Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 20. März 2012 - 3 S 223/12

published on 20/03/2012 00:00
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 20. März 2012 - 3 S 223/12
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Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 09. Januar 2012 - 5 K 2279/11 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, als Gesamtschuldner.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss vom 09.01.2012 ist statthaft und auch sonst zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, der Klage der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 15.06.2011 i.d.F. des Widerspruchsbescheids vom 05.08.2011 aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Auch nach Auffassung des Senats kommt dem Interesse der Beigeladenen an der - dem gesetzlichen Regelfall entsprechenden - sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung Vorrang vor dem Interesse der Antragsteller an einem vorläufigen Baustopp zu. Nach derzeitigem Erkenntnisstand und nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird die Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben. Denn die genehmigten zwei Mehrfamilienwohnhäuser (Haus 1 mit acht und Haus 2 mit sechs Wohneinheiten) mit vier offenen Stellplätzen und einer Tiefgarage auf dem derzeit unbebauten Grundstück Flst.-Nr. ... (G... ...) in Müllheim verstoßen nicht gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz der Antragsteller als Eigentümer des östlich angrenzenden und mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks Flst.-Nr. ... (G... ...) zu dienen bestimmt sind.
Zur Begründung nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), wobei davon auszugehen ist, dass die Antragsteller mit ihrem Vorbringen nicht nach § 55 Abs. 2 Satz 2 LBO präkludiert sind und daher Anspruch auf volle Überprüfung ihrer Einwendungen haben. Ergänzend und in Würdigung des Beschwerdevorbringens der Antragsteller ist Folgendes auszuführen:
I.
Die Antragsteller halten dem Verwaltungsgericht zusammengefasst vor, es hätte die Prüfung des - im unbeplanten Innenbereich von Müllheim innerhalb einer Baulücke gelegenen - Vorhabens auf seine objektive Rechtmäßigkeit nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht offen lassen dürfen. Das Gericht hätte diese Frage vielmehr notwendigerweise prüfen und als Prüfungsergebnis zwingend verneinen müssen, da die genehmigten Gebäude in ihrer Massivität, Lage und Wohnungszahl in der durch großzügige Einfamilienhausbebauung gekennzeichneten Umgebung beispiellos seien und eine irreversible Verfremdung des bislang harmonischen und völlig spannungsfreien Baugebiets einleiteten. Dieser massive Verstoß gegen das objektiv-rechtliche Einfügensgebot löse unmittelbare Abwehransprüche für sie als Angrenzer aus, ohne dass es eines Rückgriffs auf die Voraussetzungen des Rücksichtnahmegebots bedürfe. Im Übrigen wirkten sich die beiden Häuser aber auch rücksichtslos erdrückend und einmauernd auf ihr nur bescheiden bebautes Wohngrundstück aus, ohne dass es auf die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ankomme, da diese nur „technisches Recht“ umsetzten und nachbarliche Belange nur untergeordnet berücksichtigten.
II.
Dem ist im dogmatischen Ansatz und im Ergebnis nicht zu folgen:
1. a) In der Rechtsprechung ist seit langem geklärt, dass § 34 Abs. 1 BauGB, wonach sich ein Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, nach der Bauweise und nach seiner überbauten Grundstücksfläche in die jeweils maßgebliche nähere Umgebung einzufügen hat, d.h. sich in dem jeweils prägenden Rahmen halten muss und diesen Rahmen nur bei Vermeidung städtebaulicher Spannungen überschreiten darf, unmittelbar keine drittschützende Wirkung entfaltet. Unmittelbarer Drittschutz gegen Gebietsveränderungen steht Gebietsanliegern nur im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 2 BauGB zu, wenn die nähere Umgebung der Nutzungsart nach einem der gesetzlich vorgeformten Gebiete nach §§ 2 ff. BauNVO entspricht. Sie können in diesem Fall nach ihrer Nutzungsart unzulässige Vorhaben abwehren, ohne sich auf die qualifizierten Anforderungen des Rücksichtnahmegebots verweisen lassen zu müssen (sog. Gebietserhaltungs- oder Gebietsbewahrungsanspruch, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16.12.2008 - 4 B 68.08 -, ZfBR 2009, 376 f. sowie Urteil vom 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151 ff. = NJW 1994, 1546 ff.).
Nur in diesem Sonderfall des § 34 Abs. 2 BauGB gesteht der Gesetzgeber, beschränkt auf die Art der baulichen Nutzung auf Nachbargrundstücken, den Bewohnern unbeplanter und beplanter Gebiete unter dem Gesichtspunkt der „Schicksalsgemeinschaft“ gleiche - unmittelbare - Abwehrrechte zu. Für die übrigen Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB (Nutzungsmaß, Bauweise, über- baubare Grundstücksfläche) gilt dies nicht. Dies verkennen die Antragsteller. Nachbarschützende Wirkung kommt Verstößen gegen diese Merkmale nur mittelbar über das im Begriff des „Einfügens“ aufgehende Gebot der Rücksichtnahme zu. Dieses ist verletzt, wenn ein Vorhaben es trotz Einhaltung des Umgebungsrahmens hinsichtlich eines oder mehrerer der Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB „an der gebotenen Rücksichtnahme auf die sonstige, d.h. vor allem auf die in seiner unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung fehlen lässt“ (so bereits BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369, 386). Das Rücksichtnahmegebot hat insoweit zunächst objektiv-rechtliche Bedeutung. Nachbarschutz vermittelt es nur insoweit, als - mit den Worten des Bundesverwaltungsgerichts - „in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter“ Rücksicht zu nehmen ist (st. Rpr. zu. § 34 Abs. 1 BBauG wie zu § 34 Abs. 1 BauGB; vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 13.03.1981 - 4 C 1.78 -, BauR 1981, 354 ff. sowie Beschluss vom 20.01.1992 - 4 B 229.91 -, juris). An dieser Unterscheidung zwischen objektiv-rechtlicher und subjektiv-rechtlicher Ausprägung des Rücksichtnahmegebots ist rechtsdogmatisch bis heute festzuhalten, auch wenn in der Praxis beide Komponenten meist zusammenfallen und sich daher eine zweistufige Prüfung erübrigt. In Nachbarrechtsverfahren kommt es jedenfalls allein darauf an, ob sich ein Vorhaben in der dargelegten qualifizierten Art und Weise rücksichtslos, d.h. unzumutbar auswirkt. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats - bezogen auf die Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB - unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls - insbesondere der tatsächlichen und rechtlichen Vorbelastung der Grundstücke und des Gebiets, der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Bauherrn und des Nachbarn sowie der Art und Intensität aller in Betracht kommenden städtebaulich relevanten Nachteile - zu beurteilen (vgl. etwa Beschlüsse vom 08.11.2007 - 3 S 1923/07 -, VBlBW 2008, 147 ff. und vom 16.2.1990 - 3 S 155/90 -, juris).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen, an denen festzuhalten ist, war das Verwaltungsgericht nicht zu einer vollumfänglichen und abschließenden Prüfung der streitigen Mehrfamilienhäuser am objektiv-rechtlichen Maßstab des § 34 Abs. 1 BauGB (einschließlich des Rücksichtnahmegebots in seiner objektiv-rechtlichen Ausgestaltung) verpflichtet, sondern durfte sich auf die Prüfung beschränken, ob sich die Gebäude zu Lasten der Antragsteller anhand eines oder mehrerer der Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB subjektiv-rechtlich als rücksichtslos erweisen und insoweit „drittschützende“ städtebauliche Spannungen auslösen (zum Gebot der Rücksichtnahme als Unterfall des Verbots der Begründung oder Erhöhung bodenrechtlich beachtlicher Spannungen in § 34 Abs. 1 BauGB vgl. BVerwG, Urteil vom 16.09.2010 - 4 C 7.10 -, NVwZ 2011, 436 ff.). Derartige die Schwelle der Rücksichtslosigkeit erreichende Nachteile des Vorhabens für die Antragsteller vermag auch der Senat noch nicht zu erkennen.
a) Bezüglich der Nutzungsart (Wohnen) wird der Rahmen der Umgebung unstreitig eingehalten. Die den Gebietsrahmen möglicherweise übersteigende Gesamtwohnungszahl des Vorhabens (14 Wohneinheiten), die Wohnungsdichte, wird von § 34 Abs. 1 BauGB nicht erfasst (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.02.1992 - 3 S 309/92 -, VBlBW 1992, 344 ff. m.w.N.). Sie kann nur mittelbar durchschlagen, etwa dann, wenn gleichzeitig unzumutbarer Verkehrslärm durch die Bewohner hervorgerufen wird. Davon kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden, nachdem die Zufahrt zur genehmigten Tiefgarage sich auf der vom Grundstück der Antragsteller abgewandten Westseite des Baugrundstücks befindet.
b) Auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung sind rücksichtslose Auswirkungen des Vorhabens für die Antragsteller noch nicht zu erkennen. Bei der Beurteilung ist hierbei allerdings nicht auf „relative“ Maßkriterien wie insbesondere die - hier eingehaltene - Grund- und Geschossflächenzahl abzuheben, sondern es kommt vorrangig auf die nach außen im Verhältnis zur Umgebungsbebauung prägenden Eigenschaften an, zu denen insbesondere die flächenmäßige Ausdehnung, die Geschosszahl und die Höhe der den Rahmen bildenden Gebäude zählen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.06.2007 - 4 B 8.07 -, BauR 2007, 1691 f.). Diesbezüglich dürften sich die streitigen zwei Mehrfamilienhäuser sowohl nach ihrer Grundfläche von jeweils etwa 300 m² als auch nach ihrer Geschosszahl und ihrer Gebäudehöhe möglicherweise sogar objektiv-rechtlich (gerade noch) im Umgebungsrahmen halten, der räumlich mindestens die Bebauungszeile südlich der G... umfasst. In dieser Zeile befindet sich das große und damit auch prägende Mehrfamilienwohnhaus auf dem östlich an das Grundstück der Antragsteller angrenzenden Grundstück Flst.-Nr. ... (G... ...). Der dortige aus drei versetzten Einheiten bestehende Gebäudekomplex weist ausweislich der nicht bestrittenen Ermittlungen der Antragsgegnerin eine Grundfläche von 315 m² auf, hat ebenfalls zwei Vollgeschosse und ein Dachgeschoss und übertrifft die genehmigten Wohnhäuser in der Firsthöhe um mindestens 2 m. Allein schon wegen dieses prägenden Gebäudekomplexes kann der Einschätzung der Antragsteller nicht gefolgt werden, im Baugebiet herrsche „Harmonie“ im Sinne einer in sich geschlossenen und von kleinen freistehenden Einfamilienhäusern geprägten „Schicksalsgemeinschaft“. Unabhängig von ihrer objektiv-rechtlichen Bewertung kommt den genehmigten Häusern auf dem Grundstück der Beigeladenen jedenfalls aber keine (subjektiv) rücksichtslose, weil unzumutbar optisch erdrückende oder einmauernde Wirkung zu. Diese Entscheidung ist, worauf die Antragsteller zu Recht abheben, nicht allein schon dadurch determiniert, dass die genehmigten Gebäude die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften in jeder Hinsicht einhalten. Diese Abstandsflächengebote sind allerdings keine rein „technischen Normen“, sondern haben eine starke nachbarschützende Zielrichtung. Jedoch umfasst ihr Schutzbereichskatalog (Belichtung, Besonnung, Belüftung, Brandschutz und ggf. auch ein Minimum an Wohnfrieden) nicht auch den Schutz gegen optisch erdrückende oder abriegelnde Baukörper. Dieser Schutz wird vielmehr vom bundesrechtlichen Kriterium des Maßes baulicher Nutzung abgeleitet (vgl. Beschluss des Senats vom 08.11.2007 - 3 S 1923/07 -, VBlBW 2008, 147 ff.; im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 23.05.1986 - 4 C 34.85 -, BauR 1986, 542 f.). Indessen treten die beiden genehmigten Wohnhäuser der Beigeladenen gegenüber dem Grundstück der Antragsteller noch nicht unzumutbar optisch erdrückend oder gar abriegelnd in Erscheinung. Denn beide Gebäude sind, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, nur mit den Giebelseiten zum Grundstück der Antragsteller hin ausgerichtet, zudem voneinander durch eine Freifläche von ca. 13 m getrennt.
10 
c) Auch bezüglich der überbauten Grundstücksfläche und in einer Gesamtwürdigung aller Umstände müssen die Antragsteller noch nicht mit unzumutbaren Nachteilen rechnen. Dabei verkennt auch der Senat nicht, dass sich der bisher in Richtung Westen außergewöhnlich günstige Lagevorteil des Grundstücks der Antragsteller im Zuge der Verwirklichung des streitigen Vorhabens verschlechtern wird. Die Antragsteller, die ihr großes Gartengrundstück im Verhältnis zur Umgebung eher gering ausnutzen, können jedoch in Anwendung des Rücksichtnahmegebots nicht verlangen, dass das Nachbargrundstück auch in Zukunft gänzlich unbebaut bleibt oder zwingend nur „in erster Reihe“ mit nur einem Gebäude (Haus 1) bebaut werden darf. Denn im Blockinnenbereich zwischen G... und H... sind auch an anderer Stelle „Hinterlandbebauungen“ in zweiter Reihe anzutreffen. Dies gilt nicht nur mit Blick auf die durchgehend tiefgestaffelte Bebauung im Bereich nördlich der H..., sondern auch für den Bereich südlich der G...-..., da auch hier - prägend - Wohnbebauung in „zweiter Reihe“ auf den Grundstücken Flst.-Nr. ... (G... ...) und dem dahinterliegenden Grundstück Flst.-Nr. ... (G... ...) in einer mit Haus 2 vergleichbaren Bebauungstiefe vorhanden ist.
11 
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab und nimmt stattdessen auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug.
12 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Billigem Ermessen entspricht es nicht, den Antragstellern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Denn die Beigeladene hat im Schriftsatz vom 09.03.2012 zwar Ausführungen zur Sache gemacht. Die an den Anfang gestellte Formulierung, es werde im Folgenden dargetan, dass die Beschwerde zurückzuweisen sei, ist jedoch nicht als förmlicher Prozessantrag auszulegen. Da die Beigeladene daher für den Fall des Unterliegens kein Kostenrisiko zu tragen gehabt hätte (§ 154 Abs. 3 VwGO), ist es nach der Rechtsprechung aller Bausenate des erk. Gerichtshofs auch nicht unbillig, dass sie - korrespondierend - im Falle des Obsiegens keine Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten verlangen kann (vgl. zuletzt etwa Beschluss vom 20.01.2011 - 8 S 2567/10 -, VBlBW 2011, 279 f.).
13 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
14 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

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Annotations

(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.