksichtnahmegebots, welches durch landesrechtliche Regelungen nur überlagert, nicht aber inhaltlich determiniert werden kann.
57 
Diese Überlegungen aber gewinnen Bedeutung erst recht in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Landesbauordnung, hier § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO, nicht nur verkürzte Abstandsflächen zulässt, sondern zugunsten besserer baulicher Nutzbarkeit schmaler Grundstücke auf seitliche Grenzabstände sogar gänzlich verzichtet. Denn hier fehlt es gerade an einer auf Landesrecht basierenden Sicherstellung ausreichender Belüftung und Belichtung baulicher Anlagen und nicht bebauter Grundstücksteile auf dem unmittelbar benachbarten Doppel- oder Reihenhausgrundstück.
58 
Zwar dürfte in der Mehrzahl der Fälle ein einseitiger Grenzbau, der die Belichtung und Belüftung des Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt, gleichzeitig aufgrund seiner Massivität den in dem engen nachbarschaftlichen Austauschverhältnis wurzelnden Anspruch des Grundstücksnachbarn auf Bewahrung des Doppelhauscharakters verletzen und sich unter diesem Gesichtspunkt bereits als rücksichtslos darstellen. Auch eine bauliche Erweiterung, die aufgrund ihres Umfangs den Doppelhauscharakter noch bewahrt, aber kann aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung und Lage im Einzelfall erhebliche Auswirkungen auf das Nachbargrundstück im Hinblick auf Belichtung und Besonnung haben, und zwar auch dann, wenn in die Abwägung der gegenseitigen Interessen auch der Umstand in den Blick genommen wird, dass der Grundstücksnachbar seinerseits vom Verzicht auf seitliche Grenzabstände im Sinne besserer baulicher Ausnutzbarkeit seines Grundstücks profitiert und im Hinblick auf mit Doppelhausbebauung typischerweise verbundene Einschränkungen an Belichtung, Belüftung und Besonnung daher weniger schutzwürdig ist.
59 
Die Überprüfung eines nach Landesrecht zulässigen Grenzbaus im Hinblick auf die Gewährleistung ausreichender Belichtung, Belüftung und Besonnung des Nachbargrundstücks unter Berufung auf die Einhaltung landesrechtlicher Abstandsflächen zu unterlassen, bedeutete daher eine unzulässige Verkürzung des bundesrechtlichen Gebotes der Rücksichtnahme. Vielmehr gewinnt das Rücksichtnahmegebot auch unter dem Aspekt Besonnung, Belichtung und Belüftung gerade in Fällen der Doppel- und Reihenhausbebauung eine eigenständige Bedeutung (vgl. zu dieser Problematik mit einem anderen Ansatz - der Verstoß eines grenzständigen Anbaus gegen das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme führt dazu, dass nicht nach „planungsrechtlichen Vorschriften“ an die Grenze gebaut werden darf - auch OVG NRW, Beschluss vom 24.04.1995 - 10 B 3161/94 -, BauR 1996, 88).
60 
(3) Nach diesen Maßstäben lässt der Anbau in der vom Kläger begehrten Form, d.h. mit einer Tiefe von 5 m, einer Höhe von zwei Vollgeschossen (7,20 m) und seinem Standort direkt an der Grenze zum Grundstück des Beigeladenen die gebotene Rücksichtnahme gegenüber dem Grundstück des Beigeladenen unter dem Gesichtspunkt von Belichtung, Belüftung und Besonnung vermissen; diese Überzeugung hat das Gericht auf Grundlage des Augenscheins sowie der in den Akten befindlichen Lichtbilder gewonnen. Denn die massive, etwa 36 m² große Wand unmittelbar an der östlichen Grundstücksgrenze des Beigeladenen beeinträchtigte erheblich die Belichtungs- und Belüftungssituation insbesondere im Erdgeschoss des Wohnhauses des Beigeladenen; durch die teilweise nur etwa 60 cm von dem geplanten Anbau entfernten Fenster gelangte insbesondere aufgrund der Höhe des Anbaus (2 Vollgeschosse) deutlich weniger Licht in die dahinter liegenden Aufenthaltsräume. Auch würde der Anbau durch seine Höhe von 2 Vollgeschossen und seine Lage direkt an der Grundstücksgrenze die (eher schräg stehende) Vormittagssonne über eine Grundstückstiefe von 5 m vom Grundstück des Beigeladenen abschirmen und damit zu einer bedeutenden Verschattung der rückwärtigen Grundstücksbereiche führen. Die Kammer übersieht nicht, dass auch die gegenwärtigen Verhältnisse auf dem Grundstück des Beigeladenen selbst (Balkonanlage, große Esskastanie sowie weiterer Bewuchs) Belichtung und Besonnung negativ beeinflussen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Bäume und Sträucher gerade bei tieferstehender Sonne im Spätherbst / Winter mangels Blättern kaum Einfluss auf die Belichtungsverhältnisse haben und im übrigen jederzeit vom Beigeladenen auf eine hinreichende Beleuchtungsverhältnisse gewährleistende Größe zurückgeschnitten werden können, während der geplante Anbau ganzjährig die Belichtung aus östlicher Richtung massiv einschränkte, sieht die Kammer in dem geplanten Anbau eine gänzlich andere Qualität der Beschränkung der Belichtungs-, Besonnungs- und Belüftungsverhältnisse. Obwohl folglich der Anbau aufgrund seines Umfangs den Doppelhauscharakters noch bewahrt, hat er aufgrund seiner konkreten Ausgestaltung und seiner räumlichen Lage erhebliche, vom Beigeladenen nicht hinzunehmende negative Auswirkungen auf die Belichtungs- und Belüftungssituation auf dem Grundstück und im Wohnhaus des Beigeladenen. Ob dem Anbau zudem eine „erdrückende Wirkung“ auf das Grundstück des Beigeladenen zukommt, bedarf bei dieser Sachlage keiner Entscheidung.
61 
Die Kammer betont jedoch, dass nach ihrer Auffassung nicht jeglicher Anbau auf dem Grundstück des Klägers zu einer dem Beigeladenen unzumutbaren Beeinträchtigung führt, die unzumutbaren Auswirkungen vielmehr aus der konkreten zur Genehmigung gestellten Ausführung mit 2 Vollgeschossen, einer Tiefe von 5 m sowie der Lage direkt an der Grundstücksgrenze resultieren.
62 
4. Da die von der Beklagten dem Kläger unter dem 21.04.2011 erteilte Baugenehmigung folglich wegen Verstoßes gegen nachbarschützende Rechte zu Lasten des Beigeladenen - Rücksichtnahmegebot - rechtswidrig war, war der Abhilfebescheid seinerseits rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
63 
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Nachdem der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es billigem Ermessen, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
64 
Da der Kläger mit seiner Klage in vollem Umfang unterliegt, kommt eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung seines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht in Betracht.
65 
Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Denn die Frage, ob die Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (etwa Beschluss vom 08.11.2007 - 3 S 1923/07 -, juris) und anderer Obergerichte, wonach die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächentiefen grundsätzlich auch im Rahmen des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots die Grenzen eines hinsichtlich Belichtung, Belüftung, Besonnung und Einsichtnahme gebotenen Mindestschutzes konkretisieren, dem planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot im Hinblick auf Belichtung, Belüftung und Besonnung bei Einhaltung der Abstandsflächen somit im Regelfall keine eigenständige Bedeutung zukommt, auch in Fällen gilt, in denen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO an die Grenze gebaut werden darf, hat grundsätzliche Bedeutung und wurde vom VGH Baden-Württemberg, soweit ersichtlich, noch nicht ausdrücklich entschieden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 27. März 2014 - 6 K 634/14 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht - insoweit unter Änderung der dortigen Festsetzung - jeweils auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben zu einer Änderung der vom Verwaltungsgericht zum Nachteil der Antragstellerin getroffenen Abwägungsentscheidung keinen Anlass.
Das Verwaltungsgericht hat, soweit dies zu prüfen war, bei der von ihm nach Maßgabe der §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung dem (besonderen) öffentlichen Interesse und dem privaten Interesse der Beigeladenen, von der kraft Gesetzes (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB) sofort vollziehbaren Baugenehmigung des Landratsamts Konstanz vom 10.10.2013 sofort Gebrauch machen zu dürfen, zu Recht Vorrang vor dem privaten Interesse der Antragstellerin gegeben, von deren Wirkungen vorläufig verschont zu bleiben. Mit dieser Baugenehmigung wurden der beigeladenen Gemeinde der Abbruch des Südflügels der H.-Halle und die Errichtung eines zweistöckigen Anbaus mit Schulungs-, Probe- und Lagerräumen für ihre Musikschule genehmigt.
Der Senat vermag, nachdem die Baugenehmigung mit baurechtlicher Entscheidung vom 24.04.2014 um weitere Nebenbestimmungen ergänzt wurde, bei der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sachlage schon nicht mehr zu erkennen, dass aufgrund inhaltlicher Unbestimmtheit der Baugenehmigung mit der vorgesehenen Nutzung möglicherweise doch gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts, nämlich das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, verstoßen würde.
Soweit die Beschwerde darauf abgehoben hatte, dass im Hinblick auf die auch vom Verwaltungsgericht erkannte Unbestimmtheit der Baugenehmigung eine zuverlässige Prognose der mit der Nutzung des Bauvorhabens verbundenen Schallimmissionen gar nicht möglich sei, vermag dies eine andere Abwägungsentscheidung jedenfalls nicht mehr zu rechtfertigen. Denn die vom Verwaltungsgericht vermisste Festschreibung von Immissionsrichtwerten und Nutzungszeiten ist inzwischen erfolgt. So hat das Landratsamt der Baugenehmigung nachträglich die Nebenbestimmungen 10 und 11 beigefügt, wodurch die der gutachtlichen Stellungnahme der Ingenieurgesellschaft für Akustik, Thermische Bauphysik, Immissionsschutz GSA K. GmbH (GSA) vom 20.08.2013 zugrunde gelegten Nutzungszeiten (13.30 bis 22.00 Uhr) der Schulungs- und Proberäume nunmehr auch in der Baugenehmigung festgeschrieben (Nr. 10) und darüber hinaus bestimmt wurde, dass durch bauliche und/oder organisatorische Maßnahmen sicherzustellen ist, dass der durch den betrieblichen Ablauf sowie durch den Einsatz betriebstechnischer Anlagen entstehende Beurteilungspegel in der Nachbarschaft den entsprechenden Geräusch-Immissionsrichtwert nach Ziff. 6.1 d) und e) der TA Lärm an den maßgeblichen Immissionsorten (an der Außenwand des der baulich genehmigten Nutzung am nächsten gelegenen Gebäudes) nicht überschreitet (Nr. 11). Auch wurde in der Nebenbestimmung Nr. 6 klargestellt, dass die (abschließbaren) Schallschutzfenster (Klasse 3) während jeglicher Proben - also nicht nur während der Proben der Musikschule - geschlossen zu halten sind.
Zwar wurden, was die Antragstellerin weiterhin beanstandet, die „Nutzungsarten“ bzw. die „inhaltliche Nutzung“ der Räume insofern nicht näher bestimmt, als die in den verschiedenen Schulungs- und Proberäumen vorgesehenen Nutzungen durch die Musikschule und den Akkordeon-Spielring nicht weiter hinsichtlich Art und Anzahl der Instrumente konkretisiert wurde. Jedoch war dies aller Voraussicht nach - auch im Hinblick auf die gebotene nachbarliche Rücksichtnahme - nicht erforderlich. Denn aufgrund der in der maßgeblichen gutachtlichen Stellungnahme der GSA vom 20.08.2013 angestellten worst-case-Betrachtung dürften unabhängig von Art und Anzahl der Instrumente für die Antragstellerin unzumutbare Lärmwirkungen jedenfalls auszuschließen sein.
Den durchaus unterschiedlichen Schalldruckpegeln wurde in dieser Stellungnahme, worauf bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen hat, dadurch Rechnung getragen, dass für sämtliche Räume und über die gesamte Betriebszeit ein Innengeräuschpegel von LI = 90 dB(A) unterstellt wurde, mithin ein Geräuschpegel, der nach den Arbeitsstättenrichtlinien nur bei regelmäßiger Verwendung von Gehörschutz zulässig wäre. Darüber hinaus wurde für 50% der Einwirkungszeit ein Zuschlag für impulshaltige Töne berücksichtigt. Dass - nicht zuletzt um unerwünschte Störungen der jeweils anderen Musikproben auszuschließen - tatsächlich geringere Innengeräuschpegel zu erwarten sind, erhellt ohne Weiteres auch daraus, dass - bei einer Mittelung über alle Instrumente - bei einer Großgruppe lediglich ein Schalldruckpegel LAF von 80 dB(A) und bei einer Kleingruppe gar nur von 70 dB(A) erzeugt würde, wobei entsprechend den gängigen Betriebsweisen von Musikschulen ca. 75 % der Gesamtzeit auf Einzelübungen und Kleingruppen entfallen (vgl. die gutachtliche Stellungnahme v. 05.08.2013). Schließlich ist nach der inzwischen eingefügten Nebenbestimmung Nr. 11 sicherzustellen, dass der entstehende Beurteilungspegel in der Nachbarschaft den entsprechenden Geräusch-Immissionsrichtwert nach der TA Lärm - hier für ein reines Wohngebiet von tags 50 dB(A) - an den maßgeblichen Immissionsorten nicht überschreitet. Dies ist nach den Berechnungen - bei geschlossenen Fenstern mit einem Schalldämmmaß RW von mind. 32 dB - jedenfalls sichergestellt; so ergibt sich selbst an der nächstgelegenen Immissionsposition IP 2a (unmittelbar gegenüber der Musikschule) lediglich ein Beurteilungspegel Lr von 45,2 dB(A). Berücksichtigt man, dass die Schallschutzfenster nach den genehmigten Bauvorlagen sogar ein Schalldämmmaß RW von mind. 37 dB aufweisen müssen (Schallschutzklasse 3 nach VDI 2719), ergibt sich gar nur ein Beurteilungspegel Lr von allenfalls 40 dB(A). Warum es sich bei den gutachtlichen Stellungnahmen der GSA aufgrund ihres Prognosecharakters um keine Schallschutzgutachten handeln sollte, erschließt sich dem Senat nicht.
Soweit die Antragstellerin noch geltend macht, dass die Räume der Musikschule außer dem Akkordeon-Spielring offenbar auch noch weiteren probenden Musikgruppen bzw. -vereinen zur Verfügung gestellt werden sollen, wäre dies eine von der baurechtlich genehmigten Nutzung (Schulungs- und Proberäume für die Musikschule) umfasste Nebennutzung, die grundsätzlich auch keine weitergehenden Nebenbestimmungen erfordern dürfte. Warum insofern - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - die Anwendung der „Freizeitlärmrichtlinie“ eine sachgerechtere Beurteilung ermöglichen sollte, zeigt die Antragstellerin nicht auf. Abgesehen davon liegt es vor dem Hintergrund der gutachtlichen Stellungnahme vom 05.08.2013 (S. 13, Tabelle 8b) fern, dass sich bei den zuletzt zugrunde gelegten worst-case-Annahmen bei geschlossenen Fenstern der Schallschutzklasse Klasse 3 nunmehr eine Überschreitung auch nur des innerhalb der Ruhezeiten maßgeblichen Immissionsrichtwerts von 45 dB(A) zu ihren Lasten ergeben könnte. So würde dieser am maßgeblichen Immissionsort IP 1b ohne die verschärften worst-case-Annahmen auch bei gekippten Schallschutzfenstern der Klasse 2 noch deutlich unterschritten.
Im Übrigen wäre eine andere Abwägungsentscheidung zugunsten der Antragstellerin auch dann nicht gerechtfertigt, wenn bei bestimmten Nutzungen eine Richtwertüberschreitung und damit ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht gänzlich auszuschließen wäre. Denn dem könnte - worauf die Beigeladene zu Recht hinweist - im Hauptsacheverfahren noch ohne Weiteres dadurch Rechnung getragen werden, dass die der Baugenehmigung beigefügten Inhalts- und Nebenbestimmungen präziser gefasst oder zusätzliche Schutzmaßnahmen angeordnet werden, um den Nachbarbelangen der Antragstellerin erforderlichenfalls noch weitergehend Rechnung zu tragen (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 09.08.2011 - 1 ME 107/11 -, NVwZ 2012, 124).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
10 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013. Der Senat hält in Anwendung des Rahmenvorschlags der Nr. 9.7.1 das Interesse der Antragstellerin in der Hauptsache mit einem „mittleren“ Wert von EUR 10.000,-- für angemessen erfasst (vgl. für ein Ein- oder (kleineres) Mehrfamilienhaus bereits VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.08.2014 - 8 S 979/14 - sowie Beschl. v. 27.08.2014 - 3 S 1400/14 -). Denn vom „Normalfall“ abweichende Umstände, die eine höhere oder geringere Bewertung des Interesses an der Abwehr der geltend gemachten Beeinträchtigungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.08.1990 - 4 B 95.90 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 100) rechtfertigten, liegen nicht vor. Der gefundene Wert war hier allerdings auf die Hälfte (= EUR 5.000,--) zu reduzieren, da sich die Antragstellerin ausschließlich gegen die Lärmwirkungen der künftigen Nutzung des Südflügels der H.-Halle zur Wehr setzt und insofern von einer faktischen Vorwegnahme der Hauptsache nicht gesprochen werden kann.
11 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.