Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 25. Juli 2012 - 4 K 2241/11

bei uns veröffentlicht am25.07.2012

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser auf sich behält.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die (teilweise) Aufhebung einer ihm zuvor durch die Beklagte erteilten Baugenehmigung.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlstNr. YYY, U-Straße 5, im Gemeindegebiet der Beklagten. Das Grundstück ist im südlichen, der U-Straße zugewandten Grundstücksteil mit einer Doppelhaushälfte (Mehrfamilienhaus mit 2 Vollschossen, Mansardgeschoss und nicht ausgebautem Dachgeschoss) bebaut. Eigentümer der westlich angrenzenden Doppelhaushälfte auf dem Grundstück FlstNr. XXX ist der Beigeladene. Die Grundstücke befinden sich nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans.
Der Kläger stellte bei der Beklagten unter dem 19.01.2011 Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Sanierung und zum Umbau seines Hauses. Soweit vorliegend erheblich, beantragte der Kläger die Erweiterung des Gebäudes durch einen 5,02 m tiefen und 8,86 m breiten, 2-geschossigen Anbau mit Dachterrasse in nördlicher Richtung direkt an der Grenze zum benachbarten Grundstück FlstNr. XXX.
Im Rahmen der Angrenzeranhörung trug der Beigeladene vor, der überdimensionale Wohnhausanbau entspreche nicht der Eigenart der näheren und auch weiteren Umgebung. Die Bebauung, besonders der untere Teil der U-Straße, bestehe ausschließlich aus jeweils deckungsgleichen Doppelhäusern an der Vorder- und Rückseite. Das sei das charakteristisch Prägende dieses Straßenzuges. Die vom Kläger beantragte Bebauung führe zwangsweise zu einem Bodennutzungskonflikt und widerspreche dem Gebot der Rücksichtnahme. Die Abstandsflächen würden nicht eingehalten. Es seien statische Schäden an der relativ schlechten Bausubstanz der alten Häuser zu befürchten. Die neu entstehende Grenzwand habe beträchtliche Lichteinbußen bis zur Totalverschattung der Gebäudenordseite und aller Wohnungen auf seinem Grundstück zur Folge. Die Wohn- und Lebensqualität wie auch der Wiederverkaufswert würden erheblich beeinträchtigt. Der Wohnfrieden sei durch zu geringen „Anstands-Abstand“ gefährdet, es bestünden direkte Einblickmöglichkeiten in die nach Norden fensterführenden Räume und Balkone. Es sei mit Beschädigung, gar Verlust der grenznahen Vegetation zu rechnen. Es würde ein Präzedenzfall geschaffen.
Die Beklagte erteilte dem Kläger die Baugenehmigung wie beantragt (mit Ausnahme eines Grüneintrags betreffend die Nutzung der Dachterrasse im westlichen Bereich) mit Bescheid vom 21.04.2011. Die Nachbareinwendungen des Beigeladenen wurden zurückgewiesen, da dem beantragten Vorhaben keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstünden.
Unter dem 09.05.2011 erhob der Beigeladene Widerspruch. Er selbst habe keinerlei Interesse an einem ähnlichen Anbau ohne Abstandsflächen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze.
Unter dem 12.05.2011 ordnete die Beklagte die aufschiebende Wirkung des vom Beigeladenen erhobenen Widerspruchs gegen die von der Beklagten erteilte Baugenehmigung an, da gewichtige Zweifel an der nachbarrechtlichen Unbedenklichkeit des Vorhabens bestünden.
Mit Schreiben vom selben Tag legte die Beklagte den Widerspruch dem Regierungspräsidium F. zur Entscheidung vor.
Das Regierungspräsidium F. wandte sich mit Schreiben vom 04.08.2011 an die Beklagte mit der Bitte, dem Widerspruch in eigener Zuständigkeit abzuhelfen und die Baugenehmigung aufzuheben, soweit diese einen nördlichen Anbau an das bestehende Wohnhaus in einer Tiefe von 5 m zulasse. Das Regierungspräsidium komme nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis, dass die Baugenehmigung insoweit keinen Bestand haben könne, da sie rechtswidrig sei und den Beigeladenen in seinen Rechten verletze. Der Anbau sei nicht mit Bauplanungsrecht vereinbar, denn er füge sich nicht nach § 34 Abs. 1 BauGB ein. Die nähere Umgebung des Baugrundstücks sei durch eine offene Bauweise geprägt, in der überwiegend Doppel- aber auch Einzelhäuser vorhanden seien. für die Umgebungsbebauung seien auch die überbaubaren Grundstücksflächen maßstabbildende prägende Merkmale, die für die Frage des Einfügens von Bedeutung seien. Diese Merkmale seien anhand der vorhandenen Bebauung und aufgrund der jeweils überbauten Grundfläche und räumlichen Lage der baulichen Anlagen zu ermitteln. Daraus sei vorliegend eine faktische hintere Baugrenze ableitbar, die in Höhe der hinteren Gebäudeaußenwand der nördlich der U-Straße liegenden Wohngebäude verlaufe. Zweifel daran könnten zwar dadurch hervorgerufen werden, dass etwa auf dem Grundstück FlstNr. ZZZ ein größerer Schuppen im rückwärtigen Grundstücksbereich vorhanden sei. Es sei jedoch zu beachten, dass maßgebend für eine faktische Baugrenze nur die Lage der Gebäude der Hauptnutzung sei, nicht hingegen die der Nebenanlagen. Die Überschreitung der nicht überbaubaren Grundstücksfläche durch den Anbau sei planungsrechtlich unzulässig, da es sich dabei nicht um eine Nebenanlage handele. Durch die Überschreitung der faktischen hinteren Baugrenze füge sich der Anbau nicht mehr in die Eigenart der näheren Umgebung i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB ein. Es spreche auch viel dafür, dass dieser faktischen Baugrenze nachbarschützende Funktion zukomme. Dabei sei insbesondere von Bedeutung, dass die Nachbarn infolge der vorhandenen Doppelhausbebauung im Sinne eines Austauschverhältnisses rechtlich derart verbunden seien, dass sie zu gesteigerter gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet seien. Zwar fehle es an einer planerischen Festsetzung von Doppelhäusern, jedoch stelle auch das bisher bestehende Doppelhaus ein faktisches Austauschverhältnis zwischen beiden benachbarten Grundstückseigentümern dar. Denn die Bebauung eines Grundstücks mit Doppelhaushälften unter Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze führe dazu, dass jede Veränderung eines Gebäudes nicht zuletzt in der Tiefe städtebauliche Spannungen mit Blick auf die Betroffenheit der anderen Grundstückseigentümer auslöse. Gemessen daran gelte, dass sich der geplante zweigeschossige Anbau mit einer Tiefe von 5 m und einer Höhe von 7,20 m direkt auf der Grundstücksgrenze dem Beigeladenen gegenüber als Verstoß gegen § 34 Abs. 1 BauGB sowie das Rücksichtnahmegebot darstelle. Dies wäre selbst dann der Fall, wenn man das Vorliegen einer faktischen hinteren Baugrenze verneinen wollte. Denn es werde durch den Anbau ein einseitiger Grenzanbau geschaffen, der gegen den Charakter eines Doppelhauses i.S.d. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO verstoße. Zwar müssten die ein Doppelhaus bildenden Gebäude nicht deckungsgleich aneinander gebaut sein, jedoch müssten sie zu einem wesentlichen Teil zusammengebaut sein. In welchem Umfang, lasse sich nicht prozentual festlegen, sondern sei anhand der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Kein Doppelhaus entstehe, wenn ein Gebäude gegen das andere so stark versetzt werde, dass sein Versprung den Rahmen einer wechselseitigen Grenzbebauung überschreite, den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus vermittele und dadurch einen neuen Bodennutzungskonflikt auslöse. Der Versprung des geplanten Vorhabens sei vor diesem rechtlichen Hintergrund in dem geplanten Ausmaß nicht mehr durch den wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze gedeckt. Er würde die Freifläche hinter dem bestehenden Wohnhaus des Bauherrn wandartig vom Grundstück des Widerspruchsführers abriegeln und so den Eindruck eines massiven einseitigen Grenzanbaus vermitteln, der dem Beigeladenen nicht mehr zuzumuten sei. Demnach erweise sich die erteilte Baugenehmigung im Hinblick auf den nördlichen Grenzanbau als rechtswidrig und sei daher gemäß §§ 48 Abs. 1 Satz 1, 50 LVwVfG aufzuheben.
10 
Der Kläger wurde mit Schreiben vom 22.08.2011 zum Inhalt des Schreibens des Regierungspräsidium F. vom 04.08.2011 und zu einer entsprechenden Teilrücknahme der Baugenehmigung vom 21.04.2011 angehört.
11 
Der Architekt des Klägers trug in dessen Auftrag vor, der geplante Anbau, dessen Höhe deutlich unterhalb derjenigen der vorhandenen Gebäude liege, füge sich i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB ein. Die Berücksichtigung einer faktischen Baugrenze sei nicht nachvollziehbar, da der hofseitige Balkon am Gebäude U-Straße 3 die Abmessungen eines untergeordneten Bauteils überschreite und somit auch innerhalb der Baugrenze liegen müsste. Die faktische Baugrenze sei daher mit dem Maß des Balkons am Gebäude U-Straße 3 zu fixieren, der 4,20 m vorspringe. Ferner gebe es auf den Grundstücken FlstNrn. VVV und WWW - ebenfalls Doppelhäuser - eine annähernd komplette Überbauung des Innenhofs in Form einer kompletten Grenzbebauung. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Baugrenzen nicht nachbarschützend seien, weil die schutzwürdigen Interessen der Nachbarn durch die Abstandsflächenvorschriften berücksichtigt würden. Allenfalls könnten die nachbarschützenden Belange in Form der Einhaltung der Abstandsflächen berücksichtigt werden. Was den Doppelhauscharakter i.S.d. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO betreffe, so gebe es bezüglich des Versprungmaßes keine mathematische Formel. Der Anbau von 5 m beeinträchtige den Charakter als Doppelhaus nicht. Es könne auch nicht sein, dass § 34 Abs. 1 BauGB so ausgelegt werde, dass eine ganze Häuserzeile keine Erweiterungen des bestehenden Wohnraums mehr habe.
12 
Ferner trug der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, der Widerspruch könne nur Erfolg haben, soweit die verfahrensgegenständliche Baugenehmigung gegen Vorschriften des öffentlichen Baurechts verstoße, die zumindest auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt seien. Im Anwendungsbereich von § 34 Abs. 1 BauGB komme nur dem Gebot der Rücksichtnahme nachbarschützende Bedeutung zu. Ein Vorhaben, das die nach §§ 5, 6 LBO gebotenen Abstandsflächen einhalte, verletze das Gebot der Rücksichtnahme im Regelfall zumindest aus tatsächlichen Gründen nicht. Daher verstoße der vom Regierungspräsidium F. gerügte Anbau nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO müsse der Anbau keine Abstandsflächen zum Grundstück des Beigeladenen einhalten, da an die gemeinsame Grundstücksgrenze des Vorhabengrundstücks zum Grundstück U-Straße 3 gebaut werden dürfe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Charakter als Doppelhaus. Soweit das Regierungspräsidium F. die Entscheidung des BVerwG (4 C 12.98) heranziehe, werde übersehen, dass hier ein anderer Sachverhalt zu beurteilen gewesen sei; dort sei es nicht auf das Gebot der Rücksichtnahme, sondern den durch Festsetzung eines Bebauungsplans zur offenen Bauweise vermittelten Nachbarschutz angekommen. Es liege auf der Hand, dass sich der rechtliche Maßstab für den Erfolg des nachbarlichen Widerspruchs erheblich verschiebe. Darüber hinaus stelle der Anbau den Charakter der Anwesen U-Straße 3 und 5 als Doppelhaus nicht in Frage. Denn die Grenzwände der beiden Anwesen seien in der Tiefe um gut zwei Drittel und bezogen auf die Gesamtfläche um mehr als 80 % kongruent. Die Rechtsprechung, wonach Doppelhaushälften auch zueinander versetzt oder gestaffelt aneinandergebaut werden können, dränge sich hier geradezu auf. Der Anbau füge sich hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung ein, auch wenn es darauf nicht entscheidend ankomme. Denn er überschreite keine „faktische Baugrenze“, er halte sich vielmehr in dem durch die Umgebung vermittelten Rahmen. Die den Maßstab bildende „nähere Umgebung“ umfasse nach ständiger Rechtsprechung nicht nur die unmittelbar benachbarten Grundstücke. Bei Wohnbauvorhaben in einem Wohngebiet - wie hier - gehörten regelmäßig das betroffene Straßenviereck und die gegenüberliegende Straßenseite zur näheren Umgebung. Daher seien zumindest auch die Gebäude entlang des H-Wegs und der F-Straße zu berücksichtigen, zumal das so bezeichnete Quartier eine räumliche Ausdehnung von lediglich etwa 75 m auf etwa 110 m aufweise, so dass sich eine gegenseitige Prägung aufdränge. Der Anbau halte sich innerhalb des so zu ziehenden Rahmens und füge sich damit ein. Die bereits vorhandenen Bebauungstiefen würden erkennbar nicht überschritten. Dies offenbare sich bei einem Blick auf den rückwärtigen Anbau am Gebäude F-Straße 28, der sich nur wenige Meter westlich des Vorhabengrundstücks befinde und dessen rückwärtigen Bereich damit zweifelsohne präge. Auch wenn das Gebäude F-Straße 28 unberücksichtigt bleibe und nur die Bebauung entlang der U-Straße in die Betrachtung einbezogen würde, handelte es sich zwar um eine erstmalige Hinterlandbebauung, die aber nach der Rechtsprechung nicht von vornherein städtebaulich unerwünscht sei. Vielmehr komme es entscheidend darauf an, ob diese Hinterlandbebauung die gebotene Rücksicht auf die unmittelbare Nachbarschaft nehme und keine bodenrechtlich beachtlichen Spannungen begründe oder erhöhe. So liege es hier. Der Anbau beeinträchtige weder die Durchlüftung oder eine bestehende Ruhelage noch vermindere er eine die Eigenart des Gebiets prägende vorhandene Freifläche in unangemessener Weise. Ebenso wenig sei eine negative Vorbildwirkung zu besorgen. Denn auch nachfolgende Anbauten beeinträchtigten weder die Durchlüftung bzw. eine bestehende Ruhelage noch verminderten sie vorhandene Freiflächen in unangemessener Weise.
13 
Nachdem die Beklagte das Schreiben der Prozessbevollmächtigen des Klägers an das Regierungspräsidium vorgelegt hatte, erklärte dieses gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 27.10.2011, die Frage, wie stark die beiden Hälften eines Doppelhauses i.R.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 LBO grundsätzlich gegeneinander verspringen dürften, ohne das Rücksichtnahmegebot zu verletzen, könne offen bleiben. Denn ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege bereits wegen der deutlichen Überschreitung der faktischen Baugrenze und dem damit verbundenen Eingriff in das nachbarliche Austauschverhältnis vor. Zwar sei dem Kläger Recht zu geben, dass das Straßengeviert regelmäßig zur näheren Umgebung i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB zu zählen sei; dies gelte aber nicht für den Verlauf der hier relevanten faktischen Baugrenze, die sich naturgemäß nur anhand der Gebäudestellung an demselben Straßenzug ermitteln lasse. Durch die Überschreitung der faktischen Baugrenze würde auch für die anderen Grundstücke entlang der U-Straße eine Vorbildwirkung für einen Anbau in die Tiefe entstehen. Da ein solcher Anbau jeweils zu einer wesentlichen Betroffenheit des Eigentümers des angrenzenden Doppelhauses führe, der bisher auf die Beibehaltung der Bebauungstiefe auf dem Nachbargrundstück habe vertrauen dürfen, würden bodenrechtlich beachtliche Spannungen begründet oder erhöht.
14 
Mit Bescheid der Beklagten vom 08.11.2011 wurde unter Ziff. 1 die Baugenehmigung der Beklagten vom 21.04.2011 zurückgenommen, „soweit diese einen nördlichen Anbau an das bestehende Wohnhaus mit einer Tiefe von 5,02 m zulässt“. Zur Begründung wurde auf die Stellungnahmen des Regierungspräsidiums F. vom 04.08.2011 und 27.10.2011 hingewiesen. Rechtsgrundlage seien §§ 50, 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG, § 72 VwGO. Diese Entscheidung sei die einzig mögliche Maßnahme, die geeignet sei, rechtmäßige Zustände wieder herzustellen. Eine mildere Maßnahme, welche dazu ebenfalls geeignet wäre, sei nicht ersichtlich. Diese Entscheidung sei auch angemessen, da das Interesse des Klägers am Fortbestand des Teiles der betroffenen Baugenehmigung deutlich weniger Gewicht besitze als das entgegenstehende Interesse der öffentlichen Verwaltung an der Schaffung einer rechtssicheren Planungsgrundlage. Die festgesetzte Maßnahme stelle auch keine unzumutbare Härte dar, da mit den hieraus entstehenden Nachteilen habe gerechnet werden müssen. Die Rücknahme diene auch der Rechtssicherheit der Bauherrschaft. Es bestehe aufgrund der Rechtssituation des § 50 LVwVfG kein schutzwürdiges Vertrauen, nachdem dem Kläger der Nachbarwiderspruch bekannt gemacht worden sei. Die teilweise Aufhebung der Baugenehmigung solle auch dem Umstand Rechnung tragen, dass die durch die Genehmigung Begünstigten, solange ein Rechtsbehelfsverfahren anhängig sei, ohnehin nicht auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertrauen könnten, sondern damit rechnen müssten.
15 
Der Kläger hat am 11.11.2011 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er die Argumente aus dem Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor: Beim streitgegenständlichen Bescheid handele es sich um einen Abhilfebescheid im Sinne von § 72 VwGO und nicht um eine teilweise Rücknahme der dem Kläger erteilten Baugenehmigung. Bei nicht auszuräumenden Unklarheiten darüber, ob die Behörde eine Abhilfeentscheidung innerhalb oder eine Rücknahmeentscheidung außerhalb des Widerspruchsverfahrens getroffen habe, sei von einer Entscheidung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens auszugehen. Weder das dem Bescheid vorausgegangene Verfahren noch der Bescheid selbst lieferten eindeutige Hinweise, ob es sich um einen Abhilfebescheid oder um eine teilweise Rücknahme handele. Im Bescheid vom 11.11.2011 nenne die Beklagte vielmehr als Rechtsgrundlagen die sich wechselseitig ausschließenden § 72 VwGO einerseits und §§ 48, 50 LVwVfG andererseits. Die Abhilfeentscheidung sei rechtswidrig, da die dem Kläger erteilte Baugenehmigung vom 21.04.2011 den Beigeladenen auch hinsichtlich des Anbaus nicht in dessen Rechten verletze. Die Klage sei selbst dann begründet, wenn der verfahrensgegenständliche Bescheid als teilweise Rücknahme der Baugenehmigung vom 21.04.2011 verstanden würde. Denn der aufgehobene Teil der Baugenehmigung sei nicht rechtswidrig gewesen. Vielmehr sei der verfahrensgegenständliche Anbau bauplanungsrechtlich zulässig. Denn bei zutreffender Bemessung des Betrachtungsrahmens füge sich der Anbau auch nach der überbaubaren Grundstücksfläche in die maßgebliche nähere Umgebung ein. Auch bei Bestimmung rückseitiger Baugrenzen sei nicht nur der jeweilige Straßenzug, sondern zumindest das Quartier, in dem sich das Baugrundstück befinde, hier also das Geviert, das durch F-Straße, U-Straße und H-Weg umfasst werde, in den Blick zu nehmen. In die Eigenart dieser näheren Umgebung füge sich der Anbau zwanglos ein. Es gebe in der näheren Umgebung keine einheitliche rückseitige Baugrenze. Dies zeigten die Grundstücke FlstNrn. ZZZ, WWW und VVV. Besonderes Augenmerk sei auf die Bebauung des Grundstücks FlstNr. VVV (F-Straße 28) zu legen, in dessen rückwärtigem Bereich sich - nur wenige Meter von dem verfahrensgegenständlichen Anbau entfernt - ein zweigeschossiges, direkt an die Grundstücksgrenze des Beigeladenen angebautes Gebäude befinde, das auch den rückwärtigen Bereich des Vorhabengrundstücks präge. Der Anbau füge sich aber auch dann ein, wenn das Gebäude F-Straße 28 unberücksichtigt bleibe. Denn die Hinterlandbebauung erhöhe keine bodenrechtlich beachtlichen Spannungen.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
den Bescheid der Beklagten vom 08.11.2011 aufzuheben sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Zur Begründung wird verwiesen auf die Schreiben der Beklagten vom 12.05.2011, die Schreiben des Regierungspräsidiums F. vom 04.08.2011 und vom 27.10.2011 und den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 08.11.2011. Ergänzend wird vorgetragen, dass durch den Kläger in überzogener Weise die nähere Umgebung i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB auf ein Quartier ausgeweitet werde. Wie auf den beiliegenden Luftbildern klar erkennbar sei, sei der Baublock von den Straßen U-Straße, H-Weg und F-Straße umfasst. Zur Beurteilung der faktischen rückwärtigen Baugrenze könnten insoweit selbstverständlich nur die Gebäude des Straßenzuges - hier die U-Straße - herangezogen werden. Die weiter aufgeworfene Frage, ob ein Abhilfe- oder eine Rücknahmeentscheidung vorliege, könne ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids der Beklagten führen, denn im Tenor und in der Begründung sei klar erkennbar, dass hier eine Baugenehmigung aufgrund eines Widerspruchsverfahrens teilweise zurückgenommen werde.
21 
Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er trägt vor, Rücksichtnahme könne nur stattfinden, wenn man andere und deren Bedürfnisse überhaupt wahrnehme, was leider beim Kläger nicht der Fall sei. Es sei unverständlich, dass die Festsetzung eines Bebauungsplans mehr Nachbarschutz vermitteln solle als es in einem unbeplanten Bereich der Fall sei. Ferner sei er der Ansicht, dass der Doppelhaus-Charakter durch die baulichen Veränderungen verloren gehe. Diese Walmdachhäuser seien vor ca. 106 Jahren zeit- und deckungsgleich erbaut worden. Auch wenn man sich das gesamte Ensemble des Straßenzugs der U-Straße ansehe, dränge sich der Verdacht auf, dass diese Häuser schon zum damaligen Zeitpunkt unter städteplanerischen Gesichtspunkten und Auflagen eben genau so erbaut worden seien. Ein über 5 m tiefer Versprung vermittele den Eindruck eines massiven einseitigen Grenzanbaus, insbesondere wenn er sich nur um ca. 40 cm von seinen, des Beigeladenen, nächstgelegenen Fenstern entfernt befinde und sich in der Höhe über 7,20 m erstrecke. Die geplante Wandfläche werde sich nochmals um ca. 40 cm erhöhen (Brüstung) und ein eventuell zusätzlicher Sichtschutz verstärke die erdrückende Wirkung zusätzlich. Der Anbau füge sich keineswegs ein. Es sei unangemessen, das gesamte Straßenviertel heranzuziehen, da sich die jeweiligen Straßenzüge durch eigenständige Charakteristika unterschieden, die nicht miteinander zu vergleichen seien. Beim Anbau F-Straße 28 handele es sich in diesem Quartier um einen echten Außenseiter, der nicht als Grundlage für die Bebauung des gesamten Viertels heranzuziehen sei. Wäre der Anbau zulässig, wäre dieser wiederum maßstabsbildend für einen Anbau des Beigeladenen, der dann problemlos auf eine Gebäudetiefe von 22 m anbauen könne. Dies könne nicht im Sinne einer vernünftigen Stadtbauplanung sein.
22 
In der mündlichen Verhandlung am 25.07.2012 wurden das Baugrundstück und dessen nähere Umgebung in Augenschein genommen. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
23 
Dem Gericht haben die einschlägigen Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bde.) sowie die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums F. (1 Bd.) vorgelegen. Hierauf sowie auf die Gerichtsakte wird wegen der weiteren Einzelheiten ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
I.
24 
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß §§ 40, 42 VwGO zulässig. Der Durchführung eines Vorverfahrens i.S.d. §§ 68 ff. VwGO bedurfte es nicht. Denn es handelt sich bei der angefochtenen Entscheidung um einen Abhilfebescheid i.S.d. § 72 VwGO - und nicht um eine außerhalb des Widerspruchsverfahrens erfolgte Rücknahme i.S.d. §§ 50, 48 LVwVfG -; durch diesen Abhilfebescheid ist der Kläger erstmalig beschwert, § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO, da die Beklagte damit die dem Kläger mit Bescheid vom 21.04.2011 erteilte Baugenehmigung (teilweise) aufhebt.
25 
Die Ausgangsbehörde hat - auch nach Abgabe des Widerspruchs an die Widerspruchsbehörde - die Wahl, ob sie einem zulässigen und begründeten Nachbarwiderspruch gemäß § 72 VwGO abhilft oder den angegriffenen Bescheid aus Anlass des Widerspruchsverfahrens gemäß §§ 50, 48 LVwVfG zurücknimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.04.1996 - 4 C 6.95 -, juris; Urteil vom 28.04.2009 - 2 A 8.08 -, juris; so auch OVG Niedersachsen, Beschluss vom 15.07.2002 - 1 LA 2816/01 -, juris; a.A. - in diesem Fall (nur) Abhilfe nach § 72 VwGO möglich - Schoch/Schmidt-Aßmann Pietzner, VwGO, Stand 2011, § 72 Rn. 16a). Ob die Behörde eine Abhilfeent-scheidung innerhalb oder eine Rücknahmeentscheidung außerhalb des Widerspruchsverfahrens getroffen hat, ist nach den üblichen Auslegungsgrundsätzen für behördliche Willenserklärungen zu beurteilen. Grundsätzlich hat die Behörde deutlich zu machen, was sie gewollt hat. Bei Unklarheiten ist von einer (Abhilfe-) Entscheidung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens auszugehen (BVerwG, Urteil vom 28.04.2009 - 2 A 8.08 -, juris; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 72 Rn. 41; Schoch/Schmidt-Aßmann Pietzner, a.a.O., § 72 Rn. 16; Kopp/Schenke, VwGO, § 72 Rn. 8).
26 
Vorliegend spricht nach Aktenlage Überwiegendes dafür, dass die Beklagte seinerzeit nicht bewusst eine Rücknahmeentscheidung nach §§ 50, 48 VwVfG außerhalb des Widerspruchsverfahrens hat treffen oder im Rahmen des Widerspruchsverfahrens dem Widerspruch hat abhelfen wollen; vielmehr scheint sich die Behörde ihrer diesbezüglichen Entscheidungsfreiheit nicht bewusst gewesen zu sein. Denn der angefochtene Bescheid vom 08.11.2011 spricht in Ziff. 1 zwar davon, die Baugenehmigung werde „zurückgenommen“, in den Gründen wird der Bescheid jedoch - widersprüchlich - auf „§§ 50 und 48 Abs. 2 Satz 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz und § 72 Verwaltungsgerichtsordnung“ gestützt, wobei im weiteren Verlauf der Begründung wiederum auf § 50 LVwVfG rekurriert wird. Inhaltlich wird die ergriffene Maßnahme ausschließlich widerspruchsbezogen - nämlich unter Verweis auf die vom Regierungspräsidium als Widerspruchsbehörde im Widerspruchsverfahren abgegebenen Stellungnahme - begründet. In den Aktenvermerken der Beklagten ist uneinheitlich mal von „Teilrücknahme“, mal von „Teilaufhebung“ die Rede. Das Regierungspräsidium F. hat in seinem Schreiben vom 04.08.2011 die Beklagte gebeten, „dem Widerspruch in eigener Zuständigkeit abzuhelfen und die Baugenehmigung aufzuheben“. Die Anhörung des Klägers erfolgte dagegen mit Schreiben vom 22.08.2011 zu einer „erforderlichen Teilrücknahme der Baugenehmigung“. Die Rechtsbehelfsbelehrung im angefochtenen Bescheid vom 08.11.2011 spricht wiederum für eine Abhilfeentscheidung, da - offensichtlich mit Blick auf § 68 Abs. 1 Nr. 2 VwGO - darauf verwiesen wird, gegen diesen Bescheid könne, „soweit er eine zusätzliche Beschwer enthält“, Klage erhoben werden; wäre die Entscheidung auf Grundlage von §§ 50, 48 VwVfG erfolgt, wäre ein erneutes Vorverfahren durchzuführen gewesen (vgl. Sodan/Ziekow, a.a.O., § 68 Rn. 152). Nachdem auch die Klagerwiderung mit ihrer Formulierung, „dass hier eine Baugenehmigung aufgrund eines Widerspruchsverfahrens teilweise zurückgenommen wird“, keine Klarheit hat schaffen können, machte die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung deutlich, man habe seinerzeit im Rahmen des anhängigen Widerspruchsverfahrens agieren und hier eine Abhilfeentscheidung erlassen wollen.
27 
Daher ist hier von einer Abhilfeentscheidung i.S.d. § 72 VwGO auszugehen, die keiner vorherigen Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bedurfte.
II.
28 
Die zulässige Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Aufhebung der dem Kläger unter dem 21.04.2011 erteilten Baugenehmigung für den beantragten Anbau an seine Doppelhaushälfte ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29 
Wendet sich der Inhaber einer Baugenehmigung gegen deren teilweise oder vollständige Aufhebung im Wege eines Abhilfebescheids gemäß § 72 VwGO, ist Klagegegenstand die Baugenehmigung nur insoweit, als zu Lasten des Nachbarn, der das Widerspruchsverfahren angestrengt hat, nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Baurechts verletzt werden (VG Braunschweig, Urteil vom 08.10.2002 - 2 A 317/01 -, juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 04.05.2011 - 5 K 2976/09 -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 26.06.2007 - 9 K 1008/05 -, juris). Denn die Aufhebung der Baugenehmigung im Wege der Abhilfe ist nur dann rechtmäßig, wenn der Widerspruch des Nachbarn zulässig und begründet ist; verstößt die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen, verletzt die Abhilfeentscheidung die subjektiv-öffentlichen Rechte des Bauherrn (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und ist auf dessen Anfechtungsklage hin daher aufzuheben (VG Würzburg, Urteil vom 08.11.2007 - W 5 K 07.745 -, juris; VG München, Urteil vom 14.02.2002 - M 11 K 01.3134 -, juris).
30 
Vorliegend ist das Gericht auf Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingenommenen Augenscheins der Überzeugung, dass die Baugenehmigung vom 21.04.2011 subjektiv-öffentliche Rechte des Beigeladenen, die das Gesetz im Verhältnis der Grundstücksnachbarn untereinander als schutzwürdig ansieht, verletzt hat, der Widerspruch des Beigeladenen folglich begründet war und die Beklagte daher eine Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO treffen durfte.
31 
Die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung resultiert entgegen der Ansicht des Beigeladenen allerdings weder aus der Verletzung einer faktischen hinteren Baugrenze noch aus einem Verstoß des Anbaus gegen den Charakter des im Eigentum des Klägers stehenden Hauses als Doppelhaus.
32 
1. Die Beklagte trägt - in Übereinstimmung mit der Argumentation des Regierungspräsidiums F. - vor, der geplante Anbau verstoße gegen eine faktische rückwärtige Baugrenze. Dieser Argumentation, die der Sache nach die Frage der von § 34 Abs. 1 BauGB umfassten überbaubaren Grundstücksfläche betrifft, vermag das Gericht aus mehreren Gründen nicht zu folgen.
33 
a) Zum einen lässt sich nach Auffassung des Gerichts auf Grundlage des Augenscheins für die fraglichen Grundstücke keine rückwärtige Baugrenze feststellen.
34 
(1) Ausweislich der vorhandenen Luftbilder in der U-Straße besteht - beginnend mit dem Eckgrundstück FlstNr. AAA (F-Straße 24) bis einschließlich zum Grundstück FlstNr. TTT (U-Straße 13) - zwar Hauptnutzung (Wohnnutzung) jeweils nur im vorderen Grundstücksbereich, wobei die hintere Bebauungsgrenze in relativ gleichmäßigem Abstand zu der in diesem Bereich leicht gebogenen U-Straße verläuft. Diese Einschätzung konnte durch den Augenschein bestätigt werden. Allerdings wird diese hintere Bebauungsgrenze auf dem Grundstück des Beigeladenen durch die rückwärtigen Balkone im ersten und zweiten Stock, die auf einer 4 m tiefen Stahlkonstruktion ruhen und (im ersten Stock) eine Gesamtbreite von 6,30 m sowie eine Tiefe zwischen 1,20 m und 3,50 m haben (vgl. Foto Nr. 2), durchbrochen.
35 
(2) Ferner ist zur Überzeugung der Kammer der Rahmen der für die Bewertung nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblichen näheren Umgebung nicht auf die U-Straße zu beschränken. Auch wenn der Rahmen aufgrund der regelmäßig geringeren wechselseitigen Auswirkungen, die von überbauten Grundflächen ausgehen, enger als beim Merkmal der Art der baulichen Nutzung zu bemessen ist (vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 29.12.2010 - 1 A 710/09 -, juris), verbietet es sich aufgrund der räumlichen Kleinteiligkeit des durch U-Straße, H-Weg und F-Straße gebildeten Gevierts, die nähere Umgebung für die Ermittlung der Existenz einer hinteren Baugrenze auf den Straßenzug U-Straße zu beschränken; in den Blick zu nehmen ist vielmehr das gesamte Geviert. Dies ergibt sich besonders eindrücklich bei einem Blick vom Wohnhaus des Beigeladenen in Richtung der Häuser F-Straße 26/28 (Foto Nr. 6), die die bauliche Situation auf dem Grundstück des Beigeladenen unmittelbar prägen. Das Grundstück F-Straße 28 aber ist in voller Grundstückstiefe mit - vom Grundstück des Beigeladenen deutlich wahrnehmbarer - Hauptnutzung bebaut. Auch der der U-Straße gegenüberliegende H-Weg weist keine einheitliche rückwärtige Bebauungsgrenze auf (Foto Nr. 8); insbesondere die Bebauung auf den Grundstücken FlstNr. KKK, H-Weg 2, und FlstNr. MMM, H-Weg 6, ragt deutlich weiter in die Grundstücke herein als die der übrigen Gebäude. Auch unter diesem Blickwinkel ist die Existenz einer hinteren Baugrenze abzulehnen.
36 
(3) Hinzu kommt schließlich, dass zwar nach der Rechtsprechung für die Frage, ob eine hintere faktische Baugrenze besteht, grundsätzlich nur die Hauptnutzung in den Blick zu nehmen ist, so dass eine Bebauung im rückwärtigen Bereich auch dann unzulässig ist, wenn dieser Bereich zwar nicht gänzlich unbebaut ist, sich dort jedoch nur Nebenanlagen wie Garagen oder Schuppen befinden (so bereits BVerwG, Beschluss vom 06.11.1997 - 4 B 172.97 -, juris; vgl. auch VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.11.2011 - 5 L 947/11 -, juris; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 06.05.2011 - 7 K 1080/05 -, juris; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 34 Rn. 57). Ist die Garagen- oder Nebengebäudebebauung dagegen derart groß und massiv, dass sie den Blockinnenbereich maßgeblich mit prägt, kann sie dazu führen, dass in diesem Bereich auch dort gegenwärtig nicht vorhandene Wohnnutzung zulässig ist (VG F., Beschluss vom 26.01.2006 - 1 K 137/06 -, juris). Ein solcher Fall ist nach Auffassung der Kammer vorliegend im Hinblick auf die riegelartige Bebauung des Grundstücks FlstNr. ZZZ gegeben, die - mit massivem Gartenhaus und Garagen - fast die gesamte rückwärtige Grundstücksfläche dieses Grundstücks einnimmt (Foto Nr. 10).
37 
b) Rechtfertigen folglich bereits die tatsächlichen Verhältnisse die Annahme einer faktischen Baugrenze nicht, sei nur der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass selbst ein - hier nicht vorliegender - Verstoß geschützte Nachbarrechte des Beigeladenen nicht verletzte, dieser objektive Rechtsverstoß folglich die Aufhebung der Baugenehmigung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht rechtfertigte.
38 
Dabei kann dahinstehen, ob mit wohl überwiegender Rechtsprechung Baugrenzen als Element des Maßes der baulichen Nutzung generell nachbarschützende Wirkung abgesprochen wird (so etwa VG München, Beschluss vom 01.09.2010 - M 8 SN 10.3907 -, juris; VG Saarlouis, Urteil vom 11.05.2011 - 5 K 893/10 -, juris), oder ob mit dem VGH Baden-Württemberg davon auszugehen ist, dass im Rahmen eines Bebauungsplans festgesetzte seitliche und hintere Baugrenzen und Baulinien regelmäßig nachbarschützend sind (vgl. nur Beschluss vom 02.06.2003 - 8 S 1098/03 -, juris, m.w.N.). Zum einen nämlich wird auch nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg das Nachbargrundstück räumlich grundsätzlich nur insoweit geschützt, als es der Baugrenze gegenüberliegt, denn nur in diesem räumlichen Umfang ist die Baugrenze Teil des für den Nachbarschutz typischen gegenseitigen Austauschverhältnisses des „Dürfens und Duldens“ (Urteil vom 01.02.1999 - 5 S 2507/96 -, juris; Urteil vom 29.10.2003 - 5 S 138/03 -, juris; Urteil vom 26.01.2012 - 5 S 2233/11 -, juris); das dem Beigeladenen gehörende Grundstück liegt aber der von ihm behaupteten faktischen Baugrenze nicht gegenüber, sondern grenzt aus der Perspektive dieser Grenze seitlich an das Baugrundstück. Ob von dieser Einschränkung im Einzelfall bei engräumiger Doppelhausbebauung im Hinblick auf die mit jeder Veränderung eines der Doppelhäuser entstehenden städtebauliche Spannungen eine Ausnahme zu machen ist mit der Folge, dass sich der Doppelhaus-Nachbar auch auf rückwärtige Baugrenzen berufen kann (so OVG Bremen, Urteil vom 20.02.1996 - 1 BA 53/95 -, juris; ähnlich auch VG Stuttgart, Urteil vom 08.11.2002 - 3 K 4103/01 -, juris, allerdings unter Verweis auf die konkreten örtlichen Verhältnisse und aufgehoben durch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.10.2003 - 5 S 138/03 -, juris; offengelassen von VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 -, juris), kann offen bleiben. Denn soweit in der Rechtsprechung Baugrenzen nachbarschützende Wirkung beigemessen wird, bezieht sich dies stets auf durch Bebauungsplan förmlich festgesetzte Baugrenzen. Vorliegend handelt es sich indes um eine faktische, einer gemeindlichen Zweckbestimmung im Rahmen der planerischen Entscheidung mithin entzogene Baugrenze. Für diese hat der VGH Baden-Württemberg ausdrücklich und überzeugend entschieden, die nur eingeschränkt nachbarschützende Wirkung des § 34 Abs. 1 BauGB schließe es aus, einer sich aus der vorhandenen Bebauung in der näheren Umgebung ergebenden faktischen Baugrenze oder Baulinie nachbarschützende Wirkung beizulegen (Beschluss vom 15.11.1994 - 8 S 2937/94 -, juris; so auch OVG Sachsen, Beschluss vom 20.10.2005 - 1 BS 251/05 -, juris; VG F., Beschluss vom 26.01.2006 - 1 K 137/06 -, juris).
39 
2. Der geplante Anbau verletzt zur Überzeugung der Kammer auf Grundlage des Augenscheins auch nicht den Charakter der im Eigentum von Kläger und Beigeladenem stehenden Häuser als Doppelhäuser.
40 
a) Bei dem grenzständig errichteten Wohnhaus des Klägers und dem ebenfalls grenzständigen Nachbargebäude des Beigeladenen handelt es sich - was von keinem der Beteiligten in Frage gestellt wird - um ein Doppelhaus i.S.d. § 22 BauNVO, denn beide Haushälften sind in „wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 -, juris).
41 
Diese offene Bauweise hat drittschützenden Charakter zugunsten des Eigentümers der jeweils anderen Doppelhaushälfte. Denn durch die Doppelhausbebauung gehen die Grundstückseigentümer ein nachbarliches Austauschverhältnis ein, das nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden darf. Die Zulässigkeit einer Bebauung als Doppelhaus setzt den Verzicht der Grundstückseigentümer auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze voraus. Dieser Verzicht bindet die benachbarten Grundeigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs ein und schafft eine enge Wechselbeziehung, die jeden Grundstückseigentümer zugleich begünstigt und belastet: Ihre Baufreiheit wird zugleich erweitert, indem die bauliche Nutzbarkeit der häufig schmalen Grundstücke unter Verzicht auf dem Wohnfrieden dienenden Freiflächen erhöht wird, und beschränkt (vgl. dazu grundlegend BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 -, juris).
42 
Dieser für die durch Bebauungsplan festgesetzte Doppelhausbebauung entwickelte Drittschutz beansprucht auch für den unbeplanten Innenbereich Geltung. Denn die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Doppelhausnachbarn und ihre enge Wechselbeziehung bestehen unabhängig davon, ob ihr Doppelhaus in einem mittels Bebauungsplan überplanten Bereich oder in einem unbeplanten Innenbereich liegt, und auch die Schutzwürdigkeit der wechselseitigen Interessen der Doppelhausnachbarn ist in beiden Fällen gleich zu beurteilen; ähnlich wie beim Gebietserhal-tungsanspruch, der unstreitig für den unbeplanten Innenbereich Geltung entfaltet, besteht auch hier ein nachbarliches Austauschverhältnis, das es rechtfertigt, Drittschutz unabhängig davon zu gewähren, ob die Doppelhausbebauung durch Bebauungsplan festgesetzt ist (OVG NRW, Urteil vom 28.02.2012 - 7 A 2444/09 -, juris; Urteil vom 16.08.2011 - 10 A 1224/09 -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.08.2011 - 5 L 579/11 -, juris; VG München, Urteil vom 07.04.2008 - M 8 K 07.3202 -, juris; VG Saarlouis, Urteil vom 07.06.2006 - 5 K 103/05 -, juris; vgl. auch Bayer. VGH, Urteil vom 28.08.2002 - 26 B 99.2728 -, juris; a.A. OVG RP, Urteil vom 27.05.2009 - 8 A 11090/08 -, juris). Die sich damit auch im unbeplanten Bereich hinsichtlich der Bauweise stellenden Anforderungen gelten nicht nur für den Neubau von Doppelhaushälften, sondern ebenso für Erweiterungs- oder Umbauvorhaben von bereits errichteten Doppelhaushälften; dies gilt insbesondere dann, wenn die Um- und Ausbaumaßnahme bautechnisch und funktional mit dem ursprünglich auf dem Grundstück vorhandenen Gebäudebestand untrennbar verbunden ist und das Gebäude insgesamt auf Grund der Dimensionierung des Um- bzw. Ausbaus erheblich geändert wird (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.08.2011 - 5 L 579/11 -, juris, m.w.N.). Der Umfang der Änderung kann dazu führen, dass sich der Anbau an eine Doppelhaushälfte nach der Bauweise nicht i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und damit zugleich Nachbarrechte des Doppelhausnachbarn verletzt.
43 
b) Der hier zunächst von der Beklagten genehmigte Anbau an das bestehende Doppelhaus ist nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 BauGB hinsichtlich der Bauweise zulässig. Das Gericht ist nach Einnahme des Augenscheins auf Grundlage der in der Rechtsprechung, überzeugend herausgearbeiteten Eckpunkte der Auffassung, dass das geänderte Gebäude des Klägers insgesamt zusammen mit dem benachbarten Wohnhaus des Beigeladenen (weiterhin) ein Doppelhaus in offener Bauweise im bauplanungsrechtlichen Sinne bildet und durch den geplanten Ausbau ihren Doppelhauscharakter nicht verliert.
44 
(1) Ein Abwehrrecht des Beigeladenen gegen den Anbau an die klägerische Doppelhaushälfte ist nicht bereits deshalb zu bejahen, weil infolge des Anbaus beide Doppelhaushälften nicht mehr deckungsgleich wären, der Anbau vielmehr einseitig an der Grenze stünde. Schutzwürdige Rechtspositionen des Doppelhaus-Nachbarn sind vielmehr nur dann verletzt, wenn beide Gebäude infolge des einseitigen Anbaus keine bauliche Einheit mehr bildeten. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner grundlegenden „Doppelhaus-Entscheidung“ (Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 -, juris; bestätigt in Beschluss vom 17.08.2011 - 4 B 25.11 -, juris; ihm folgend etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.04.2009 - 3 S 569/09 -, juris; Bayer. VGH, Urteil vom 28.08.2002 - 26 B 99.2728 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 06.05.2011 - 10 B 29/11 -) die Anforderungen an die bauliche Einheit in seiner Doppelhaus-Entscheidung wie folgt präzisiert: „Ein Doppelhaus entsteht deshalb nur dann, wenn zwei Gebäude derart zusammengebaut werden, dass sie einen Gesamtbaukörper bilden. […] Die bauplanungsrechtliche Festsetzung des Doppelhauses verlangt ferner, dass die beiden „Haushälften“ in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut werden. Insoweit enthält das Erfordernis einer baulichen Einheit nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives Element […]. Damit wird nicht gefordert, dass die ein Doppelhaus bildenden Gebäude vollständig oder im wesentlichen deckungsgleich aneinandergebaut werden müssen. Die beiden „Haushälften" können auch zueinander versetzt oder gestaffelt an der Grenze errichtet werden, sie müssen jedoch zu einem wesentlichen Teil aneinandergebaut sein. Insoweit setzt die Doppelhaus-Festsetzung der Baufreiheit Schranken. In welchem Umfang die beiden Haushälften an der Grenze zusammengebaut sein müssen, lässt sich jedoch weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Kein Doppelhaus entsteht, wenn ein Gebäude gegen das andere an der gemeinsamen Grundstücksgrenze so stark versetzt wird, dass sein vorderer oder rückwärtiger Versprung den Rahmen einer wechselseitigen Grenzbebauung überschreitet, den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus vermittelt und dadurch einen neuen Bodennutzungskonflikt auslöst.“ Die Anforderungen an die Hausform als Doppelhaus sah das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung bei einem Baukörper, der zwar über eine Länge von 5 m an die andere Haushälfte angebaut war, jedoch dahinter um weitere 8 m in den rückwärtigen Gartenbereich hinein versprang, als nicht gegeben an.
45 
(2) Der vom Kläger zur Genehmigung gestellte Anbau, dessen Genehmigung mit Bescheid der Beklagten vom 08.11.2011 aufgehoben wurde, soll mit einer Tiefe von 5,02 m und einer Wandhöhe von 7,20 m an die gemeinsame Grundstücksgrenze angebaut werden. Dem gegenüber stehen die bereits existierenden Doppelhaushälften mit einer Wandbreite von 9,80 m und einer Höhe von am Dachfirst 12,79 m. Daraus ergibt sich, bezogen auf die Tiefe der beiden Anwesen, eine Überdeckung beider Gebäudehälften von etwa 2/3, und bezogen auf die Wandfläche von etwa 3/4. Rein quantitativ bewegt sich der Anbau damit in einem Bereich, den die Rechtsprechung mit guten Gründen als den Doppelhauscharakter nicht in Frage stellend qualifiziert (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.02.2007 - 5 S 2826/06 -, juris: Überstand bei einer Überdeckung zu mehr als drei Viertel ist zulässig; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.08.2011 - 5 L 579/11 -, juris: Überdeckung zu mehr als 50% ist ausreichend; Bayer. VGH, Beschluss vom 31.01.2011 - 1 ZB 08.2498 -, juris: Anbau an Nachbargebäude zu ca. 63%, überlappende Wandfläche von ca. 56% genügt; VG München, Urteil vom 19.06.2008 - M 11 K 07.4600 -, juris: Anbau eines 10 m tiefen Gebäudes in Länge von 6 m an Nachbargebäude gefährdet nicht Charakter als Doppelhaus).
46 
Auch unter qualitativen Gesichtspunkten hebt der vom Kläger geplante Anbau - obwohl er, wie der Augenschein eindrücklich ergeben hat, deutlich in Erscheinung trä- te - den Charakter der beiden Haushälften als Doppelhaus nicht auf. Nicht nur, dass die beiden Doppelhaushälften zur Straße hin nach wie vor eine vollständige Überdeckung aufweisen (vgl. Foto Nr. 1) und das Dachgeschoss auch im rückwärtigen Bereich seine durchgehende Gestalt behält. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass das Wohnhaus des Beigeladenen - außerhalb der Abstandsflächen - über Balkone im ersten und zweiten Stock verfügt, deren Stahlkonstruktion mit 4 m fast ebenso weit vorspringt wie der nunmehr geplante Anbau des Klägers (Fotos Nr. 2 und 12). Die Wirkung des 5 m tiefen Versatzes auf der Gartenseite würde dadurch deutlich abgeschwächt, zumal er in der Höhe deutlich hinter der Gesamthöhe der Doppelhaushälften zurückbleibt.
47 
3. Zur Überzeugung der Kammer verstößt der zur Genehmigung gestellte Anbau jedoch zulasten des Beigeladenen gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme.
48 
a) Das Gebot der Rücksichtnahme ist verletzt, wenn ein Vorhaben es trotz Einhaltung des Umgebungsrahmens hinsichtlich eines oder mehrerer der Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB an der gebotenen Rücksichtnahme auf die sonstige, d.h. vor allem auf die in seiner unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung fehlen lässt. Das Rücksichtnahmegebot hat insoweit zunächst objektiv-rechtliche Bedeutung. Nachbarschutz vermittelt es nur insoweit, als - mit den Worten des Bundesverwaltungsgerichts - „in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter“ Rücksicht zu nehmen ist. In Nachbarrechtsverfahren kommt es deshalb allein darauf an, ob sich ein Vorhaben in der dargelegten qualifizierten Art und Weise rücksichtslos, d.h. unzumutbar auswirkt. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzuwägen ist, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (st. Rspr., vgl. nur jüngst VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.03.2012 - 3 S 223/12 -, juris, m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 28.10.1993 - 4 C 5.93 -, juris). Ob sich ein Vorhaben auf das Nachbargrundstück unzumutbar auswirkt, ist eine Frage des Einzelfalls unter besonderer Berücksichtigung des bauplanungsrechtlich an sich Zulässigen. Denn das Rücksichtnahmegebot ist keine allgemeine Härteklausel, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts steht (BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128.98 - juris). Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus; vielmehr ist eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit erforderlich.
49 
b) Bei Anwendung dieser Kriterien hält die Kammer das Vorhaben in seiner geplanten Gestalt für gegenüber dem Beigeladenen rücksichtslos.
50 
(1) Für die Frage, was einerseits dem Beigeladenen als dem Rücksichtnahme-begünstigten und andererseits dem Kläger als dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist, ist der Doppelhauscharakter beider Häuser in den Blick zu nehmen. Denn die Eigentümer von Reihen- bzw. Doppelhausgrundstücken sind untereinander in besonderer Weise zu einer Art bodenrechtlicher Schicksalsgemeinschaft verbunden und unterliegen daher grundsätzlich einer besonderen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 19.07.2010 - 7 A 44/09 -, juris; Beschluss vom 06.05.2011 - 10 B 29/11 -, juris). Angesichts des engen nachbarlichen Austauschverhältnisses sind Eigentümer von Doppel- oder Reihenhausgrundstücken zu besonderer Rücksichtnahme insbesondere auf die Interessen der anderen Eigentümer an der Freihaltung der jeweiligen Grundstücksflächen gehalten. In diesem Zusammenhang ist auf die konkrete Situation vor Ort abzustellen. Von Bedeutung sein können beispielsweise die topografischen und meteorologischen Verhältnisse, die Lage der Grundstücke zueinander, die Größe der betroffenen Grundstücke, die konkrete Nutzung der Grundstücke und gegebenenfalls einzelner Grundstücksbereiche, die Schutzbedürftigkeit und -würdigkeit bestehender Nutzungen, die Interessen des Bauherrn sowie die Höhe und Länge vorhandener und geplanter Baukörper. Letztlich bedarf es einer Gesamtbewertung sämtlicher einschlägiger Kriterien, um die Frage der Rücksichtslosigkeit zuverlässig beantworten zu können (OVG NRW, Urteil vom 18.12.2003 - 10 A 2512/01 -, juris; Urteil vom 19.07.2010 - 7 A 44/09 -, juris).
51 
(2) Vor diesem Hintergrund ist das Rücksichtnahmegebot jedenfalls verletzt, wenn einer der Grundstückseigentümer eines Doppel- oder Reihenhausgrundstücks durch massive An- oder Umbauten das enge nachbarschaftliche Austauschverhältnis einseitig aufhebt oder aus dem Gleichgewicht bringt; ein massiver Anbau, der den Anspruch auf Bewahrung des Doppelhauscharakters verletzt, stellt sich dem Grundstücksnachbarn gegenüber jedenfalls als rücksichtlos dar (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 19.04.2012 - 10 A 1035/10 -, juris).
52 
Das Rücksichtnahmegebot ist jedoch nicht auf diese Fälle beschränkt. Vielmehr gewinnt auch der Aspekt ausreichender Belichtung, Beleuchtung und Besonnung angesichts des engen nachbarlichen Austauschverhältnisses bei Doppel- und Reihenhausgrundstücken besondere Bedeutung.
53 
Dem kann zur Überzeugung der Kammer nicht entgegengehalten werden, dass in Fällen, in denen der Anbau die nach Landesrecht erforderlichen Abstandsflächen - die im Falle zulässiger Grenzbebauung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO auf Null reduziert sind - einhält, ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot unter Berufung auf Belange der Belichtung, Belüftung und Besonnung regelmäßig ausgeschlossen ist.
54 
Zutreffend ist zwar, dass nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung in Fällen, in denen ein Bauvorhaben die bauordnungsrechtlich für eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung sowie den Wohnfrieden von Nachbargrundstücken gebotenen Abstandsflächen einhält, für das Gebot der Rücksichtnahme insoweit grundsätzlich kein Raum mehr ist. In Bezug auf eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung ist das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme vom Landesgesetzgeber in den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften konkretisiert worden (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 16.9.1993 - 4 C 28/91 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.04.2008 - 8 S 98/08 -, juris; OVG Saarland, Beschluss vom 10.05.2012 - 2 B 49/12 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.02.2012 - 10 S 39.11 -, juris; Bayer. VGH, Beschluss vom 07.02.2012 - 15 CD 11.2865 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.01.2012 - 2 M 157/11 -, juris).
55 
Dies gilt aber nur „grundsätzlich“, was bedeutet, dass Ausnahmen möglich sein müssen, zumal das bauplanungsrechtliche Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht. Die Vorschriften des Bauordnungsrechts liefern insoweit zwar durchaus Anhaltspunkte dafür, ob das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme eingehalten ist, ersetzen die konkret auf das nachbarliche Austauschverhältnis abstellende Prüfung nach dem Maßstab des Rücksichtnahmegebotes aber nicht (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.04.2008 - 8 S 98/08 -, juris; OVG Bremen, Beschluss vom 14.05.2012 - 1 B 65/12 -, juris; Sächs. OVG, Beschluss vom 20.10.2005 - 1 BD 251/05 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 09.02.2009 - 10 B 1713/08 -, juris; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128.98 -, juris).
56 
Raum für eine eigenständige Prüfung eines Bauvorhabens am Grundsatz des Rücksichtnahmegebotes trotz Einhaltung der landesrechtlich erforderlichen Abstandsflächen sieht die Rechtsprechung vor allem in Fällen, in denen die Abstandsflächen gegenüber früherem Landesbaurecht nachhaltig verkürzt worden sind; sollen diese nunmehr nur noch ein sicherheitsrechtliches und gesundheitliches Minimum gewährleisten, sei eine Anwendung des Rücksichtnahmegebots daneben gerechtfertigt (so etwa OVG NRW, Beschluss vom 09.02.2009 - 10 B 1713/08 -, juris; Urteil vom 09.06.2011 - 7 A 1494/09 -, juris; Sächs. OVG, Beschluss vom 20.10.2005 - 1 BD 251/05 -, juris). Dieser Rechtsprechung schließt sich das Gericht an; denn je weniger der Landesgesetzgeber bei Regelung des Abstandsflächenrechts nachbarliche Belange wie Belichtung, Belüftung, Besonnung oder nachbarlichen Wohnfrieden in den Blick nimmt, umso größer ist der eigenständige Gehalt des - bundesrechtlichen - Rücksichtnahmegebots, welches durch landesrechtliche Regelungen nur überlagert, nicht aber inhaltlich determiniert werden kann.
57 
Diese Überlegungen aber gewinnen Bedeutung erst recht in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Landesbauordnung, hier § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO, nicht nur verkürzte Abstandsflächen zulässt, sondern zugunsten besserer baulicher Nutzbarkeit schmaler Grundstücke auf seitliche Grenzabstände sogar gänzlich verzichtet. Denn hier fehlt es gerade an einer auf Landesrecht basierenden Sicherstellung ausreichender Belüftung und Belichtung baulicher Anlagen und nicht bebauter Grundstücksteile auf dem unmittelbar benachbarten Doppel- oder Reihenhausgrundstück.
58 
Zwar dürfte in der Mehrzahl der Fälle ein einseitiger Grenzbau, der die Belichtung und Belüftung des Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt, gleichzeitig aufgrund seiner Massivität den in dem engen nachbarschaftlichen Austauschverhältnis wurzelnden Anspruch des Grundstücksnachbarn auf Bewahrung des Doppelhauscharakters verletzen und sich unter diesem Gesichtspunkt bereits als rücksichtslos darstellen. Auch eine bauliche Erweiterung, die aufgrund ihres Umfangs den Doppelhauscharakter noch bewahrt, aber kann aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung und Lage im Einzelfall erhebliche Auswirkungen auf das Nachbargrundstück im Hinblick auf Belichtung und Besonnung haben, und zwar auch dann, wenn in die Abwägung der gegenseitigen Interessen auch der Umstand in den Blick genommen wird, dass der Grundstücksnachbar seinerseits vom Verzicht auf seitliche Grenzabstände im Sinne besserer baulicher Ausnutzbarkeit seines Grundstücks profitiert und im Hinblick auf mit Doppelhausbebauung typischerweise verbundene Einschränkungen an Belichtung, Belüftung und Besonnung daher weniger schutzwürdig ist.
59 
Die Überprüfung eines nach Landesrecht zulässigen Grenzbaus im Hinblick auf die Gewährleistung ausreichender Belichtung, Belüftung und Besonnung des Nachbargrundstücks unter Berufung auf die Einhaltung landesrechtlicher Abstandsflächen zu unterlassen, bedeutete daher eine unzulässige Verkürzung des bundesrechtlichen Gebotes der Rücksichtnahme. Vielmehr gewinnt das Rücksichtnahmegebot auch unter dem Aspekt Besonnung, Belichtung und Belüftung gerade in Fällen der Doppel- und Reihenhausbebauung eine eigenständige Bedeutung (vgl. zu dieser Problematik mit einem anderen Ansatz - der Verstoß eines grenzständigen Anbaus gegen das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme führt dazu, dass nicht nach „planungsrechtlichen Vorschriften“ an die Grenze gebaut werden darf - auch OVG NRW, Beschluss vom 24.04.1995 - 10 B 3161/94 -, BauR 1996, 88).
60 
(3) Nach diesen Maßstäben lässt der Anbau in der vom Kläger begehrten Form, d.h. mit einer Tiefe von 5 m, einer Höhe von zwei Vollgeschossen (7,20 m) und seinem Standort direkt an der Grenze zum Grundstück des Beigeladenen die gebotene Rücksichtnahme gegenüber dem Grundstück des Beigeladenen unter dem Gesichtspunkt von Belichtung, Belüftung und Besonnung vermissen; diese Überzeugung hat das Gericht auf Grundlage des Augenscheins sowie der in den Akten befindlichen Lichtbilder gewonnen. Denn die massive, etwa 36 m² große Wand unmittelbar an der östlichen Grundstücksgrenze des Beigeladenen beeinträchtigte erheblich die Belichtungs- und Belüftungssituation insbesondere im Erdgeschoss des Wohnhauses des Beigeladenen; durch die teilweise nur etwa 60 cm von dem geplanten Anbau entfernten Fenster gelangte insbesondere aufgrund der Höhe des Anbaus (2 Vollgeschosse) deutlich weniger Licht in die dahinter liegenden Aufenthaltsräume. Auch würde der Anbau durch seine Höhe von 2 Vollgeschossen und seine Lage direkt an der Grundstücksgrenze die (eher schräg stehende) Vormittagssonne über eine Grundstückstiefe von 5 m vom Grundstück des Beigeladenen abschirmen und damit zu einer bedeutenden Verschattung der rückwärtigen Grundstücksbereiche führen. Die Kammer übersieht nicht, dass auch die gegenwärtigen Verhältnisse auf dem Grundstück des Beigeladenen selbst (Balkonanlage, große Esskastanie sowie weiterer Bewuchs) Belichtung und Besonnung negativ beeinflussen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Bäume und Sträucher gerade bei tieferstehender Sonne im Spätherbst / Winter mangels Blättern kaum Einfluss auf die Belichtungsverhältnisse haben und im übrigen jederzeit vom Beigeladenen auf eine hinreichende Beleuchtungsverhältnisse gewährleistende Größe zurückgeschnitten werden können, während der geplante Anbau ganzjährig die Belichtung aus östlicher Richtung massiv einschränkte, sieht die Kammer in dem geplanten Anbau eine gänzlich andere Qualität der Beschränkung der Belichtungs-, Besonnungs- und Belüftungsverhältnisse. Obwohl folglich der Anbau aufgrund seines Umfangs den Doppelhauscharakters noch bewahrt, hat er aufgrund seiner konkreten Ausgestaltung und seiner räumlichen Lage erhebliche, vom Beigeladenen nicht hinzunehmende negative Auswirkungen auf die Belichtungs- und Belüftungssituation auf dem Grundstück und im Wohnhaus des Beigeladenen. Ob dem Anbau zudem eine „erdrückende Wirkung“ auf das Grundstück des Beigeladenen zukommt, bedarf bei dieser Sachlage keiner Entscheidung.
61 
Die Kammer betont jedoch, dass nach ihrer Auffassung nicht jeglicher Anbau auf dem Grundstück des Klägers zu einer dem Beigeladenen unzumutbaren Beeinträchtigung führt, die unzumutbaren Auswirkungen vielmehr aus der konkreten zur Genehmigung gestellten Ausführung mit 2 Vollgeschossen, einer Tiefe von 5 m sowie der Lage direkt an der Grundstücksgrenze resultieren.
62 
4. Da die von der Beklagten dem Kläger unter dem 21.04.2011 erteilte Baugenehmigung folglich wegen Verstoßes gegen nachbarschützende Rechte zu Lasten des Beigeladenen - Rücksichtnahmegebot - rechtswidrig war, war der Abhilfebescheid seinerseits rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
63 
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Nachdem der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es billigem Ermessen, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
64 
Da der Kläger mit seiner Klage in vollem Umfang unterliegt, kommt eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung seines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht in Betracht.
65 
Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Denn die Frage, ob die Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (etwa Beschluss vom 08.11.2007 - 3 S 1923/07 -, juris) und anderer Obergerichte, wonach die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächentiefen grundsätzlich auch im Rahmen des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots die Grenzen eines hinsichtlich Belichtung, Belüftung, Besonnung und Einsichtnahme gebotenen Mindestschutzes konkretisieren, dem planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot im Hinblick auf Belichtung, Belüftung und Besonnung bei Einhaltung der Abstandsflächen somit im Regelfall keine eigenständige Bedeutung zukommt, auch in Fällen gilt, in denen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO an die Grenze gebaut werden darf, hat grundsätzliche Bedeutung und wurde vom VGH Baden-Württemberg, soweit ersichtlich, noch nicht ausdrücklich entschieden.

Gründe

 
I.
24 
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß §§ 40, 42 VwGO zulässig. Der Durchführung eines Vorverfahrens i.S.d. §§ 68 ff. VwGO bedurfte es nicht. Denn es handelt sich bei der angefochtenen Entscheidung um einen Abhilfebescheid i.S.d. § 72 VwGO - und nicht um eine außerhalb des Widerspruchsverfahrens erfolgte Rücknahme i.S.d. §§ 50, 48 LVwVfG -; durch diesen Abhilfebescheid ist der Kläger erstmalig beschwert, § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO, da die Beklagte damit die dem Kläger mit Bescheid vom 21.04.2011 erteilte Baugenehmigung (teilweise) aufhebt.
25 
Die Ausgangsbehörde hat - auch nach Abgabe des Widerspruchs an die Widerspruchsbehörde - die Wahl, ob sie einem zulässigen und begründeten Nachbarwiderspruch gemäß § 72 VwGO abhilft oder den angegriffenen Bescheid aus Anlass des Widerspruchsverfahrens gemäß §§ 50, 48 LVwVfG zurücknimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.04.1996 - 4 C 6.95 -, juris; Urteil vom 28.04.2009 - 2 A 8.08 -, juris; so auch OVG Niedersachsen, Beschluss vom 15.07.2002 - 1 LA 2816/01 -, juris; a.A. - in diesem Fall (nur) Abhilfe nach § 72 VwGO möglich - Schoch/Schmidt-Aßmann Pietzner, VwGO, Stand 2011, § 72 Rn. 16a). Ob die Behörde eine Abhilfeent-scheidung innerhalb oder eine Rücknahmeentscheidung außerhalb des Widerspruchsverfahrens getroffen hat, ist nach den üblichen Auslegungsgrundsätzen für behördliche Willenserklärungen zu beurteilen. Grundsätzlich hat die Behörde deutlich zu machen, was sie gewollt hat. Bei Unklarheiten ist von einer (Abhilfe-) Entscheidung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens auszugehen (BVerwG, Urteil vom 28.04.2009 - 2 A 8.08 -, juris; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 72 Rn. 41; Schoch/Schmidt-Aßmann Pietzner, a.a.O., § 72 Rn. 16; Kopp/Schenke, VwGO, § 72 Rn. 8).
26 
Vorliegend spricht nach Aktenlage Überwiegendes dafür, dass die Beklagte seinerzeit nicht bewusst eine Rücknahmeentscheidung nach §§ 50, 48 VwVfG außerhalb des Widerspruchsverfahrens hat treffen oder im Rahmen des Widerspruchsverfahrens dem Widerspruch hat abhelfen wollen; vielmehr scheint sich die Behörde ihrer diesbezüglichen Entscheidungsfreiheit nicht bewusst gewesen zu sein. Denn der angefochtene Bescheid vom 08.11.2011 spricht in Ziff. 1 zwar davon, die Baugenehmigung werde „zurückgenommen“, in den Gründen wird der Bescheid jedoch - widersprüchlich - auf „§§ 50 und 48 Abs. 2 Satz 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz und § 72 Verwaltungsgerichtsordnung“ gestützt, wobei im weiteren Verlauf der Begründung wiederum auf § 50 LVwVfG rekurriert wird. Inhaltlich wird die ergriffene Maßnahme ausschließlich widerspruchsbezogen - nämlich unter Verweis auf die vom Regierungspräsidium als Widerspruchsbehörde im Widerspruchsverfahren abgegebenen Stellungnahme - begründet. In den Aktenvermerken der Beklagten ist uneinheitlich mal von „Teilrücknahme“, mal von „Teilaufhebung“ die Rede. Das Regierungspräsidium F. hat in seinem Schreiben vom 04.08.2011 die Beklagte gebeten, „dem Widerspruch in eigener Zuständigkeit abzuhelfen und die Baugenehmigung aufzuheben“. Die Anhörung des Klägers erfolgte dagegen mit Schreiben vom 22.08.2011 zu einer „erforderlichen Teilrücknahme der Baugenehmigung“. Die Rechtsbehelfsbelehrung im angefochtenen Bescheid vom 08.11.2011 spricht wiederum für eine Abhilfeentscheidung, da - offensichtlich mit Blick auf § 68 Abs. 1 Nr. 2 VwGO - darauf verwiesen wird, gegen diesen Bescheid könne, „soweit er eine zusätzliche Beschwer enthält“, Klage erhoben werden; wäre die Entscheidung auf Grundlage von §§ 50, 48 VwVfG erfolgt, wäre ein erneutes Vorverfahren durchzuführen gewesen (vgl. Sodan/Ziekow, a.a.O., § 68 Rn. 152). Nachdem auch die Klagerwiderung mit ihrer Formulierung, „dass hier eine Baugenehmigung aufgrund eines Widerspruchsverfahrens teilweise zurückgenommen wird“, keine Klarheit hat schaffen können, machte die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung deutlich, man habe seinerzeit im Rahmen des anhängigen Widerspruchsverfahrens agieren und hier eine Abhilfeentscheidung erlassen wollen.
27 
Daher ist hier von einer Abhilfeentscheidung i.S.d. § 72 VwGO auszugehen, die keiner vorherigen Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bedurfte.
II.
28 
Die zulässige Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Aufhebung der dem Kläger unter dem 21.04.2011 erteilten Baugenehmigung für den beantragten Anbau an seine Doppelhaushälfte ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29 
Wendet sich der Inhaber einer Baugenehmigung gegen deren teilweise oder vollständige Aufhebung im Wege eines Abhilfebescheids gemäß § 72 VwGO, ist Klagegegenstand die Baugenehmigung nur insoweit, als zu Lasten des Nachbarn, der das Widerspruchsverfahren angestrengt hat, nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Baurechts verletzt werden (VG Braunschweig, Urteil vom 08.10.2002 - 2 A 317/01 -, juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 04.05.2011 - 5 K 2976/09 -, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 26.06.2007 - 9 K 1008/05 -, juris). Denn die Aufhebung der Baugenehmigung im Wege der Abhilfe ist nur dann rechtmäßig, wenn der Widerspruch des Nachbarn zulässig und begründet ist; verstößt die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen, verletzt die Abhilfeentscheidung die subjektiv-öffentlichen Rechte des Bauherrn (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und ist auf dessen Anfechtungsklage hin daher aufzuheben (VG Würzburg, Urteil vom 08.11.2007 - W 5 K 07.745 -, juris; VG München, Urteil vom 14.02.2002 - M 11 K 01.3134 -, juris).
30 
Vorliegend ist das Gericht auf Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingenommenen Augenscheins der Überzeugung, dass die Baugenehmigung vom 21.04.2011 subjektiv-öffentliche Rechte des Beigeladenen, die das Gesetz im Verhältnis der Grundstücksnachbarn untereinander als schutzwürdig ansieht, verletzt hat, der Widerspruch des Beigeladenen folglich begründet war und die Beklagte daher eine Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO treffen durfte.
31 
Die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung resultiert entgegen der Ansicht des Beigeladenen allerdings weder aus der Verletzung einer faktischen hinteren Baugrenze noch aus einem Verstoß des Anbaus gegen den Charakter des im Eigentum des Klägers stehenden Hauses als Doppelhaus.
32 
1. Die Beklagte trägt - in Übereinstimmung mit der Argumentation des Regierungspräsidiums F. - vor, der geplante Anbau verstoße gegen eine faktische rückwärtige Baugrenze. Dieser Argumentation, die der Sache nach die Frage der von § 34 Abs. 1 BauGB umfassten überbaubaren Grundstücksfläche betrifft, vermag das Gericht aus mehreren Gründen nicht zu folgen.
33 
a) Zum einen lässt sich nach Auffassung des Gerichts auf Grundlage des Augenscheins für die fraglichen Grundstücke keine rückwärtige Baugrenze feststellen.
34 
(1) Ausweislich der vorhandenen Luftbilder in der U-Straße besteht - beginnend mit dem Eckgrundstück FlstNr. AAA (F-Straße 24) bis einschließlich zum Grundstück FlstNr. TTT (U-Straße 13) - zwar Hauptnutzung (Wohnnutzung) jeweils nur im vorderen Grundstücksbereich, wobei die hintere Bebauungsgrenze in relativ gleichmäßigem Abstand zu der in diesem Bereich leicht gebogenen U-Straße verläuft. Diese Einschätzung konnte durch den Augenschein bestätigt werden. Allerdings wird diese hintere Bebauungsgrenze auf dem Grundstück des Beigeladenen durch die rückwärtigen Balkone im ersten und zweiten Stock, die auf einer 4 m tiefen Stahlkonstruktion ruhen und (im ersten Stock) eine Gesamtbreite von 6,30 m sowie eine Tiefe zwischen 1,20 m und 3,50 m haben (vgl. Foto Nr. 2), durchbrochen.
35 
(2) Ferner ist zur Überzeugung der Kammer der Rahmen der für die Bewertung nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblichen näheren Umgebung nicht auf die U-Straße zu beschränken. Auch wenn der Rahmen aufgrund der regelmäßig geringeren wechselseitigen Auswirkungen, die von überbauten Grundflächen ausgehen, enger als beim Merkmal der Art der baulichen Nutzung zu bemessen ist (vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 29.12.2010 - 1 A 710/09 -, juris), verbietet es sich aufgrund der räumlichen Kleinteiligkeit des durch U-Straße, H-Weg und F-Straße gebildeten Gevierts, die nähere Umgebung für die Ermittlung der Existenz einer hinteren Baugrenze auf den Straßenzug U-Straße zu beschränken; in den Blick zu nehmen ist vielmehr das gesamte Geviert. Dies ergibt sich besonders eindrücklich bei einem Blick vom Wohnhaus des Beigeladenen in Richtung der Häuser F-Straße 26/28 (Foto Nr. 6), die die bauliche Situation auf dem Grundstück des Beigeladenen unmittelbar prägen. Das Grundstück F-Straße 28 aber ist in voller Grundstückstiefe mit - vom Grundstück des Beigeladenen deutlich wahrnehmbarer - Hauptnutzung bebaut. Auch der der U-Straße gegenüberliegende H-Weg weist keine einheitliche rückwärtige Bebauungsgrenze auf (Foto Nr. 8); insbesondere die Bebauung auf den Grundstücken FlstNr. KKK, H-Weg 2, und FlstNr. MMM, H-Weg 6, ragt deutlich weiter in die Grundstücke herein als die der übrigen Gebäude. Auch unter diesem Blickwinkel ist die Existenz einer hinteren Baugrenze abzulehnen.
36 
(3) Hinzu kommt schließlich, dass zwar nach der Rechtsprechung für die Frage, ob eine hintere faktische Baugrenze besteht, grundsätzlich nur die Hauptnutzung in den Blick zu nehmen ist, so dass eine Bebauung im rückwärtigen Bereich auch dann unzulässig ist, wenn dieser Bereich zwar nicht gänzlich unbebaut ist, sich dort jedoch nur Nebenanlagen wie Garagen oder Schuppen befinden (so bereits BVerwG, Beschluss vom 06.11.1997 - 4 B 172.97 -, juris; vgl. auch VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.11.2011 - 5 L 947/11 -, juris; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 06.05.2011 - 7 K 1080/05 -, juris; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 34 Rn. 57). Ist die Garagen- oder Nebengebäudebebauung dagegen derart groß und massiv, dass sie den Blockinnenbereich maßgeblich mit prägt, kann sie dazu führen, dass in diesem Bereich auch dort gegenwärtig nicht vorhandene Wohnnutzung zulässig ist (VG F., Beschluss vom 26.01.2006 - 1 K 137/06 -, juris). Ein solcher Fall ist nach Auffassung der Kammer vorliegend im Hinblick auf die riegelartige Bebauung des Grundstücks FlstNr. ZZZ gegeben, die - mit massivem Gartenhaus und Garagen - fast die gesamte rückwärtige Grundstücksfläche dieses Grundstücks einnimmt (Foto Nr. 10).
37 
b) Rechtfertigen folglich bereits die tatsächlichen Verhältnisse die Annahme einer faktischen Baugrenze nicht, sei nur der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass selbst ein - hier nicht vorliegender - Verstoß geschützte Nachbarrechte des Beigeladenen nicht verletzte, dieser objektive Rechtsverstoß folglich die Aufhebung der Baugenehmigung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht rechtfertigte.
38 
Dabei kann dahinstehen, ob mit wohl überwiegender Rechtsprechung Baugrenzen als Element des Maßes der baulichen Nutzung generell nachbarschützende Wirkung abgesprochen wird (so etwa VG München, Beschluss vom 01.09.2010 - M 8 SN 10.3907 -, juris; VG Saarlouis, Urteil vom 11.05.2011 - 5 K 893/10 -, juris), oder ob mit dem VGH Baden-Württemberg davon auszugehen ist, dass im Rahmen eines Bebauungsplans festgesetzte seitliche und hintere Baugrenzen und Baulinien regelmäßig nachbarschützend sind (vgl. nur Beschluss vom 02.06.2003 - 8 S 1098/03 -, juris, m.w.N.). Zum einen nämlich wird auch nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg das Nachbargrundstück räumlich grundsätzlich nur insoweit geschützt, als es der Baugrenze gegenüberliegt, denn nur in diesem räumlichen Umfang ist die Baugrenze Teil des für den Nachbarschutz typischen gegenseitigen Austauschverhältnisses des „Dürfens und Duldens“ (Urteil vom 01.02.1999 - 5 S 2507/96 -, juris; Urteil vom 29.10.2003 - 5 S 138/03 -, juris; Urteil vom 26.01.2012 - 5 S 2233/11 -, juris); das dem Beigeladenen gehörende Grundstück liegt aber der von ihm behaupteten faktischen Baugrenze nicht gegenüber, sondern grenzt aus der Perspektive dieser Grenze seitlich an das Baugrundstück. Ob von dieser Einschränkung im Einzelfall bei engräumiger Doppelhausbebauung im Hinblick auf die mit jeder Veränderung eines der Doppelhäuser entstehenden städtebauliche Spannungen eine Ausnahme zu machen ist mit der Folge, dass sich der Doppelhaus-Nachbar auch auf rückwärtige Baugrenzen berufen kann (so OVG Bremen, Urteil vom 20.02.1996 - 1 BA 53/95 -, juris; ähnlich auch VG Stuttgart, Urteil vom 08.11.2002 - 3 K 4103/01 -, juris, allerdings unter Verweis auf die konkreten örtlichen Verhältnisse und aufgehoben durch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.10.2003 - 5 S 138/03 -, juris; offengelassen von VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 -, juris), kann offen bleiben. Denn soweit in der Rechtsprechung Baugrenzen nachbarschützende Wirkung beigemessen wird, bezieht sich dies stets auf durch Bebauungsplan förmlich festgesetzte Baugrenzen. Vorliegend handelt es sich indes um eine faktische, einer gemeindlichen Zweckbestimmung im Rahmen der planerischen Entscheidung mithin entzogene Baugrenze. Für diese hat der VGH Baden-Württemberg ausdrücklich und überzeugend entschieden, die nur eingeschränkt nachbarschützende Wirkung des § 34 Abs. 1 BauGB schließe es aus, einer sich aus der vorhandenen Bebauung in der näheren Umgebung ergebenden faktischen Baugrenze oder Baulinie nachbarschützende Wirkung beizulegen (Beschluss vom 15.11.1994 - 8 S 2937/94 -, juris; so auch OVG Sachsen, Beschluss vom 20.10.2005 - 1 BS 251/05 -, juris; VG F., Beschluss vom 26.01.2006 - 1 K 137/06 -, juris).
39 
2. Der geplante Anbau verletzt zur Überzeugung der Kammer auf Grundlage des Augenscheins auch nicht den Charakter der im Eigentum von Kläger und Beigeladenem stehenden Häuser als Doppelhäuser.
40 
a) Bei dem grenzständig errichteten Wohnhaus des Klägers und dem ebenfalls grenzständigen Nachbargebäude des Beigeladenen handelt es sich - was von keinem der Beteiligten in Frage gestellt wird - um ein Doppelhaus i.S.d. § 22 BauNVO, denn beide Haushälften sind in „wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 -, juris).
41 
Diese offene Bauweise hat drittschützenden Charakter zugunsten des Eigentümers der jeweils anderen Doppelhaushälfte. Denn durch die Doppelhausbebauung gehen die Grundstückseigentümer ein nachbarliches Austauschverhältnis ein, das nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden darf. Die Zulässigkeit einer Bebauung als Doppelhaus setzt den Verzicht der Grundstückseigentümer auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze voraus. Dieser Verzicht bindet die benachbarten Grundeigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs ein und schafft eine enge Wechselbeziehung, die jeden Grundstückseigentümer zugleich begünstigt und belastet: Ihre Baufreiheit wird zugleich erweitert, indem die bauliche Nutzbarkeit der häufig schmalen Grundstücke unter Verzicht auf dem Wohnfrieden dienenden Freiflächen erhöht wird, und beschränkt (vgl. dazu grundlegend BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 -, juris).
42 
Dieser für die durch Bebauungsplan festgesetzte Doppelhausbebauung entwickelte Drittschutz beansprucht auch für den unbeplanten Innenbereich Geltung. Denn die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Doppelhausnachbarn und ihre enge Wechselbeziehung bestehen unabhängig davon, ob ihr Doppelhaus in einem mittels Bebauungsplan überplanten Bereich oder in einem unbeplanten Innenbereich liegt, und auch die Schutzwürdigkeit der wechselseitigen Interessen der Doppelhausnachbarn ist in beiden Fällen gleich zu beurteilen; ähnlich wie beim Gebietserhal-tungsanspruch, der unstreitig für den unbeplanten Innenbereich Geltung entfaltet, besteht auch hier ein nachbarliches Austauschverhältnis, das es rechtfertigt, Drittschutz unabhängig davon zu gewähren, ob die Doppelhausbebauung durch Bebauungsplan festgesetzt ist (OVG NRW, Urteil vom 28.02.2012 - 7 A 2444/09 -, juris; Urteil vom 16.08.2011 - 10 A 1224/09 -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.08.2011 - 5 L 579/11 -, juris; VG München, Urteil vom 07.04.2008 - M 8 K 07.3202 -, juris; VG Saarlouis, Urteil vom 07.06.2006 - 5 K 103/05 -, juris; vgl. auch Bayer. VGH, Urteil vom 28.08.2002 - 26 B 99.2728 -, juris; a.A. OVG RP, Urteil vom 27.05.2009 - 8 A 11090/08 -, juris). Die sich damit auch im unbeplanten Bereich hinsichtlich der Bauweise stellenden Anforderungen gelten nicht nur für den Neubau von Doppelhaushälften, sondern ebenso für Erweiterungs- oder Umbauvorhaben von bereits errichteten Doppelhaushälften; dies gilt insbesondere dann, wenn die Um- und Ausbaumaßnahme bautechnisch und funktional mit dem ursprünglich auf dem Grundstück vorhandenen Gebäudebestand untrennbar verbunden ist und das Gebäude insgesamt auf Grund der Dimensionierung des Um- bzw. Ausbaus erheblich geändert wird (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.08.2011 - 5 L 579/11 -, juris, m.w.N.). Der Umfang der Änderung kann dazu führen, dass sich der Anbau an eine Doppelhaushälfte nach der Bauweise nicht i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und damit zugleich Nachbarrechte des Doppelhausnachbarn verletzt.
43 
b) Der hier zunächst von der Beklagten genehmigte Anbau an das bestehende Doppelhaus ist nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 BauGB hinsichtlich der Bauweise zulässig. Das Gericht ist nach Einnahme des Augenscheins auf Grundlage der in der Rechtsprechung, überzeugend herausgearbeiteten Eckpunkte der Auffassung, dass das geänderte Gebäude des Klägers insgesamt zusammen mit dem benachbarten Wohnhaus des Beigeladenen (weiterhin) ein Doppelhaus in offener Bauweise im bauplanungsrechtlichen Sinne bildet und durch den geplanten Ausbau ihren Doppelhauscharakter nicht verliert.
44 
(1) Ein Abwehrrecht des Beigeladenen gegen den Anbau an die klägerische Doppelhaushälfte ist nicht bereits deshalb zu bejahen, weil infolge des Anbaus beide Doppelhaushälften nicht mehr deckungsgleich wären, der Anbau vielmehr einseitig an der Grenze stünde. Schutzwürdige Rechtspositionen des Doppelhaus-Nachbarn sind vielmehr nur dann verletzt, wenn beide Gebäude infolge des einseitigen Anbaus keine bauliche Einheit mehr bildeten. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner grundlegenden „Doppelhaus-Entscheidung“ (Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 -, juris; bestätigt in Beschluss vom 17.08.2011 - 4 B 25.11 -, juris; ihm folgend etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.04.2009 - 3 S 569/09 -, juris; Bayer. VGH, Urteil vom 28.08.2002 - 26 B 99.2728 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 06.05.2011 - 10 B 29/11 -) die Anforderungen an die bauliche Einheit in seiner Doppelhaus-Entscheidung wie folgt präzisiert: „Ein Doppelhaus entsteht deshalb nur dann, wenn zwei Gebäude derart zusammengebaut werden, dass sie einen Gesamtbaukörper bilden. […] Die bauplanungsrechtliche Festsetzung des Doppelhauses verlangt ferner, dass die beiden „Haushälften“ in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut werden. Insoweit enthält das Erfordernis einer baulichen Einheit nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives Element […]. Damit wird nicht gefordert, dass die ein Doppelhaus bildenden Gebäude vollständig oder im wesentlichen deckungsgleich aneinandergebaut werden müssen. Die beiden „Haushälften" können auch zueinander versetzt oder gestaffelt an der Grenze errichtet werden, sie müssen jedoch zu einem wesentlichen Teil aneinandergebaut sein. Insoweit setzt die Doppelhaus-Festsetzung der Baufreiheit Schranken. In welchem Umfang die beiden Haushälften an der Grenze zusammengebaut sein müssen, lässt sich jedoch weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Kein Doppelhaus entsteht, wenn ein Gebäude gegen das andere an der gemeinsamen Grundstücksgrenze so stark versetzt wird, dass sein vorderer oder rückwärtiger Versprung den Rahmen einer wechselseitigen Grenzbebauung überschreitet, den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus vermittelt und dadurch einen neuen Bodennutzungskonflikt auslöst.“ Die Anforderungen an die Hausform als Doppelhaus sah das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung bei einem Baukörper, der zwar über eine Länge von 5 m an die andere Haushälfte angebaut war, jedoch dahinter um weitere 8 m in den rückwärtigen Gartenbereich hinein versprang, als nicht gegeben an.
45 
(2) Der vom Kläger zur Genehmigung gestellte Anbau, dessen Genehmigung mit Bescheid der Beklagten vom 08.11.2011 aufgehoben wurde, soll mit einer Tiefe von 5,02 m und einer Wandhöhe von 7,20 m an die gemeinsame Grundstücksgrenze angebaut werden. Dem gegenüber stehen die bereits existierenden Doppelhaushälften mit einer Wandbreite von 9,80 m und einer Höhe von am Dachfirst 12,79 m. Daraus ergibt sich, bezogen auf die Tiefe der beiden Anwesen, eine Überdeckung beider Gebäudehälften von etwa 2/3, und bezogen auf die Wandfläche von etwa 3/4. Rein quantitativ bewegt sich der Anbau damit in einem Bereich, den die Rechtsprechung mit guten Gründen als den Doppelhauscharakter nicht in Frage stellend qualifiziert (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.02.2007 - 5 S 2826/06 -, juris: Überstand bei einer Überdeckung zu mehr als drei Viertel ist zulässig; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.08.2011 - 5 L 579/11 -, juris: Überdeckung zu mehr als 50% ist ausreichend; Bayer. VGH, Beschluss vom 31.01.2011 - 1 ZB 08.2498 -, juris: Anbau an Nachbargebäude zu ca. 63%, überlappende Wandfläche von ca. 56% genügt; VG München, Urteil vom 19.06.2008 - M 11 K 07.4600 -, juris: Anbau eines 10 m tiefen Gebäudes in Länge von 6 m an Nachbargebäude gefährdet nicht Charakter als Doppelhaus).
46 
Auch unter qualitativen Gesichtspunkten hebt der vom Kläger geplante Anbau - obwohl er, wie der Augenschein eindrücklich ergeben hat, deutlich in Erscheinung trä- te - den Charakter der beiden Haushälften als Doppelhaus nicht auf. Nicht nur, dass die beiden Doppelhaushälften zur Straße hin nach wie vor eine vollständige Überdeckung aufweisen (vgl. Foto Nr. 1) und das Dachgeschoss auch im rückwärtigen Bereich seine durchgehende Gestalt behält. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass das Wohnhaus des Beigeladenen - außerhalb der Abstandsflächen - über Balkone im ersten und zweiten Stock verfügt, deren Stahlkonstruktion mit 4 m fast ebenso weit vorspringt wie der nunmehr geplante Anbau des Klägers (Fotos Nr. 2 und 12). Die Wirkung des 5 m tiefen Versatzes auf der Gartenseite würde dadurch deutlich abgeschwächt, zumal er in der Höhe deutlich hinter der Gesamthöhe der Doppelhaushälften zurückbleibt.
47 
3. Zur Überzeugung der Kammer verstößt der zur Genehmigung gestellte Anbau jedoch zulasten des Beigeladenen gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme.
48 
a) Das Gebot der Rücksichtnahme ist verletzt, wenn ein Vorhaben es trotz Einhaltung des Umgebungsrahmens hinsichtlich eines oder mehrerer der Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB an der gebotenen Rücksichtnahme auf die sonstige, d.h. vor allem auf die in seiner unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung fehlen lässt. Das Rücksichtnahmegebot hat insoweit zunächst objektiv-rechtliche Bedeutung. Nachbarschutz vermittelt es nur insoweit, als - mit den Worten des Bundesverwaltungsgerichts - „in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter“ Rücksicht zu nehmen ist. In Nachbarrechtsverfahren kommt es deshalb allein darauf an, ob sich ein Vorhaben in der dargelegten qualifizierten Art und Weise rücksichtslos, d.h. unzumutbar auswirkt. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzuwägen ist, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (st. Rspr., vgl. nur jüngst VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.03.2012 - 3 S 223/12 -, juris, m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 28.10.1993 - 4 C 5.93 -, juris). Ob sich ein Vorhaben auf das Nachbargrundstück unzumutbar auswirkt, ist eine Frage des Einzelfalls unter besonderer Berücksichtigung des bauplanungsrechtlich an sich Zulässigen. Denn das Rücksichtnahmegebot ist keine allgemeine Härteklausel, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts steht (BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128.98 - juris). Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus; vielmehr ist eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit erforderlich.
49 
b) Bei Anwendung dieser Kriterien hält die Kammer das Vorhaben in seiner geplanten Gestalt für gegenüber dem Beigeladenen rücksichtslos.
50 
(1) Für die Frage, was einerseits dem Beigeladenen als dem Rücksichtnahme-begünstigten und andererseits dem Kläger als dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist, ist der Doppelhauscharakter beider Häuser in den Blick zu nehmen. Denn die Eigentümer von Reihen- bzw. Doppelhausgrundstücken sind untereinander in besonderer Weise zu einer Art bodenrechtlicher Schicksalsgemeinschaft verbunden und unterliegen daher grundsätzlich einer besonderen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 19.07.2010 - 7 A 44/09 -, juris; Beschluss vom 06.05.2011 - 10 B 29/11 -, juris). Angesichts des engen nachbarlichen Austauschverhältnisses sind Eigentümer von Doppel- oder Reihenhausgrundstücken zu besonderer Rücksichtnahme insbesondere auf die Interessen der anderen Eigentümer an der Freihaltung der jeweiligen Grundstücksflächen gehalten. In diesem Zusammenhang ist auf die konkrete Situation vor Ort abzustellen. Von Bedeutung sein können beispielsweise die topografischen und meteorologischen Verhältnisse, die Lage der Grundstücke zueinander, die Größe der betroffenen Grundstücke, die konkrete Nutzung der Grundstücke und gegebenenfalls einzelner Grundstücksbereiche, die Schutzbedürftigkeit und -würdigkeit bestehender Nutzungen, die Interessen des Bauherrn sowie die Höhe und Länge vorhandener und geplanter Baukörper. Letztlich bedarf es einer Gesamtbewertung sämtlicher einschlägiger Kriterien, um die Frage der Rücksichtslosigkeit zuverlässig beantworten zu können (OVG NRW, Urteil vom 18.12.2003 - 10 A 2512/01 -, juris; Urteil vom 19.07.2010 - 7 A 44/09 -, juris).
51 
(2) Vor diesem Hintergrund ist das Rücksichtnahmegebot jedenfalls verletzt, wenn einer der Grundstückseigentümer eines Doppel- oder Reihenhausgrundstücks durch massive An- oder Umbauten das enge nachbarschaftliche Austauschverhältnis einseitig aufhebt oder aus dem Gleichgewicht bringt; ein massiver Anbau, der den Anspruch auf Bewahrung des Doppelhauscharakters verletzt, stellt sich dem Grundstücksnachbarn gegenüber jedenfalls als rücksichtlos dar (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.05.2003 - 5 S 2750/01 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 19.04.2012 - 10 A 1035/10 -, juris).
52 
Das Rücksichtnahmegebot ist jedoch nicht auf diese Fälle beschränkt. Vielmehr gewinnt auch der Aspekt ausreichender Belichtung, Beleuchtung und Besonnung angesichts des engen nachbarlichen Austauschverhältnisses bei Doppel- und Reihenhausgrundstücken besondere Bedeutung.
53 
Dem kann zur Überzeugung der Kammer nicht entgegengehalten werden, dass in Fällen, in denen der Anbau die nach Landesrecht erforderlichen Abstandsflächen - die im Falle zulässiger Grenzbebauung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO auf Null reduziert sind - einhält, ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot unter Berufung auf Belange der Belichtung, Belüftung und Besonnung regelmäßig ausgeschlossen ist.
54 
Zutreffend ist zwar, dass nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung in Fällen, in denen ein Bauvorhaben die bauordnungsrechtlich für eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung sowie den Wohnfrieden von Nachbargrundstücken gebotenen Abstandsflächen einhält, für das Gebot der Rücksichtnahme insoweit grundsätzlich kein Raum mehr ist. In Bezug auf eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung ist das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme vom Landesgesetzgeber in den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften konkretisiert worden (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 16.9.1993 - 4 C 28/91 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.04.2008 - 8 S 98/08 -, juris; OVG Saarland, Beschluss vom 10.05.2012 - 2 B 49/12 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.02.2012 - 10 S 39.11 -, juris; Bayer. VGH, Beschluss vom 07.02.2012 - 15 CD 11.2865 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.01.2012 - 2 M 157/11 -, juris).
55 
Dies gilt aber nur „grundsätzlich“, was bedeutet, dass Ausnahmen möglich sein müssen, zumal das bauplanungsrechtliche Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht. Die Vorschriften des Bauordnungsrechts liefern insoweit zwar durchaus Anhaltspunkte dafür, ob das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme eingehalten ist, ersetzen die konkret auf das nachbarliche Austauschverhältnis abstellende Prüfung nach dem Maßstab des Rücksichtnahmegebotes aber nicht (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.04.2008 - 8 S 98/08 -, juris; OVG Bremen, Beschluss vom 14.05.2012 - 1 B 65/12 -, juris; Sächs. OVG, Beschluss vom 20.10.2005 - 1 BD 251/05 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 09.02.2009 - 10 B 1713/08 -, juris; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128.98 -, juris).
56 
Raum für eine eigenständige Prüfung eines Bauvorhabens am Grundsatz des Rücksichtnahmegebotes trotz Einhaltung der landesrechtlich erforderlichen Abstandsflächen sieht die Rechtsprechung vor allem in Fällen, in denen die Abstandsflächen gegenüber früherem Landesbaurecht nachhaltig verkürzt worden sind; sollen diese nunmehr nur noch ein sicherheitsrechtliches und gesundheitliches Minimum gewährleisten, sei eine Anwendung des Rücksichtnahmegebots daneben gerechtfertigt (so etwa OVG NRW, Beschluss vom 09.02.2009 - 10 B 1713/08 -, juris; Urteil vom 09.06.2011 - 7 A 1494/09 -, juris; Sächs. OVG, Beschluss vom 20.10.2005 - 1 BD 251/05 -, juris). Dieser Rechtsprechung schließt sich das Gericht an; denn je weniger der Landesgesetzgeber bei Regelung des Abstandsflächenrechts nachbarliche Belange wie Belichtung, Belüftung, Besonnung oder nachbarlichen Wohnfrieden in den Blick nimmt, umso größer ist der eigenständige Gehalt des - bundesrechtlichen - Rücksichtnahmegebots, welches durch landesrechtliche Regelungen nur überlagert, nicht aber inhaltlich determiniert werden kann.
57 
Diese Überlegungen aber gewinnen Bedeutung erst recht in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Landesbauordnung, hier § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO, nicht nur verkürzte Abstandsflächen zulässt, sondern zugunsten besserer baulicher Nutzbarkeit schmaler Grundstücke auf seitliche Grenzabstände sogar gänzlich verzichtet. Denn hier fehlt es gerade an einer auf Landesrecht basierenden Sicherstellung ausreichender Belüftung und Belichtung baulicher Anlagen und nicht bebauter Grundstücksteile auf dem unmittelbar benachbarten Doppel- oder Reihenhausgrundstück.
58 
Zwar dürfte in der Mehrzahl der Fälle ein einseitiger Grenzbau, der die Belichtung und Belüftung des Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt, gleichzeitig aufgrund seiner Massivität den in dem engen nachbarschaftlichen Austauschverhältnis wurzelnden Anspruch des Grundstücksnachbarn auf Bewahrung des Doppelhauscharakters verletzen und sich unter diesem Gesichtspunkt bereits als rücksichtslos darstellen. Auch eine bauliche Erweiterung, die aufgrund ihres Umfangs den Doppelhauscharakter noch bewahrt, aber kann aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung und Lage im Einzelfall erhebliche Auswirkungen auf das Nachbargrundstück im Hinblick auf Belichtung und Besonnung haben, und zwar auch dann, wenn in die Abwägung der gegenseitigen Interessen auch der Umstand in den Blick genommen wird, dass der Grundstücksnachbar seinerseits vom Verzicht auf seitliche Grenzabstände im Sinne besserer baulicher Ausnutzbarkeit seines Grundstücks profitiert und im Hinblick auf mit Doppelhausbebauung typischerweise verbundene Einschränkungen an Belichtung, Belüftung und Besonnung daher weniger schutzwürdig ist.
59 
Die Überprüfung eines nach Landesrecht zulässigen Grenzbaus im Hinblick auf die Gewährleistung ausreichender Belichtung, Belüftung und Besonnung des Nachbargrundstücks unter Berufung auf die Einhaltung landesrechtlicher Abstandsflächen zu unterlassen, bedeutete daher eine unzulässige Verkürzung des bundesrechtlichen Gebotes der Rücksichtnahme. Vielmehr gewinnt das Rücksichtnahmegebot auch unter dem Aspekt Besonnung, Belichtung und Belüftung gerade in Fällen der Doppel- und Reihenhausbebauung eine eigenständige Bedeutung (vgl. zu dieser Problematik mit einem anderen Ansatz - der Verstoß eines grenzständigen Anbaus gegen das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme führt dazu, dass nicht nach „planungsrechtlichen Vorschriften“ an die Grenze gebaut werden darf - auch OVG NRW, Beschluss vom 24.04.1995 - 10 B 3161/94 -, BauR 1996, 88).
60 
(3) Nach diesen Maßstäben lässt der Anbau in der vom Kläger begehrten Form, d.h. mit einer Tiefe von 5 m, einer Höhe von zwei Vollgeschossen (7,20 m) und seinem Standort direkt an der Grenze zum Grundstück des Beigeladenen die gebotene Rücksichtnahme gegenüber dem Grundstück des Beigeladenen unter dem Gesichtspunkt von Belichtung, Belüftung und Besonnung vermissen; diese Überzeugung hat das Gericht auf Grundlage des Augenscheins sowie der in den Akten befindlichen Lichtbilder gewonnen. Denn die massive, etwa 36 m² große Wand unmittelbar an der östlichen Grundstücksgrenze des Beigeladenen beeinträchtigte erheblich die Belichtungs- und Belüftungssituation insbesondere im Erdgeschoss des Wohnhauses des Beigeladenen; durch die teilweise nur etwa 60 cm von dem geplanten Anbau entfernten Fenster gelangte insbesondere aufgrund der Höhe des Anbaus (2 Vollgeschosse) deutlich weniger Licht in die dahinter liegenden Aufenthaltsräume. Auch würde der Anbau durch seine Höhe von 2 Vollgeschossen und seine Lage direkt an der Grundstücksgrenze die (eher schräg stehende) Vormittagssonne über eine Grundstückstiefe von 5 m vom Grundstück des Beigeladenen abschirmen und damit zu einer bedeutenden Verschattung der rückwärtigen Grundstücksbereiche führen. Die Kammer übersieht nicht, dass auch die gegenwärtigen Verhältnisse auf dem Grundstück des Beigeladenen selbst (Balkonanlage, große Esskastanie sowie weiterer Bewuchs) Belichtung und Besonnung negativ beeinflussen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Bäume und Sträucher gerade bei tieferstehender Sonne im Spätherbst / Winter mangels Blättern kaum Einfluss auf die Belichtungsverhältnisse haben und im übrigen jederzeit vom Beigeladenen auf eine hinreichende Beleuchtungsverhältnisse gewährleistende Größe zurückgeschnitten werden können, während der geplante Anbau ganzjährig die Belichtung aus östlicher Richtung massiv einschränkte, sieht die Kammer in dem geplanten Anbau eine gänzlich andere Qualität der Beschränkung der Belichtungs-, Besonnungs- und Belüftungsverhältnisse. Obwohl folglich der Anbau aufgrund seines Umfangs den Doppelhauscharakters noch bewahrt, hat er aufgrund seiner konkreten Ausgestaltung und seiner räumlichen Lage erhebliche, vom Beigeladenen nicht hinzunehmende negative Auswirkungen auf die Belichtungs- und Belüftungssituation auf dem Grundstück und im Wohnhaus des Beigeladenen. Ob dem Anbau zudem eine „erdrückende Wirkung“ auf das Grundstück des Beigeladenen zukommt, bedarf bei dieser Sachlage keiner Entscheidung.
61 
Die Kammer betont jedoch, dass nach ihrer Auffassung nicht jeglicher Anbau auf dem Grundstück des Klägers zu einer dem Beigeladenen unzumutbaren Beeinträchtigung führt, die unzumutbaren Auswirkungen vielmehr aus der konkreten zur Genehmigung gestellten Ausführung mit 2 Vollgeschossen, einer Tiefe von 5 m sowie der Lage direkt an der Grundstücksgrenze resultieren.
62 
4. Da die von der Beklagten dem Kläger unter dem 21.04.2011 erteilte Baugenehmigung folglich wegen Verstoßes gegen nachbarschützende Rechte zu Lasten des Beigeladenen - Rücksichtnahmegebot - rechtswidrig war, war der Abhilfebescheid seinerseits rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
63 
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Nachdem der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es billigem Ermessen, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
64 
Da der Kläger mit seiner Klage in vollem Umfang unterliegt, kommt eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung seines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht in Betracht.
65 
Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Denn die Frage, ob die Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (etwa Beschluss vom 08.11.2007 - 3 S 1923/07 -, juris) und anderer Obergerichte, wonach die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächentiefen grundsätzlich auch im Rahmen des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots die Grenzen eines hinsichtlich Belichtung, Belüftung, Besonnung und Einsichtnahme gebotenen Mindestschutzes konkretisieren, dem planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot im Hinblick auf Belichtung, Belüftung und Besonnung bei Einhaltung der Abstandsflächen somit im Regelfall keine eigenständige Bedeutung zukommt, auch in Fällen gilt, in denen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO an die Grenze gebaut werden darf, hat grundsätzliche Bedeutung und wurde vom VGH Baden-Württemberg, soweit ersichtlich, noch nicht ausdrücklich entschieden.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 25. Juli 2012 - 4 K 2241/11

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 25. Juli 2012 - 4 K 2241/11

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 25. Juli 2012 - 4 K 2241/11 zitiert 16 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 48 Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes


(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erhebliche

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 40


(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Stre

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 68


(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn 1. der Verwaltungsakt von einer ob

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 22 Bauweise


(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden. (2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der i

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 72


Hält die Behörde den Widerspruch für begründet, so hilft sie ihm ab und entscheidet über die Kosten.

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 50 Rücknahme und Widerruf im Rechtsbehelfsverfahren


§ 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 bis 4 sowie § 49 Abs. 2 bis 4 und 6 gelten nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufge

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 25. Juli 2012 - 4 K 2241/11 zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 25. Juli 2012 - 4 K 2241/11 zitiert 11 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 10. Mai 2012 - 2 B 49/12

bei uns veröffentlicht am 10.05.2012

Tenor Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 14.2.2012 – 5 L 1919/11 – werden zurückgewiesen.Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen im Beschwerdeverfahren jewei

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 20. März 2012 - 3 S 223/12

bei uns veröffentlicht am 20.03.2012

Tenor Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 09. Januar 2012 - 5 K 2279/11 - wird zurückgewiesen.Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kos

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 26. Jan. 2012 - 5 S 2233/11

bei uns veröffentlicht am 26.01.2012

Tenor Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand  1 Die Klägerin wendet sich gegen die der

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 04. Mai 2011 - 5 K 2976/09

bei uns veröffentlicht am 04.05.2011

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. Die Beigeladenen zu 2 bis zu 28 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Tatbestand

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 27. Mai 2009 - 8 A 11090/08

bei uns veröffentlicht am 27.05.2009

weitere Fundstellen ... Tenor Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 4. September 2008 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 29. Apr. 2009 - 3 S 569/09

bei uns veröffentlicht am 29.04.2009

Tenor Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.01.2009 - 5 K 2450/08 - wird zurückgewiesen. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließl

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 15. Apr. 2008 - 8 S 98/08

bei uns veröffentlicht am 15.04.2008

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Juli 2007 - 6 K 2666/07 - geändert. Die Baugenehmigung des Landratsamtes Ostalbkreis vom 7. Juni 2006 und der Widerspruchsbescheid des Regierungsp

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 08. Nov. 2007 - 3 S 1923/07

bei uns veröffentlicht am 08.11.2007

Tenor Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2007 - 2 K 3669/07 - geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte B

Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 26. Juni 2007 - 9 K 1008/05

bei uns veröffentlicht am 26.06.2007

Tenor Der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 27.05.2005 wird aufgehoben, soweit damit die dem Kläger erteilte Baugenehmigung für die so genannte Terrassenüberdachung aufgehoben wurde. Im Übrige

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 12. Feb. 2007 - 5 S 2826/06

bei uns veröffentlicht am 12.02.2007

Tenor Auf die Beschwerden der Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 2. November 2006 - 4 K 2321/06 - geändert. Die Anträge werden zurückgewiesen. Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Ver

Verwaltungsgericht Freiburg Beschluss, 26. Jan. 2006 - 1 K 137/06

bei uns veröffentlicht am 26.01.2006

Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Der Streitwert wird auf 3.750,-- EUR festgesetzt. Gründe   1  Der Antrag is
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 25. Juli 2012 - 4 K 2241/11.

Verwaltungsgericht Freiburg Beschluss, 30. Okt. 2014 - 4 K 1804/14

bei uns veröffentlicht am 30.10.2014

Tenor Der Antrag wird abgelehnt.Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.Der Streitwert wird auf 10.000 EUR festgesetzt. Gründe 1 Der zulässige Antrag des Antragstellers auf Aus

Referenzen

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.

(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.

(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.

(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.

(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.

(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.

(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Hält die Behörde den Widerspruch für begründet, so hilft sie ihm ab und entscheidet über die Kosten.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Hält die Behörde den Widerspruch für begründet, so hilft sie ihm ab und entscheidet über die Kosten.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

Hält die Behörde den Widerspruch für begründet, so hilft sie ihm ab und entscheidet über die Kosten.

§ 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 bis 4 sowie § 49 Abs. 2 bis 4 und 6 gelten nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch oder der Klage abgeholfen wird.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

§ 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 bis 4 sowie § 49 Abs. 2 bis 4 und 6 gelten nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch oder der Klage abgeholfen wird.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

Hält die Behörde den Widerspruch für begründet, so hilft sie ihm ab und entscheidet über die Kosten.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Hält die Behörde den Widerspruch für begründet, so hilft sie ihm ab und entscheidet über die Kosten.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. Die Beigeladenen zu 2 bis zu 28 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die im Rahmen von Nachbarwiderspruchsverfahren erfolgte Aufhebung der ihr erteilten Baugenehmigung für die Errichtung eines Krematoriums ohne Abschiedsraum.
Die Klägerin ist Eigentümerin der Baugrundstücke Flst.-Nr. 10677 und 10677/1 in XXX. Die Grundstücke wurden ihr von der Beklagten zur Errichtung eines Krematoriums veräußert (AS 89). Der Beigeladene zu 1 ist Eigentümer des zu Wohnzwecken und gewerblich genutzten Grundstücks Flst.-Nr. 10679 in XXX. Er stellt dort seit dem Jahr 2008 Honigwein (Met) her und füllt Schnaps ab. Die Beigeladenen zu 2 und 3 sind die Eltern des Beigeladenen zu 1 und arbeiten in dem Betrieb mit. Das Grundstück Flst.-Nr. 10679 liegt westlich der Baugrundstücke. Zwischen den Grundstücken verläuft eine Straße, die u.a. auch zum südlich gelegenen Friedhof von XXX führt. Das östlich angrenzende Grundstück ist noch unbebaut. Auf dem ebenfalls im Plangebiet und östlich von den Baugrundstücken gelegenen Grundstück Flst.-Nr. 1067 befindet sich seit dem Jahr 2008 der metallverarbeitende Betrieb des Beigeladenen zu 5.
Die genannten Grundstücke liegen sämtlich im Geltungsbereich des am 03.05.2002 in Kraft getretenen Bebauungsplans „XXX“, der das circa 16 ha große Plangebiet als eingeschränktes Gewerbegebiet (GEe) ausweist. Nach seinen schriftlichen Festsetzungen unter Ziffer 1.1 sind im gesamten Plangebiet Lagerhäuser, Lagerplätze, Speditionsbetriebe aller Art, Tankstellen, Anlagen für sportliche, kirchliche, soziale und kulturelle Zwecke sowie Vergnügungsstätten und Handelsbetriebe jeglicher Art nicht zulässig. Das Plangebiet liegt nördlich des Friedhofs des Ortsteils XXX, östlich der Landstraße L XXX und südlich der Autobahn BAB 6 bzw. der Autobahnanschlussstelle XXX für die Bundesstraße B XX und der Landesstraße L XXX. Aus der Begründung des Bebauungsplans ergibt sich, dass die Ausweisung eines eingeschränkten Gewerbegebiets aufgrund der hydrogeologischen Verhältnisse erfolgte.
Am 16.12.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Krematoriums auf ihren oben genannten Baugrundstücken im Plangebiet. Nach den eingereichten Plänen war neben den technischen Anlagen auch ein Abschiedsraum vorgesehen. Sie legte eine Garantieerklärung des Lieferanten der Kaminanlage, der XXX vom 03.12.2008, vor, wonach von dem geplanten Krematorium die Grenzwerte der 27. BImSchV eingehalten werden.
Mit Schreiben vom 18.12.2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass das geplante Vorhaben nach den derzeitigen Festsetzungen des Bebauungsplans „XXX“ nicht zulässig sei und auch im Wege einer Befreiung nicht zugelassen werden könne.
Mit Bescheid vom 18.03.2009 erteilte die Beklagte der Klägerin die beantragte Baugenehmigung unter Befreiung gem. § 31 Abs.2 BauGB von der Art der baulichen Nutzung zur Errichtung einer Anlage für kulturelle Zwecke gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Gleichzeitig erteilte sie auch die Genehmigung zum Betrieb einer Feuerbestattungsanlage nach § 17 Bestattungsgesetz. Nr. 18 der Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung regelt, dass die 27. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) und die Regelungen des Bestattungsgesetzes und der Bestattungsverordnung einzuhalten sind. In der verwaltungsinternen Stellungnahme des Bauverwaltungsamtes vom 18.03.2009 wird zur Befreiung ausgeführt: Die Befreiung werde im Vorgriff auf die zu erwartende Änderung des Bebauungsplans erteilt, da die Voraussetzungen von § 33 BauGB noch nicht vorlägen. Der geplante Standort sei wegen der Nähe des Friedhofs geradezu ideal. Im Gewerbegebiet habe sich bisher nur eine Brennerei angesiedelt, von der keine Störung und Belästigung ausgehe, die die Würde der Toten oder die Pietät verletze. Für das östlich angrenzende Grundstück habe die Beklagte eine Option, dieses Grundstück vorrangig erwerben zu können, so dass die Ansiedelung eines Gewerbes von der Beklagten gesteuert werden könne.
Mit Schreiben u.a. vom 27.04.2009, vom 05.05.2009 und vom 14.05.2009 erhoben die Beigeladenen mit inhaltlich identischen Schreiben Widerspruch gegen die Baugenehmigung zum Neubau des Krematoriums. Beanstandet wurde u.a. das Entstehen stark toxischer Filterstäube. Die Beigeladenen zu 6 bis zu 28 sind im südlich des Plangebiets gelegenen Wohngebiet wohnhaft.
Mit Bescheiden der Beklagten vom 23.04.2009 und 08.05.2009 wurde die Teilbaufreigabe zur Gründung der Bodenplatte ohne Kaminfundamente und für die Errichtung von Mauerwerkswänden im Erdgeschoß erteilt und die statische Berechnung genehmigt. Mit Verfügung vom 28.05.2009 ergänzte die Beklagte gemäß § 58 Abs. 6 LBO die Baugenehmigung vom 18.03.2009 und die Nebenbestimmung Ziffer 18 und legte fest, welche Emissionsgrenzwerte nach der 27. BImSchVO nicht überschritten werden dürfen. Die Klägerin begann daraufhin mit den Bauarbeiten.
Am 22.06.2009 stellte die Klägerin einen Antrag auf Abänderung der Baugenehmigung dahingehend, dass der bisher zur Nutzung als Abschiedsraum genehmigte Raum als Besprechungsraum genehmigt wird. Die Änderungs-/Nachtragsbaugenehmigung wurde der Klägerin am 23.06.2009 erteilt. Der Beigeladene zu 1 legte hiergegen mit Schreiben vom 10.07.2009 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass selbst bei Verzicht auf den vormals genehmigten Abschiedsraum das Vorhaben planungsrechtlich unzulässig sei.
10 
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe (1 K 1111/09) ordnete durch rechtskräftigen Beschluss vom 23.06.2009 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Beigeladenen zu 1 wegen einer Verletzung des Gebietswahrungsanspruchs des Beigeladenen durch die erteilte Baugenehmigung an. Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes der Beigeladenen zu 2 und zu 3 lehnte das Verwaltungsgericht Karlsruhe (1 K 1111/09) mit der Begründung ab, auf den Gebietswahrungsanspruch könnten sich nur Eigentümer berufen. Weder ihrem Vortrag noch den Bauakten lasse sich entnehmen, dass der Betrieb einer Feuerbestattungsanlage für die Nachbarschaft gesundheitsgefährdend sei, wenn sämtliche ordnungspolizeirechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten würden. Hiervon sei auszugehen, zumal die streitbefangene Baugenehmigung entsprechende Auflagen beinhalte, deren Einhaltung jederzeit überprüfbar sei. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes der Beigeladenen zu 10, die außerhalb des Plangebiets wohnt, wurde durch Beschluss vom 29.07.2009 (1 K 1199/09) mit der Begründung abgelehnt, es könne keine Rede davon sein, dass das Vorhaben in einem Ausmaß gegen die allgemeinen Anforderungen an bauliche Anlagen verstoße, dass auch noch weit entfernt wohnende Nachbarn wie die Antragstellerin um Leben, Gesundheit oder ihre natürlichen Lebensgrundlagen fürchten müssten.
11 
Das Regierungspräsidium Karlsruhe teilte der Beklagten mit Schreiben vom 03.07.2009 mit, die Baugenehmigung sei rechtswidrig, weil sie nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts verletze und sei deshalb aufzuheben. Dem Widerspruch des Eigentümers des Nachbargrundstücks sei abzuhelfen.
12 
Mit Bescheid vom 04.08.2009, der mit einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehen war, hob die Beklagte die Baugenehmigung vom 18.03.2009 einschließlich der Nachtragsbaugenehmigung vom 23.06.2009 auf. Mit Schreiben vom 04.08.2009 an die anderen Beigeladenen wurde diesen eine Mehrfertigung der „Rücknahme der Baugenehmigung“ vom 04.08.2009 übersandt und mitgeteilt, dass ihrem Widerspruch gegen die erteilte Baugenehmigung abgeholfen werde.
13 
Der inhaltlich mit dem Bescheid vom 04.08.2009 übereinstimmende Abhilfebescheid der Beklagten vom 22.09.2009 mit einer korrigierten Rechtsmittelbelehrung wurde der Klägerin am 24.09.2009 zugestellt. Zur Begründung wurde ausgeführt: Die erteilte Baugenehmigung sei rechtswidrig, weil sie den Nachbarn schützende Vorschriften des Bauplanungsrechts verletze. Die im Zusammenhang mit der Baugenehmigung erteilte Befreiung verstoße gegen die Grundzüge der Planung und sei somit unzulässig. Die Baugenehmigung sei deshalb rechtswidrig und dem Widerspruch daher abzuhelfen.
14 
Die Klägerin hat am Montag, den 26.10.2009 Klage erhoben. Sie beantragt,
15 
den Abhilfebescheid der Beklagten vom 22.09.2009 in Verbindung mit den den Beigeladenen zugestellten Abhilfebescheiden aufzuheben.
16 
Zur Begründung wird ausgeführt: Ein Krematorium ohne Pietätshalle sei als nicht erheblich belästigender Gewerbebetrieb gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts handele es sich bei einem von einem Privaten mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenen Krematorium um einen Gewerbebetrieb. Sinn der Gebietsfestsetzung sei es, bodenrechtliche Spannungen zu vermeiden. Sofern das Betreiben eines Krematoriums auch bestattungsrechtlichen Anforderungen entsprechen müsse, könne dies bei der Erteilung der Genehmigung berücksichtigt werden. Dem Nachbarn sei es jedoch versagt, sich erfolgreich auf Verstöße gegen das Bestattungsgesetz Baden-Württemberg zu berufen. Im Übrigen kämen vorliegend Verstöße gegen die entsprechenden Anforderungen nicht in Betracht. Aufgrund des beabsichtigten Abschlusses eines Nutzungsvertrages bezüglich der in unmittelbarer Nähe befindlichen gemeindlichen Trauerhalle seien dort sowohl Zeremonien durchführbar als auch im Bedarfsfalle Möglichkeiten gegeben, den Hinterbliebenen für die Zeit des Verbrennungsvorganges Räumlichkeiten der inneren Einkehr zu bieten. Die räumliche Trennung zwischen einer Feuerbestattung und der Bestattungszeremonie sei seit der Entstehung von Krematorien von Beginn an vollzogen worden und stelle aufgrund der technischen Abläufe den wesentlichen Unterschied zu einer Erdbestattung dar. Regelmäßig wohnten Angehörige der Verbrennung unmittelbar räumlich nicht bei. Es löse heute kein Befremden mehr aus, dass der letzte Gang in einer würdigen Trauerfeierlichkeit und Beisetzung bestehe, die Einäscherung dagegen in einem pietätvoll eingerichteten Krematorium mit Lage in einem Gewerbegebiet.
17 
Ausgehend von der Annahme, bei einem Krematorium mit Trauerhalle handele es sich um eine "Anlage für kulturelle Zwecke", habe die Beklagte rechtmäßig Befreiung von der im Bebauungsplan vorgesehenen einschränkenden Festsetzung erteilt. Die streitgegenständliche Anlage und deren Ausschluss seien nicht vom seinerzeitigen Planungswillen getragen gewesen. Der Normzweck der Festsetzung sei die Wahrung möglichst geringfügiger Belästigungen. Diesem Normzweck werde genügt. Ein Krematorium mit einer Trauerhalle verursache keine erheblichen Belästigungen. Zudem habe sich das Rechtsverständnis des Begriffs "kulturelle Anlage" verändert. Zum Zeitpunkt der Festsetzung sei der heutige Inhalt des Begriffs nicht bekannt gewesen.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Sie nimmt Bezug auf die Begründung ihrer Abhilfeentscheidung und die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Karlsruhe in seinen Beschlüssen vom 23.06.2009 und 29.07.2009.
21 
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
22 
die Klage abzuweisen.
23 
Die Beigeladenen zu 2 bis zu 28 haben keine Anträge gestellt.
24 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, im Übrigen auf die vorgelegten Baurechtsakten (3 Bände) sowie auf die vorgelegten Akten zum Bebauungsplan „ XXX“ verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die Klage ist zulässig.
26 
Die Klägerin begehrt die Aufhebung der ihr und den Beigeladenen zugestellten Abhilfeentscheidung der Beklagten, mit der diese die Baugenehmigung vom 18.03.2009 i.d.F. der Änderungsbaugenehmigung vom 23.06.2009 aufgehoben hat. Mit der damit erhobenen Anfechtungsklage wurde die Monatsfrist des § 74 Abs.1 S.2 VwGO gewahrt (§ 57 VwGO, § 222 Abs.1 und Abs. 2 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2. 193 BGB). Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22.09.2009 wurde der Klägerin am 24.09.2009 zugestellt. Fristbeginn war daher der 25.09.2009 und Fristende Samstag, der 24.10.2009; die Klage wurde am darauffolgenden Montag, dem nächsten Werktag und damit rechtzeitig erhoben. Die Anfechtungsklage ist auch ohne Durchführung eines Widerspruchsverfahrens zulässig. Gemäß § 68 Abs.1 Satz 1 Nr.2 VwGO bedarf es keiner Überprüfung des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren, wenn ihr Gegenstand ein Abhilfebescheid ist, der erstmalig eine Beschwer enthält. Bei dem Bescheid der Beklagten vom 22.09.2009 handelt es sich um einen Abhilfebescheid. Die Widerspruchsbehörde kann als Aufsichtsbehörde die Ausgangsbehörde aus Anlass von Widersprüchen um den Erlass eines Abhilfebescheids gemäß § 72 VwGO ersuchen. Die Beklagte wurde auch zum Erlass einer Abhilfeentscheidung und nicht etwa zum Erlass eines Rücknahmebescheids angewiesen. Der Abhilfebescheid enthält eine erstmalige rechtliche Beschwer, weil er die erteilte Baugenehmigung vom 18.03.2009 i.d.F. der Änderungsbaugenehmigung vom 23.06.2009 insgesamt aufhebt.
27 
Die damit zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Der formell ordnungsgemäße Abhilfebescheid der Beklagten vom 22.09.2009 ist auch materiell rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
28 
Wendet sich der Inhaber einer Baugenehmigung gegen eine teilweise oder vollständige Aufhebung der Baugenehmigung im Wege eines Abhilfebescheids gemäß § 72 VwGO, ist die Frage der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nur im Hinblick auf die nachbar-schützenden Vorschriften des öffentlichen Baurechts zu überprüfen (VG Braunschweig, Urt. v. 09.10.2002 - 2 A 317/01 -, juris).
29 
Die Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens der Klägerin beurteilt sich nach § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. der Baunutzungsverordnung. Die Grundstücke der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 und zu 5 liegen im Geltungsbereich des am 03.05.2002 in Kraft getretenen qualifizierten Bebauungsplans „XXX“, für dessen Unwirksamkeit keine Anhaltspunkte bestehen. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war auch die bereits beschlossene Änderung des Bebauungsplans, wonach die Grundstücke der Klägerin sich wohl in einem Sondergebiet befinden werden, noch nicht bekanntgemacht und damit nicht beachtlich.
30 
Die schriftlichen planungsrechtlichen Festsetzungen sehen als bauliche Nutzung für das gesamte Plangebiet ein eingeschränktes Gewerbegebiet GEe (§ 8 BauNVO) vor. Nach seinen nach § 1 Abs. 5 BauNVO zulässigen Festsetzungen unter Ziffer 1.1 sind die im gesamten Plangebiet nach § 8 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässigen Lagerhäuser, Lagerplätze, Speditionsbetriebe aller Art, Tankstellen, Handelsbetriebe jeglicher Art und Anlagen für sportliche Zwecke nicht zulässig. Festgesetzt wurde weiter, dass die nach § 8 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Anlagen für kirchliche, soziale und kulturelle Zwecke sowie Vergnügungsstätten unzulässig sind (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO).
31 
Die Festsetzung eines Gewerbegebiets sowie der dort auch nicht ausnahmsweise zulässigen Vorhaben hat nachbarschützende Wirkung zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet. Die Beigeladenen, soweit sie Grundstückseigentümer im Plangebiet sind, haben damit ein subjektiv öffentliches Recht auf Bewahrung der festgesetzten Gebietsart und können sich auf einen Verstoß gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans zur Gebietsart berufen. Der Gebietsgewährleistungsanspruch berechtigt sie, sich gegen ein hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung im Baugebiet nicht zulässiges Vorhaben selbst dann zur Wehr zu setzen, wenn es an einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Nachbarn fehlt. Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 4 B 55.07 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris).
32 
Die festgesetzte Gebietsart wird durch die Genehmigung des Krematoriums nicht gewahrt, so dass die Eigentümer von Grundstücken im Planungsgebiet in ihren Rechten verletzt sind.
33 
Das geplante Vorhaben, ein Krematorium ohne Abschiedsraum, ist wegen seiner fehlender Gebietsverträglichkeit nicht allgemein als „Gewerbebetrieb aller Art“ nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zulässig.
34 
Ein Krematorium, das von einem Privaten in der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird, ist zwar ein Gewerbebetrieb mit gewerblich technischem Charakter. Daraus folgt jedoch nicht, dass es in einem Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig ist (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts richtet es sich nicht nur nach dem Wortlaut des § 8 BauNVO, sondern auch nach der Zweckbestimmung des Gewerbegebiets, welche Gewerbebetriebe in ihm bei typisierender Betrachtung zulässig sind (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Als Merkmal für die Typisierung ist dabei nicht nur die unterschiedliche Immissionsträchtigkeit oder Immissionsverträglichkeit einzelner Nutzungen maßgebend. Der Zweck der Baugebiete und die Zulässigkeit von Nutzungen in ihnen werden vielmehr auch von anderen Maßstäben der städtebaulichen Ordnung bestimmt. Dem Leitbild, "eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung und eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende Bodennutzung (zu) gewährleisten" (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB), kann eine Planung nicht gerecht werden, die den Zweck der Baugebiete und die in ihnen zulässigen Nutzungen ausschließlich nach dem Störgrad oder der Störanfälligkeit von Nutzungen im Hinblick auf Immissionen bestimmt (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Die Gebietsverträglichkeit ist damit eine für die in einem Baugebiet allgemein zulässigen und erst recht für die ausnahmsweise zulassungsfähigen Nutzungsarten ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung, der eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde liegt und die der Einzelfallprüfung auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 BauNVO vorgelagert ist (BVerwG, Urt. v. -18.11.2010 - 4 C 10/09 -, juris).
35 
Für die Frage der Gebietsverträglichkeit ist der spezifische Gebietscharakter und Gebietsbedarf des Gewerbegebiets „XXX“ maßgeblich. Allgemein dienen Gewerbegebiete gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Nach dem Leitbild der BauNVO ist ein Gewerbegebiet den produzierenden und artverwandten Nutzungen vorbehalten. Es steht Gewerbebetrieben aller Art und damit verschiedenartigsten betrieblichen Betätigungen offen, die vom kleinen Handwerksbetrieb über Handels- und Dienstleistungsunternehmen bis zu industriellen Großbetrieben reichen können (BayVGH, Urt. v. 30. 06. 2005 - 15 BV 04.576 -, juris). Für diese Baugebiete ist kennzeichnend, dass in ihnen gearbeitet wird. Sie sind durch werktägliche Geschäftigkeit geprägt (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris) und weisen die durch die verschiedenen gewerblichen Betätigungen verursachten Arbeitsgeräusche, den herrschenden, regelmäßig erheblichen Straßenverkehr, Werbungen, möglicherweise Geruchsimmissionen etc. auf. Welche Vorhaben mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets und insbesondere mit der Zweckbestimmung des Gewerbegebiets „XXX“ verträglich sind, beurteilt sich nach den Anforderungen menschedes geplanten Vorhabens an dieses Gewerbegebiet, den Auswirkungen des Vorhabens auf dieses und der Erfüllung des spezifischen Gebietsbedarfs (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10/09 -, juris).
36 
Die Anforderungen eines Krematoriums (auch ohne Abschiedsraum) an das Gewer-begebiet „XXX“ sowie seine Auswirkungen auf dieses sind mit dieser Zweckbestimmung des Plangebiets nicht vereinbar. Dies ergibt sich aus den Bestimmungen des Gesetzes über das Friedhofs-und Leichenwesen Baden-Württemberg (Bestattungsgesetz - BestattG -) vom 21.07.1970 (GBl. 1970,395). Die im Bestattungsrecht geregelten Anforderungen an Bestattungseinrichtungen sind, soweit sie städtebaulich relevant sind, im Zusammenhang mit der Frage der Gebietsverträglichkeit eines Krematoriums bereits im Baugenehmigungsverfahren zu beachten und nicht nur bei der Erteilung einer Genehmigung nach dem Bestattungsgesetz zu berücksichtigen.
37 
Das Bestattungsgesetz Baden-Württemberg enthält zur Feuerbestattung folgende Reglungen: Mit Leichen ist würdig und in gesundheitlich unbedenklicher Weise umzugehen (§ 25 BestattG). Bestattungseinrichtungen sind würdig und entsprechend den polizeilichen Erfordernissen zu gestalten und zu betreiben (§ 19 BestattG). Eine Feuerbestattung ist die Einäscherung einer Leiche und die Beisetzung der Asche (§ 32 Abs. 2 Satz 2 BestattG). Leichen dürfen nur in Feuerbestattungsanlagen eingeäschert werden (Feuerbestattung), deren Betrieb behördlich genehmigt ist (§ 33 Abs. 3 Satz 1 BestattG). Feuerbestattungsanlagen müssen einen ausreichenden Abstand zu störenden Betrieben wahren, eine würdige Umgebung muss gewährleistet sein (§ 17 BestattG).
38 
Aus § 32 Abs. 2 Satz 2 BestattG ergibt sich, dass die Einäscherung einer Leiche Teil des Bestattungsvorgangs ist. Zur Feuerbestattung gehört danach sowohl die Beisetzung der in einer Urne verschlossenen Aschenreste in einer Grabstätte, als auch die Einäscherung in einer Feuerbestattungsanlage. Ein Krematorium ist daher mit der Gesamtheit seiner Räumlichkeiten, d.h. als Gesamtanlage, bestehend aus technischen Einrichtungen und Verwaltungsbereich, eine Bestattungseinrichtung, weil in ihm ein Teil des Bestattungsvorgangs, nämlich die Einäscherung stattfindet. Ob ein Abschiedsraum vorhanden ist, ist - jedenfalls in diesem Zusammenhang - unerheblich. (vgl. auch zu § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO - kulturelle Anlage - des OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris; vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 12.10.2006 - Au 5 K 03.2079 -, juris).
39 
Die Regelung in § 3 Abs. 3 Satz der Verordnung über Anlagen zur Feuerbestattung vom 19.03.1997 - BGBl I 1997, 545 (27. BImSchVO) belegt ebenfalls, dass eine (reine) Verbrennungsanlage für menschliche Leichen eine Bestattungseinrichtung ist. Denn der Verordnungsgeber hat in dieser Vorschrift aus übergeordneten ethischen Gründen geregelt, dass eine bereits begonnene Einäscherung zu Ende zu führen ist, auch wenn die kontinuierlich ermittelte Konzentration von Kohlenmonoxid oder die Anzeige für die Rauchgasdichte auf eine Störung des ordnungsgemäßen Betriebes hinweist (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 07.10.2007 - 4 TG 1536/07 -, juris).
40 
Die Vorschriften des Bestattungsgesetzes Baden-Württemberg, wonach ein Krematorium als Bestattungseinrichtung einen ausreichenden Abstand zu störenden Betrieben im Sinne des Bestattungsgesetzes wahren und eine würdige Umgebung des Krematoriums gewährleistet sein muss, sind durch diese Anforderungen an den Standort und den Betrieb eines Krematoriums städtebaulich relevant. Durch diese Vorgaben ist der technische Vorgang des Verbrennens von menschlichen Leichen in einem Krematorium daher bauplanungsrechtlich nicht z.B. mit einer Tierkörperbeseitigungsanlage oder einer Anlage zur Verwertung tierischer Abfälle i.S. v. § 2 Abs. 1 Buchstabe a Nr. 7.12 des Anhanges zur 4. BImSchV auf die gleiche Stufe zu stellen (siehe auch Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl., Vorbem. § 2 - 9, 12 - 14 Rn 13. 1.; VG Osnabrück, Urt. v. 23.04.2010 - 2 A 21/09 -, juris).
41 
Indem das Bestattungsgesetz für ein Krematorium ein würdevolles städtebauliches Umfeld einfordert und danach als Bestattungseinrichtung nicht den für ein Gewerbegebiet typischen Nachteilen oder Belästigungen ausgesetzt sein soll, wäre grundsätzlich durch ein Krematorium in einem Gewerbegebiet die Zulässigkeit der in Gewerbegebieten üblichen werktäglichen Geschäftigkeit in Frage gestellt. Denn die Betriebe und Anlagen im Plangebiet müssen auf die Notwendigkeit einer würdevollen Umgebung des Krematoriums Rücksicht nehmen. Das Krematorium wirkt sich zugleich störend auf seine Umgebung aus, weil es als Bestattungseinrichtung die Betriebe und Anlagen in ihrer typischen Nutzung einschränkt.
42 
Die von der Kammer vertretene Auffassung, dass ein Krematorium grundsätzlich in einem Gewerbegebiet gebietsunverträglich ist, wird durch Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts gestützt, die im Folgenden sinngemäß (zusammengefasst) wiedergegeben werden: Der traditionelle Standort eines Krematoriums - von möglichen Ausnahmen abgesehen - ist das Friedhofsgelände. Friedhöfe sind üblicherweise Orte der Ruhe, des Friedens und des Gedenkens an die Verstorbenen. Sie bieten das kontemplative Umfeld, in das eine pietätvolle Totenbestattung nach herkömmlicher Anschauung und Erwartungshaltung einzubetten ist (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Im Gegensatz zu Friedhöfen sind Gewerbegebiete nicht durch Stille und Beschaulichkeit, sondern durch werktägliche Geschäftigkeit geprägt (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Krematorien sind deshalb für Gewerbegebiete - auch wenn in ihnen nur der technische Vorgang der Verbrennung stattfindet, nicht charakteristisch und widersprechen dem Leitbild eines Gewerbegebiets. Daraus dass die Nutzungsarten der Baunutzungsverordnung in den Grenzen des Wortsinns so auszulegen sind, dass jede – unbedenkliche – Nutzung ihren städtebaulich angemessenen Standort findet, folgt, dass Krematorien generell auf Friedhofsflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB), auf Flächen für den Gemeinbedarf (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB) oder in Sondergebiete (§ 11 BauNVO) gehören. Hieran hat sich durch die Zulassung der Privatisierung von Krematorien nichts geändert. Feuerbestattungsanlagen sind den im Gewerbegebiet typischerweise vertretenen Betrieben nicht gleichzustellen. Vor der gesetzlichen Zulassung von Feuerbestattungsanlagen in privater Trägerschaft ist, soweit ersichtlich, nicht bezweifelt worden, dass Krematorien der allgemeinen Zweckbestimmung des Gewerbegebiets fremd sind; denn es findet sich niemand, der die Auffassung vertritt, diese Anlagen seien als öffentliche Betriebe nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO im Gewerbegebiet allgemein zulässig.
43 
Das Plangebiet „XXX“ weist keine Besonderheiten auf, die ausnahmsweise ein Krematorium dort als gebietsverträglich erscheinen ließen. Auch in diesem Plangebiet werden die Anforderungen eines Krematoriums an eine würdevolle Umgebung nicht erfüllt. Soweit in dem Gewerbegebiet „XXX“ bestimmte allgemein zulässige Anlagen, nämlich Lagerhäuser, Lagerplätze, Speditionsbetriebe aller Art, Tankstellen ausgeschlossen sind, wird hierdurch nicht schon ein würdevolles Umfeld gewährleistet. In dem Gewerbegebiet können sich verschiedene andere für das Gewerbegebiet typische aber nach den Vorgaben des Bestattungsgesetzes störende Gewerbe ansiedeln. So haben sich in dem Gewerbebetrieb bereits eine Produktionsstätte für Metallverarbeitung und ein Betrieb, der ein Genussmittel und zwar Honigwein (Met) herstellt und Schnaps abfüllt, angesiedelt. Diese Betriebe tragen nicht zu einer pietätvollen Umgebung bei und sind nach dem allgemeinen sittlichen Empfinden als störende Betriebe im Sinne des Bestattungsgesetzes anzusehen. Der Betrieb, der Genussmittel herstellt und verarbeitet, befindet sich auch in unmittelbarer Nähe des Krematoriums, da er auf der gegenüberliegenden Straßenseite und damit nicht in ausreichender Entfernung von dem Krematorium angesiedelt ist. Die Grundstücksgrenzen der Betriebsgrundstücke sind nur 8 m voneinander entfernt. Das Krematorium ist in diesem Gewerbegebiet nach allem nicht gebietsverträglich, weil es störempfindlich ist und deshalb mit dem Zweck des Gewerbegebiets, der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben, in Konflikt geraten kann.
44 
Der Umstand, dass kein Abschiedsraum vorgesehen ist, hat nach allem keinen Einfluss auf die Frage der Gebietsunverträglichkeit des Krematoriums. Unabhängig hiervon ist jedoch auszuführen, dass trotz des fehlenden Abschiedsraums im konkreten Fall damit zu rechnen ist, dass Trauernde das Krematorium im Gewerbegebiet aufsuchen würden, um individuell vom Verstorbenen Abschied zu nehmen, was umso mehr eine würdevolle Umgebung des Krematoriums voraussetzen würde. Nach § 4 der Rechtsverordnung des Ministeriums für Arbeit und Soziales zur Durchführung des Bestattungsgesetzes (Bestattungsverordnung - BestattVO) vom 15. September 2000 muss nach Absatz 1 für die Feuerbestattungsanlage eine Leichenhalle vorhanden sein, in der die Leichen bis zur Einäscherung aufzubahren sind und müssen nach Absatz 3 für Bestattungsfeierlichkeiten geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Zu den in der Verordnung angesprochenen Bestattungsfeierlichkeiten gehört nach Auffassung der Kammer auch, dass Angehörige und andere Trauergäste in einem dem Anlass angemessenen äußeren Rahmen individuell von dem Verstorbenen vor oder während der Einäscherung Abschied nehmen und des Verstorbenen gedenken können. Allerdings muss der individuelle Abschied vom Verstorbenen nicht zwingend am Standort der Verbrennungsanlage ermöglicht werden. Die Klägerin hat aber nicht nachgewiesen, dass die Trauernden den individuellen Abschied vom Verstorbenen in einer anderen angemessenen Örtlichkeit vornehmen können. Im Bauänderungsverfahren hat die Klägerin den Betriebsablauf hinsichtlich der Ermöglichung von Bestattungsfeierlichkeiten nicht geschildert. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte ausdrücklich erklärt, dass es zwischen der Klägerin und ihr keinen Nutzungsvertrag für die Trauerhalle gebe und auch nicht geben werde. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass Angehörige und andere Trauernde wegen des Fehlens einer anderen angemessenen Örtlichkeit das Krematorium aufsuchen werden, um dort individuell von dem Verstorbenen Abschied zu nehmen.
45 
Ohne dass es hierauf ankäme, wird noch angemerkt, dass damit nicht ersichtlich ist, wie die Klägerin die Nebenbestimmung Nr. 18 der Baugenehmigung hätte erfüllen wollen, wonach von dem Betreiber des Krematoriums die Regelungen des Bestattungsgesetzes und der Bestattungsverordnung einzuhalten sind. Da eine entsprechende Betriebsablaufschilderung auch im Bauänderungsantrag fehlt, dürfte sich auch die Frage stellen, ob die Baugenehmigung ausreichend bestimmt ist.
46 
Da nach allem das Krematorium in dem Plangebiet der Beklagten nicht gebietsverträglich ist, kann offen bleiben, ob es sich es bei einem Krematorium um einen öffentlichen Betrieb nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO handelt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Denn die Zulässigkeit wäre ebenfalls wegen der fehlenden Gebietsverträglichkeit zu verneinen.
47 
Das geplante Krematorium ist auch nicht ausnahmsweise nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig.
48 
Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO können in einem Gewerbegebiet Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke ausnahmsweise zugelassen werden. Diese Bestimmung erfasst allerdings nur solche Anlagen, die zusätzlich zu der genannten Zweckbestimmung einem Gemeinbedarf dienen. Das Krematorium ist eine derartige Gemeinbedarfsanlage. Es dient nach seinem Nutzungszweck einem nicht fest bestimmten, wechselnden Teil der Bevölkerung (vgl. zu dieser Anforderung BVerwG, Urt. v. 30.6.2004 - 4 CN 7/03 -, juris), denn es ermöglicht den Angehörigen des Verstorbenen, ihrer Bestattungspflicht für den Fall einer Feuerbestattung (§ 31 BestattG) nachzukommen. Darauf, ob die Anlage im Sinn eines Gemeingebrauchs jedermann ohne weiteres offen steht, kommt es nicht an (vgl. BVerwG v. 30.6.2004.). Der erforderliche Gemeinwohlbezug fehlt nicht deshalb, weil die Anlage von einer Person des privaten Rechts nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen mit Gewinnerzielungsabsicht und damit gewerblich betrieben werden soll. Die hoheitliche "Gewährleistungs- und Überwachungsverantwortlichkeit" (vgl. hierzu BVerwG vom 30.6.2004 a.a.O.), die wegen des besonderen Allgemeininteresses an einer geordneten Bestattung besteht, stellt den Gemeinwohlbezug her. Die in Baden-Württemberg nach § 31 BestattVO zuständigen Behörden haben darüber zu wachen, dass die Vorschriften des Bestattungsgesetzes eingehalten werden (vgl. BayVGH, Urt. v. 30.06.2005 - 15 BV 04.576 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris).
49 
Das genehmigte Krematorium unterfällt als Bestattungseinrichtung aber nicht dem städte-baulichen Begriff einer Anlage für kulturelle Zwecke (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO). Dahingestellt bleiben kann, ob die Regelungen der Baunutzungsverordnung auf traditionelle Erscheinungsformen kultureller Anlagen wie etwa Stadtbüchereien, Theatern, Konzerthallen, Museen und Hochschulen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO nicht beschränkt und für neue Erscheinungsformen baulicher Vorhaben offen sind, die vom Verordnungsgeber noch gar nicht in den Blick genommen werden konnten (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris). Denn ein Krematorium ist, obwohl es als Bestattungseinrichtung nach dem Bestattungsgesetz Baden-Württemberg Teil der Bestattungskultur ist (vgl. BayVGH, Urt. v. 30.06.2005 -15 BV 04.576 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris) und seine Nutzung sich nicht in der technischen, gewerblich betriebenen Verbrennung Verstorbener erschöpft, sondern in einen kulturellen Kontext eingebettet ist und die Einäscherung als solche Teil der (Bestattungs-) Kultur ist (vgl. zum Krematorium mit Pietätsraum OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris), nach der Systematik der Baunutzungsverordnung auch bei einem solchen weiten Verständnis keine Anlage für kulturelle Zwecke i.S. v. § 8 Abs.3 Nr. 2 BauNVO. Für die Beurteilung, ob eine Anlage eine Anlage für kulturelle Zwecke i.S. v. § 8 Abs.3 Nr. 2 BauNVO ist, ist entscheidend, welche Bedeutung aus städtebaulicher Sicht der Regelung einer allgemeinen bzw. ausnahmsweisen Zulässigkeit von Gemeinbedarfsanlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke zukommt. Nach der Systematik der Baunutzungsverordnung sind Gemeinbedarfsanlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke, die innerhalb der Baugebiete nicht gesondert als Gemeinbedarfsanlagen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB festgesetzt sind, Anlagen, die wegen ihres geringen Umfangs und (oder) wegen der baulichen Anpassung in die Umgebung in den Baugebieten grundsätzlich an jeder Stelle errichtet werden können, ohne dass damit der Gebietscharakter verändert wird (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl., Vorbem. § 2 - 9, Rn 11.6). Sie sind deshalb in fast allen Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässig. So sind sie nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO in allgemeinen Wohngebieten allgemein zulässig, und können ausnahmsweise nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in Kleinsiedlungsgebieten, nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in reinen Wohngebieten, nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem Gewerbegebiet und nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem Industriegebiet zugelassen werden. Die Baunutzungsverordnung geht daher nach ihrer Systematik davon aus, dass die allgemein oder ausnahmsweise zulässigen kulturellen Anlagen in der Regel in diesen Baugebieten gebietsverträglich sind. Ein Krematorium ist aber keine Anlage, die wegen ihres geringen Umfangs (oder) der baulichen Anpassung in die Umgebung regelmäßig in den angeführten Baugebieten an jeder Stelle errichtet werden kann, ohne dass damit der Gebietscharakter verändert wird. Bei einem Krematorium drängt sich wegen der von ihm ausgehenden Störungen aufgrund des Erfordernisses der Rücksichtnahme auf das Umfeld der Bestattungseinrichtung einerseits und andererseits durch die Anforderungen der 27. Bundesimmissionsschutzverordnung von vorneherein die Notwendigkeit einer gesonderten Festsetzung einer Gemeinbedarfsanlage nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB oder als Friedhofsfläche (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB) oder als Sondergebiet (§ 11 BauNVO) auf, damit die Interessen- und Nutzungskonflikte schon im Rahmen einer planerischen Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB bewältigt werden. Eine Anlage wie ein Krematorium, bei dem nicht nur im Einzelfall, sondern in den weit überwiegenden Fällen eine Gebietsverträglichkeit zu verneinen sein dürfte, gehört damit nicht zu den kulturellen Anlagen im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO (so im Ergebnis auch VG Osnabrück, Urt. v. 23.04.2010 - 2 A 21/09 -, juris; vgl. zum bisher üblichen Standort von Krematorien auf Friedhofsflächen BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris).
50 
Letztlich kann aber auch dahingestellt bleiben, ob das geplante Krematorium (ohne Abschiedsraum) eine Anlage für kulturelle Zwecke im Sinn von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ist. Denn selbst wenn ein Krematorium ohne Abschiedsraum von diesem Begriff i.S. von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO erfasst sein sollte, hat die Klage keinen Erfolg.
51 
Die in § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO bezeichneten Nutzungsarten sind - wie bereits ausgeführt - nur dann ohne Weiteres gebietsverträglich, wenn sie nicht störempfindlich sind und deshalb mit dem Zweck des Gewerbegebiets, der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben, nicht in Konflikt geraten können. Das Vorhaben ist aus den zu § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauGB ausgeführten Gründen jedoch als Anlage für kulturelle Zwecke in dem Gewerbegebiet „XXX“ nicht gebietsverträglich und kann deshalb nicht ausnahmsweise zugelassen werden.
52 
Eine Feuerbestattungsanlage ohne Abschiedsraum ist unabhängig hiervon als kulturelle Anlage im Gewerbegebiet der Beklagten auch deshalb nicht ausnahmsweise zulässig, weil nach den schriftlichen Festsetzungen des Bebauungsplans im gesamten Plangebiet Anlagen für kulturelle Zwecke nicht zulässig sind. Der Plangeber hat mit der getroffenen Festsetzung von der Ermächtigung des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO Gebrauch gemacht, wonach im Bebauungsplan festgesetzt werden kann, dass Ausnahmen, die in den einzelnen Baugebieten nach §§ 2 bis 9 BauNVO vorgesehen sind, ganz oder teilweise nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden, und in zulässiger Weise unter Wahrung der allgemeinen Zweckbestimmung des Baugebietes die Möglichkeit genutzt, den Baugebietskatalog zu variieren (vgl. Fickert/Fieseler, 11. Aufl., § 1 Rn 104 ff.). Durch den vorgenommenen Ausschluss von Ausnahmen wurde in zulässiger Weise sichergestellt, dass sich in dem Gewerbegebiet die dort typischen Gewerbebetriebe und nicht auch kirchliche, kulturelle und soziale Anlagen ansiedeln können. Dass die Beklagte bei dieser Festsetzung nicht an Krematorien gedacht haben mag und die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage, ob ein Krematorium (mit Pietätsraum) eine kulturelle Anlage ist, erst seit 2005 bekannt ist, ändert an diesem Ergebnis nichts. Maßgeblich ist der objektive Erklärungsgehalt der planerischen Festsetzungen. Dem Wortlaut der Festsetzungen ist aber nicht zu entnehmen, dass Krematorien als kulturelle Anlagen von der Regelung nicht erfasst sein sollen. Auch die Entstehungsgeschichte und Begründung des Bebauungsplans gibt hierfür keine Anhaltspunkte. Deshalb ist mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der Plangeber mit den unter Ziff. 1.1 aufgeführten „kulturellen Anlage“ die von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO erfassten Anlagen ausschließen wollte.
53 
Die Voraussetzungen nach § 31 Abs. 1 BauGB, wonach von den Festsetzungen eines Bebauungsplans solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind, liegen nicht vor. Der Bebauungsplan „XXX“ sieht nicht vor, dass von dem Ausschluss der Erteilung einer Ausnahme wiederum eine Ausnahme gemacht werden kann.
54 
Die Beklagte hat allerdings von den textlichen Festsetzungen unter Ziff. 1.1. gemäß § 31 Abs. 2 BauGB rechtswidrig eine Befreiung erteilt. Die Beigeladenen, die Eigentümer eines Grundstücks im Plangebiet sind, können sich aus eigenem Recht auf die Unzulässigkeit der Befreiung berufen, weil die Beklagte von einer nachbarschützenden Festsetzung befreit hat. Das bräuchten die Beigeladenen als Grundstückseigentümer im Plangebiet nur hinzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB erfüllt wären. Daran fehlt es.
55 
Die Befreiung ist rechtswidrig, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht vorliegen.
56 
Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern (Nr. 1) oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
57 
Nach der verwaltungsinternen Begründung der Erteilung einer Befreiung durch die Beklagte soll die Befreiung im Hinblick auf die beabsichtigte Änderung des Bebauungsplans erteilt worden sein. Dies wäre durch § 31 Abs. 2 BauGB nicht gedeckt. Die Bestimmung des § 31 Abs. 2 BauGB sieht nach ihrem Wortlaut nicht vor, dass im Vorgriff auf die Festsetzungen eines neuen Bebauungsplans, der die Voraussetzungen von § 33 BauGB noch nicht erfüllt, Befreiungen von dem noch gültigen Bebauungsplan erteilt werden können. Ein Vorhaben kann vor Inkrafttreten eines Bebauungsplans nur unter den engen Voraussetzungen des § 33 BauGB genehmigt werden.
58 
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Befreiung liegen nicht vor. Für alle drei Fallgruppen des § 31 Abs. 2 BauGB gilt, dass eine Befreiung nicht schon erteilt werden kann, wenn die jeweiligen Voraussetzungen der Befreiungsgründe vorliegen, sondern dass zusätzlich die Grundzüge der Planung nicht berührt werden dürfen (BVerwG, Beschl. v. 24.09.2009 - 4 B 29/09 -, juris). Die von der Beklagten erteilte Befreiung zum Zweck der Genehmigung des streitigen Vorhabens berührt die Grundzüge der Planung und ist deshalb nicht zulässig.
59 
Ob die Grundzüge der Planung berührt sind, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung in der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist. Die Abweichung muss - soll sie mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein - durch das planerische Wollen gedeckt sein; es muss - mit anderen Worten - angenommen werden können, die Abweichung liege noch im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung gekannt hätte. Die Grundzüge der Planung i.S.d. § 31 Abs. 2 BauGB sind daher nur dann nicht berührt, wenn die Abweichung die konkrete Planungskonzeption des Bebauungsplans im Wesentlichen unangetastet lässt, d.h., sie darf eine getroffene Planentscheidung bzw. das planerische Leitbild der Gemeinde nicht aus den Angeln heben. Abweichungen von minderem Gewicht, die die Planungskonzeption des Bebauungsplans unangetastet lassen, berühren die Grundzüge der Planung nicht (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10/09 -, juris m.w. N.). Durch das Erfordernis der Wahrung der Grundzüge der Planung stellt der Gesetzgeber sicher, dass die Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht beliebig durch Verwaltungsakt außer Kraft gesetzt werden können. Von diesem Planungskonzept kann nicht durch Einzelfallregelung im Wege einer Befreiung abgewichen werden, weil das den allgemeinen Geltungsanspruch des Bebauungsplans in Frage stellen würde und deshalb nur vom Plangeber selbst im Wege einer Änderung des Bebauungsplans legitimiert werden könnte. Die Änderung eines Bebauungsplanes obliegt nach § 2 Abs. 4 BauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehörde. Hierfür ist in den §§ 3 und 4 BauGB ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange vorgeschrieben. Diese Regelung darf nicht durch eine großzügige Befreiungspraxis aus den Angeln gehoben werden. Abweichungen von der festgesetzten Art der Nutzung berühren nicht ausnahmslos die Grundzüge der Planung, da auf die Verhältnisse im Einzelfall abzustellen ist.
60 
Die Beantwortung der Frage, ob Grundzüge der Planung berührt werden, setzt damit einerseits die Feststellung voraus, was zum planerischen Grundkonzept gehört und andererseits die Feststellung, ob dieses planerische Grundkonzept gerade durch die in Frage stehende Befreiung berührt wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.03.2000, NVwZ-RR 2000, 759, Beschl. v. 19.05.2004 - 4 B 35/04 -, juris).
61 
Zum planerischen Grundkonzept der Beklagten gehört der vollständige Ausschluss von Anlagen für kulturelle Zwecke i.S. v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Aus der Begründung des Bebauungsplans (S. 3) ergibt sich nichts anderes. Aus ihr wird lediglich erkennbar, dass in Anbetracht der ungünstigen Ventilations-und Luftaustauschsituation im Nördlichen Elsenztal nur die Zulassung nicht emittierenden Gewerbes in Frage kam und wegen der hydrogeologischen Verhältnisse ein eingeschränktes Gewerbegebiet festgesetzt wurde. Aus welchen Gründen keine Ausnahmen für kulturelle Anlagen, gleich welcher Art, zugelassen werden sollten, ist nicht ersichtlich. Wäre das geplante Krematorium eine Anlage für kulturelle Zwecke i.S. v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, würde die Erteilung einer Befreiung für eine solche Anlage, das Konzept, Anlagen für kulturelle Zwecke nicht ausnahmsweise zuzulassen, aus den Angeln heben. Die Genehmigung eines Krematoriums wäre nicht eine Abweichung von minderem Gewicht. Vielmehr würde sie den allgemeinen Geltungsanspruch des Bebauungsplans in Frage stellen und könnte deshalb nur vom Plangeber selbst im Wege einer Änderung des Bebauungsplans legitimiert werden. Eine Änderung des Bebauungsplans dahingehend, Krematorien ausnahmsweise zuzulassen, wurde nicht vorgenommen.
62 
Darüber hinaus wurde von der Beklagten das nach § 31 Abs. 2 BauGB eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt. Eine Reduzierung des Ermessens auf Null ist im Hinblick auf die zu berücksichtigenden nachbarlichen Interessen und auf die Besonderheiten, die mit der Genehmigung eines Krematoriums verbunden sind, nicht zu bejahen. Durch die Nichtausübung des Ermessens werden die Rechte der Nachbarn, deren Belange bei der Ermessensausübung zu würdigen sind, auch verletzt.
63 
Darauf, ob die Voraussetzungen einer Befreiung von der Festsetzung des Gebietstyps eines eingeschränkten Gewerbegebiet vorliegen, kommt es im vorliegenden Fall nicht an, weil die Beklagte ausdrücklich die Baugenehmigung unter Befreiung gem. § 31 Abs.2 BauGB von der Art der baulichen Nutzung zur Errichtung einer Anlage für kulturelle Zwecke gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO erteilt hat. Unabhängig hiervon wären auch hierfür schon deshalb die Befreiungsvoraussetzungen nicht gegeben, weil Gründe des Allgemeinwohls nicht die Befreiung erfordern würden. Gründe des Wohls der Allgemeinheit erfordern eine Befreiung im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB zwar nicht erst dann, wenn den Belangen der Allgemeinheit auf eine andere Weise als durch eine Befreiung nicht entsprochen werden könnte, sondern bereits dann, wenn es zur Wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen Interesses "vernünftigerweise geboten" ist, mit Hilfe der Befreiung das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen. Dass die Befreiung dem Gemeinwohl nur irgendwie nützlich oder dienlich ist, reicht demgegenüber nicht aus. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Dabei kann es auch auf - nach objektiven Kriterien zu beurteilende - Fragen der Zumutbarkeit ankommen (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10/09 -, juris). Nach diesen Grundsätzen erfordern Gründe des Allgemeinwohls nicht die Befreiung. Zwar hat die Zahl der Feuerbestattungen erheblich zugenommen. Dass die Errichtung eines Krematorien wegen eines besonderen Bedarfs für ein Krematorium gerade in XXX und dort im Gewerbegebiet „XXX“ vernünftigerweise geboten ist, ist aber nicht ersichtlich.
64 
Eine Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung ergibt sich auch nicht aus § 33 BauGB. Im für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.11.2010 - 4 B 43/10 -, juris) war nach dem Vorbringen der Beteiligten ein Bauantrag nach § 33 BauGB nicht streitgegenständlich. Auf die Frage, ob der inzwischen neu gestellte Bauantrag mit dem bisherigen Bauantrag identisch ist, kam es daher nicht an. Unabhängig hiervon lagen die besonderen Voraussetzungen des § 33 BauGB nicht nachweislich insgesamt vor. Denn die erforderliche schriftliche Anerkennung der Festsetzungen des zukünftigen Bebauungsplans für sich und seine Rechtsnachfolger (§ 33 Abs. 2 Nr. 3 BauGB) lag dem Gericht im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vor.
65 
Da die erteilte Baugenehmigung wegen der Verletzung von nachbarschützenden baurechtlichen Vorschriften zu Recht aufgehoben wurde, war auf die Frage der Verletzung von drittschützenden immissionsschutzrechtlichen Vorschriften nicht mehr einzugehen. Der Vollständigkeit halber wird jedoch ausgeführt, dass auch Eigentümer eines nicht im Plangebiet, aber in unmittelbarer Nähe der genehmigten Anlage gelegenen (Wohn-) Grundstücks einen Anspruch darauf haben, dass sie keinen unzumutbaren oder erheblichen Belästigungen, Störungen oder Nachteilen im Sinne der - im Schutzniveau identischen - Vorschriften des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ausgesetzt werden (VGH Kassel, Beschl. v. 07.10.2007 -4 TG 1536/07 -, juris). Im vorliegenden Fall ist jedoch davon auszugehen, dass die Einhaltung der Vorgaben der 27. BImSchV gesichert ist. Die Einhaltung der Grenzwerte nach der 27. BImSchV wird durch die Klägerin in einer so genannten Garantieerklärung vom 03.12.2008 gewährleistet; vor allem wurden mit ergänzendem Bescheid vom 28.05.2009 durch Auflagen die Einhaltung bestimmter Immissionsgrenzwerte nach der 27. BImSchV beim Betrieb der Anlage sichergestellt.
66 
Die Beigeladenen können sich auch nicht auf Wertminderungen ihrer Grundstücke berufen. Wertminderungen als Folge der Nutzung einer Baugenehmigung für das Nachbargrundstück bilden für sich genommen - also über das zum Gebot der Rücksichtnahme bereits Ausgeführte hinaus - keinen Maßstab für die Zulässigkeit eines Vorhabens. Die Abhängigkeit, in der Grundstücke zu der sie umgebenden städtebaulichen Situation stehen, schließt ein, dass die Grundstückswerte von dieser Situation beeinflusst werden und dass deshalb auch ungünstige Einflüsse, die auf Änderungen der Umgebung beruhen, grundsätzlich hingenommen werden müssen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladenen einen über die situationsbedingte Wertminderung hinausgehenden, schlechthin unzumutbaren Wertverlust ihrer Immobilie hinnehmen müssten, sind nicht ersichtlich (vgl. VG Ansbach, Urt. v. 16.12.2010 -AN 9 K 10.01394 -, juris).
67 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Auferlegung der Kosten eines Beigeladenen entspricht im Regelfall nur dann der Billigkeit nach § 162 Abs. 3 VwGO, wenn er i. S. des § 154 Abs. 3 VwGO einen Antrag gestellt oder das Verfahren wesentlich gefördert hat. Für einen notwendig Beigeladenen gilt grundsätzlich nichts Anderes, auch nicht im Baunachbarstreit (VGH Bad.Württ., Beschl. v. 20.01.2011 - 8 S 2567/10 -, juris). Danach hat die Klägerin nur die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1 zu tragen, da nur er einen Antrag gestellt hat und ein Kostenrisiko eingegangen ist. Da die weiteren Beigeladenen keinen Antrag gestellt und das Verfahren auch nicht wesentlich gefördert haben und auch kein anderer Billigkeitsgrund zu ihren Gunsten zu berücksichtigen ist, tragen sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
68 
Das Gericht sah keinen Anlass, das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären, § 167 Abs. 2 VwGO.
69 
BESCHLUSS
70 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf EUR 73.000,-- festgesetzt. Der Streitwert orientiert sich an der Nr. 9.1.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004, wonach für„ sonstige Anlagen je nach Einzelfall ein Bruchteil der geschätzten Rohbaukosten“ als Streitwert festzusetzen ist. Die Rohbaukosten sind mit EUR 220.000,-- angegeben. Der Bruchteil von 1/3 der Rohbaukosten entspricht der wirtschaftlichen Bedeutung des Verfahrens für die Klägerin und führt zu einem Streitwert in Höhe von 73.000,-- EUR (abgerundet).
71 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
25 
Die Klage ist zulässig.
26 
Die Klägerin begehrt die Aufhebung der ihr und den Beigeladenen zugestellten Abhilfeentscheidung der Beklagten, mit der diese die Baugenehmigung vom 18.03.2009 i.d.F. der Änderungsbaugenehmigung vom 23.06.2009 aufgehoben hat. Mit der damit erhobenen Anfechtungsklage wurde die Monatsfrist des § 74 Abs.1 S.2 VwGO gewahrt (§ 57 VwGO, § 222 Abs.1 und Abs. 2 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2. 193 BGB). Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22.09.2009 wurde der Klägerin am 24.09.2009 zugestellt. Fristbeginn war daher der 25.09.2009 und Fristende Samstag, der 24.10.2009; die Klage wurde am darauffolgenden Montag, dem nächsten Werktag und damit rechtzeitig erhoben. Die Anfechtungsklage ist auch ohne Durchführung eines Widerspruchsverfahrens zulässig. Gemäß § 68 Abs.1 Satz 1 Nr.2 VwGO bedarf es keiner Überprüfung des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren, wenn ihr Gegenstand ein Abhilfebescheid ist, der erstmalig eine Beschwer enthält. Bei dem Bescheid der Beklagten vom 22.09.2009 handelt es sich um einen Abhilfebescheid. Die Widerspruchsbehörde kann als Aufsichtsbehörde die Ausgangsbehörde aus Anlass von Widersprüchen um den Erlass eines Abhilfebescheids gemäß § 72 VwGO ersuchen. Die Beklagte wurde auch zum Erlass einer Abhilfeentscheidung und nicht etwa zum Erlass eines Rücknahmebescheids angewiesen. Der Abhilfebescheid enthält eine erstmalige rechtliche Beschwer, weil er die erteilte Baugenehmigung vom 18.03.2009 i.d.F. der Änderungsbaugenehmigung vom 23.06.2009 insgesamt aufhebt.
27 
Die damit zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Der formell ordnungsgemäße Abhilfebescheid der Beklagten vom 22.09.2009 ist auch materiell rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
28 
Wendet sich der Inhaber einer Baugenehmigung gegen eine teilweise oder vollständige Aufhebung der Baugenehmigung im Wege eines Abhilfebescheids gemäß § 72 VwGO, ist die Frage der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nur im Hinblick auf die nachbar-schützenden Vorschriften des öffentlichen Baurechts zu überprüfen (VG Braunschweig, Urt. v. 09.10.2002 - 2 A 317/01 -, juris).
29 
Die Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens der Klägerin beurteilt sich nach § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. der Baunutzungsverordnung. Die Grundstücke der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 und zu 5 liegen im Geltungsbereich des am 03.05.2002 in Kraft getretenen qualifizierten Bebauungsplans „XXX“, für dessen Unwirksamkeit keine Anhaltspunkte bestehen. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war auch die bereits beschlossene Änderung des Bebauungsplans, wonach die Grundstücke der Klägerin sich wohl in einem Sondergebiet befinden werden, noch nicht bekanntgemacht und damit nicht beachtlich.
30 
Die schriftlichen planungsrechtlichen Festsetzungen sehen als bauliche Nutzung für das gesamte Plangebiet ein eingeschränktes Gewerbegebiet GEe (§ 8 BauNVO) vor. Nach seinen nach § 1 Abs. 5 BauNVO zulässigen Festsetzungen unter Ziffer 1.1 sind die im gesamten Plangebiet nach § 8 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässigen Lagerhäuser, Lagerplätze, Speditionsbetriebe aller Art, Tankstellen, Handelsbetriebe jeglicher Art und Anlagen für sportliche Zwecke nicht zulässig. Festgesetzt wurde weiter, dass die nach § 8 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Anlagen für kirchliche, soziale und kulturelle Zwecke sowie Vergnügungsstätten unzulässig sind (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO).
31 
Die Festsetzung eines Gewerbegebiets sowie der dort auch nicht ausnahmsweise zulässigen Vorhaben hat nachbarschützende Wirkung zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet. Die Beigeladenen, soweit sie Grundstückseigentümer im Plangebiet sind, haben damit ein subjektiv öffentliches Recht auf Bewahrung der festgesetzten Gebietsart und können sich auf einen Verstoß gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans zur Gebietsart berufen. Der Gebietsgewährleistungsanspruch berechtigt sie, sich gegen ein hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung im Baugebiet nicht zulässiges Vorhaben selbst dann zur Wehr zu setzen, wenn es an einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Nachbarn fehlt. Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 4 B 55.07 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris).
32 
Die festgesetzte Gebietsart wird durch die Genehmigung des Krematoriums nicht gewahrt, so dass die Eigentümer von Grundstücken im Planungsgebiet in ihren Rechten verletzt sind.
33 
Das geplante Vorhaben, ein Krematorium ohne Abschiedsraum, ist wegen seiner fehlender Gebietsverträglichkeit nicht allgemein als „Gewerbebetrieb aller Art“ nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zulässig.
34 
Ein Krematorium, das von einem Privaten in der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird, ist zwar ein Gewerbebetrieb mit gewerblich technischem Charakter. Daraus folgt jedoch nicht, dass es in einem Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig ist (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts richtet es sich nicht nur nach dem Wortlaut des § 8 BauNVO, sondern auch nach der Zweckbestimmung des Gewerbegebiets, welche Gewerbebetriebe in ihm bei typisierender Betrachtung zulässig sind (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Als Merkmal für die Typisierung ist dabei nicht nur die unterschiedliche Immissionsträchtigkeit oder Immissionsverträglichkeit einzelner Nutzungen maßgebend. Der Zweck der Baugebiete und die Zulässigkeit von Nutzungen in ihnen werden vielmehr auch von anderen Maßstäben der städtebaulichen Ordnung bestimmt. Dem Leitbild, "eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung und eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende Bodennutzung (zu) gewährleisten" (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB), kann eine Planung nicht gerecht werden, die den Zweck der Baugebiete und die in ihnen zulässigen Nutzungen ausschließlich nach dem Störgrad oder der Störanfälligkeit von Nutzungen im Hinblick auf Immissionen bestimmt (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Die Gebietsverträglichkeit ist damit eine für die in einem Baugebiet allgemein zulässigen und erst recht für die ausnahmsweise zulassungsfähigen Nutzungsarten ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung, der eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde liegt und die der Einzelfallprüfung auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 BauNVO vorgelagert ist (BVerwG, Urt. v. -18.11.2010 - 4 C 10/09 -, juris).
35 
Für die Frage der Gebietsverträglichkeit ist der spezifische Gebietscharakter und Gebietsbedarf des Gewerbegebiets „XXX“ maßgeblich. Allgemein dienen Gewerbegebiete gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Nach dem Leitbild der BauNVO ist ein Gewerbegebiet den produzierenden und artverwandten Nutzungen vorbehalten. Es steht Gewerbebetrieben aller Art und damit verschiedenartigsten betrieblichen Betätigungen offen, die vom kleinen Handwerksbetrieb über Handels- und Dienstleistungsunternehmen bis zu industriellen Großbetrieben reichen können (BayVGH, Urt. v. 30. 06. 2005 - 15 BV 04.576 -, juris). Für diese Baugebiete ist kennzeichnend, dass in ihnen gearbeitet wird. Sie sind durch werktägliche Geschäftigkeit geprägt (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris) und weisen die durch die verschiedenen gewerblichen Betätigungen verursachten Arbeitsgeräusche, den herrschenden, regelmäßig erheblichen Straßenverkehr, Werbungen, möglicherweise Geruchsimmissionen etc. auf. Welche Vorhaben mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets und insbesondere mit der Zweckbestimmung des Gewerbegebiets „XXX“ verträglich sind, beurteilt sich nach den Anforderungen menschedes geplanten Vorhabens an dieses Gewerbegebiet, den Auswirkungen des Vorhabens auf dieses und der Erfüllung des spezifischen Gebietsbedarfs (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10/09 -, juris).
36 
Die Anforderungen eines Krematoriums (auch ohne Abschiedsraum) an das Gewer-begebiet „XXX“ sowie seine Auswirkungen auf dieses sind mit dieser Zweckbestimmung des Plangebiets nicht vereinbar. Dies ergibt sich aus den Bestimmungen des Gesetzes über das Friedhofs-und Leichenwesen Baden-Württemberg (Bestattungsgesetz - BestattG -) vom 21.07.1970 (GBl. 1970,395). Die im Bestattungsrecht geregelten Anforderungen an Bestattungseinrichtungen sind, soweit sie städtebaulich relevant sind, im Zusammenhang mit der Frage der Gebietsverträglichkeit eines Krematoriums bereits im Baugenehmigungsverfahren zu beachten und nicht nur bei der Erteilung einer Genehmigung nach dem Bestattungsgesetz zu berücksichtigen.
37 
Das Bestattungsgesetz Baden-Württemberg enthält zur Feuerbestattung folgende Reglungen: Mit Leichen ist würdig und in gesundheitlich unbedenklicher Weise umzugehen (§ 25 BestattG). Bestattungseinrichtungen sind würdig und entsprechend den polizeilichen Erfordernissen zu gestalten und zu betreiben (§ 19 BestattG). Eine Feuerbestattung ist die Einäscherung einer Leiche und die Beisetzung der Asche (§ 32 Abs. 2 Satz 2 BestattG). Leichen dürfen nur in Feuerbestattungsanlagen eingeäschert werden (Feuerbestattung), deren Betrieb behördlich genehmigt ist (§ 33 Abs. 3 Satz 1 BestattG). Feuerbestattungsanlagen müssen einen ausreichenden Abstand zu störenden Betrieben wahren, eine würdige Umgebung muss gewährleistet sein (§ 17 BestattG).
38 
Aus § 32 Abs. 2 Satz 2 BestattG ergibt sich, dass die Einäscherung einer Leiche Teil des Bestattungsvorgangs ist. Zur Feuerbestattung gehört danach sowohl die Beisetzung der in einer Urne verschlossenen Aschenreste in einer Grabstätte, als auch die Einäscherung in einer Feuerbestattungsanlage. Ein Krematorium ist daher mit der Gesamtheit seiner Räumlichkeiten, d.h. als Gesamtanlage, bestehend aus technischen Einrichtungen und Verwaltungsbereich, eine Bestattungseinrichtung, weil in ihm ein Teil des Bestattungsvorgangs, nämlich die Einäscherung stattfindet. Ob ein Abschiedsraum vorhanden ist, ist - jedenfalls in diesem Zusammenhang - unerheblich. (vgl. auch zu § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO - kulturelle Anlage - des OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris; vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 12.10.2006 - Au 5 K 03.2079 -, juris).
39 
Die Regelung in § 3 Abs. 3 Satz der Verordnung über Anlagen zur Feuerbestattung vom 19.03.1997 - BGBl I 1997, 545 (27. BImSchVO) belegt ebenfalls, dass eine (reine) Verbrennungsanlage für menschliche Leichen eine Bestattungseinrichtung ist. Denn der Verordnungsgeber hat in dieser Vorschrift aus übergeordneten ethischen Gründen geregelt, dass eine bereits begonnene Einäscherung zu Ende zu führen ist, auch wenn die kontinuierlich ermittelte Konzentration von Kohlenmonoxid oder die Anzeige für die Rauchgasdichte auf eine Störung des ordnungsgemäßen Betriebes hinweist (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 07.10.2007 - 4 TG 1536/07 -, juris).
40 
Die Vorschriften des Bestattungsgesetzes Baden-Württemberg, wonach ein Krematorium als Bestattungseinrichtung einen ausreichenden Abstand zu störenden Betrieben im Sinne des Bestattungsgesetzes wahren und eine würdige Umgebung des Krematoriums gewährleistet sein muss, sind durch diese Anforderungen an den Standort und den Betrieb eines Krematoriums städtebaulich relevant. Durch diese Vorgaben ist der technische Vorgang des Verbrennens von menschlichen Leichen in einem Krematorium daher bauplanungsrechtlich nicht z.B. mit einer Tierkörperbeseitigungsanlage oder einer Anlage zur Verwertung tierischer Abfälle i.S. v. § 2 Abs. 1 Buchstabe a Nr. 7.12 des Anhanges zur 4. BImSchV auf die gleiche Stufe zu stellen (siehe auch Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl., Vorbem. § 2 - 9, 12 - 14 Rn 13. 1.; VG Osnabrück, Urt. v. 23.04.2010 - 2 A 21/09 -, juris).
41 
Indem das Bestattungsgesetz für ein Krematorium ein würdevolles städtebauliches Umfeld einfordert und danach als Bestattungseinrichtung nicht den für ein Gewerbegebiet typischen Nachteilen oder Belästigungen ausgesetzt sein soll, wäre grundsätzlich durch ein Krematorium in einem Gewerbegebiet die Zulässigkeit der in Gewerbegebieten üblichen werktäglichen Geschäftigkeit in Frage gestellt. Denn die Betriebe und Anlagen im Plangebiet müssen auf die Notwendigkeit einer würdevollen Umgebung des Krematoriums Rücksicht nehmen. Das Krematorium wirkt sich zugleich störend auf seine Umgebung aus, weil es als Bestattungseinrichtung die Betriebe und Anlagen in ihrer typischen Nutzung einschränkt.
42 
Die von der Kammer vertretene Auffassung, dass ein Krematorium grundsätzlich in einem Gewerbegebiet gebietsunverträglich ist, wird durch Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts gestützt, die im Folgenden sinngemäß (zusammengefasst) wiedergegeben werden: Der traditionelle Standort eines Krematoriums - von möglichen Ausnahmen abgesehen - ist das Friedhofsgelände. Friedhöfe sind üblicherweise Orte der Ruhe, des Friedens und des Gedenkens an die Verstorbenen. Sie bieten das kontemplative Umfeld, in das eine pietätvolle Totenbestattung nach herkömmlicher Anschauung und Erwartungshaltung einzubetten ist (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Im Gegensatz zu Friedhöfen sind Gewerbegebiete nicht durch Stille und Beschaulichkeit, sondern durch werktägliche Geschäftigkeit geprägt (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Krematorien sind deshalb für Gewerbegebiete - auch wenn in ihnen nur der technische Vorgang der Verbrennung stattfindet, nicht charakteristisch und widersprechen dem Leitbild eines Gewerbegebiets. Daraus dass die Nutzungsarten der Baunutzungsverordnung in den Grenzen des Wortsinns so auszulegen sind, dass jede – unbedenkliche – Nutzung ihren städtebaulich angemessenen Standort findet, folgt, dass Krematorien generell auf Friedhofsflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB), auf Flächen für den Gemeinbedarf (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB) oder in Sondergebiete (§ 11 BauNVO) gehören. Hieran hat sich durch die Zulassung der Privatisierung von Krematorien nichts geändert. Feuerbestattungsanlagen sind den im Gewerbegebiet typischerweise vertretenen Betrieben nicht gleichzustellen. Vor der gesetzlichen Zulassung von Feuerbestattungsanlagen in privater Trägerschaft ist, soweit ersichtlich, nicht bezweifelt worden, dass Krematorien der allgemeinen Zweckbestimmung des Gewerbegebiets fremd sind; denn es findet sich niemand, der die Auffassung vertritt, diese Anlagen seien als öffentliche Betriebe nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO im Gewerbegebiet allgemein zulässig.
43 
Das Plangebiet „XXX“ weist keine Besonderheiten auf, die ausnahmsweise ein Krematorium dort als gebietsverträglich erscheinen ließen. Auch in diesem Plangebiet werden die Anforderungen eines Krematoriums an eine würdevolle Umgebung nicht erfüllt. Soweit in dem Gewerbegebiet „XXX“ bestimmte allgemein zulässige Anlagen, nämlich Lagerhäuser, Lagerplätze, Speditionsbetriebe aller Art, Tankstellen ausgeschlossen sind, wird hierdurch nicht schon ein würdevolles Umfeld gewährleistet. In dem Gewerbegebiet können sich verschiedene andere für das Gewerbegebiet typische aber nach den Vorgaben des Bestattungsgesetzes störende Gewerbe ansiedeln. So haben sich in dem Gewerbebetrieb bereits eine Produktionsstätte für Metallverarbeitung und ein Betrieb, der ein Genussmittel und zwar Honigwein (Met) herstellt und Schnaps abfüllt, angesiedelt. Diese Betriebe tragen nicht zu einer pietätvollen Umgebung bei und sind nach dem allgemeinen sittlichen Empfinden als störende Betriebe im Sinne des Bestattungsgesetzes anzusehen. Der Betrieb, der Genussmittel herstellt und verarbeitet, befindet sich auch in unmittelbarer Nähe des Krematoriums, da er auf der gegenüberliegenden Straßenseite und damit nicht in ausreichender Entfernung von dem Krematorium angesiedelt ist. Die Grundstücksgrenzen der Betriebsgrundstücke sind nur 8 m voneinander entfernt. Das Krematorium ist in diesem Gewerbegebiet nach allem nicht gebietsverträglich, weil es störempfindlich ist und deshalb mit dem Zweck des Gewerbegebiets, der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben, in Konflikt geraten kann.
44 
Der Umstand, dass kein Abschiedsraum vorgesehen ist, hat nach allem keinen Einfluss auf die Frage der Gebietsunverträglichkeit des Krematoriums. Unabhängig hiervon ist jedoch auszuführen, dass trotz des fehlenden Abschiedsraums im konkreten Fall damit zu rechnen ist, dass Trauernde das Krematorium im Gewerbegebiet aufsuchen würden, um individuell vom Verstorbenen Abschied zu nehmen, was umso mehr eine würdevolle Umgebung des Krematoriums voraussetzen würde. Nach § 4 der Rechtsverordnung des Ministeriums für Arbeit und Soziales zur Durchführung des Bestattungsgesetzes (Bestattungsverordnung - BestattVO) vom 15. September 2000 muss nach Absatz 1 für die Feuerbestattungsanlage eine Leichenhalle vorhanden sein, in der die Leichen bis zur Einäscherung aufzubahren sind und müssen nach Absatz 3 für Bestattungsfeierlichkeiten geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Zu den in der Verordnung angesprochenen Bestattungsfeierlichkeiten gehört nach Auffassung der Kammer auch, dass Angehörige und andere Trauergäste in einem dem Anlass angemessenen äußeren Rahmen individuell von dem Verstorbenen vor oder während der Einäscherung Abschied nehmen und des Verstorbenen gedenken können. Allerdings muss der individuelle Abschied vom Verstorbenen nicht zwingend am Standort der Verbrennungsanlage ermöglicht werden. Die Klägerin hat aber nicht nachgewiesen, dass die Trauernden den individuellen Abschied vom Verstorbenen in einer anderen angemessenen Örtlichkeit vornehmen können. Im Bauänderungsverfahren hat die Klägerin den Betriebsablauf hinsichtlich der Ermöglichung von Bestattungsfeierlichkeiten nicht geschildert. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte ausdrücklich erklärt, dass es zwischen der Klägerin und ihr keinen Nutzungsvertrag für die Trauerhalle gebe und auch nicht geben werde. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass Angehörige und andere Trauernde wegen des Fehlens einer anderen angemessenen Örtlichkeit das Krematorium aufsuchen werden, um dort individuell von dem Verstorbenen Abschied zu nehmen.
45 
Ohne dass es hierauf ankäme, wird noch angemerkt, dass damit nicht ersichtlich ist, wie die Klägerin die Nebenbestimmung Nr. 18 der Baugenehmigung hätte erfüllen wollen, wonach von dem Betreiber des Krematoriums die Regelungen des Bestattungsgesetzes und der Bestattungsverordnung einzuhalten sind. Da eine entsprechende Betriebsablaufschilderung auch im Bauänderungsantrag fehlt, dürfte sich auch die Frage stellen, ob die Baugenehmigung ausreichend bestimmt ist.
46 
Da nach allem das Krematorium in dem Plangebiet der Beklagten nicht gebietsverträglich ist, kann offen bleiben, ob es sich es bei einem Krematorium um einen öffentlichen Betrieb nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO handelt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Denn die Zulässigkeit wäre ebenfalls wegen der fehlenden Gebietsverträglichkeit zu verneinen.
47 
Das geplante Krematorium ist auch nicht ausnahmsweise nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig.
48 
Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO können in einem Gewerbegebiet Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke ausnahmsweise zugelassen werden. Diese Bestimmung erfasst allerdings nur solche Anlagen, die zusätzlich zu der genannten Zweckbestimmung einem Gemeinbedarf dienen. Das Krematorium ist eine derartige Gemeinbedarfsanlage. Es dient nach seinem Nutzungszweck einem nicht fest bestimmten, wechselnden Teil der Bevölkerung (vgl. zu dieser Anforderung BVerwG, Urt. v. 30.6.2004 - 4 CN 7/03 -, juris), denn es ermöglicht den Angehörigen des Verstorbenen, ihrer Bestattungspflicht für den Fall einer Feuerbestattung (§ 31 BestattG) nachzukommen. Darauf, ob die Anlage im Sinn eines Gemeingebrauchs jedermann ohne weiteres offen steht, kommt es nicht an (vgl. BVerwG v. 30.6.2004.). Der erforderliche Gemeinwohlbezug fehlt nicht deshalb, weil die Anlage von einer Person des privaten Rechts nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen mit Gewinnerzielungsabsicht und damit gewerblich betrieben werden soll. Die hoheitliche "Gewährleistungs- und Überwachungsverantwortlichkeit" (vgl. hierzu BVerwG vom 30.6.2004 a.a.O.), die wegen des besonderen Allgemeininteresses an einer geordneten Bestattung besteht, stellt den Gemeinwohlbezug her. Die in Baden-Württemberg nach § 31 BestattVO zuständigen Behörden haben darüber zu wachen, dass die Vorschriften des Bestattungsgesetzes eingehalten werden (vgl. BayVGH, Urt. v. 30.06.2005 - 15 BV 04.576 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris).
49 
Das genehmigte Krematorium unterfällt als Bestattungseinrichtung aber nicht dem städte-baulichen Begriff einer Anlage für kulturelle Zwecke (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO). Dahingestellt bleiben kann, ob die Regelungen der Baunutzungsverordnung auf traditionelle Erscheinungsformen kultureller Anlagen wie etwa Stadtbüchereien, Theatern, Konzerthallen, Museen und Hochschulen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO nicht beschränkt und für neue Erscheinungsformen baulicher Vorhaben offen sind, die vom Verordnungsgeber noch gar nicht in den Blick genommen werden konnten (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris). Denn ein Krematorium ist, obwohl es als Bestattungseinrichtung nach dem Bestattungsgesetz Baden-Württemberg Teil der Bestattungskultur ist (vgl. BayVGH, Urt. v. 30.06.2005 -15 BV 04.576 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris) und seine Nutzung sich nicht in der technischen, gewerblich betriebenen Verbrennung Verstorbener erschöpft, sondern in einen kulturellen Kontext eingebettet ist und die Einäscherung als solche Teil der (Bestattungs-) Kultur ist (vgl. zum Krematorium mit Pietätsraum OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris), nach der Systematik der Baunutzungsverordnung auch bei einem solchen weiten Verständnis keine Anlage für kulturelle Zwecke i.S. v. § 8 Abs.3 Nr. 2 BauNVO. Für die Beurteilung, ob eine Anlage eine Anlage für kulturelle Zwecke i.S. v. § 8 Abs.3 Nr. 2 BauNVO ist, ist entscheidend, welche Bedeutung aus städtebaulicher Sicht der Regelung einer allgemeinen bzw. ausnahmsweisen Zulässigkeit von Gemeinbedarfsanlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke zukommt. Nach der Systematik der Baunutzungsverordnung sind Gemeinbedarfsanlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke, die innerhalb der Baugebiete nicht gesondert als Gemeinbedarfsanlagen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB festgesetzt sind, Anlagen, die wegen ihres geringen Umfangs und (oder) wegen der baulichen Anpassung in die Umgebung in den Baugebieten grundsätzlich an jeder Stelle errichtet werden können, ohne dass damit der Gebietscharakter verändert wird (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl., Vorbem. § 2 - 9, Rn 11.6). Sie sind deshalb in fast allen Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässig. So sind sie nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO in allgemeinen Wohngebieten allgemein zulässig, und können ausnahmsweise nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in Kleinsiedlungsgebieten, nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in reinen Wohngebieten, nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem Gewerbegebiet und nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem Industriegebiet zugelassen werden. Die Baunutzungsverordnung geht daher nach ihrer Systematik davon aus, dass die allgemein oder ausnahmsweise zulässigen kulturellen Anlagen in der Regel in diesen Baugebieten gebietsverträglich sind. Ein Krematorium ist aber keine Anlage, die wegen ihres geringen Umfangs (oder) der baulichen Anpassung in die Umgebung regelmäßig in den angeführten Baugebieten an jeder Stelle errichtet werden kann, ohne dass damit der Gebietscharakter verändert wird. Bei einem Krematorium drängt sich wegen der von ihm ausgehenden Störungen aufgrund des Erfordernisses der Rücksichtnahme auf das Umfeld der Bestattungseinrichtung einerseits und andererseits durch die Anforderungen der 27. Bundesimmissionsschutzverordnung von vorneherein die Notwendigkeit einer gesonderten Festsetzung einer Gemeinbedarfsanlage nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB oder als Friedhofsfläche (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB) oder als Sondergebiet (§ 11 BauNVO) auf, damit die Interessen- und Nutzungskonflikte schon im Rahmen einer planerischen Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB bewältigt werden. Eine Anlage wie ein Krematorium, bei dem nicht nur im Einzelfall, sondern in den weit überwiegenden Fällen eine Gebietsverträglichkeit zu verneinen sein dürfte, gehört damit nicht zu den kulturellen Anlagen im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO (so im Ergebnis auch VG Osnabrück, Urt. v. 23.04.2010 - 2 A 21/09 -, juris; vgl. zum bisher üblichen Standort von Krematorien auf Friedhofsflächen BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris).
50 
Letztlich kann aber auch dahingestellt bleiben, ob das geplante Krematorium (ohne Abschiedsraum) eine Anlage für kulturelle Zwecke im Sinn von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ist. Denn selbst wenn ein Krematorium ohne Abschiedsraum von diesem Begriff i.S. von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO erfasst sein sollte, hat die Klage keinen Erfolg.
51 
Die in § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO bezeichneten Nutzungsarten sind - wie bereits ausgeführt - nur dann ohne Weiteres gebietsverträglich, wenn sie nicht störempfindlich sind und deshalb mit dem Zweck des Gewerbegebiets, der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben, nicht in Konflikt geraten können. Das Vorhaben ist aus den zu § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauGB ausgeführten Gründen jedoch als Anlage für kulturelle Zwecke in dem Gewerbegebiet „XXX“ nicht gebietsverträglich und kann deshalb nicht ausnahmsweise zugelassen werden.
52 
Eine Feuerbestattungsanlage ohne Abschiedsraum ist unabhängig hiervon als kulturelle Anlage im Gewerbegebiet der Beklagten auch deshalb nicht ausnahmsweise zulässig, weil nach den schriftlichen Festsetzungen des Bebauungsplans im gesamten Plangebiet Anlagen für kulturelle Zwecke nicht zulässig sind. Der Plangeber hat mit der getroffenen Festsetzung von der Ermächtigung des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO Gebrauch gemacht, wonach im Bebauungsplan festgesetzt werden kann, dass Ausnahmen, die in den einzelnen Baugebieten nach §§ 2 bis 9 BauNVO vorgesehen sind, ganz oder teilweise nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden, und in zulässiger Weise unter Wahrung der allgemeinen Zweckbestimmung des Baugebietes die Möglichkeit genutzt, den Baugebietskatalog zu variieren (vgl. Fickert/Fieseler, 11. Aufl., § 1 Rn 104 ff.). Durch den vorgenommenen Ausschluss von Ausnahmen wurde in zulässiger Weise sichergestellt, dass sich in dem Gewerbegebiet die dort typischen Gewerbebetriebe und nicht auch kirchliche, kulturelle und soziale Anlagen ansiedeln können. Dass die Beklagte bei dieser Festsetzung nicht an Krematorien gedacht haben mag und die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage, ob ein Krematorium (mit Pietätsraum) eine kulturelle Anlage ist, erst seit 2005 bekannt ist, ändert an diesem Ergebnis nichts. Maßgeblich ist der objektive Erklärungsgehalt der planerischen Festsetzungen. Dem Wortlaut der Festsetzungen ist aber nicht zu entnehmen, dass Krematorien als kulturelle Anlagen von der Regelung nicht erfasst sein sollen. Auch die Entstehungsgeschichte und Begründung des Bebauungsplans gibt hierfür keine Anhaltspunkte. Deshalb ist mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der Plangeber mit den unter Ziff. 1.1 aufgeführten „kulturellen Anlage“ die von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO erfassten Anlagen ausschließen wollte.
53 
Die Voraussetzungen nach § 31 Abs. 1 BauGB, wonach von den Festsetzungen eines Bebauungsplans solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind, liegen nicht vor. Der Bebauungsplan „XXX“ sieht nicht vor, dass von dem Ausschluss der Erteilung einer Ausnahme wiederum eine Ausnahme gemacht werden kann.
54 
Die Beklagte hat allerdings von den textlichen Festsetzungen unter Ziff. 1.1. gemäß § 31 Abs. 2 BauGB rechtswidrig eine Befreiung erteilt. Die Beigeladenen, die Eigentümer eines Grundstücks im Plangebiet sind, können sich aus eigenem Recht auf die Unzulässigkeit der Befreiung berufen, weil die Beklagte von einer nachbarschützenden Festsetzung befreit hat. Das bräuchten die Beigeladenen als Grundstückseigentümer im Plangebiet nur hinzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB erfüllt wären. Daran fehlt es.
55 
Die Befreiung ist rechtswidrig, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht vorliegen.
56 
Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern (Nr. 1) oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
57 
Nach der verwaltungsinternen Begründung der Erteilung einer Befreiung durch die Beklagte soll die Befreiung im Hinblick auf die beabsichtigte Änderung des Bebauungsplans erteilt worden sein. Dies wäre durch § 31 Abs. 2 BauGB nicht gedeckt. Die Bestimmung des § 31 Abs. 2 BauGB sieht nach ihrem Wortlaut nicht vor, dass im Vorgriff auf die Festsetzungen eines neuen Bebauungsplans, der die Voraussetzungen von § 33 BauGB noch nicht erfüllt, Befreiungen von dem noch gültigen Bebauungsplan erteilt werden können. Ein Vorhaben kann vor Inkrafttreten eines Bebauungsplans nur unter den engen Voraussetzungen des § 33 BauGB genehmigt werden.
58 
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Befreiung liegen nicht vor. Für alle drei Fallgruppen des § 31 Abs. 2 BauGB gilt, dass eine Befreiung nicht schon erteilt werden kann, wenn die jeweiligen Voraussetzungen der Befreiungsgründe vorliegen, sondern dass zusätzlich die Grundzüge der Planung nicht berührt werden dürfen (BVerwG, Beschl. v. 24.09.2009 - 4 B 29/09 -, juris). Die von der Beklagten erteilte Befreiung zum Zweck der Genehmigung des streitigen Vorhabens berührt die Grundzüge der Planung und ist deshalb nicht zulässig.
59 
Ob die Grundzüge der Planung berührt sind, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung in der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist. Die Abweichung muss - soll sie mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein - durch das planerische Wollen gedeckt sein; es muss - mit anderen Worten - angenommen werden können, die Abweichung liege noch im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung gekannt hätte. Die Grundzüge der Planung i.S.d. § 31 Abs. 2 BauGB sind daher nur dann nicht berührt, wenn die Abweichung die konkrete Planungskonzeption des Bebauungsplans im Wesentlichen unangetastet lässt, d.h., sie darf eine getroffene Planentscheidung bzw. das planerische Leitbild der Gemeinde nicht aus den Angeln heben. Abweichungen von minderem Gewicht, die die Planungskonzeption des Bebauungsplans unangetastet lassen, berühren die Grundzüge der Planung nicht (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10/09 -, juris m.w. N.). Durch das Erfordernis der Wahrung der Grundzüge der Planung stellt der Gesetzgeber sicher, dass die Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht beliebig durch Verwaltungsakt außer Kraft gesetzt werden können. Von diesem Planungskonzept kann nicht durch Einzelfallregelung im Wege einer Befreiung abgewichen werden, weil das den allgemeinen Geltungsanspruch des Bebauungsplans in Frage stellen würde und deshalb nur vom Plangeber selbst im Wege einer Änderung des Bebauungsplans legitimiert werden könnte. Die Änderung eines Bebauungsplanes obliegt nach § 2 Abs. 4 BauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehörde. Hierfür ist in den §§ 3 und 4 BauGB ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange vorgeschrieben. Diese Regelung darf nicht durch eine großzügige Befreiungspraxis aus den Angeln gehoben werden. Abweichungen von der festgesetzten Art der Nutzung berühren nicht ausnahmslos die Grundzüge der Planung, da auf die Verhältnisse im Einzelfall abzustellen ist.
60 
Die Beantwortung der Frage, ob Grundzüge der Planung berührt werden, setzt damit einerseits die Feststellung voraus, was zum planerischen Grundkonzept gehört und andererseits die Feststellung, ob dieses planerische Grundkonzept gerade durch die in Frage stehende Befreiung berührt wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.03.2000, NVwZ-RR 2000, 759, Beschl. v. 19.05.2004 - 4 B 35/04 -, juris).
61 
Zum planerischen Grundkonzept der Beklagten gehört der vollständige Ausschluss von Anlagen für kulturelle Zwecke i.S. v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Aus der Begründung des Bebauungsplans (S. 3) ergibt sich nichts anderes. Aus ihr wird lediglich erkennbar, dass in Anbetracht der ungünstigen Ventilations-und Luftaustauschsituation im Nördlichen Elsenztal nur die Zulassung nicht emittierenden Gewerbes in Frage kam und wegen der hydrogeologischen Verhältnisse ein eingeschränktes Gewerbegebiet festgesetzt wurde. Aus welchen Gründen keine Ausnahmen für kulturelle Anlagen, gleich welcher Art, zugelassen werden sollten, ist nicht ersichtlich. Wäre das geplante Krematorium eine Anlage für kulturelle Zwecke i.S. v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, würde die Erteilung einer Befreiung für eine solche Anlage, das Konzept, Anlagen für kulturelle Zwecke nicht ausnahmsweise zuzulassen, aus den Angeln heben. Die Genehmigung eines Krematoriums wäre nicht eine Abweichung von minderem Gewicht. Vielmehr würde sie den allgemeinen Geltungsanspruch des Bebauungsplans in Frage stellen und könnte deshalb nur vom Plangeber selbst im Wege einer Änderung des Bebauungsplans legitimiert werden. Eine Änderung des Bebauungsplans dahingehend, Krematorien ausnahmsweise zuzulassen, wurde nicht vorgenommen.
62 
Darüber hinaus wurde von der Beklagten das nach § 31 Abs. 2 BauGB eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt. Eine Reduzierung des Ermessens auf Null ist im Hinblick auf die zu berücksichtigenden nachbarlichen Interessen und auf die Besonderheiten, die mit der Genehmigung eines Krematoriums verbunden sind, nicht zu bejahen. Durch die Nichtausübung des Ermessens werden die Rechte der Nachbarn, deren Belange bei der Ermessensausübung zu würdigen sind, auch verletzt.
63 
Darauf, ob die Voraussetzungen einer Befreiung von der Festsetzung des Gebietstyps eines eingeschränkten Gewerbegebiet vorliegen, kommt es im vorliegenden Fall nicht an, weil die Beklagte ausdrücklich die Baugenehmigung unter Befreiung gem. § 31 Abs.2 BauGB von der Art der baulichen Nutzung zur Errichtung einer Anlage für kulturelle Zwecke gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO erteilt hat. Unabhängig hiervon wären auch hierfür schon deshalb die Befreiungsvoraussetzungen nicht gegeben, weil Gründe des Allgemeinwohls nicht die Befreiung erfordern würden. Gründe des Wohls der Allgemeinheit erfordern eine Befreiung im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB zwar nicht erst dann, wenn den Belangen der Allgemeinheit auf eine andere Weise als durch eine Befreiung nicht entsprochen werden könnte, sondern bereits dann, wenn es zur Wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen Interesses "vernünftigerweise geboten" ist, mit Hilfe der Befreiung das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen. Dass die Befreiung dem Gemeinwohl nur irgendwie nützlich oder dienlich ist, reicht demgegenüber nicht aus. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Dabei kann es auch auf - nach objektiven Kriterien zu beurteilende - Fragen der Zumutbarkeit ankommen (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10/09 -, juris). Nach diesen Grundsätzen erfordern Gründe des Allgemeinwohls nicht die Befreiung. Zwar hat die Zahl der Feuerbestattungen erheblich zugenommen. Dass die Errichtung eines Krematorien wegen eines besonderen Bedarfs für ein Krematorium gerade in XXX und dort im Gewerbegebiet „XXX“ vernünftigerweise geboten ist, ist aber nicht ersichtlich.
64 
Eine Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung ergibt sich auch nicht aus § 33 BauGB. Im für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.11.2010 - 4 B 43/10 -, juris) war nach dem Vorbringen der Beteiligten ein Bauantrag nach § 33 BauGB nicht streitgegenständlich. Auf die Frage, ob der inzwischen neu gestellte Bauantrag mit dem bisherigen Bauantrag identisch ist, kam es daher nicht an. Unabhängig hiervon lagen die besonderen Voraussetzungen des § 33 BauGB nicht nachweislich insgesamt vor. Denn die erforderliche schriftliche Anerkennung der Festsetzungen des zukünftigen Bebauungsplans für sich und seine Rechtsnachfolger (§ 33 Abs. 2 Nr. 3 BauGB) lag dem Gericht im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vor.
65 
Da die erteilte Baugenehmigung wegen der Verletzung von nachbarschützenden baurechtlichen Vorschriften zu Recht aufgehoben wurde, war auf die Frage der Verletzung von drittschützenden immissionsschutzrechtlichen Vorschriften nicht mehr einzugehen. Der Vollständigkeit halber wird jedoch ausgeführt, dass auch Eigentümer eines nicht im Plangebiet, aber in unmittelbarer Nähe der genehmigten Anlage gelegenen (Wohn-) Grundstücks einen Anspruch darauf haben, dass sie keinen unzumutbaren oder erheblichen Belästigungen, Störungen oder Nachteilen im Sinne der - im Schutzniveau identischen - Vorschriften des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ausgesetzt werden (VGH Kassel, Beschl. v. 07.10.2007 -4 TG 1536/07 -, juris). Im vorliegenden Fall ist jedoch davon auszugehen, dass die Einhaltung der Vorgaben der 27. BImSchV gesichert ist. Die Einhaltung der Grenzwerte nach der 27. BImSchV wird durch die Klägerin in einer so genannten Garantieerklärung vom 03.12.2008 gewährleistet; vor allem wurden mit ergänzendem Bescheid vom 28.05.2009 durch Auflagen die Einhaltung bestimmter Immissionsgrenzwerte nach der 27. BImSchV beim Betrieb der Anlage sichergestellt.
66 
Die Beigeladenen können sich auch nicht auf Wertminderungen ihrer Grundstücke berufen. Wertminderungen als Folge der Nutzung einer Baugenehmigung für das Nachbargrundstück bilden für sich genommen - also über das zum Gebot der Rücksichtnahme bereits Ausgeführte hinaus - keinen Maßstab für die Zulässigkeit eines Vorhabens. Die Abhängigkeit, in der Grundstücke zu der sie umgebenden städtebaulichen Situation stehen, schließt ein, dass die Grundstückswerte von dieser Situation beeinflusst werden und dass deshalb auch ungünstige Einflüsse, die auf Änderungen der Umgebung beruhen, grundsätzlich hingenommen werden müssen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladenen einen über die situationsbedingte Wertminderung hinausgehenden, schlechthin unzumutbaren Wertverlust ihrer Immobilie hinnehmen müssten, sind nicht ersichtlich (vgl. VG Ansbach, Urt. v. 16.12.2010 -AN 9 K 10.01394 -, juris).
67 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Auferlegung der Kosten eines Beigeladenen entspricht im Regelfall nur dann der Billigkeit nach § 162 Abs. 3 VwGO, wenn er i. S. des § 154 Abs. 3 VwGO einen Antrag gestellt oder das Verfahren wesentlich gefördert hat. Für einen notwendig Beigeladenen gilt grundsätzlich nichts Anderes, auch nicht im Baunachbarstreit (VGH Bad.Württ., Beschl. v. 20.01.2011 - 8 S 2567/10 -, juris). Danach hat die Klägerin nur die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1 zu tragen, da nur er einen Antrag gestellt hat und ein Kostenrisiko eingegangen ist. Da die weiteren Beigeladenen keinen Antrag gestellt und das Verfahren auch nicht wesentlich gefördert haben und auch kein anderer Billigkeitsgrund zu ihren Gunsten zu berücksichtigen ist, tragen sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
68 
Das Gericht sah keinen Anlass, das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären, § 167 Abs. 2 VwGO.
69 
BESCHLUSS
70 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf EUR 73.000,-- festgesetzt. Der Streitwert orientiert sich an der Nr. 9.1.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004, wonach für„ sonstige Anlagen je nach Einzelfall ein Bruchteil der geschätzten Rohbaukosten“ als Streitwert festzusetzen ist. Die Rohbaukosten sind mit EUR 220.000,-- angegeben. Der Bruchteil von 1/3 der Rohbaukosten entspricht der wirtschaftlichen Bedeutung des Verfahrens für die Klägerin und führt zu einem Streitwert in Höhe von 73.000,-- EUR (abgerundet).
71 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Tenor

Der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 27.05.2005 wird aufgehoben, soweit damit die dem Kläger erteilte Baugenehmigung für die so genannte Terrassenüberdachung aufgehoben wurde.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger und der Beklagte tragen je 1/3 der Gerichtskosten, die beiden Beigeladenen jeweils 1/6 der Gerichtskosten. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen einen Widerspruchsbescheid.
Der Kläger ist Eigentümer des ist mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks S.-Strasse 10 in H.. Der Gebäudeeingang befindet sich auf der Nordseite. Nördlich des Grundstücks des Klägers schließt sich das Grundstück der Beigeladenen, S.-Strasse 18/1, an, das ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaut ist. Beide Grundstücke liegen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans.
Im Juli 2004 wurde von der Stadt H. als Baurechtsbehörde festgestellt, dass eine zwischen der Nordwand des Gebäudes des Klägers und der nördlichen Grundstücksgrenze angelegte Terrasse überdacht worden war. Ferner wurde festgestellt, dass auch der westlich der Terrasse gelegene Hauseingang im unmittelbaren Anschluss an die Terrassenüberdachung überdacht worden war. Die Terrassenüberdachung stößt mit ihrer nordwestlichen Ecke unmittelbar an die Grundstücksgrenze an, der Abstand zwischen Grundstücksgrenze und Hauswand beträgt dort - ausweislich der Eintragungen in einem vorgelegten Plan - 3,33 m. Die Breite der Terrassenüberdachung beträgt ca. 4,50 m. Da die Grenze nicht parallel zur nördlichen Wand des klägerischen Wohnhauses und zum nördlichen Abschluss der Terrasse verläuft, hält die nordöstliche Ecke der Überdachung einen Abstand von 0,75 m zur Grundstücksgrenze ein.
Die Überdachung des Hauszugangs tritt ca. 2,50 m vor die nördliche Hauswand vor, hat eine Länge von ca. 3,4 m und hält einen Mindestabstand zur nördlichen Grundstücksgrenze - so ist dem bereits erwähnten Plan zu entnehmen - von 1,87 m ein. Die Terrassenüberdachung und die Überdachung des Eingangsbereiches sind - so hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben - konstruktiv trennbar.
Mit Schreiben vom 20.07.2004 wies die Stadt H. den Kläger darauf hin, dass die vorgenommenen Überdachungen genehmigungspflichtig seien, da sie als Einheit zu betrachten seien. Die Nutzung eines Teilbereichs des Vorhabens als Terrasse sei eindeutig festgestellt worden. Das Vorhaben unterfalle den Bestimmungen über Abstandsflächen nach § 5 Abs. 1 LBO, eine Privilegierung nach § 6 Abs. 1 LBO sei nicht gegeben. Baurechtmäßige Zustände könnte nur mittels einer Abstandsflächenbaulast durch den betroffenen Angrenzer und der nachfolgenden Einreichung eines entsprechenden Bauantrags geschaffen werden.
Daraufhin stellte der Kläger im Oktober 2004 unter Einreichung eines Planheftes einen Baugenehmigungsantrag, in dem das Vorhaben als „Überdachung Eingang und Abstellplatz Gartenmöbel u.ä.“ bzw. „ Überdachung Eingang/Abstellplatz Gartenmöbel o.ä.“ bezeichnet wird.
Bereits zuvor hatte der Kläger im Rahmen der Anhörung aus Anlass eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens dargelegt, schon im Jahre 1978 habe eine Überdachung in der heutigen Größenordnung bestanden. Von Seiten der Stadt H. sei diese Überdachung damals nicht beanstandet werden. Im vergangenen und im laufenden Jahr habe er die Überdachung renoviert, wobei der Umfang nicht vergrößert worden sei.
Mit zwei Schreiben vom 02.11.2004 wurden die Beigeladenen von dem Genehmigungsantrag benachrichtigt, wobei darauf hingewiesen wurde, dass Einwendungen innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Benachrichtigung vorzubringen und ausreichend zu begründen seien. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass nach § 55 Abs. 2 LBO die benachrichtigten Angrenzer mit allen Einwendungen ausgeschlossen sind, die im Rahmen der Beteiligung nicht fristgemäß geltend gemacht wurden. Die Einwendungen könnten dann auch in einem nachfolgendem Verfahren in der Sache (Widerspruch- oder Klageverfahren) nicht mehr geltend gemacht werden.
Mit Schreiben vom 16.11.2004 wandten sich die Beigeladenen gegen die Erteilung einer Baugenehmigung. Sie machten geltend, die Bauvorlagen seien unvollständig. Die Ableitung des Regenwassers erfolge nicht sachgemäß. Fälschlicherweise werde das Vorhaben als „Überdachung Eingang/Abstellplatz Gartenmöbel u.ä.“ bezeichnet. Tatsächlich werde der überdachte Bereich in Richtung zur gemeinsamen Grundstücksgrenze als Aufenthaltsbereich genutzt. Dies belege bereits die Art und Weise der Bauausführung. So befänden sich im überdachten Bereich zwei Stehlampen, eine Wandlampe, ein Oberlicht sowie mehrere Halogenstrahler, die in der Decke eingelassen seien. Der überdachte Bereich sei vollständig mit Granitplatten belegt. Gartenmöbel und Grill würden nicht gelagert, sondern seien vielmehr zur Nutzung aufgestellt. Nicht zuletzt sei darauf hinzuweisen, dass der überdachte Bereich bereits seit 2003 zum Aufenthalt von Personen genutzt werde. Ferner wird vorgetragen, dass mit der gleichzeitig errichteten Terrassenmauer die Grundstücksgrenze überschritten worden sei. Insgesamt sei von einer Erweiterung des bereits bestehende Wohnraums auszugehen. Sollte das Baurechtsamt die überdachte Terrasse als Vorbau i.S.v. § 5 Abs. 6 Ziffer 2 LBO betrachten, sei darauf hinzuweisen, dass der erforderliche Mindestabstand von der Grundstücksgrenze von 2 m nicht gewahrt sei. Gleiches gelte bei einer Beurteilung nach § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO. Darauf hinzuweisen sei schließlich auch, dass die Mauer in der gesamten Länger verkabelt und mit Steckdosen versehen sei; von der Mauer fließe auch Wasser auf das Grundstück der Beigeladenen ab.
10 
Unter dem Datum vom 20.12.2004 erteilte die Stadt H. die Baugenehmigung unter der Auflage, dass sämtliche Niederschläge auf eigenem Grund und Boden ohne Belästigung der Nachbargrundstücke zu sammeln und in den öffentlichen Kanal einzuleiten seien. Gleichzeitig wurden die Einwendungen der Beigeladenen zurückgewiesen. Ausgeführt wurde, dass das Vorhaben nach § 6 Abs. 1 LBO an der Grundstücksgrenze zulässig sei.
11 
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch wiederholten und vertieften die Beigeladenen ihre bereits vorgetragenen Einwände. § 6 Abs. 1 LBO sei nicht anwendbar, denn die Überdachung der Terrasse und die gleichzeitig geschaffene Verbindung mit dem Hauptgebäude durch den Einbau einer Terrassentür bewirke eine Nutzbarkeit der Fläche zu Aufenthaltszwecken. Auch die Art und Weise der Bauausführung lasse deutlich erkennen, dass die Überdachung der Terrasse dem Aufenthalt von Personen zu dienen bestimmt sei. Schließlich lasse auch die Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 4 Ziff. 2 LBO eine ausnahmsweise Unterschreitung der Abstandsfläche in diesem Fall nicht zu. Zum einen sei die ausreichende Beleuchtung des Grundstücks der Beigeladenen mit Tageslicht nicht mehr gewährleistet, zum andern bestehe die Gefahr eines übergreifenden Brandes, so dass auch Gründe des Brandschutzes entgegenstünden.
12 
Unter dem Datum vom 27.05.2005 beschied das Regierungspräsidium Tübingen diesen Widerspruch und hob die Baugenehmigung vom 20.12.2004 auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, die erteilte Baugenehmigung verstoße gegen nachbarschützende Vorschriften, die notwendigen Abstandsflächen seien nicht eingehalten. Bei den an das Wohnhaus des Klägers angebauten Dächern handle es sich um Gebäudeteile im Sinne von § 5 Abs. 1 LBO. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 6 LBO lägen nicht vor, auch nicht ein Fall des § 6 Abs. 1 LBO. Die Überdachungen stellten keine Nebenräume dar. Für die Eingangsüberdachung ergeben sich dies bereits aus dem Umstand, dass der Eingang unmittelbar der Wohnnutzung diene, indem er den regelmäßigen Zugang zum Gebäude vermittle. Die ausdrückliche Erwähnung der Eingangsüberdachung in § 5 Abs. 6 LBO weise daraufhin, dass der Gesetzgeber dieses Element nicht zu den Nebenräumen rechne. Auch bei der weiteren Überdachung liege kein Nebenraum vor. Nach Funktion und Ausführung sei sie als Überdachung für die Terrasse vorgesehen gewesen und sei auch so genutzt worden. Allein die Aussage, die Terrasse nicht mehr als solche nutzen zu wollen und die Fläche zum Abstellen von Gartenmöbeln zu verwenden, führe nicht zur Einstufung als Nebenraum. Als allgemeiner Abstellraum sei der Bereich infolge der unmittelbaren Nähe zum Eingang und der gegebenen unbeschränkten Einsichtssituation ungeeignet; die Nutzung als Abstellraum sei unrealistisch. Eine geringere Tiefe der Abstandsfläche nach § 6 Abs. 4 LBO scheide wegen der betroffenen nachbarlichen Belange aus. Bei der Überdachung handle es sich um eine einheitliche Konstruktion, weshalb die isolierte Genehmigung der Teile, die sich innerhalb der Abstandsflächen befänden, ausscheide.
13 
Nach Zustellung des Widerspruchsbescheids an die damaligen Bevollmächtigten des Klägers am 01.06.2005, hat der Kläger am 29.06.2005 das Verwaltungsgericht angerufen. Zur Begründung wird dargelegt, im Hinblick auf die Eingangsüberdachung lägen zumindest die Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 LBO vor. Der Bescheid des Regierungspräsidiums lasse insoweit jegliche Darstellung der in die Prüfung eingestellten Gesichtspunkte vermissen. Nachbarliche Belange würden durch die Eingangsüberdachung nicht berührt. Zu bedenken sei auch, dass es ohne weiteres möglich wäre, den die Privilegierung nach § 5 Abs. 6 LBO überschreitenden Teil der Tiefe der Eingangsüberdachung in Richtung des benachbarten Grundstücks als Lagerraum zu nutzen, was eine größere Beeinträchtigung der Beigeladenen gegenüber einer Nutzung als Vordach für einen Eingang darstellen würde. Gefolgt werden könne auch nicht der Einschätzung des Regierungspräsidiums, dass sich aus der ausdrücklichen Benennung einer Eingangsüberdachung in § 5 Abs. 6 Nr. 1 LBO ergeben solle, dass eine solche keine Nebenanlage i.S.v. § 6 Abs. 1 LBO sein könne. Die Erwähnung in § 5 Abs. 6 LBO bewirke lediglich, dass ein den dort bezeichneten Kriterien entsprechendes Vordach bei der Berechnung der Abstandsfläche gänzlich unberücksichtigt bleibe. Dies schließe eine Berücksichtigung bei den privilegierten Nebenanlagen aber nicht aus, jede andere Auslegung wäre lebensfremd. Die Gesamtlänge von Abstellplatzüberdachung und Eingangsüberdachung betrage 7,78 m. Die Höhe betrage maximal 2,90 m. Selbst mit dieser maximalen Höhe berechnet, werde die maximal zulässige Fläche einer privilegierten Nebenanlage an der Grenze nicht überschritten.
14 
Die Ablehnung der angeblichen Terrassenüberdachung sei ungewöhnlich. Das Regierungspräsidium habe nicht den Grundsatz bedacht, dass genehmigt werde, was beantragt sei. Zweckentfremdungen im Rahmen der Nutzung einer erteilten Genehmigung seien durch entsprechende Baukontrollen und baubehördliches Einschreiten zu unterbinden. In der Tat habe der Kläger mit seiner Familie in der Vergangenheit die Terrasse als solche benutzt; dies sei aber ohne Unrechtsbewusstsein geschehen. Nach dem Hinweis der Stadt H. darauf, dass eine Terrassenüberdachung nicht privilegiert sei, sei ausdrücklich erklärt worden, dass diese Nutzung zurückgenommen werde und man nur noch die Genehmigung eines Abstellplatzes beantrage. Nur eine solche Nutzung sei auch beabsichtigt, der Kläger finde sich damit ab, die bisherige höherwertige Nutzung nicht mehr ausüben zu können. Die überdachte Fläche, die früher als Terrasse benutzt worden sei, sei als Abstellplatz durchaus geeignet. Eine Vielzahl von Abstellflächen sei lediglich überdacht, beispielsweise abgeschleppte Dächer zur Lagerung von Holz oder Carports und böten trotz allem Schutz gegen die Witterung.
15 
Der Kläger beantragt,
16 
den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 27.05.2005 aufzuheben.
17 
Der Beklagte beantragt,
18 
die Klage abzuweisen.
19 
Zur Begründung werden die Ausführungen im angefochtenen Bescheid wiederholt und vertieft. Insbesondere wird dargelegt, die Eingangsüberdachung diene unmittelbar der Wohnnutzung, weil sie den Zugang zum Gebäude vermittle. Die Terrassenüberdachung sei als solche hergestellt worden und zweckentsprechend in gehobenem Standard ausgebaut worden. Sie sei auch als solche genutzt worden und könne auch jederzeit so genutzt werden. Als Abstellfläche sei eine Nutzung jedoch kaum möglich. Bei den vom Kläger beschriebenen Nutzungen handle es sich angesichts der entgegenstehen Indizien um ein bloßes Etikett zur nachträglichen Rechtfertigung einer ohne Baugenehmigung vorgenommenen Maßnahme. Die Zulassung einer geringen Abstandsfläche nach § 6 Abs. 4 LBO scheide in Anwendung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aus.
20 
Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,
21 
die Klage abzuweisen.
22 
Auch sie wiederholen und vertiefen ihren bisherigen Vortrag und machen ergänzend geltend, die hier fragliche Konstruktion eröffne die Möglichkeit, den gesamten strittigen Bereich zu Aufenthaltszwecken zu nutzen. Hierdurch werde die rechtlich geschützte Wohnruhe der Beigeladenen in erheblichen Umfang beeinträchtigt. Auch würden über Geräuschimmissionen hinaus weitere Immissionen, beispielsweise durch die Nutzung von Gartengrills etc., drohen.
23 
Dem Gericht haben die in der Sache angefallenen Akten der Stadt H. und des Regierungspräsidiums Tübingen vorgelegen. Auf sie und auf die Gerichtsakten wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Entscheidung konnte durch den Vorsitzenden als Berichterstatter getroffen werden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2, 3 VwGO).
25 
Die Klage ist zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
26 
Bei dem angefochtenen Widerspruchsbescheid handelt es sich ausschließlich um eine Entscheidung über den Nachbarwiderspruch der Beigeladenen und nicht etwa (auch) um eine Rücknahmeentscheidung nach § 48 i.V.m. § 50 LVwVfG. Dies hat zur Folge, dass im Rahmen der vorliegend zu treffenden Entscheidung nur solche Normen berücksichtigungsfähig sind, denen nachbarschützende Wirkung zukommt und im Baugenehmigungsverfahren von den Beigeladenen rechtzeitig i.S.d. § 55 Abs. 2 LBO vorgetragen wurden.
27 
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hätte das Regierungspräsidium nach Auffassung des Gerichts dem Widerspruch der Beigeladenen gegen die dem Kläger erteilte Baugenehmigung allein im Hinblick auf die Eingangsüberdachung stattgeben dürfen, nicht jedoch bezüglich der Überdachung der früher als Terrasse genutzten Fläche, wobei letzteres Bauteil im Folgenden - der Verständlichkeit der Darstellung wegen - weiterhin als „Terrassenüberdachung“ bezeichnet wird. Da nach Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung eine konstruktive Trennung zwischen der Terrassenüberdachung und der Eingangsüberdachung möglich ist, also die eine auch ohne die andere bestehen bleiben könnte, scheidet eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung nicht bereits aus bautechnischen Gründen aus.
28 
Die Terrassenüberdachung verletzt keine von den Beigeladenen im Widerspruchsverfahren rügbaren und zu deren Schutz bestehenden baurechtlichen Vorschriften. Die Aufhebung der dem Kläger erteilten Baugenehmigung verletzt deshalb diesen insoweit in seinen Rechten.
29 
Zutreffend wird von Beklagtenseite allerdings darauf hingewiesen, dass die Vorschriften über Abstandsflächen nachbarschützende Wirkung zugunsten der an dieser Grenze liegenden Anlieger entfalten. Solche Abstandsflächen sind nach § 5 Abs. 1 LBO vor den Außenwänden von Gebäuden auch grundsätzlich erforderlich, wobei diese Flächen nach Abs. 2 der genannten Norm auf dem Grundstück selbst liegen müssen. Bei der hier fraglichen Terrassenüberdachung handelt es sich um ein Gebäude im Sinne dieser Vorschrift. Dabei spielt es keine Rolle, dass dieses Bauteil in seiner genehmigten Ausführung an drei Seiten offen ist und lediglich durch die Nordwand des klägerischen Wohnhauses nach Süden hin abgeschlossen ist. Denn Abstandsflächen nach § 5 Abs. 1 LBO sind nicht nur vor Außenwänden in bautechnischem Sinne einzuhalten, sondern auch vor sogenannten „fiktiven“ Außenwänden, also vor Bauteilen mit gebäudegleicher Wirkung (vgl. Sauter, Kommentar zur LBO, 3. Aufl., RdNr. 80 zu § 5; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.10.1985 - 3 S 2910/85 -, BWVPr 1986, 63). Dies bedeutet, dass auch vor größeren Dachvorsprüngen oder Überdachungen Abstandsflächen liegen müssen, da die Wirkung von solchen Bauteilen im Hinblick auf den Zweck des § 5 Abs. 1 LBO - insbesondere die Besonnung und Belüftung des Nachbargrundstückes sicher zu stellen - im Regelfall nicht davon abhängig ist, ob sich unter der Vorderkante des Daches eine Wand befindet oder nicht.
30 
§ 5 Abs. 1 LBO findet jedoch auf die vorliegend im Streit stehende und genehmigte Terrassenüberdachung, die an einer Ecke bis an die Grundstücksgrenze heranreicht, keine Anwendung. Dieses Bauteil ist zwar nicht schon nach § 5 Abs. 6 LBO privilegiert, denn danach müssen Überdachungen jedenfalls 2 m von der Grundstücksgrenze entfernt bleiben; hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Die Privilegierung der konkreten Terrassenüberdachung, also die Freistellung vom Abstandsflächenerfordernis, ergibt sich aber aus § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO. Danach sind Abstandsflächen nicht erforderlich vor Außenwänden von Gebäuden oder Gebäudeteilen, die - u.a. - Nebenräume enthalten, soweit die Wandhöhe nicht mehr als 3 m beträgt und die Wandfläche nicht größer als 25 m 2 ist. Die letztgenannten Maße werden durch die fiktive Wand am nördlichen Abschluss des hier maßgeblichen Bauteils nicht überschritten; diese ist 4,50 m lang und - nach den Bauunterlagen - 2,50 m hoch; selbst die Oberkante des entlang der Hauswand aufgesetzten Oberlichtes erreicht gerade 3,0 m.
31 
Bei dem als Terrassenüberdachung bezeichneten Bauteil handelt es sich nach Auffassung es Gerichts auch in der Tat um einen Nebenraum i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO. Ein derartiger Raum dient nach seiner Funktion nicht unmittelbar der Wohnnutzung. Zu den Nebenräumen zählen demnach Abstellräume, Lagerräume, Trockenräume, Heizräume und andere Räume, die üblicherweise sonst in Untergeschossen untergebracht werden; keine Nebenräume sind hingegen zu einer Wohnung gehörende Sanitärräume, Flure, Wintergärten und Küchen. Ein Nebenraum ist ferner dadurch gekennzeichnet, dass er sich außerhalb des (engeren) Wohnbereichs der Wohnung befindet und nach seiner Ausstattung - im Regelfall - qualitativ unterhalb derjenigen von Räumen im Wohnbereich liegt (vgl. Sauter, LBO, a.a.O., RdNr. 19 zu § 6).
32 
Zu bemerken ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles zunächst, dass die Baugenehmigung lediglich für eine Nutzung des in Streit stehenden Bauteils als Nebenraum im Sinne der eben zitierten Definition erteilt wurde; im Bauantrag und in der Baugenehmigung wird nämlich das Vorhaben insoweit als „Überdachung ... Abstellplatz für Gartenmöbel o.ä./u.ä.“ bezeichnet. Zugelassen ist damit ausschließlich eine Nutzung zu Abstellzwecken. Die Baugenehmigung bestimmt aber grundsätzlich und abschließend den Umfang der zugelassenen Nutzung und damit im Falle der Anfechtung derselben durch einen Nachbarn auch den Streitgegenstand. Anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die zugelassene Nutzung objektiv nicht möglich ist oder es manifeste Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Bauantragsteller tatsächlich eine Nutzung in der beantragten und zugelassenen Art nicht beabsichtigt, das Bauvorhaben vielmehr anderen Zwecken dienen soll. Solche Ausnahmetatbestände sind vorliegend aber nicht gegeben.
33 
Die Terrassenüberdachung ist objektiv zum Abstellen von Gegenständen, die der Hauptnutzung des Grundstücks, dem Wohnen, dienen, geeignet. Zwar ist sie - in der genehmigten Ausführung, die allein Gegenstand der Beurteilung durch das Gericht ist - an drei Seiten offen und vermag deshalb nicht denselben Schutz zu bieten, wie ein geschlossener Raum. Dies spricht jedoch nicht grundsätzlich gegen ihre Funktion als Abstellfläche. Auch einem Schirm wird niemand seine Eignung, vor Regen zu schützen, generell absprechen wollen. In der Art eines Schirmes - besser noch, da eine Seite geschlossen ist - vermag auch die hier fragliche Überdachung Gartenmöbeln und anderen dort abgestellten Gegenständen vor Witterungseinflüssen Schutz zu gewähren.
34 
Nach Auffassung des Gerichts ist für einen Abstellraum nicht essentiell, dass er vor Einblicken zu schützen geeignet ist. Letztendlich ist es Sache des Besitzers, ob er die abgestellten Gegenstände den Blicken anderer freigeben möchte. Von Klägerseite wird in diesem Zusammenhang zutreffend auf den Carport verwiesen, der eine besondere Art eines Abstellraums, einen Abstellraum für Kraftfahrzeuge nämlich, darstellt und der per Definition offen ist. Auch die „gehobene“ Ausstattung des hier fraglichen Bauteils mit einem Fußbodenbelag aus Natursteinen und verschiedenen höherwertigen Beleuchtungskörpern spricht nicht gegen dessen objektive Eignung als Abstellfläche oder Abstellraum. Der Kläger hat im Übrigen plausibel erklärt, wie es zu dieser Ausstattung gekommen ist, er wollte nämlich - und dies hat er nie in Abrede gestellt - diese Fläche weiterhin als Terrasse nutzen. Diese Absicht und auch die tatsächliche Nutzung als Terrasse hat der Kläger aber aufgegeben, nachdem er von der Baurechtsbehörde auf die Rechtslage hingewiesen worden ist. Seither, d.h. seit Sommer 2004, findet eine Terrassennutzung nicht mehr statt, was auch in der mündlichen Verhandlung von Seiten der Beigeladenen bestätigt wurde. Das Gericht hat auch keinen Anlass an der Einlassung des Klägers zu zweifeln, dass er auch zukünftig keine Terrassennutzung mehr beabsichtigt. Es kann deshalb auch nicht davon ausgegangen werden, dass die erteilte Baugenehmigung nicht mit der tatsächlich beabsichtigten Nutzung in Einklang steht. Damit spricht im konkreten Fall die qualitativ höherwertige Bauausführung und Ausstattung nicht gegen die Qualifizierung als Abstell- und damit Nebenraum. Dem Kläger kann mithin auch nicht angesonnen werden, das hier fragliche Bauteil durch Rückbau in einen einfacheren Zustand zu versetzen. Auch sieht das Gericht in der vorliegenden Konstellation keinen normativen Ansatz für eine Bedürfnisprüfung, die Prüfung der Frage also, ob der Kläger nicht bereits über genügend andere Abstellmöglichkeiten auf seinem Grundstück verfügt. Jedenfalls wird die Fläche derzeit - wenn auch in geringem Umfang - als Abstellraum genutzt, wie der Augenschein ergeben hat.
35 
Danach ist mit der sogenannten Terrassenüberdachung keine Abstandsfläche einzuhalten, ohne dass auf § 6 Abs. 4 LBO eingegangen werden müsste oder es einer Entscheidung oder § 56 Abs. 5 LBO über die Zulassung geringerer Tiefen bedurft hätte.
36 
Soweit von Beigeladenenseite erstmals im gerichtlichen Verfahren eine von der Überdachung ausgehende Brandgefahr gerügt wurde, können die Beigeladenen damit nicht mehr gehört werden, sie sind nach § 55 Abs. 2 LBO mit dieser Einwendung ausgeschlossen. Nach jener Vorschrift sind Einwendungen innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Benachrichtigung schriftlich oder zur Niederschrift vorzubringen (Satz 1), ferner sind alle durch Zustellungen vom Bauantrag benachrichtigten Angrenzer mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die im Rahmen der Beteiligung nicht fristgemäß geltend gemacht worden sind (Satz 2 ). Auf diese Rechtsfolgen sind die Beigeladenen auch mit den Benachrichtigungsschreiben vom 02.11.2004, die den Beigeladenen am 04.11.2004 zugestellt worden sind, hingewiesen worden (vgl. Satz 3). Innerhalb der genannten Zweiwochenfrist haben die Beigeladenen zwar durch Schriftsatz vom 16.11.2004 Stellung genommen, sie sind darin aber auf eine Brandgefahr nicht eingegangen. Dieser Aspekt ist inhaltlich auch nicht etwa von der Rüge fehlender Abstandsflächen mit umfasst, denn die Vorschriften über die Abstandsflächen verfolgen nicht das Ziel, der Ausbreitung von Schadensfeuer vorzubeugen; diesbezüglich sind § 15 LBO und die Brandschutzanforderungen in der Allgemeinen Ausführungsverordnung zur Landesbauordnung - LBOAVO - einschlägig (vgl. Sauter, LBO, a.a.O. RdNr. 44 zu § 6). Danach sind Belange des Brandschutzes im vorliegenden Verfahren, in dem es allein um die Rechtmäßigkeit der Bescheidung des Nachbarwiderspruchs der Beigeladenen gegen die dem Kläger erteilte Baugenehmigung geht, nicht zu berücksichtigen.
37 
Nach allem verletzt die erteilte Baugenehmigung - soweit sie die genannte Terrassenüberdachung betrifft - keine Rechte der Beigeladenen, weshalb der dem Widerspruch diesbezüglich stattgebende Bescheid des Regierungspräsidiums insoweit aufzuheben ist.
38 
Auch die Eingangsüberdachung ist mit dem darunter befindlichen Raum als Gebäude i.S.v. § 5 Abs. 1 LBO zu werten, obwohl in Richtung des Grundstücks der Beigeladenen und zur Westseite hin keine konstruktive Wand besteht. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Terrassenüberdachung verwiesen werden. Diese Eingangsüberdachung unterfällt ebenso wenig wie die Terrassenüberdachung der Vorschrift des § 5 Abs. 6 LBO, denn sie hält ebenfalls den dort genannten Abstand zum Grundstück der Beigeladenen von 2 m nicht ein, vielmehr beträgt dieser Abstand nach den Eintragungen im Baugesuch im Minimum 1,87 m. Für die Eingangsüberdachung kann sich der Kläger allerdings auch nicht auf die Privilegierung des § 6 Abs. 1 LBO berufen, denn das durch diese Überdachung gebildete Bauteil stellt keinen Nebenraum im Sinne der genannten Vorschrift und der oben wiedergegebenen Erläuterung dar. Die von Klägerseite angestellten hypothetischen Erwägungen, wie es zu beurteilen wäre, wenn die Überdachung bis an die Grenze gezogen würde und wenn der Teil der Bodenfläche zwischen dem zum Hausgang führenden Weg und der Grenze als Abstellfläche benutzt würde, müssen dabei unberücksichtigt bleiben. Denn tatsächlich handelt es sich bei dem hier fraglichen Bauteil ausschließlich um die Überdachung des Eingangbereiches und nicht um die Überdachung einer Abstellfläche.
39 
Unter Berücksichtigung des Umstands, dass Nebenräume nicht unmittelbar der Wohnnutzung dienen und diese Räume üblicherweise sonst in Untergeschossen untergebracht werden, kann der Bereich einer Eingangsüberdachung nicht als Nebenraum beurteilt werden. Denn ein solcher Bereich dient unmittelbar dem Wohnen, da durch ihn erst die Wohnräume aufgesucht werden können. In seiner Funktion kommt er damit sehr stark den Fluren nahe, die eine Verbindung zwischen den einzelnen Wohnräumen gewähren und damit ebenfalls keine Nebenräume im erwähnten Sinne darstellen, sondern dem engeren Wohnbereich zuzurechnen sind, weshalb sie von der Einhaltung der Abstandsflächen nicht nach § 6 LBO befreit sind. Danach wäre vorliegend der nachbarschützende Teil der Abstandstiefen, jedenfalls aber eine Tiefe von 2,5 m, zur Grenze des Grundstücks der Beigeladenen einzuhalten (§ 5 Abs. 7 LBO), was tatsächlich nicht der Fall ist.
40 
Die Zulassung einer geringeren Tiefe nach § 6 Abs. 4 LBO kommt nicht in Betracht. Einschlägig könnte vorliegend allenfalls § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO sein, wonach geringere Tiefen zuzulassen sind, wenn die Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maß gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und, soweit die Tiefe der Abstandsfläche die Maße des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg sind jedoch, soweit der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe auch nur geringfügig unterschritten wird, nachbarliche Belange schon dann erheblich beeinträchtigt, wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die vorhandene Situation durch bestimmte Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.10.1996 - 8 S 2566/96 -, VBlBW-Ls 1996, Beilage 12, B 8-9 = BauR 1997, 92 ff.; Sauter, LBO, a.a.O., RdNr. 48 b zu § 6 m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.06.2003 - 3 S 938/03 -, BauR 2003, 1549 ff.). Besonderheiten in diesem Sinne sind vorliegend nicht ersichtlich, insbesondere besteht auch kein vergleichsweise großer Abstand zwischen dem Wohngebäude der Beigeladenen und der Grenze zum Grundstück des Klägers, vielmehr beträgt dieser Abstand knapp 7 m.
41 
Wird danach mit der Eingangsüberdachung die auch zum Schutz der Beigeladenen dienende Abstandsfläche nicht eingehalten, hat das Regierungspräsidium Tübingen zu Recht die dem Kläger erteilte Baugenehmigung insoweit ausgehoben, weshalb auch die vom Kläger gegen die Entscheidung des Regierungspräsidiums erhobene Klage in diesem Umfang erfolglos bleibt.
42 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 i.V.m. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Das Gericht sieht davon ab, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§ 124 a Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
24 
Die Entscheidung konnte durch den Vorsitzenden als Berichterstatter getroffen werden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2, 3 VwGO).
25 
Die Klage ist zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
26 
Bei dem angefochtenen Widerspruchsbescheid handelt es sich ausschließlich um eine Entscheidung über den Nachbarwiderspruch der Beigeladenen und nicht etwa (auch) um eine Rücknahmeentscheidung nach § 48 i.V.m. § 50 LVwVfG. Dies hat zur Folge, dass im Rahmen der vorliegend zu treffenden Entscheidung nur solche Normen berücksichtigungsfähig sind, denen nachbarschützende Wirkung zukommt und im Baugenehmigungsverfahren von den Beigeladenen rechtzeitig i.S.d. § 55 Abs. 2 LBO vorgetragen wurden.
27 
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hätte das Regierungspräsidium nach Auffassung des Gerichts dem Widerspruch der Beigeladenen gegen die dem Kläger erteilte Baugenehmigung allein im Hinblick auf die Eingangsüberdachung stattgeben dürfen, nicht jedoch bezüglich der Überdachung der früher als Terrasse genutzten Fläche, wobei letzteres Bauteil im Folgenden - der Verständlichkeit der Darstellung wegen - weiterhin als „Terrassenüberdachung“ bezeichnet wird. Da nach Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung eine konstruktive Trennung zwischen der Terrassenüberdachung und der Eingangsüberdachung möglich ist, also die eine auch ohne die andere bestehen bleiben könnte, scheidet eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung nicht bereits aus bautechnischen Gründen aus.
28 
Die Terrassenüberdachung verletzt keine von den Beigeladenen im Widerspruchsverfahren rügbaren und zu deren Schutz bestehenden baurechtlichen Vorschriften. Die Aufhebung der dem Kläger erteilten Baugenehmigung verletzt deshalb diesen insoweit in seinen Rechten.
29 
Zutreffend wird von Beklagtenseite allerdings darauf hingewiesen, dass die Vorschriften über Abstandsflächen nachbarschützende Wirkung zugunsten der an dieser Grenze liegenden Anlieger entfalten. Solche Abstandsflächen sind nach § 5 Abs. 1 LBO vor den Außenwänden von Gebäuden auch grundsätzlich erforderlich, wobei diese Flächen nach Abs. 2 der genannten Norm auf dem Grundstück selbst liegen müssen. Bei der hier fraglichen Terrassenüberdachung handelt es sich um ein Gebäude im Sinne dieser Vorschrift. Dabei spielt es keine Rolle, dass dieses Bauteil in seiner genehmigten Ausführung an drei Seiten offen ist und lediglich durch die Nordwand des klägerischen Wohnhauses nach Süden hin abgeschlossen ist. Denn Abstandsflächen nach § 5 Abs. 1 LBO sind nicht nur vor Außenwänden in bautechnischem Sinne einzuhalten, sondern auch vor sogenannten „fiktiven“ Außenwänden, also vor Bauteilen mit gebäudegleicher Wirkung (vgl. Sauter, Kommentar zur LBO, 3. Aufl., RdNr. 80 zu § 5; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.10.1985 - 3 S 2910/85 -, BWVPr 1986, 63). Dies bedeutet, dass auch vor größeren Dachvorsprüngen oder Überdachungen Abstandsflächen liegen müssen, da die Wirkung von solchen Bauteilen im Hinblick auf den Zweck des § 5 Abs. 1 LBO - insbesondere die Besonnung und Belüftung des Nachbargrundstückes sicher zu stellen - im Regelfall nicht davon abhängig ist, ob sich unter der Vorderkante des Daches eine Wand befindet oder nicht.
30 
§ 5 Abs. 1 LBO findet jedoch auf die vorliegend im Streit stehende und genehmigte Terrassenüberdachung, die an einer Ecke bis an die Grundstücksgrenze heranreicht, keine Anwendung. Dieses Bauteil ist zwar nicht schon nach § 5 Abs. 6 LBO privilegiert, denn danach müssen Überdachungen jedenfalls 2 m von der Grundstücksgrenze entfernt bleiben; hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Die Privilegierung der konkreten Terrassenüberdachung, also die Freistellung vom Abstandsflächenerfordernis, ergibt sich aber aus § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO. Danach sind Abstandsflächen nicht erforderlich vor Außenwänden von Gebäuden oder Gebäudeteilen, die - u.a. - Nebenräume enthalten, soweit die Wandhöhe nicht mehr als 3 m beträgt und die Wandfläche nicht größer als 25 m 2 ist. Die letztgenannten Maße werden durch die fiktive Wand am nördlichen Abschluss des hier maßgeblichen Bauteils nicht überschritten; diese ist 4,50 m lang und - nach den Bauunterlagen - 2,50 m hoch; selbst die Oberkante des entlang der Hauswand aufgesetzten Oberlichtes erreicht gerade 3,0 m.
31 
Bei dem als Terrassenüberdachung bezeichneten Bauteil handelt es sich nach Auffassung es Gerichts auch in der Tat um einen Nebenraum i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO. Ein derartiger Raum dient nach seiner Funktion nicht unmittelbar der Wohnnutzung. Zu den Nebenräumen zählen demnach Abstellräume, Lagerräume, Trockenräume, Heizräume und andere Räume, die üblicherweise sonst in Untergeschossen untergebracht werden; keine Nebenräume sind hingegen zu einer Wohnung gehörende Sanitärräume, Flure, Wintergärten und Küchen. Ein Nebenraum ist ferner dadurch gekennzeichnet, dass er sich außerhalb des (engeren) Wohnbereichs der Wohnung befindet und nach seiner Ausstattung - im Regelfall - qualitativ unterhalb derjenigen von Räumen im Wohnbereich liegt (vgl. Sauter, LBO, a.a.O., RdNr. 19 zu § 6).
32 
Zu bemerken ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles zunächst, dass die Baugenehmigung lediglich für eine Nutzung des in Streit stehenden Bauteils als Nebenraum im Sinne der eben zitierten Definition erteilt wurde; im Bauantrag und in der Baugenehmigung wird nämlich das Vorhaben insoweit als „Überdachung ... Abstellplatz für Gartenmöbel o.ä./u.ä.“ bezeichnet. Zugelassen ist damit ausschließlich eine Nutzung zu Abstellzwecken. Die Baugenehmigung bestimmt aber grundsätzlich und abschließend den Umfang der zugelassenen Nutzung und damit im Falle der Anfechtung derselben durch einen Nachbarn auch den Streitgegenstand. Anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die zugelassene Nutzung objektiv nicht möglich ist oder es manifeste Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Bauantragsteller tatsächlich eine Nutzung in der beantragten und zugelassenen Art nicht beabsichtigt, das Bauvorhaben vielmehr anderen Zwecken dienen soll. Solche Ausnahmetatbestände sind vorliegend aber nicht gegeben.
33 
Die Terrassenüberdachung ist objektiv zum Abstellen von Gegenständen, die der Hauptnutzung des Grundstücks, dem Wohnen, dienen, geeignet. Zwar ist sie - in der genehmigten Ausführung, die allein Gegenstand der Beurteilung durch das Gericht ist - an drei Seiten offen und vermag deshalb nicht denselben Schutz zu bieten, wie ein geschlossener Raum. Dies spricht jedoch nicht grundsätzlich gegen ihre Funktion als Abstellfläche. Auch einem Schirm wird niemand seine Eignung, vor Regen zu schützen, generell absprechen wollen. In der Art eines Schirmes - besser noch, da eine Seite geschlossen ist - vermag auch die hier fragliche Überdachung Gartenmöbeln und anderen dort abgestellten Gegenständen vor Witterungseinflüssen Schutz zu gewähren.
34 
Nach Auffassung des Gerichts ist für einen Abstellraum nicht essentiell, dass er vor Einblicken zu schützen geeignet ist. Letztendlich ist es Sache des Besitzers, ob er die abgestellten Gegenstände den Blicken anderer freigeben möchte. Von Klägerseite wird in diesem Zusammenhang zutreffend auf den Carport verwiesen, der eine besondere Art eines Abstellraums, einen Abstellraum für Kraftfahrzeuge nämlich, darstellt und der per Definition offen ist. Auch die „gehobene“ Ausstattung des hier fraglichen Bauteils mit einem Fußbodenbelag aus Natursteinen und verschiedenen höherwertigen Beleuchtungskörpern spricht nicht gegen dessen objektive Eignung als Abstellfläche oder Abstellraum. Der Kläger hat im Übrigen plausibel erklärt, wie es zu dieser Ausstattung gekommen ist, er wollte nämlich - und dies hat er nie in Abrede gestellt - diese Fläche weiterhin als Terrasse nutzen. Diese Absicht und auch die tatsächliche Nutzung als Terrasse hat der Kläger aber aufgegeben, nachdem er von der Baurechtsbehörde auf die Rechtslage hingewiesen worden ist. Seither, d.h. seit Sommer 2004, findet eine Terrassennutzung nicht mehr statt, was auch in der mündlichen Verhandlung von Seiten der Beigeladenen bestätigt wurde. Das Gericht hat auch keinen Anlass an der Einlassung des Klägers zu zweifeln, dass er auch zukünftig keine Terrassennutzung mehr beabsichtigt. Es kann deshalb auch nicht davon ausgegangen werden, dass die erteilte Baugenehmigung nicht mit der tatsächlich beabsichtigten Nutzung in Einklang steht. Damit spricht im konkreten Fall die qualitativ höherwertige Bauausführung und Ausstattung nicht gegen die Qualifizierung als Abstell- und damit Nebenraum. Dem Kläger kann mithin auch nicht angesonnen werden, das hier fragliche Bauteil durch Rückbau in einen einfacheren Zustand zu versetzen. Auch sieht das Gericht in der vorliegenden Konstellation keinen normativen Ansatz für eine Bedürfnisprüfung, die Prüfung der Frage also, ob der Kläger nicht bereits über genügend andere Abstellmöglichkeiten auf seinem Grundstück verfügt. Jedenfalls wird die Fläche derzeit - wenn auch in geringem Umfang - als Abstellraum genutzt, wie der Augenschein ergeben hat.
35 
Danach ist mit der sogenannten Terrassenüberdachung keine Abstandsfläche einzuhalten, ohne dass auf § 6 Abs. 4 LBO eingegangen werden müsste oder es einer Entscheidung oder § 56 Abs. 5 LBO über die Zulassung geringerer Tiefen bedurft hätte.
36 
Soweit von Beigeladenenseite erstmals im gerichtlichen Verfahren eine von der Überdachung ausgehende Brandgefahr gerügt wurde, können die Beigeladenen damit nicht mehr gehört werden, sie sind nach § 55 Abs. 2 LBO mit dieser Einwendung ausgeschlossen. Nach jener Vorschrift sind Einwendungen innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Benachrichtigung schriftlich oder zur Niederschrift vorzubringen (Satz 1), ferner sind alle durch Zustellungen vom Bauantrag benachrichtigten Angrenzer mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die im Rahmen der Beteiligung nicht fristgemäß geltend gemacht worden sind (Satz 2 ). Auf diese Rechtsfolgen sind die Beigeladenen auch mit den Benachrichtigungsschreiben vom 02.11.2004, die den Beigeladenen am 04.11.2004 zugestellt worden sind, hingewiesen worden (vgl. Satz 3). Innerhalb der genannten Zweiwochenfrist haben die Beigeladenen zwar durch Schriftsatz vom 16.11.2004 Stellung genommen, sie sind darin aber auf eine Brandgefahr nicht eingegangen. Dieser Aspekt ist inhaltlich auch nicht etwa von der Rüge fehlender Abstandsflächen mit umfasst, denn die Vorschriften über die Abstandsflächen verfolgen nicht das Ziel, der Ausbreitung von Schadensfeuer vorzubeugen; diesbezüglich sind § 15 LBO und die Brandschutzanforderungen in der Allgemeinen Ausführungsverordnung zur Landesbauordnung - LBOAVO - einschlägig (vgl. Sauter, LBO, a.a.O. RdNr. 44 zu § 6). Danach sind Belange des Brandschutzes im vorliegenden Verfahren, in dem es allein um die Rechtmäßigkeit der Bescheidung des Nachbarwiderspruchs der Beigeladenen gegen die dem Kläger erteilte Baugenehmigung geht, nicht zu berücksichtigen.
37 
Nach allem verletzt die erteilte Baugenehmigung - soweit sie die genannte Terrassenüberdachung betrifft - keine Rechte der Beigeladenen, weshalb der dem Widerspruch diesbezüglich stattgebende Bescheid des Regierungspräsidiums insoweit aufzuheben ist.
38 
Auch die Eingangsüberdachung ist mit dem darunter befindlichen Raum als Gebäude i.S.v. § 5 Abs. 1 LBO zu werten, obwohl in Richtung des Grundstücks der Beigeladenen und zur Westseite hin keine konstruktive Wand besteht. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Terrassenüberdachung verwiesen werden. Diese Eingangsüberdachung unterfällt ebenso wenig wie die Terrassenüberdachung der Vorschrift des § 5 Abs. 6 LBO, denn sie hält ebenfalls den dort genannten Abstand zum Grundstück der Beigeladenen von 2 m nicht ein, vielmehr beträgt dieser Abstand nach den Eintragungen im Baugesuch im Minimum 1,87 m. Für die Eingangsüberdachung kann sich der Kläger allerdings auch nicht auf die Privilegierung des § 6 Abs. 1 LBO berufen, denn das durch diese Überdachung gebildete Bauteil stellt keinen Nebenraum im Sinne der genannten Vorschrift und der oben wiedergegebenen Erläuterung dar. Die von Klägerseite angestellten hypothetischen Erwägungen, wie es zu beurteilen wäre, wenn die Überdachung bis an die Grenze gezogen würde und wenn der Teil der Bodenfläche zwischen dem zum Hausgang führenden Weg und der Grenze als Abstellfläche benutzt würde, müssen dabei unberücksichtigt bleiben. Denn tatsächlich handelt es sich bei dem hier fraglichen Bauteil ausschließlich um die Überdachung des Eingangbereiches und nicht um die Überdachung einer Abstellfläche.
39 
Unter Berücksichtigung des Umstands, dass Nebenräume nicht unmittelbar der Wohnnutzung dienen und diese Räume üblicherweise sonst in Untergeschossen untergebracht werden, kann der Bereich einer Eingangsüberdachung nicht als Nebenraum beurteilt werden. Denn ein solcher Bereich dient unmittelbar dem Wohnen, da durch ihn erst die Wohnräume aufgesucht werden können. In seiner Funktion kommt er damit sehr stark den Fluren nahe, die eine Verbindung zwischen den einzelnen Wohnräumen gewähren und damit ebenfalls keine Nebenräume im erwähnten Sinne darstellen, sondern dem engeren Wohnbereich zuzurechnen sind, weshalb sie von der Einhaltung der Abstandsflächen nicht nach § 6 LBO befreit sind. Danach wäre vorliegend der nachbarschützende Teil der Abstandstiefen, jedenfalls aber eine Tiefe von 2,5 m, zur Grenze des Grundstücks der Beigeladenen einzuhalten (§ 5 Abs. 7 LBO), was tatsächlich nicht der Fall ist.
40 
Die Zulassung einer geringeren Tiefe nach § 6 Abs. 4 LBO kommt nicht in Betracht. Einschlägig könnte vorliegend allenfalls § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO sein, wonach geringere Tiefen zuzulassen sind, wenn die Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maß gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und, soweit die Tiefe der Abstandsfläche die Maße des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg sind jedoch, soweit der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe auch nur geringfügig unterschritten wird, nachbarliche Belange schon dann erheblich beeinträchtigt, wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die vorhandene Situation durch bestimmte Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.10.1996 - 8 S 2566/96 -, VBlBW-Ls 1996, Beilage 12, B 8-9 = BauR 1997, 92 ff.; Sauter, LBO, a.a.O., RdNr. 48 b zu § 6 m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.06.2003 - 3 S 938/03 -, BauR 2003, 1549 ff.). Besonderheiten in diesem Sinne sind vorliegend nicht ersichtlich, insbesondere besteht auch kein vergleichsweise großer Abstand zwischen dem Wohngebäude der Beigeladenen und der Grenze zum Grundstück des Klägers, vielmehr beträgt dieser Abstand knapp 7 m.
41 
Wird danach mit der Eingangsüberdachung die auch zum Schutz der Beigeladenen dienende Abstandsfläche nicht eingehalten, hat das Regierungspräsidium Tübingen zu Recht die dem Kläger erteilte Baugenehmigung insoweit ausgehoben, weshalb auch die vom Kläger gegen die Entscheidung des Regierungspräsidiums erhobene Klage in diesem Umfang erfolglos bleibt.
42 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 i.V.m. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Das Gericht sieht davon ab, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§ 124 a Abs. 1 VwGO).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Hält die Behörde den Widerspruch für begründet, so hilft sie ihm ab und entscheidet über die Kosten.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 3.750,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antrag ist zulässig und richtet sich nach §§ 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers, gegen die dem Beigeladenen von der Stadt... unter dem 24.08.2005 erteilten Baugenehmigung sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums ... vom 06.12.2005. Der Klage kommt kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zu (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO, § 212a Abs. 1 BauGB).
Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Nach der im summarischen Verfahren gewonnen Überzeugung der Kammer überwiegen das öffentliche Interesse und das private Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung das private Interesse des Antragstellers, vorläufig vom Vollzug der angefochtenen Baugenehmigung verschont zu bleiben. Denn es muss derzeit mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die angefochtene Baugenehmigung nicht gegen von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften i.S.v. § 58 Abs. 1 S. 1 LBO verstößt, die zumindest auch dem Schutz des Antragstellers zu dienen bestimmt sind. Die Klage wird deshalb aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben.
1. Die Ausführungen des Antragstellers zur Frage eines „Einfügens“ des Vorhabens der Beigeladenen im so genannten Blockinnenbereich seiner näheren Umgebung gem. § 34 Abs. 1 BauGB beschäftigen sich im wesentlichen mit objektiv-rechtlichen städtebaulichen Fragen, ohne darzulegen, in welchen seinem Schutz dienenden Rechten der Antragsteller hierdurch verletzt sein soll. Eine Beachtung des objektiven Baurechts kann der Antragsteller aber nicht verlangen. Er ist darauf beschränkt, eine Verletzung auch seinem Schutz als Nachbarn dienender Rechtsnormen geltend zu machen. Dem maßgeblichen objektiv-rechtlichen Rücksichtnahmegebot, das Bestandteil des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB ist, kommt aber eine solche drittschützende Wirkung nur ausnahmsweise zu. Eine solche Ausnahme liegt nur vor, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.02.1977 - 4 C 22.75 -, BVerwGE 52, 122; zuletzt VGH Bad.-Württ., Urt. vom 2.12.2005, 3 S 151/04; aus der Literatur: Söfker, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB-Kommentar, § 34 Rdnr. 141 mit Nachweisen; eine weitergehende nachbarschützende Wirkung ohne Beschränkung auf das Rücksichtnahmegebot wird z.B. vertreten von Dürr, Kohlhammer-Kommentar zum BauGB, § 34 Rdnr. 154 und KommJur 2005, 201 [203 f., 209]; Wahl, JuS 1984, 577 [584 ff.]). Dies schließt eine erfolgreiche Berufung auf die Einhaltung tatsächlicher Baugrenzen oder Baulinien aus. Ob Baugrenzen oder Baulinien nachbarschützend sind oder ausschließlich städtebauliche Aussagen treffen, beurteilt sich nach ihrer Zweckbestimmung (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl. 2002, § 23 Rdnr. 6). Eine solche Zweckbestimmung lässt sich aber nur im Falle der förmlichen Festsetzung von Baugrenzen oder Baulinien in einem Bebauungsplan nachvollziehen. Im Fall einer faktischen Baugrenze oder Baulinie ist hierfür kein Raum, weil es an einer für die drittschützende Wirkung maßgeblichen planerischen Entscheidung der Gemeinde zum nachbarschaftlichen Austauschverhältnis fehlt (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.11.1994, 8 S 2937/94; OVG Bautzen, Beschl. v. 20.10.2005, 1 BS 251/05 - Juris; grundlegend BVerwG, Urt. vom 23.08.1996 - 4 C 13.94 -, BVerwGE 101, 364 [376]). Dies hat seinen rechtfertigenden Grund darin, dass § 34 Abs. 1 BauGB eine Planersatzvorschrift ist, deren Zulässigkeitsmaßstab notwendigerweise weniger scharf ist als der eines Bebauungsplanes, weil er sich an der Umgebungsbebauung orientiert. Das hat zur Folge, dass im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB ein Vorhaben zulässig sein kann, dessen Verwirklichung durch einen Bebauungsplan ausgeschlossen werden könnte. Der aus § 34 Abs. 1 BauGB folgende Nachbarschutz ist also weniger weit gehend als derjenige eines Bebauungsplanes (vgl. BVerwG, Beschl. vom 19.10.1995, 4 B 215.95, NVwZ 1996, 888). Da das BVerwG bezüglich der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung und der überbaubaren Grundstücksfläche auch im Planbereich keinen Drittschutz kraft Bundesrechts sieht (BVerwG, Beschl. vom 23.06.1995, 4 B 52.95, NVwZ 1996, 170; Beschl. vom 19.10.1995, 4 B 215.95, NVwZ 1996, 888), ist für Drittschutz bezüglich der „Stellung des Baukörpers im Raum“ im Rahmen von § 34 Abs. 1 BauGB auch kein Raum.
2. Im Übrigen würde entgegen der Auffassung des Antragstellers in der näheren Umgebung des Bauvorhabens i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB auch keine faktische Baugrenze vorhanden sein, welche der Erteilung einer Baugenehmigung - objektivrechtlich - entgegenstünde. Ein Bauvorhaben fügt sich in die Umgebungsbebauung im Hinblick auf seine überbaubare Grundstücksfläche und damit auf seinen Standort innerhalb der vorhandenen Bebauung dann ein, wenn und soweit rückwärtige Grundstücksflächen der maßgeblichen Umgebung eine entsprechende Bebauung aufweisen. Welche Umgebung im Einzelfall „maßgeblich“ ist, hängt von der mit dem Bauvorhaben auf die Nachbarschaft verbundenen Ausstrahlungswirkung ab (vgl. BVerwG, Urt. vom 03.04.1981 - 4 C 61.78 -, BVerwGE 62, 151), so dass für die Blockinnenbebauung durch ein Wohngebäude entweder eine Betrachtung im maßgeblichen Straßengeviert (Quartier) oder eine Betrachtung von der Erschließungsseite aus in Betracht gezogen werden kann. Letztlich ist dies aber eine Frage der konkreten Umstände des Einzelfalles und - soweit entscheidungserheblich - ggf. durch einen Augenschein zu klären. Die Kammer muss dies für das vorläufige Rechtsschutzverfahren aber nicht abschließend klären, weil nach beiden in Betracht kommenden Sichtweisen eine Bebaubarkeit des rückwärtigen Bereiches des Flst. Nr. .../... zulässig erscheint:
In dem Straßengeviert ...-, ...-, ...- und ...straße liegt auf dem Grundstück des Antragstellers eine Garagenanlage, die den Blockinnenbereich durch ihre Größe maßgeblich mit prägt und die deshalb nicht als untergeordnete oder lediglich vereinzelte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.11.1997, 4 B 172.97, NVwZ-RR 1998, 539) Garagen- oder Nebengebäudebebauung anzusehen ist, neben der nur weitere untergeordnete Nebenanlagen zulässig wären (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 28.09.1988, 4 B 175.88, NVwZ 1989, 354). Denn auf dem Grundstück des Antragstellers wurden entlang der Grundstücksgrenze zwischen 1964 und 2002 insgesamt 15 Garagen - teilweise unter Befreiung von nachbarschützenden Vorschriften - genehmigt, die mehr als den im Anwesen ...straße ... vorhandenen Stellplatzbedarf abbilden und damit einem - der Hauptnutzung untergeordneten - Nebengebäude im Sinne der genannten Rechtsprechung nicht vergleichbar sind. Die Grundfläche der Garagenanlage auf den Flurst. Nrn. .../... und ... stellt die größte überbaute Fläche im Quartier dar, die zudem die Nutzungsmöglichkeiten der Nachbargrundstücke und insbesondere des gesamten rückwärtigen Bereiches im Quartier durch ihre mehr als 70m lange und das natürliche Gelände um rund 3m überragende Grenzbebauung prägt. Schließlich könnte auch unter dem Gesichtspunkt des § 12 Abs. 2 BauNVO fraglich sein, ob diese - allerdings bestandskräftig genehmigten - Garagen in einem ansonsten homogenen Innenbereich nach § 34 Abs. 2 BauGB bei einem Neuantrag zulässig wären (vgl. Beschl. d. Kammer v. 19.12.2005, 1 K 1761/05; BVerwG, Urt. v. 16.09.1993, 4 C 28.91, BVerwGE 94, 151). Die Nutzung des Blockinnenbereichs ist ferner durch eine Werkstatt auf dem Flurstück 7223/4 sowie das 2004 genehmigte Wohngebäude an der Ecke ...straße/...straße vorgeprägt.
Soweit die rückwärtige Überbaubarkeit nach der tatsächlichen Bebauung entlang der Erschließungsstraße ...straße beurteilt würde, so wäre eine Bebauung des rückwärtigen Bereiches auf dem benachbarten Grundstück Flst. Nr. .../... (Wohngebäude), dem Flst. Nr. .../... (Wohngebäude) sowie auf dem Flst.Nr. .../... (Werkstatt) vorhanden, und zwar mit vergleichbarer Bautiefe wie das geplante Vorhaben.
Die vorhandene Überbauung des Bereiches hinter den straßenseitig gelegenen Wohngebäuden ist damit nach jeder Betrachtungsweise nicht nur vereinzelt und prägt den Blockinnenbereich mit, so dass das Bauvorhaben des Beigeladenen auf dem Flurstück Nr. .../... nach Überzeugung der Kammer mit hoher Wahrscheinlichkeit auch objektiv-rechtlich nach § 34 Abs. 1 BauGB zulässig ist.
3. Schließlich ist die Kammer aber auch der Auffassung, dass selbst wenn man zugunsten des Antragstellers mit verschiedenen Stimmen in der Literatur (Nachweise bei Dürr, a.a.O.; ferner Koch/Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 4. Aufl. 2004, § 28 Rn. 15 ff.) eine Ausweitung des Nachbarschutzes im Rahmen des § 34 BauGB vornehmen wollte, schutzwürdige Belange des Antragstellers im konkreten Fall nicht beeinträchtigt sind. Das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis ist nämlich geprägt von wechselseitiger Rücksichtnahme im Rahmen des Austauschverhältnisses der Eigentümer untereinander. Indem der Antragsteller - als bislang einziger Eigentümer des Quartiers - den rückwärtigen Bereich seines Grundstücks Flst.-Nr. .../... mit einer großen Garagenanlage bebaut hat (Grenzbebauung mit mehr als 70 m Länge; Nutzungen, die nicht der Hauptnutzung des Grundstückes untergeordnet sind, sondern über das Grundstück des Ast. hinauswirken, z.B. durch Lärmbeeinträchtigungen von zu- und abfahrenden Fahrzeugen sowie Öffnen und Schließen von Garagentoren), fordert er selbst von der Nachbarschaft bereits ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme. Seine eigene Garagenanlage führt bereits dazu, dass die vom Antragsteller behauptete „Ruhezone“ des rückwärtigen Bereiches in ihrer Qualität und Quantität stark gemindert wird. Dies bedeutet aber, dass der von seiner Nachbarschaft Rücksicht einfordernde Antragsteller seinen Nachbarn seinerseits ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme entgegenzubringen und die grundsätzlich zulässige bauliche Ausnutzung des Nachbargrundstückes hinzunehmen hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. vom 2.12.2005, 3 S 151/04, UA S. 10). Das nachbarschaftliche Verhältnis ist keine Einbahnstraße, sondern ein gegenseitiges Austauschverhältnis (BVerwG, Urt. vom 23.08.1996 - 4 C 13.94 -, BVerwGE 101, 364 [376]). Für die Kammer sind auch keine weitergehenden Gesichtspunkte erkennbar, weshalb ein Bauvorhaben, das bauordnungsrechtlich einen ausreichenden Abstand zum Grundstück des Antragstellers hält und das eine grundsätzlich in der Nachbarschaft zulässige Nutzung vorsieht, sich gegenüber der Nutzung auf dem gesamten Grundstück des Antragstellers (Wohngebäude und umfangreiche Garagennutzung) als eine das nachbarschaftliche Austauschverhältnis störende Nutzung darstellen sollte.
4. Auch im Hinblick auf die weiteren Tatbestandsmerkmale in § 34 Abs. 1 BauGB lassen sich keine Hinweise dafür finden, dass nachbarschützende Aspekte verletzt sein können. So fügt sich die Art der beabsichtigten Nutzung (Wohnanlage) ohne Weiteres in die in der Umgebung vorhandene Wohnbebauung ein, auch das Maß der beabsichtigten Nutzung fügt sich in die Umgebungsbebauung ein. Denn sowohl die überbaute Fläche hat auf den Nachbargrundstücken (Flst.-Nr. .../... des Antragstellers und Flst.-Nr. .../...) ein Vorbild und auch die geplante Bauhöhe von knapp 12 m dürfte den in der Umgebung vorhandenen Rahmen nicht sprengen, denn auch das Haus des Antragstellers ist viergeschossig mit Satteldach ausgebildet (zur Firsthöhe als maßgeblicher Größe vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.03.1999, 3 S 201/99, VBlBW 1999, 375). Im Übrigen würde eine Überschreitung des Maßes der Nutzung wiederum keine Verletzung nachbarschützender Rechte darstellen (vgl. Dürr, KommJur 2005, 201 [206 - zum Bebauungsplan]; Söfker, a.a.O.; Hofherr, Berliner Ktr. zum BauGB, 3. Aufl. 2005, § 34 Rn. 89). Denn Anhaltspunkte dafür, dass das Bauvorhaben auf das Wohngebäude des Antragstellers, welches rund 35 m entfernt liegt, eine erdrückende Wirkung hat (vgl. BVerwG, Urt. vom 13.03.1981 - 4 C 1.78, BauR 1981, 354; VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 25.02.1992 - 3 S 309/92 -, VBlBW 1992, 345), sind weder vorgetragen noch sonst irgendwie ersichtlich.
10 
5. Das Bauvorhaben verstößt auch nicht gegen nachbarschützende Normen des Bauordnungsrechts (vgl. hierzu Dürr, KommJur 2005, 201 [210 f.]). Es hält zum Grundstück des Antragstellers einen Abstand von ca. 5 m und damit mehr als die nach § 5 Abs. 7 S. 3, Abs. 8 LBO erforderliche Abstandstiefe ein. Denn das Bauvorhaben genießt das so genannte Schmalseitenprivileg nach § 5 Abs. 8 LBO, da die dem Grundstück des Antragstellers zugewandte Seite lediglich 12,98 m breit ist. Demzufolge ist eine Abstandsfläche von 0,4 m einzuhalten, bei dem 11,34 m hohen Gebäude mithin 4,54 m (soweit man zugunsten des Antragstellers auf die Firsthöhe von 11,97 m abstellen würde, ergäbe sich auch lediglich eine erforderliche Abstandsfläche einer Tiefe von 4,78 m). Anhaltspunkte dafür, dass die an der ...straße gelegene Tiefgaragenzufahrt nachbarschützende Belange des Klägers i.S.d. § 37 LBO beeinträchtigten, bestehen nicht.
11 
6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs.1, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und somit ein Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass der Antragsteller auch ihre außergerichtlichen Kosten trägt. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 9.7.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004. In Anbetracht dessen, dass es vorliegend um einstweiligen Rechtsschutz geht, hat die Kammer den Streitwert halbiert.

Tenor

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für eine bereits errichtete Werbetafel.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flst. Nr. 12359 (... Straße 11) der Gemarkung Karlsruhe, auf dem eine Tankstelle betrieben wird. Die Tankstelle wird von der ... Straße aus angefahren; auf dem Tankstellengrundstück befinden sich - in unmittelbarem Anschluss an die Straßenfläche - u.a der Einfahrtspfeil zur Tankstelle und das Preisschild.
Am 30.07.2008 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer beleuchteten Werbeanlage auf dem benachbarten - nördlich an das Tankstellengrundstück angrenzenden - Grundstück Flst. Nr. 981/1 (...ring 12), das sowohl vom ...ring her als auch - auf seiner Südostseite - von der ... Straße her erschlossen ist und an diese angrenzt. Bei der Werbeanlage handelt sich um eine sog. Mega-Light-Wechsleranlage mit den Abmessungen 3806 X 2846 mm, die in einer Höhe von ca. 2,5 m auf einem Monofuß errichtet werden soll. Sie bietet Raum für großflächige, hinterleuchtete Plakate im Format 18/1 (9 qm). Als Standort der Anlage ist in den Genehmigungsunterlagen die äußerste südöstlichste Ecke des Grundstücks Flst. Nr. 981/1, unmittelbar an der Grundstücksgrenze zum Tankstellengrundstück der Klägerin und zur ... Straße hin, vorgesehen.
Sowohl das Baugrundstück als auch das Grundstück der Klägerin liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 476 „Kirchfeld“ der ehemals selbständigen Gemeinde ... in der Fassung vom 19.03.1963, der im betreffenden Bereich ein Gewerbegebiet festsetzt. Nach § 2 des Satzungstextes zum Gewerbegebiet gilt für die „Einhaltung der Baulinien und der hinteren Baugrenze der am 07.03.1961 gefertigte Fluchtlinienplan“, welcher in Bezug auf das Baugrundstück Flst. Nr. 981/1 eine „hintere Bauflucht (Baugrenze für Wohn- und Nebengebäude)“ festsetzt. Nach § 5 des Satzungstextes zum Gewerbegebiet darf „der Bauwich 3,00 m nicht unterschreiten“.
Mit Bescheid vom 29.10.2008 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung zunächst mit der Begründung ab, dem Vorhaben stünden Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 476 „Kirchfeld“ entgegen, weil die Werbeanlage deutlich vor der Baugrenze errichtet werden solle und dort auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden könne. Außerdem führe sie zu einer bauordnungsrechtlichen Verunstaltung. Gegen diesen Bescheid erhob die Beigeladene am 06.11.2008 Widerspruch und errichtete die Werbeanlage an dem beantragten Standort. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 15.07.2009 half die Beklagte dem Widerspruch ab und erteilte die begehrte Baugenehmigung. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Werbeanlage nach § 6 Abs. 6 Ziffer 2 LBO in der Abstandsfläche zulässig sei, da sie zwar eine Höhe von 2,5 m überschreite, die fiktive Wandfläche jedoch unterschreite, mithin nicht beide Maße kumulativ überschritten seien. Infolgedessen könne die Anlage gem. § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO auch auf nichtüberbaubaren Grundstücksflächen zugelassen werden. Der der Behörde in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessensspielraum sei hier aufgrund der in der näheren Umgebung anzutreffenden Nutzungen außerhalb des festgesetzten Baubereichs deutlich reduziert.
Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.08.2009 Widerspruch. Zur Begründung bezog sie sich zunächst auf die ihrer Ansicht nach richtigen Ausführungen der Beklagten in dem Ablehnungsbescheid vom 29.10.2008. Zu der im Bescheid vom 15.07.2009 gegebenen Begründung führte sie ergänzend aus, die Werbeanlage sei schon bauordnungsrechtlich nicht zulässig, weil sie als einzige kommerzielle Werbeanlage dieser Größe am konkreten Standort verunstaltend wirke. Mit in der Umgebung vorhandenen Werbeanlagen sei sie nicht vergleichbar. Aus diesem Grunde sei auch die bauplanungsrechtliche Argumentation der Beklagten nicht überzeugend. Mit Bescheid vom 25.03.2010 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch zurück. Zwar überschreite die Werbeanlage die im Bebauungsplan festgelegte (vordere) Baugrenze; diese Baugrenze vermittle der Klägerin aber keinen Nachbarschutz. Im Übrigen sei der Verstoß durch die erteilte Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB geheilt. Die Befreiungsvoraussetzungen lägen vor; nachbarliche Interessen der Klägerin würden nicht beeinträchtigt, insbesondere sei nicht davon auszugehen, dass die Werbeanlage zu einer übermäßigen Behinderung der Sicht auf die Tankstelle führe. Die Vorschriften des Baugestaltungsrechts hätten ebenfalls keine nachbarschützende Wirkung; bauordnungsrechtliche Abstandsvorschriften seien nicht verletzt.
Am 26.04.2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, die Werbeanlage sei bauplanungsrechtlich unzulässig, da sie sich außerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenze befinde. Eine Genehmigung habe nicht ausnahmsweise gem. § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO erteilt werden dürfen. Die Beklagte sei zu Unrecht von einer Ermessensreduzierung auf null ausgegangen. Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang angeführten Vergleichsfälle seien mit der in Rede stehenden Werbetafel nicht vergleichbar. Da die Vorschrift des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO eine nachbarschützende Komponente enthalte, könne eine fehlerhafte Ermessensentscheidung vom Nachbarn auch dann gerügt werden, wenn die jeweilige Festsetzung der Baugrenze im Bebauungsplan selbst nicht nachbarschützend sei. Vorliegend habe auch die vordere Baugrenze drittschützenden Charakter, da mit ihrer Festsetzung eine aufgelockerte Bauweise gewährleistet werden solle, die auch den Nachbarn zugutekomme. Ferner verstoße die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot nach § 15 Abs. 1 BauNVO. Die Klägerin sei als unmittelbare Angrenzerin besonders von der Anlage betroffen. Die großen Werbeplakate wirkten vom Grundstück der Klägerin aus wie eine Wand und versperrten die Sicht auf die Vorgärten. Diese störende und aufdringliche Wirkung werde dadurch verstärkt, dass die Werbeplakate rollierten und nachts beleuchtet seien. Die Werbeanlage sei bauordnungsrechtlich unzulässig. Sie verunstalte die Umgebung und verstoße gegen §11 Abs. 1 LBO. Die bunten Werbeschilder zerstörten den ansonsten ruhigen Eindruck der Umgebung, die einem Wohngebiet entspreche. Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide verwiesen.
Mit Urteil vom 12.04.2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es hat sein Urteil wie folgt begründet: Die in Streit stehende Werbetafel verletze keine nachbarschützenden Bestimmungen des Bauordnungsrechts. § 5 Abs. 1 LBO finde aufgrund der in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO normierten Privilegierung keine Anwendung. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien erfüllt. Bei der Werbetafel handele es sich auch landesrechtlich um eine bauliche Anlage (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 LBO), die kein Gebäude sei (§ 2 Abs. 2 LBO). Zwar solle sie höher als 2,5 m ausgeführt werden, ihre Wandfläche betrage aber - selbst bei Berücksichtigung des Monofußes - nicht mehr als 25 qm. Für die Berechnung sei lediglich die tatsächlich vorhandene Wandfläche maßgeblich. Eine fiktive Fläche, die sich unter Berücksichtigung des Luftraumes unter der eigentlichen Fläche des Monofußes ergebe, sei nicht zu berechnen. Dahinstehen könne, ob dem Vorhaben das Verunstaltungsverbot des § 11 LBO entgegen stehe, da es sich insoweit nicht um eine drittschützende Vorschrift handele. Die Werbeanlage verstoße auch nicht gegen drittschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Maßgeblich für die Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit seien die Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplans Nr. 476 „Kirchfeld“. Aufgrund der dort ausgewiesenen Baugrenze sei die Werbeanlage an der Stelle, an der sich errichtet worden sei, grundsätzlich unzulässig; nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO könnten bauliche Anlagen jedoch auf nichtüberbaubaren Grundstücksflächen zugelassen werden, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig seien oder zugelassen werden könnten. Mit ihrer Ermessensentscheidung nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO habe die Beklagte hier eine Überschreitung der hinteren Baugrenze zugelassen, welche jedoch keine nachbarschützende Wirkung zugunsten der Klägerin entfalte. Aus den Festsetzungen des Bebauungsplans selbst ergäben sich keine Anhaltspunkte dahingehend, dass die Baugrenze den Interessen der Nachbarn zu dienen bestimmt sei; insbesondere die in § 15 der Satzung statuierte Genehmigungspflicht für Werbe-einrichtungen lasse diesen Schluss nicht zu. Baugrenzen oder Baulinien würden in der Regel nur aus städtebaulichen Gründen festgesetzt. Besondere Anhaltspunkte für eine nachbarschützende Wirkung ergäben sich regelmäßig nur hinsichtlich seitlicher Baugrenzen zugunsten des an derselben Grundstücksseite liegenden Nachbarn, weil durch die Festsetzung solcher Baugrenzen bei unmittelbar aneinander liegenden Grundstücken ein nachbarrechtliches Austauschverhältnis begründet werde, das zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichte. Diese Erwägungen gälten aber nicht für die hier in Rede stehende vordere, straßenseitige Baugrenze und zwar unabhängig davon, ob sie in dem Bebauungsplan zu Recht als „hintere“ Baugrenze deklariert werde. Es sei schließlich auch kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu erkennen. Nach den Feststellungen der Kammer vor Ort beeinträchtige die Werbetafel das Grundstück der Klägerin nicht unzumutbar.
Mit Beschluss vom 04.08.2011 (5 S 1561/11) hat der Senat auf Antrag der Klägerin die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen, weil das Verwaltungsgericht die Vorschrift des § 5 des Bebauungsplans Nr. 46 „Kirchfeld“ (Gewerbegebiet), wonach der Bauwich 3,00 m nicht unterschreiten darf, ungeprüft gelassen habe und insofern ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestünden.
10 
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor: Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht zu der Auffassung gelangt, dass die Werbeanlage als bauliche Anlage nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO in der Abstandsfläche zulässig sei. Die Werbeanlage weise eine Gesamthöhe von 5,541 m auf und überschreite damit das in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO vorausgesetzte Höhenmaß von maximal 2,5 m. Zu Unrecht berufe sich das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Auffassung, nur eines der in der Vorschrift genannten Maße müsse erfüllt sein um die Werbeanlage zulassen zu können, auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 13.03.2008 - 8 S 15/07 -. Es habe übersehen, dass diese Entscheidung zu § 5 Abs. 9 LBO a.F. und damit zu einer völlig anderen Fassung der Vorschrift ergangen sei. Nach § 5 Abs. 9 LBO a.F. seien bauliche Anlagen, die keine Gebäude seien, in der Abstandsfläche zulässig, wenn sie höher als 2,5 m seien und ihre Wandfläche mehr als 25 qm betrage. Die im vorliegenden Fall anzuwendende Vorschrift - § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO in der aktuellen Fassung - sei aber anders formuliert. Nach ihr seien bauliche Anlagen, die keine Gebäude seien, in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen sowie ohne eigene Abstandsflächen nur zulässig, soweit sie nicht höher als 2,5 m seien oder ihre Wandfläche nicht mehr als 25 qm betrage. Durch die Einfügung des Wörtchens „soweit“ sei nunmehr eindeutig klargestellt, dass eine Genehmigung dann nicht in Betracht komme, wenn die bauliche Anlage - hier die streitgegenständliche Werbeanlage - entweder höher als 2,5 m sei oder eine größere Wandfläche als 25 qm aufweise. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts verletze das Vorhaben hier auch drittschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Der Bebauungsplan setze in § 6 (Gewerbegebiet) i.V.m. der Planzeichnung eine vordere Bauflucht (rot), eine hintere Bauflucht (blau) und eine Straßenflucht (schwarz) fest und treffe - in § 5 (Gewerbegebiet) - eine Regelung zum Bauwich. Lege man diese Regelungen nach dem Willen des Satzungsgebers im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung über den Plan aus, so komme man zu dem Ergebnis, dass er zwischen der roten vorderen Bauflucht und der Straßenflucht keine Bebauung habe zulassen wollen mit Ausnahme der Zapfsäulen der damals bereits vorhandenen Tankstelle. Gleichzeitig sollten im Bauwich überhaupt keine baulichen Anlagen errichtet werden dürfen. Genau aus diesem Grund sei auch festgesetzt (§ 6 Abs. 2 des Bebauungsplans - Gewerbegebiet -), dass Nebengebäude außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen nicht errichtet werden dürften. Der Satzungsgeber habe damit in der konkreten Situation gerade auch zum Schutze der Grundstücke Flst. Nrn. 981/1 und 991 eine Regelung zur Freihaltung von jeglicher Bebauung treffen wollen, zumal die Festlegung einer seitlichen Baugrenze mit Blick auf die vorhandene Bestandsbebauung auf den genannten Grundstücken nicht in Betracht gekommen sei. Das Verwaltungsgericht habe ferner nicht beachtet, dass die Klägerin richtigerweise eine Prüfung verlangen könne, ob die Regelungen des Bebauungsplans objektivrechtlich eingehalten seien. Die Beschränkung des Überprüfungsrechts auf sog. nachbarschützende Normen führe dazu, dass der rechtssuchende Bürger keinerlei Möglichkeit habe, dafür Sorge zu tragen, dass gesetzliche Bestimmungen auch tatsächlich eingehalten würden. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 12.05.2011 - C-115/09 - hätte dem Verwaltungsgericht Veranlassung geben müssen, seine gegenteilige Rechtsauffassung zu überdenken. Dort habe der EuGH dargelegt, die Mitgliedstaaten müssten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicherstellen, dass auch objektive Rechtsverletzungen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens geltend gemacht werden könnten. Schließlich habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots gesehen. Die Werbetafel sei deutlich höher als das Tankstellendach und nehme - besonders von der Straße aus - den Blick auf die Tankstelle. Zu berücksichtigen sei, dass es nicht um ein legitimes Interesse des Eigentümers des Grundstücks 981/1 gehe, wenn dort eine Werbetafel aufgestellt werde. Denn sie diene nicht dem Zweck, auf ein dort betriebenes Gewerbeunternehmen aufmerksam zu machen, sondern ausschließlich der Fremdwerbung. Fremdwerbung stehe aber in keinerlei Bezug zum Gewerbegebiet, wohingegen die Tankstelle diesen Bezug aufweise. Die Errichtung einer Hinweistafel auf die Tankstelle und die entsprechende werbliche Herausstellung des Tankstellendachs dienten folglich - anders als die streitgegenständliche Werbeanlage - ebenfalls der Zielsetzung des Gewerbegebiets. Aus diesem Grund sei die Werbeanlage nach der BauNVO 1962 zudem als solche überhaupt nicht zulässig. Denn weder handele es sich bei der Werbeanlage selbst um einen Gewerbebetrieb noch stehe sie - vergleichbar einem Nebengebäude - in funktionalem Zusammenhang mit einem Gewerbebetrieb, der auf einem Grundstück des Plangebiets vorhanden sei.
11 
Die Klägerin beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 12.04.2011 abzuändern und die Baugenehmigung der Stadt Karlsruhe vom 15.07.2009 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 25.03.2010 aufzuheben.
13 
Die Beklagte beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Zur Begründung trägt sie vor: Anders als es der Wortlaut der alten Fassung der LBO noch nahegelegt habe, seien bauliche Anlagen, die keine Gebäude seien, in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen bzw. ohne eigene Abstandsflächen nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO bereits dann zulässig, wenn eines der beiden in der Vorschrift genannten Maße erfüllt sei. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt habe, sei die im Bebauungsplan festgesetzte hintere Bauflucht nicht geeignet, der Klägerin Drittschutz zu vermitteln. Zudem gelte diese Regelung nur für Wohngebäude und Nebengebäude. Die Werbeanlage falle hierunter nicht. Das Rücksichtnahmegebot sei zulasten der Klägerin nicht verletzt, weil in dem vom Verwaltungsgericht durchgeführten Ortstermin keine erhebliche Beeinträchtigung auf dem Grundstück der Klägerin habe festgestellt werden können. Schließlich stehe die Regelung des § 5 des Bebauungsplans (Gewerbegebiet) zum Bauwich der Erteilung der Genehmigung nicht entgegen. In dem zur Zeit des Satzungsbeschlusses üblichen Sprachgebrauch sei mit „Bauwich“ lediglich der Grenzabstand von Gebäuden - und nicht von sonstigen baulichen Anlagen - gemeint gewesen. Schon rein begrifflich werde die Werbeanlage daher nicht von dieser Regelung erfasst. Dies ergebe sich auch aus § 22 Abs. 2 BauNVO 1962, der vorliegend Anwendung finde. Danach seien in der offenen Bauweise Gebäude mit „seitlichem Grenzabstand (Bauwich)“ zu errichten. Die gesetzliche Definition des Bauwichs, wie er im Bebauungsplan Nr. 476 festgesetzt sei, beziehe sich daher nur auf Gebäude. Aber auch dann, wenn man § 5 des Bebauungsplans auf die streitgegenständliche Werbeanlage anwende, stehe er der Genehmigung nicht entgegen. Denn an der Festsetzung eines Bauwichs von 3,00 m bestünden durchgreifende Bedenken. Vom Bauordnungsrecht abweichende planungsrechtliche Festsetzungen des Bauwichs i.S.v. § 22 BauNVO 1962 hätten im Bebauungsplan nicht wirksam getroffen werden können. § 5 des Bebauungsplans i.V.m. § 22 Abs. 1 BauNVO 1962 regele daher lediglich, dass Gebäude in der offenen Bauweise mit einem seitlichen Grenzabstand errichtet werden sollten. Die seitlichen Abstandsflächen ergäben sich aber zwingend aus dem Abstandsflächenrecht. Auch die bauordnungsrechtlichen Regelungen zur Zulässigkeit baulicher Anlagen in Abstandsflächen blieben unberührt.
16 
Die Beigeladene beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen
18 
Sie hat sich im Berufungsverfahren schriftlich nicht geäußert.
19 
Dem Senat haben die Behördenakten der Beklagten, die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Karlsruhe und die Bebauungsplanakten Nr. 621.41.11 der Stadt Karlsruhe zum Bebauungsplan ... „Gewann Kirchfeld/Nördlich der Waldhornstraße“ vorgelegen. Auf diese Akten und die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands Bezug genommen.
20 
Der Senat hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme des Baugrundstücks und dessen nähere Umgebung. Hinsichtlich der dort getroffenen Feststellungen wird auf die Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26.01.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig; insbesondere ist sie innerhalb der Berufungsbegründungsfrist in der notwendigen Weise begründet worden (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO, § 124a Abs. 3 Sätze 4 und 5 VwGO). Sie hat aber keinen Erfolg.
22 
1. Die auf Aufhebung der angefochtenen Baugenehmigung gerichtete Nachbarklage ist zulässig, insbesondere steht der Klägern als unmittelbarer Grundstücksnachbarin die erforderliche Klagebefugnis zur Seite. Denn sie macht u.a. geltend, die unmittelbar an der Grenze zu ihrem Grundstück verwirklichte Werbeanlage verstoße, da dieses Vorhaben abstandsflächenrechtlich nicht privilegiert sei, gegen nachbarschützende Vorschriften zur Abstandsflächentiefe. Aber auch der weitere Vortrag der Klägerin, die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 467 „Kirchfeld“ zu Baugrenzen und zum Bauwich seien nach der Vorstellung des seinerzeitigen Satzungsgebers zum Schutz der Grundstücksnachbarn und damit auch zu ihrem Schutz ergangen, ist nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Auch insoweit ist es daher möglich, dass die angefochtene Baugenehmigung subjektive Rechtspositionen der Klägerin verletzt. Ihr kann auch das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage nicht abgesprochen werden.
23 
2. Die Klage ist aber nicht begründet. Die der Beigeladenen mit Bescheiden vom 15.07.2008 und 25.03.2010 erteilte Baugenehmigung verstößt nicht gegen von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die jedenfalls auch dem Schutz der Klägerin dienen.
24 
a) Die Zulassung der Werbeanlage an dem konkreten Standort verletzt keine nachbarschützenden bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hier - da es sich um eine Anfechtungsklage des Nachbarn gegen eine dem Bauherrn bereits erteilte Baugenehmigung handelt - der Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Baugenehmigung. Spätere Änderungen zu Lasten des Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben, denn bereits die erteilte Baugenehmigung vermittelt dem Bauherrn eine Rechtsposition, die sich, wenn ein Nachbar die Genehmigung anficht, gegenüber während des Rechtsmittelverfahrens eintretenden Änderungen der Sach- und Rechtslage durchsetzen kann (BVerwG, Beschl. v. 08.11.2010 - 4 B 43.10 -, ZfBR 2011, 53). Spätere Änderungen zu seinen Gunsten sind dagegen zu berücksichtigen, wirken sich aber regelmäßig nicht aus, wenn ihm eine Baugenehmigung bereits rechtmäßig erteilt wurde.
25 
Unter Zugrundelegung dessen ist die Rechtmäßigkeit des Vorhabens hier nach den Vorschriften der Landesbauordnung vom 08.08.1995 in der bis zum 28.02.2010 geltenden alten Fassung (im Folgenden LBO a.F.) zu beurteilen. Denn diese Fassung fand im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung - - im Juli 2009 - noch Anwendung.
26 
aa) Es kann offen bleiben, ob die Werbeanlage gegen das Verunstaltungsverbot des § 11 LBO a.F. verstößt. Denn Gestaltungsvorschriften sind ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit erlassen. Sie sind nicht dazu bestimmt, auch den Individualinteressen des Einzelnen zu dienen. § 11 LBO ist daher nicht nachbarschützend (Sauter, LBO, § 11 Rdnr. 9; Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 6. Aufl. § 11 Rdnr 28; zu den Vorgängervorschriften schon VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.12.1999 - 3 S 2737/97 -, juris Rdnr. 31 mw.N.). Mit Blick darauf könnte die Klägerin jedenfalls nicht verlangen, dass die Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen § 11 LBO - unterstellt, er läge vor - aufgehoben wird.
27 
bb) Der Zulassung der Werbeanlage an ihrem konkreten Standort stehen auch keine Vorschriften des Abstandsflächenrechts nach der LBO a.F. entgegen. Zwar handelt es sich bei der Werbeanlage zweifellos um eine bauliche Anlage i.S.v. § 2 Abs. 1 LBO a.F., sie braucht jedoch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 LBO a.F. selbst keine Abstandsfläche zum Nachbargrundstück hin einzuhalten.
28 
Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen vor: Bei der Werbeanlage handelt es sich um eine bauliche Anlage, die kein Gebäude ist (vgl. § 2 Abs. 2 LBO a.F.). Die bauliche Anlage ist zwar unstreitig höher als 2,5 m, ihre Wandfläche beträgt aber nicht mehr als 25 qm. Nach der von der Beigeladenen vorgelegten Produktbeschreibung ist die Werbefläche selbst höchstens 3806 X 2846 mm, also 10,83 qm groß. Hinzu kommt der Monofuß mit den (Höchst-)Maßen 586 X 2698 mm (1,58 qm). Eine Wandfläche von 25 qm wird damit bei weitem nicht erreicht. Dieses Wandmaß bliebe selbst dann unterschritten, wenn man – entsprechend dem Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung – noch den „Luftraum“ unter der Werbefläche bis zum Erdboden hinzurechnete. Dies hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt und wurde von der Klägerin danach auch nicht mehr bestritten.
29 
Die Regelung des § 5 Abs. 9 LBO a.F. findet aber nur Anwendung, wenn beide Maße überschritten sind, m.a.W. braucht eine bauliche Anlage, welche - wie hier - nur eines dieser Maße überschreitet, keine eigene Abstandsfläche einzuhalten (vgl. Urt. v. 18.07.1984 - 3 S 976/84 -, BWVPr. 1984, 257; Urt. v. 08.05.1985 - 3 S 63/85 -, VBlBW 1986, 23; Urt. v. 01.06.1994 - 3 S 2617/92 -, VGHBW-Ls 1994, Beilage 8, B8, juris, Urt. v. 13.03.2008 - 8 S 15/07 -, BauR 2008, 1585)
30 
An dieser Rechtslage hat sich im Übrigen – entgegen der dezidiert geäußerten Rechtsauffassung der Klägerin – durch die seit dem 01.03.2010 geltende abstandsflächenrechtliche Sonderregelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO neuer Fassung (im folgenden: LBO) nichts geändert. Vielmehr ist die Werbeanlage auch nach dieser Vorschrift abstandsflächenrechtlich privilegiert. Die Klägerin meint, die Voraussetzungen für eine Zulassung der Werbeanlage ohne eigene Abstandsflächen lägen nicht mehr vor, weil seit der Neufassung der Vorschrift durch Gesetz vom 10.11.2009 „eine Genehmigung nicht mehr in Betracht komme, wenn die Anlage entweder höher als 2,5 m ist oder die Anlage eine größere Wandfläche als 25 qm hat“. Damit gibt sie den Wortlaut der Vorschrift sinnverdreht wieder. Denn § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO ist entgegen ihrem Vortrag gerade nicht in der Weise negativ formuliert, dass bauliche Anlagenunzulässig sind, wenn eines der in der Vorschrift genannten Maße überschritten wird, sondern umgekehrt in der Weise positiv, dass bauliche Anlagen (in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen sowie ohne eigene Abstandsflächen) zulässig sind, soweit eines der in der Vorschrift genannten Maße nicht überschritten wird. Bereits der Gesetzeswortlaut („oder“) legt bei dieser Formulierung nahe, dass die Erfüllung schon eines der beiden Maße ausreicht, um die abstandsflächenrechtliche Privilegierung einer baulichen Anlage auszulösen. Umgekehrt bedeutet dies, dass nur die kumulative Überschreitung beider Gebäudemaße zur Unzulässigkeit einer baulichen Anlage i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO führt. So wird die neugefasste Vorschrift auch in der Kommentarliteratur verstanden (Sauter, LBO, 3. Aufl. § 6 Rdnr. 26; Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 6.Aufl. 2011 § 6 Rdnr. 32).
31 
Dieses schon nach dem Wortlaut naheliegende Verständnis der Vorschrift wird durch einen Blick auf die im Gesetzgebungsverfahren eindeutig zum Ausdruck gekommene Regelungsabsicht des Gesetzgebers bestätigt.
32 
Mit § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO wurden die bis zum 28.02.2010 geltenden Vorschriften des § 5 Abs. 9 LBO a.F. und des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. in einer Regelung zusammengefasst (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO im Gesetzentwurf der Landesregierung vom 19.08.2009, LT-Drs. 14/5013, S. 39). § 5 Abs. 9 LBO a.F. bestimmte, dass die - für Gebäude geltenden - Abstandsflächenvorschriften des § 5 Abs. 1 bis 8 LBO a.F. entsprechend für bauliche Anlagen gelten, die keine Gebäude sind, wenn die baulichen Anlagen höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche mehr als 25 qm beträgt. Nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. waren „in den Abstandsflächen bauliche Anlagen zulässig, die keine Gebäude sind, wenn sie in den Abstandsflächen nicht höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche nicht mehr als 25 qm beträgt. Hinsichtlich beider Vorgängervorschriften - bzw. deren Vorgängervorschriften in noch früheren Fassungen der Landesbauordnung - war in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aber anerkannt, dass bereits die Erfüllung eines der beiden genannten Maße die abstandsflächenrechtliche Privilegierung auslöst, m.a.W. erst deren kumulative Überschreitung zu einer Unzulässigkeit der betreffenden baulichen Anlage führt (zu § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. Beschl. v. 21.06.1993 - 5 S 874/93 -, BRS 55 Nr. 162, juris; Urt. v. 14.08.1997 - 5 S 1252/96 -, BauR 1998, 517; Urt. v. 13.03.2008 - 8 S 15/07 -, BauR 2008, 1585, ebenso zu § 5 Abs. 9 LBO a.F. Urt. v. 18.07.1984 - BWVPr. 1984, 257; Urt. v. 08.05.1985 - 3 S 63/85 - , VBlBW 1986, 23; Urt. v. 01.06.1994 - 3 S 2617/92 -, VGHBW-Ls 1994, Beilage 8, B8, juris). Diese Interpretation war mit dem Wortlaut der Vorgängervorschriften nicht auf den ersten Blick in Einklang zu bringen, denn die „und“-Verknüpfung konnte auch dahin verstanden werden, dass erst eine kumulative Einhaltung beider Maße die abstandsflächenrechtliche Privilegierung auslöst, m.a.W zur Zulässigkeit der betreffenden baulichen Anlage führt. Der Verwaltungsgerichtshof hatte in seinem Urteil vom 13.03.2008 - 8 S 15/07 - aber herausgestellt, dass es sich bei dem Bindewort „und“ um eine relativ schwache und sprachlich mehrdeutige konjunktive Verbindung handele. Der Wortlaut lasse die vom Gesetzgeber intendierte und von der Rechtsprechung vorgenommene Auslegung - Zulässigkeit des Vorhabens bereits bei Einhaltung eines der genannten Maße, umgekehrt gesprochen: Unzulässigkeit des Vorhabens erst bei kumulativer Überschreitung beider Maße - daher durchaus zu.
33 
Dem Landesgesetzgeber waren die aufgezeigten Verständnis- und Auslegungsschwierigkeiten bei der Neuformulierung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO bekannt. Ausweislich der Gesetzesbegründung der Landesregierung zu dieser Vorschrift (LT-Drs. 14/5013, S. 39) soll sich an dem von der Rechtsprechung konkretisierten Verständnis der Vorgängervorschriften durch die Neufassung nichts ändern. Vielmehr wollte der Gesetzgeber die von ihm als „unklar“ bezeichnete bisherige Regelung deutlicher fassen. Zur Auslegung der in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO genannten Voraussetzungen und zur Regelungsabsicht heißt es in der Gesetzesbegründung unzweideutig:
34 
„Zukünftig gilt hier, dass alle sonstigen baulichen Anlagen dann eigene Abstandsvorschriften besitzen und in Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen unzulässig sind, wenn sie beide in Nummer 3 aufgeführten Grenzwerte überschreiten“.
35 
Dies lässt nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber die Umformulierungen im Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO („soweit“ anstatt bisher „wenn“, „oder“ anstatt bisher „und“) bewusst gewählt hat, um das in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs schon bisher entwickelte Verständnis der Vorgängervorschriften im Wortlaut des neugefassten § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO klar zu verankern. Wie oben bereits ausgeführt wurde, ist dies auch gelungen.
36 
Dementsprechend ist die hier in Rede stehende Werbeanlage sowohl nach § 5 Abs. 9 LBO a.F. als auch nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO abstandsflächenrechtlich privilegiert und ohne eigene Abstandsfläche zum Grundstück der Klägerin hin zulässig.
37 
cc) Anhaltspunkte dafür, dass die Werbeanlage trotz ihrer abstandsflächenrechtlichen Privilegierung in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegenüber der Klägerin rücksichtslos - oder gar schikanös - sein könnte, bestehen nicht. Bei der Errichtung einer privilegierten baulichen Anlage muss der Bauherr nicht den Standort wählen, der für den Nachbarn die geringsten Beeinträchtigungen mit sich bringt. Es genügt, wenn er die bauordnungsrechtlichen Vorschriften einhält (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.03.1989 - 5 S 46/89 -, NVwZ-RR 1989, 530, juris).
38 
b) Die an ihrem konkreten Standort unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Klägerin zugelassene Werbeanlage verstößt auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
39 
aa) Der Standort der Werbeanlage liegt in einem durch Bebauungsplan Nr. 467 „Kirchfeld“ der Beklagten ausgewiesenen Gewerbegebiet. Gem. § 8 Abs. 1 BauNVO in der für den beschlossenen Bebauungsplan maßgeblichen Fassung 1962 (auf die in § 3 des Bebauungsplans auch verwiesen wird, vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2008, a.a.O.) dienen Gewerbegebiete vorwiegend der Unterbringung nicht erheblich belästigender Gewerbebetriebe (Abs. 1) und sind „Gewerbebetriebe aller Art“ zulässig (Abs. 2 Nr. 1). Zwar verwendet die BauNVO 1962 (nur) den Begriff des Gewerbebetriebs und ist eine Anlage der Außenwerbung - worauf die Klägerin im Berufungsverfahren hinweist - im engeren Begriffsverständnis kein „Betrieb“. Mit dem Begriff des „Betriebs“ beschreibt die BauNVO jedoch nur in typisierender Weise eine Zusammenfassung gewerblicher Nutzungsweisen, um diese Nutzung von anderen Nutzungsarten sinnvoll abgrenzen zu können (Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. § 4 Rdnr. 9.31). Eine Außenwerbeanlage, die der Fremdwerbung dient, stellt daher bauplanerisch eine eigenständige gewerbliche Hauptnutzung dar (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2008 - 8 S 15/07 - , BauR 2008, 1585, juris Rdnr. 18 m.w.N.), welche im Gewerbegebiet typischerweise zulässig ist. Anhaltspunkte dafür, dass die hier in Rede stehende Werbeanlage sich nicht im Rahmen dieser Typisierung bewegte - insbesondere weil sie als „erheblich belästigender Gewerbebetrieb“ i.S.v. § 8 Abs. 1 BauNVO 1962 anzusehen sein könnte - bestehen nicht. Die Werbeanlage ist an dem konkreten Standort daher ihrer Art nach zulässig.
40 
bb) Der Bebauungsplan Nr.467 „Kirchfeld“ (vgl. dessen § 2 - Gewerbegebiet - i.V.m. dem Fluchtlinienplan vom 07.03.1961) setzt bezüglich des Baugrundstücks eine - gesehen vom ...ring aus - „hintere Bauflucht“ fest.
41 
(1) Diese Bauflucht ist, wie sich aus dem Klammerzusatz („Baugrenze“) ergibt, als Baugrenze und damit als Festsetzung zur überbaubaren Grundstücksfläche i.S.v. § 23 Abs. 1, 3 BauNVO 1962 zu verstehen. Nach dieser Vorschrift dürfen „Gebäude und Gebäudeteile“ die Baugrenze nicht überschreiten. Auch wenn eine Werbeanlage weder als „Gebäude“ noch als „Gebäudeteil“ i.S.v. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO 1962 angesehen werden kann, wird sie doch von der Vorschrift erfasst. Denn diese zielt darauf ab, die von der Gemeinde gewünschte offene Bauweise dadurch zu unterstreichen, dass nichtüberbaubare Grundstücksflächen ausgewiesen werden. Dieses Ziel würde unterlaufen, wenn andere bauliche Anlagen - insbesondere Werbeanlagen - als Hauptnutzung „vor der Baugrenze“ ohne weiteres zulässig wären (BVerwG, Urt. v. 07.06.2001 - 4 C 1.01 -, BauR 2001, 1698, juris Rdnr. 13ff). Hinzu kommt, dass der Verordnungsgeber der BauNVO im Jahre 1962 aufgrund der damaligen Fassung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) BauGB keine Veranlassung hatte, zwischen Gebäuden und anderen baulichen Anlagen zu differenzieren. Er hat sich vielmehr auf den „typischen“ Fall einer Bebauung mit „Gebäuden“ beschränkt, ohne diesem Tatbestandsmerkmal konstitutive Bedeutung zuzumessen (BVerwG, Urt. v. 07.06.2001, a.a.O., Rdnr. 14/15). Der konkrete Standort der genehmigten Werbeanlage befindet sich mithin auf einer nicht überbaubaren Grundstücksfläche des Flst. Nr. 981/1 und verstößt damit grundsätzlich gegen Festsetzungen des Bebauungsplans.
42 
Die Klägerin kann indes aus diesem Grund die Aufhebung der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung nicht verlangen. Denn die Festsetzung der hinteren Baugrenze auf dem Flst. Nr. 981/1 ist nicht zu ihren Gunsten nachbarschützend. Regelmäßig kommt hinteren Baugrenzen Nachbarschutz nur zugunsten solcher Nachbargrundstücke zu, die der Baugrenze gegenüberliegen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.02.1999 - 5 S 2507/96-, BRS 62, 445; Beschl. v. 14.06.2007 - 8 S 967/97 -, VBlBW 2007, 387). Das Grundstück der Klägerin liegt dem Baugrundstück nicht in diesem Sinne gegenüber. Entgegen ihrer Auffassung ergibt sich weder aus der Zusammenschau der Festsetzungen des Bebauungsplans noch aus dessen Begründung noch aus den Planakten irgendein greifbarer Anhaltspunkt dafür, dass und inwiefern die Festsetzung der „hinteren Baugrenze“ gerade die Interessen des Eigentümers des Tankstellengrundstücks schützen sollte.
43 
(2) Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Genehmigung der Werbeanlage auch objektiv rechtmäßig ist. Sie konnte hier nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO 1962 zugelassen werden. Die angefochtene Baugenehmigung stützt sich hierauf ausdrücklich. Die erste Tatbestandsvoraussetzung für eine Zulassung nach dieser Vorschrift liegt ohne weiteres vor: Bei der Werbeanlage handelt es sich um eine bauliche Anlage, die nach Landesrecht in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen zulässig ist (§ 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. und § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO; die Verweisung des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO 1962 auf das jeweilige Landesrecht ist als dynamische Verweisung zu verstehen, VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2008, a.a.O.).
44 
Der Bebauungsplan enthält auch keine „andere Festsetzung“, welche die Zulassung einer Werbeanlage außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen hier ausschlösse. Nach § 6 Abs. 2 des Bebauungsplans - Gewerbegebiet - dürfen außerhalb der durch Baulinie und Baugrenze festgesetzten überbau-baren Grundstücksflächen weder Garagen noch Nebengebäude errichtet werden. Man könnte aus dieser Festsetzung zwar auf den ersten Blick schließen, dass damit - entsprechend der unter (1) aufgezeigten Argumentation zu § 23 Abs. 3 BauNVO - sämtliche baulichen Anlagen einschließlich Werbeanlagen ausgeschlossen sein sollten. Diese Auslegung würde dem Sinn der Regelung aber nicht gerecht. Der Plangeber hat für das Baugebiet offene Bauweise (§ 4) festgesetzt und verfolgt mit der Festsetzung einer „hinteren Baugrenze“ auf dem Baugrundstück offensichtlich das Ziel, straßennahe Flächen zur... Straße von einer Bebauung freizuhalten. Dabei hat er in § 6 Abs. 2 der Festsetzungen zum Gewerbegebiet aber eine differenzierende Regelung dazu getroffen, welche baulichen Anlagen den Planungszielen von vornherein widersprechen und deshalb außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche gänzlich unterbleiben müssen. Dementsprechend dürfen Garagen und Nebengebäude dort nicht errichtet werden; die in § 6 ebenfalls erwähnten Einstellplätze hat er aber nicht in gleicher Weise ausgeschlossen. Auch Werbeanlagen - sogar gewerbliche Werbeanlagen - hat er, wie aus § 15 des Bebauungsplans - Wohngebiet - zu ersehen ist, für das Wohngebiet „Kirchfeld“ durchaus in den Blick genommen, hinsichtlich des Gewerbegebiets „Kirchfeld“ aber nicht für regelungsbedürftig gehalten. Hieraus ist der Schluss zu ziehen, dass jedenfalls in Bezug auf Werbeanlagen der hier vorliegenden Art keine „andere Festsetzung“ i.S.v. § 23 Abs. 5 BauNVO vorliegt, zumal eine solche Einschränkung der Zulassungsmöglichkeit eine ausdrückliche Bezeichnung der unzulässigen Anlage erforderte (Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. § 23 Rdnr. 22), an der es in Bezug auf Werbeanlagen fehlt.
45 
Fällt die Werbeanlage damit in den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO 1962, so hatte die Beklagte über dessen Zulassung auf der nichtüberbaubaren Grundstücksfläche nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Das Ermessen ist insbesondere unter Berücksichtigung der in § 15 BauNVO genannten Kriterien zu prüfen (Fickert/Fieseler, BauNVO, § 23 Rdnr. 19). Ermessensfehler liegen nicht vor.
46 
Die Beklagte hat ihre Entscheidung maßgeblich damit begründet, dass in der näheren Umgebung des Plangebiets noch weitere bauliche Anlagen auf nichtüberbaubaren Flächen vorhanden seien, weshalb das Ermessen „deutlich reduziert“ sei. Die Klägerin hat das Vorhandensein der genannten baulichen Anlagen im nichtüberbaubaren Bereich nicht bestritten, hält diese aber nicht für vergleichbar. Soweit sie darauf abhebt, dass es bei der Werbeanlage der Beigeladenen um eine Anlage der gewerblichen Fremdwerbung gehe, welche im Vergleich zu gewerblichen Werbeanlagen an der Stätte der Leistung weniger schutzwürdig sei, ist ihr schon entgegen zu halten, dass im Plangebiet ausweislich der vom Senat vor Ort getroffenen Feststellungen bereits weitere Anlagen der Fremdwerbung vorhanden sind. Hierauf kommt es aber gar nicht entscheidend an. Denn selbst wenn keine solchen Anlagen vorhanden wären, begegnete die im Rahmen des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO getroffene Entscheidung der Beklagten, erstmals auch Fremdwerbungsanlagen zuzulassen, keinen Bedenken. Auch diese sind im Gewerbegebiet typischerweise zulässig und beeinträchtigen das Planungsziel der offenen Bauweise, das mit der Festsetzung einer Baugrenze gesichert werden soll (s.o.), zumindest nicht stärker als Eigenwerbeanlagen. Soweit die Klägerin vorträgt, die auf dem Tankstellengrundstück vorhandenen Anlagen seien bereits vor der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 467 „Kirchfeld“ an dieser Stelle vorhanden und genehmigt gewesen, mag dies so sein. Zugleich wird hieraus aber deutlich, dass das mit der Festsetzung nichtüberbaubarer Flächen an sich verfolgte „Freihalteziel“ im Gewerbegebiet von Anfang an als nicht berührt angesehen wurde durch das Vorhandensein oder die Zulassung solcher baulichen Anlagen, die nicht Garagen und Gebäude sind.
47 
In die Ermessenüberlegungen der Beklagten ist auch eingeflossen, dass die in Rede stehende Werbeanlage Belange der Klägerin nicht unzumutbar (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) beeinträchtigt. Bereits die Beklagte hat die konkrete Situation vor Ort einschließlich der Situation auf dem Tankstellengrundstück in den Blick genommen, wie die Ausführungen in der Baugenehmigung zeigen. Gleiches gilt für die Widerspruchsbehörde, die auf S. 4 ihres Bescheides zu dem Ergebnis gekommen ist, eine „übermäßige Sichtbehinderung der Tankstelle“ liege nicht vor. Diese Einschätzung teilt auch der Senat aufgrund der Ergebnisse des Augenscheinstermins vom 26.01.2012. Nach dem Eindruck vor Ort kann keine Rede davon sein, dass die Werbeanlage Autofahrern den Blick auf die Tankstelle nehmen würde. Von Süden her ist dies schon deshalb nicht der Fall, weil die Werbeanlage „hinter“ der Tankstelle liegt und Autofahrer sowohl die Tankstellenüberdachung als auch entsprechende Werbe- und Preisschilder in vollem Umfang erkennen können. Der Blick wird auch durch den relativ schnellen Wechselrhythmus auf der Werbefläche nicht abgelenkt. Von Norden her, also in Richtung Ortsmitte ... fahrende Autofahrer können schon früh – etwa 50 m vor der Tankstelle - das tankstellentypische Preisschild mit den Benzin- bzw. Dieselpreisen erkennen, welches ganz nach links an den Straßenrand gerückt ist und durch die Werbeanlage nicht verdeckt wird. Diese Feststellung hat der Senat von der (rechten) Fahrbahn aus getroffen. Noch nicht erkennbar ist in dieser Entfernung zwar die Tankstellenüberdachung – mit dem kennzeichnenden Schriftzug als freie Tankstelle -, mit jeder weiteren Annäherung wird der Blick auf diese Überdachung aber umso besser eröffnet. In einer Entfernung von etwa 20 Metern ist – im Luftraum „unter“ der streitgegenständlichen Werbefläche – der tankstellentypische Hinweis auf „Luft - Wasser“ zu erkennen, auch ist etwa die Hälfte der Tankstellenüberdachung zu sehen. Da das tankstellentypische Preisschild, auf welches nicht ortskundige Autofahrer auf der Suche nach einer Tankstelle regelmäßig fixiert sein werden, aber auch in dieser Entfernung uneingeschränkt zu sehen ist, erscheint ausgeschlossen, dass Autofahrer infolge des Standorts der Werbeanlage bzw. infolge der ablenkenden Wirkung der Wechselwerbung an der Tankstelle vorbeifahren.
48 
cc) Die an ihrem konkreten Standort genehmigte Werbeanlage verstößt ferner nicht gegen § 5 des Bebauungsplans Nr. 467 „Kirchfeld“ - Gewerbegebiet -, wonach „der Bauwich 3,00 m nicht unterschreiten“ darf. Mit dieser Regelung nimmt der Bebauungsplan erkennbar Bezug auf § 22 Abs. 2 BauNVO 1962, wonach in der offenen Bauweise - welche durch § 4 des Bebauungsplans für das Gewerbegebiet angeordnet ist - die „Gebäude mit seitlichem Grenzabstand (Bauwich) als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder als Hausgruppen mit einer Länge von höchstens 50 m errichtet werden“. Da § 22 Abs. 2 BauNVO 1962 schon nach seinem Wortlaut nur Gebäude(typen), nicht aber sonstige bauliche Anlagen erfasst (Fickert/Fieseler, BauNVO, § 22 Rdnr. 2; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.06.1996 - 5 S 2572/95 -; BauR 1997, 274, juris Rdnr. 21; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 12.07.1982 - 7 A 2798/80 -, BRS 39 Nr. 111 jeweils zu vergleichbaren späteren Fassungen von § 22 Abs. 2 BauNVO 1962), findet die Vorschrift auf die hier in Rede stehende Werbeanlage keine Anwendung. Unabhängig davon könnte § 5 des Bebauungsplans jedenfalls keine verbindliche, von den landesrechtlichen Vorschriften der LBO abweichende Abstandsflächenregelung entnommen werden. Denn § 22 Abs. 1 BauNVO 1962 ermächtigte die Gemeinden lediglich dazu, im Bebauungsplan offene oder geschlossene Bauweise festzusetzen, wobei § 22 Abs. 2 BauNVO 1962 klarstellt, dass für die offene Bauweise der seitliche Grenzabstand das wesentliche Merkmal darstellt. Wurde die offene Bauweise - wie hier - durch Bebauungsplan festgesetzt, so ergaben sich die seitlichen Grenzabstände aus dem Bauordnungsrecht (BVerwG, Beschl. v. 12.05.1995 - 4 NB 5.95 -, BRS 57 Nr. 7, juris Rdnr. 6; VGH Bad.-Württ, Urt. v. 25.06.1996 a.a.O.; auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 26.08.1993 - 3 S 1779/93 -, juris Rdnr. 7). Dass die hier in Rede stehende Werbeanlage nach den Vorschriften der LBO einen seitlichen Grenzabstand nicht einhalten muss, wurde bereits ausgeführt.
49 
dd) Schließlich ist nach den Ausführungen unter bb) auch das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO.
51 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe der § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
52 
Beschluss
53 
Der Streitwert wird gem. §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2004) auf 7.500,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig; insbesondere ist sie innerhalb der Berufungsbegründungsfrist in der notwendigen Weise begründet worden (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO, § 124a Abs. 3 Sätze 4 und 5 VwGO). Sie hat aber keinen Erfolg.
22 
1. Die auf Aufhebung der angefochtenen Baugenehmigung gerichtete Nachbarklage ist zulässig, insbesondere steht der Klägern als unmittelbarer Grundstücksnachbarin die erforderliche Klagebefugnis zur Seite. Denn sie macht u.a. geltend, die unmittelbar an der Grenze zu ihrem Grundstück verwirklichte Werbeanlage verstoße, da dieses Vorhaben abstandsflächenrechtlich nicht privilegiert sei, gegen nachbarschützende Vorschriften zur Abstandsflächentiefe. Aber auch der weitere Vortrag der Klägerin, die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 467 „Kirchfeld“ zu Baugrenzen und zum Bauwich seien nach der Vorstellung des seinerzeitigen Satzungsgebers zum Schutz der Grundstücksnachbarn und damit auch zu ihrem Schutz ergangen, ist nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Auch insoweit ist es daher möglich, dass die angefochtene Baugenehmigung subjektive Rechtspositionen der Klägerin verletzt. Ihr kann auch das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage nicht abgesprochen werden.
23 
2. Die Klage ist aber nicht begründet. Die der Beigeladenen mit Bescheiden vom 15.07.2008 und 25.03.2010 erteilte Baugenehmigung verstößt nicht gegen von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die jedenfalls auch dem Schutz der Klägerin dienen.
24 
a) Die Zulassung der Werbeanlage an dem konkreten Standort verletzt keine nachbarschützenden bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hier - da es sich um eine Anfechtungsklage des Nachbarn gegen eine dem Bauherrn bereits erteilte Baugenehmigung handelt - der Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Baugenehmigung. Spätere Änderungen zu Lasten des Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben, denn bereits die erteilte Baugenehmigung vermittelt dem Bauherrn eine Rechtsposition, die sich, wenn ein Nachbar die Genehmigung anficht, gegenüber während des Rechtsmittelverfahrens eintretenden Änderungen der Sach- und Rechtslage durchsetzen kann (BVerwG, Beschl. v. 08.11.2010 - 4 B 43.10 -, ZfBR 2011, 53). Spätere Änderungen zu seinen Gunsten sind dagegen zu berücksichtigen, wirken sich aber regelmäßig nicht aus, wenn ihm eine Baugenehmigung bereits rechtmäßig erteilt wurde.
25 
Unter Zugrundelegung dessen ist die Rechtmäßigkeit des Vorhabens hier nach den Vorschriften der Landesbauordnung vom 08.08.1995 in der bis zum 28.02.2010 geltenden alten Fassung (im Folgenden LBO a.F.) zu beurteilen. Denn diese Fassung fand im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung - - im Juli 2009 - noch Anwendung.
26 
aa) Es kann offen bleiben, ob die Werbeanlage gegen das Verunstaltungsverbot des § 11 LBO a.F. verstößt. Denn Gestaltungsvorschriften sind ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit erlassen. Sie sind nicht dazu bestimmt, auch den Individualinteressen des Einzelnen zu dienen. § 11 LBO ist daher nicht nachbarschützend (Sauter, LBO, § 11 Rdnr. 9; Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 6. Aufl. § 11 Rdnr 28; zu den Vorgängervorschriften schon VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.12.1999 - 3 S 2737/97 -, juris Rdnr. 31 mw.N.). Mit Blick darauf könnte die Klägerin jedenfalls nicht verlangen, dass die Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen § 11 LBO - unterstellt, er läge vor - aufgehoben wird.
27 
bb) Der Zulassung der Werbeanlage an ihrem konkreten Standort stehen auch keine Vorschriften des Abstandsflächenrechts nach der LBO a.F. entgegen. Zwar handelt es sich bei der Werbeanlage zweifellos um eine bauliche Anlage i.S.v. § 2 Abs. 1 LBO a.F., sie braucht jedoch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 LBO a.F. selbst keine Abstandsfläche zum Nachbargrundstück hin einzuhalten.
28 
Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen vor: Bei der Werbeanlage handelt es sich um eine bauliche Anlage, die kein Gebäude ist (vgl. § 2 Abs. 2 LBO a.F.). Die bauliche Anlage ist zwar unstreitig höher als 2,5 m, ihre Wandfläche beträgt aber nicht mehr als 25 qm. Nach der von der Beigeladenen vorgelegten Produktbeschreibung ist die Werbefläche selbst höchstens 3806 X 2846 mm, also 10,83 qm groß. Hinzu kommt der Monofuß mit den (Höchst-)Maßen 586 X 2698 mm (1,58 qm). Eine Wandfläche von 25 qm wird damit bei weitem nicht erreicht. Dieses Wandmaß bliebe selbst dann unterschritten, wenn man – entsprechend dem Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung – noch den „Luftraum“ unter der Werbefläche bis zum Erdboden hinzurechnete. Dies hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt und wurde von der Klägerin danach auch nicht mehr bestritten.
29 
Die Regelung des § 5 Abs. 9 LBO a.F. findet aber nur Anwendung, wenn beide Maße überschritten sind, m.a.W. braucht eine bauliche Anlage, welche - wie hier - nur eines dieser Maße überschreitet, keine eigene Abstandsfläche einzuhalten (vgl. Urt. v. 18.07.1984 - 3 S 976/84 -, BWVPr. 1984, 257; Urt. v. 08.05.1985 - 3 S 63/85 -, VBlBW 1986, 23; Urt. v. 01.06.1994 - 3 S 2617/92 -, VGHBW-Ls 1994, Beilage 8, B8, juris, Urt. v. 13.03.2008 - 8 S 15/07 -, BauR 2008, 1585)
30 
An dieser Rechtslage hat sich im Übrigen – entgegen der dezidiert geäußerten Rechtsauffassung der Klägerin – durch die seit dem 01.03.2010 geltende abstandsflächenrechtliche Sonderregelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO neuer Fassung (im folgenden: LBO) nichts geändert. Vielmehr ist die Werbeanlage auch nach dieser Vorschrift abstandsflächenrechtlich privilegiert. Die Klägerin meint, die Voraussetzungen für eine Zulassung der Werbeanlage ohne eigene Abstandsflächen lägen nicht mehr vor, weil seit der Neufassung der Vorschrift durch Gesetz vom 10.11.2009 „eine Genehmigung nicht mehr in Betracht komme, wenn die Anlage entweder höher als 2,5 m ist oder die Anlage eine größere Wandfläche als 25 qm hat“. Damit gibt sie den Wortlaut der Vorschrift sinnverdreht wieder. Denn § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO ist entgegen ihrem Vortrag gerade nicht in der Weise negativ formuliert, dass bauliche Anlagenunzulässig sind, wenn eines der in der Vorschrift genannten Maße überschritten wird, sondern umgekehrt in der Weise positiv, dass bauliche Anlagen (in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen sowie ohne eigene Abstandsflächen) zulässig sind, soweit eines der in der Vorschrift genannten Maße nicht überschritten wird. Bereits der Gesetzeswortlaut („oder“) legt bei dieser Formulierung nahe, dass die Erfüllung schon eines der beiden Maße ausreicht, um die abstandsflächenrechtliche Privilegierung einer baulichen Anlage auszulösen. Umgekehrt bedeutet dies, dass nur die kumulative Überschreitung beider Gebäudemaße zur Unzulässigkeit einer baulichen Anlage i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO führt. So wird die neugefasste Vorschrift auch in der Kommentarliteratur verstanden (Sauter, LBO, 3. Aufl. § 6 Rdnr. 26; Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 6.Aufl. 2011 § 6 Rdnr. 32).
31 
Dieses schon nach dem Wortlaut naheliegende Verständnis der Vorschrift wird durch einen Blick auf die im Gesetzgebungsverfahren eindeutig zum Ausdruck gekommene Regelungsabsicht des Gesetzgebers bestätigt.
32 
Mit § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO wurden die bis zum 28.02.2010 geltenden Vorschriften des § 5 Abs. 9 LBO a.F. und des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. in einer Regelung zusammengefasst (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO im Gesetzentwurf der Landesregierung vom 19.08.2009, LT-Drs. 14/5013, S. 39). § 5 Abs. 9 LBO a.F. bestimmte, dass die - für Gebäude geltenden - Abstandsflächenvorschriften des § 5 Abs. 1 bis 8 LBO a.F. entsprechend für bauliche Anlagen gelten, die keine Gebäude sind, wenn die baulichen Anlagen höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche mehr als 25 qm beträgt. Nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. waren „in den Abstandsflächen bauliche Anlagen zulässig, die keine Gebäude sind, wenn sie in den Abstandsflächen nicht höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche nicht mehr als 25 qm beträgt. Hinsichtlich beider Vorgängervorschriften - bzw. deren Vorgängervorschriften in noch früheren Fassungen der Landesbauordnung - war in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aber anerkannt, dass bereits die Erfüllung eines der beiden genannten Maße die abstandsflächenrechtliche Privilegierung auslöst, m.a.W. erst deren kumulative Überschreitung zu einer Unzulässigkeit der betreffenden baulichen Anlage führt (zu § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. Beschl. v. 21.06.1993 - 5 S 874/93 -, BRS 55 Nr. 162, juris; Urt. v. 14.08.1997 - 5 S 1252/96 -, BauR 1998, 517; Urt. v. 13.03.2008 - 8 S 15/07 -, BauR 2008, 1585, ebenso zu § 5 Abs. 9 LBO a.F. Urt. v. 18.07.1984 - BWVPr. 1984, 257; Urt. v. 08.05.1985 - 3 S 63/85 - , VBlBW 1986, 23; Urt. v. 01.06.1994 - 3 S 2617/92 -, VGHBW-Ls 1994, Beilage 8, B8, juris). Diese Interpretation war mit dem Wortlaut der Vorgängervorschriften nicht auf den ersten Blick in Einklang zu bringen, denn die „und“-Verknüpfung konnte auch dahin verstanden werden, dass erst eine kumulative Einhaltung beider Maße die abstandsflächenrechtliche Privilegierung auslöst, m.a.W zur Zulässigkeit der betreffenden baulichen Anlage führt. Der Verwaltungsgerichtshof hatte in seinem Urteil vom 13.03.2008 - 8 S 15/07 - aber herausgestellt, dass es sich bei dem Bindewort „und“ um eine relativ schwache und sprachlich mehrdeutige konjunktive Verbindung handele. Der Wortlaut lasse die vom Gesetzgeber intendierte und von der Rechtsprechung vorgenommene Auslegung - Zulässigkeit des Vorhabens bereits bei Einhaltung eines der genannten Maße, umgekehrt gesprochen: Unzulässigkeit des Vorhabens erst bei kumulativer Überschreitung beider Maße - daher durchaus zu.
33 
Dem Landesgesetzgeber waren die aufgezeigten Verständnis- und Auslegungsschwierigkeiten bei der Neuformulierung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO bekannt. Ausweislich der Gesetzesbegründung der Landesregierung zu dieser Vorschrift (LT-Drs. 14/5013, S. 39) soll sich an dem von der Rechtsprechung konkretisierten Verständnis der Vorgängervorschriften durch die Neufassung nichts ändern. Vielmehr wollte der Gesetzgeber die von ihm als „unklar“ bezeichnete bisherige Regelung deutlicher fassen. Zur Auslegung der in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO genannten Voraussetzungen und zur Regelungsabsicht heißt es in der Gesetzesbegründung unzweideutig:
34 
„Zukünftig gilt hier, dass alle sonstigen baulichen Anlagen dann eigene Abstandsvorschriften besitzen und in Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen unzulässig sind, wenn sie beide in Nummer 3 aufgeführten Grenzwerte überschreiten“.
35 
Dies lässt nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber die Umformulierungen im Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO („soweit“ anstatt bisher „wenn“, „oder“ anstatt bisher „und“) bewusst gewählt hat, um das in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs schon bisher entwickelte Verständnis der Vorgängervorschriften im Wortlaut des neugefassten § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO klar zu verankern. Wie oben bereits ausgeführt wurde, ist dies auch gelungen.
36 
Dementsprechend ist die hier in Rede stehende Werbeanlage sowohl nach § 5 Abs. 9 LBO a.F. als auch nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO abstandsflächenrechtlich privilegiert und ohne eigene Abstandsfläche zum Grundstück der Klägerin hin zulässig.
37 
cc) Anhaltspunkte dafür, dass die Werbeanlage trotz ihrer abstandsflächenrechtlichen Privilegierung in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegenüber der Klägerin rücksichtslos - oder gar schikanös - sein könnte, bestehen nicht. Bei der Errichtung einer privilegierten baulichen Anlage muss der Bauherr nicht den Standort wählen, der für den Nachbarn die geringsten Beeinträchtigungen mit sich bringt. Es genügt, wenn er die bauordnungsrechtlichen Vorschriften einhält (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.03.1989 - 5 S 46/89 -, NVwZ-RR 1989, 530, juris).
38 
b) Die an ihrem konkreten Standort unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Klägerin zugelassene Werbeanlage verstößt auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
39 
aa) Der Standort der Werbeanlage liegt in einem durch Bebauungsplan Nr. 467 „Kirchfeld“ der Beklagten ausgewiesenen Gewerbegebiet. Gem. § 8 Abs. 1 BauNVO in der für den beschlossenen Bebauungsplan maßgeblichen Fassung 1962 (auf die in § 3 des Bebauungsplans auch verwiesen wird, vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2008, a.a.O.) dienen Gewerbegebiete vorwiegend der Unterbringung nicht erheblich belästigender Gewerbebetriebe (Abs. 1) und sind „Gewerbebetriebe aller Art“ zulässig (Abs. 2 Nr. 1). Zwar verwendet die BauNVO 1962 (nur) den Begriff des Gewerbebetriebs und ist eine Anlage der Außenwerbung - worauf die Klägerin im Berufungsverfahren hinweist - im engeren Begriffsverständnis kein „Betrieb“. Mit dem Begriff des „Betriebs“ beschreibt die BauNVO jedoch nur in typisierender Weise eine Zusammenfassung gewerblicher Nutzungsweisen, um diese Nutzung von anderen Nutzungsarten sinnvoll abgrenzen zu können (Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. § 4 Rdnr. 9.31). Eine Außenwerbeanlage, die der Fremdwerbung dient, stellt daher bauplanerisch eine eigenständige gewerbliche Hauptnutzung dar (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2008 - 8 S 15/07 - , BauR 2008, 1585, juris Rdnr. 18 m.w.N.), welche im Gewerbegebiet typischerweise zulässig ist. Anhaltspunkte dafür, dass die hier in Rede stehende Werbeanlage sich nicht im Rahmen dieser Typisierung bewegte - insbesondere weil sie als „erheblich belästigender Gewerbebetrieb“ i.S.v. § 8 Abs. 1 BauNVO 1962 anzusehen sein könnte - bestehen nicht. Die Werbeanlage ist an dem konkreten Standort daher ihrer Art nach zulässig.
40 
bb) Der Bebauungsplan Nr.467 „Kirchfeld“ (vgl. dessen § 2 - Gewerbegebiet - i.V.m. dem Fluchtlinienplan vom 07.03.1961) setzt bezüglich des Baugrundstücks eine - gesehen vom ...ring aus - „hintere Bauflucht“ fest.
41 
(1) Diese Bauflucht ist, wie sich aus dem Klammerzusatz („Baugrenze“) ergibt, als Baugrenze und damit als Festsetzung zur überbaubaren Grundstücksfläche i.S.v. § 23 Abs. 1, 3 BauNVO 1962 zu verstehen. Nach dieser Vorschrift dürfen „Gebäude und Gebäudeteile“ die Baugrenze nicht überschreiten. Auch wenn eine Werbeanlage weder als „Gebäude“ noch als „Gebäudeteil“ i.S.v. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO 1962 angesehen werden kann, wird sie doch von der Vorschrift erfasst. Denn diese zielt darauf ab, die von der Gemeinde gewünschte offene Bauweise dadurch zu unterstreichen, dass nichtüberbaubare Grundstücksflächen ausgewiesen werden. Dieses Ziel würde unterlaufen, wenn andere bauliche Anlagen - insbesondere Werbeanlagen - als Hauptnutzung „vor der Baugrenze“ ohne weiteres zulässig wären (BVerwG, Urt. v. 07.06.2001 - 4 C 1.01 -, BauR 2001, 1698, juris Rdnr. 13ff). Hinzu kommt, dass der Verordnungsgeber der BauNVO im Jahre 1962 aufgrund der damaligen Fassung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) BauGB keine Veranlassung hatte, zwischen Gebäuden und anderen baulichen Anlagen zu differenzieren. Er hat sich vielmehr auf den „typischen“ Fall einer Bebauung mit „Gebäuden“ beschränkt, ohne diesem Tatbestandsmerkmal konstitutive Bedeutung zuzumessen (BVerwG, Urt. v. 07.06.2001, a.a.O., Rdnr. 14/15). Der konkrete Standort der genehmigten Werbeanlage befindet sich mithin auf einer nicht überbaubaren Grundstücksfläche des Flst. Nr. 981/1 und verstößt damit grundsätzlich gegen Festsetzungen des Bebauungsplans.
42 
Die Klägerin kann indes aus diesem Grund die Aufhebung der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung nicht verlangen. Denn die Festsetzung der hinteren Baugrenze auf dem Flst. Nr. 981/1 ist nicht zu ihren Gunsten nachbarschützend. Regelmäßig kommt hinteren Baugrenzen Nachbarschutz nur zugunsten solcher Nachbargrundstücke zu, die der Baugrenze gegenüberliegen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.02.1999 - 5 S 2507/96-, BRS 62, 445; Beschl. v. 14.06.2007 - 8 S 967/97 -, VBlBW 2007, 387). Das Grundstück der Klägerin liegt dem Baugrundstück nicht in diesem Sinne gegenüber. Entgegen ihrer Auffassung ergibt sich weder aus der Zusammenschau der Festsetzungen des Bebauungsplans noch aus dessen Begründung noch aus den Planakten irgendein greifbarer Anhaltspunkt dafür, dass und inwiefern die Festsetzung der „hinteren Baugrenze“ gerade die Interessen des Eigentümers des Tankstellengrundstücks schützen sollte.
43 
(2) Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Genehmigung der Werbeanlage auch objektiv rechtmäßig ist. Sie konnte hier nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO 1962 zugelassen werden. Die angefochtene Baugenehmigung stützt sich hierauf ausdrücklich. Die erste Tatbestandsvoraussetzung für eine Zulassung nach dieser Vorschrift liegt ohne weiteres vor: Bei der Werbeanlage handelt es sich um eine bauliche Anlage, die nach Landesrecht in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen zulässig ist (§ 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. und § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO; die Verweisung des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO 1962 auf das jeweilige Landesrecht ist als dynamische Verweisung zu verstehen, VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2008, a.a.O.).
44 
Der Bebauungsplan enthält auch keine „andere Festsetzung“, welche die Zulassung einer Werbeanlage außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen hier ausschlösse. Nach § 6 Abs. 2 des Bebauungsplans - Gewerbegebiet - dürfen außerhalb der durch Baulinie und Baugrenze festgesetzten überbau-baren Grundstücksflächen weder Garagen noch Nebengebäude errichtet werden. Man könnte aus dieser Festsetzung zwar auf den ersten Blick schließen, dass damit - entsprechend der unter (1) aufgezeigten Argumentation zu § 23 Abs. 3 BauNVO - sämtliche baulichen Anlagen einschließlich Werbeanlagen ausgeschlossen sein sollten. Diese Auslegung würde dem Sinn der Regelung aber nicht gerecht. Der Plangeber hat für das Baugebiet offene Bauweise (§ 4) festgesetzt und verfolgt mit der Festsetzung einer „hinteren Baugrenze“ auf dem Baugrundstück offensichtlich das Ziel, straßennahe Flächen zur... Straße von einer Bebauung freizuhalten. Dabei hat er in § 6 Abs. 2 der Festsetzungen zum Gewerbegebiet aber eine differenzierende Regelung dazu getroffen, welche baulichen Anlagen den Planungszielen von vornherein widersprechen und deshalb außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche gänzlich unterbleiben müssen. Dementsprechend dürfen Garagen und Nebengebäude dort nicht errichtet werden; die in § 6 ebenfalls erwähnten Einstellplätze hat er aber nicht in gleicher Weise ausgeschlossen. Auch Werbeanlagen - sogar gewerbliche Werbeanlagen - hat er, wie aus § 15 des Bebauungsplans - Wohngebiet - zu ersehen ist, für das Wohngebiet „Kirchfeld“ durchaus in den Blick genommen, hinsichtlich des Gewerbegebiets „Kirchfeld“ aber nicht für regelungsbedürftig gehalten. Hieraus ist der Schluss zu ziehen, dass jedenfalls in Bezug auf Werbeanlagen der hier vorliegenden Art keine „andere Festsetzung“ i.S.v. § 23 Abs. 5 BauNVO vorliegt, zumal eine solche Einschränkung der Zulassungsmöglichkeit eine ausdrückliche Bezeichnung der unzulässigen Anlage erforderte (Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. § 23 Rdnr. 22), an der es in Bezug auf Werbeanlagen fehlt.
45 
Fällt die Werbeanlage damit in den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO 1962, so hatte die Beklagte über dessen Zulassung auf der nichtüberbaubaren Grundstücksfläche nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Das Ermessen ist insbesondere unter Berücksichtigung der in § 15 BauNVO genannten Kriterien zu prüfen (Fickert/Fieseler, BauNVO, § 23 Rdnr. 19). Ermessensfehler liegen nicht vor.
46 
Die Beklagte hat ihre Entscheidung maßgeblich damit begründet, dass in der näheren Umgebung des Plangebiets noch weitere bauliche Anlagen auf nichtüberbaubaren Flächen vorhanden seien, weshalb das Ermessen „deutlich reduziert“ sei. Die Klägerin hat das Vorhandensein der genannten baulichen Anlagen im nichtüberbaubaren Bereich nicht bestritten, hält diese aber nicht für vergleichbar. Soweit sie darauf abhebt, dass es bei der Werbeanlage der Beigeladenen um eine Anlage der gewerblichen Fremdwerbung gehe, welche im Vergleich zu gewerblichen Werbeanlagen an der Stätte der Leistung weniger schutzwürdig sei, ist ihr schon entgegen zu halten, dass im Plangebiet ausweislich der vom Senat vor Ort getroffenen Feststellungen bereits weitere Anlagen der Fremdwerbung vorhanden sind. Hierauf kommt es aber gar nicht entscheidend an. Denn selbst wenn keine solchen Anlagen vorhanden wären, begegnete die im Rahmen des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO getroffene Entscheidung der Beklagten, erstmals auch Fremdwerbungsanlagen zuzulassen, keinen Bedenken. Auch diese sind im Gewerbegebiet typischerweise zulässig und beeinträchtigen das Planungsziel der offenen Bauweise, das mit der Festsetzung einer Baugrenze gesichert werden soll (s.o.), zumindest nicht stärker als Eigenwerbeanlagen. Soweit die Klägerin vorträgt, die auf dem Tankstellengrundstück vorhandenen Anlagen seien bereits vor der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 467 „Kirchfeld“ an dieser Stelle vorhanden und genehmigt gewesen, mag dies so sein. Zugleich wird hieraus aber deutlich, dass das mit der Festsetzung nichtüberbaubarer Flächen an sich verfolgte „Freihalteziel“ im Gewerbegebiet von Anfang an als nicht berührt angesehen wurde durch das Vorhandensein oder die Zulassung solcher baulichen Anlagen, die nicht Garagen und Gebäude sind.
47 
In die Ermessenüberlegungen der Beklagten ist auch eingeflossen, dass die in Rede stehende Werbeanlage Belange der Klägerin nicht unzumutbar (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) beeinträchtigt. Bereits die Beklagte hat die konkrete Situation vor Ort einschließlich der Situation auf dem Tankstellengrundstück in den Blick genommen, wie die Ausführungen in der Baugenehmigung zeigen. Gleiches gilt für die Widerspruchsbehörde, die auf S. 4 ihres Bescheides zu dem Ergebnis gekommen ist, eine „übermäßige Sichtbehinderung der Tankstelle“ liege nicht vor. Diese Einschätzung teilt auch der Senat aufgrund der Ergebnisse des Augenscheinstermins vom 26.01.2012. Nach dem Eindruck vor Ort kann keine Rede davon sein, dass die Werbeanlage Autofahrern den Blick auf die Tankstelle nehmen würde. Von Süden her ist dies schon deshalb nicht der Fall, weil die Werbeanlage „hinter“ der Tankstelle liegt und Autofahrer sowohl die Tankstellenüberdachung als auch entsprechende Werbe- und Preisschilder in vollem Umfang erkennen können. Der Blick wird auch durch den relativ schnellen Wechselrhythmus auf der Werbefläche nicht abgelenkt. Von Norden her, also in Richtung Ortsmitte ... fahrende Autofahrer können schon früh – etwa 50 m vor der Tankstelle - das tankstellentypische Preisschild mit den Benzin- bzw. Dieselpreisen erkennen, welches ganz nach links an den Straßenrand gerückt ist und durch die Werbeanlage nicht verdeckt wird. Diese Feststellung hat der Senat von der (rechten) Fahrbahn aus getroffen. Noch nicht erkennbar ist in dieser Entfernung zwar die Tankstellenüberdachung – mit dem kennzeichnenden Schriftzug als freie Tankstelle -, mit jeder weiteren Annäherung wird der Blick auf diese Überdachung aber umso besser eröffnet. In einer Entfernung von etwa 20 Metern ist – im Luftraum „unter“ der streitgegenständlichen Werbefläche – der tankstellentypische Hinweis auf „Luft - Wasser“ zu erkennen, auch ist etwa die Hälfte der Tankstellenüberdachung zu sehen. Da das tankstellentypische Preisschild, auf welches nicht ortskundige Autofahrer auf der Suche nach einer Tankstelle regelmäßig fixiert sein werden, aber auch in dieser Entfernung uneingeschränkt zu sehen ist, erscheint ausgeschlossen, dass Autofahrer infolge des Standorts der Werbeanlage bzw. infolge der ablenkenden Wirkung der Wechselwerbung an der Tankstelle vorbeifahren.
48 
cc) Die an ihrem konkreten Standort genehmigte Werbeanlage verstößt ferner nicht gegen § 5 des Bebauungsplans Nr. 467 „Kirchfeld“ - Gewerbegebiet -, wonach „der Bauwich 3,00 m nicht unterschreiten“ darf. Mit dieser Regelung nimmt der Bebauungsplan erkennbar Bezug auf § 22 Abs. 2 BauNVO 1962, wonach in der offenen Bauweise - welche durch § 4 des Bebauungsplans für das Gewerbegebiet angeordnet ist - die „Gebäude mit seitlichem Grenzabstand (Bauwich) als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder als Hausgruppen mit einer Länge von höchstens 50 m errichtet werden“. Da § 22 Abs. 2 BauNVO 1962 schon nach seinem Wortlaut nur Gebäude(typen), nicht aber sonstige bauliche Anlagen erfasst (Fickert/Fieseler, BauNVO, § 22 Rdnr. 2; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.06.1996 - 5 S 2572/95 -; BauR 1997, 274, juris Rdnr. 21; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 12.07.1982 - 7 A 2798/80 -, BRS 39 Nr. 111 jeweils zu vergleichbaren späteren Fassungen von § 22 Abs. 2 BauNVO 1962), findet die Vorschrift auf die hier in Rede stehende Werbeanlage keine Anwendung. Unabhängig davon könnte § 5 des Bebauungsplans jedenfalls keine verbindliche, von den landesrechtlichen Vorschriften der LBO abweichende Abstandsflächenregelung entnommen werden. Denn § 22 Abs. 1 BauNVO 1962 ermächtigte die Gemeinden lediglich dazu, im Bebauungsplan offene oder geschlossene Bauweise festzusetzen, wobei § 22 Abs. 2 BauNVO 1962 klarstellt, dass für die offene Bauweise der seitliche Grenzabstand das wesentliche Merkmal darstellt. Wurde die offene Bauweise - wie hier - durch Bebauungsplan festgesetzt, so ergaben sich die seitlichen Grenzabstände aus dem Bauordnungsrecht (BVerwG, Beschl. v. 12.05.1995 - 4 NB 5.95 -, BRS 57 Nr. 7, juris Rdnr. 6; VGH Bad.-Württ, Urt. v. 25.06.1996 a.a.O.; auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 26.08.1993 - 3 S 1779/93 -, juris Rdnr. 7). Dass die hier in Rede stehende Werbeanlage nach den Vorschriften der LBO einen seitlichen Grenzabstand nicht einhalten muss, wurde bereits ausgeführt.
49 
dd) Schließlich ist nach den Ausführungen unter bb) auch das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO.
51 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe der § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
52 
Beschluss
53 
Der Streitwert wird gem. §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2004) auf 7.500,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 3.750,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antrag ist zulässig und richtet sich nach §§ 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers, gegen die dem Beigeladenen von der Stadt... unter dem 24.08.2005 erteilten Baugenehmigung sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums ... vom 06.12.2005. Der Klage kommt kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zu (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO, § 212a Abs. 1 BauGB).
Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Nach der im summarischen Verfahren gewonnen Überzeugung der Kammer überwiegen das öffentliche Interesse und das private Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung das private Interesse des Antragstellers, vorläufig vom Vollzug der angefochtenen Baugenehmigung verschont zu bleiben. Denn es muss derzeit mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die angefochtene Baugenehmigung nicht gegen von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften i.S.v. § 58 Abs. 1 S. 1 LBO verstößt, die zumindest auch dem Schutz des Antragstellers zu dienen bestimmt sind. Die Klage wird deshalb aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben.
1. Die Ausführungen des Antragstellers zur Frage eines „Einfügens“ des Vorhabens der Beigeladenen im so genannten Blockinnenbereich seiner näheren Umgebung gem. § 34 Abs. 1 BauGB beschäftigen sich im wesentlichen mit objektiv-rechtlichen städtebaulichen Fragen, ohne darzulegen, in welchen seinem Schutz dienenden Rechten der Antragsteller hierdurch verletzt sein soll. Eine Beachtung des objektiven Baurechts kann der Antragsteller aber nicht verlangen. Er ist darauf beschränkt, eine Verletzung auch seinem Schutz als Nachbarn dienender Rechtsnormen geltend zu machen. Dem maßgeblichen objektiv-rechtlichen Rücksichtnahmegebot, das Bestandteil des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB ist, kommt aber eine solche drittschützende Wirkung nur ausnahmsweise zu. Eine solche Ausnahme liegt nur vor, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.02.1977 - 4 C 22.75 -, BVerwGE 52, 122; zuletzt VGH Bad.-Württ., Urt. vom 2.12.2005, 3 S 151/04; aus der Literatur: Söfker, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB-Kommentar, § 34 Rdnr. 141 mit Nachweisen; eine weitergehende nachbarschützende Wirkung ohne Beschränkung auf das Rücksichtnahmegebot wird z.B. vertreten von Dürr, Kohlhammer-Kommentar zum BauGB, § 34 Rdnr. 154 und KommJur 2005, 201 [203 f., 209]; Wahl, JuS 1984, 577 [584 ff.]). Dies schließt eine erfolgreiche Berufung auf die Einhaltung tatsächlicher Baugrenzen oder Baulinien aus. Ob Baugrenzen oder Baulinien nachbarschützend sind oder ausschließlich städtebauliche Aussagen treffen, beurteilt sich nach ihrer Zweckbestimmung (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl. 2002, § 23 Rdnr. 6). Eine solche Zweckbestimmung lässt sich aber nur im Falle der förmlichen Festsetzung von Baugrenzen oder Baulinien in einem Bebauungsplan nachvollziehen. Im Fall einer faktischen Baugrenze oder Baulinie ist hierfür kein Raum, weil es an einer für die drittschützende Wirkung maßgeblichen planerischen Entscheidung der Gemeinde zum nachbarschaftlichen Austauschverhältnis fehlt (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.11.1994, 8 S 2937/94; OVG Bautzen, Beschl. v. 20.10.2005, 1 BS 251/05 - Juris; grundlegend BVerwG, Urt. vom 23.08.1996 - 4 C 13.94 -, BVerwGE 101, 364 [376]). Dies hat seinen rechtfertigenden Grund darin, dass § 34 Abs. 1 BauGB eine Planersatzvorschrift ist, deren Zulässigkeitsmaßstab notwendigerweise weniger scharf ist als der eines Bebauungsplanes, weil er sich an der Umgebungsbebauung orientiert. Das hat zur Folge, dass im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB ein Vorhaben zulässig sein kann, dessen Verwirklichung durch einen Bebauungsplan ausgeschlossen werden könnte. Der aus § 34 Abs. 1 BauGB folgende Nachbarschutz ist also weniger weit gehend als derjenige eines Bebauungsplanes (vgl. BVerwG, Beschl. vom 19.10.1995, 4 B 215.95, NVwZ 1996, 888). Da das BVerwG bezüglich der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung und der überbaubaren Grundstücksfläche auch im Planbereich keinen Drittschutz kraft Bundesrechts sieht (BVerwG, Beschl. vom 23.06.1995, 4 B 52.95, NVwZ 1996, 170; Beschl. vom 19.10.1995, 4 B 215.95, NVwZ 1996, 888), ist für Drittschutz bezüglich der „Stellung des Baukörpers im Raum“ im Rahmen von § 34 Abs. 1 BauGB auch kein Raum.
2. Im Übrigen würde entgegen der Auffassung des Antragstellers in der näheren Umgebung des Bauvorhabens i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB auch keine faktische Baugrenze vorhanden sein, welche der Erteilung einer Baugenehmigung - objektivrechtlich - entgegenstünde. Ein Bauvorhaben fügt sich in die Umgebungsbebauung im Hinblick auf seine überbaubare Grundstücksfläche und damit auf seinen Standort innerhalb der vorhandenen Bebauung dann ein, wenn und soweit rückwärtige Grundstücksflächen der maßgeblichen Umgebung eine entsprechende Bebauung aufweisen. Welche Umgebung im Einzelfall „maßgeblich“ ist, hängt von der mit dem Bauvorhaben auf die Nachbarschaft verbundenen Ausstrahlungswirkung ab (vgl. BVerwG, Urt. vom 03.04.1981 - 4 C 61.78 -, BVerwGE 62, 151), so dass für die Blockinnenbebauung durch ein Wohngebäude entweder eine Betrachtung im maßgeblichen Straßengeviert (Quartier) oder eine Betrachtung von der Erschließungsseite aus in Betracht gezogen werden kann. Letztlich ist dies aber eine Frage der konkreten Umstände des Einzelfalles und - soweit entscheidungserheblich - ggf. durch einen Augenschein zu klären. Die Kammer muss dies für das vorläufige Rechtsschutzverfahren aber nicht abschließend klären, weil nach beiden in Betracht kommenden Sichtweisen eine Bebaubarkeit des rückwärtigen Bereiches des Flst. Nr. .../... zulässig erscheint:
In dem Straßengeviert ...-, ...-, ...- und ...straße liegt auf dem Grundstück des Antragstellers eine Garagenanlage, die den Blockinnenbereich durch ihre Größe maßgeblich mit prägt und die deshalb nicht als untergeordnete oder lediglich vereinzelte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.11.1997, 4 B 172.97, NVwZ-RR 1998, 539) Garagen- oder Nebengebäudebebauung anzusehen ist, neben der nur weitere untergeordnete Nebenanlagen zulässig wären (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 28.09.1988, 4 B 175.88, NVwZ 1989, 354). Denn auf dem Grundstück des Antragstellers wurden entlang der Grundstücksgrenze zwischen 1964 und 2002 insgesamt 15 Garagen - teilweise unter Befreiung von nachbarschützenden Vorschriften - genehmigt, die mehr als den im Anwesen ...straße ... vorhandenen Stellplatzbedarf abbilden und damit einem - der Hauptnutzung untergeordneten - Nebengebäude im Sinne der genannten Rechtsprechung nicht vergleichbar sind. Die Grundfläche der Garagenanlage auf den Flurst. Nrn. .../... und ... stellt die größte überbaute Fläche im Quartier dar, die zudem die Nutzungsmöglichkeiten der Nachbargrundstücke und insbesondere des gesamten rückwärtigen Bereiches im Quartier durch ihre mehr als 70m lange und das natürliche Gelände um rund 3m überragende Grenzbebauung prägt. Schließlich könnte auch unter dem Gesichtspunkt des § 12 Abs. 2 BauNVO fraglich sein, ob diese - allerdings bestandskräftig genehmigten - Garagen in einem ansonsten homogenen Innenbereich nach § 34 Abs. 2 BauGB bei einem Neuantrag zulässig wären (vgl. Beschl. d. Kammer v. 19.12.2005, 1 K 1761/05; BVerwG, Urt. v. 16.09.1993, 4 C 28.91, BVerwGE 94, 151). Die Nutzung des Blockinnenbereichs ist ferner durch eine Werkstatt auf dem Flurstück 7223/4 sowie das 2004 genehmigte Wohngebäude an der Ecke ...straße/...straße vorgeprägt.
Soweit die rückwärtige Überbaubarkeit nach der tatsächlichen Bebauung entlang der Erschließungsstraße ...straße beurteilt würde, so wäre eine Bebauung des rückwärtigen Bereiches auf dem benachbarten Grundstück Flst. Nr. .../... (Wohngebäude), dem Flst. Nr. .../... (Wohngebäude) sowie auf dem Flst.Nr. .../... (Werkstatt) vorhanden, und zwar mit vergleichbarer Bautiefe wie das geplante Vorhaben.
Die vorhandene Überbauung des Bereiches hinter den straßenseitig gelegenen Wohngebäuden ist damit nach jeder Betrachtungsweise nicht nur vereinzelt und prägt den Blockinnenbereich mit, so dass das Bauvorhaben des Beigeladenen auf dem Flurstück Nr. .../... nach Überzeugung der Kammer mit hoher Wahrscheinlichkeit auch objektiv-rechtlich nach § 34 Abs. 1 BauGB zulässig ist.
3. Schließlich ist die Kammer aber auch der Auffassung, dass selbst wenn man zugunsten des Antragstellers mit verschiedenen Stimmen in der Literatur (Nachweise bei Dürr, a.a.O.; ferner Koch/Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 4. Aufl. 2004, § 28 Rn. 15 ff.) eine Ausweitung des Nachbarschutzes im Rahmen des § 34 BauGB vornehmen wollte, schutzwürdige Belange des Antragstellers im konkreten Fall nicht beeinträchtigt sind. Das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis ist nämlich geprägt von wechselseitiger Rücksichtnahme im Rahmen des Austauschverhältnisses der Eigentümer untereinander. Indem der Antragsteller - als bislang einziger Eigentümer des Quartiers - den rückwärtigen Bereich seines Grundstücks Flst.-Nr. .../... mit einer großen Garagenanlage bebaut hat (Grenzbebauung mit mehr als 70 m Länge; Nutzungen, die nicht der Hauptnutzung des Grundstückes untergeordnet sind, sondern über das Grundstück des Ast. hinauswirken, z.B. durch Lärmbeeinträchtigungen von zu- und abfahrenden Fahrzeugen sowie Öffnen und Schließen von Garagentoren), fordert er selbst von der Nachbarschaft bereits ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme. Seine eigene Garagenanlage führt bereits dazu, dass die vom Antragsteller behauptete „Ruhezone“ des rückwärtigen Bereiches in ihrer Qualität und Quantität stark gemindert wird. Dies bedeutet aber, dass der von seiner Nachbarschaft Rücksicht einfordernde Antragsteller seinen Nachbarn seinerseits ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme entgegenzubringen und die grundsätzlich zulässige bauliche Ausnutzung des Nachbargrundstückes hinzunehmen hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. vom 2.12.2005, 3 S 151/04, UA S. 10). Das nachbarschaftliche Verhältnis ist keine Einbahnstraße, sondern ein gegenseitiges Austauschverhältnis (BVerwG, Urt. vom 23.08.1996 - 4 C 13.94 -, BVerwGE 101, 364 [376]). Für die Kammer sind auch keine weitergehenden Gesichtspunkte erkennbar, weshalb ein Bauvorhaben, das bauordnungsrechtlich einen ausreichenden Abstand zum Grundstück des Antragstellers hält und das eine grundsätzlich in der Nachbarschaft zulässige Nutzung vorsieht, sich gegenüber der Nutzung auf dem gesamten Grundstück des Antragstellers (Wohngebäude und umfangreiche Garagennutzung) als eine das nachbarschaftliche Austauschverhältnis störende Nutzung darstellen sollte.
4. Auch im Hinblick auf die weiteren Tatbestandsmerkmale in § 34 Abs. 1 BauGB lassen sich keine Hinweise dafür finden, dass nachbarschützende Aspekte verletzt sein können. So fügt sich die Art der beabsichtigten Nutzung (Wohnanlage) ohne Weiteres in die in der Umgebung vorhandene Wohnbebauung ein, auch das Maß der beabsichtigten Nutzung fügt sich in die Umgebungsbebauung ein. Denn sowohl die überbaute Fläche hat auf den Nachbargrundstücken (Flst.-Nr. .../... des Antragstellers und Flst.-Nr. .../...) ein Vorbild und auch die geplante Bauhöhe von knapp 12 m dürfte den in der Umgebung vorhandenen Rahmen nicht sprengen, denn auch das Haus des Antragstellers ist viergeschossig mit Satteldach ausgebildet (zur Firsthöhe als maßgeblicher Größe vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.03.1999, 3 S 201/99, VBlBW 1999, 375). Im Übrigen würde eine Überschreitung des Maßes der Nutzung wiederum keine Verletzung nachbarschützender Rechte darstellen (vgl. Dürr, KommJur 2005, 201 [206 - zum Bebauungsplan]; Söfker, a.a.O.; Hofherr, Berliner Ktr. zum BauGB, 3. Aufl. 2005, § 34 Rn. 89). Denn Anhaltspunkte dafür, dass das Bauvorhaben auf das Wohngebäude des Antragstellers, welches rund 35 m entfernt liegt, eine erdrückende Wirkung hat (vgl. BVerwG, Urt. vom 13.03.1981 - 4 C 1.78, BauR 1981, 354; VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 25.02.1992 - 3 S 309/92 -, VBlBW 1992, 345), sind weder vorgetragen noch sonst irgendwie ersichtlich.
10 
5. Das Bauvorhaben verstößt auch nicht gegen nachbarschützende Normen des Bauordnungsrechts (vgl. hierzu Dürr, KommJur 2005, 201 [210 f.]). Es hält zum Grundstück des Antragstellers einen Abstand von ca. 5 m und damit mehr als die nach § 5 Abs. 7 S. 3, Abs. 8 LBO erforderliche Abstandstiefe ein. Denn das Bauvorhaben genießt das so genannte Schmalseitenprivileg nach § 5 Abs. 8 LBO, da die dem Grundstück des Antragstellers zugewandte Seite lediglich 12,98 m breit ist. Demzufolge ist eine Abstandsfläche von 0,4 m einzuhalten, bei dem 11,34 m hohen Gebäude mithin 4,54 m (soweit man zugunsten des Antragstellers auf die Firsthöhe von 11,97 m abstellen würde, ergäbe sich auch lediglich eine erforderliche Abstandsfläche einer Tiefe von 4,78 m). Anhaltspunkte dafür, dass die an der ...straße gelegene Tiefgaragenzufahrt nachbarschützende Belange des Klägers i.S.d. § 37 LBO beeinträchtigten, bestehen nicht.
11 
6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs.1, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und somit ein Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass der Antragsteller auch ihre außergerichtlichen Kosten trägt. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 9.7.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004. In Anbetracht dessen, dass es vorliegend um einstweiligen Rechtsschutz geht, hat die Kammer den Streitwert halbiert.

(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.

(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.

(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.

(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.

weitere Fundstellen einblendenweitere Fundstellen ...

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 4. September 2008 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung und begehrt darüber hinaus ein bauaufsichtliches Einschreiten.

2

Er ist Eigentümer des Grundstücks Flurstück-Nr. … in der Gemarkung H. (M.). Dieses hat er im Wege eines Zwangsversteigerungsverfahrens mit Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 4. Oktober 2007 erworben; die Beschlagnahme des Grundstücks war am 15. Januar 2007 erfolgt. Voreigentümer des Grundstücks waren die Eheleute L. zu jeweils 1/2. Der Beigeladene ist Eigentümer des unmittelbar angrenzenden Grundstücks mit der Flurstück-Nr. … (M.). Beide Grundstücke liegen im unbeplanten Innenbereich und sind mit Siedlungshäusern bebaut, die ebenso wie sämtliche Wohngebäude entlang des M. als Doppelhäuser grenzständig aneinander gebaut sind. Im rückwärtigen Bereich der benachbarten Grundstücke bestehen teilweise Erweiterungen der Siedlungshäuser, die ebenfalls grenzständig errichtet worden sind.

3

Am 27. Juni 2007 beantragte der Beigeladene im vereinfachten Genehmigungsverfahren den Umbau und die Erweiterung seines Wohngebäudes in einer Tiefe von 11,43 m entlang der Grenze zum klägerischen Anwesen in den rückwärtigen Grundstücksteil hinein; die Breite des Anbaus beträgt 6,01 m. Die Planung umfasst ferner eine Garage mit Geräteraum, die mit einer Länge von 12 Metern grenzständig zum Grundstück mit der Flurstück-Nr. … steht. Auf den Bauplänen hatte der vormalige Miteigentümer des Grundstücks Nr. … seine Zustimmung zu dem Bauvorhaben erklärt. Die Ehefrau als weitere Miteigentümerin hatte keine schriftliche Erklärung abgegeben.

4

Mit Bescheid vom 23. Juli 2007 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen die Baugenehmigung entsprechend dem Bauantrag.

5

Nach Zustellung des Zuschlagsbeschlusses an den Kläger am 15. Oktober 2007 legte er gegen die Baugenehmigung am 18. Oktober 2007 Widerspruch ein und begehrte im Hinblick auf die anstehenden Bauarbeiten zugleich den Erlass eines Baustopps. Zur Begründung führte der Kläger aus, aufgrund der Beschlagnahme des Grundstücks sei die von den Voreigentümern dem Beigeladenen erteilte Erlaubnis für eine Grenzbebauung als unwirksam anzusehen. Sie seien zum Zeitpunkt der Unterschrift nicht berechtigt gewesen, über das Grundstück zu verfügen, zumal sich die geplante Baumaßnahme in mehrfacher Hinsicht nachteilig auf die Nutzung seines Grundstücks und damit auf dessen Wert auswirke.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2008 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch des Klägers gegen die Baugenehmigung zurück. Das insoweit allein bauplanungsrechtlich zu würdigende Bauvorhaben verstoße nicht gegen § 34 Abs. 1 BauGB, da es sich in die nähere Umgebung einfüge. Die Geltendmachung eines Anspruchs auf bauaufsichtliches Einschreiten sei unbegründet. Auf den Schutz der Abstandsflächenvorschriften hätten die Rechtsvorgänger des Klägers aufgrund ihres Einverständnisses mit dem Vorhaben verzichtet. Unerheblich sei, dass sie seinerzeit aufgrund des Zwangsvollstreckungsbeschlusses zivilrechtlich über ihr Eigentum nicht mehr hätten verfügen können. Die zivilrechtlichen Folgen spielten im öffentlich-rechtlichen Bauordnungsrecht, das auf den im Grundbuch eingetragenen Eigentümer als Nachbarn abstelle, keine Rolle. Das Abwehrrecht lebe nicht dadurch wieder auf, dass der Kläger das Grundstück durch Zwangsversteigerung erworben habe.

7

Die am 21. Mai 2008 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 4. September 2008 ab. Die Klagebegehren seien unzulässig, weil die früheren Grundstückseigentümer als Nachbarn wirksam auf ihre öffentlich-rechtlichen Abwehrrechte verzichtet hätten. Der frühere Miteigentümer W. L. habe hierzu die zur Genehmigung gestellten Baueingabepläne unterschrieben. Die Unterschrift der Ehefrau als Miteigentümerin sei wegen des Vorliegens einer Duldungsvollmacht entbehrlich gewesen, denn die Ehefrau sei bei der Unterschriftsleistung durch ihren Ehemann anwesend und mit dieser einverstanden gewesen. Zu dem Verzicht seien die Eheleute trotz Beschlagnahme des Grundbesitzes in der Zwangsversteigerung auch noch berechtigt gewesen. Das in § 23 ZVG enthaltene Verfügungsverbot hindere nur die rechtsgeschäftliche Einwirkung auf Rechte am Grundstück, also etwa die Grundstücksübertragung, die Belastung mit einem Recht oder die inhaltliche Veränderung des Rechts; eine Verfügung in diesem Sinne stelle auch die Bestellung einer Baulast nach § 86 LBauO dar, die als öffentlich-rechtliche dingliche Last auf einem Grundstück ruhe. Demgegenüber liege in dem Verzicht auf ein materielles öffentlich-rechtliches Abwehrrecht keine Verfügung über das beschlagnahmte Grundstück. Zwar seien die damit verbundenen Wirkungen mit denen einer Baulast vergleichbar, weil sich der Nachbar in beiden Fällen der Möglichkeit begebe, mit Erfolg öffentlich-rechtlich gegen die Baugenehmigung vorzugehen. Die Baulastbestellung sei jedoch substanziell etwas anderes als der reine Nachbarrechtsverzicht, der keine rechtsgeschäftliche Verfügung über das Grundstück darstelle. Der Nachbar verzichte nicht auf ein Recht an seinem Grundstück, sondern begebe sich nur des Rechts aus seinem Grundstück, dem jedoch keinerlei dingliche Wirkung zukomme. Weil die Abwehransprüche, auf die verzichtet worden sei, grundstücksbezogen seien, trete der Rechtsnachfolger in eine geschmälerte Rechtsposition ein.

8

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend, die Baugenehmigung sei rechtswidrig, weil das Vorhaben gegen die drittschützende Vorschrift in § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO über Doppelhäuser verstoße; mit der genehmigten Bebauung werde die Doppelhauseigenschaft beseitigt. Es liege auch kein Verzicht der Eheleute L. auf ihre Abwehrrechte vor. Sie seien über den Umfang des Vorhabens und die Bedeutung der Unterschriftsleistung des Ehemannes in Unkenntnis gewesen. Ein Verzicht der Ehefrau könne auch nicht über eine Duldungsvollmacht angenommen werden, weil er gegenüber dem Beklagten hätte erklärt werden müssen. Dessen ungeachtet sei der Verzicht auch nach § 23 ZVG unwirksam, weil dieser mit der Baulasterteilung in seinen Wirkungen vergleichbar sei; unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens, der auf die Verhinderung wesentlicher, das Grundstück entwertende Handlungen nach Grundstücksbeschlagnahme gerichtet gewesen sei, dürfe nicht von einem engen Verfügungsbegriff ausgegangen werden.

9

Der Kläger beantragt,

10

die Baugenehmigung vom 23. Juli 2007 sowie den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 21. April 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, gegen den Beigeladenen bauaufsichtlich einzuschreiten.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er verweist zur Begründung auf das angegriffene Urteil.

14

Der Beigeladene tritt der Sache ebenfalls entgegen.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakte des Zwangsversteigerungsverfahrens des Amtsgerichts Neustadt an der Weinstraße K 3/07 verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 23. Juli 2007 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 21. April 2008 gerichtete Anfechtungsklage ist jedenfalls unbegründet (I.). Entsprechendes gilt für die Klage, mit der die Verpflichtung des Beklagten auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen das Bauvorhaben begehrt wird (II.).

I.

17

Die Anfechtungsklage gegen die im vereinfachten Verfahren erteilte Baugenehmigung (vgl. § 66 LBauO) ist unbegründet, weil sie keine den Kläger schützende Vorschrift des Bauplanungsrechts oder des sonstigen öffentlichen Rechts verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Deshalb kann offen bleiben, ob – wie das Verwaltungsgericht angenommen hat – die Klage bereits wegen wirksamen Verzichts auf nachbarliche Abwehrrechte durch die Rechtsvorgänger des Klägers (unzulässig und deshalb) ohne Erfolg ist.

18

Es ist in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte anerkannt, dass sich der bauplanungsrechtliche Nachbarrechtsschutz bei Bauvorhaben im unbeplanten Innenbereich, der auch hier für den Bereich beidseitig des M. anzunehmen ist, nach § 34 Abs. 1 BauGB auf die Beachtung des im Begriff des Einfügens enthaltenen Rücksichtnahmegebots beschränkt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.10.1995, BauR 1996, 155 und juris, Rn. 4; Beschluss vom 11.1.1999, NVwZ 1999, 879 und juris, Rn. 3); auf die Doppelhausregelung in § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO kann sich der Kläger nicht berufen, weil diese nur im Rahmen einer (hier nicht gegebenen) Bebauungsplanfestsetzung als nachbarschützend angesehen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.2.2000, BVerwGE 110, 355 und juris, Rn. 27). Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Einfügen bedeutet, dass sich das Vorhaben hinsichtlich der vier genannten Merkmale innerhalb des vorhandenen bauplanungsrechtlichen Rahmens hält und sich nicht im Einzelfall als rücksichtslos gegenüber der Nachbarschaft erweist. Lediglich hinsichtlich des Merkmals der Art der Nutzung kann sich der Nachbar in den Fällen des § 34 Abs. 2 BauGB zusätzlich auf den Gebietsgewährleistungsanspruch berufen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.9.1993, BVerwGE 94, 151 und juris, Rn. 13).

19

Das dem Beigeladenen genehmigte Wohnbauvorhaben erweist sich nicht als rücksichtlos. Es erfüllt die objektiv-rechtlichen Anforderungen an das Einfügen im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB. Dies gilt unter Berücksichtigung der Eigenart der näheren Umgebung entlang des M. offensichtlich hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung (§§ 1 ff. BauNVO), denn das Wohnvorhaben des Beigeladenen passt sich in die benachbarte Wohnbebauung ein (weshalb auch ein möglicher Gebietsgewährleistungsanspruch ausscheidet). Dies ist aber ebenfalls ohne weiteres mit Blick auf das in der Umgebung vorhandene Maß der baulichen Nutzung (§§ 16 ff. BauNVO) und die Grundstücksfläche, die von dem genehmigten Vorhaben überbaut werden soll (§ 23 BauNVO), gegeben. Das Vorhaben des Beigeladenen bewegt sich hinsichtlich seines Bauvolumens und seiner Anordnung auf dem Grundstück im Rahmen dessen, was die an dem M. vorhandene Bebauung – auch mit ihren rückwärtigen, an die Vorderhäuser angebauten Baukörpern – vorgibt und überschreitet diesen nicht (vgl. die Flurkarten Bl. 16 der Verwaltungsakte und S. 46 des Verkehrswertgutachtens im Zwangsversteigerungsverfahren vor dem Amtsgericht, ferner die Luftaufnahme Bl. 57 der Gerichtsakte). Darüber hinaus fügt sich die genehmigte grenzständige Erweiterung des Vorderhauses – entgegen der Auffassung des Klägers – auch hinsichtlich der Bauweise (§ 22 BauNVO) in die vorhandene Umgebung ein. Entlang des M. befinden sich ausschließlich Doppelhäuser (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO). Soweit diese – auf nicht wenigen Grundstücken und sogar in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Doppelhaus des Klägers und des Beigeladenen (z.B. Flurstück-Nr. …, …, …, …, M. Nr. … und …) – eine Erweiterung erfahren haben, ist diese in allen Fällen ausschließlich entlang der gemeinsamen Grenze des jeweiligen Doppelhauses erfolgt. Daraus lässt sich für den Bereich des M. ein Bebauungsprinzip herleiten, nach dem die Erweiterung der Doppelhäuser in den hinteren Grundstücksbereich hinein jeweils an der gemeinsamen Grenze des Doppelhauses vorzunehmen ist. Diesem Grundsatz folgt das genehmigte Vorhaben, das – weil es hinsichtlich Bauvolumen und Ausdehnung nicht über die mittlerweile entstandene rückwärtige Bebauung der Umgebung hinausgeht – auch nicht den Charakter des vorhandenen Doppelhauses des Klägers und Beigeladenen zur Auflösung bringt.

20

Der sich in der Umgebung so darstellende Rahmen ist nicht deshalb in Zweifel zu ziehen, weil in dem Gebiet eine davon abweichende Bebauung besteht, hier der hintere Anbau auf dem Grundstück Nr. …, der an beiden Seiten auf der Grenze errichtet worden ist. Denn er folgt dem Bebauungsprinzip der Errichtung ohne seitlichen Grenzabstand zu der ihm benachbarten Doppelhaushälfte ohne weiteres, und ist nur insoweit ein – für die Betrachtung nach § 34 Abs. 1 BauGB indes unbeachtlicher – „Ausreißer“, als er auch auf der gegenüberliegenden Grundstücksseite (zum Anwesen des Klägers hin) auf die Einhaltung eines Abstands verzichtet.

21

Fügt sich das Vorhaben in die Umgebungsbebauung ein, bedarf es besonderer Gründe, die es gleichwohl als rücksichtslos erscheinen lassen. Solche bestehen hier nicht, auch nicht soweit das klägerische Grundstück beidseitig von grenzständiger Nachbarbebauung betroffen ist. Hieraus ergeben sich keine für das im hinteren Bereich offene, langgestreckte Grundstück des Klägers unzumutbaren Beeinträchtigungen, wie auch die von ihm im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 15. Januar 2009 vorgelegten Fotographien zeigen. Wie bereits ausgeführt, entspricht jedenfalls die Grenzbebauung auf dem Grundstück des Beigeladenen den bauplanungsrechtlichen Anforderungen des § 34 BauGB.

II.

22

Ausgehend von diesen Erwägungen ist auch die Verpflichtungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen das Vorhaben des Beigeladenen nach § 81 Satz 1 LBauO unbegründet, so dass auch in diesem Zusammenhang die Frage eines Verzichts auf nachbarliche Abwehrrechte der Rechtsvorgänger des Klägers keiner Erörterung bedarf. Ein Anspruch auf Einschreiten kommt nur insoweit in Betracht, als es um die Vereinbarkeit mit (nachbarschützenden) bauordnungsrechtlichen Vorschriften geht, die nicht Gegenstand der Prüfung im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gewesen sind (vgl. § 66 Abs. 3 Satz 1 LBauO). Verstöße gegen drittschützendes Bauordnungsrechts durch das Wohnbauvorhaben des Beklagten sind jedoch nicht erkennbar, es liegt insbesondere auch keine Verletzung der Abstandsflächenvorschriften des § 8 LBauO vor.

23

Die Einhaltung einer Abstandsfläche für die grenzständige Erweiterung der Doppelhaushälfte zum Anwesen des Klägers hin ist nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBauO entbehrlich. Nach dieser Vorschrift sind innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen Abstandsflächen vor Außenwänden nicht erforderlich, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften das Gebäude ohne Grenzabstand gebaut werden muss. Nach Planungsrecht muss (abgesehen von dem in § 22 Abs. 3 BauNVO angeführten, hier nicht gegebenen Ausnahmefall) an die seitliche Grundstücksgrenze gebaut werden, wenn Doppelhäuser zwingend durch Bebauungsplan vorgeschrieben sind oder in der näheren Umgebung ein Ordnungsprinzip herrscht, das eine rückwärtige Erweiterung vorhandener Doppelhäuser nur an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zulässt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.2.2009, nur juris, Rn. 34; OVG RP, Urteil vom 22.8.2002, BauR 2002, 1838 und juris, Rn. 23, 26 f. zur sog. Haus-Hof-Bauweise; BayVGH, BRS 59 Nr. 113; Simon, BayBauO, Art. 6 Rn. 42). Ein solches einheitliches städtebauliches Ordnungsprinzip ist hier der näheren Umgebung zu entnehmen. Denn entlang des M. befinden sich ausschließlich Doppelhäuser, die diese Häuserform auch beibehalten haben, soweit sie in den hinteren Grundstücksbereich hinein erweitert worden sind. Denn auch dort sind sie entlang der bereits durch die Vorderhäuser vorgegebenen gemeinsamen seitlichen Grundstücksgrenze verwirklicht worden.

24

Die Annahme einer zwingenden bauplanungsrechtlichen Grenzbebauung entfällt vorliegend auch nicht deshalb, weil bisher allein der Beigeladene eine Grenzbebauung im hinteren Grundstücksbereich des Doppelhauses verwirklicht hat, während das klägerische Anwesen insoweit (derzeit) eine solche nicht aufweist. Denn im Fall des zwingenden Anbaus an die Grenze nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO entfällt die Abstandsfläche auch dann, wenn zunächst nur eine Einheit des Gesamtbaukörpers errichtet werden soll (vgl. BayVGH, BRS 59 Nr. 114; Simon, a.a.O.). Die bauplanungsrechtliche Vorgabe der zwingenden Grenzbebauung in dem Gebiet auch für die hinteren Grundstücksbereiche erlaubt eine isolierte bzw. sukzessive Errichtung der grenzständigen Bebauung, ohne dass es dazu einer Einwilligung des Grundstücksnachbarn bedarf.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.

26

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

27

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

28

Beschluss

29

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 7.500,-- € festgesetzt (§§ 47, 52 GKG).

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.01.2009 - 5 K 2450/08 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.01.2009 ist fristgerecht erhoben und begründet; sie genügt auch inhaltlich den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung im Beschwerdeverfahren grundsätzlich zu beschränken hat (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), hat es das Verwaltungsgericht zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die der Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 23.07.2008 zum Anbau einer 11,08 m hohen, 3,16 m tiefen und 3,98 m breiten Balkonanlage an der Gartenseite ihrer im unbeplanten Innenbereich gelegenen Doppelhaushälfte anzuordnen.
Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das private Interesse der Beigeladenen an der Ausnutzung der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Baugenehmigung (vgl. § 212a Abs. 1 BauGB) das gegenläufige private Interesse der Antragsteller überwiegt, vorläufig vom Vollzug der Baugenehmigung verschont zu bleiben. Denn nach derzeitigem Erkenntnisstand und nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird der Widerspruch der Antragsteller voraussichtlich keinen Erfolg haben, weil - worauf es allein ankommt - die von ihnen angegriffene Baugenehmigung nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die zumindest auch dem Schutz der Antragsteller zu dienen bestimmt sind.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Verwirklichung des Vorhabens verletze nicht zu Lasten der Antragsteller das in § 34 Abs. 1 BauGB im Begriff des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme. Die Balkone entfalteten weder eine erdrückende Wirkung, noch würden Belichtung, Belüftung und Besonnung ihres Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt. Die Schaffung von Einsichtsmöglichkeiten sei Folge der funktionsgerechten Ausgestaltung eines als solches planungsrechtlich zulässigen Wohnbauvorhabens und namentlich in städtischen Baugebieten grundsätzlich hinzunehmen. Ein Ausnahmefall liege insoweit nicht vor. Nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts seien ebenfalls nicht verletzt. Das Vorhaben dürfe nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO an der Grenze errichtet werden. Dass das Vorhaben mit einem Abstand von 0,665 m im Erdgeschoss bzw. 2,35 m im 1. und 2. Obergeschoss errichtet werden solle, stehe der Anwendung der Vorschrift nicht entgegen.
Dagegen wenden die Antragsteller ein, das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme sei zu ihren Lasten verletzt, weil unzumutbare Einsichtsmöglichkeiten in ihre Räumlichkeiten geschaffen würden und die Balkonanlage aufgrund ihrer Größe und der Nähe zu ihrem Wohngebäude erdrückende Wirkung entfalte. Die Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO sei ausgeschlossen, weil der Umgebung keine eindeutige planungsrechtliche Vorgabe für eine Grenzbebauung zu entnehmen sei und die Vorschrift nur eine grenzständige Errichtung eines Vorhabens oder eine Errichtung unter Einhaltung der vollen Tiefe der Abstandsflächen zulasse. Das Vorhaben könne auch nicht nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zugelassen werden, weil nach ständiger Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg jede Unterschreitung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächen eine erhebliche Beeinträchtigung des Nachbarn darstelle. Die in der Baugenehmigung erteilte Befreiung nach § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 LBO sei rechtswidrig, denn es fehle die erforderliche grundstücksbezogene Härte. Sie seien auch in ihren Rechten verletzt, weil durch die Balkone Einsichtsmöglichkeiten in ihre sensiblen Lebensbereiche eröffnet würden.
Dieser Vortrag vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Den Antragstellern steht weder ein bauplanungsrechtliches noch ein bauordnungsrechtliches Abwehrrecht gegen das geplante Vorhaben zu.
1. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme nicht zu Lasten der Antragsteller verletzt ist. Nach Aktenlage ist das Verwaltungsgericht zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass sich das Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung vorhandenen Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB einfügt. Insbesondere hält es sich im Rahmen der in der Umgebung vorhandenen offenen Bauweise nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO, bei der die Gebäude als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen mit seitlichem Grenzabstand errichtet werden. Bei den Gebäuden der Antragsteller und der Beigeladenen handelt es sich um ein Doppelhaus im Sinne dieser Vorschrift. Daran wird auch der geplante Anbau nichts ändern. Ein Doppelhaus ist dadurch gekennzeichnet, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken zu einer Einheit derart zusammengefügt werden, dass sie einen Gesamtbaukörper bilden. Eine solche Einheit kann jedoch nur entstehen, wenn die beiden Gebäude in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut werden. Insoweit enthält das Erfordernis der baulichen Einheit nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives Element. Nicht erforderlich ist jedoch, dass die beiden Haushälften vollständig deckungsgleich aneinandergebaut sind. Sie können auch zueinander versetzt oder gestaffelt an der Grenze errichtet werden (vgl. zu all dem BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 -, NVwZ 2000, 1055, 1056). Darüber hinaus erfordert ein Doppelhaus nicht, dass sämtliche parallel zur gemeinsamen Grundstücksgrenze verlaufenden Gebäudeaußenwände an der dem Doppelhausnachbarn zugewandten Seite eines Hauses an der Grenze errichtet werden. Namentlich verliert eine bauliche Anlage nicht den Charakter eines Doppelhauses, wenn Gebäudeteile mit einem Rücksprung zur gemeinsamen Grundstücksgrenze errichtet werden, solange die beiden Gebäude noch im Sinne der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu einem wesentlichen Teil aneinandergebaut sind.
Die Errichtung der Balkonanlage mit einem Abstand zur Grenze der Antragsteller zerstört somit nicht von vornherein die Doppelhauseigenschaft der beiden Gebäude. Die Balkonanlage verstößt aber auch nicht gegen das Erfordernis der verträglichen und abgestimmten Errichtung der beiden Haushälften, denn sie beeinträchtigt die Antragsteller nicht unzumutbar. Durch die vorgesehenen Balkone werden insbesondere keine Einsichtsmöglichkeiten geschaffen, die die Antragsteller nicht mehr hinzunehmen hätten (vgl. dazu Bayer. VGH, Beschluss vom 10.11.2000 - 26 Cs 99.2102 -, BauR 2001, 372). Denn die erhöhte Nutzbarkeit der Grundstücke der Antragsteller und der Beigeladenen wurde durch den Verzicht auf seitliche Grenzabstände und damit auf Freiflächen, die dem Wohnfrieden dienen „erkauft“ (BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 -, NVwZ 2000, 1055, 1056). Dieser Verzicht umfasst auch den seitlichen Grenzabstand von Balkonen an der rückwärtigen Gebäudewand, von denen naturgemäß von der Seite in die Räume des Nachbarn eingesehen werden kann. Da im vorliegenden Fall die Balkonanlage nicht direkt an der Grenze sondern mit Grenzabstand errichtet werden soll, verringern sich die Einsichtsmöglichkeiten, so dass erst recht nicht von einer unzumutbaren Beeinträchtigung auszugehen ist. Die von den Antragstellern zum Beleg ihrer gegenteiligen Auffassung zitierten Entscheidungen des OVG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 22.08.2005 - 10 A 3611/03 -, BauR 2006, 342) und des Thüringer OVG (Urteil vom 26.02.2002 - 1 KO 305/99 -, BRS 65 Nr. 130) gebieten keine andere Beurteilung, denn der diesen Entscheidungen zugrundeliegende Sachverhalt stimmt mit dem vorliegenden nicht überein. Im Fall des OVG Nordrhein-Westfalen überschritt der geplante Balkon die im Bebauungsplan festgesetzte Baugrenze, im Fall des Thüringer OVG fügte sich die vorgesehene Dachterrasse nach der überbauten Grundstücksfläche ebenfalls bereits objektiv-rechtlich nicht in die nähere Umgebung ein. Dies trifft hier nicht zu. Vielmehr reicht die Bebauung der Grundstücke ... ... und ... deutlich tiefer in das jeweilige Grundstück hinein, als es bei der hier vorgesehenen Bebauung der Fall sein wird. Das Bauvorhaben hält sich somit auch hinsichtlich der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, innerhalb des in der näheren Umgebung vorhandenen Rahmens. Unerheblich ist, ob die übrigen Häuser mit rückwärtigen Balkonen versehen sind. Denn das Vorhandensein von Balkonen lässt sich keinem der nach § 34 Abs. 1 BauGB relevanten Kriterien des Einfügens zuordnen. Balkone sind vielmehr Teil des Gebäudes, das sich in seiner Gesamtheit nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen muss. Dies ist hier der Fall, so dass eine Verletzung des in § 34 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebots ausgeschlossen ist. Denn das Rücksichtnahmegebot ist keine allgemeine Härteklausel, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts oder gar des gesamten öffentlichen Baurechts steht (BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128/98 -, NVwZ 1999, 879, 880).
2. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis auch zu Recht entschieden, dass zu Lasten der Antragsteller wohl keine nachbarschützenden bauordnungsrechtlichen Vorschriften verletzt sind. Das Vorhaben dürfte nach Aktenlage nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zuzulassen sein. Dafür sind folgende Überlegungen maßgebend:
10 
a) Die geplante Balkonanlage könnte nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO direkt an der Grenze errichtet werden, denn nach planungsrechtlichen Vorschriften darf an die Grenze gebaut werden und es ist öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird. Nach Aktenlage wurden zwar nur die Gebäude der Antragsteller und der Beigeladenen als Doppelhaus - und damit grenzständig - errichtet, während die übrigen Häuser in der näheren Umgebung seitlichen Grenzabstand zueinander aufweisen. Die beiden bereits vor mehr als hundert Jahren errichteten Gebäude prägen jedoch die nähere Umgebung mit. Die Errichtung von Gebäuden mit Grenzabstand ist demnach planungsrechtlich ebenso wenig zwingend wie eine Grenzbebauung; vielmehr ist beides möglich. Würde die Balkonanlage grenzständig errichtet, hielte sie sich somit im vorhandenen Rahmen der Bebauung und wäre bauplanungsrechtlich zulässig. Darüber hinaus wäre öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird. Nach der Rechtsprechung des beschließenden Gerichtshofs ist diese Voraussetzung auch ohne Übernahme einer Baulast erfüllt, wenn das Nachbargrundstück - wie hier - bereits an der Grenze bebaut ist. Unerheblich ist insoweit, dass die Häuser der Antragsteller und der Beigeladenen nach dem Anbau nicht mehr deckungsgleich wären (vgl. VGH Baden-Württ., Beschluss vom 12.02.2007 - 5 S 2826/06 -, VBlBW 2007, 383, 385).
11 
Ohne Erfolg berufen sich die Antragsteller zum Beleg ihrer gegenteiligen Ansicht auf das Urteil des 5. Senats des erkennenden Gerichtshofs vom 10.10.2002 (- 5 S 1655/01 -, BauR 2003, 1201). Denn der dort entschiedene Fall ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Nach Auffassung des 5. Senats durfte der in jenem Verfahren geplante Dachbalkon nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO an der Grenze errichtet werden, weil die besonderen Regelungen über die Deckungsgleichheit von Gruppenbauten der dort anzuwendenden Bauordnung für die Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe aus dem Jahr 1898 dies nicht zuließen. Vergleichbare Regelungen enthält die zum Zeitpunkt der Errichtung der Gebäude der Antragsteller und der Beigeladenen geltende Bauordnung der Antragsgegnerin aus dem Jahr 1889 jedoch nicht.
12 
b) Hätten aber die Antragsteller nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO selbst die Errichtung einer Balkonanlage an der Grenze hinzunehmen, können sie nicht aus Gründen des Nachbarschutzes verlangen, dass die Balkonanlage unter Einhaltung des vollen nachbarschützenden Teils der Abstandstiefen errichtet wird. Denn der vorgesehene Grenzabstand vermindert die Beeinträchtigungen der Antragsteller im Hinblick auf Belichtung, Belüftung und Besonnung gegenüber einer Grenzbebauung und auch die Einsichtsmöglichkeiten - so sie überhaupt als Schutzgut der Abstandsflächenvorschriften zu betrachten sind (vgl. dazu einerseits Beschlüsse des Senats vom 08.11.2007 - 3 S 1923/07 -, VBlVW 2008, 147, 149 und vom 26.11.1993 - 3 S 2606/93 -, juris und andererseits Beschluss des 8. Senats vom 03.03.2008 - 8 S 2165/07 -, VBlBW 2008, 345, 346 m.w.N. der Rspr.) - werden verringert. Der vorgesehene Standort schafft zudem keinen Zustand, der die Antragsteller in der baulichen Ausnutzung ihres eigenen Grundstücks behindern würde.
13 
Allerdings folgt dies nicht bereits aus § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO, denn nach dieser Vorschrift dürfen bauliche Anlagen grundsätzlich nur entweder grenzständig oder unter Einhaltung des vollen nach § 5 Abs. 7 LBO erforderlichen Grenzabstandes errichtet werden (vgl. aber zur Zulässigkeit einer Bebauung mit einem Grenzabstand von 0,50 m nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO - allerdings ohne nähere Begründung - VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.02.2007 - 5 S 2826/06 -, a.a.O.). Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor den Außenwänden an den Grundstücksgrenzen, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften das Gebäudean die Grenze gebaut werden darf und öffentlich rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird. Bereits nach dem Wortsinn kann ein Gebäude nur dann „an der Grenze“ errichtet sein, wenn es direkt an der Grenze, ohne jeglichen Abstand zu dieser steht. Ein Gebäude mit geringem Grenzabstand steht nicht mehr „an“ der Grenze, sondern allenfalls „nahe“ der Grenze. Der Begriff „an der Grenze“ ist jedoch auch zu unterscheiden von dem Begriff „auf der Grenze“. Denn ein Bau auf der Grenze überbaut diese. Da die Grenze lediglich eine Linie und keine Fläche darstellt, kann „auf“ ihr nur einmal gebaut werden. Abgesehen davon, dass ein Bauherr zu einem solchen Grenzüberbau nicht ohne weiters berechtigt ist, kann die in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO beschriebene Situation bei einem Bau „auf“ der Grenze nicht eintreten, da die bereits überbaute Grenze kein weiteres Mal durch den Nachbarn überbaut werden kann.
14 
Das vom Verwaltungsgericht zum Beleg seiner im Ergebnis gegenteiligen Ansicht zitierte Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13.05.2002 (- 3 S 2259/01 -, BauR 2003, 1860) steht dieser Auslegung nicht entgegen, denn es betraf eine andere Fallkonstellation. Aufgrund der dort in der näheren Umgebung vorherrschenden abweichenden Bauweise mit Traufgassen musste wegen des insofern geltenden Vorrangs der bauplanungsrechtlichen Bestimmungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2Nr. 1 LBO mit verringertem Grenzabstand gebaut werden. Ließe man aber auch in den Fällen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO die Errichtung von baulichen Anlagen mit verringertem Grenzabstand zu, fehlte den Baurechtsbehörden ein Steuerungselement, um beispielsweise die Entstehung sogenannter Schmutzwinkel zu verhindern, weil der Bauherr sein Gebäude auch mit sehr geringem Abstand zu einem bereits vorhandenen grenzständigen Gebäuden errichten dürfte. Denn der Tatbestand der Vorschrift enthält kein Merkmal, der es den Baurechtsbehörden erlaubte, bestimmte Grenzabstände zu fordern. Die Entscheidung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO steht auch nicht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, sondern ist zwingendes Recht; eine Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen findet daher nicht statt. Schließlich lässt sich auch aus dem Zweck der Vorschrift eine in diesem Sinne einschränkende Auslegung nicht herleiten. Denn die Vorschrift verfolgt keine spezifisch bauordnungsrechtlichen Ziele, wie z.B. die Verhinderung von „Schmutzwinkeln“, sondern dient dazu, den Vorrang des Bauplanungsrechts vor dem Bauordnungsrecht zu sichern (vgl. Sauter, LBO, § 5 Rn. 35).
15 
bb) Die geplante Balkonanlage ist aber nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zulässig. Nach dieser Vorschrift sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und soweit die Tiefe der Abstandsflächen die Maße des § 5 Abs. 7 LBO unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Gerichtshofs (vgl. z.B. Beschluss vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 -, VBlBW 2008, 190, 191 f.) stellt allerdings eine Abstandsflächentiefe, die - wie hier - den nachbarschützenden Teil unterschreitet, regelmäßig eine erhebliche, vom betroffenen Nachbarn nicht hinzunehmende Beeinträchtigung dar, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder nur geringfügig ist. Nachbarliche Belange sind mithin nur dann nicht „erheblich“ beeinträchtigt, wenn auf dem Nachbargrundstück besondere Umstände vorliegen, die eine vom Regelfall abweichende Beurteilung rechtfertigen, weil die vorhandene Situation durch bestimmte Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbar an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsfläche deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 -, VBlBW 1997, 266, 267 und vom 15.09.1999 - 3 S 1437/99 -, juris sowie Beschluss vom 08.10.1996 - 8 S 2566/96 -, BauR 1997, 92, 95; kritisch hierzu Sauter, LBO § 6 Rn. 48b). Solche Besonderheiten können sich (und werden sich zumeist) aus den tatsächlichen Verhältnissen auf dem Nachbargrundstück ergeben. Hierzu können nach der Rechtsprechung des beschließenden Gerichtshofs etwa unterschiedliche Höhenlagen oder sonstige signifikanten topografischen Unterschiede gehören. Ferner kann ein ungewöhnlicher Zuschnitt des Nachbargrundstücks oder die Tatsache ausschlaggebend sein, dass die vorhandene oder die planungsrechtlich zulässige Bebauung auf dem Nachbargrundstück durch das in Rede stehende grenznahe Vorhaben nur unerheblich tangiert wird (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Sauter, LBO, Rn. 48c zu § 6 LBO). Neben diesen besonderen tatsächlichen Gegebenheiten können aber auch rechtliche Besonderheiten vorliegen, welche die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Nachbarn in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht deutlich mindern und deshalb eine „erhebliche“ Beeinträchtigung nachbarlicher Interessen im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO ausschließen (vgl. zum Fall der Verwirkung des materiellen Abwehrrechts gegen den Standort eines Gebäudes Senatsbeschluss vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 -, a.a.O.).
16 
Eine solche rechtliche Sondersituation kann auch vorliegen, wenn das Baugrundstück und das Nachbargrundstück - wie hier - mit einem Doppelhaus bebaut sind. Bei dieser Art der Bebauung verzichten die Bauherrn zugunsten der erhöhten Nutzbarkeit ihrer Grundstücke grundsätzlich auf seitliche Grenzabstände und damit auf Freiflächen, die dem Wohnfrieden dienen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 -, a.a.O.). Dieser Verzicht mindert auch das Maß ihrer Schutzbedürftigkeit im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO. Der Umfang des bauordnungsrechtlichen nachbarlichen Schutzanspruchs kann insoweit nicht anders zu beurteilen sein, als der des bauplanungsrechtlichen, zumal das Bauplanungsrecht dem Bauordnungsrecht vorgeht, soweit es - wie hier - Grenzbebauung ohne Abstandsflächen zulässt. Denn in beiderlei Hinsicht geht es um die Frage, wie viel Abstand ein Nachbar zum Schutz seiner nachbarlichen Belange verlangen kann bzw. wie viel Nähe er hinzunehmen hat. Allerdings wären wohl auch bei einer Doppelhausbebauung nachbarliche Interessen jedenfalls dann erheblich beeinträchtigt, wenn durch ein grenznahes Vorhaben die Bebaubarkeit des Nachbargrundstücks beeinträchtigt würde. Grundsätzlich bleibt zwar dem Nachbarn trotz eines solchen Vorhabens die Möglichkeit erhalten, auf dem eigenen Grundstück einen grenzständigen Anbau zu errichten. Die damit möglicherweise einhergehende Verschattung der zuvor mit geringem Grenzabstand errichteten baulichen Anlage hätte jener Bauherr dann hinzunehmen. Anders stellte sich die Situation jedoch wohl dar, wenn ein Anbau mit sehr geringem Grenzabstand errichtet würde, der es dem Nachbarn verwehrte, am eigenen Haus einen grenzständigen Anbau zu errichten, weil sonst z.B. ein „Schmutzwinkel“ entstünde. Diese Konstellation liegt hier allerdings nicht vor. Denn der vorgesehene Abstand der Balkonanlage zur gemeinsamen Grundstücksgrenze (65 cm für den 1 m tiefen Austritt im Erdgeschoss, 2,35 m für die Balkonanlage in den Obergeschossen) lässt bauordnungsrechtlich weiterhin die Errichtung eines grenzständigen Anbaus an das Gebäude der Antragsteller zu.
17 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO.
18 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
19 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

Tenor

Auf die Beschwerden der Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 2. November 2006 - 4 K 2321/06 - geändert.

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Senat kann über die Beschwerden der Beigeladenen entscheiden, obwohl die Prozessbevollmächtigten der Antragsteller angekündigt haben, zum Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen vom 25.01.2007 nochmals Stellung zu nehmen. Denn das darin enthaltene wiederholende und ergänzende Vorbringen der Beigeladenen ist für die Entscheidung nicht erheblich.
Die Beschwerden der Beigeladenen sind zulässig und begründet. Aus den dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die den Beigeladenen unter dem 11.07.2006 erteilte Baugenehmigung des Landratsamts Karlsruhe zu Unrecht gemäß § 80a Abs. 3 und § 80 Abs. 5 VwGO angeordnet hat. Denn nach Lage der Akten ist nicht zu erwarten, dass die Widersprüche und sich ggf. anschließende Klagen der Antragsteller Erfolg haben werden. Die Baugenehmigung für die Errichtung eines an die Grenze mit dem Grundstück Flst.Nr. ...6 der Antragsteller gebauten Mehrfamilienhauses mit Laden an der Bahnhofstraße (Vorderhaus), zweier dahinter anschließender „Doppelparker“ und eines im rückwärtigen Bereich an die Grenze mit dem Grundstück Flst.Nr. ...7 der Antragsteller gebauten Einfamilienhauses (Rückgebäude) verstößt voraussichtlich nicht zu Lasten der Antragsteller gegen nachbarschützende Vorschriften.
Das Verwaltungsgericht hat eine Verletzung von Vorschriften, die (zumindest auch) Rechte der Antragsteller schützen, aus zwei Erwägungen für hinreichend wahrscheinlich gehalten. Es hat ausgeführt, die Baugenehmigung sei schon deshalb rechtswidrig, weil die Bauvorlagen unvollständig seien. Es fehlten Ansichten des Vorhabens (des Vorderhauses und des Rückgebäudes) aus Richtung Osten, auf denen auch der jeweilige Anschluss an die auf den Grundstücken der Antragsteller stehenden Gebäude eingezeichnet sei. Die Regelungen über die Anforderungen an Bauvorlagen seien ausnahmsweise nachbarschützend, wenn wegen der Unvollständigkeit der Bauvorlagen eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften nicht geprüft oder nicht zuverlässig ausgeschlossen werden könne. Dies sei hier der Fall. Es lasse sich nämlich nicht zuverlässig ausschließen, dass das Vorhaben der Beigeladenen gegenüber dem Grundstück der Antragsteller erdrückende Wirkung habe und damit gegen das von § 34 Abs. 1 BauGB umfasste Gebot der Rücksichtnahme verstoße und zudem wegen eines teilweisen Rücksprungs der Grenzbebauung der Antragsteller um etwa 0,5 m (beim Werkstattgebäude) zu einem bauordnungsrechtlich unzulässigen „Schmutzwinkel“ auf ihrem Grundstück führe. Ferner sei fraglich, ob nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften über das Freihalten von Abstandsflächen eine Grenzbebauung überhaupt zulässig sei. Der Senat teilt diese rechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichts letztlich nicht.
Hinsichtlich der ersten Erwägung ist das Verwaltungsgericht im Ausgangspunkt der Rechtsprechung des 3. Senats des erkennenden Gerichtshofs gefolgt, wonach die Regelungen über die Anforderungen an Bauvorlagen gemäß § 52 LBO und der Verordnung der Landesregierung und des Innenministeriums über das baurechtliche Verfahren (LBOVVO) zwar grundsätzlich keine nachbarschützende Wirkung entfalteten, dies aber dann nicht gelte, wenn wegen der Unvollständigkeit der Bauvorlagen eine Verletzung von nachbarschützenden Vorschriften durch die erteilte Baugenehmigung nicht geprüft oder nicht zuverlässig ausgeschlossen werden könne (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.08.2005 - 3 S 1216/05 - VBlBW 2005, 480 unter Hinweis auf OVG Berlin, Urt. v. 17.10.2003 - 2 B 8.01 - BauR 2004, 987; vgl. auch Sauter, LBO, 3. Aufl., § 52 Rdnr. 20). Demgegenüber hat der Senat in seiner zur (früheren) Bauvorlagenverordnung ergangenen Rechtsprechung betont, dass ein Verstoß gegen die in ihr geregelten Anforderungen nur dann zum Erfolg einer Nachbarklage führen könne, wenn aufgrund dessen die Baugenehmigung, etwa wegen fehlender Bestimmtheit, auch materiell rechtswidrig werde und insofern Rechte des Nachbarn verletze (Senatsbeschl. v. 21.06.1993 - 5 S 874/93 - BRS 55 Nr. 162). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest (vgl. auch Senatsbeschl. v. 04.11.2004 - 5 S 1573/04 - S. 6). Sie stimmt letztlich auch mit der erwähnten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin überein. Denn auch diese hebt allein auf mögliche Verstöße einer Baugenehmigung gegen materiellrechtliche Vorschriften ab. Dementsprechend lässt sie es genügen, dass die Baurechtsbehörde in den Bauvorlagen fehlende Angaben selbst ermittelt und vervollständigt (ohne dass insoweit die Bauvorlagen vom Bauherrn förmlich ergänzt würden). Eine daraufhin erteilte Baugenehmigung soll danach von einem Nachbarn nur dann mit Erfolg angegriffen werden können, wenn entweder wegen nach wie vor gegebener Ungenauigkeiten  oder Widersprüchlichkeit der ihr zu Grunde gelegten Darstellungen und Berechnungsgrößen eine Verletzung von nachbarschützenden Vorschriften nicht geprüft oder zuverlässig ausgeschlossen werden kann oder das Vorhaben auch in der eindeutig genehmigten Form drittschützende Vorschriften verletzt (OVG Berlin, Urt. v. 17.10.2003 - 2 B 8.01 - a.a.O.). Das ist hier nicht der Fall.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die Frage eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme im Rahmen von § 34 Abs. 1 BauGB wegen des Überstands des Vorderhauses und auch des Rückgebäudes im Vergleich zur Grenzbebauung auf den Grundstücken der Antragsteller nur anhand von Ansichten beurteilt werden kann, welche die geplanten Gebäude an der Ostgrenze des Grundstücks der Beigeladenen und die vorhandene Bebauung an der Westgrenze der Grundstücke der Antragsteller im Maßstab 1 : 100 wiedergeben (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 3 LBOVVO). Ob die Baurechtsbehörde auf eine Vorlage entsprechender Bauzeichnungen verzichten konnte (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 2 LBOVVO) oder ob das Vorbringen der Beigeladenen zutrifft, eine Fertigung entsprechender Bauzeichnungen sei ihr nicht möglich gewesen, weil dafür ein Betreten des Grundstücks der Antragsteller erforderlich gewesen sei und diese es nicht gestattet hätten, kann dahinstehen.
Denn die Beurteilung, ob das genehmigte Vorderhaus auf das Anwesen der Antragsteller erdrückend wirkt, ist jedenfalls auf der Grundlage der von den Beigeladenen im Beschwerdeverfahren vorgelegten Ansicht von Osten (vom Grundstück der Antragsteller her) mit hinreichender Sicherheit möglich. Anhand dieser Bauzeichnung, gegen deren Maßstabsgerechtigkeit aufgrund der Maßangaben in den genehmigten Bauvorlagen sowie der vorgelegten Lichtbilder keine ernstlichen Zweifel bestehen und deren Richtigkeit die Antragsteller auch nicht substantiiert in Zweifel gezogen haben, ist unwahrscheinlich, dass der entstehende Versatz der Grenzwände den Antragstellern nicht zuzumuten wäre. Die Antragsteller weisen zwar zutreffend darauf hin, dass für den Umfang des Überstands der Grenzwand des genehmigten Vorderhauses in der Höhe nicht die Schnittlinie der westlichen Außenwand der Dachgaube ihres Vorderhauses mit der Dachhaut maßgeblich ist, weil die Gaube etwa 7,50 m von der Grundstücksgrenze entfernt ist. Mithin beginnt der sich über eine Länge von 10,50 m erstreckende Überstand der Grenzwand des genehmigten Vorderhauses auf Höhe des 11,67 m hohen Firsts des Vorderhauses der Antragsteller; er beträgt im Bereich des 12,72 m hohen Firstes des genehmigten Vorderhauses etwa 2,60 m, vergrößert sich bis auf Höhe der Traufkante des Daches des Vorderhauses der Antragsteller auf 4,40 m und nimmt dann entlang des auf dem Grundstück der Antragsteller anschließenden Werkstattgebäudes, dessen Flachdach als überdachte Veranda genutzt wird, bis auf etwa 2,50 m (bei einer Traufhöhe von 8,47 m) ab. Eine erdrückende Wirkung auf das Grundstück der Antragsteller, wie sie in der Rechtsprechung nur in krassen Fällen angenommen wird, geht hiervon trotz der beträchtlichen Fläche des Überstands voraussichtlich nicht aus (vgl. auch, zur Unzulässigkeit einer Doppelhaushälfte, die nur auf einer Tiefe von fünf Metern angebaut ist und dahinter um weitere 8 m in den Gartenbereich verspringt, allerdings unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die bauplanerische Festsetzung einer offenen Bauweise als Doppelhäuser, BVerwG, Urt. v. 24.02.2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 = NVwZ 2000, 1055). Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere, dass der Überstand in der Höhe aus der Sicht der erwähnten, von der Grenze zurückversetzten Dachgaube des Vorderhauses der Antragsteller nur 1,90 m ausmacht, dass der Winkel zwischen der Grenzwand des Vordergebäudes der Beigeladenen und des Vordergebäudes der Antragsteller etwa 120° beträgt, dass die Grenzwand vom Vordergebäude der Antragsteller aus gesehen im Nordwesten liegt und dass die Antragsteller ihre hintereinander liegenden Grundstücke selbst eng und fast durchgehend in einer Tiefe von mehr als 30 m an der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen bebaut haben. Wegen dieser engen Bebauung wird die überstehende Grenzwand des Vorderhauses der Beigeladenen auch aus dem Hof der Antragsteller wohl jedenfalls nicht erdrückend wirken.
Umso weniger kann von dem genehmigten Rückgebäude eine erdrückende Wirkung für das Grundstück der Antragsteller ausgehen. Der Versatz zu dem auf dem Grundstück der Antragsteller ebenfalls an der Grundstücksgrenze stehenden Wohnhaus beträgt nach Norden nur etwa 2 m. Auch der teilweise vorhandene Höhenunterschied ist noch zumutbar. Die Antragsteller haben im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht angegeben, die Wandhöhe ihres zweigeschossigen Rückgebäudes betrage 6,20 m (ohne Berücksichtigung des Satteldachgiebels). Demgegenüber beträgt die durchgehende Wandhöhe des genehmigten Rückgebäudes ausweislich der zu den genehmigten Bauvorlagen gehörenden Westansicht (insoweit werden sich bei einer Ostansicht keine erheblichen Unterschiede ergeben) zwischen 6,20 m und 6,60 m und nur im Bereich des 5 m langen aufgesetzten Geschosses zwischen 8 m und 9 m (vgl. auch Anlage A 5 zum Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller vom 17.10.2006 an das Verwaltungsgericht).
Unbestimmt ist die Baugenehmigung nach Maßgabe der genehmigten, insoweit unvollständigen Bauvorlagen zu Lasten der Antragsteller nicht. Denn aus ihnen ergeben sich alle im Blick auf etwaige Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften erheblichen Maße des Vorderhauses wie auch des Rückgebäudes.
Offenbleiben kann, ob das genehmigte Rückgebäude sich objektivrechtlich nach der überbaubaren Grundstücksfläche in die nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB einfügt. Denn wie bereits ausgeführt, könnten die Antragsteller insoweit nur dann in ihren Rechten verletzt sein, falls sich hieraus zugleich ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ergäbe, was nicht der Fall ist.
10 
Das Vorhaben verstößt auch nicht gegen die bauordnungsrechtlichen Vorschriften über das Freihalten von Abstandsflächen vor den Außenwänden von Gebäuden.
11 
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden an Grundstücksgrenzen, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften das Gebäude an die Grenze gebaut werden darf und öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird. Planungsrechtlich darf hier gemäß § 34 Abs. 1 BauGB an die Grenze gebaut werden, weil dies - unstreitig - der Bauweise in der näheren Umgebung entspricht. Dort ist zwar nicht durchgängig, aber (sogar) überwiegend eine (teilweise auch beidseitig) geschlossene Bebauung vorhanden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist in diesem Zusammenhang nicht zusätzlich darauf abzustellen, ob sich das Vorhaben auch sonst gemäß § 34 Abs. 1 BauGB (nach dem Maß der baulichen Nutzung und nach der überbaubaren Grundstücksfläche) in die nähere Umgebung einfügt. Denn § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO lässt es genügen, dass nach planungsrechtlichen Vorschriften a n d i e G r e n z e gebaut werden darf. Aus der vom Verwaltungsgericht angeführten Entscheidung des Senats (Beschl. v. 12.09.1996 - 5 S 2232/96 - VBlBW 1997, 221) ergibt sich nichts anderes (vgl. auch Senatsbeschl. v. 05.07.2005 - 5 S 974/05 -, v. 10.01.2006 - 5 S 2335/05 - VBlBW 2006, 350, v. 14.08.2006 - 5 S 1473/06 -). Somit kommt es für die Anwendung von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO nicht darauf an, ob sich das genehmigte Vordergebäude nach der Zahl der Vollgeschosse und das genehmigte Rückgebäude nach der überbaubaren Grundstücksfläche in die nähere Umgebung einfügt. Zu prüfen ist allerdings weiter, ob öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf den hintereinander liegenden Grundstücken der Antragsteller ebenfalls an die Grenze gebaut wird. Dies wird in der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs für den Fall bejaht, dass das Nachbargrundstück bereits an der Grenze bebaut ist. Insoweit ist es nicht erforderlich, dass die geplante Grenzbebauung in Höhe und Tiefe weitestgehend deckungsgleich mit der vorhandenen Grenzbebauung ist (Senatsbeschl. v. 12.09.1996 - 5 S 2232/96 - a.a.O.). Vielmehr hat der Senat beispielsweise Überschreitungen von zwei Metern in der Tiefe und zwei bis drei Metern in der Höhe für zulässig gehalten (Senatsbeschl. v. 10.01.2006 - 5 S 2335/05 - a.a.O. m.w.N.). Nicht zweifelhaft ist überdies, dass im Hinblick auf die Bauweise die genehmigten Grenzbauten trotz des Überstands noch in einer Beziehung zu den vorhandenen Gebäuden auf den Grundstücken der Antragsteller stehen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 30.06.2003 - 3 S 991/03 - m.w.N.). Tatsächlich beträgt die Überdeckung des genehmigten Vorderhauses mit dem Vorderhaus der Antragsteller und dem daran angebauten Werkstattgebäude jedenfalls mehr als drei Viertel. Noch größer ist sie beim genehmigten Rückgebäude.
12 
Schließlich müssen sich die Beigeladenen nicht entgegenhalten lassen, dass auf der Höhe des Werkstattgebäudes der Antragsteller ein „Schmutzwinkel“ entsteht bzw. beibehalten bleibt, weil das Werkstattgebäude, wie sich aus dem genehmigten Abstandsflächenplan ergibt, etwa 0,50 m von der Grenze entfernt gebaut ist. Vielmehr obliegt es den Antragstellern, bauliche Vorkehrungen zu treffen, um die Nachteile, die dieser geringe Grenzabstand für die Unterhaltung der Außenwand des Werkstattgebäudes mit sich bringt, zu beheben (vgl. § 6 Abs. 2 LBO und hierzu Senatsbeschl. v. 10.01.2006 - 5 S 2335/05 - a.a.O.).
13 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 und § 159 Satz 2 VwGO. Es gibt keine kostenrechtliche Bestimmung, die es erlaubt, den obsiegenden Beigeladenen jedenfalls die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht deshalb aufzuerlegen, weil sie erst im Beschwerdeverfahren Ansichten des Vorhabens (Vorderhaus) von Osten vorgelegt haben. Insoweit hätte es den Antragstellern oblegen, nach Vorlage dieser Ansichten die Erfolgsaussichten ihres Rechtsbehelfs zu prüfen und ggf., zur Vermeidung der Kostenlast, das Verfahren in der Hauptsache für erledigt zu erklären (§ 161 Abs. 2 VwGO).
14 
Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.
15 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 09. Januar 2012 - 5 K 2279/11 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, als Gesamtschuldner.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss vom 09.01.2012 ist statthaft und auch sonst zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, der Klage der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 15.06.2011 i.d.F. des Widerspruchsbescheids vom 05.08.2011 aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Auch nach Auffassung des Senats kommt dem Interesse der Beigeladenen an der - dem gesetzlichen Regelfall entsprechenden - sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung Vorrang vor dem Interesse der Antragsteller an einem vorläufigen Baustopp zu. Nach derzeitigem Erkenntnisstand und nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird die Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben. Denn die genehmigten zwei Mehrfamilienwohnhäuser (Haus 1 mit acht und Haus 2 mit sechs Wohneinheiten) mit vier offenen Stellplätzen und einer Tiefgarage auf dem derzeit unbebauten Grundstück Flst.-Nr. ... (G... ...) in Müllheim verstoßen nicht gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz der Antragsteller als Eigentümer des östlich angrenzenden und mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks Flst.-Nr. ... (G... ...) zu dienen bestimmt sind.
Zur Begründung nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), wobei davon auszugehen ist, dass die Antragsteller mit ihrem Vorbringen nicht nach § 55 Abs. 2 Satz 2 LBO präkludiert sind und daher Anspruch auf volle Überprüfung ihrer Einwendungen haben. Ergänzend und in Würdigung des Beschwerdevorbringens der Antragsteller ist Folgendes auszuführen:
I.
Die Antragsteller halten dem Verwaltungsgericht zusammengefasst vor, es hätte die Prüfung des - im unbeplanten Innenbereich von Müllheim innerhalb einer Baulücke gelegenen - Vorhabens auf seine objektive Rechtmäßigkeit nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht offen lassen dürfen. Das Gericht hätte diese Frage vielmehr notwendigerweise prüfen und als Prüfungsergebnis zwingend verneinen müssen, da die genehmigten Gebäude in ihrer Massivität, Lage und Wohnungszahl in der durch großzügige Einfamilienhausbebauung gekennzeichneten Umgebung beispiellos seien und eine irreversible Verfremdung des bislang harmonischen und völlig spannungsfreien Baugebiets einleiteten. Dieser massive Verstoß gegen das objektiv-rechtliche Einfügensgebot löse unmittelbare Abwehransprüche für sie als Angrenzer aus, ohne dass es eines Rückgriffs auf die Voraussetzungen des Rücksichtnahmegebots bedürfe. Im Übrigen wirkten sich die beiden Häuser aber auch rücksichtslos erdrückend und einmauernd auf ihr nur bescheiden bebautes Wohngrundstück aus, ohne dass es auf die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ankomme, da diese nur „technisches Recht“ umsetzten und nachbarliche Belange nur untergeordnet berücksichtigten.
II.
Dem ist im dogmatischen Ansatz und im Ergebnis nicht zu folgen:
1. a) In der Rechtsprechung ist seit langem geklärt, dass § 34 Abs. 1 BauGB, wonach sich ein Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, nach der Bauweise und nach seiner überbauten Grundstücksfläche in die jeweils maßgebliche nähere Umgebung einzufügen hat, d.h. sich in dem jeweils prägenden Rahmen halten muss und diesen Rahmen nur bei Vermeidung städtebaulicher Spannungen überschreiten darf, unmittelbar keine drittschützende Wirkung entfaltet. Unmittelbarer Drittschutz gegen Gebietsveränderungen steht Gebietsanliegern nur im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 2 BauGB zu, wenn die nähere Umgebung der Nutzungsart nach einem der gesetzlich vorgeformten Gebiete nach §§ 2 ff. BauNVO entspricht. Sie können in diesem Fall nach ihrer Nutzungsart unzulässige Vorhaben abwehren, ohne sich auf die qualifizierten Anforderungen des Rücksichtnahmegebots verweisen lassen zu müssen (sog. Gebietserhaltungs- oder Gebietsbewahrungsanspruch, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16.12.2008 - 4 B 68.08 -, ZfBR 2009, 376 f. sowie Urteil vom 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151 ff. = NJW 1994, 1546 ff.).
Nur in diesem Sonderfall des § 34 Abs. 2 BauGB gesteht der Gesetzgeber, beschränkt auf die Art der baulichen Nutzung auf Nachbargrundstücken, den Bewohnern unbeplanter und beplanter Gebiete unter dem Gesichtspunkt der „Schicksalsgemeinschaft“ gleiche - unmittelbare - Abwehrrechte zu. Für die übrigen Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB (Nutzungsmaß, Bauweise, über- baubare Grundstücksfläche) gilt dies nicht. Dies verkennen die Antragsteller. Nachbarschützende Wirkung kommt Verstößen gegen diese Merkmale nur mittelbar über das im Begriff des „Einfügens“ aufgehende Gebot der Rücksichtnahme zu. Dieses ist verletzt, wenn ein Vorhaben es trotz Einhaltung des Umgebungsrahmens hinsichtlich eines oder mehrerer der Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB „an der gebotenen Rücksichtnahme auf die sonstige, d.h. vor allem auf die in seiner unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung fehlen lässt“ (so bereits BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369, 386). Das Rücksichtnahmegebot hat insoweit zunächst objektiv-rechtliche Bedeutung. Nachbarschutz vermittelt es nur insoweit, als - mit den Worten des Bundesverwaltungsgerichts - „in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter“ Rücksicht zu nehmen ist (st. Rpr. zu. § 34 Abs. 1 BBauG wie zu § 34 Abs. 1 BauGB; vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 13.03.1981 - 4 C 1.78 -, BauR 1981, 354 ff. sowie Beschluss vom 20.01.1992 - 4 B 229.91 -, juris). An dieser Unterscheidung zwischen objektiv-rechtlicher und subjektiv-rechtlicher Ausprägung des Rücksichtnahmegebots ist rechtsdogmatisch bis heute festzuhalten, auch wenn in der Praxis beide Komponenten meist zusammenfallen und sich daher eine zweistufige Prüfung erübrigt. In Nachbarrechtsverfahren kommt es jedenfalls allein darauf an, ob sich ein Vorhaben in der dargelegten qualifizierten Art und Weise rücksichtslos, d.h. unzumutbar auswirkt. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats - bezogen auf die Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB - unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls - insbesondere der tatsächlichen und rechtlichen Vorbelastung der Grundstücke und des Gebiets, der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Bauherrn und des Nachbarn sowie der Art und Intensität aller in Betracht kommenden städtebaulich relevanten Nachteile - zu beurteilen (vgl. etwa Beschlüsse vom 08.11.2007 - 3 S 1923/07 -, VBlBW 2008, 147 ff. und vom 16.2.1990 - 3 S 155/90 -, juris).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen, an denen festzuhalten ist, war das Verwaltungsgericht nicht zu einer vollumfänglichen und abschließenden Prüfung der streitigen Mehrfamilienhäuser am objektiv-rechtlichen Maßstab des § 34 Abs. 1 BauGB (einschließlich des Rücksichtnahmegebots in seiner objektiv-rechtlichen Ausgestaltung) verpflichtet, sondern durfte sich auf die Prüfung beschränken, ob sich die Gebäude zu Lasten der Antragsteller anhand eines oder mehrerer der Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB subjektiv-rechtlich als rücksichtslos erweisen und insoweit „drittschützende“ städtebauliche Spannungen auslösen (zum Gebot der Rücksichtnahme als Unterfall des Verbots der Begründung oder Erhöhung bodenrechtlich beachtlicher Spannungen in § 34 Abs. 1 BauGB vgl. BVerwG, Urteil vom 16.09.2010 - 4 C 7.10 -, NVwZ 2011, 436 ff.). Derartige die Schwelle der Rücksichtslosigkeit erreichende Nachteile des Vorhabens für die Antragsteller vermag auch der Senat noch nicht zu erkennen.
a) Bezüglich der Nutzungsart (Wohnen) wird der Rahmen der Umgebung unstreitig eingehalten. Die den Gebietsrahmen möglicherweise übersteigende Gesamtwohnungszahl des Vorhabens (14 Wohneinheiten), die Wohnungsdichte, wird von § 34 Abs. 1 BauGB nicht erfasst (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.02.1992 - 3 S 309/92 -, VBlBW 1992, 344 ff. m.w.N.). Sie kann nur mittelbar durchschlagen, etwa dann, wenn gleichzeitig unzumutbarer Verkehrslärm durch die Bewohner hervorgerufen wird. Davon kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden, nachdem die Zufahrt zur genehmigten Tiefgarage sich auf der vom Grundstück der Antragsteller abgewandten Westseite des Baugrundstücks befindet.
b) Auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung sind rücksichtslose Auswirkungen des Vorhabens für die Antragsteller noch nicht zu erkennen. Bei der Beurteilung ist hierbei allerdings nicht auf „relative“ Maßkriterien wie insbesondere die - hier eingehaltene - Grund- und Geschossflächenzahl abzuheben, sondern es kommt vorrangig auf die nach außen im Verhältnis zur Umgebungsbebauung prägenden Eigenschaften an, zu denen insbesondere die flächenmäßige Ausdehnung, die Geschosszahl und die Höhe der den Rahmen bildenden Gebäude zählen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.06.2007 - 4 B 8.07 -, BauR 2007, 1691 f.). Diesbezüglich dürften sich die streitigen zwei Mehrfamilienhäuser sowohl nach ihrer Grundfläche von jeweils etwa 300 m² als auch nach ihrer Geschosszahl und ihrer Gebäudehöhe möglicherweise sogar objektiv-rechtlich (gerade noch) im Umgebungsrahmen halten, der räumlich mindestens die Bebauungszeile südlich der G... umfasst. In dieser Zeile befindet sich das große und damit auch prägende Mehrfamilienwohnhaus auf dem östlich an das Grundstück der Antragsteller angrenzenden Grundstück Flst.-Nr. ... (G... ...). Der dortige aus drei versetzten Einheiten bestehende Gebäudekomplex weist ausweislich der nicht bestrittenen Ermittlungen der Antragsgegnerin eine Grundfläche von 315 m² auf, hat ebenfalls zwei Vollgeschosse und ein Dachgeschoss und übertrifft die genehmigten Wohnhäuser in der Firsthöhe um mindestens 2 m. Allein schon wegen dieses prägenden Gebäudekomplexes kann der Einschätzung der Antragsteller nicht gefolgt werden, im Baugebiet herrsche „Harmonie“ im Sinne einer in sich geschlossenen und von kleinen freistehenden Einfamilienhäusern geprägten „Schicksalsgemeinschaft“. Unabhängig von ihrer objektiv-rechtlichen Bewertung kommt den genehmigten Häusern auf dem Grundstück der Beigeladenen jedenfalls aber keine (subjektiv) rücksichtslose, weil unzumutbar optisch erdrückende oder einmauernde Wirkung zu. Diese Entscheidung ist, worauf die Antragsteller zu Recht abheben, nicht allein schon dadurch determiniert, dass die genehmigten Gebäude die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften in jeder Hinsicht einhalten. Diese Abstandsflächengebote sind allerdings keine rein „technischen Normen“, sondern haben eine starke nachbarschützende Zielrichtung. Jedoch umfasst ihr Schutzbereichskatalog (Belichtung, Besonnung, Belüftung, Brandschutz und ggf. auch ein Minimum an Wohnfrieden) nicht auch den Schutz gegen optisch erdrückende oder abriegelnde Baukörper. Dieser Schutz wird vielmehr vom bundesrechtlichen Kriterium des Maßes baulicher Nutzung abgeleitet (vgl. Beschluss des Senats vom 08.11.2007 - 3 S 1923/07 -, VBlBW 2008, 147 ff.; im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 23.05.1986 - 4 C 34.85 -, BauR 1986, 542 f.). Indessen treten die beiden genehmigten Wohnhäuser der Beigeladenen gegenüber dem Grundstück der Antragsteller noch nicht unzumutbar optisch erdrückend oder gar abriegelnd in Erscheinung. Denn beide Gebäude sind, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, nur mit den Giebelseiten zum Grundstück der Antragsteller hin ausgerichtet, zudem voneinander durch eine Freifläche von ca. 13 m getrennt.
10 
c) Auch bezüglich der überbauten Grundstücksfläche und in einer Gesamtwürdigung aller Umstände müssen die Antragsteller noch nicht mit unzumutbaren Nachteilen rechnen. Dabei verkennt auch der Senat nicht, dass sich der bisher in Richtung Westen außergewöhnlich günstige Lagevorteil des Grundstücks der Antragsteller im Zuge der Verwirklichung des streitigen Vorhabens verschlechtern wird. Die Antragsteller, die ihr großes Gartengrundstück im Verhältnis zur Umgebung eher gering ausnutzen, können jedoch in Anwendung des Rücksichtnahmegebots nicht verlangen, dass das Nachbargrundstück auch in Zukunft gänzlich unbebaut bleibt oder zwingend nur „in erster Reihe“ mit nur einem Gebäude (Haus 1) bebaut werden darf. Denn im Blockinnenbereich zwischen G... und H... sind auch an anderer Stelle „Hinterlandbebauungen“ in zweiter Reihe anzutreffen. Dies gilt nicht nur mit Blick auf die durchgehend tiefgestaffelte Bebauung im Bereich nördlich der H..., sondern auch für den Bereich südlich der G...-..., da auch hier - prägend - Wohnbebauung in „zweiter Reihe“ auf den Grundstücken Flst.-Nr. ... (G... ...) und dem dahinterliegenden Grundstück Flst.-Nr. ... (G... ...) in einer mit Haus 2 vergleichbaren Bebauungstiefe vorhanden ist.
11 
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab und nimmt stattdessen auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug.
12 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Billigem Ermessen entspricht es nicht, den Antragstellern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Denn die Beigeladene hat im Schriftsatz vom 09.03.2012 zwar Ausführungen zur Sache gemacht. Die an den Anfang gestellte Formulierung, es werde im Folgenden dargetan, dass die Beschwerde zurückzuweisen sei, ist jedoch nicht als förmlicher Prozessantrag auszulegen. Da die Beigeladene daher für den Fall des Unterliegens kein Kostenrisiko zu tragen gehabt hätte (§ 154 Abs. 3 VwGO), ist es nach der Rechtsprechung aller Bausenate des erk. Gerichtshofs auch nicht unbillig, dass sie - korrespondierend - im Falle des Obsiegens keine Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten verlangen kann (vgl. zuletzt etwa Beschluss vom 20.01.2011 - 8 S 2567/10 -, VBlBW 2011, 279 f.).
13 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
14 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Juli 2007 - 6 K 2666/07 - geändert. Die Baugenehmigung des Landratsamtes Ostalbkreis vom 7. Juni 2006 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. Februar 2007 werden aufgehoben.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen eine Baugenehmigung, die seinem Nachbarn, dem Beigeladenen, die Errichtung eines Schuppens gestattet.
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus und einer Garage bebauten Grundstücks Flst. Nr. 178 (H. Straße 39) der Gemarkung .... Dem Beigeladenen gehört das nördlich angrenzende Anwesen H. Straße 41 (Flst. Nr. 177/5) und das westlich angrenzende, 3.146 m 2 große Grünlandgrundstück Flst. Nr. 177. Dieses Grundstück erstreckt sich hinter den bebauten Grundstücken auf der Westseite der H. Straße vom ...bach im Nordwesten bis zum Grundstück H. Straße 37 (Flst. Nr. 178/1) im Südosten. Es fällt von Osten nach Westen zum ...bach hin leicht ab.
Der Beigeladene hat im südöstlichen Bereich dieses Grundstücks, gegenüber dem Wohnhaus des Klägers und in einem Abstand von 2,5 m zu der gemeinsamen Grundstücksgrenze, einen 12 m langen, 5 m breiten sowie zwischen 4 und 5 m hohen Geräte- und Brennholzschuppen mit einem Pultdach errichtet.
Die örtliche Situation stellt sich wie folgt dar:
Der Beigeladene reichte am 27.3.2006 einen entsprechenden Bauantrag ein. Der Kläger erhob Einspruch und machte geltend, unter dem Gesichtspunkt des Lichtzutritts und der Feuchtigkeit ergäben sich aus dem Bauvorhaben nicht unerhebliche Nachteile für sein Grundstück. Außerdem sei der Grenzabstand nicht eingehalten.
Unter dem 7.6.2006 erteilte das Landratsamt Ostalbkreis die beantragte Baugenehmigung und wies den Einspruch des Klägers mit im Wesentlichen folgender Begründung zurück: Das Baugrundstück liege im Außenbereich. Das Bauvorhaben des Beigeladenen sei als sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB zulässig. Die beteiligten Stellen hätten eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange verneint. Der geplante Schuppen halte auch die erforderlichen Abstandsflächen ein.
Der Kläger legte hiergegen am 21.6.2006 Widerspruch ein. Er begründete diesen damit, das genehmigte Vorhaben verstoße zu seinen Lasten gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Der Schuppen solle unmittelbar an der Terrasse und vor dem Wohnzimmer seines Hauses errichtet werden. Dadurch werde die Lichtzufuhr zu diesen beeinträchtigt. Von dem Bauvorhaben gehe eine erdrückende Wirkung aus. Es verstoße ferner gegen Treu und Glauben und das Schikaneverbot, weil der Beigeladene die Möglichkeit habe, auf seinem großen Grundstück den Schuppen an einer Stelle zu errichten, die nicht an ein bestehendes Gebäude angrenze.
Am 2.8.2006 beantragte der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart mit derselben Begründung, seinem Widerspruch aufschiebende Wirkung beizumessen. Der Beigeladene führte in seiner Erwiderung auf diesen Antrag vier Gründe für die Wahl des Schuppenstandorts an: Zum einen habe er in den naturbelassenen Bachlauf mit altem Baumbestand nicht eingreifen wollen. Zum anderen könne er den Schuppen nicht an der Grenze zur „Parzelle 171 ... ...“ (Südwesten) erstellen, weil es sich dabei um den tiefsten Teil des Geländes handele, das oft knöcheltief unter Wasser stehe. Das Gleiche gelte ferner für den Bereich an der Grenze zum „Flurstück Nr. 178/1 ...“ (Südosten). Hier plane er zudem eine bepflanzte Sickergrube, die das Dachwasser des Schuppens aufnehmen solle. Schließlich sei der Bereich an der Grenze zum Grundstück des Klägers im Jahre 1964 mit Erdaushub aufgefüllt worden; das Gelände liege dort deshalb um etwa 1 bis 1,5 m höher. Ein Gebäude füge sich hier nahtlos in die Baulinie bestehender Gebäude ein.
Mit Beschluss vom 31.8.2006 lehnte das Verwaltungsgericht Stuttgart den Aussetzungsantrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus: Der genehmigte Schuppen verstoße nicht gegen das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme, da die Abstandsvorschriften der Landesbauordnung eingehalten seien. Es bestehe grundsätzlich kein schutzwürdiges Vertrauen eines Nachbarn, dass ein bisher unbebautes, im Außenbereich liegendes Grundstück auch künftig nicht bebaut werde. Dass der Blick auf den an der Grenze geplanten Schuppen den zuvor freien Blick auf die Landschaft beeinträchtige, begründe keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots.
10 
Der Senat wies die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 6.12.2006 - 8 S 2184/06 - zum einen deshalb zurück, weil der Beschwerdebegründung zufolge der Schuppen schon bei ihrer Abfassung errichtet war. Zum anderen spreche vieles dafür, dass das Verwaltungsgericht zu Recht einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme verneint habe. Der Beigeladene habe gegenüber dem Verwaltungsgericht vier Gründe angeführt, die gegen eine Errichtung des Schuppens an anderer Stelle sprächen. Da die Beschwerde sich damit nicht auseinandersetze, habe der Senat von ihrer Stichhaltigkeit auszugehen.
11 
Mit Bescheid vom 14.2.2007 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers gegen die Baugenehmigung vom 7.6.2006 mit denselben Argumenten zurück, die das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 31.8.2006 verwendet hatte.
12 
Am 15.3.2007 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage mit dem Antrag erhoben, die Baugenehmigung in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben. Er hat ausgeführt: Entgegen der Auffassung der Behörden liege eine erhebliche Beeinträchtigung seines Wohnhauses im Hinblick auf Belichtung, Belüftung und Besonnung vor. Von entscheidender Bedeutung sei jedoch, dass die Wahl des Schuppenstandorts schikanös sei, weil er an verschiedenen anderen Stellen auf dem Baugrundstück ohne Schwierigkeiten hätte errichtet werden können. Die vom Bauherrn angegebenen Gründe seien nicht nachvollziehbar. Die von ihm erwähnten Bäume stünden unmittelbar am Ufer und würden von der Errichtung des Schuppens nicht tangiert. Am ...bach befinde sich auch kein Gartenteich, vielmehr stünden dort bereits heute mehrere Schuppen. Bei dem Bereich entlang der Grenze zum Grundstück Flst. Nr. 171 handele es sich nicht um den tiefsten Teil des Geländes, vielmehr habe der Vater des Beigeladenen ihn mit Aushub aufgefüllt. Die Sickergrube entlang der Grenze zum Grundstück Flst. Nr. 178/1 führe zu einer zusätzlichen Belastung seines Hausgrundstücks. Diese hätte weiter nach unten verlagert werden können. Bei Aufstellung des Schuppens am ...bach hätte das Regenwasser im Übrigen unmittelbar in diesen eingeleitet werden können. Ferner habe der Beigeladene inzwischen den Bach mit Felsbrocken aufgestaut und leite das Bachwasser in die Sickergrube ein. Es könne keine Rede davon sein, dass hier Oberflächenwasser abgeführt werden solle. Richtig sei zwar, dass das Gelände auch entlang der Grenze zu seinem Grundstück aufgefüllt worden sei, was jedoch lediglich dazu führe, dass der Schuppen noch höher stehe und noch mehr Licht wegnehme. Von einer vorhandenen Baulinie könne keine Rede sein.
13 
Das beklagte Land hat Klagabweisung beantragt und im Wesentlichen auf die Begründung der angefochtenen Bescheide verwiesen. Im Hinblick auf die Standortwahl hat es ausgeführt, auf die Frage, ob das Gebäude an anderer Stelle auf dem Baugrundstück errichtet werden könne, komme es nicht an.
14 
Der Beigeladene hat zur Frage der Standortwahl wie folgt Stellung genommen: Der Baumbestand entlang der Bachgrenze sei etwa 10 bis 12 m breit; der Maschinenschuppen, auf den sich der Kläger berufe, stehe nicht am Bach. Der Bereich entlang der Grenze zur Parzelle 171 sei nicht mit Erdaushub aufgefüllt worden, dies sei lediglich entlang der Grenze zum Grundstück des Klägers geschehen. Dies werde durch ein Gerichtsurteil des Amtsgerichts Schwäbisch Gmünd vom 24.5.1966 bestätigt. Die Baugenehmigung sei vom Landratsamt erst nach dem Nachweis einer ordnungsgemäßen Entwässerung erteilt worden. Er habe eine Sickergrube gewählt, die zum Grundstück des Klägers einen Abstand von 8 m und zu den anderen angrenzenden Grundstücken einen solchen von mindestens 6 m aufweise. Das anfallende Regenwasser werde zudem zur Bewässerung eines neu geschaffenen Gemüsegartens genutzt. Eine Entwässerung in den Bach werde seit Mitte der siebziger Jahre nicht mehr akzeptiert. Für eine Wasserentnahme aus dem Bach bestehe keine Notwendigkeit. Es gebe deshalb auch keinen Grund, den Bach aufzustauen.
15 
Mit Urteil vom 3.7.2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt: Der genehmigte Schuppen verstoße nicht gegen das Rücksichtnahmegebot, da er keine für den Kläger unzumutbare Beeinträchtigungen zur Folge habe. Dies ergebe sich daraus, dass die Abstandsflächenbestimmungen eingehalten seien. Nicht entscheidungserheblich sei, ob der Beigeladene sein Bauvorhaben auch an einer anderen Stelle seines Grundstücks zulässigerweise errichten könnte.
16 
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 10.1.2008 - 8 S 1961/07 - zugelassene Berufung des Klägers, mit der er beantragt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Juli 2007 - 6 K 2666/07 -zu ändern und die Baugenehmigung des Landratsamtes Ostalbkreis vom 7. Juni 2006 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. Februar 2007 aufzuheben.
18 
Er macht geltend: Das Verwaltungsgericht habe die Grundsätze des Rücksichtnahmegebots verkannt und deshalb keine Abwägung der Empfindlichkeit und Schutzwürdigkeit des Begünstigten einerseits mit der Verständlichkeit und Unabweisbarkeit der mit dem Vorhaben verfolgten Interessen des Bauherrn andererseits vorgenommen. Der beigeladene Bauherr habe kein nachvollziehbares Interesse daran, das Gebäude unmittelbar vor sein (des Klägers) Anwesen zu platzieren. Vielmehr bringe dieser Standort nur Nachteile mit sich, weil der Schuppen vom Wohngebäude des Beigeladenen sehr weit entfernt sei. Demgegenüber habe er (der Kläger) eindeutig dargelegt, dass er durch das wuchtige Bauwerk und dessen erdrückende Wirkung erheblich beeinträchtigt werde. Er habe die Nutzungsbereiche seines Hauses so ausgerichtet, dass Schlafzimmer, Wohnzimmer und Terrasse in die bislang unbebaute Richtung wiesen. Der Beigeladene habe dagegen aus schikanösen Gründen gehandelt. Er habe zunächst geplant, in dem Bereich, in dem der Schuppen heute stehe, Nordmanntannen anzupflanzen. Er (der Kläger) habe den Beigeladenen damals darauf hingewiesen, dass er mit den Tannen einen Abstand von mindestens 8 m einzuhalten habe. Darauf hin habe der Beigeladene gegenüber einem Dritten erklärt, dass wenn der Kläger die Nordmanntannen nicht wolle, er eben einen Schuppen vor sein Haus setzen werde, was er schließlich auch getan habe.
19 
Das beklagte Land beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen.
21 
Es erwidert: Das Gebot der Rücksichtnahme werde durch den genehmigten Schuppen nicht verletzt. Deshalb könne eine Interessenabwägung unterbleiben, weil der Kläger keine wehrfähige Position besitze. Ein Nachbar könne unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung seines Grundstücks grundsätzlich keine Rücksichtnahme verlangen, die über den Schutz des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts hinausgehe, weil diese landesrechtlichen Grenzabstandsvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots zur nachbarlichen Rücksichtnahme darstellten. Dies gelte allerdings nur „grundsätzlich“, was bedeute, dass Ausnahmen möglich sein müssten, da Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers stehe. Im vorliegenden Fall lägen Besonderheiten, die unter den genannten Gesichtspunkten eine Ausnahme vom angeführten Grundsatz geböten, nicht vor. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass seine Aussicht in die freie Landschaft beeinträchtigt werde. Ebenso unbeachtlich sei seine Einlassung, er habe sein Haus so ausgerichtet, dass die Wohnbereiche in die unbebaute Richtung wiesen. Denn eine Baugenehmigung verleihe demjenigen, der sich seine Bauwünsche erfülle, nicht die Rechtsmacht, durch die Art und Weise der Bauausführung unmittelbaren Einfluss auf die Bebaubarkeit der Nachbargrundstücke zu nehmen. Selbst wenn Tatsachen vorlägen, die eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zulasten des Klägers begründen könnten, müssten sie in der Abwägung hinter die Interessen des Beigeladenen zurücktreten. Denn diesem stünden berechtigte Belange zur Seite, sein Bauvorhaben genau an der streitgegenständlichen Stelle zu errichten. Andere denkbare Standorte seien überschwemmungsgefährdet oder hätten eine Gefahr für den naturbelassenen Bachlauf mit altem Baumbestand mit sich gebracht. Zudem liege das erstellte Bauwerk in einer günstigen Entfernung zum schon bestehenden Wohnhaus. Selbst wenn schließlich die Interessen des Klägers und des Beigeladenen als gleichwertig eingestuft würden, müsse der Beigeladene seine berechtigten Belange nicht zurückstellen, um gleichwertige fremde Belange des Klägers zu schonen.
22 
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag, Er trägt vor: Durch den Bau des Schuppens habe der Kläger nicht beeinträchtigt oder gar schikaniert werden sollen. Ausschlaggebend für den gewählten Standort seien die Topografie des Geländes, das Einfügen in die Baulinie bestehender Gebäude und die erforderlichen Baukosten gewesen. Das Baugrundstück sei zwar relativ groß, aber er habe versucht, mit der zur Verfügung stehenden Fläche sorgsam und platzsparend umzugehen. Bei mehreren Ortsterminen mit der Baubehörde sei der Standort als ideal erkannt worden. Letztlich habe auch die räumliche Nähe (18 m) zu seinem neu errichteten Wohnhaus und der Umstand eine Rolle gespielt, dass der Bereich an der gemeinsamen Grundstücksgrenze im Jahre 1964 mit Erdaushub aufgefüllt worden sei und wegen dieser Erhöhung um etwa 1 m von Überschwemmungen verschont bleibe.
23 
Der Senat hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2008 einen Augenschein eingenommen. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Berufung des Klägers ist nach ihrer Zulassung im Beschluss des Senats vom 10.1.2008 statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben und die angefochtene Baugenehmigung aufheben müssen, denn sie ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil das genehmigte Bauvorhaben nicht die gebotene Rücksicht auf seine nachbarlichen Rechte nimmt, sondern sich ihm gegenüber als schikanös darstellt.
25 
Der durch die Baugenehmigung zugelassene Schuppen des Beigeladenen hält zwar zum Grundstück des Klägers - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften des § 5 LBO gebotenen Abstandsflächentiefen ein, was grundsätzlich indiziert, dass im Hinblick auf diese Belange auch das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot eingehalten ist, weil diese landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme darstellen (BVerwG, Beschluss vom 6.12.1996 - 4 B 215.96 - ZfBR 1997, 227; Beschluss des Senats vom 12.10.2004 - 8 S 1661/04 - VBlBW 2005, 74). Dies gilt aber nur „grundsätzlich“, was bedeutet, dass Ausnahmen möglich sein müssen, zumal das bauplanungsrechtliche Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht (BVerwG, Beschluss vom 11.1.1999 - 4 B 128.98 - BauR 1999, 615; Urteil vom 31.8.2000 - 4 CN 6.99 - BVerwGE 112, 41; Beschluss des Senats vom 12.10.2004, a. a. O.).
26 
Eine solche Ausnahme greift hier, denn der genehmigte Schuppen verstößt trotz Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften der Landesbauordnung gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) und verletzt damit das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme zulasten des Klägers. Dieses Gebot schützt nach seinem objektivrechtlichen Gehalt die Nachbarschaft vor unzumutbaren Einwirkungen, die von einem Vorhaben ausgehen (BVerwG, Urteil vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - BauR 2007, 674). Eine besondere gesetzliche Ausformung hat es für Vorhaben im Außenbereich wie dem vorliegend streitigen in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen gefunden. Es greift jedoch auch als in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB unbenannter öffentlicher Belang in Fällen Platz, in denen sonstige nachteilige Wirkungen in Rede stehen (BVerwG, Urteile vom 21.1.1983 - 4 C 59.78 - BRS 40 Nr. 199 und vom 18.11.2004 - 4 C 1.04 - UPR 2005, 150). Dazu zählt die Rechtsprechung etwa „optisch bedrängende“ Wirkungen, die von einem Bauvorhaben auf bewohnte Nachbargrundstücke ausgehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - a. a. O. und vom 23.5.1986 - 4 C 34.85 - BRS 46 Nr. 176; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - a. a. O.). Rücksichtslos kann aber auch ein Bauvorhaben sein, das zulasten des betroffenen Nachbarn das auch im öffentlichen Recht geltende Schikaneverbot (vgl. etwa: OVG Saarland, Urteil vom 30.3.1993 - 2 R 17/92 - BRS 55 Nr. 158; Beschluss vom 23.2.2000 - 2 W 2/00 - BRS 63 Nr. 132; OVG NRW, Beschluss vom 12.6.1995 - 7 E 1130/94 - NVwZ-RR 1996, 126) verletzt.
27 
Eine Schikane im Sinne des § 226 BGB liegt vor, wenn die Geltendmachung eines Rechts keinen anderen Zweck haben kann als die Schädigung eines anderen, wenn der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt oder wenn das Recht nur geltend gemacht wird, um ein unlauteres Ziel zu erreichen (BGH, Beschluss vom 9.7.2007 - II ZR 95/06 - juris m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Nach den Feststellungen, die der Senat beim Augenschein im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2008 getroffen hat, hat der Beigeladene mit der Errichtung des Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers in einer Entfernung zur gemeinsamen Grundstücksgrenze, die lediglich der abstandsflächenrechtlich vorgeschriebenen Mindestentfernung entspricht, nur dessen Schädigung bezweckt, ohne damit auch nur entfernt ein eigenes Interesse zu verfolgen. Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgendem:
28 
Der Beigeladene beruft sich zum einen darauf, die räumliche Nähe zu seinem Wohnhaus habe für den gewählten Schuppenstandort gesprochen. Diese Darstellung ist aber kaum nachvollziehbar. Denn wenn er das Ziel verfolgt hätte, den Schuppen - etwa wegen des darin zu lagernden Brennholzes - möglichst nahe an seinem Wohngebäude zu platzieren, so hätte es sich aufdrängen müssen, einen Standort in zentraler Lage des großen Baugrundstücks, z. B. in westlicher Fortsetzung des neben seinem Wohnhaus stehenden (blauen) Containers in dem Bereich zu wählen, in dem heute ein aus dem früheren Dachgiebel seines alten Wohnhauses bestehender Holzschuppen steht. Unter dem Gesichtspunkt seiner Erreichbarkeit auf möglichst kurzem Wege erscheint die nach Südosten abgerückte Situierung des Schuppens dagegen wenig plausibel. Es kommt hinzu, dass seine Ausrichtung in Nord-Süd-Richtung, wodurch er sich riegelartig vor den Wohn- und Terrassenbereich des Klägers stellt, für den Beigeladenen ersichtlich keinerlei Vorteile bietet. Denn schon eine leichte Verschiebung nach Norden und Drehung des Baukörpers, was einen Zugang von Norden her ermöglicht hätte, hätte die Zugangsentfernung vom Wohnhaus des Beigeladenen deutlich verkürzt und zugleich den Wohnbereich des Klägers vor einer den Blick in die freie Landschaft abschottenden Wirkung bewahrt.
29 
Einer solchermaßen die Belange des Klägers schonende und den geltend gemachten Wünschen des Beigeladenen entgegen kommende Anordnung des Schuppens steht auch nicht die Topografie entgegen. Denn das Gelände fällt zum einen von der H. Straße nach Westen nicht so stark ab, dass eine Anordnung des Schuppens im unmittelbaren westlichen oder südlichen Anschluss an den vorhanden Zufahrtsbereich über das Wohngrundstück des Beigeladenen (Flst. Nr. 177/5) eine zu steile Rampe erforderlich gemacht hätte. Im Übrigen hätten es die Platzverhältnisse ohne weiteres erlaubt, die Zufahrt geschwungen anzulegen, um zusätzlich Höhe abzubauen. Die Topografie des Geländes hätte bei einer Errichtung des Schuppens hinter dem (blauen) Container des Beigeladenen oder westlich der Garage des Klägers auch keine Mehrkosten erfordert. Insbesondere trägt das Argument des Beigeladenen nicht, hierzu wären erhebliche Abgrabungen und Aufschüttungen erforderlich gewesen. Denn nach den im Augenschein getroffenen Feststellungen des Senats mussten auch zur Errichtung des vorhandenen Schuppens Abgrabungen bis zu einer Höhe von etwa 1,20 m vorgenommen werden. Umfänglicherer Abtragungen hätte es auch bei einer anderen Situierung nicht bedurft.
30 
Zum anderen will der Beigeladene mit seinem Hinweis auf die Topografie wohl geltend machen, alle anderen denkbaren Standorte für den Schuppen auf dem Grundstück Flst. Nr. 177 seien von Überschwemmungen bedroht. Diesem Vorbringen vermag der Senat aus mehreren Gründen nicht zu folgen: Hätte er einen näher zu seinem Wohnhaus hin gelegenen Standort gewählt, hätte sich wegen des ansteigenden Geländes die Überschwemmungsgefahr von selbst verringert. Im Übrigen wird diese Gefahr ersichtlich nur vorgeschützt. Denn einerseits stehen in unmittelbarer Nähe des ...baches auf einem tiefer liegenden Terrain als dasjenige des Beigeladenen die beiden Schuppen der Landwirte ... und ... und es spricht nichts dafür, dass diese dort errichtet worden wären, würde tatsächlich ihre Überflutung drohen. Sie wurden zudem zu einer Zeit errichtet, als noch keine Hochwasserrückhaltemaßnahmen am ...bach getroffen worden waren und demgemäß eine Überschwemmungsgefahr - so sie denn bestünde - weit höher gewesen wäre. Andererseits belegen die seitens des Klägers vorgelegten Fotos, dass der Beigeladene am Bachlauf, auf den am tiefsten gelegenen Bereichen des Baugrundstücks selbst umfängliche Holzlagerungen vorgenommen und Maschinen (Kompressor) abgestellt hatte, was er ebenfalls nicht getan hätte, hätte er damit rechnen müssen, dass das Holz fortgeschwemmt und der Kompressor beschädigt werde.
31 
Auch die weiteren Gründe, die der Beigeladene dafür anführt, dass der gewählte Standort für den Schuppen ideal sei, entsprechen ersichtlich nicht der Realität. Das Ziel der Erhaltung des naturbelassenen Bachlaufs mit seinem Baumbestand spricht keinesfalls für die Entscheidung, den Schuppen - zumal mit seiner ganzen Breitseite - exakt vor den Wohnbereich des Klägers zu platzieren. Denn das Baugrundstück grenzt nur mit seiner Nordwestseite an den ...bach. Seine gesamte Tiefe hätte damit für die Errichtung des Bauwerks zur Verfügung gestanden. Ferner ist nicht zu erkennen, dass die „Sickergrube“, die der Beigeladene südlich des Schuppens angelegt hat, für dessen Situierung eine Rolle gespielt haben kann. Denn sie hätte neben jedem anderen Schuppenstandort ebenso angelegt werden können. Auch die Aufnahme- und Durchleitungsfähigkeit des Untergrunds für das anfallende Dachwasser kann keine Rolle gespielt haben. Denn tatsächlich handelt es sich nicht um eine Anlage, die der Versickerung des Niederschlagswassers dient, sondern um ein Überlaufbecken, in dem das Dachwasser zunächst zurückgehalten wird. Schließlich ist das Vorbringen des Beigeladenen, er habe den Schuppen in die Baulinie bestehender Gebäude einfügen wollen, nicht nachvollziehbar. Denn eine (faktische) Baulinie, die den Schuppenstandort mit umfasst, existiert offensichtlich nicht. Eine solche lässt sich weder den vorliegenden Plänen entnehmen, noch hat der Senat bei der Einnahme des Augenscheins eine derartige Linie feststellen können.
32 
Nach allem ist davon auszugehen, dass die Anordnung des streitigen Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers unter Einhaltung (lediglich) des bauordnungsrechtlich einzuhaltenden Minimalabstandes zur gemeinsamen Grundstücksgrenze keinem anderen Zweck dient als der Schädigung des Klägers und ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse des Beigeladenen zugrunde liegt. Sie verstößt damit zulasten des Klägers gegen das Schikaneverbot und damit zugleich gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Unter Abänderung des angefochtenen Urteils ist deshalb der Klage stattzugeben und die für diesen Schuppen erteilte Baugenehmigung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO aufzuheben.
33 
Gründe für eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.
34 
Beschluss
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 63 Abs. 2 GKG in Anlehnung an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004 (VBlBW 2004, 467, 469) auf EUR 7.500,-- festgesetzt.
36 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Gründe

 
24 
Die Berufung des Klägers ist nach ihrer Zulassung im Beschluss des Senats vom 10.1.2008 statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben und die angefochtene Baugenehmigung aufheben müssen, denn sie ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil das genehmigte Bauvorhaben nicht die gebotene Rücksicht auf seine nachbarlichen Rechte nimmt, sondern sich ihm gegenüber als schikanös darstellt.
25 
Der durch die Baugenehmigung zugelassene Schuppen des Beigeladenen hält zwar zum Grundstück des Klägers - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften des § 5 LBO gebotenen Abstandsflächentiefen ein, was grundsätzlich indiziert, dass im Hinblick auf diese Belange auch das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot eingehalten ist, weil diese landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme darstellen (BVerwG, Beschluss vom 6.12.1996 - 4 B 215.96 - ZfBR 1997, 227; Beschluss des Senats vom 12.10.2004 - 8 S 1661/04 - VBlBW 2005, 74). Dies gilt aber nur „grundsätzlich“, was bedeutet, dass Ausnahmen möglich sein müssen, zumal das bauplanungsrechtliche Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht (BVerwG, Beschluss vom 11.1.1999 - 4 B 128.98 - BauR 1999, 615; Urteil vom 31.8.2000 - 4 CN 6.99 - BVerwGE 112, 41; Beschluss des Senats vom 12.10.2004, a. a. O.).
26 
Eine solche Ausnahme greift hier, denn der genehmigte Schuppen verstößt trotz Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften der Landesbauordnung gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) und verletzt damit das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme zulasten des Klägers. Dieses Gebot schützt nach seinem objektivrechtlichen Gehalt die Nachbarschaft vor unzumutbaren Einwirkungen, die von einem Vorhaben ausgehen (BVerwG, Urteil vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - BauR 2007, 674). Eine besondere gesetzliche Ausformung hat es für Vorhaben im Außenbereich wie dem vorliegend streitigen in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen gefunden. Es greift jedoch auch als in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB unbenannter öffentlicher Belang in Fällen Platz, in denen sonstige nachteilige Wirkungen in Rede stehen (BVerwG, Urteile vom 21.1.1983 - 4 C 59.78 - BRS 40 Nr. 199 und vom 18.11.2004 - 4 C 1.04 - UPR 2005, 150). Dazu zählt die Rechtsprechung etwa „optisch bedrängende“ Wirkungen, die von einem Bauvorhaben auf bewohnte Nachbargrundstücke ausgehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - a. a. O. und vom 23.5.1986 - 4 C 34.85 - BRS 46 Nr. 176; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - a. a. O.). Rücksichtslos kann aber auch ein Bauvorhaben sein, das zulasten des betroffenen Nachbarn das auch im öffentlichen Recht geltende Schikaneverbot (vgl. etwa: OVG Saarland, Urteil vom 30.3.1993 - 2 R 17/92 - BRS 55 Nr. 158; Beschluss vom 23.2.2000 - 2 W 2/00 - BRS 63 Nr. 132; OVG NRW, Beschluss vom 12.6.1995 - 7 E 1130/94 - NVwZ-RR 1996, 126) verletzt.
27 
Eine Schikane im Sinne des § 226 BGB liegt vor, wenn die Geltendmachung eines Rechts keinen anderen Zweck haben kann als die Schädigung eines anderen, wenn der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt oder wenn das Recht nur geltend gemacht wird, um ein unlauteres Ziel zu erreichen (BGH, Beschluss vom 9.7.2007 - II ZR 95/06 - juris m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Nach den Feststellungen, die der Senat beim Augenschein im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2008 getroffen hat, hat der Beigeladene mit der Errichtung des Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers in einer Entfernung zur gemeinsamen Grundstücksgrenze, die lediglich der abstandsflächenrechtlich vorgeschriebenen Mindestentfernung entspricht, nur dessen Schädigung bezweckt, ohne damit auch nur entfernt ein eigenes Interesse zu verfolgen. Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgendem:
28 
Der Beigeladene beruft sich zum einen darauf, die räumliche Nähe zu seinem Wohnhaus habe für den gewählten Schuppenstandort gesprochen. Diese Darstellung ist aber kaum nachvollziehbar. Denn wenn er das Ziel verfolgt hätte, den Schuppen - etwa wegen des darin zu lagernden Brennholzes - möglichst nahe an seinem Wohngebäude zu platzieren, so hätte es sich aufdrängen müssen, einen Standort in zentraler Lage des großen Baugrundstücks, z. B. in westlicher Fortsetzung des neben seinem Wohnhaus stehenden (blauen) Containers in dem Bereich zu wählen, in dem heute ein aus dem früheren Dachgiebel seines alten Wohnhauses bestehender Holzschuppen steht. Unter dem Gesichtspunkt seiner Erreichbarkeit auf möglichst kurzem Wege erscheint die nach Südosten abgerückte Situierung des Schuppens dagegen wenig plausibel. Es kommt hinzu, dass seine Ausrichtung in Nord-Süd-Richtung, wodurch er sich riegelartig vor den Wohn- und Terrassenbereich des Klägers stellt, für den Beigeladenen ersichtlich keinerlei Vorteile bietet. Denn schon eine leichte Verschiebung nach Norden und Drehung des Baukörpers, was einen Zugang von Norden her ermöglicht hätte, hätte die Zugangsentfernung vom Wohnhaus des Beigeladenen deutlich verkürzt und zugleich den Wohnbereich des Klägers vor einer den Blick in die freie Landschaft abschottenden Wirkung bewahrt.
29 
Einer solchermaßen die Belange des Klägers schonende und den geltend gemachten Wünschen des Beigeladenen entgegen kommende Anordnung des Schuppens steht auch nicht die Topografie entgegen. Denn das Gelände fällt zum einen von der H. Straße nach Westen nicht so stark ab, dass eine Anordnung des Schuppens im unmittelbaren westlichen oder südlichen Anschluss an den vorhanden Zufahrtsbereich über das Wohngrundstück des Beigeladenen (Flst. Nr. 177/5) eine zu steile Rampe erforderlich gemacht hätte. Im Übrigen hätten es die Platzverhältnisse ohne weiteres erlaubt, die Zufahrt geschwungen anzulegen, um zusätzlich Höhe abzubauen. Die Topografie des Geländes hätte bei einer Errichtung des Schuppens hinter dem (blauen) Container des Beigeladenen oder westlich der Garage des Klägers auch keine Mehrkosten erfordert. Insbesondere trägt das Argument des Beigeladenen nicht, hierzu wären erhebliche Abgrabungen und Aufschüttungen erforderlich gewesen. Denn nach den im Augenschein getroffenen Feststellungen des Senats mussten auch zur Errichtung des vorhandenen Schuppens Abgrabungen bis zu einer Höhe von etwa 1,20 m vorgenommen werden. Umfänglicherer Abtragungen hätte es auch bei einer anderen Situierung nicht bedurft.
30 
Zum anderen will der Beigeladene mit seinem Hinweis auf die Topografie wohl geltend machen, alle anderen denkbaren Standorte für den Schuppen auf dem Grundstück Flst. Nr. 177 seien von Überschwemmungen bedroht. Diesem Vorbringen vermag der Senat aus mehreren Gründen nicht zu folgen: Hätte er einen näher zu seinem Wohnhaus hin gelegenen Standort gewählt, hätte sich wegen des ansteigenden Geländes die Überschwemmungsgefahr von selbst verringert. Im Übrigen wird diese Gefahr ersichtlich nur vorgeschützt. Denn einerseits stehen in unmittelbarer Nähe des ...baches auf einem tiefer liegenden Terrain als dasjenige des Beigeladenen die beiden Schuppen der Landwirte ... und ... und es spricht nichts dafür, dass diese dort errichtet worden wären, würde tatsächlich ihre Überflutung drohen. Sie wurden zudem zu einer Zeit errichtet, als noch keine Hochwasserrückhaltemaßnahmen am ...bach getroffen worden waren und demgemäß eine Überschwemmungsgefahr - so sie denn bestünde - weit höher gewesen wäre. Andererseits belegen die seitens des Klägers vorgelegten Fotos, dass der Beigeladene am Bachlauf, auf den am tiefsten gelegenen Bereichen des Baugrundstücks selbst umfängliche Holzlagerungen vorgenommen und Maschinen (Kompressor) abgestellt hatte, was er ebenfalls nicht getan hätte, hätte er damit rechnen müssen, dass das Holz fortgeschwemmt und der Kompressor beschädigt werde.
31 
Auch die weiteren Gründe, die der Beigeladene dafür anführt, dass der gewählte Standort für den Schuppen ideal sei, entsprechen ersichtlich nicht der Realität. Das Ziel der Erhaltung des naturbelassenen Bachlaufs mit seinem Baumbestand spricht keinesfalls für die Entscheidung, den Schuppen - zumal mit seiner ganzen Breitseite - exakt vor den Wohnbereich des Klägers zu platzieren. Denn das Baugrundstück grenzt nur mit seiner Nordwestseite an den ...bach. Seine gesamte Tiefe hätte damit für die Errichtung des Bauwerks zur Verfügung gestanden. Ferner ist nicht zu erkennen, dass die „Sickergrube“, die der Beigeladene südlich des Schuppens angelegt hat, für dessen Situierung eine Rolle gespielt haben kann. Denn sie hätte neben jedem anderen Schuppenstandort ebenso angelegt werden können. Auch die Aufnahme- und Durchleitungsfähigkeit des Untergrunds für das anfallende Dachwasser kann keine Rolle gespielt haben. Denn tatsächlich handelt es sich nicht um eine Anlage, die der Versickerung des Niederschlagswassers dient, sondern um ein Überlaufbecken, in dem das Dachwasser zunächst zurückgehalten wird. Schließlich ist das Vorbringen des Beigeladenen, er habe den Schuppen in die Baulinie bestehender Gebäude einfügen wollen, nicht nachvollziehbar. Denn eine (faktische) Baulinie, die den Schuppenstandort mit umfasst, existiert offensichtlich nicht. Eine solche lässt sich weder den vorliegenden Plänen entnehmen, noch hat der Senat bei der Einnahme des Augenscheins eine derartige Linie feststellen können.
32 
Nach allem ist davon auszugehen, dass die Anordnung des streitigen Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers unter Einhaltung (lediglich) des bauordnungsrechtlich einzuhaltenden Minimalabstandes zur gemeinsamen Grundstücksgrenze keinem anderen Zweck dient als der Schädigung des Klägers und ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse des Beigeladenen zugrunde liegt. Sie verstößt damit zulasten des Klägers gegen das Schikaneverbot und damit zugleich gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Unter Abänderung des angefochtenen Urteils ist deshalb der Klage stattzugeben und die für diesen Schuppen erteilte Baugenehmigung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO aufzuheben.
33 
Gründe für eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.
34 
Beschluss
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 63 Abs. 2 GKG in Anlehnung an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004 (VBlBW 2004, 467, 469) auf EUR 7.500,-- festgesetzt.
36 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Tenor

Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 14.2.2012 – 5 L 1919/11 – werden zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen im Beschwerdeverfahren jeweils die eigenen außergerichtlichen Kosten sowie die übrigen Kosten zu je 1/2.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Anwesens C-Straße in B-Stadt (Parzelle Nr. 44/12 in Flur 20 der Gemarkung S ). Sie wenden sich gegen den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit acht Wohneinheiten auf der seitlich benachbarten, bisher baufreien Parzelle Nr. 44/8. Diese ist insgesamt 24 m breit und weist – wie die Nachbargrundstücke – ein von der Straße her abfallendes Gelände auf. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „ W“ der Antragsgegnerin aus dem Jahr 1980, der neben der Ausweisung eines reinen Wohngebiets (WR, § 3 BauNVO 1977) unter anderem Festsetzungen zum zulässigen Maß der baulichen Nutzung (Geschossflächenzahl 0,7, Zahl der Vollgeschosse „II = I + IS“, Höhenlage in Bezug zur Straße), der überbaubaren Grundstücksfläche durch zwei parallel verlaufende Baugrenzen im Abstand von etwa 20 m, der Bauweise (Einzel- und Doppelhäuser, jeweils mit Längenvorgaben) und – in gestalterischer Hinsicht – zudem hinsichtlich der Dach- und Firstrichtung enthält.

Nachdem die Bauarbeiten im Mai 2011 unter Verweis auf das Fehlen einer erforderlichen Genehmigung eingestellt worden waren,(vgl. dazu den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2.5.2011 – 20100827 –) beantragte die Beigeladene im September 2011 bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren für das Vorhaben „Neubau Stadtresidenz als Mehrfamilienwohnhaus“ sowie Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans wegen der Überschreitung der rückseitigen Baugrenze durch die vorgesehenen Balkone, wegen abweichender Ausführung des Daches (Flach- statt Satteldach) und wegen „Vollgeschossigkeit Kellergeschoss“. Ausweislich der beigefügten Pläne vom 14.9.2011 sollten jeweils zwei Wohnungen im Unter-, Erd- und Obergeschoss sowie in einem darauf aufgesetzten Staffelgeschoss ausgeführt werden.

Mit einem „Zulassungsbescheid“ vom 9.11.2011 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen unter Bezugnahme auf den § 68 Abs. 3 LBO 2004 mehrere Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans, und zwar im Einzelnen wegen einer Überschreitung der Zahl der Vollgeschosse „um ein Vollgeschoss (Untergeschoss)“, der festgesetzten Geschossflächenzahl, wegen Überschreitung der „hinteren Baugrenze mit den Balkonen“ und wegen Abweichungen von der Bauweise in Form einer „Überschreitung der maximalen Gebäudebreite sowie der im Bebauungsplan vorgeschriebenen Dachform. Der Bescheid enthält keine Begründung. In einem Anschreiben vom selben Datum an die Beigeladene ist ausgeführt, die Abweichungen seien unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar, da sie „im Bebauungsplangebiet mehrfach auffindbar“ seien.

Ende Dezember 2011 haben die Antragsteller beim Verwaltungsgericht beantragt, die Antragsgegnerin zur Einstellung der zwischenzeitlich wieder aufgenommenen Arbeiten zur Realisierung des Vorhabens zu verpflichten. Anfang Januar 2012 haben die Antragsteller auch Widerspruch gegen den Zulassungsbescheid erhoben.

Unter dem 25.1.2012 hat das Verwaltungsgericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es sich „in der Sache“ um einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Zulassungsbescheid vom 9.11.2011 und, soweit dieser keine Regelung treffe, um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung handele. Mit Blick auf das letztgenannte Begehren hätten die Antragsteller wohl einen „wunden Punkt“ getroffen, weil die von den jeweiligen Nachbargrundstücken aus gesehen „hinter den Garagengebäuden aufstehenden Wandabschnitte“ nicht die notwendigen Abstandsflächen einhielten. Im Verhältnis zur Parzelle Nr. 44/12 (Anwesen Nr. ...) der Antragsteller müsse diese Wand einen Grenzabstand von 4,42 m wahren, wohingegen dieser in den Plänen lediglich mit 4,23 m angegeben sei.

Die Beigeladene hat daraufhin Veränderungen des Bauvorhabens in den Plänen vorgenommen. Darin wurden nach den Feststellungen in der erstinstanzlichen Entscheidung unter anderem die Dachkonstruktion in der Höhe sowie die Grundflächen insgesamt reduziert und die zuvor angesprochenen Außenwände im Bereich des Staffelgeschosses um 0,16 m zurückgesetzt. In der neuen Abstandsflächenberechnung ist unter A 05.2 für diesen Wandabschnitt ausgehend von einer mittleren Wandhöhe von 10,93 m eine erforderliche Abstandsflächentiefe von 4,37 m berechnet und in einem Abstandsflächenplan als Grenzabstand bezogen auf die 16 cm zurückversetzte Außenwand des Staffelgeschosses auch ausgewiesen. Der Grundriss und der Lageplan weisen in dem Bereich einen Abstand von 4,39 m aus. Mit Blick auf einen weiteren Hinweis des Verwaltungsgerichts, wie der Vollwärmeschutz gewährleistet werden solle, hat die Beigeladene einen „Nachweis über energiesparenden Wärmeschutz“ des Dipl.-Ing. S vorgelegt.

Durch Zulassungsbescheid vom 2.2.2012 wurden der Beigeladenen daraufhin bezüglich derselben Festsetzungen des Bebauungsplans Befreiungen für das geänderte Vorhaben erteilt. Auch diesen Bescheid haben die Antragsteller angefochten.

Zur Begründung ihrer Anträge haben sie unter anderem geltend gemacht, das Vorhaben halte in vielfacher Hinsicht die lediglich „ab Rohbaumauer“ berechneten Abstandsflächen nicht ein und widerspreche „trotz aller Ausnahmegenehmigungen“ den Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans, weil vier Vollgeschosse geplant seien und die Oberkante des Erdgeschossfußbodens bezogen auf die Gebäudemitte 18 cm über dem Niveau des höchsten Straßenpunktes liege. Auf der Grenze zu ihrem Grundstück sei auf der gesamten Länge unter Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht eine „senkrecht ansteigende Aufschüttung“ ausgeführt worden. Die „riesige Baumasse“ des Neubaus mit 3.630 m3 entziehe ihrem Grundstück Licht und Luft in einem nach den Maßstäben des Rücksichtnahmegebots nicht akzeptablen Maß. Der Neubau werde zur Folge haben, dass sogar die Zimmer im Obergeschoss ihres Hauses keine Sonneneinstrahlung mehr hätten. Die ebenerdige Terrasse auf der Seite zum Baugrundstück hin werde nicht mehr benutzbar sein. Selbst die zu dieser Seite hin orientierte Terrasse im Obergeschoss werde ab ca. 15 Uhr ohne Sonne sein. Hier sei der „Einmauerungseffekt“ offensichtlich. Sie hätten die Ausrichtung der Terrassen nach Südwesten bewusst gewählt, da sie beide als Augenärzte den ganzen Tag bei geschlossenen Rollläden arbeiteten und daher auf die Abendstunden angewiesen seien, um Licht und Luft zu genießen. Ihre Lebensqualität und der Wert ihres Grundeigentums würden erheblich beeinträchtigt. Daraus ergebe sich eine subjektive Rechtsverletzung ihrerseits. Dem stünden keine schützenswerten Belange der Beigeladenen gegenüber. Die Befreiungen von nahezu allen Festsetzungen des Bebauungsplans seien evident ermessensfehlerhaft. Letztlich werde durch sie der Bebauungsplan außer Kraft gesetzt. Dessen Beachtung oder Änderung stünden „nicht im Belieben der Unteren Bauaufsichtsbehörde“. Die Antragsgegnerin habe sogar Befreiungen erteilt, die nicht beantragt worden seien. Auch sei eine Gleichbehandlung der Normunterworfenen einzufordern. Sie selbst hätten den Bebauungsplan „bis ins Kleinste“ einhalten müssen, wohingegen der Beigeladenen willkürlich „unbegrenzt viele“ Befreiungen erteilt worden seien.

Die Antragsgegnerin hat in ihrer Stellungnahme ausgeführt, es sei richtig, dass das Maß der zugelassenen Abweichungen in dem Bereich in den letzten Jahrzehnten „weitgehend“ gewesen sei, so dass die Auffassung vertreten werden könne, dass einzelne Festsetzungen des Bebauungsplans funktionslos geworden seien. Abweichungen von nachbarschützenden Festsetzungen seien jedoch nicht zugelassen worden. Hinsichtlich der Abstandsflächen erfolge zwar in dem hier durchzuführenden Genehmigungsfreistellungsverfahren keine Überprüfung. Mit Blick auf die „Projektgeschichte“ habe sie – die Antragsgegnerin – vom städtischen Vermessungsamt die Höhe des natürlichen Geländeverlaufs an beiden seitlichen Grenzen des Baugrundstücks ermitteln und auch ein Mittelhöhenprofil des Grundstücks erstellen lassen. Die Unterlagen seien den Antragstellern erläutert worden. Deren eigene Berechnungen seien daher unverständlich. Ob der in den Plänen nicht dargestellte Vollwärmeschutz in den Abstandsflächen aufgebracht werden müsse, sei aus den Plänen nicht erkennbar. „Genehmigt“ sei ein bestimmter Grenzabstand der „fertigen Wand“. Zudem sei es möglich, die Einhaltung der Energieeinsparverordnung auf andere Weise als durch Anbringung eines umfänglichen äußeren Vollwärmeschutzes zu gewährleisten. Die von den Antragstellern beanstandeten größeren Aufschüttungen seien in den im Freistellungsverfahren eingereichten Plänen nicht dargestellt. Die Maßnahmen seien in der „ersten Bauzeit“ im Frühjahr 2011 ausgeführt worden, von der Baueinstellung betroffen und seither nicht fortgeführt worden. Die Beigeladene habe einen Rückbau bis zur Fertigstellung des Hauses zugesagt. Hinsichtlich des von den Antragstellern beanstandeten Staffelgeschosses sei bereits im Oktober 2010 eine weitere Abweichung zugelassen worden.(vgl. den Bescheid vom 28.10.2010 – 20100827 –) Die Festsetzung sei ohnehin nicht nachbarschützend.

Das Verwaltungsgericht hat im Februar 2012 die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Zulassungsbescheide vom 9.11.2011 und vom 2.2.2012 angeordnet und gleichzeitig die Antragsgegnerin verpflichtet, die Bauarbeiten sofort vollziehbar einzustellen. In der Begründung ist ausgeführt, soweit die Arbeiten auf der förmlichen Zulassungsentscheidung der Antragsgegnerin vom 2.2.2012 beziehungsweise – da insoweit kein förmlicher Verzicht der Beigeladenen als Bauherrin erklärt worden sei – vom 9.11.2011 beruhten und davon gedeckt seien, gelte der Vorrang des auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der dagegen eingelegten Widersprüche gerichteten Aussetzungsverfahrens. Diesen Anträgen sei zu entsprechen. Die Festsetzungen im Bebauungsplan „ W“ zum Maß baulicher Nutzung, zur überbaubaren Grundstücksfläche, zur Bauweise und zur Gestaltung des Daches, von denen die Antragsgegnerin als Gemeinde Befreiungen erteilt habe, dienten grundsätzlich städtebaulichen Zwecken, nicht dem Schutz der Nachbarn. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin ihnen bei Erlass der Satzung im konkreten Fall eine nachbarschützende Wirkung beilegen wollte, ergäben sich aus dem Bebauungsplan und der zugehörigen Begründung nicht. Bei Befreiungen von nicht nachbarschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans komme eine Nachbarrechtsverletzung nur unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots in Betracht. Dessen Verletzung durch das im Bau befindliche Vorhaben der Beigeladenen halte die Kammer allerdings für überwiegend wahrscheinlich. „Unproblematisch“ erscheine in dem Zusammenhang allein die Befreiung von der festgesetzten Bauweise, da es für die Antragsteller keinen Unterschied mache, ob auf dem Nachbargrundstück ein 18 m breites Einzel- oder Doppelhaus stehe. Die übrigen vier Befreiungen seien bei isolierter Betrachtung ebenfalls nicht geeignet, eine Nachbarrechtsverletzung zu begründen, führten aber in ihrer Kumulierung zur Zulässigkeit eines die Planvorgaben deutlich überschreitenden, mehr als doppelt so großen Bauvorhabens, das aller Voraussicht nach eine erdrückende Wirkung auf die plankonform bebauten Nachbargrundstücke haben werde. Ohne diese Befreiungen müssten die Antragsteller ein Gebäude hinnehmen, das ein Sockel- und ein darüber liegendes zweites Vollgeschoss mit einem in Traufstellung zur Straße ausgerichteten Satteldach mit einer Neigung zwischen 150 und 300 aufwiese und bei dem die Oberkante des Erdgeschossfußbodens in der Gebäudemitte auf dem Niveau des höchsten Straßenpunktes läge. Ausgehend von einer Geschosshöhe von 3 m ergäbe das unter Berücksichtigung des Gefälles eine maximal zulässige Seitenfront zu den Nachbargrundstücken von 6 m Höhe und 20 m Tiefe, also in der Fläche von 120 m2. Bei Zulassung eines weiteren Vollgeschosses vergrößere sich diese Fläche um 50 %. Die Erweiterung des Gebäudes um die Balkone führe in ihrer Wirkung zu einer Vergrößerung um rund 2,50 m (Tiefe) mal 6 m (Höhe), also 15 m2. Schließlich erweitere das durch die Befreiung von der festgesetzten Dachform ermöglichte Staffelgeschoss die – wenn auch teilweise zurückversetzte – Wandfläche zu den Nachbargrundstücken um weitere (3 m x 18 m =) 54 m2. Die nicht förmlich zugelassene Abweichung von der maximal zulässigen Höhenlage in der Gebäudemitte um 18 cm führe zu einer weiteren Erhöhung des Baukörpers an den beiden Seitenwänden. Insgesamt ermögliche die Summe der Befreiungen eine mehr als doppelt so große, wenn auch gestaffelte Seitenwandfläche zu den Nachbargrundstücken, die die von § 7 LBO 2004 gebotenen Abstandsflächen (nur) im letzten Entwurf „punktgenau“ einhielten. Daher stelle sich das Vorhaben den Antragstellern gegenüber aller Voraussicht nach als rücksichtslos dar, weil es auf die plankonformen Nachbargebäude erdrückend wirke, was im konkreten Einzelfall durch die ausgewiesenen Abstandsflächen nicht in dem gebotenen Maß aufgefangen werde. Der zugelassene Baukörper liege gerade bezüglich der räumlichen Wirkung auf das angrenzende Grundstück der Antragsteller „weit jenseits dessen“, was sie nach den Vorgaben des Bebauungsplans für ihre Umgebungsbebauung erwarten könnten. Die Kombination aus entstehender Wandhöhe und Bautiefe lasse das Bauwerk mit hoher Wahrscheinlichkeit als erdrückend und damit gegenüber den Angrenzern rücksichtslos erscheinen. Erschwerend komme hinzu, dass das Staffelgeschoss nach der im Jahr 1980 geltenden Landesbauordnung, auf die der Bebauungsplan verweise, ein Vollgeschoss sei und dass die Antragsgegnerin der Beigeladenen mit einem Abweichungsbescheid vom Oktober 2010 – allerdings offenbar für ein anderes Vorhaben – eine Befreiung erteilt habe, diese aber in die späteren Zulassungsbescheide mit aufgenommen habe. Unter Zugrundelegung der Definition des § 2 Abs. 5 LBO 1965/74 habe das Vorhaben vier statt der nach dem Bebauungsplan zulässigen zwei Vollgeschosse. Da sich der Ausgang der Widerspruchsverfahren daher als „sehr erfolgversprechend“ erweise, sei dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe stattzugeben gewesen. Daraus ergebe sich auch ein Anspruch der Antragsteller auf Erlass und gegebenenfalls Durchsetzung einer vorläufigen Einstellung der Bauarbeiten durch die Antragsgegnerin. Darüber hinaus halte das Bauvorhaben in der zuletzt präsentierten Form die Abstandsflächen zum Grundstück der Antragsteller zwar ein, sei aber hinsichtlich des Vollwärmeschutzes „zumindest zweifelhaft dargestellt“. Nach der Beschreibung bestehe die Gesamtkonstruktion der Außenwände aus „Mauerstein 24 + Vollwärmeschutz 12 EnEV“. In den Plänen finde sich aber keine Darstellung von 36 cm dicken Außenwänden. Deshalb werde für die weiteren Planungen darauf hingewiesen, dass die Vergünstigung für Außenwandverkleidungen in dem § 8 Abs. 2 Nr. 4 LBO 2004 nur nachträgliche Maßnahmen erfasse, die bei Errichtung des Gebäudes rechtlich nicht gefordert gewesen seien. Soweit die Antragsteller die Aufschüttungen und die errichteten Stützmauern für nach Abstandsflächenrecht unzulässig hielten, fehle ein Anordnungsgrund für den Erlass einer Baueinstellung und eine Beseitigungsanordnung im Wege einstweiliger Anordnung komme wegen der damit verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache nicht in Betracht.

Gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts richten sich die Beschwerden sowohl der Antragsgegnerin als auch der Beigeladenen. Die Beigeladene hat unter dem 23.2.2012 gegenüber der Antragsgegnerin auf die Rechte aus dem Zulassungsbescheid vom 9.11.2011 verzichtet.

II.

Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 14.2.2012 – 5 L 1919/11 –, mit dem zum einen die aufschiebende Wirkung der von den Antragstellern erhobenen Widersprüche gegen die Zulassungsbescheide vom 9.11.2011 und von 2.2.2012 angeordnet worden ist und zum anderen die Antragsgegnerin verpflichtet wurde, die Arbeiten zur Errichtung des Mehrfamilienhauses auf der Parzelle Nr. 44/8 in Flur 20 der Gemarkung S sofort vollziehbar einzustellen, sind nicht begründet.

A.

Das Verwaltungsgericht hat dem auf der Grundlage des § 123 Abs. 1 VwGO zu beurteilenden Begehren der Antragsteller auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten zu Recht entsprochen. Dabei ist zunächst – klarstellend – davon auszugehen, dass dieses Begehren nicht die von der bauaufsichtsbehördlichen Anordnung vom 2.5.2011 erfassten Arbeiten zur Errichtung von Stützmauern und Aufschüttungen im rückwärtigen Grundstücksteil umfasst. Sie wurden in der Folge nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin eingestellt und seither nicht wieder aufgenommen. Dem insoweit in der erstinstanzlichen Entscheidung enthaltenen – zutreffenden – Hinweis auf das Fehlen eines Anordnungsgrundes sind die Antragsteller nicht entgegengetreten.

Hinsichtlich des geplanten Mehrfamilienhauses der Beigeladenen liegen hingegen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 81 Abs. 1 Satz 1 LBO 2004 für den Erlass einer Baueinstellungsanordnung vor. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand spricht sehr viel dafür, dass die nach § 7 Abs. 1 LBO 2004 vor den Außenwänden des Gebäudes einzuhaltenden und hinsichtlich ihrer Tiefe nach den Vorgaben des § 7 Abs. 4 und 5 LBO 2004 zu ermittelnden Abstandsflächen an der dem Grundstück der Antragsteller zugekehrten Seite des Bauvorhabens nicht vollständig auf dem Baugrundstück (§ 7 Abs. 2 Satz 1 LBO 2004) liegen werden. Die Nichtbeachtung dieser anerkannt nachbarschützenden landesrechtlichen Vorschriften würde den Antragstellern als den konkret betroffenen Grundstücksnachbarn während der Bauphase grundsätzlich ungeachtet des der Behörde in § 81 Abs. 1 LBO 2004 eingeräumten Ermessens und unabhängig von einer tatsächlichen Betroffenheit einen subjektiven Anspruch auf Tätigwerden der zuständigen Bauaufsichtsbehörde, hier der Antragsgegnerin, vermitteln. Da der Regelungsgehalt des Zulassungsbescheids der Antragsgegnerin vom 2.2.2012 ausschließlich bauplanungsrechtliche Fragen betrifft, entfaltet er hinsichtlich der hier in Rede stehenden bauordnungsrechtlichen Anforderungen an das Bauvorhaben der Beigeladenen keine Sperrwirkungen für das von den Antragstellern begehrte bauaufsichtsbehördliche Einschreiten. Insoweit ist daher auch das Aussetzungsverfahren (§§ 123 Abs. 5, 80a, 80 Abs. 5 VwGO) nicht vorrangig.

Die von der Beigeladenen im Rahmen des Genehmigungsfreistellungsverfahrens (§§ 63 LBO 2004, 1 Abs. 2 BauVorlVO 2011) im Februar 2012 eingereichten geänderten und nach dem förmlichen Verzicht der Beigeladenen auf die Rechte aus dem „Zulassungsbescheid“ vom 9.11.2011 allein noch relevanten Bauvorlagen sind, was die Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften angeht, nicht eindeutig und legen eine Unterschreitung der sich aus dem § 7 LBO 2004 ergebenden Grenzabstandserfordernisse nahe. Werden, wie in dem vorliegenden Fall, die gesetzlich „zentimetergenau“ vorgegebenen Grenzen der Zumutbarkeit für einen Nachbarn im Bereich des Abstandsflächenrechts in den Planvorlagen fast vollkommen „ausgereizt“, ist zunächst ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass die Darstellung des Bauvorhabens in den vorgelegten Plänen, gerade weil auch das Bauordnungsrecht als materielle Anforderung nach § 63 LBO 2004 nicht „Prüfungsgegenstand“ der Gemeinde oder der Bauaufsichtsbehörde ist, so eindeutig ist, dass sie eine Unterschreitung des von dem Nachbarn einforderbaren Grenzabstands einer dem Abstandsflächenerfordernis unterliegenden Wand beziehungsweise eines Wandabschnitts ausschließen. Das ist hier nicht der Fall.

Die in der Abstandsflächenberechnung ermittelten seitlichen Abstände zu der Grenze der Parzelle der Antragsteller wurden an verschiedenen Stellen „zentimetergenau“ in die Grundrisszeichnungen übernommen, in denen als objektbezogener Anknüpfungspunkt (jeweils) der äußere Punkt einer Außenwand dargestellt ist, deren Abmessungen in der Dicke nicht dem von der Beigeladenen angegebenen endgültigen Bauzustand entspricht. So wurde – bezogen auf das Grundstück der Antragsteller – beispielsweise für den im mittleren Gebäudebereich etwa 0,55 m hervortretenden Wandteil unter der Bezeichnung „A 06“ mit Blick auf den § 7 Abs. 2 Satz 1 LBO 2004 bei einer in Ansatz gebrachten Wandhöhe von (einheitlich und nicht geneigt) 9,20 m mit dem Faktor 0,4 ein Mindestabstandserfordernis zur Grenze von 3,68 m berechnet (Blatt 10 der Bauvorlagen). Dieses ist in den Grundrissen für Unter-, Erd- und Obergeschoss an dieser Stelle bezogen auf den äußeren Punkt der dort dargestellten Außenwand mit einer Stärke von „23“ dargestellt. Nach der Ziffer 8.6 der Baubeschreibung weist die geplante „Gesamtkonstruktion der Außenwände“ indes eine Dicke von „36,00 cm“ auf. Der beigefügten Erläuterung lässt sich entnehmen, dass dieses Maß aus einer Dicke des „Mauersteins“ von – insoweit üblich – „24“ und zusätzlich einem „12“ dicken „Vollwärmeschutz EnEV“ resultiert.(vgl. dazu die Baubeschreibung Blatt 10 der Bauakte 20120077, wonach ursprünglich sogar ein Wärmeschutz von 14 cm und damit eine Wandstärke insgesamt von 38 cm vorgesehen war, die handschriftlich nachträglich in der beschriebenen Weise „reduziert“ worden ist)

Daher spricht vieles dafür, dass in Wahrheit im Endausbau der Wand am Maßstab des § 7 Abs. 5 LBO 2004 unzureichende und von den Antragstellern nicht hinzunehmende Grenzabstände gewahrt werden und dass dies durch die nach Baubeginn mehrfach geänderten Pläne „kaschiert“ werden soll. Was die Beschwerdeführerinnen dagegen einwenden, vermag die Zweifel an der Einhaltung der Abstandsflächen nicht auszuräumen. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Stellungnahme vom 16.1.2012 zu dem Antrag (Seite 3) eingeräumt, dass aus den Plänen nicht erkennbar sei, ob der darin nicht dargestellte „Vollwärmeschutz in den Abstandsflächen aufgebracht“ werden müsse. Ihr anschließender Hinweis in dem Zusammenhang, dass sie – bezogen auf den zuvor angesprochenen Wandabschnitt – zum Grundstück der Antragsteller hin einen Grenzabstand der „fertigen Wand … von 3,68 m genehmigt“ habe, vermag nicht zu überzeugen. In dem Bereich der von der Antragsgegnerin angenommenen Genehmigungsfreistellung für die Errichtung von Gebäuden im Geltungsbereich qualifizierter Bebauungspläne (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 LBO 2004) ergeht keine „Genehmigung“ mehr und soll nach dem Willen des Landesgesetzgebers insgesamt auch keine präventive Prüfung materieller baurechtlicher Anforderungen an von dieser Regelung erfasste Bauvorhaben mehr erfolgen. Davon sind die Bauherrinnen und Bauherrn, wie schon die Gesetzesüberschrift verdeutlicht, mit allen Konsequenzen auch hinsichtlich des Verlusts an Rechtssicherheit „freigestellt“ beziehungsweise nach dem Willen des Gesetzgebers (alternativlos) in die Eigenverantwortung entlassen (§ 60 Abs. 2 LBO 2004). Die des ungeachtet nach § 1 Abs. 2 BauVorlVO 2011 in diesem Verfahren einzureichenden vollständigen Bauvorlagen sind, auch wenn die Nichtbefolgung dieser Vorlagepflichten und Abweichungen von den Bauvorlagen – so sie denn festgestellt werden – bereits den Erlass von Baueinstellungsanordnungen rechtfertigen (§ 81 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 3 LBO 2004), lediglich noch als Indiz oder als Bauabsichtserklärung der Bauherrinnen und Bauherren anzusehen. Der Einwand der Antragsgegnerin erinnert an die im Bereich genehmigungsbedürftigen Bauens – wohlgemerkt nur – für Aussetzungsbegehren anerkannte Maßgeblichkeit allein des durch den Genehmigungsinhalt konkretisierten Bauvorhabens. Entscheidend bleibt vorliegend – wie bei auf die Unterbindung von einer erteilten Genehmigung abweichenden Bauens gerichteten Nachbaranträgen – hinsichtlich des Einschreitensbegehrens der Antragsteller in erster Linie die konkrete Bauausführung. Auf diese bezogen bilden die eingereichten Bauvorlagen nur eine Interpretationsgrundlage, solange nicht die Antragsgegnerin durch konkrete Feststellungen vor Ort die Einhaltung des notwendigen Grenzabstands durch die „fertige Wand“, also in dem Fall der Abstandsfläche A 06 beispielsweise des Abstands von 3,68 m zur Grenze belegt. Da solche Feststellungen der Antragsgegnerin vor Ort hinsichtlich des teilrealisierten Bauwerks bisher ersichtlich nicht getroffen wurden, steht deren bloßer Hinweis auf eine „Genehmigung“ und ihren Inhalt dem Anspruch der Antragsteller auf Baueinstellung nicht entgegen, wenn sich den eingereichten Vorlagen eine Einhaltung der notwendigen Grenzabstände zu ihrem Grundstück nicht entnehmen lässt. Das ist hier – wie gesagt – der Fall. Der weitere Einwand der Antragsgegnerin, dass es zudem „möglich“ sei, die „Einhaltung der Energieeinsparverordnung auch auf andere Weise zu gewährleisten als durch die Anbringung eines umfänglichen äußeren Vollwärmeschutzes“, rechtfertigt ebenfalls keine andere Entscheidung. Entsprechende Alternativen sind jedenfalls in den von der Beigeladenen bei der Antragsgegnerin vorgelegten Plänen nicht vorgesehen. Der in der Bauakte befindliche undatierte „Nachweis über energiesparenden Wärmeschutz …“ des Dipl.Ing. S legt nach der Baubeschreibung 24 cm starke Außenmauern aus Kalksandstein und ausweislich des auf Seite 4 oben des Nachweises (Blatt 52 der Bauakte) mitgeteilten Schichtaufbaus zusätzlich neben einem Dünnbettmauermörtel (1 cm) und einem Gipsputz (1 cm) eine 12 cm dicke Schicht aus Polyurethan (PU) – Hartschaum zugrunde. Mangels abweichender Anhaltspunkte muss nach gegenwärtigem Erkenntnisstand von einer „abstandsflächenrelevanten“ Aufbringung zumindest der Dämmschicht auf der Außenseite der Mauer ausgegangen werden. Darauf, ob – wie die Beigeladene ausführt – diesem technischen Nachweis entnommen werden kann, dass das Gebäude die „Anforderungen der EnEV bestens erfüllt“, kommt es insoweit nicht an. Gleiches gilt auch für die schriftsätzlich allgemein, das heißt nicht für konkrete Wände, behaupteten Möglichkeiten der Reduzierung von Dämmstoffstärken. Das wäre, sofern dieser Bau fortgesetzt werden soll, gegebenenfalls in an dem auf der Grundlage der ursprünglichen Pläne teilverwirklichten Bauwerk orientierten Bauvorlagen und durch eine Bauaufnahme seitens der Antragsgegnerin vor Ort zu konkretisieren. In dieser ungeklärten Situation kann jedenfalls den Nachbarn nicht angesonnen werden, eine Realisierung des Gebäudes „erst einmal“ hinzunehmen. Auch die nun im Beschwerdeverfahren vorgelegte nachgebesserte Version des Nachweises über den Wärmeschutz vom 4.2.2012 sorgt nicht für die notwendige Klärung und rechtfertigt daher keine andere Beurteilung. Dort findet sich zwar auf der Seite 4 nun eine ergänzende Berechnung für eine Außenwand mit der Stärke (d =) 15 cm, an der neben Gipsputz (wohl innen) und einem Dünnbettmauermörtel (0,5 cm) nur noch eine 8 cm dicke Hartschaumschicht (wohl) dichterer Konsistenz aufgebracht werden soll. Weder diesem „Nachweis“ noch den Ausführungen in dem zugehörigen Schriftsatz der Beigeladenen lässt sich jedoch mit der gebotenen Sicherheit entnehmen, an welchen Stellen des Gebäudes diese danach für den Wärmeschutz fast gleichwertigen reduzierten „Außenwände“ eingebaut werden sollen. Es ist weder Sache der Antragsteller noch des Senats insoweit eigene Mutmaßungen anzustellen, ob hierdurch der im Raum stehende Abstandsflächenverstoß – gegebenenfalls durch einen Umbau – für bestimmte Wände ausgeräumt werden könnte, oder ob sich diese Verdünnung der Wände konkret auf die an dem seitlichen Vorsprung im Bereich der Abstandsfläche A 06 beziehen soll. Das in den Grundrissdarstellungen zur linken Seite hin eingetragene Maß von „23“ im Bereich des mittleren Wandabschnittes mag zwar auf die Absicht hinweisen, in diesem Bereich einen Wandaufbau entsprechend der Angabe „d = 15 cm“ im Wärmeschutznachweis (15 cm Mauerwerk + 8 cm Dämmstoffauflage) auszuführen. Es bleibt jedoch der bereits angesprochene Widerspruch zwischen den Darstellungen in den Grundrissplänen und der „Beschreibung der baulichen Anlage“ (aktuell vom 27.1.2012), die von einer Gesamtkonstruktion der Außenwände mit 24 cm Mauerwerk „+ Vollwärmeschutz 12 EnEV“ ausgeht und die Gesamtdicke der – undifferenziert – „Außenwände“ mit 36 cm angibt.

Vor dem Hintergrund kann dahinstehen, ob das in den Plänen zeichnerisch „bewirkte“ Abrücken der dem Grundstück der Antragsteller zugekehrten Außenwand im Bereich des Staffelgeschosses um 16 cm in dem erstinstanzlich insoweit vordringlich thematisierten vorderen Teil des Gebäudes zur Ausräumung der vom Verwaltungsgericht in seiner Aufklärungsverfügung aufgezeigten abstandsflächenrechtlichen Bedenken geführt hat. Auf den gerichtlichen Hinweis im Schreiben an die Beteiligten vom 25.1.2012, dass der hinter den Garagen befindliche Wandabschnitt ausweislich der damals noch maßgeblichen, im September 2011 eingereichten und dem inzwischen überholten Zulassungsbescheid vom 9.11.2011 zugrunde liegenden Planzeichnungen bei einer gemessenen mittleren Wandhöhe von 11,05 m einem Abstandsflächenerfordernis von 4,42 m unterliege, wohingegen für den Bereich in den Grundrissen lediglich ein Abstand von 4,23 m zur Grenze des Nachbargrundstücks der Antragsteller vermaßt sei, hat die Beigeladene diesen Wandabschnitt – was abstandsflächenrechtlich trotz der Höhenlage und des geringen „Versatzes“ unbedenklich erscheint – im Bereich des obersten Geschosses (Staffelgeschoss) um 16 cm von der gemeinsamen Grenze abgerückt. Gleichzeitig wurde in der ebenfalls ergänzten Abstandsflächenberechnung bezogen auf die Wand des obersten Geschosses ausgehend von einer mittleren Wandhöhe von 10,93 m ein Abstandserfordernis zur Grenze des Grundstücks der Antragsteller von 4,37 m berechnet und (erstmals) in dem zugehörigen Abstandsflächenplan unter der Bezeichnung A 05.2 ausgewiesen. Die bei diesen Unterlagen befindlichen Grundrisszeichnungen weisen für die unteren Geschosse nach wie vor den erwähnten Abstand von (vermaßt für das Untergeschoss: 3,68 m + 0,55 m =) 4,23 m aus, und – mit Blick auf den erwähnten Rücksprung um 16 cm – für den entsprechenden Wandteil beim Staffelgeschoss nun einen Abstand von (4,23 m + 0,16 m =) „4,39 m“ bezogen auf den äußeren Punkt einer nur noch in einer Stärke von „20“ dargestellten Wand.

Sollten sich die Zweifel an der nachbarrechtlichen Unbedenklichkeit des Bauwerks am Maßstab des § 7 LBO 2004 im Verlaufe des Hauptsacheverfahrens hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens der Antragsteller nicht ausräumen lassen, so gingen diese Unklarheiten im Ergebnis zu Lasten der Beigeladenen.(vgl. zu den Konsequenzen einer inhaltlichen Widersprüchlichkeit von Bauvorlagen unter nachbarrechtlich relevanten Aspekten etwa Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp. XI Rn 38 mit Rechtsprechungsnachweisen) Das Verwaltungsgericht hat am Ende der erstinstanzlichen Entscheidung richtig darauf hingewiesen, dass das 2004 im materiellen Abstandsflächenrecht aus energiepolitischen Erwägungen heraus verankerte Privileg für abstandsflächenrechtlich relevante „nachträgliche Außenwandverkleidungen“ in dem § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LBO 2004 für die hier zur Rede stehende Neubaumaßnahme nicht in Anspruch genommen werden kann. Daher spricht nach dem derzeitigen Erkenntnisstand viel für einen Erfolg der Antragsteller im Hauptsacheverfahren. Deswegen ist ihnen der geltend gemachte Sicherungsanspruch (§ 123 Abs. 1 VwGO) zur Vermeidung einer Schaffung „vollendeter Tatsachen“ durch Realisierung des Vorhabens vor Abschluss des von ihnen eingeleiteten Rechtsbehelfsverfahrens zuzubilligen. Die Antragsteller müssen sich nicht auf eine nachträgliche Geltendmachung von Einschreitensansprüchen auf Abbruch nachbarrechtswidrig ausgeführter Teile des Gebäudes verweisen lassen.

Das Verwaltungsgericht hat daher dem auf Erlass einer Baueinstellung gerichteten Anordnungsbegehren der Antragsteller im Ergebnis zu Recht entsprochen. Die entgegenstehenden wirtschaftlichen Interessen an einer ungehinderten Fortführung der Arbeiten beziehungsweise an der Fertigstellung des Gebäudes sind demgegenüber nachrangig. Insoweit handelt es sich um die Realisierung mit den durch die Regelungen über die Genehmigungsfreiheit (§ 63 LBO 2004) verbundener wirtschaftlicher Risiken im Verantwortungsbereich der Bauherrinnen und Bauherrn („Bauen auf eigenes Risiko“). Da von den Antragstellern als Nachbarn angesichts der komplizierten verfahrensrechtlichen Regelungen in den §§ 60 ff. LBO 2004 eine entsprechende Differenzierung hinsichtlich des „richtigen“ Nachbarrechtsbehelfs nicht verlangt werden kann, ist der eine Voraussetzung für die Verpflichtungsklage auf Einschreiten in der Hauptsache bildende Verwaltungsantrag spätestens in dem umfassend begründeten Widerspruchsschreiben vom 6.1.2012 an die Antragsgegnerin zu erblicken. Darin wird die Abstandsflächenproblematik ausführlich thematisiert.

B.

Die Rechtsmittel sind auch unbegründet, soweit die Beschwerdeführerinnen sich gegen die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Anordnung der aufschiebenden Wirkung des von den Antragstellern nach ihrem unwidersprochenen Vortrag im Schriftsatz vom 13.2.2012 eingelegten Widerspruchs gegen den „Zulassungsbescheid“ vom 2.2.2012 wenden. Nachdem die Beigeladene im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens unter dem 23.2.2012 förmlich auf die Rechte aus dem „überholten“ Zulassungsbescheid vom 9.11.2011 verzichtet und damit insoweit im Ergebnis auch dem diesbezüglichen Aussetzungsbegehren der Antragsteller sowie der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Grundlage entzogen hat, richten sich die Beschwerden allein gegen die Aussetzungsentscheidung bezüglich des Bescheides vom 2.2.2012. Das hat die Antragsgegnerin bereits bei Einlegung des Rechtsmittels klargestellt und das kann auch dem Beschwerdevorbringen der Beigeladenen unschwer entnommen werden. Der Senat bejaht insoweit trotz der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Einstellung der Arbeiten zur (weiteren) Verwirklichung des Vorhabens (dazu unter A.) ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse der Antragsteller auch für die Aussetzungsentscheidung (§§ 212a, 80 Abs. 5 VwGO).

Der „Zulassungsbescheid“ vom 2.2.2012 beinhaltet nach seinem eindeutigen Wortlaut insgesamt fünf von der Antragsgegnerin im Rahmen des Genehmigungsfreistellungsverfahrens nach den §§ 63 Abs. 3 Satz 4, 68 Abs. 3 LBO für erforderlich gehaltene und nach dieser gesetzlichen Vorgabe für die Baufreigabe notwendige Befreiungen auf der Grundlage des § 31 Abs. 2 BauGB von mehreren Festsetzungen des im Jahre 1980 erlassenen Bebauungsplans „ W“. Welche rechtliche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, dass die Antragsgegnerin der Beigeladenen bereits im Oktober 2010 für die Herstellung eines Staffelgeschosses – freilich nicht bezogen auf das jetzige Bauvorhaben, sondern in einer davon abweichenden Ausführung – eine weitere Befreiung erteilt hat, bedarf hier keiner Vertiefung. Ein entsprechendes Anordnungsbegehren haben die Antragsteller beim Verwaltungsgericht nicht angebracht. Ob sie auch insoweit Widerspruch erhoben haben, lässt sich den vorgelegten Verwaltungsunterlagen nicht entnehmen.

Dem Umstand, dass eine etwaige Nichtbeachtung der landesrechtlichen Vorschriften über die Abstandsflächen – wie jedes andere bauordnungsrechtliche Hindernis mit Ausnahme baugestalterischer Vorgaben in örtlichen Bauvorschriften – beziehungsweise das sich gegebenenfalls hieraus ergebende Abweichungserfordernis nach dem § 63 Abs. 2 Nr. 3 LBO 2004 zwingend zum Ausschluss der von der Antragsgegnerin angenommenen Genehmigungsfreistellung(so ausdrücklich das gleichzeitig mit dem „Zulassungsbescheid“ an die Beigeladene gerichtete Schreiben der Antragsgegnerin vom 2.2.2012, Blatt 75 der Bauakte 20120077) führt und ein Baugenehmigungserfordernis zumindest nach § 64 LBO 2004 auslöst, muss im Rahmen vorliegender Entscheidung nicht nachgegangen werden. Sollte sich im Übrigen feststellen lassen, dass die nur an die Höhenvorgabe in § 2 Abs. 3 Satz 2 LBO 2004 geknüpfte Zuordnung zur Gebäudeklasse 3 (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LBO 2004) nach Anwendung des dort für hängige Geländestrukturen vorgeschriebenen Mittelungsverfahrens nicht zutrifft, wäre im Übrigen ein umfängliches Genehmigungsverfahren, dann nach § 65 Abs. 1 LBO 2004 unter Einschluss einer bauordnungsrechtlichen Prüfung, durchzuführen (§§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBO 2004). Für die Entscheidung in der vorliegenden nachbarrechtlichen Auseinandersetzung kann das auf sich beruhen. Eine Verletzung subjektiver Nachbarrechte kann sich von vorneherein nur aus einer Nichtbeachtung nachbarschützender Anforderungen des materiellen Rechts ergeben. Eine gegebenenfalls unrichtige Beurteilung verfahrensrechtlicher Vorgaben durch die zuständige Gemeinde beziehungsweise die Bauaufsichtsbehörden spielt für die Rechtsstellung des Nachbarn keine Rolle.(vgl. hierzu etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 8.12.2010 – 2 B 308/10 –, SKZ 2011, 46, Leitsatz Nr. 32, dort insbesondere auch zum Einwand einer unterbliebenen Nachbarbeteiligung auf der Grundlage des § 71 LBO 2004, und vom 27.5.2010 – 2 B 95/10 –, SKZ 2010, 159 ff.)

Die rechtlichen Vorgaben für die Entscheidung über derartige Aussetzungsanträge hat das Verwaltungsgericht zutreffend herausgestellt. Sie bedürfen keiner Wiederholung. Ungeachtet des insoweit geltenden Grundsatzes, dass in baurechtlichen Antragsverfahren nach den §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO Entscheidungskriterium für die Verwaltungsgerichte die mit den Erkenntnismöglichkeiten des Eilverfahrens zu prognostizierende Erfolgsaussicht des in der Hauptsache eingelegten Nachbarrechtsbehelfs gegen die nach § 212a BauGB sofort vollziehbare baurechtliche Zulassungsentscheidung(vgl. zur Geltung des § 212a Abs. 1 BauGB auch für „isolierte“ gemeindliche Befreiungsentscheidungen nach §§ 68 Abs. 3 LBO 2004, 31 Abs. 2 BauGB etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 5.7.2007 – 2 B 144/07 –, SKZ 2008, 77, Leitsatz Nr. 26 = BRS 71 Nr. 173 = AS 35, 170) ist und es daher für die Entscheidung nicht auf die objektive (umfassende) Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des bekämpften Bauvorhabens, sondern allein auf die Frage des Vorliegens einer für den Erfolg des Nachbarwiderspruchs oder gegebenenfalls einer anschließenden Anfechtungsklage unabdingbaren Verletzung dem Schutz des Nachbarn dienender Vorschriften des öffentlichen Rechts (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ankommt, gibt der vorliegende Fall Veranlassung zu folgendem Hinweis: Werden – wie hier – von der Gemeinde als Ortsgesetzgeber im Satzungswege erlassene Festsetzungen in Bebauungsplänen in einem solchen Umfang und zudem nicht einmal ansatzweise unter inhaltlicher Auseinandersetzung mit den für jede (ausnahmsweise) Befreiung von einzelnen Festsetzungen in Bebauungsplänen geltenden (strengen) rechtlichen Anforderungen des § 31 Abs. 2 BauGB, vielmehr – legt man den Bescheid vom 2.2.2012 zugrunde – allein mit dem Hinweis auf die Gebührenpflichtigkeit für dispensibel und damit letztlich „disponibel“ erklärt, so wirft das die Frage nach dem Sinn entsprechender Bauleitplanung überhaupt auf. Schon die Aufgabenumschreibung für die Bauaufsichtsbehörden in § 57 Abs. 2 LBO 2004 verdeutlicht, dass sich deren Verpflichtung auf die Überwachung einer Einhaltung der für das Vorhaben geltenden baurechtlichen Anforderungen insgesamt erstreckt, nicht hingegen nur darauf, wie die Antragsgegnerin das ausweislich ihrer Antragserwiderung im erstinstanzlichen Verfahren offenbar sieht, allein eine nachbarrechtliche Unbedenklichkeit und damit „Unangreifbarkeit“ von – gegebenenfalls auch ansonsten rechtswidrigen – Bauvorhaben sicherzustellen. Eine solche Praxis ist, auch wenn dem Aspekt im Rahmen des Nachbarstreits nicht Rechnung getragen werden kann,(vgl. zum fehlenden Abwehrrecht des Eigentümers eines bebauungsplankonform bebauten Grundstücks gegenüber einer objektiv offensichtlich rechtswidrigen Bebauung eines unmittelbar an den Geltungsbereich angrenzenden Außenbereichsgrundstücks BVerwG, Urteil vom 28.10.1993 – 4 C 5.93 –, BRS 55 Nr. 168) insbesondere dort bedenklich, wo sie Nachbarn betrifft, die ihr Grundstück selbst unter Einhaltung der Vorgaben des Bebauungsplans bebaut haben. Für die nach § 68 Abs. 3 LBO 2004 nach der Entscheidung des Landesgesetzgebers partiell an die Stelle der Bauaufsichtsbehörde tretenden Städte und Gemeinden gilt gerade mit Blick auf die von ihnen selbst erlassenen planungsrechtlichen Vorgaben in Bebauungsplänen nichts anderes.

Im vorliegenden Verfahren ist keine „inzidente“ Normenkontrolle geboten, auch nicht hinsichtlich des von der Antragsgegnerin in den Raum gestellten Außerkrafttretens einzelner Festsetzungen wegen „Funktionslosigkeit“ infolge vielfacher Nichtbeachtung in der Vergangenheit.(vgl. dazu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 26.11.2010 – 2 B 275/10 –, SKZ 2011, 45, Leitsatz Nr. 30 = BauR 2011, 890, wonach in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig von der Verbindlichkeit bauleitplanerischer Festsetzungen für das Baugrundstück auszugehen ist) Vielmehr ist ungeachtet von Bedenken hinsichtlich einzelner Festsetzungen des Bebauungsplans „ W“(vgl. etwa zur Unwirksamkeit von gebäudebezogenen Zusätzen bei der Festsetzung der zulässigen Zahl von Vollgeschossen mangels Ermächtigungsgrundlage OVG des Saarlandes, Urteil vom 25.11.1997 – 2 N 3/97 –, SKZ 1998, 105, 110, 180 = BRS 59 Nr. 18 = AS 26, 427) für die Eilrechtsschutzbegehren von deren Gültigkeit auszugehen. Handelt es sich – wie hier – mangels Anhaltspunkten für einen abweichenden Willen der Gemeinde in der Planurkunde insgesamt um nicht nachbarschützende Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise oder der überbaubaren Grundstücksfläche, so kommt eine Nachbarrechtsverletzung – wie vom Verwaltungsgericht im Ansatz zutreffend angenommen – nur unter dem Aspekt des Gebots der nachbarlichen Rücksichtnahme (§§ 31 Abs. 2 BauGB, 15 BauNVO 1977) in Betracht. Den Beschwerdeführerinnen ist zuzugestehen, dass von diesem Ansatz her die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Herleitung eines (möglichen) nachbarlichen Abwehranspruchs aus einer „Summenbetrachtung“ unter Rückgriff auf diesbezüglich befreiungsbezogen – aus seiner Sicht – gegenüber der „Planvorgabe“ zugelassene weitere seitliche Wandflächen des Gebäudes zumindest ernsthaften Bedenken unterliegt. Dies wie auch die von den Beschwerdeführerinnen vehement angegriffene „Flächenberechnung“ des Verwaltungsgerichts als solche bedarf indes hier keiner Vertiefung.

Im Falle der Einhaltung der zur Sicherstellung einer ausreichenden Besonnung, Belichtung und Belüftung von Nachbargrundstücken sowie zur „Wahrung des Nachbarfriedens“ erlassenen landesrechtlichen Bestimmungen über die Abstandsflächen (§§ 7, 8 LBO 2004) ist indes in aller Regel bis auf ganz besondere Ausnahmekonstellationen für die Annahme einer Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Nachbarn zumindest im Hinblick auf diese Regelungsziele kein Raum.(vgl. dazu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp. XI Rn 187 – 189, auch zur Frage eines „Einmauerns“ beziehungsweise einer „erdrückenden Wirkung“, mit Rechtsprechungsnachweisen, unter anderem BVerwG, Beschlüsse vom 11.12.2006 – 4 B 72.06 –, BRS 70 Nr. 176, zur „optisch bedrängenden“ Wirkung einer in der Nähe von Wohngrundstücken errichteten Windkraftanlage, und vom 16.7.1990 – 4 B 106.90 –, BRS 50 Nr. 76, Urteile vom 13.3.1981 – 4 C 1.78 –, BauR 1981, 354, zur Errichtung eines 12-geschossigen Wohn- und Geschäftshochhauses in einer ansonsten nur maximal zweigeschossige Wohngebäude aufweisenden Umgebung, und vom 23.5.1986 – 4 C 34.85 –, BRS 46 Nr. 176, zu drei auf Stahlstützen errichteten, insgesamt 11,50 m hohen Düngekalksilos in nur 3 m Grenzabstand zum Garten eines Wohngrundstücks) Bei Einhaltung der Abstandsflächenvorschrift wäre daher die Annahme einer dennoch „erdrückenden Wirkung“ aus gegenwärtiger Sicht sehr unwahrscheinlich. Letztlich bejahen ließe sich eine solche nur auf der Grundlage eines Eindrucks der konkreten Örtlichkeit, wobei im Rahmen der insoweit notwendigen wertenden Beurteilung gegebenenfalls auch andere vorhandene planabweichend ausgeführte Gebäude im Umfeld des Baugrundstücks zu berücksichtigen wären.

Ob umgekehrt, bezogen auf die hier in Rede stehende mögliche Unterschreitung der Mindestgrenzabstände, aus jeder Verletzung der „mathematisch-exakte“ Anforderungen stellenden Abstandsflächenvorschriften gewissermaßen „automatisch“ auf eine bundesrechtliche „Rücksichtslosigkeit“ geschlossen werden kann, erscheint angesichts des an den faktischen Auswirkungen und an dem Gedanken konkreter tatsächlicher Unzumutbarkeit orientierten nachbarlichen Interessenausgleichs unter Rücksichtnahmegesichtspunkten fraglich, ist aber bisher in der Rechtsprechung des Senats nicht abschließend geklärt.(vgl. hierzu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 23.9.2010 – 2 A 196/10 –, SKZ 2010, 332 ff.) Für den konkreten Fall wäre das im Hauptsacheverfahren gegebenenfalls einer eingehenden Beurteilung zuzuführen. Sollte sich aus den im Zusammenhang mit dem Begehren der Antragsteller auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Einstellung der Bauarbeiten genannten Gründen ergeben, dass die Mindestabstände nach § 7 LBO 2004 zur Grenze der Antragsteller nicht eingehalten werden, stünde eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots (§ 31 BauGB) zumindest ernsthaft im Raum. Auch wenn sich die Erfolgsaussichten des Nachbarrechtsbehelfs der Antragsteller gegen den Zulassungsbescheid vom 2.2.2012 im Aussetzungsverfahren daher noch nicht abschließend positiv beurteilen lassen, so ist eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung geboten, da die überschlägige Rechtskontrolle unter diesem Gesichtspunkt zumindest gewichtige Zweifel an der nachbarrechtlichen Unbedenklichkeit des angefochtenen Zulassungsbescheids begründet.

C.

Demnach war die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang zu bestätigen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO, 100 ZPO. Ein Ausspruch hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen (§ 162 Abs. 3 VwGO) ist im Hinblick auf den Verfahrensausgang nicht veranlasst.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 47 GKG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Juli 2007 - 6 K 2666/07 - geändert. Die Baugenehmigung des Landratsamtes Ostalbkreis vom 7. Juni 2006 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. Februar 2007 werden aufgehoben.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen eine Baugenehmigung, die seinem Nachbarn, dem Beigeladenen, die Errichtung eines Schuppens gestattet.
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus und einer Garage bebauten Grundstücks Flst. Nr. 178 (H. Straße 39) der Gemarkung .... Dem Beigeladenen gehört das nördlich angrenzende Anwesen H. Straße 41 (Flst. Nr. 177/5) und das westlich angrenzende, 3.146 m 2 große Grünlandgrundstück Flst. Nr. 177. Dieses Grundstück erstreckt sich hinter den bebauten Grundstücken auf der Westseite der H. Straße vom ...bach im Nordwesten bis zum Grundstück H. Straße 37 (Flst. Nr. 178/1) im Südosten. Es fällt von Osten nach Westen zum ...bach hin leicht ab.
Der Beigeladene hat im südöstlichen Bereich dieses Grundstücks, gegenüber dem Wohnhaus des Klägers und in einem Abstand von 2,5 m zu der gemeinsamen Grundstücksgrenze, einen 12 m langen, 5 m breiten sowie zwischen 4 und 5 m hohen Geräte- und Brennholzschuppen mit einem Pultdach errichtet.
Die örtliche Situation stellt sich wie folgt dar:
Der Beigeladene reichte am 27.3.2006 einen entsprechenden Bauantrag ein. Der Kläger erhob Einspruch und machte geltend, unter dem Gesichtspunkt des Lichtzutritts und der Feuchtigkeit ergäben sich aus dem Bauvorhaben nicht unerhebliche Nachteile für sein Grundstück. Außerdem sei der Grenzabstand nicht eingehalten.
Unter dem 7.6.2006 erteilte das Landratsamt Ostalbkreis die beantragte Baugenehmigung und wies den Einspruch des Klägers mit im Wesentlichen folgender Begründung zurück: Das Baugrundstück liege im Außenbereich. Das Bauvorhaben des Beigeladenen sei als sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB zulässig. Die beteiligten Stellen hätten eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange verneint. Der geplante Schuppen halte auch die erforderlichen Abstandsflächen ein.
Der Kläger legte hiergegen am 21.6.2006 Widerspruch ein. Er begründete diesen damit, das genehmigte Vorhaben verstoße zu seinen Lasten gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Der Schuppen solle unmittelbar an der Terrasse und vor dem Wohnzimmer seines Hauses errichtet werden. Dadurch werde die Lichtzufuhr zu diesen beeinträchtigt. Von dem Bauvorhaben gehe eine erdrückende Wirkung aus. Es verstoße ferner gegen Treu und Glauben und das Schikaneverbot, weil der Beigeladene die Möglichkeit habe, auf seinem großen Grundstück den Schuppen an einer Stelle zu errichten, die nicht an ein bestehendes Gebäude angrenze.
Am 2.8.2006 beantragte der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart mit derselben Begründung, seinem Widerspruch aufschiebende Wirkung beizumessen. Der Beigeladene führte in seiner Erwiderung auf diesen Antrag vier Gründe für die Wahl des Schuppenstandorts an: Zum einen habe er in den naturbelassenen Bachlauf mit altem Baumbestand nicht eingreifen wollen. Zum anderen könne er den Schuppen nicht an der Grenze zur „Parzelle 171 ... ...“ (Südwesten) erstellen, weil es sich dabei um den tiefsten Teil des Geländes handele, das oft knöcheltief unter Wasser stehe. Das Gleiche gelte ferner für den Bereich an der Grenze zum „Flurstück Nr. 178/1 ...“ (Südosten). Hier plane er zudem eine bepflanzte Sickergrube, die das Dachwasser des Schuppens aufnehmen solle. Schließlich sei der Bereich an der Grenze zum Grundstück des Klägers im Jahre 1964 mit Erdaushub aufgefüllt worden; das Gelände liege dort deshalb um etwa 1 bis 1,5 m höher. Ein Gebäude füge sich hier nahtlos in die Baulinie bestehender Gebäude ein.
Mit Beschluss vom 31.8.2006 lehnte das Verwaltungsgericht Stuttgart den Aussetzungsantrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus: Der genehmigte Schuppen verstoße nicht gegen das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme, da die Abstandsvorschriften der Landesbauordnung eingehalten seien. Es bestehe grundsätzlich kein schutzwürdiges Vertrauen eines Nachbarn, dass ein bisher unbebautes, im Außenbereich liegendes Grundstück auch künftig nicht bebaut werde. Dass der Blick auf den an der Grenze geplanten Schuppen den zuvor freien Blick auf die Landschaft beeinträchtige, begründe keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots.
10 
Der Senat wies die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 6.12.2006 - 8 S 2184/06 - zum einen deshalb zurück, weil der Beschwerdebegründung zufolge der Schuppen schon bei ihrer Abfassung errichtet war. Zum anderen spreche vieles dafür, dass das Verwaltungsgericht zu Recht einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme verneint habe. Der Beigeladene habe gegenüber dem Verwaltungsgericht vier Gründe angeführt, die gegen eine Errichtung des Schuppens an anderer Stelle sprächen. Da die Beschwerde sich damit nicht auseinandersetze, habe der Senat von ihrer Stichhaltigkeit auszugehen.
11 
Mit Bescheid vom 14.2.2007 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers gegen die Baugenehmigung vom 7.6.2006 mit denselben Argumenten zurück, die das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 31.8.2006 verwendet hatte.
12 
Am 15.3.2007 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage mit dem Antrag erhoben, die Baugenehmigung in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben. Er hat ausgeführt: Entgegen der Auffassung der Behörden liege eine erhebliche Beeinträchtigung seines Wohnhauses im Hinblick auf Belichtung, Belüftung und Besonnung vor. Von entscheidender Bedeutung sei jedoch, dass die Wahl des Schuppenstandorts schikanös sei, weil er an verschiedenen anderen Stellen auf dem Baugrundstück ohne Schwierigkeiten hätte errichtet werden können. Die vom Bauherrn angegebenen Gründe seien nicht nachvollziehbar. Die von ihm erwähnten Bäume stünden unmittelbar am Ufer und würden von der Errichtung des Schuppens nicht tangiert. Am ...bach befinde sich auch kein Gartenteich, vielmehr stünden dort bereits heute mehrere Schuppen. Bei dem Bereich entlang der Grenze zum Grundstück Flst. Nr. 171 handele es sich nicht um den tiefsten Teil des Geländes, vielmehr habe der Vater des Beigeladenen ihn mit Aushub aufgefüllt. Die Sickergrube entlang der Grenze zum Grundstück Flst. Nr. 178/1 führe zu einer zusätzlichen Belastung seines Hausgrundstücks. Diese hätte weiter nach unten verlagert werden können. Bei Aufstellung des Schuppens am ...bach hätte das Regenwasser im Übrigen unmittelbar in diesen eingeleitet werden können. Ferner habe der Beigeladene inzwischen den Bach mit Felsbrocken aufgestaut und leite das Bachwasser in die Sickergrube ein. Es könne keine Rede davon sein, dass hier Oberflächenwasser abgeführt werden solle. Richtig sei zwar, dass das Gelände auch entlang der Grenze zu seinem Grundstück aufgefüllt worden sei, was jedoch lediglich dazu führe, dass der Schuppen noch höher stehe und noch mehr Licht wegnehme. Von einer vorhandenen Baulinie könne keine Rede sein.
13 
Das beklagte Land hat Klagabweisung beantragt und im Wesentlichen auf die Begründung der angefochtenen Bescheide verwiesen. Im Hinblick auf die Standortwahl hat es ausgeführt, auf die Frage, ob das Gebäude an anderer Stelle auf dem Baugrundstück errichtet werden könne, komme es nicht an.
14 
Der Beigeladene hat zur Frage der Standortwahl wie folgt Stellung genommen: Der Baumbestand entlang der Bachgrenze sei etwa 10 bis 12 m breit; der Maschinenschuppen, auf den sich der Kläger berufe, stehe nicht am Bach. Der Bereich entlang der Grenze zur Parzelle 171 sei nicht mit Erdaushub aufgefüllt worden, dies sei lediglich entlang der Grenze zum Grundstück des Klägers geschehen. Dies werde durch ein Gerichtsurteil des Amtsgerichts Schwäbisch Gmünd vom 24.5.1966 bestätigt. Die Baugenehmigung sei vom Landratsamt erst nach dem Nachweis einer ordnungsgemäßen Entwässerung erteilt worden. Er habe eine Sickergrube gewählt, die zum Grundstück des Klägers einen Abstand von 8 m und zu den anderen angrenzenden Grundstücken einen solchen von mindestens 6 m aufweise. Das anfallende Regenwasser werde zudem zur Bewässerung eines neu geschaffenen Gemüsegartens genutzt. Eine Entwässerung in den Bach werde seit Mitte der siebziger Jahre nicht mehr akzeptiert. Für eine Wasserentnahme aus dem Bach bestehe keine Notwendigkeit. Es gebe deshalb auch keinen Grund, den Bach aufzustauen.
15 
Mit Urteil vom 3.7.2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt: Der genehmigte Schuppen verstoße nicht gegen das Rücksichtnahmegebot, da er keine für den Kläger unzumutbare Beeinträchtigungen zur Folge habe. Dies ergebe sich daraus, dass die Abstandsflächenbestimmungen eingehalten seien. Nicht entscheidungserheblich sei, ob der Beigeladene sein Bauvorhaben auch an einer anderen Stelle seines Grundstücks zulässigerweise errichten könnte.
16 
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 10.1.2008 - 8 S 1961/07 - zugelassene Berufung des Klägers, mit der er beantragt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Juli 2007 - 6 K 2666/07 -zu ändern und die Baugenehmigung des Landratsamtes Ostalbkreis vom 7. Juni 2006 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. Februar 2007 aufzuheben.
18 
Er macht geltend: Das Verwaltungsgericht habe die Grundsätze des Rücksichtnahmegebots verkannt und deshalb keine Abwägung der Empfindlichkeit und Schutzwürdigkeit des Begünstigten einerseits mit der Verständlichkeit und Unabweisbarkeit der mit dem Vorhaben verfolgten Interessen des Bauherrn andererseits vorgenommen. Der beigeladene Bauherr habe kein nachvollziehbares Interesse daran, das Gebäude unmittelbar vor sein (des Klägers) Anwesen zu platzieren. Vielmehr bringe dieser Standort nur Nachteile mit sich, weil der Schuppen vom Wohngebäude des Beigeladenen sehr weit entfernt sei. Demgegenüber habe er (der Kläger) eindeutig dargelegt, dass er durch das wuchtige Bauwerk und dessen erdrückende Wirkung erheblich beeinträchtigt werde. Er habe die Nutzungsbereiche seines Hauses so ausgerichtet, dass Schlafzimmer, Wohnzimmer und Terrasse in die bislang unbebaute Richtung wiesen. Der Beigeladene habe dagegen aus schikanösen Gründen gehandelt. Er habe zunächst geplant, in dem Bereich, in dem der Schuppen heute stehe, Nordmanntannen anzupflanzen. Er (der Kläger) habe den Beigeladenen damals darauf hingewiesen, dass er mit den Tannen einen Abstand von mindestens 8 m einzuhalten habe. Darauf hin habe der Beigeladene gegenüber einem Dritten erklärt, dass wenn der Kläger die Nordmanntannen nicht wolle, er eben einen Schuppen vor sein Haus setzen werde, was er schließlich auch getan habe.
19 
Das beklagte Land beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen.
21 
Es erwidert: Das Gebot der Rücksichtnahme werde durch den genehmigten Schuppen nicht verletzt. Deshalb könne eine Interessenabwägung unterbleiben, weil der Kläger keine wehrfähige Position besitze. Ein Nachbar könne unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung seines Grundstücks grundsätzlich keine Rücksichtnahme verlangen, die über den Schutz des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts hinausgehe, weil diese landesrechtlichen Grenzabstandsvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots zur nachbarlichen Rücksichtnahme darstellten. Dies gelte allerdings nur „grundsätzlich“, was bedeute, dass Ausnahmen möglich sein müssten, da Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers stehe. Im vorliegenden Fall lägen Besonderheiten, die unter den genannten Gesichtspunkten eine Ausnahme vom angeführten Grundsatz geböten, nicht vor. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass seine Aussicht in die freie Landschaft beeinträchtigt werde. Ebenso unbeachtlich sei seine Einlassung, er habe sein Haus so ausgerichtet, dass die Wohnbereiche in die unbebaute Richtung wiesen. Denn eine Baugenehmigung verleihe demjenigen, der sich seine Bauwünsche erfülle, nicht die Rechtsmacht, durch die Art und Weise der Bauausführung unmittelbaren Einfluss auf die Bebaubarkeit der Nachbargrundstücke zu nehmen. Selbst wenn Tatsachen vorlägen, die eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zulasten des Klägers begründen könnten, müssten sie in der Abwägung hinter die Interessen des Beigeladenen zurücktreten. Denn diesem stünden berechtigte Belange zur Seite, sein Bauvorhaben genau an der streitgegenständlichen Stelle zu errichten. Andere denkbare Standorte seien überschwemmungsgefährdet oder hätten eine Gefahr für den naturbelassenen Bachlauf mit altem Baumbestand mit sich gebracht. Zudem liege das erstellte Bauwerk in einer günstigen Entfernung zum schon bestehenden Wohnhaus. Selbst wenn schließlich die Interessen des Klägers und des Beigeladenen als gleichwertig eingestuft würden, müsse der Beigeladene seine berechtigten Belange nicht zurückstellen, um gleichwertige fremde Belange des Klägers zu schonen.
22 
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag, Er trägt vor: Durch den Bau des Schuppens habe der Kläger nicht beeinträchtigt oder gar schikaniert werden sollen. Ausschlaggebend für den gewählten Standort seien die Topografie des Geländes, das Einfügen in die Baulinie bestehender Gebäude und die erforderlichen Baukosten gewesen. Das Baugrundstück sei zwar relativ groß, aber er habe versucht, mit der zur Verfügung stehenden Fläche sorgsam und platzsparend umzugehen. Bei mehreren Ortsterminen mit der Baubehörde sei der Standort als ideal erkannt worden. Letztlich habe auch die räumliche Nähe (18 m) zu seinem neu errichteten Wohnhaus und der Umstand eine Rolle gespielt, dass der Bereich an der gemeinsamen Grundstücksgrenze im Jahre 1964 mit Erdaushub aufgefüllt worden sei und wegen dieser Erhöhung um etwa 1 m von Überschwemmungen verschont bleibe.
23 
Der Senat hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2008 einen Augenschein eingenommen. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Berufung des Klägers ist nach ihrer Zulassung im Beschluss des Senats vom 10.1.2008 statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben und die angefochtene Baugenehmigung aufheben müssen, denn sie ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil das genehmigte Bauvorhaben nicht die gebotene Rücksicht auf seine nachbarlichen Rechte nimmt, sondern sich ihm gegenüber als schikanös darstellt.
25 
Der durch die Baugenehmigung zugelassene Schuppen des Beigeladenen hält zwar zum Grundstück des Klägers - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften des § 5 LBO gebotenen Abstandsflächentiefen ein, was grundsätzlich indiziert, dass im Hinblick auf diese Belange auch das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot eingehalten ist, weil diese landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme darstellen (BVerwG, Beschluss vom 6.12.1996 - 4 B 215.96 - ZfBR 1997, 227; Beschluss des Senats vom 12.10.2004 - 8 S 1661/04 - VBlBW 2005, 74). Dies gilt aber nur „grundsätzlich“, was bedeutet, dass Ausnahmen möglich sein müssen, zumal das bauplanungsrechtliche Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht (BVerwG, Beschluss vom 11.1.1999 - 4 B 128.98 - BauR 1999, 615; Urteil vom 31.8.2000 - 4 CN 6.99 - BVerwGE 112, 41; Beschluss des Senats vom 12.10.2004, a. a. O.).
26 
Eine solche Ausnahme greift hier, denn der genehmigte Schuppen verstößt trotz Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften der Landesbauordnung gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) und verletzt damit das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme zulasten des Klägers. Dieses Gebot schützt nach seinem objektivrechtlichen Gehalt die Nachbarschaft vor unzumutbaren Einwirkungen, die von einem Vorhaben ausgehen (BVerwG, Urteil vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - BauR 2007, 674). Eine besondere gesetzliche Ausformung hat es für Vorhaben im Außenbereich wie dem vorliegend streitigen in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen gefunden. Es greift jedoch auch als in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB unbenannter öffentlicher Belang in Fällen Platz, in denen sonstige nachteilige Wirkungen in Rede stehen (BVerwG, Urteile vom 21.1.1983 - 4 C 59.78 - BRS 40 Nr. 199 und vom 18.11.2004 - 4 C 1.04 - UPR 2005, 150). Dazu zählt die Rechtsprechung etwa „optisch bedrängende“ Wirkungen, die von einem Bauvorhaben auf bewohnte Nachbargrundstücke ausgehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - a. a. O. und vom 23.5.1986 - 4 C 34.85 - BRS 46 Nr. 176; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - a. a. O.). Rücksichtslos kann aber auch ein Bauvorhaben sein, das zulasten des betroffenen Nachbarn das auch im öffentlichen Recht geltende Schikaneverbot (vgl. etwa: OVG Saarland, Urteil vom 30.3.1993 - 2 R 17/92 - BRS 55 Nr. 158; Beschluss vom 23.2.2000 - 2 W 2/00 - BRS 63 Nr. 132; OVG NRW, Beschluss vom 12.6.1995 - 7 E 1130/94 - NVwZ-RR 1996, 126) verletzt.
27 
Eine Schikane im Sinne des § 226 BGB liegt vor, wenn die Geltendmachung eines Rechts keinen anderen Zweck haben kann als die Schädigung eines anderen, wenn der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt oder wenn das Recht nur geltend gemacht wird, um ein unlauteres Ziel zu erreichen (BGH, Beschluss vom 9.7.2007 - II ZR 95/06 - juris m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Nach den Feststellungen, die der Senat beim Augenschein im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2008 getroffen hat, hat der Beigeladene mit der Errichtung des Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers in einer Entfernung zur gemeinsamen Grundstücksgrenze, die lediglich der abstandsflächenrechtlich vorgeschriebenen Mindestentfernung entspricht, nur dessen Schädigung bezweckt, ohne damit auch nur entfernt ein eigenes Interesse zu verfolgen. Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgendem:
28 
Der Beigeladene beruft sich zum einen darauf, die räumliche Nähe zu seinem Wohnhaus habe für den gewählten Schuppenstandort gesprochen. Diese Darstellung ist aber kaum nachvollziehbar. Denn wenn er das Ziel verfolgt hätte, den Schuppen - etwa wegen des darin zu lagernden Brennholzes - möglichst nahe an seinem Wohngebäude zu platzieren, so hätte es sich aufdrängen müssen, einen Standort in zentraler Lage des großen Baugrundstücks, z. B. in westlicher Fortsetzung des neben seinem Wohnhaus stehenden (blauen) Containers in dem Bereich zu wählen, in dem heute ein aus dem früheren Dachgiebel seines alten Wohnhauses bestehender Holzschuppen steht. Unter dem Gesichtspunkt seiner Erreichbarkeit auf möglichst kurzem Wege erscheint die nach Südosten abgerückte Situierung des Schuppens dagegen wenig plausibel. Es kommt hinzu, dass seine Ausrichtung in Nord-Süd-Richtung, wodurch er sich riegelartig vor den Wohn- und Terrassenbereich des Klägers stellt, für den Beigeladenen ersichtlich keinerlei Vorteile bietet. Denn schon eine leichte Verschiebung nach Norden und Drehung des Baukörpers, was einen Zugang von Norden her ermöglicht hätte, hätte die Zugangsentfernung vom Wohnhaus des Beigeladenen deutlich verkürzt und zugleich den Wohnbereich des Klägers vor einer den Blick in die freie Landschaft abschottenden Wirkung bewahrt.
29 
Einer solchermaßen die Belange des Klägers schonende und den geltend gemachten Wünschen des Beigeladenen entgegen kommende Anordnung des Schuppens steht auch nicht die Topografie entgegen. Denn das Gelände fällt zum einen von der H. Straße nach Westen nicht so stark ab, dass eine Anordnung des Schuppens im unmittelbaren westlichen oder südlichen Anschluss an den vorhanden Zufahrtsbereich über das Wohngrundstück des Beigeladenen (Flst. Nr. 177/5) eine zu steile Rampe erforderlich gemacht hätte. Im Übrigen hätten es die Platzverhältnisse ohne weiteres erlaubt, die Zufahrt geschwungen anzulegen, um zusätzlich Höhe abzubauen. Die Topografie des Geländes hätte bei einer Errichtung des Schuppens hinter dem (blauen) Container des Beigeladenen oder westlich der Garage des Klägers auch keine Mehrkosten erfordert. Insbesondere trägt das Argument des Beigeladenen nicht, hierzu wären erhebliche Abgrabungen und Aufschüttungen erforderlich gewesen. Denn nach den im Augenschein getroffenen Feststellungen des Senats mussten auch zur Errichtung des vorhandenen Schuppens Abgrabungen bis zu einer Höhe von etwa 1,20 m vorgenommen werden. Umfänglicherer Abtragungen hätte es auch bei einer anderen Situierung nicht bedurft.
30 
Zum anderen will der Beigeladene mit seinem Hinweis auf die Topografie wohl geltend machen, alle anderen denkbaren Standorte für den Schuppen auf dem Grundstück Flst. Nr. 177 seien von Überschwemmungen bedroht. Diesem Vorbringen vermag der Senat aus mehreren Gründen nicht zu folgen: Hätte er einen näher zu seinem Wohnhaus hin gelegenen Standort gewählt, hätte sich wegen des ansteigenden Geländes die Überschwemmungsgefahr von selbst verringert. Im Übrigen wird diese Gefahr ersichtlich nur vorgeschützt. Denn einerseits stehen in unmittelbarer Nähe des ...baches auf einem tiefer liegenden Terrain als dasjenige des Beigeladenen die beiden Schuppen der Landwirte ... und ... und es spricht nichts dafür, dass diese dort errichtet worden wären, würde tatsächlich ihre Überflutung drohen. Sie wurden zudem zu einer Zeit errichtet, als noch keine Hochwasserrückhaltemaßnahmen am ...bach getroffen worden waren und demgemäß eine Überschwemmungsgefahr - so sie denn bestünde - weit höher gewesen wäre. Andererseits belegen die seitens des Klägers vorgelegten Fotos, dass der Beigeladene am Bachlauf, auf den am tiefsten gelegenen Bereichen des Baugrundstücks selbst umfängliche Holzlagerungen vorgenommen und Maschinen (Kompressor) abgestellt hatte, was er ebenfalls nicht getan hätte, hätte er damit rechnen müssen, dass das Holz fortgeschwemmt und der Kompressor beschädigt werde.
31 
Auch die weiteren Gründe, die der Beigeladene dafür anführt, dass der gewählte Standort für den Schuppen ideal sei, entsprechen ersichtlich nicht der Realität. Das Ziel der Erhaltung des naturbelassenen Bachlaufs mit seinem Baumbestand spricht keinesfalls für die Entscheidung, den Schuppen - zumal mit seiner ganzen Breitseite - exakt vor den Wohnbereich des Klägers zu platzieren. Denn das Baugrundstück grenzt nur mit seiner Nordwestseite an den ...bach. Seine gesamte Tiefe hätte damit für die Errichtung des Bauwerks zur Verfügung gestanden. Ferner ist nicht zu erkennen, dass die „Sickergrube“, die der Beigeladene südlich des Schuppens angelegt hat, für dessen Situierung eine Rolle gespielt haben kann. Denn sie hätte neben jedem anderen Schuppenstandort ebenso angelegt werden können. Auch die Aufnahme- und Durchleitungsfähigkeit des Untergrunds für das anfallende Dachwasser kann keine Rolle gespielt haben. Denn tatsächlich handelt es sich nicht um eine Anlage, die der Versickerung des Niederschlagswassers dient, sondern um ein Überlaufbecken, in dem das Dachwasser zunächst zurückgehalten wird. Schließlich ist das Vorbringen des Beigeladenen, er habe den Schuppen in die Baulinie bestehender Gebäude einfügen wollen, nicht nachvollziehbar. Denn eine (faktische) Baulinie, die den Schuppenstandort mit umfasst, existiert offensichtlich nicht. Eine solche lässt sich weder den vorliegenden Plänen entnehmen, noch hat der Senat bei der Einnahme des Augenscheins eine derartige Linie feststellen können.
32 
Nach allem ist davon auszugehen, dass die Anordnung des streitigen Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers unter Einhaltung (lediglich) des bauordnungsrechtlich einzuhaltenden Minimalabstandes zur gemeinsamen Grundstücksgrenze keinem anderen Zweck dient als der Schädigung des Klägers und ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse des Beigeladenen zugrunde liegt. Sie verstößt damit zulasten des Klägers gegen das Schikaneverbot und damit zugleich gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Unter Abänderung des angefochtenen Urteils ist deshalb der Klage stattzugeben und die für diesen Schuppen erteilte Baugenehmigung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO aufzuheben.
33 
Gründe für eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.
34 
Beschluss
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 63 Abs. 2 GKG in Anlehnung an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004 (VBlBW 2004, 467, 469) auf EUR 7.500,-- festgesetzt.
36 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Gründe

 
24 
Die Berufung des Klägers ist nach ihrer Zulassung im Beschluss des Senats vom 10.1.2008 statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben und die angefochtene Baugenehmigung aufheben müssen, denn sie ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil das genehmigte Bauvorhaben nicht die gebotene Rücksicht auf seine nachbarlichen Rechte nimmt, sondern sich ihm gegenüber als schikanös darstellt.
25 
Der durch die Baugenehmigung zugelassene Schuppen des Beigeladenen hält zwar zum Grundstück des Klägers - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften des § 5 LBO gebotenen Abstandsflächentiefen ein, was grundsätzlich indiziert, dass im Hinblick auf diese Belange auch das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot eingehalten ist, weil diese landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme darstellen (BVerwG, Beschluss vom 6.12.1996 - 4 B 215.96 - ZfBR 1997, 227; Beschluss des Senats vom 12.10.2004 - 8 S 1661/04 - VBlBW 2005, 74). Dies gilt aber nur „grundsätzlich“, was bedeutet, dass Ausnahmen möglich sein müssen, zumal das bauplanungsrechtliche Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht (BVerwG, Beschluss vom 11.1.1999 - 4 B 128.98 - BauR 1999, 615; Urteil vom 31.8.2000 - 4 CN 6.99 - BVerwGE 112, 41; Beschluss des Senats vom 12.10.2004, a. a. O.).
26 
Eine solche Ausnahme greift hier, denn der genehmigte Schuppen verstößt trotz Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften der Landesbauordnung gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) und verletzt damit das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme zulasten des Klägers. Dieses Gebot schützt nach seinem objektivrechtlichen Gehalt die Nachbarschaft vor unzumutbaren Einwirkungen, die von einem Vorhaben ausgehen (BVerwG, Urteil vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - BauR 2007, 674). Eine besondere gesetzliche Ausformung hat es für Vorhaben im Außenbereich wie dem vorliegend streitigen in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen gefunden. Es greift jedoch auch als in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB unbenannter öffentlicher Belang in Fällen Platz, in denen sonstige nachteilige Wirkungen in Rede stehen (BVerwG, Urteile vom 21.1.1983 - 4 C 59.78 - BRS 40 Nr. 199 und vom 18.11.2004 - 4 C 1.04 - UPR 2005, 150). Dazu zählt die Rechtsprechung etwa „optisch bedrängende“ Wirkungen, die von einem Bauvorhaben auf bewohnte Nachbargrundstücke ausgehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - a. a. O. und vom 23.5.1986 - 4 C 34.85 - BRS 46 Nr. 176; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - a. a. O.). Rücksichtslos kann aber auch ein Bauvorhaben sein, das zulasten des betroffenen Nachbarn das auch im öffentlichen Recht geltende Schikaneverbot (vgl. etwa: OVG Saarland, Urteil vom 30.3.1993 - 2 R 17/92 - BRS 55 Nr. 158; Beschluss vom 23.2.2000 - 2 W 2/00 - BRS 63 Nr. 132; OVG NRW, Beschluss vom 12.6.1995 - 7 E 1130/94 - NVwZ-RR 1996, 126) verletzt.
27 
Eine Schikane im Sinne des § 226 BGB liegt vor, wenn die Geltendmachung eines Rechts keinen anderen Zweck haben kann als die Schädigung eines anderen, wenn der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt oder wenn das Recht nur geltend gemacht wird, um ein unlauteres Ziel zu erreichen (BGH, Beschluss vom 9.7.2007 - II ZR 95/06 - juris m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Nach den Feststellungen, die der Senat beim Augenschein im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2008 getroffen hat, hat der Beigeladene mit der Errichtung des Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers in einer Entfernung zur gemeinsamen Grundstücksgrenze, die lediglich der abstandsflächenrechtlich vorgeschriebenen Mindestentfernung entspricht, nur dessen Schädigung bezweckt, ohne damit auch nur entfernt ein eigenes Interesse zu verfolgen. Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgendem:
28 
Der Beigeladene beruft sich zum einen darauf, die räumliche Nähe zu seinem Wohnhaus habe für den gewählten Schuppenstandort gesprochen. Diese Darstellung ist aber kaum nachvollziehbar. Denn wenn er das Ziel verfolgt hätte, den Schuppen - etwa wegen des darin zu lagernden Brennholzes - möglichst nahe an seinem Wohngebäude zu platzieren, so hätte es sich aufdrängen müssen, einen Standort in zentraler Lage des großen Baugrundstücks, z. B. in westlicher Fortsetzung des neben seinem Wohnhaus stehenden (blauen) Containers in dem Bereich zu wählen, in dem heute ein aus dem früheren Dachgiebel seines alten Wohnhauses bestehender Holzschuppen steht. Unter dem Gesichtspunkt seiner Erreichbarkeit auf möglichst kurzem Wege erscheint die nach Südosten abgerückte Situierung des Schuppens dagegen wenig plausibel. Es kommt hinzu, dass seine Ausrichtung in Nord-Süd-Richtung, wodurch er sich riegelartig vor den Wohn- und Terrassenbereich des Klägers stellt, für den Beigeladenen ersichtlich keinerlei Vorteile bietet. Denn schon eine leichte Verschiebung nach Norden und Drehung des Baukörpers, was einen Zugang von Norden her ermöglicht hätte, hätte die Zugangsentfernung vom Wohnhaus des Beigeladenen deutlich verkürzt und zugleich den Wohnbereich des Klägers vor einer den Blick in die freie Landschaft abschottenden Wirkung bewahrt.
29 
Einer solchermaßen die Belange des Klägers schonende und den geltend gemachten Wünschen des Beigeladenen entgegen kommende Anordnung des Schuppens steht auch nicht die Topografie entgegen. Denn das Gelände fällt zum einen von der H. Straße nach Westen nicht so stark ab, dass eine Anordnung des Schuppens im unmittelbaren westlichen oder südlichen Anschluss an den vorhanden Zufahrtsbereich über das Wohngrundstück des Beigeladenen (Flst. Nr. 177/5) eine zu steile Rampe erforderlich gemacht hätte. Im Übrigen hätten es die Platzverhältnisse ohne weiteres erlaubt, die Zufahrt geschwungen anzulegen, um zusätzlich Höhe abzubauen. Die Topografie des Geländes hätte bei einer Errichtung des Schuppens hinter dem (blauen) Container des Beigeladenen oder westlich der Garage des Klägers auch keine Mehrkosten erfordert. Insbesondere trägt das Argument des Beigeladenen nicht, hierzu wären erhebliche Abgrabungen und Aufschüttungen erforderlich gewesen. Denn nach den im Augenschein getroffenen Feststellungen des Senats mussten auch zur Errichtung des vorhandenen Schuppens Abgrabungen bis zu einer Höhe von etwa 1,20 m vorgenommen werden. Umfänglicherer Abtragungen hätte es auch bei einer anderen Situierung nicht bedurft.
30 
Zum anderen will der Beigeladene mit seinem Hinweis auf die Topografie wohl geltend machen, alle anderen denkbaren Standorte für den Schuppen auf dem Grundstück Flst. Nr. 177 seien von Überschwemmungen bedroht. Diesem Vorbringen vermag der Senat aus mehreren Gründen nicht zu folgen: Hätte er einen näher zu seinem Wohnhaus hin gelegenen Standort gewählt, hätte sich wegen des ansteigenden Geländes die Überschwemmungsgefahr von selbst verringert. Im Übrigen wird diese Gefahr ersichtlich nur vorgeschützt. Denn einerseits stehen in unmittelbarer Nähe des ...baches auf einem tiefer liegenden Terrain als dasjenige des Beigeladenen die beiden Schuppen der Landwirte ... und ... und es spricht nichts dafür, dass diese dort errichtet worden wären, würde tatsächlich ihre Überflutung drohen. Sie wurden zudem zu einer Zeit errichtet, als noch keine Hochwasserrückhaltemaßnahmen am ...bach getroffen worden waren und demgemäß eine Überschwemmungsgefahr - so sie denn bestünde - weit höher gewesen wäre. Andererseits belegen die seitens des Klägers vorgelegten Fotos, dass der Beigeladene am Bachlauf, auf den am tiefsten gelegenen Bereichen des Baugrundstücks selbst umfängliche Holzlagerungen vorgenommen und Maschinen (Kompressor) abgestellt hatte, was er ebenfalls nicht getan hätte, hätte er damit rechnen müssen, dass das Holz fortgeschwemmt und der Kompressor beschädigt werde.
31 
Auch die weiteren Gründe, die der Beigeladene dafür anführt, dass der gewählte Standort für den Schuppen ideal sei, entsprechen ersichtlich nicht der Realität. Das Ziel der Erhaltung des naturbelassenen Bachlaufs mit seinem Baumbestand spricht keinesfalls für die Entscheidung, den Schuppen - zumal mit seiner ganzen Breitseite - exakt vor den Wohnbereich des Klägers zu platzieren. Denn das Baugrundstück grenzt nur mit seiner Nordwestseite an den ...bach. Seine gesamte Tiefe hätte damit für die Errichtung des Bauwerks zur Verfügung gestanden. Ferner ist nicht zu erkennen, dass die „Sickergrube“, die der Beigeladene südlich des Schuppens angelegt hat, für dessen Situierung eine Rolle gespielt haben kann. Denn sie hätte neben jedem anderen Schuppenstandort ebenso angelegt werden können. Auch die Aufnahme- und Durchleitungsfähigkeit des Untergrunds für das anfallende Dachwasser kann keine Rolle gespielt haben. Denn tatsächlich handelt es sich nicht um eine Anlage, die der Versickerung des Niederschlagswassers dient, sondern um ein Überlaufbecken, in dem das Dachwasser zunächst zurückgehalten wird. Schließlich ist das Vorbringen des Beigeladenen, er habe den Schuppen in die Baulinie bestehender Gebäude einfügen wollen, nicht nachvollziehbar. Denn eine (faktische) Baulinie, die den Schuppenstandort mit umfasst, existiert offensichtlich nicht. Eine solche lässt sich weder den vorliegenden Plänen entnehmen, noch hat der Senat bei der Einnahme des Augenscheins eine derartige Linie feststellen können.
32 
Nach allem ist davon auszugehen, dass die Anordnung des streitigen Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers unter Einhaltung (lediglich) des bauordnungsrechtlich einzuhaltenden Minimalabstandes zur gemeinsamen Grundstücksgrenze keinem anderen Zweck dient als der Schädigung des Klägers und ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse des Beigeladenen zugrunde liegt. Sie verstößt damit zulasten des Klägers gegen das Schikaneverbot und damit zugleich gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Unter Abänderung des angefochtenen Urteils ist deshalb der Klage stattzugeben und die für diesen Schuppen erteilte Baugenehmigung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO aufzuheben.
33 
Gründe für eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.
34 
Beschluss
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 63 Abs. 2 GKG in Anlehnung an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004 (VBlBW 2004, 467, 469) auf EUR 7.500,-- festgesetzt.
36 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2007 - 2 K 3669/07 - geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 14. Mai 2007 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behält.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die fristgerecht eingelegte und begründete sowie inhaltlich den Anforderungen des § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO entsprechende Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23.7.2007 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Anders als das Verwaltungsgericht misst der Senat bei der vorliegend gebotenen Interessenabwägung dem Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung vom 14.5.2007 zwecks Verhinderung vollendeter Tatsachen Vorrang bei vor dem Interesse der Beigeladenen und der Antragsgegnerin, von der Baugenehmigung - dem gesetzlichen Regelfall entsprechend - sofortigen Gebrauch machen zu dürfen (vgl. §§ 80 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 80 Abs. 5 S. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212 a BauGB). Die Baugenehmigung gestattet die Errichtung eines Neubaus mit 15 Wohnungen und einer Gewerbeeinheit - bestehend aus einem langgestreckten Gebäude an der ... ... (Haus 1) und einem rechtwinklig angebauten Gebäude an der ... (Haus 2) sowie einer Tiefgarage mit Zufahrt für 19 Stellplätze. Nach derzeitigem - unvollständigem - Erkenntnisstand erscheint es durchaus denkbar, dass dieses Vorhaben gegen Vorschriften des Planungsrechts (Gebot der Rücksichtnahme) und des Bauordnungsrechts (§ 37 Abs. 7 LBO) verstößt, die (auch) dem Schutz der Antragsteller dienen, die Eigentümer eines westlich an das Baugrundstück an der... angrenzenden Wohngrundstücks sind. Diesbezügliche Einwendungen haben die Antragsteller im Baugenehmigungsverfahren auch rechtzeitig innerhalb der Frist des § 55 Abs. 2 S. 1 LBO erhoben.
I.
Bauplanungsrechtlich überschreitet das genehmigte Vorhaben in mehrfacher Hinsicht erheblich die Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans „Oscar-Parett-Straße“ vom 17.11.1987 zum Maß der baulichen Nutzung. Überschritten wird zunächst die Zahl der zulässigen Vollgeschosse. Der Bebauungsplan lässt höchstens (zwingend) zwei Vollgeschosse zu, während das Gebäude an der ... ... (Haus 1) dreigeschossig (mit Keller- und Dachgeschoss) ausgeführt ist und das - insofern wohl eigenständig zu beurteilende - Gebäude an der ... (Haus 2) wohl vier Vollgeschosse (zuzüglich eines Dachgeschosses mit weiteren Wohnungen) aufweist, da das „Untergeschoss“ mit der Gewerbeeinheit auf Grund der Topographie wohl die Voraussetzungen eines Vollgeschosses nach § 18 BauNVO 1977 i.V.m. § 1 Abs. 5 LBO 1983 erfüllen dürfte (vgl. dazu die Pläne „Ansicht Nord“ und „Schnitt B-B“; zur statischen Verweisung auf die LBO beim Vollgeschossbegriffs der BauNVO vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.1.1999 - 8 S 19/99 -, VBlBW 1999, 268). Von vier Vollgeschossen in diesem Bereich geht auch die Antragsgegnerin selbst aus (vgl. die baurechtliche Beurteilung der Verwaltung in der Vorlage für den Ausschuss für Umwelt und Technik des Gemeinderats vom 1.12.2006, Bl. 22 d.A.). Massiv überschritten wird ferner die nach dem Bebauungsplan zulässige Geschossfläche. Während der Bebauungsplan (auf der Grundlage einer GFZ von höchstens 1,2) auf dem Baugrundstück nur 1.176 qm erlaubt, nimmt das genehmigte Gebäude auf Grund seiner Grundfläche und der erhöhten Geschosszahl schon nach den Berechnungen der Beigeladenen eine Geschossfläche von 1.118 qm in Anspruch. Dies entspricht einer Überschreitung der zulässigen Grenze von 55 %, wobei die wirkliche Geschossfläche und der Überschreitungsquotient noch höher liegen dürften, da die Antragsgegnerin bei ihrer Berechnung von insgesamt nur drei Vollgeschossen ausgegangen ist.
1. Der Senat hat angesichts dessen gewichtige Zweifel, ob die Befreiungen, welche die Antragsgegnerin ohne nähere Begründung „gemäß § 31 Abs. 2 BauGB“ in erster Linie zwecks Umsetzung eines kommunalpolitisch erwünschten städtebaulichen Wettbewerbsentwurfs erteilt hat, sich noch im Rahmen der Grundzüge der Planung des Bebauungsplans „Oscar-Parett-Straße“ vom 17.11.1987 halten - wobei es insofern auf die Vorstellungen des Plangebers beim Satzungsbeschluss ankommt (vgl. Urteil des Senats vom 13.6.2007 - 3 S 881/06 -, VBlBW 2007, 385) -, und ob sie ermessensfehlerfrei sind. Zwar können sich die Antragsteller auf eine derartige objektive Rechtswidrigkeit der Befreiungen nicht unmittelbar berufen, da die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, von denen befreit worden ist, mangels erkennbarer gegenteiliger Absicht des Plangebers wohl - wie regelmäßig - allgemeinen städtebaulichen Interessen und nicht gezielt auch dem Schutz der Gebietsanlieger dienen sollen (vgl. dazu etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 5.11.1995 - 3 S 3096/94 -, BauR 1995, 512; zum fehlenden Nachbarschutz des § 31 Abs. 2 BauGB in solchen Fällen vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.7.1998 - 4 B 64.98 -, BauR 1998, 1206; ebenso Urteile vom 19.9.1986 - 4 C 8.84 -, BauR 1987, 70 und vom 10.12.1982 - 4 C 49.79 -, DVBl. 1983, 348). § 31 Abs. 2 BauGB entfaltet drittschützende Wirkung aber mit dem Gebot der Würdigung nachbarlicher Interessen. Befreiungen verletzen den Nachbarn in seinen Rechten, sofern er handgreiflich betroffen ist und die Behörde seinen Interessen nicht die gebotene Beachtung schenkt. Dies ist nach Maßgabe der Kriterien des Gebots der Rücksichtnahme in seiner nachbarschützenden Ausprägung zu beurteilen. Ob sich ein Vorhaben danach rücksichtslos, d.h. unzumutbar auswirkt, ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls - insbesondere der tatsächlichen und rechtlichen Vorbelastung der Grundstücke und des Gebiets, der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Bauherrn und des Nachbarn sowie der Art und Intensität aller in Betracht kommenden städtebaulich relevanten Nachteile zu beurteilen (st. Rspr. des Senats, vgl. bereits Beschluss vom 16.2.1990 - 3 S 155/90 -, Juris). Art und Ausmaß einer „rücksichtslosen“ Betroffenheit lassen sich demgemäß nicht statisch-absolut festlegen, sondern enthalten jeweils auch relativ-wertende Elemente. Bei dieser Bewertung kommt der objektiven Rechtmäßigkeit des betreffenden Vorhabens sowie seiner regel- oder nur ausnahmsweisen Zulässigkeit Bedeutung zu. So tritt Drittschutz des Rücksichtnahmegebots nur selten ein, wo eine Baugenehmigung im Einklang mit den Festsetzungen des Bebauungsplans steht; solcher Drittschutz kommt aber eher zum Zug, wo die Baugenehmigung - wie hier und zudem in rechtlich nicht unbedenklicher Weise - von nicht nachbarschützenden Festsetzungen im Wege einer Ausnahme oder Befreiung abweicht. Die Interessen des Nachbarn gewinnen dann auch nach der Rechtsprechung des Bundesveraltungsgerichts größeres Gewicht. Der Nachbar kann umso mehr an Rücksichtnahme verlangen, je empfindlicher seine Stellung durch die planabweichende Nutzung berührt wird und je schutzwürdiger er diesbezüglich ist. Umgekehrt braucht der Bauherr umso weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher, unabweisbarer und rechtlich schutzwürdiger seine Interessen sind. Daraus können sich für befreiungs- und nicht befreiungsbedürftige Vorhaben unterschiedliche Anforderungen an den Drittschutz ergeben (vgl. BVerwG, Urteile vom 19.9.1986 - 4 C 8.84 -, NVwZ 1987, 409, und vom 6.10.1989 - 4 C 14.87 -, NJW 1990, 1192 = DVBl. 1990, 205). Handelt es sich um ein befreiungsbedürftiges und zudem möglicherweise nicht befreiungsfähiges Vorhaben, so kann die Schwelle rücksichtsloser Betroffenheit des Nachbarn schon bei Nachteilen von etwas geringerer Intensität erreicht sein als dann, wenn das beanstandete Vorhaben mit den Regelfestsetzungen des betreffenden Bebauungsplans übereinstimmt (vgl. Beschluss des Senats vom 16.2.1990 - 3 S 155/90 -, Juris).
2. Gemessen daran kommt zumindest nach derzeitigem Erkenntnisstand in Betracht, dass es die Antragsgegnerin bei der Erteilung der Baugenehmigung unter tiefgreifenden Befreiungen an der gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen der Antragsteller hat fehlen lassen. Durch die genehmigte Erhöhung der Vollgeschosse von zwei auf drei bzw. vier Vollgeschossen nimmt die streitige Wohnanlage erheblich an Höhe zu. So erreicht das Gebäude an der ... (Haus 2) auf der dem Grundstück der Antragsteller zugewandten Westseite eine Traufhöhe von 13 bis 14 m und eine Giebelhöhe von 16 bis 17 m (vgl. die unterschiedlichen Höhen in den Plänen „Schnitt B-B“ und „Ansicht Nord“ sowie „Ansicht West“). Genaue Höhenangaben sind nicht möglich, da es an den gebotenen Vermaßungen in den Plänen fehlt. Bei plankonformer Bebauung mit nur zwei Vollgeschossen wäre die Gebäudehöhe um einige Meter geringer. Die Zulassung von drei bzw. vier Vollgeschossen (zuzüglich des Dachgeschosses) bei gleichzeitiger massiver Überschreitung der zulässigen Geschoßfläche führt ferner dazu, dass sich die Zahl der im Gesamtgebäude unterzubringenden Wohnungen (im 1. OG sind 7, im 2. OG sind 6 Wohneinheiten vorgesehen) und als Folge davon die Zahl der notwendigen Stellplätze und damit auch die Anzahl der Fahrbewegungen über die Tiefgarageneinfahrt deutlich erhöht.
Sowohl die befreiungsbedingte Gebäudeerhöhung und -massierung als auch die Zunahme der Fahrbewegungen wirken sich für die Antragsteller nachteilig aus. Nach ihrem Vorbringen und den Eintragungen im Bebauungsplan ist davon auszugehen, dass ihr Wohnhaus lediglich eingeschossig errichtet ist und daher zum ihnen viergeschossig gegenübertretenden „Haus 2“ eine erhebliche Höhendisparität besteht. Deutliche Unterschiede dürften auch in der Bebauungstiefe des klägerischen Wohnhauses und dem ihm gegenüberliegenden Vorhaben bestehen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass wohl sämtliche Fenster des Wohnhauses der Antragsteller nach Osten (zum Vorhaben hin) ausgerichtet sind und dass das Wohnhaus nur wenig mehr als 1 m von der Grundstücksgrenze und der hieran unmittelbar anschließenden Tiefgaragenzufahrt entfernt liegt. Bei dieser Sachlage kommt jedenfalls nach gegenwärtigem Erkenntnisstand in Betracht, dass von dem Gebäude an der ... (Haus 2) eine optisch erdrückende Wirkung auf das Wohnhaus und das Grundstück der Antragsteller ausgeht und dass zum anderen die unmittelbar an der Grundstücksgrenze genehmigte Tiefgaragenzufahrt zu den 19 Stellplätzen im Untergeschoss zu einer als rücksichtslos einzustufenden Lärmbetroffenheit der Antragsteller führt. Zwar lässt sich - trotz Fehlens der erforderlichen Abstandsflächenberechnung - feststellen, dass das Haus 2 - bei einer Wandhöhe von mindestens 13 m und einem Grenzabstand von ca. 5 m - jedenfalls die nachbarschützende Abstandsflächentiefe im hier festgesetzten Besonderen Wohngebiet einhält (zur Bemessung vgl. § 5 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 und S. 3 LBO). Dies schließt eine unzumutbare Betroffenheit der Antragsteller wegen erdrückender Wirkung des Baukörpers des Vorhabens in dessen nicht aus. Zwar konkretisieren die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächentiefen grundsätzlich auch im Rahmen des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots die Grenzen eines hinsichtlich Belichtung, Belüftung, Besonnung und Einsichtnahme gebotenen Mindestschutzes (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.11.1984 - 4 B 244.84 -, NVwZ 1985, 653; Beschluss vom 6.12.1996 - 4 B 215.96 -, NVwZ-RR 1997, 516; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.11.1993 - 3 S 2603/93 -, Juris). Dieser Grundsatz lässt je nach Lage im Einzelfall aber Ausnahmen selbst hinsichtlich dieser durch die Abstandsflächenbestimmungen geschützten nachbarlichen Belange zu. Er ist im Hinblick auf den vom Schutzbereich der §§ 5 ff. LBO nicht erfassten Belang der optisch erdrückenden Wirkung eines Vorhabens, der an planungsrechtliche Kriterien (Maß der baulichen Nutzung, Größe des Baukörpers) anknüpft, aber schon nicht anwendbar (so BVerwG, Urteil vom 23.5.1986 - 4 C 34.85 -, NVwZ 1987, 34, 35).
3. Ob sich das Verdikt einer unzumutbar erdrückenden Wirkung des Vorhabens (vornehmlich Haus 2) für das Wohnhaus und Grundstück der Antragsteller bei einer abschließenden Prüfung aufrechterhalten lässt, muss im vorliegenden Verfahren offen bleiben. Dies auch deswegen, weil eine umfassende Beurteilung der maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse derzeit schon nicht möglich ist. Dem steht entgegen, dass die genehmigten Pläne, worauf auch die Antragsteller zutreffend hinweisen, in mehrfacher Hinsicht unvollständig sind. So sind insbesondere weder die genauen Höhenmaße des Hauses 2 auf der Westseite angegeben, noch ist in den Plänen wohl die richtige Grundfläche des Wohnhauses der Antragsteller eingezeichnet. Völlig fehlen zudem Angaben zur Trauf- und zur Giebelhöhe des Wohnhauses der Antragsteller sowie Bauvorlagen, die den Blick sowohl auf Haus 2 als auch auf das Wohnhaus der Antragsteller zeigen und damit einen Vergleich der Gebäudehöhen und -dimensionen erst möglich machen. Derartige Darstellungen sind jedoch erforderlich und auch vorgeschrieben, um gesicherte Beurteilungsgrundlagen für die Rechtmäßigkeit (Nachbarverträglichkeit) des Vorhabens gewinnen zu können (zu den insofern notwendigen Bauvorlagen vgl. § 52 Abs. 1 LBO i.V.m. § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 und § 6 Abs. 2 Nr. 3 LBO-VVO). Auf das Fehlen dieser erforderlichen Angaben können die Antragsteller sich berufen. Denn Regelungen über die Anforderungen an Bauvorlagen entfalten nach der Rechtsprechung des Senats dann eine nachbarschützende Wirkung, wenn wegen der Unvollständigkeit der Bauvorlagen eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften nicht geprüft oder jedenfalls nicht zuverlässig ausgeschlossen werden kann (vgl. Beschluss vom 9.8.2005 - 3 S 1216/05 -, VBlBW 2005, 480; im Ergebnis ebenso VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.2.2007 - 5 S 2826/06 -, VBlBW 2007, 383). Die Antragsteller müssen sich entgegen dem Verwaltungsgericht für die Beurteilung ihrer aktuellen Betroffenheit auch nicht darauf verweisen lassen, dass sie nach dem Bebauungsplan ihr Grundstück auch stärker ausnutzen und zweigeschossig bebauen dürften. Den Antragstellern kann angesichts der besonderen Verhältnisse wohl auch nicht schutzmindernd entgegengehalten werden, dass ihr Wohnhaus in geringem Abstand zur Grenze errichtet ist. Denn ihr Wohnhaus war bereits bei Erlass des Bebauungsplans vorhanden und liegt wohl noch innerhalb des im Bebauungsplan grenznah festgesetzten Baufensters.
4. Nach Lage der Dinge hält der Senat auch einen Verstoß der Tiefgaragenzufahrt zu Lasten der Antragsteller gegen das Gebot der Rücksichtnahme für möglich, ohne dass auch insoweit eine abschließende Beurteilung getroffen werden kann. Insoweit wird auf die nachfolgenden Ausführungen zu II. verwiesen.
II.
Bauordnungsrechtlich kommt ein Verstoß der genehmigten Tiefgaragenzufahrt zu 19 Stellplätzen gegen die nachbarschützende Bestimmung des § 37 Abs. 7 LBO in Betracht. Danach sind Stellplätze einschließlich der Zufahrten so anzuordnen und einzurichten, dass u.a. das Wohnen und Arbeiten durch Lärm, Abgase und Gerüche nicht erheblich, d.h. unzumutbar gestört werden. Was erheblich ist, ist auch hier - spiegelbildlich zum und in Konkretisierung des Rücksichtnahmegebots - nach den tatsächlichen und rechtlichen Umständen des Einzelfalls (tatsächliche und rechtliche Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit, Intensität der Beeinträchtigung) zu entscheiden. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Nutzung von und die Zufahrt zu - wie hier - nach § 37 Abs. 1 LBO bedarfsnotwendigen Stellplätzen in Wohngebieten keine erheblichen, billigerweise nicht mehr zumutbaren Störungen hervorrufen (st.Rspr., vgl. Nachweise bei Sauter, LBO, § 37 Rdnr. 111). Auch dieser Grundsatz hat jedoch Ausnahmen. Eine solche Ausnahme ist vorliegend in Erwägung zu ziehen. Zunächst ist, wie dargelegt, zu berücksichtigen, dass die genehmigte Nutzungsfrequenz (Zu- und Abfahrten zu 19 Stellplätzen) zu einem erheblichen Teil Folge der durch die Befreiungen gestatteten höheren Ausnutzbarkeit des Baugrundstücks ist. Ferner ist der die Antragsteller einseitig belastende Standort der Zufahrt in Rechnung zu stellen. Die Zufahrt soll unmittelbar an der Grenze und im Abstand von lediglich 1 bis 2 m vom Wohnhaus der Antragsteller entfernt angelegt werden, wobei wohl sämtliche Fenster sich in der Ostwand befinden und daher der Zufahrt zugewandt sind. Schließlich ist nach den Plänen auch der eigentliche Zufahrtsbereich bis zum Beginn der Rampe nach oben hin offen und gar nicht (so der Eindruck im Plan „Ansicht West“) bzw. allenfalls mit einer niedrigen Mauer nach Westen hin abgeschirmt (so wohl im Plan „Grundriss KG“). Eine nennenswerte Minderung der Zu- und Abfahrtsgeräusche im Einfahrtsbereich für das Wohnhaus der Antragsteller dürfte mit diesen Maßnahmen nicht verbunden sein. Endlich stellt sich die Frage, ob die beigeladene Bauherrin gerade auf den gewählten, einseitig die Antragsteller belastenden Einfahrtsstandort von der ... aus angewiesen ist, ob sich dieser Standort im öffentlichen Interesse aufdrängt oder ob - gegebenenfalls auch unter gewissen Einbußen an Ausnutzbarkeit des Baugrundstücks - nachbarschonendere Planungsalternativen zur Verfügung stehen. Solche Alternativen vermag der Senat nach derzeitigem Erkenntnisstand jedenfalls nicht auszuschließen. In Betracht käme zum einen die Anlegung einer Zufahrt über die ... .... Von dieser Straße aus werden ersichtlich auch die übrigen Anliegergrundstücke angefahren und es erscheint denkbar, dass die Zufahrt zu dem genehmigten Mehrfamilienhaus auch in einer mit der Verkehrssicherheit vereinbarenden Weise angelegt werden könnte. Diese Möglichkeit ist durch die bisher sehr vagen Gegenargumente der Antragsgegnerin nicht widerlegt. Als weitere Alternative wäre zumindest erwägenswert, ob die Zufahrt von Westen her über die im Zuge des Bebauungsplans „Oscar-Parett-Straße“ zur Erschließung des rückwärtigen Gebiets angelegten Straßen erfolgen kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, 3 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 63 Abs. 2 S. 1, 47 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
10 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Hält die Behörde den Widerspruch für begründet, so hilft sie ihm ab und entscheidet über die Kosten.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

Hält die Behörde den Widerspruch für begründet, so hilft sie ihm ab und entscheidet über die Kosten.

§ 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 bis 4 sowie § 49 Abs. 2 bis 4 und 6 gelten nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch oder der Klage abgeholfen wird.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

§ 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 bis 4 sowie § 49 Abs. 2 bis 4 und 6 gelten nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch oder der Klage abgeholfen wird.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

Hält die Behörde den Widerspruch für begründet, so hilft sie ihm ab und entscheidet über die Kosten.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Hält die Behörde den Widerspruch für begründet, so hilft sie ihm ab und entscheidet über die Kosten.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. Die Beigeladenen zu 2 bis zu 28 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die im Rahmen von Nachbarwiderspruchsverfahren erfolgte Aufhebung der ihr erteilten Baugenehmigung für die Errichtung eines Krematoriums ohne Abschiedsraum.
Die Klägerin ist Eigentümerin der Baugrundstücke Flst.-Nr. 10677 und 10677/1 in XXX. Die Grundstücke wurden ihr von der Beklagten zur Errichtung eines Krematoriums veräußert (AS 89). Der Beigeladene zu 1 ist Eigentümer des zu Wohnzwecken und gewerblich genutzten Grundstücks Flst.-Nr. 10679 in XXX. Er stellt dort seit dem Jahr 2008 Honigwein (Met) her und füllt Schnaps ab. Die Beigeladenen zu 2 und 3 sind die Eltern des Beigeladenen zu 1 und arbeiten in dem Betrieb mit. Das Grundstück Flst.-Nr. 10679 liegt westlich der Baugrundstücke. Zwischen den Grundstücken verläuft eine Straße, die u.a. auch zum südlich gelegenen Friedhof von XXX führt. Das östlich angrenzende Grundstück ist noch unbebaut. Auf dem ebenfalls im Plangebiet und östlich von den Baugrundstücken gelegenen Grundstück Flst.-Nr. 1067 befindet sich seit dem Jahr 2008 der metallverarbeitende Betrieb des Beigeladenen zu 5.
Die genannten Grundstücke liegen sämtlich im Geltungsbereich des am 03.05.2002 in Kraft getretenen Bebauungsplans „XXX“, der das circa 16 ha große Plangebiet als eingeschränktes Gewerbegebiet (GEe) ausweist. Nach seinen schriftlichen Festsetzungen unter Ziffer 1.1 sind im gesamten Plangebiet Lagerhäuser, Lagerplätze, Speditionsbetriebe aller Art, Tankstellen, Anlagen für sportliche, kirchliche, soziale und kulturelle Zwecke sowie Vergnügungsstätten und Handelsbetriebe jeglicher Art nicht zulässig. Das Plangebiet liegt nördlich des Friedhofs des Ortsteils XXX, östlich der Landstraße L XXX und südlich der Autobahn BAB 6 bzw. der Autobahnanschlussstelle XXX für die Bundesstraße B XX und der Landesstraße L XXX. Aus der Begründung des Bebauungsplans ergibt sich, dass die Ausweisung eines eingeschränkten Gewerbegebiets aufgrund der hydrogeologischen Verhältnisse erfolgte.
Am 16.12.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Krematoriums auf ihren oben genannten Baugrundstücken im Plangebiet. Nach den eingereichten Plänen war neben den technischen Anlagen auch ein Abschiedsraum vorgesehen. Sie legte eine Garantieerklärung des Lieferanten der Kaminanlage, der XXX vom 03.12.2008, vor, wonach von dem geplanten Krematorium die Grenzwerte der 27. BImSchV eingehalten werden.
Mit Schreiben vom 18.12.2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass das geplante Vorhaben nach den derzeitigen Festsetzungen des Bebauungsplans „XXX“ nicht zulässig sei und auch im Wege einer Befreiung nicht zugelassen werden könne.
Mit Bescheid vom 18.03.2009 erteilte die Beklagte der Klägerin die beantragte Baugenehmigung unter Befreiung gem. § 31 Abs.2 BauGB von der Art der baulichen Nutzung zur Errichtung einer Anlage für kulturelle Zwecke gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Gleichzeitig erteilte sie auch die Genehmigung zum Betrieb einer Feuerbestattungsanlage nach § 17 Bestattungsgesetz. Nr. 18 der Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung regelt, dass die 27. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) und die Regelungen des Bestattungsgesetzes und der Bestattungsverordnung einzuhalten sind. In der verwaltungsinternen Stellungnahme des Bauverwaltungsamtes vom 18.03.2009 wird zur Befreiung ausgeführt: Die Befreiung werde im Vorgriff auf die zu erwartende Änderung des Bebauungsplans erteilt, da die Voraussetzungen von § 33 BauGB noch nicht vorlägen. Der geplante Standort sei wegen der Nähe des Friedhofs geradezu ideal. Im Gewerbegebiet habe sich bisher nur eine Brennerei angesiedelt, von der keine Störung und Belästigung ausgehe, die die Würde der Toten oder die Pietät verletze. Für das östlich angrenzende Grundstück habe die Beklagte eine Option, dieses Grundstück vorrangig erwerben zu können, so dass die Ansiedelung eines Gewerbes von der Beklagten gesteuert werden könne.
Mit Schreiben u.a. vom 27.04.2009, vom 05.05.2009 und vom 14.05.2009 erhoben die Beigeladenen mit inhaltlich identischen Schreiben Widerspruch gegen die Baugenehmigung zum Neubau des Krematoriums. Beanstandet wurde u.a. das Entstehen stark toxischer Filterstäube. Die Beigeladenen zu 6 bis zu 28 sind im südlich des Plangebiets gelegenen Wohngebiet wohnhaft.
Mit Bescheiden der Beklagten vom 23.04.2009 und 08.05.2009 wurde die Teilbaufreigabe zur Gründung der Bodenplatte ohne Kaminfundamente und für die Errichtung von Mauerwerkswänden im Erdgeschoß erteilt und die statische Berechnung genehmigt. Mit Verfügung vom 28.05.2009 ergänzte die Beklagte gemäß § 58 Abs. 6 LBO die Baugenehmigung vom 18.03.2009 und die Nebenbestimmung Ziffer 18 und legte fest, welche Emissionsgrenzwerte nach der 27. BImSchVO nicht überschritten werden dürfen. Die Klägerin begann daraufhin mit den Bauarbeiten.
Am 22.06.2009 stellte die Klägerin einen Antrag auf Abänderung der Baugenehmigung dahingehend, dass der bisher zur Nutzung als Abschiedsraum genehmigte Raum als Besprechungsraum genehmigt wird. Die Änderungs-/Nachtragsbaugenehmigung wurde der Klägerin am 23.06.2009 erteilt. Der Beigeladene zu 1 legte hiergegen mit Schreiben vom 10.07.2009 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass selbst bei Verzicht auf den vormals genehmigten Abschiedsraum das Vorhaben planungsrechtlich unzulässig sei.
10 
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe (1 K 1111/09) ordnete durch rechtskräftigen Beschluss vom 23.06.2009 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Beigeladenen zu 1 wegen einer Verletzung des Gebietswahrungsanspruchs des Beigeladenen durch die erteilte Baugenehmigung an. Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes der Beigeladenen zu 2 und zu 3 lehnte das Verwaltungsgericht Karlsruhe (1 K 1111/09) mit der Begründung ab, auf den Gebietswahrungsanspruch könnten sich nur Eigentümer berufen. Weder ihrem Vortrag noch den Bauakten lasse sich entnehmen, dass der Betrieb einer Feuerbestattungsanlage für die Nachbarschaft gesundheitsgefährdend sei, wenn sämtliche ordnungspolizeirechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten würden. Hiervon sei auszugehen, zumal die streitbefangene Baugenehmigung entsprechende Auflagen beinhalte, deren Einhaltung jederzeit überprüfbar sei. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes der Beigeladenen zu 10, die außerhalb des Plangebiets wohnt, wurde durch Beschluss vom 29.07.2009 (1 K 1199/09) mit der Begründung abgelehnt, es könne keine Rede davon sein, dass das Vorhaben in einem Ausmaß gegen die allgemeinen Anforderungen an bauliche Anlagen verstoße, dass auch noch weit entfernt wohnende Nachbarn wie die Antragstellerin um Leben, Gesundheit oder ihre natürlichen Lebensgrundlagen fürchten müssten.
11 
Das Regierungspräsidium Karlsruhe teilte der Beklagten mit Schreiben vom 03.07.2009 mit, die Baugenehmigung sei rechtswidrig, weil sie nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts verletze und sei deshalb aufzuheben. Dem Widerspruch des Eigentümers des Nachbargrundstücks sei abzuhelfen.
12 
Mit Bescheid vom 04.08.2009, der mit einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehen war, hob die Beklagte die Baugenehmigung vom 18.03.2009 einschließlich der Nachtragsbaugenehmigung vom 23.06.2009 auf. Mit Schreiben vom 04.08.2009 an die anderen Beigeladenen wurde diesen eine Mehrfertigung der „Rücknahme der Baugenehmigung“ vom 04.08.2009 übersandt und mitgeteilt, dass ihrem Widerspruch gegen die erteilte Baugenehmigung abgeholfen werde.
13 
Der inhaltlich mit dem Bescheid vom 04.08.2009 übereinstimmende Abhilfebescheid der Beklagten vom 22.09.2009 mit einer korrigierten Rechtsmittelbelehrung wurde der Klägerin am 24.09.2009 zugestellt. Zur Begründung wurde ausgeführt: Die erteilte Baugenehmigung sei rechtswidrig, weil sie den Nachbarn schützende Vorschriften des Bauplanungsrechts verletze. Die im Zusammenhang mit der Baugenehmigung erteilte Befreiung verstoße gegen die Grundzüge der Planung und sei somit unzulässig. Die Baugenehmigung sei deshalb rechtswidrig und dem Widerspruch daher abzuhelfen.
14 
Die Klägerin hat am Montag, den 26.10.2009 Klage erhoben. Sie beantragt,
15 
den Abhilfebescheid der Beklagten vom 22.09.2009 in Verbindung mit den den Beigeladenen zugestellten Abhilfebescheiden aufzuheben.
16 
Zur Begründung wird ausgeführt: Ein Krematorium ohne Pietätshalle sei als nicht erheblich belästigender Gewerbebetrieb gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts handele es sich bei einem von einem Privaten mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenen Krematorium um einen Gewerbebetrieb. Sinn der Gebietsfestsetzung sei es, bodenrechtliche Spannungen zu vermeiden. Sofern das Betreiben eines Krematoriums auch bestattungsrechtlichen Anforderungen entsprechen müsse, könne dies bei der Erteilung der Genehmigung berücksichtigt werden. Dem Nachbarn sei es jedoch versagt, sich erfolgreich auf Verstöße gegen das Bestattungsgesetz Baden-Württemberg zu berufen. Im Übrigen kämen vorliegend Verstöße gegen die entsprechenden Anforderungen nicht in Betracht. Aufgrund des beabsichtigten Abschlusses eines Nutzungsvertrages bezüglich der in unmittelbarer Nähe befindlichen gemeindlichen Trauerhalle seien dort sowohl Zeremonien durchführbar als auch im Bedarfsfalle Möglichkeiten gegeben, den Hinterbliebenen für die Zeit des Verbrennungsvorganges Räumlichkeiten der inneren Einkehr zu bieten. Die räumliche Trennung zwischen einer Feuerbestattung und der Bestattungszeremonie sei seit der Entstehung von Krematorien von Beginn an vollzogen worden und stelle aufgrund der technischen Abläufe den wesentlichen Unterschied zu einer Erdbestattung dar. Regelmäßig wohnten Angehörige der Verbrennung unmittelbar räumlich nicht bei. Es löse heute kein Befremden mehr aus, dass der letzte Gang in einer würdigen Trauerfeierlichkeit und Beisetzung bestehe, die Einäscherung dagegen in einem pietätvoll eingerichteten Krematorium mit Lage in einem Gewerbegebiet.
17 
Ausgehend von der Annahme, bei einem Krematorium mit Trauerhalle handele es sich um eine "Anlage für kulturelle Zwecke", habe die Beklagte rechtmäßig Befreiung von der im Bebauungsplan vorgesehenen einschränkenden Festsetzung erteilt. Die streitgegenständliche Anlage und deren Ausschluss seien nicht vom seinerzeitigen Planungswillen getragen gewesen. Der Normzweck der Festsetzung sei die Wahrung möglichst geringfügiger Belästigungen. Diesem Normzweck werde genügt. Ein Krematorium mit einer Trauerhalle verursache keine erheblichen Belästigungen. Zudem habe sich das Rechtsverständnis des Begriffs "kulturelle Anlage" verändert. Zum Zeitpunkt der Festsetzung sei der heutige Inhalt des Begriffs nicht bekannt gewesen.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Sie nimmt Bezug auf die Begründung ihrer Abhilfeentscheidung und die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Karlsruhe in seinen Beschlüssen vom 23.06.2009 und 29.07.2009.
21 
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
22 
die Klage abzuweisen.
23 
Die Beigeladenen zu 2 bis zu 28 haben keine Anträge gestellt.
24 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, im Übrigen auf die vorgelegten Baurechtsakten (3 Bände) sowie auf die vorgelegten Akten zum Bebauungsplan „ XXX“ verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die Klage ist zulässig.
26 
Die Klägerin begehrt die Aufhebung der ihr und den Beigeladenen zugestellten Abhilfeentscheidung der Beklagten, mit der diese die Baugenehmigung vom 18.03.2009 i.d.F. der Änderungsbaugenehmigung vom 23.06.2009 aufgehoben hat. Mit der damit erhobenen Anfechtungsklage wurde die Monatsfrist des § 74 Abs.1 S.2 VwGO gewahrt (§ 57 VwGO, § 222 Abs.1 und Abs. 2 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2. 193 BGB). Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22.09.2009 wurde der Klägerin am 24.09.2009 zugestellt. Fristbeginn war daher der 25.09.2009 und Fristende Samstag, der 24.10.2009; die Klage wurde am darauffolgenden Montag, dem nächsten Werktag und damit rechtzeitig erhoben. Die Anfechtungsklage ist auch ohne Durchführung eines Widerspruchsverfahrens zulässig. Gemäß § 68 Abs.1 Satz 1 Nr.2 VwGO bedarf es keiner Überprüfung des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren, wenn ihr Gegenstand ein Abhilfebescheid ist, der erstmalig eine Beschwer enthält. Bei dem Bescheid der Beklagten vom 22.09.2009 handelt es sich um einen Abhilfebescheid. Die Widerspruchsbehörde kann als Aufsichtsbehörde die Ausgangsbehörde aus Anlass von Widersprüchen um den Erlass eines Abhilfebescheids gemäß § 72 VwGO ersuchen. Die Beklagte wurde auch zum Erlass einer Abhilfeentscheidung und nicht etwa zum Erlass eines Rücknahmebescheids angewiesen. Der Abhilfebescheid enthält eine erstmalige rechtliche Beschwer, weil er die erteilte Baugenehmigung vom 18.03.2009 i.d.F. der Änderungsbaugenehmigung vom 23.06.2009 insgesamt aufhebt.
27 
Die damit zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Der formell ordnungsgemäße Abhilfebescheid der Beklagten vom 22.09.2009 ist auch materiell rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
28 
Wendet sich der Inhaber einer Baugenehmigung gegen eine teilweise oder vollständige Aufhebung der Baugenehmigung im Wege eines Abhilfebescheids gemäß § 72 VwGO, ist die Frage der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nur im Hinblick auf die nachbar-schützenden Vorschriften des öffentlichen Baurechts zu überprüfen (VG Braunschweig, Urt. v. 09.10.2002 - 2 A 317/01 -, juris).
29 
Die Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens der Klägerin beurteilt sich nach § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. der Baunutzungsverordnung. Die Grundstücke der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 und zu 5 liegen im Geltungsbereich des am 03.05.2002 in Kraft getretenen qualifizierten Bebauungsplans „XXX“, für dessen Unwirksamkeit keine Anhaltspunkte bestehen. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war auch die bereits beschlossene Änderung des Bebauungsplans, wonach die Grundstücke der Klägerin sich wohl in einem Sondergebiet befinden werden, noch nicht bekanntgemacht und damit nicht beachtlich.
30 
Die schriftlichen planungsrechtlichen Festsetzungen sehen als bauliche Nutzung für das gesamte Plangebiet ein eingeschränktes Gewerbegebiet GEe (§ 8 BauNVO) vor. Nach seinen nach § 1 Abs. 5 BauNVO zulässigen Festsetzungen unter Ziffer 1.1 sind die im gesamten Plangebiet nach § 8 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässigen Lagerhäuser, Lagerplätze, Speditionsbetriebe aller Art, Tankstellen, Handelsbetriebe jeglicher Art und Anlagen für sportliche Zwecke nicht zulässig. Festgesetzt wurde weiter, dass die nach § 8 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Anlagen für kirchliche, soziale und kulturelle Zwecke sowie Vergnügungsstätten unzulässig sind (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO).
31 
Die Festsetzung eines Gewerbegebiets sowie der dort auch nicht ausnahmsweise zulässigen Vorhaben hat nachbarschützende Wirkung zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet. Die Beigeladenen, soweit sie Grundstückseigentümer im Plangebiet sind, haben damit ein subjektiv öffentliches Recht auf Bewahrung der festgesetzten Gebietsart und können sich auf einen Verstoß gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans zur Gebietsart berufen. Der Gebietsgewährleistungsanspruch berechtigt sie, sich gegen ein hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung im Baugebiet nicht zulässiges Vorhaben selbst dann zur Wehr zu setzen, wenn es an einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Nachbarn fehlt. Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 4 B 55.07 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris).
32 
Die festgesetzte Gebietsart wird durch die Genehmigung des Krematoriums nicht gewahrt, so dass die Eigentümer von Grundstücken im Planungsgebiet in ihren Rechten verletzt sind.
33 
Das geplante Vorhaben, ein Krematorium ohne Abschiedsraum, ist wegen seiner fehlender Gebietsverträglichkeit nicht allgemein als „Gewerbebetrieb aller Art“ nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zulässig.
34 
Ein Krematorium, das von einem Privaten in der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird, ist zwar ein Gewerbebetrieb mit gewerblich technischem Charakter. Daraus folgt jedoch nicht, dass es in einem Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig ist (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts richtet es sich nicht nur nach dem Wortlaut des § 8 BauNVO, sondern auch nach der Zweckbestimmung des Gewerbegebiets, welche Gewerbebetriebe in ihm bei typisierender Betrachtung zulässig sind (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Als Merkmal für die Typisierung ist dabei nicht nur die unterschiedliche Immissionsträchtigkeit oder Immissionsverträglichkeit einzelner Nutzungen maßgebend. Der Zweck der Baugebiete und die Zulässigkeit von Nutzungen in ihnen werden vielmehr auch von anderen Maßstäben der städtebaulichen Ordnung bestimmt. Dem Leitbild, "eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung und eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende Bodennutzung (zu) gewährleisten" (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB), kann eine Planung nicht gerecht werden, die den Zweck der Baugebiete und die in ihnen zulässigen Nutzungen ausschließlich nach dem Störgrad oder der Störanfälligkeit von Nutzungen im Hinblick auf Immissionen bestimmt (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Die Gebietsverträglichkeit ist damit eine für die in einem Baugebiet allgemein zulässigen und erst recht für die ausnahmsweise zulassungsfähigen Nutzungsarten ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung, der eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde liegt und die der Einzelfallprüfung auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 BauNVO vorgelagert ist (BVerwG, Urt. v. -18.11.2010 - 4 C 10/09 -, juris).
35 
Für die Frage der Gebietsverträglichkeit ist der spezifische Gebietscharakter und Gebietsbedarf des Gewerbegebiets „XXX“ maßgeblich. Allgemein dienen Gewerbegebiete gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Nach dem Leitbild der BauNVO ist ein Gewerbegebiet den produzierenden und artverwandten Nutzungen vorbehalten. Es steht Gewerbebetrieben aller Art und damit verschiedenartigsten betrieblichen Betätigungen offen, die vom kleinen Handwerksbetrieb über Handels- und Dienstleistungsunternehmen bis zu industriellen Großbetrieben reichen können (BayVGH, Urt. v. 30. 06. 2005 - 15 BV 04.576 -, juris). Für diese Baugebiete ist kennzeichnend, dass in ihnen gearbeitet wird. Sie sind durch werktägliche Geschäftigkeit geprägt (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris) und weisen die durch die verschiedenen gewerblichen Betätigungen verursachten Arbeitsgeräusche, den herrschenden, regelmäßig erheblichen Straßenverkehr, Werbungen, möglicherweise Geruchsimmissionen etc. auf. Welche Vorhaben mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets und insbesondere mit der Zweckbestimmung des Gewerbegebiets „XXX“ verträglich sind, beurteilt sich nach den Anforderungen menschedes geplanten Vorhabens an dieses Gewerbegebiet, den Auswirkungen des Vorhabens auf dieses und der Erfüllung des spezifischen Gebietsbedarfs (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10/09 -, juris).
36 
Die Anforderungen eines Krematoriums (auch ohne Abschiedsraum) an das Gewer-begebiet „XXX“ sowie seine Auswirkungen auf dieses sind mit dieser Zweckbestimmung des Plangebiets nicht vereinbar. Dies ergibt sich aus den Bestimmungen des Gesetzes über das Friedhofs-und Leichenwesen Baden-Württemberg (Bestattungsgesetz - BestattG -) vom 21.07.1970 (GBl. 1970,395). Die im Bestattungsrecht geregelten Anforderungen an Bestattungseinrichtungen sind, soweit sie städtebaulich relevant sind, im Zusammenhang mit der Frage der Gebietsverträglichkeit eines Krematoriums bereits im Baugenehmigungsverfahren zu beachten und nicht nur bei der Erteilung einer Genehmigung nach dem Bestattungsgesetz zu berücksichtigen.
37 
Das Bestattungsgesetz Baden-Württemberg enthält zur Feuerbestattung folgende Reglungen: Mit Leichen ist würdig und in gesundheitlich unbedenklicher Weise umzugehen (§ 25 BestattG). Bestattungseinrichtungen sind würdig und entsprechend den polizeilichen Erfordernissen zu gestalten und zu betreiben (§ 19 BestattG). Eine Feuerbestattung ist die Einäscherung einer Leiche und die Beisetzung der Asche (§ 32 Abs. 2 Satz 2 BestattG). Leichen dürfen nur in Feuerbestattungsanlagen eingeäschert werden (Feuerbestattung), deren Betrieb behördlich genehmigt ist (§ 33 Abs. 3 Satz 1 BestattG). Feuerbestattungsanlagen müssen einen ausreichenden Abstand zu störenden Betrieben wahren, eine würdige Umgebung muss gewährleistet sein (§ 17 BestattG).
38 
Aus § 32 Abs. 2 Satz 2 BestattG ergibt sich, dass die Einäscherung einer Leiche Teil des Bestattungsvorgangs ist. Zur Feuerbestattung gehört danach sowohl die Beisetzung der in einer Urne verschlossenen Aschenreste in einer Grabstätte, als auch die Einäscherung in einer Feuerbestattungsanlage. Ein Krematorium ist daher mit der Gesamtheit seiner Räumlichkeiten, d.h. als Gesamtanlage, bestehend aus technischen Einrichtungen und Verwaltungsbereich, eine Bestattungseinrichtung, weil in ihm ein Teil des Bestattungsvorgangs, nämlich die Einäscherung stattfindet. Ob ein Abschiedsraum vorhanden ist, ist - jedenfalls in diesem Zusammenhang - unerheblich. (vgl. auch zu § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO - kulturelle Anlage - des OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris; vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 12.10.2006 - Au 5 K 03.2079 -, juris).
39 
Die Regelung in § 3 Abs. 3 Satz der Verordnung über Anlagen zur Feuerbestattung vom 19.03.1997 - BGBl I 1997, 545 (27. BImSchVO) belegt ebenfalls, dass eine (reine) Verbrennungsanlage für menschliche Leichen eine Bestattungseinrichtung ist. Denn der Verordnungsgeber hat in dieser Vorschrift aus übergeordneten ethischen Gründen geregelt, dass eine bereits begonnene Einäscherung zu Ende zu führen ist, auch wenn die kontinuierlich ermittelte Konzentration von Kohlenmonoxid oder die Anzeige für die Rauchgasdichte auf eine Störung des ordnungsgemäßen Betriebes hinweist (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 07.10.2007 - 4 TG 1536/07 -, juris).
40 
Die Vorschriften des Bestattungsgesetzes Baden-Württemberg, wonach ein Krematorium als Bestattungseinrichtung einen ausreichenden Abstand zu störenden Betrieben im Sinne des Bestattungsgesetzes wahren und eine würdige Umgebung des Krematoriums gewährleistet sein muss, sind durch diese Anforderungen an den Standort und den Betrieb eines Krematoriums städtebaulich relevant. Durch diese Vorgaben ist der technische Vorgang des Verbrennens von menschlichen Leichen in einem Krematorium daher bauplanungsrechtlich nicht z.B. mit einer Tierkörperbeseitigungsanlage oder einer Anlage zur Verwertung tierischer Abfälle i.S. v. § 2 Abs. 1 Buchstabe a Nr. 7.12 des Anhanges zur 4. BImSchV auf die gleiche Stufe zu stellen (siehe auch Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl., Vorbem. § 2 - 9, 12 - 14 Rn 13. 1.; VG Osnabrück, Urt. v. 23.04.2010 - 2 A 21/09 -, juris).
41 
Indem das Bestattungsgesetz für ein Krematorium ein würdevolles städtebauliches Umfeld einfordert und danach als Bestattungseinrichtung nicht den für ein Gewerbegebiet typischen Nachteilen oder Belästigungen ausgesetzt sein soll, wäre grundsätzlich durch ein Krematorium in einem Gewerbegebiet die Zulässigkeit der in Gewerbegebieten üblichen werktäglichen Geschäftigkeit in Frage gestellt. Denn die Betriebe und Anlagen im Plangebiet müssen auf die Notwendigkeit einer würdevollen Umgebung des Krematoriums Rücksicht nehmen. Das Krematorium wirkt sich zugleich störend auf seine Umgebung aus, weil es als Bestattungseinrichtung die Betriebe und Anlagen in ihrer typischen Nutzung einschränkt.
42 
Die von der Kammer vertretene Auffassung, dass ein Krematorium grundsätzlich in einem Gewerbegebiet gebietsunverträglich ist, wird durch Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts gestützt, die im Folgenden sinngemäß (zusammengefasst) wiedergegeben werden: Der traditionelle Standort eines Krematoriums - von möglichen Ausnahmen abgesehen - ist das Friedhofsgelände. Friedhöfe sind üblicherweise Orte der Ruhe, des Friedens und des Gedenkens an die Verstorbenen. Sie bieten das kontemplative Umfeld, in das eine pietätvolle Totenbestattung nach herkömmlicher Anschauung und Erwartungshaltung einzubetten ist (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Im Gegensatz zu Friedhöfen sind Gewerbegebiete nicht durch Stille und Beschaulichkeit, sondern durch werktägliche Geschäftigkeit geprägt (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Krematorien sind deshalb für Gewerbegebiete - auch wenn in ihnen nur der technische Vorgang der Verbrennung stattfindet, nicht charakteristisch und widersprechen dem Leitbild eines Gewerbegebiets. Daraus dass die Nutzungsarten der Baunutzungsverordnung in den Grenzen des Wortsinns so auszulegen sind, dass jede – unbedenkliche – Nutzung ihren städtebaulich angemessenen Standort findet, folgt, dass Krematorien generell auf Friedhofsflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB), auf Flächen für den Gemeinbedarf (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB) oder in Sondergebiete (§ 11 BauNVO) gehören. Hieran hat sich durch die Zulassung der Privatisierung von Krematorien nichts geändert. Feuerbestattungsanlagen sind den im Gewerbegebiet typischerweise vertretenen Betrieben nicht gleichzustellen. Vor der gesetzlichen Zulassung von Feuerbestattungsanlagen in privater Trägerschaft ist, soweit ersichtlich, nicht bezweifelt worden, dass Krematorien der allgemeinen Zweckbestimmung des Gewerbegebiets fremd sind; denn es findet sich niemand, der die Auffassung vertritt, diese Anlagen seien als öffentliche Betriebe nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO im Gewerbegebiet allgemein zulässig.
43 
Das Plangebiet „XXX“ weist keine Besonderheiten auf, die ausnahmsweise ein Krematorium dort als gebietsverträglich erscheinen ließen. Auch in diesem Plangebiet werden die Anforderungen eines Krematoriums an eine würdevolle Umgebung nicht erfüllt. Soweit in dem Gewerbegebiet „XXX“ bestimmte allgemein zulässige Anlagen, nämlich Lagerhäuser, Lagerplätze, Speditionsbetriebe aller Art, Tankstellen ausgeschlossen sind, wird hierdurch nicht schon ein würdevolles Umfeld gewährleistet. In dem Gewerbegebiet können sich verschiedene andere für das Gewerbegebiet typische aber nach den Vorgaben des Bestattungsgesetzes störende Gewerbe ansiedeln. So haben sich in dem Gewerbebetrieb bereits eine Produktionsstätte für Metallverarbeitung und ein Betrieb, der ein Genussmittel und zwar Honigwein (Met) herstellt und Schnaps abfüllt, angesiedelt. Diese Betriebe tragen nicht zu einer pietätvollen Umgebung bei und sind nach dem allgemeinen sittlichen Empfinden als störende Betriebe im Sinne des Bestattungsgesetzes anzusehen. Der Betrieb, der Genussmittel herstellt und verarbeitet, befindet sich auch in unmittelbarer Nähe des Krematoriums, da er auf der gegenüberliegenden Straßenseite und damit nicht in ausreichender Entfernung von dem Krematorium angesiedelt ist. Die Grundstücksgrenzen der Betriebsgrundstücke sind nur 8 m voneinander entfernt. Das Krematorium ist in diesem Gewerbegebiet nach allem nicht gebietsverträglich, weil es störempfindlich ist und deshalb mit dem Zweck des Gewerbegebiets, der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben, in Konflikt geraten kann.
44 
Der Umstand, dass kein Abschiedsraum vorgesehen ist, hat nach allem keinen Einfluss auf die Frage der Gebietsunverträglichkeit des Krematoriums. Unabhängig hiervon ist jedoch auszuführen, dass trotz des fehlenden Abschiedsraums im konkreten Fall damit zu rechnen ist, dass Trauernde das Krematorium im Gewerbegebiet aufsuchen würden, um individuell vom Verstorbenen Abschied zu nehmen, was umso mehr eine würdevolle Umgebung des Krematoriums voraussetzen würde. Nach § 4 der Rechtsverordnung des Ministeriums für Arbeit und Soziales zur Durchführung des Bestattungsgesetzes (Bestattungsverordnung - BestattVO) vom 15. September 2000 muss nach Absatz 1 für die Feuerbestattungsanlage eine Leichenhalle vorhanden sein, in der die Leichen bis zur Einäscherung aufzubahren sind und müssen nach Absatz 3 für Bestattungsfeierlichkeiten geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Zu den in der Verordnung angesprochenen Bestattungsfeierlichkeiten gehört nach Auffassung der Kammer auch, dass Angehörige und andere Trauergäste in einem dem Anlass angemessenen äußeren Rahmen individuell von dem Verstorbenen vor oder während der Einäscherung Abschied nehmen und des Verstorbenen gedenken können. Allerdings muss der individuelle Abschied vom Verstorbenen nicht zwingend am Standort der Verbrennungsanlage ermöglicht werden. Die Klägerin hat aber nicht nachgewiesen, dass die Trauernden den individuellen Abschied vom Verstorbenen in einer anderen angemessenen Örtlichkeit vornehmen können. Im Bauänderungsverfahren hat die Klägerin den Betriebsablauf hinsichtlich der Ermöglichung von Bestattungsfeierlichkeiten nicht geschildert. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte ausdrücklich erklärt, dass es zwischen der Klägerin und ihr keinen Nutzungsvertrag für die Trauerhalle gebe und auch nicht geben werde. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass Angehörige und andere Trauernde wegen des Fehlens einer anderen angemessenen Örtlichkeit das Krematorium aufsuchen werden, um dort individuell von dem Verstorbenen Abschied zu nehmen.
45 
Ohne dass es hierauf ankäme, wird noch angemerkt, dass damit nicht ersichtlich ist, wie die Klägerin die Nebenbestimmung Nr. 18 der Baugenehmigung hätte erfüllen wollen, wonach von dem Betreiber des Krematoriums die Regelungen des Bestattungsgesetzes und der Bestattungsverordnung einzuhalten sind. Da eine entsprechende Betriebsablaufschilderung auch im Bauänderungsantrag fehlt, dürfte sich auch die Frage stellen, ob die Baugenehmigung ausreichend bestimmt ist.
46 
Da nach allem das Krematorium in dem Plangebiet der Beklagten nicht gebietsverträglich ist, kann offen bleiben, ob es sich es bei einem Krematorium um einen öffentlichen Betrieb nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO handelt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Denn die Zulässigkeit wäre ebenfalls wegen der fehlenden Gebietsverträglichkeit zu verneinen.
47 
Das geplante Krematorium ist auch nicht ausnahmsweise nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig.
48 
Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO können in einem Gewerbegebiet Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke ausnahmsweise zugelassen werden. Diese Bestimmung erfasst allerdings nur solche Anlagen, die zusätzlich zu der genannten Zweckbestimmung einem Gemeinbedarf dienen. Das Krematorium ist eine derartige Gemeinbedarfsanlage. Es dient nach seinem Nutzungszweck einem nicht fest bestimmten, wechselnden Teil der Bevölkerung (vgl. zu dieser Anforderung BVerwG, Urt. v. 30.6.2004 - 4 CN 7/03 -, juris), denn es ermöglicht den Angehörigen des Verstorbenen, ihrer Bestattungspflicht für den Fall einer Feuerbestattung (§ 31 BestattG) nachzukommen. Darauf, ob die Anlage im Sinn eines Gemeingebrauchs jedermann ohne weiteres offen steht, kommt es nicht an (vgl. BVerwG v. 30.6.2004.). Der erforderliche Gemeinwohlbezug fehlt nicht deshalb, weil die Anlage von einer Person des privaten Rechts nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen mit Gewinnerzielungsabsicht und damit gewerblich betrieben werden soll. Die hoheitliche "Gewährleistungs- und Überwachungsverantwortlichkeit" (vgl. hierzu BVerwG vom 30.6.2004 a.a.O.), die wegen des besonderen Allgemeininteresses an einer geordneten Bestattung besteht, stellt den Gemeinwohlbezug her. Die in Baden-Württemberg nach § 31 BestattVO zuständigen Behörden haben darüber zu wachen, dass die Vorschriften des Bestattungsgesetzes eingehalten werden (vgl. BayVGH, Urt. v. 30.06.2005 - 15 BV 04.576 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris).
49 
Das genehmigte Krematorium unterfällt als Bestattungseinrichtung aber nicht dem städte-baulichen Begriff einer Anlage für kulturelle Zwecke (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO). Dahingestellt bleiben kann, ob die Regelungen der Baunutzungsverordnung auf traditionelle Erscheinungsformen kultureller Anlagen wie etwa Stadtbüchereien, Theatern, Konzerthallen, Museen und Hochschulen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO nicht beschränkt und für neue Erscheinungsformen baulicher Vorhaben offen sind, die vom Verordnungsgeber noch gar nicht in den Blick genommen werden konnten (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris). Denn ein Krematorium ist, obwohl es als Bestattungseinrichtung nach dem Bestattungsgesetz Baden-Württemberg Teil der Bestattungskultur ist (vgl. BayVGH, Urt. v. 30.06.2005 -15 BV 04.576 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris) und seine Nutzung sich nicht in der technischen, gewerblich betriebenen Verbrennung Verstorbener erschöpft, sondern in einen kulturellen Kontext eingebettet ist und die Einäscherung als solche Teil der (Bestattungs-) Kultur ist (vgl. zum Krematorium mit Pietätsraum OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris), nach der Systematik der Baunutzungsverordnung auch bei einem solchen weiten Verständnis keine Anlage für kulturelle Zwecke i.S. v. § 8 Abs.3 Nr. 2 BauNVO. Für die Beurteilung, ob eine Anlage eine Anlage für kulturelle Zwecke i.S. v. § 8 Abs.3 Nr. 2 BauNVO ist, ist entscheidend, welche Bedeutung aus städtebaulicher Sicht der Regelung einer allgemeinen bzw. ausnahmsweisen Zulässigkeit von Gemeinbedarfsanlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke zukommt. Nach der Systematik der Baunutzungsverordnung sind Gemeinbedarfsanlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke, die innerhalb der Baugebiete nicht gesondert als Gemeinbedarfsanlagen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB festgesetzt sind, Anlagen, die wegen ihres geringen Umfangs und (oder) wegen der baulichen Anpassung in die Umgebung in den Baugebieten grundsätzlich an jeder Stelle errichtet werden können, ohne dass damit der Gebietscharakter verändert wird (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl., Vorbem. § 2 - 9, Rn 11.6). Sie sind deshalb in fast allen Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässig. So sind sie nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO in allgemeinen Wohngebieten allgemein zulässig, und können ausnahmsweise nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in Kleinsiedlungsgebieten, nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in reinen Wohngebieten, nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem Gewerbegebiet und nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem Industriegebiet zugelassen werden. Die Baunutzungsverordnung geht daher nach ihrer Systematik davon aus, dass die allgemein oder ausnahmsweise zulässigen kulturellen Anlagen in der Regel in diesen Baugebieten gebietsverträglich sind. Ein Krematorium ist aber keine Anlage, die wegen ihres geringen Umfangs (oder) der baulichen Anpassung in die Umgebung regelmäßig in den angeführten Baugebieten an jeder Stelle errichtet werden kann, ohne dass damit der Gebietscharakter verändert wird. Bei einem Krematorium drängt sich wegen der von ihm ausgehenden Störungen aufgrund des Erfordernisses der Rücksichtnahme auf das Umfeld der Bestattungseinrichtung einerseits und andererseits durch die Anforderungen der 27. Bundesimmissionsschutzverordnung von vorneherein die Notwendigkeit einer gesonderten Festsetzung einer Gemeinbedarfsanlage nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB oder als Friedhofsfläche (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB) oder als Sondergebiet (§ 11 BauNVO) auf, damit die Interessen- und Nutzungskonflikte schon im Rahmen einer planerischen Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB bewältigt werden. Eine Anlage wie ein Krematorium, bei dem nicht nur im Einzelfall, sondern in den weit überwiegenden Fällen eine Gebietsverträglichkeit zu verneinen sein dürfte, gehört damit nicht zu den kulturellen Anlagen im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO (so im Ergebnis auch VG Osnabrück, Urt. v. 23.04.2010 - 2 A 21/09 -, juris; vgl. zum bisher üblichen Standort von Krematorien auf Friedhofsflächen BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris).
50 
Letztlich kann aber auch dahingestellt bleiben, ob das geplante Krematorium (ohne Abschiedsraum) eine Anlage für kulturelle Zwecke im Sinn von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ist. Denn selbst wenn ein Krematorium ohne Abschiedsraum von diesem Begriff i.S. von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO erfasst sein sollte, hat die Klage keinen Erfolg.
51 
Die in § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO bezeichneten Nutzungsarten sind - wie bereits ausgeführt - nur dann ohne Weiteres gebietsverträglich, wenn sie nicht störempfindlich sind und deshalb mit dem Zweck des Gewerbegebiets, der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben, nicht in Konflikt geraten können. Das Vorhaben ist aus den zu § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauGB ausgeführten Gründen jedoch als Anlage für kulturelle Zwecke in dem Gewerbegebiet „XXX“ nicht gebietsverträglich und kann deshalb nicht ausnahmsweise zugelassen werden.
52 
Eine Feuerbestattungsanlage ohne Abschiedsraum ist unabhängig hiervon als kulturelle Anlage im Gewerbegebiet der Beklagten auch deshalb nicht ausnahmsweise zulässig, weil nach den schriftlichen Festsetzungen des Bebauungsplans im gesamten Plangebiet Anlagen für kulturelle Zwecke nicht zulässig sind. Der Plangeber hat mit der getroffenen Festsetzung von der Ermächtigung des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO Gebrauch gemacht, wonach im Bebauungsplan festgesetzt werden kann, dass Ausnahmen, die in den einzelnen Baugebieten nach §§ 2 bis 9 BauNVO vorgesehen sind, ganz oder teilweise nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden, und in zulässiger Weise unter Wahrung der allgemeinen Zweckbestimmung des Baugebietes die Möglichkeit genutzt, den Baugebietskatalog zu variieren (vgl. Fickert/Fieseler, 11. Aufl., § 1 Rn 104 ff.). Durch den vorgenommenen Ausschluss von Ausnahmen wurde in zulässiger Weise sichergestellt, dass sich in dem Gewerbegebiet die dort typischen Gewerbebetriebe und nicht auch kirchliche, kulturelle und soziale Anlagen ansiedeln können. Dass die Beklagte bei dieser Festsetzung nicht an Krematorien gedacht haben mag und die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage, ob ein Krematorium (mit Pietätsraum) eine kulturelle Anlage ist, erst seit 2005 bekannt ist, ändert an diesem Ergebnis nichts. Maßgeblich ist der objektive Erklärungsgehalt der planerischen Festsetzungen. Dem Wortlaut der Festsetzungen ist aber nicht zu entnehmen, dass Krematorien als kulturelle Anlagen von der Regelung nicht erfasst sein sollen. Auch die Entstehungsgeschichte und Begründung des Bebauungsplans gibt hierfür keine Anhaltspunkte. Deshalb ist mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der Plangeber mit den unter Ziff. 1.1 aufgeführten „kulturellen Anlage“ die von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO erfassten Anlagen ausschließen wollte.
53 
Die Voraussetzungen nach § 31 Abs. 1 BauGB, wonach von den Festsetzungen eines Bebauungsplans solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind, liegen nicht vor. Der Bebauungsplan „XXX“ sieht nicht vor, dass von dem Ausschluss der Erteilung einer Ausnahme wiederum eine Ausnahme gemacht werden kann.
54 
Die Beklagte hat allerdings von den textlichen Festsetzungen unter Ziff. 1.1. gemäß § 31 Abs. 2 BauGB rechtswidrig eine Befreiung erteilt. Die Beigeladenen, die Eigentümer eines Grundstücks im Plangebiet sind, können sich aus eigenem Recht auf die Unzulässigkeit der Befreiung berufen, weil die Beklagte von einer nachbarschützenden Festsetzung befreit hat. Das bräuchten die Beigeladenen als Grundstückseigentümer im Plangebiet nur hinzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB erfüllt wären. Daran fehlt es.
55 
Die Befreiung ist rechtswidrig, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht vorliegen.
56 
Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern (Nr. 1) oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
57 
Nach der verwaltungsinternen Begründung der Erteilung einer Befreiung durch die Beklagte soll die Befreiung im Hinblick auf die beabsichtigte Änderung des Bebauungsplans erteilt worden sein. Dies wäre durch § 31 Abs. 2 BauGB nicht gedeckt. Die Bestimmung des § 31 Abs. 2 BauGB sieht nach ihrem Wortlaut nicht vor, dass im Vorgriff auf die Festsetzungen eines neuen Bebauungsplans, der die Voraussetzungen von § 33 BauGB noch nicht erfüllt, Befreiungen von dem noch gültigen Bebauungsplan erteilt werden können. Ein Vorhaben kann vor Inkrafttreten eines Bebauungsplans nur unter den engen Voraussetzungen des § 33 BauGB genehmigt werden.
58 
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Befreiung liegen nicht vor. Für alle drei Fallgruppen des § 31 Abs. 2 BauGB gilt, dass eine Befreiung nicht schon erteilt werden kann, wenn die jeweiligen Voraussetzungen der Befreiungsgründe vorliegen, sondern dass zusätzlich die Grundzüge der Planung nicht berührt werden dürfen (BVerwG, Beschl. v. 24.09.2009 - 4 B 29/09 -, juris). Die von der Beklagten erteilte Befreiung zum Zweck der Genehmigung des streitigen Vorhabens berührt die Grundzüge der Planung und ist deshalb nicht zulässig.
59 
Ob die Grundzüge der Planung berührt sind, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung in der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist. Die Abweichung muss - soll sie mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein - durch das planerische Wollen gedeckt sein; es muss - mit anderen Worten - angenommen werden können, die Abweichung liege noch im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung gekannt hätte. Die Grundzüge der Planung i.S.d. § 31 Abs. 2 BauGB sind daher nur dann nicht berührt, wenn die Abweichung die konkrete Planungskonzeption des Bebauungsplans im Wesentlichen unangetastet lässt, d.h., sie darf eine getroffene Planentscheidung bzw. das planerische Leitbild der Gemeinde nicht aus den Angeln heben. Abweichungen von minderem Gewicht, die die Planungskonzeption des Bebauungsplans unangetastet lassen, berühren die Grundzüge der Planung nicht (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10/09 -, juris m.w. N.). Durch das Erfordernis der Wahrung der Grundzüge der Planung stellt der Gesetzgeber sicher, dass die Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht beliebig durch Verwaltungsakt außer Kraft gesetzt werden können. Von diesem Planungskonzept kann nicht durch Einzelfallregelung im Wege einer Befreiung abgewichen werden, weil das den allgemeinen Geltungsanspruch des Bebauungsplans in Frage stellen würde und deshalb nur vom Plangeber selbst im Wege einer Änderung des Bebauungsplans legitimiert werden könnte. Die Änderung eines Bebauungsplanes obliegt nach § 2 Abs. 4 BauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehörde. Hierfür ist in den §§ 3 und 4 BauGB ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange vorgeschrieben. Diese Regelung darf nicht durch eine großzügige Befreiungspraxis aus den Angeln gehoben werden. Abweichungen von der festgesetzten Art der Nutzung berühren nicht ausnahmslos die Grundzüge der Planung, da auf die Verhältnisse im Einzelfall abzustellen ist.
60 
Die Beantwortung der Frage, ob Grundzüge der Planung berührt werden, setzt damit einerseits die Feststellung voraus, was zum planerischen Grundkonzept gehört und andererseits die Feststellung, ob dieses planerische Grundkonzept gerade durch die in Frage stehende Befreiung berührt wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.03.2000, NVwZ-RR 2000, 759, Beschl. v. 19.05.2004 - 4 B 35/04 -, juris).
61 
Zum planerischen Grundkonzept der Beklagten gehört der vollständige Ausschluss von Anlagen für kulturelle Zwecke i.S. v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Aus der Begründung des Bebauungsplans (S. 3) ergibt sich nichts anderes. Aus ihr wird lediglich erkennbar, dass in Anbetracht der ungünstigen Ventilations-und Luftaustauschsituation im Nördlichen Elsenztal nur die Zulassung nicht emittierenden Gewerbes in Frage kam und wegen der hydrogeologischen Verhältnisse ein eingeschränktes Gewerbegebiet festgesetzt wurde. Aus welchen Gründen keine Ausnahmen für kulturelle Anlagen, gleich welcher Art, zugelassen werden sollten, ist nicht ersichtlich. Wäre das geplante Krematorium eine Anlage für kulturelle Zwecke i.S. v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, würde die Erteilung einer Befreiung für eine solche Anlage, das Konzept, Anlagen für kulturelle Zwecke nicht ausnahmsweise zuzulassen, aus den Angeln heben. Die Genehmigung eines Krematoriums wäre nicht eine Abweichung von minderem Gewicht. Vielmehr würde sie den allgemeinen Geltungsanspruch des Bebauungsplans in Frage stellen und könnte deshalb nur vom Plangeber selbst im Wege einer Änderung des Bebauungsplans legitimiert werden. Eine Änderung des Bebauungsplans dahingehend, Krematorien ausnahmsweise zuzulassen, wurde nicht vorgenommen.
62 
Darüber hinaus wurde von der Beklagten das nach § 31 Abs. 2 BauGB eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt. Eine Reduzierung des Ermessens auf Null ist im Hinblick auf die zu berücksichtigenden nachbarlichen Interessen und auf die Besonderheiten, die mit der Genehmigung eines Krematoriums verbunden sind, nicht zu bejahen. Durch die Nichtausübung des Ermessens werden die Rechte der Nachbarn, deren Belange bei der Ermessensausübung zu würdigen sind, auch verletzt.
63 
Darauf, ob die Voraussetzungen einer Befreiung von der Festsetzung des Gebietstyps eines eingeschränkten Gewerbegebiet vorliegen, kommt es im vorliegenden Fall nicht an, weil die Beklagte ausdrücklich die Baugenehmigung unter Befreiung gem. § 31 Abs.2 BauGB von der Art der baulichen Nutzung zur Errichtung einer Anlage für kulturelle Zwecke gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO erteilt hat. Unabhängig hiervon wären auch hierfür schon deshalb die Befreiungsvoraussetzungen nicht gegeben, weil Gründe des Allgemeinwohls nicht die Befreiung erfordern würden. Gründe des Wohls der Allgemeinheit erfordern eine Befreiung im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB zwar nicht erst dann, wenn den Belangen der Allgemeinheit auf eine andere Weise als durch eine Befreiung nicht entsprochen werden könnte, sondern bereits dann, wenn es zur Wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen Interesses "vernünftigerweise geboten" ist, mit Hilfe der Befreiung das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen. Dass die Befreiung dem Gemeinwohl nur irgendwie nützlich oder dienlich ist, reicht demgegenüber nicht aus. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Dabei kann es auch auf - nach objektiven Kriterien zu beurteilende - Fragen der Zumutbarkeit ankommen (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10/09 -, juris). Nach diesen Grundsätzen erfordern Gründe des Allgemeinwohls nicht die Befreiung. Zwar hat die Zahl der Feuerbestattungen erheblich zugenommen. Dass die Errichtung eines Krematorien wegen eines besonderen Bedarfs für ein Krematorium gerade in XXX und dort im Gewerbegebiet „XXX“ vernünftigerweise geboten ist, ist aber nicht ersichtlich.
64 
Eine Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung ergibt sich auch nicht aus § 33 BauGB. Im für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.11.2010 - 4 B 43/10 -, juris) war nach dem Vorbringen der Beteiligten ein Bauantrag nach § 33 BauGB nicht streitgegenständlich. Auf die Frage, ob der inzwischen neu gestellte Bauantrag mit dem bisherigen Bauantrag identisch ist, kam es daher nicht an. Unabhängig hiervon lagen die besonderen Voraussetzungen des § 33 BauGB nicht nachweislich insgesamt vor. Denn die erforderliche schriftliche Anerkennung der Festsetzungen des zukünftigen Bebauungsplans für sich und seine Rechtsnachfolger (§ 33 Abs. 2 Nr. 3 BauGB) lag dem Gericht im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vor.
65 
Da die erteilte Baugenehmigung wegen der Verletzung von nachbarschützenden baurechtlichen Vorschriften zu Recht aufgehoben wurde, war auf die Frage der Verletzung von drittschützenden immissionsschutzrechtlichen Vorschriften nicht mehr einzugehen. Der Vollständigkeit halber wird jedoch ausgeführt, dass auch Eigentümer eines nicht im Plangebiet, aber in unmittelbarer Nähe der genehmigten Anlage gelegenen (Wohn-) Grundstücks einen Anspruch darauf haben, dass sie keinen unzumutbaren oder erheblichen Belästigungen, Störungen oder Nachteilen im Sinne der - im Schutzniveau identischen - Vorschriften des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ausgesetzt werden (VGH Kassel, Beschl. v. 07.10.2007 -4 TG 1536/07 -, juris). Im vorliegenden Fall ist jedoch davon auszugehen, dass die Einhaltung der Vorgaben der 27. BImSchV gesichert ist. Die Einhaltung der Grenzwerte nach der 27. BImSchV wird durch die Klägerin in einer so genannten Garantieerklärung vom 03.12.2008 gewährleistet; vor allem wurden mit ergänzendem Bescheid vom 28.05.2009 durch Auflagen die Einhaltung bestimmter Immissionsgrenzwerte nach der 27. BImSchV beim Betrieb der Anlage sichergestellt.
66 
Die Beigeladenen können sich auch nicht auf Wertminderungen ihrer Grundstücke berufen. Wertminderungen als Folge der Nutzung einer Baugenehmigung für das Nachbargrundstück bilden für sich genommen - also über das zum Gebot der Rücksichtnahme bereits Ausgeführte hinaus - keinen Maßstab für die Zulässigkeit eines Vorhabens. Die Abhängigkeit, in der Grundstücke zu der sie umgebenden städtebaulichen Situation stehen, schließt ein, dass die Grundstückswerte von dieser Situation beeinflusst werden und dass deshalb auch ungünstige Einflüsse, die auf Änderungen der Umgebung beruhen, grundsätzlich hingenommen werden müssen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladenen einen über die situationsbedingte Wertminderung hinausgehenden, schlechthin unzumutbaren Wertverlust ihrer Immobilie hinnehmen müssten, sind nicht ersichtlich (vgl. VG Ansbach, Urt. v. 16.12.2010 -AN 9 K 10.01394 -, juris).
67 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Auferlegung der Kosten eines Beigeladenen entspricht im Regelfall nur dann der Billigkeit nach § 162 Abs. 3 VwGO, wenn er i. S. des § 154 Abs. 3 VwGO einen Antrag gestellt oder das Verfahren wesentlich gefördert hat. Für einen notwendig Beigeladenen gilt grundsätzlich nichts Anderes, auch nicht im Baunachbarstreit (VGH Bad.Württ., Beschl. v. 20.01.2011 - 8 S 2567/10 -, juris). Danach hat die Klägerin nur die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1 zu tragen, da nur er einen Antrag gestellt hat und ein Kostenrisiko eingegangen ist. Da die weiteren Beigeladenen keinen Antrag gestellt und das Verfahren auch nicht wesentlich gefördert haben und auch kein anderer Billigkeitsgrund zu ihren Gunsten zu berücksichtigen ist, tragen sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
68 
Das Gericht sah keinen Anlass, das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären, § 167 Abs. 2 VwGO.
69 
BESCHLUSS
70 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf EUR 73.000,-- festgesetzt. Der Streitwert orientiert sich an der Nr. 9.1.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004, wonach für„ sonstige Anlagen je nach Einzelfall ein Bruchteil der geschätzten Rohbaukosten“ als Streitwert festzusetzen ist. Die Rohbaukosten sind mit EUR 220.000,-- angegeben. Der Bruchteil von 1/3 der Rohbaukosten entspricht der wirtschaftlichen Bedeutung des Verfahrens für die Klägerin und führt zu einem Streitwert in Höhe von 73.000,-- EUR (abgerundet).
71 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
25 
Die Klage ist zulässig.
26 
Die Klägerin begehrt die Aufhebung der ihr und den Beigeladenen zugestellten Abhilfeentscheidung der Beklagten, mit der diese die Baugenehmigung vom 18.03.2009 i.d.F. der Änderungsbaugenehmigung vom 23.06.2009 aufgehoben hat. Mit der damit erhobenen Anfechtungsklage wurde die Monatsfrist des § 74 Abs.1 S.2 VwGO gewahrt (§ 57 VwGO, § 222 Abs.1 und Abs. 2 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2. 193 BGB). Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22.09.2009 wurde der Klägerin am 24.09.2009 zugestellt. Fristbeginn war daher der 25.09.2009 und Fristende Samstag, der 24.10.2009; die Klage wurde am darauffolgenden Montag, dem nächsten Werktag und damit rechtzeitig erhoben. Die Anfechtungsklage ist auch ohne Durchführung eines Widerspruchsverfahrens zulässig. Gemäß § 68 Abs.1 Satz 1 Nr.2 VwGO bedarf es keiner Überprüfung des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren, wenn ihr Gegenstand ein Abhilfebescheid ist, der erstmalig eine Beschwer enthält. Bei dem Bescheid der Beklagten vom 22.09.2009 handelt es sich um einen Abhilfebescheid. Die Widerspruchsbehörde kann als Aufsichtsbehörde die Ausgangsbehörde aus Anlass von Widersprüchen um den Erlass eines Abhilfebescheids gemäß § 72 VwGO ersuchen. Die Beklagte wurde auch zum Erlass einer Abhilfeentscheidung und nicht etwa zum Erlass eines Rücknahmebescheids angewiesen. Der Abhilfebescheid enthält eine erstmalige rechtliche Beschwer, weil er die erteilte Baugenehmigung vom 18.03.2009 i.d.F. der Änderungsbaugenehmigung vom 23.06.2009 insgesamt aufhebt.
27 
Die damit zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Der formell ordnungsgemäße Abhilfebescheid der Beklagten vom 22.09.2009 ist auch materiell rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
28 
Wendet sich der Inhaber einer Baugenehmigung gegen eine teilweise oder vollständige Aufhebung der Baugenehmigung im Wege eines Abhilfebescheids gemäß § 72 VwGO, ist die Frage der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nur im Hinblick auf die nachbar-schützenden Vorschriften des öffentlichen Baurechts zu überprüfen (VG Braunschweig, Urt. v. 09.10.2002 - 2 A 317/01 -, juris).
29 
Die Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens der Klägerin beurteilt sich nach § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. der Baunutzungsverordnung. Die Grundstücke der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 und zu 5 liegen im Geltungsbereich des am 03.05.2002 in Kraft getretenen qualifizierten Bebauungsplans „XXX“, für dessen Unwirksamkeit keine Anhaltspunkte bestehen. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war auch die bereits beschlossene Änderung des Bebauungsplans, wonach die Grundstücke der Klägerin sich wohl in einem Sondergebiet befinden werden, noch nicht bekanntgemacht und damit nicht beachtlich.
30 
Die schriftlichen planungsrechtlichen Festsetzungen sehen als bauliche Nutzung für das gesamte Plangebiet ein eingeschränktes Gewerbegebiet GEe (§ 8 BauNVO) vor. Nach seinen nach § 1 Abs. 5 BauNVO zulässigen Festsetzungen unter Ziffer 1.1 sind die im gesamten Plangebiet nach § 8 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässigen Lagerhäuser, Lagerplätze, Speditionsbetriebe aller Art, Tankstellen, Handelsbetriebe jeglicher Art und Anlagen für sportliche Zwecke nicht zulässig. Festgesetzt wurde weiter, dass die nach § 8 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Anlagen für kirchliche, soziale und kulturelle Zwecke sowie Vergnügungsstätten unzulässig sind (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO).
31 
Die Festsetzung eines Gewerbegebiets sowie der dort auch nicht ausnahmsweise zulässigen Vorhaben hat nachbarschützende Wirkung zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet. Die Beigeladenen, soweit sie Grundstückseigentümer im Plangebiet sind, haben damit ein subjektiv öffentliches Recht auf Bewahrung der festgesetzten Gebietsart und können sich auf einen Verstoß gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans zur Gebietsart berufen. Der Gebietsgewährleistungsanspruch berechtigt sie, sich gegen ein hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung im Baugebiet nicht zulässiges Vorhaben selbst dann zur Wehr zu setzen, wenn es an einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Nachbarn fehlt. Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 4 B 55.07 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris).
32 
Die festgesetzte Gebietsart wird durch die Genehmigung des Krematoriums nicht gewahrt, so dass die Eigentümer von Grundstücken im Planungsgebiet in ihren Rechten verletzt sind.
33 
Das geplante Vorhaben, ein Krematorium ohne Abschiedsraum, ist wegen seiner fehlender Gebietsverträglichkeit nicht allgemein als „Gewerbebetrieb aller Art“ nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zulässig.
34 
Ein Krematorium, das von einem Privaten in der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird, ist zwar ein Gewerbebetrieb mit gewerblich technischem Charakter. Daraus folgt jedoch nicht, dass es in einem Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig ist (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts richtet es sich nicht nur nach dem Wortlaut des § 8 BauNVO, sondern auch nach der Zweckbestimmung des Gewerbegebiets, welche Gewerbebetriebe in ihm bei typisierender Betrachtung zulässig sind (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Als Merkmal für die Typisierung ist dabei nicht nur die unterschiedliche Immissionsträchtigkeit oder Immissionsverträglichkeit einzelner Nutzungen maßgebend. Der Zweck der Baugebiete und die Zulässigkeit von Nutzungen in ihnen werden vielmehr auch von anderen Maßstäben der städtebaulichen Ordnung bestimmt. Dem Leitbild, "eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung und eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende Bodennutzung (zu) gewährleisten" (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB), kann eine Planung nicht gerecht werden, die den Zweck der Baugebiete und die in ihnen zulässigen Nutzungen ausschließlich nach dem Störgrad oder der Störanfälligkeit von Nutzungen im Hinblick auf Immissionen bestimmt (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Die Gebietsverträglichkeit ist damit eine für die in einem Baugebiet allgemein zulässigen und erst recht für die ausnahmsweise zulassungsfähigen Nutzungsarten ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung, der eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde liegt und die der Einzelfallprüfung auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 BauNVO vorgelagert ist (BVerwG, Urt. v. -18.11.2010 - 4 C 10/09 -, juris).
35 
Für die Frage der Gebietsverträglichkeit ist der spezifische Gebietscharakter und Gebietsbedarf des Gewerbegebiets „XXX“ maßgeblich. Allgemein dienen Gewerbegebiete gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Nach dem Leitbild der BauNVO ist ein Gewerbegebiet den produzierenden und artverwandten Nutzungen vorbehalten. Es steht Gewerbebetrieben aller Art und damit verschiedenartigsten betrieblichen Betätigungen offen, die vom kleinen Handwerksbetrieb über Handels- und Dienstleistungsunternehmen bis zu industriellen Großbetrieben reichen können (BayVGH, Urt. v. 30. 06. 2005 - 15 BV 04.576 -, juris). Für diese Baugebiete ist kennzeichnend, dass in ihnen gearbeitet wird. Sie sind durch werktägliche Geschäftigkeit geprägt (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris) und weisen die durch die verschiedenen gewerblichen Betätigungen verursachten Arbeitsgeräusche, den herrschenden, regelmäßig erheblichen Straßenverkehr, Werbungen, möglicherweise Geruchsimmissionen etc. auf. Welche Vorhaben mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets und insbesondere mit der Zweckbestimmung des Gewerbegebiets „XXX“ verträglich sind, beurteilt sich nach den Anforderungen menschedes geplanten Vorhabens an dieses Gewerbegebiet, den Auswirkungen des Vorhabens auf dieses und der Erfüllung des spezifischen Gebietsbedarfs (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10/09 -, juris).
36 
Die Anforderungen eines Krematoriums (auch ohne Abschiedsraum) an das Gewer-begebiet „XXX“ sowie seine Auswirkungen auf dieses sind mit dieser Zweckbestimmung des Plangebiets nicht vereinbar. Dies ergibt sich aus den Bestimmungen des Gesetzes über das Friedhofs-und Leichenwesen Baden-Württemberg (Bestattungsgesetz - BestattG -) vom 21.07.1970 (GBl. 1970,395). Die im Bestattungsrecht geregelten Anforderungen an Bestattungseinrichtungen sind, soweit sie städtebaulich relevant sind, im Zusammenhang mit der Frage der Gebietsverträglichkeit eines Krematoriums bereits im Baugenehmigungsverfahren zu beachten und nicht nur bei der Erteilung einer Genehmigung nach dem Bestattungsgesetz zu berücksichtigen.
37 
Das Bestattungsgesetz Baden-Württemberg enthält zur Feuerbestattung folgende Reglungen: Mit Leichen ist würdig und in gesundheitlich unbedenklicher Weise umzugehen (§ 25 BestattG). Bestattungseinrichtungen sind würdig und entsprechend den polizeilichen Erfordernissen zu gestalten und zu betreiben (§ 19 BestattG). Eine Feuerbestattung ist die Einäscherung einer Leiche und die Beisetzung der Asche (§ 32 Abs. 2 Satz 2 BestattG). Leichen dürfen nur in Feuerbestattungsanlagen eingeäschert werden (Feuerbestattung), deren Betrieb behördlich genehmigt ist (§ 33 Abs. 3 Satz 1 BestattG). Feuerbestattungsanlagen müssen einen ausreichenden Abstand zu störenden Betrieben wahren, eine würdige Umgebung muss gewährleistet sein (§ 17 BestattG).
38 
Aus § 32 Abs. 2 Satz 2 BestattG ergibt sich, dass die Einäscherung einer Leiche Teil des Bestattungsvorgangs ist. Zur Feuerbestattung gehört danach sowohl die Beisetzung der in einer Urne verschlossenen Aschenreste in einer Grabstätte, als auch die Einäscherung in einer Feuerbestattungsanlage. Ein Krematorium ist daher mit der Gesamtheit seiner Räumlichkeiten, d.h. als Gesamtanlage, bestehend aus technischen Einrichtungen und Verwaltungsbereich, eine Bestattungseinrichtung, weil in ihm ein Teil des Bestattungsvorgangs, nämlich die Einäscherung stattfindet. Ob ein Abschiedsraum vorhanden ist, ist - jedenfalls in diesem Zusammenhang - unerheblich. (vgl. auch zu § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO - kulturelle Anlage - des OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris; vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 12.10.2006 - Au 5 K 03.2079 -, juris).
39 
Die Regelung in § 3 Abs. 3 Satz der Verordnung über Anlagen zur Feuerbestattung vom 19.03.1997 - BGBl I 1997, 545 (27. BImSchVO) belegt ebenfalls, dass eine (reine) Verbrennungsanlage für menschliche Leichen eine Bestattungseinrichtung ist. Denn der Verordnungsgeber hat in dieser Vorschrift aus übergeordneten ethischen Gründen geregelt, dass eine bereits begonnene Einäscherung zu Ende zu führen ist, auch wenn die kontinuierlich ermittelte Konzentration von Kohlenmonoxid oder die Anzeige für die Rauchgasdichte auf eine Störung des ordnungsgemäßen Betriebes hinweist (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 07.10.2007 - 4 TG 1536/07 -, juris).
40 
Die Vorschriften des Bestattungsgesetzes Baden-Württemberg, wonach ein Krematorium als Bestattungseinrichtung einen ausreichenden Abstand zu störenden Betrieben im Sinne des Bestattungsgesetzes wahren und eine würdige Umgebung des Krematoriums gewährleistet sein muss, sind durch diese Anforderungen an den Standort und den Betrieb eines Krematoriums städtebaulich relevant. Durch diese Vorgaben ist der technische Vorgang des Verbrennens von menschlichen Leichen in einem Krematorium daher bauplanungsrechtlich nicht z.B. mit einer Tierkörperbeseitigungsanlage oder einer Anlage zur Verwertung tierischer Abfälle i.S. v. § 2 Abs. 1 Buchstabe a Nr. 7.12 des Anhanges zur 4. BImSchV auf die gleiche Stufe zu stellen (siehe auch Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl., Vorbem. § 2 - 9, 12 - 14 Rn 13. 1.; VG Osnabrück, Urt. v. 23.04.2010 - 2 A 21/09 -, juris).
41 
Indem das Bestattungsgesetz für ein Krematorium ein würdevolles städtebauliches Umfeld einfordert und danach als Bestattungseinrichtung nicht den für ein Gewerbegebiet typischen Nachteilen oder Belästigungen ausgesetzt sein soll, wäre grundsätzlich durch ein Krematorium in einem Gewerbegebiet die Zulässigkeit der in Gewerbegebieten üblichen werktäglichen Geschäftigkeit in Frage gestellt. Denn die Betriebe und Anlagen im Plangebiet müssen auf die Notwendigkeit einer würdevollen Umgebung des Krematoriums Rücksicht nehmen. Das Krematorium wirkt sich zugleich störend auf seine Umgebung aus, weil es als Bestattungseinrichtung die Betriebe und Anlagen in ihrer typischen Nutzung einschränkt.
42 
Die von der Kammer vertretene Auffassung, dass ein Krematorium grundsätzlich in einem Gewerbegebiet gebietsunverträglich ist, wird durch Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts gestützt, die im Folgenden sinngemäß (zusammengefasst) wiedergegeben werden: Der traditionelle Standort eines Krematoriums - von möglichen Ausnahmen abgesehen - ist das Friedhofsgelände. Friedhöfe sind üblicherweise Orte der Ruhe, des Friedens und des Gedenkens an die Verstorbenen. Sie bieten das kontemplative Umfeld, in das eine pietätvolle Totenbestattung nach herkömmlicher Anschauung und Erwartungshaltung einzubetten ist (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Im Gegensatz zu Friedhöfen sind Gewerbegebiete nicht durch Stille und Beschaulichkeit, sondern durch werktägliche Geschäftigkeit geprägt (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Krematorien sind deshalb für Gewerbegebiete - auch wenn in ihnen nur der technische Vorgang der Verbrennung stattfindet, nicht charakteristisch und widersprechen dem Leitbild eines Gewerbegebiets. Daraus dass die Nutzungsarten der Baunutzungsverordnung in den Grenzen des Wortsinns so auszulegen sind, dass jede – unbedenkliche – Nutzung ihren städtebaulich angemessenen Standort findet, folgt, dass Krematorien generell auf Friedhofsflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB), auf Flächen für den Gemeinbedarf (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB) oder in Sondergebiete (§ 11 BauNVO) gehören. Hieran hat sich durch die Zulassung der Privatisierung von Krematorien nichts geändert. Feuerbestattungsanlagen sind den im Gewerbegebiet typischerweise vertretenen Betrieben nicht gleichzustellen. Vor der gesetzlichen Zulassung von Feuerbestattungsanlagen in privater Trägerschaft ist, soweit ersichtlich, nicht bezweifelt worden, dass Krematorien der allgemeinen Zweckbestimmung des Gewerbegebiets fremd sind; denn es findet sich niemand, der die Auffassung vertritt, diese Anlagen seien als öffentliche Betriebe nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO im Gewerbegebiet allgemein zulässig.
43 
Das Plangebiet „XXX“ weist keine Besonderheiten auf, die ausnahmsweise ein Krematorium dort als gebietsverträglich erscheinen ließen. Auch in diesem Plangebiet werden die Anforderungen eines Krematoriums an eine würdevolle Umgebung nicht erfüllt. Soweit in dem Gewerbegebiet „XXX“ bestimmte allgemein zulässige Anlagen, nämlich Lagerhäuser, Lagerplätze, Speditionsbetriebe aller Art, Tankstellen ausgeschlossen sind, wird hierdurch nicht schon ein würdevolles Umfeld gewährleistet. In dem Gewerbegebiet können sich verschiedene andere für das Gewerbegebiet typische aber nach den Vorgaben des Bestattungsgesetzes störende Gewerbe ansiedeln. So haben sich in dem Gewerbebetrieb bereits eine Produktionsstätte für Metallverarbeitung und ein Betrieb, der ein Genussmittel und zwar Honigwein (Met) herstellt und Schnaps abfüllt, angesiedelt. Diese Betriebe tragen nicht zu einer pietätvollen Umgebung bei und sind nach dem allgemeinen sittlichen Empfinden als störende Betriebe im Sinne des Bestattungsgesetzes anzusehen. Der Betrieb, der Genussmittel herstellt und verarbeitet, befindet sich auch in unmittelbarer Nähe des Krematoriums, da er auf der gegenüberliegenden Straßenseite und damit nicht in ausreichender Entfernung von dem Krematorium angesiedelt ist. Die Grundstücksgrenzen der Betriebsgrundstücke sind nur 8 m voneinander entfernt. Das Krematorium ist in diesem Gewerbegebiet nach allem nicht gebietsverträglich, weil es störempfindlich ist und deshalb mit dem Zweck des Gewerbegebiets, der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben, in Konflikt geraten kann.
44 
Der Umstand, dass kein Abschiedsraum vorgesehen ist, hat nach allem keinen Einfluss auf die Frage der Gebietsunverträglichkeit des Krematoriums. Unabhängig hiervon ist jedoch auszuführen, dass trotz des fehlenden Abschiedsraums im konkreten Fall damit zu rechnen ist, dass Trauernde das Krematorium im Gewerbegebiet aufsuchen würden, um individuell vom Verstorbenen Abschied zu nehmen, was umso mehr eine würdevolle Umgebung des Krematoriums voraussetzen würde. Nach § 4 der Rechtsverordnung des Ministeriums für Arbeit und Soziales zur Durchführung des Bestattungsgesetzes (Bestattungsverordnung - BestattVO) vom 15. September 2000 muss nach Absatz 1 für die Feuerbestattungsanlage eine Leichenhalle vorhanden sein, in der die Leichen bis zur Einäscherung aufzubahren sind und müssen nach Absatz 3 für Bestattungsfeierlichkeiten geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Zu den in der Verordnung angesprochenen Bestattungsfeierlichkeiten gehört nach Auffassung der Kammer auch, dass Angehörige und andere Trauergäste in einem dem Anlass angemessenen äußeren Rahmen individuell von dem Verstorbenen vor oder während der Einäscherung Abschied nehmen und des Verstorbenen gedenken können. Allerdings muss der individuelle Abschied vom Verstorbenen nicht zwingend am Standort der Verbrennungsanlage ermöglicht werden. Die Klägerin hat aber nicht nachgewiesen, dass die Trauernden den individuellen Abschied vom Verstorbenen in einer anderen angemessenen Örtlichkeit vornehmen können. Im Bauänderungsverfahren hat die Klägerin den Betriebsablauf hinsichtlich der Ermöglichung von Bestattungsfeierlichkeiten nicht geschildert. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte ausdrücklich erklärt, dass es zwischen der Klägerin und ihr keinen Nutzungsvertrag für die Trauerhalle gebe und auch nicht geben werde. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass Angehörige und andere Trauernde wegen des Fehlens einer anderen angemessenen Örtlichkeit das Krematorium aufsuchen werden, um dort individuell von dem Verstorbenen Abschied zu nehmen.
45 
Ohne dass es hierauf ankäme, wird noch angemerkt, dass damit nicht ersichtlich ist, wie die Klägerin die Nebenbestimmung Nr. 18 der Baugenehmigung hätte erfüllen wollen, wonach von dem Betreiber des Krematoriums die Regelungen des Bestattungsgesetzes und der Bestattungsverordnung einzuhalten sind. Da eine entsprechende Betriebsablaufschilderung auch im Bauänderungsantrag fehlt, dürfte sich auch die Frage stellen, ob die Baugenehmigung ausreichend bestimmt ist.
46 
Da nach allem das Krematorium in dem Plangebiet der Beklagten nicht gebietsverträglich ist, kann offen bleiben, ob es sich es bei einem Krematorium um einen öffentlichen Betrieb nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO handelt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris). Denn die Zulässigkeit wäre ebenfalls wegen der fehlenden Gebietsverträglichkeit zu verneinen.
47 
Das geplante Krematorium ist auch nicht ausnahmsweise nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig.
48 
Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO können in einem Gewerbegebiet Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke ausnahmsweise zugelassen werden. Diese Bestimmung erfasst allerdings nur solche Anlagen, die zusätzlich zu der genannten Zweckbestimmung einem Gemeinbedarf dienen. Das Krematorium ist eine derartige Gemeinbedarfsanlage. Es dient nach seinem Nutzungszweck einem nicht fest bestimmten, wechselnden Teil der Bevölkerung (vgl. zu dieser Anforderung BVerwG, Urt. v. 30.6.2004 - 4 CN 7/03 -, juris), denn es ermöglicht den Angehörigen des Verstorbenen, ihrer Bestattungspflicht für den Fall einer Feuerbestattung (§ 31 BestattG) nachzukommen. Darauf, ob die Anlage im Sinn eines Gemeingebrauchs jedermann ohne weiteres offen steht, kommt es nicht an (vgl. BVerwG v. 30.6.2004.). Der erforderliche Gemeinwohlbezug fehlt nicht deshalb, weil die Anlage von einer Person des privaten Rechts nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen mit Gewinnerzielungsabsicht und damit gewerblich betrieben werden soll. Die hoheitliche "Gewährleistungs- und Überwachungsverantwortlichkeit" (vgl. hierzu BVerwG vom 30.6.2004 a.a.O.), die wegen des besonderen Allgemeininteresses an einer geordneten Bestattung besteht, stellt den Gemeinwohlbezug her. Die in Baden-Württemberg nach § 31 BestattVO zuständigen Behörden haben darüber zu wachen, dass die Vorschriften des Bestattungsgesetzes eingehalten werden (vgl. BayVGH, Urt. v. 30.06.2005 - 15 BV 04.576 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris).
49 
Das genehmigte Krematorium unterfällt als Bestattungseinrichtung aber nicht dem städte-baulichen Begriff einer Anlage für kulturelle Zwecke (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO). Dahingestellt bleiben kann, ob die Regelungen der Baunutzungsverordnung auf traditionelle Erscheinungsformen kultureller Anlagen wie etwa Stadtbüchereien, Theatern, Konzerthallen, Museen und Hochschulen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO nicht beschränkt und für neue Erscheinungsformen baulicher Vorhaben offen sind, die vom Verordnungsgeber noch gar nicht in den Blick genommen werden konnten (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris). Denn ein Krematorium ist, obwohl es als Bestattungseinrichtung nach dem Bestattungsgesetz Baden-Württemberg Teil der Bestattungskultur ist (vgl. BayVGH, Urt. v. 30.06.2005 -15 BV 04.576 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris) und seine Nutzung sich nicht in der technischen, gewerblich betriebenen Verbrennung Verstorbener erschöpft, sondern in einen kulturellen Kontext eingebettet ist und die Einäscherung als solche Teil der (Bestattungs-) Kultur ist (vgl. zum Krematorium mit Pietätsraum OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.10.2010 - 7 A 1298/09 -, juris), nach der Systematik der Baunutzungsverordnung auch bei einem solchen weiten Verständnis keine Anlage für kulturelle Zwecke i.S. v. § 8 Abs.3 Nr. 2 BauNVO. Für die Beurteilung, ob eine Anlage eine Anlage für kulturelle Zwecke i.S. v. § 8 Abs.3 Nr. 2 BauNVO ist, ist entscheidend, welche Bedeutung aus städtebaulicher Sicht der Regelung einer allgemeinen bzw. ausnahmsweisen Zulässigkeit von Gemeinbedarfsanlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke zukommt. Nach der Systematik der Baunutzungsverordnung sind Gemeinbedarfsanlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke, die innerhalb der Baugebiete nicht gesondert als Gemeinbedarfsanlagen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB festgesetzt sind, Anlagen, die wegen ihres geringen Umfangs und (oder) wegen der baulichen Anpassung in die Umgebung in den Baugebieten grundsätzlich an jeder Stelle errichtet werden können, ohne dass damit der Gebietscharakter verändert wird (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl., Vorbem. § 2 - 9, Rn 11.6). Sie sind deshalb in fast allen Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässig. So sind sie nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO in allgemeinen Wohngebieten allgemein zulässig, und können ausnahmsweise nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in Kleinsiedlungsgebieten, nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in reinen Wohngebieten, nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem Gewerbegebiet und nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem Industriegebiet zugelassen werden. Die Baunutzungsverordnung geht daher nach ihrer Systematik davon aus, dass die allgemein oder ausnahmsweise zulässigen kulturellen Anlagen in der Regel in diesen Baugebieten gebietsverträglich sind. Ein Krematorium ist aber keine Anlage, die wegen ihres geringen Umfangs (oder) der baulichen Anpassung in die Umgebung regelmäßig in den angeführten Baugebieten an jeder Stelle errichtet werden kann, ohne dass damit der Gebietscharakter verändert wird. Bei einem Krematorium drängt sich wegen der von ihm ausgehenden Störungen aufgrund des Erfordernisses der Rücksichtnahme auf das Umfeld der Bestattungseinrichtung einerseits und andererseits durch die Anforderungen der 27. Bundesimmissionsschutzverordnung von vorneherein die Notwendigkeit einer gesonderten Festsetzung einer Gemeinbedarfsanlage nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB oder als Friedhofsfläche (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB) oder als Sondergebiet (§ 11 BauNVO) auf, damit die Interessen- und Nutzungskonflikte schon im Rahmen einer planerischen Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB bewältigt werden. Eine Anlage wie ein Krematorium, bei dem nicht nur im Einzelfall, sondern in den weit überwiegenden Fällen eine Gebietsverträglichkeit zu verneinen sein dürfte, gehört damit nicht zu den kulturellen Anlagen im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO (so im Ergebnis auch VG Osnabrück, Urt. v. 23.04.2010 - 2 A 21/09 -, juris; vgl. zum bisher üblichen Standort von Krematorien auf Friedhofsflächen BVerwG, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 B 71/05 -, juris).
50 
Letztlich kann aber auch dahingestellt bleiben, ob das geplante Krematorium (ohne Abschiedsraum) eine Anlage für kulturelle Zwecke im Sinn von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ist. Denn selbst wenn ein Krematorium ohne Abschiedsraum von diesem Begriff i.S. von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO erfasst sein sollte, hat die Klage keinen Erfolg.
51 
Die in § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO bezeichneten Nutzungsarten sind - wie bereits ausgeführt - nur dann ohne Weiteres gebietsverträglich, wenn sie nicht störempfindlich sind und deshalb mit dem Zweck des Gewerbegebiets, der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben, nicht in Konflikt geraten können. Das Vorhaben ist aus den zu § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauGB ausgeführten Gründen jedoch als Anlage für kulturelle Zwecke in dem Gewerbegebiet „XXX“ nicht gebietsverträglich und kann deshalb nicht ausnahmsweise zugelassen werden.
52 
Eine Feuerbestattungsanlage ohne Abschiedsraum ist unabhängig hiervon als kulturelle Anlage im Gewerbegebiet der Beklagten auch deshalb nicht ausnahmsweise zulässig, weil nach den schriftlichen Festsetzungen des Bebauungsplans im gesamten Plangebiet Anlagen für kulturelle Zwecke nicht zulässig sind. Der Plangeber hat mit der getroffenen Festsetzung von der Ermächtigung des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO Gebrauch gemacht, wonach im Bebauungsplan festgesetzt werden kann, dass Ausnahmen, die in den einzelnen Baugebieten nach §§ 2 bis 9 BauNVO vorgesehen sind, ganz oder teilweise nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden, und in zulässiger Weise unter Wahrung der allgemeinen Zweckbestimmung des Baugebietes die Möglichkeit genutzt, den Baugebietskatalog zu variieren (vgl. Fickert/Fieseler, 11. Aufl., § 1 Rn 104 ff.). Durch den vorgenommenen Ausschluss von Ausnahmen wurde in zulässiger Weise sichergestellt, dass sich in dem Gewerbegebiet die dort typischen Gewerbebetriebe und nicht auch kirchliche, kulturelle und soziale Anlagen ansiedeln können. Dass die Beklagte bei dieser Festsetzung nicht an Krematorien gedacht haben mag und die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage, ob ein Krematorium (mit Pietätsraum) eine kulturelle Anlage ist, erst seit 2005 bekannt ist, ändert an diesem Ergebnis nichts. Maßgeblich ist der objektive Erklärungsgehalt der planerischen Festsetzungen. Dem Wortlaut der Festsetzungen ist aber nicht zu entnehmen, dass Krematorien als kulturelle Anlagen von der Regelung nicht erfasst sein sollen. Auch die Entstehungsgeschichte und Begründung des Bebauungsplans gibt hierfür keine Anhaltspunkte. Deshalb ist mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der Plangeber mit den unter Ziff. 1.1 aufgeführten „kulturellen Anlage“ die von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO erfassten Anlagen ausschließen wollte.
53 
Die Voraussetzungen nach § 31 Abs. 1 BauGB, wonach von den Festsetzungen eines Bebauungsplans solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind, liegen nicht vor. Der Bebauungsplan „XXX“ sieht nicht vor, dass von dem Ausschluss der Erteilung einer Ausnahme wiederum eine Ausnahme gemacht werden kann.
54 
Die Beklagte hat allerdings von den textlichen Festsetzungen unter Ziff. 1.1. gemäß § 31 Abs. 2 BauGB rechtswidrig eine Befreiung erteilt. Die Beigeladenen, die Eigentümer eines Grundstücks im Plangebiet sind, können sich aus eigenem Recht auf die Unzulässigkeit der Befreiung berufen, weil die Beklagte von einer nachbarschützenden Festsetzung befreit hat. Das bräuchten die Beigeladenen als Grundstückseigentümer im Plangebiet nur hinzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB erfüllt wären. Daran fehlt es.
55 
Die Befreiung ist rechtswidrig, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht vorliegen.
56 
Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern (Nr. 1) oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
57 
Nach der verwaltungsinternen Begründung der Erteilung einer Befreiung durch die Beklagte soll die Befreiung im Hinblick auf die beabsichtigte Änderung des Bebauungsplans erteilt worden sein. Dies wäre durch § 31 Abs. 2 BauGB nicht gedeckt. Die Bestimmung des § 31 Abs. 2 BauGB sieht nach ihrem Wortlaut nicht vor, dass im Vorgriff auf die Festsetzungen eines neuen Bebauungsplans, der die Voraussetzungen von § 33 BauGB noch nicht erfüllt, Befreiungen von dem noch gültigen Bebauungsplan erteilt werden können. Ein Vorhaben kann vor Inkrafttreten eines Bebauungsplans nur unter den engen Voraussetzungen des § 33 BauGB genehmigt werden.
58 
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Befreiung liegen nicht vor. Für alle drei Fallgruppen des § 31 Abs. 2 BauGB gilt, dass eine Befreiung nicht schon erteilt werden kann, wenn die jeweiligen Voraussetzungen der Befreiungsgründe vorliegen, sondern dass zusätzlich die Grundzüge der Planung nicht berührt werden dürfen (BVerwG, Beschl. v. 24.09.2009 - 4 B 29/09 -, juris). Die von der Beklagten erteilte Befreiung zum Zweck der Genehmigung des streitigen Vorhabens berührt die Grundzüge der Planung und ist deshalb nicht zulässig.
59 
Ob die Grundzüge der Planung berührt sind, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung in der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist. Die Abweichung muss - soll sie mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein - durch das planerische Wollen gedeckt sein; es muss - mit anderen Worten - angenommen werden können, die Abweichung liege noch im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung gekannt hätte. Die Grundzüge der Planung i.S.d. § 31 Abs. 2 BauGB sind daher nur dann nicht berührt, wenn die Abweichung die konkrete Planungskonzeption des Bebauungsplans im Wesentlichen unangetastet lässt, d.h., sie darf eine getroffene Planentscheidung bzw. das planerische Leitbild der Gemeinde nicht aus den Angeln heben. Abweichungen von minderem Gewicht, die die Planungskonzeption des Bebauungsplans unangetastet lassen, berühren die Grundzüge der Planung nicht (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10/09 -, juris m.w. N.). Durch das Erfordernis der Wahrung der Grundzüge der Planung stellt der Gesetzgeber sicher, dass die Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht beliebig durch Verwaltungsakt außer Kraft gesetzt werden können. Von diesem Planungskonzept kann nicht durch Einzelfallregelung im Wege einer Befreiung abgewichen werden, weil das den allgemeinen Geltungsanspruch des Bebauungsplans in Frage stellen würde und deshalb nur vom Plangeber selbst im Wege einer Änderung des Bebauungsplans legitimiert werden könnte. Die Änderung eines Bebauungsplanes obliegt nach § 2 Abs. 4 BauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehörde. Hierfür ist in den §§ 3 und 4 BauGB ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange vorgeschrieben. Diese Regelung darf nicht durch eine großzügige Befreiungspraxis aus den Angeln gehoben werden. Abweichungen von der festgesetzten Art der Nutzung berühren nicht ausnahmslos die Grundzüge der Planung, da auf die Verhältnisse im Einzelfall abzustellen ist.
60 
Die Beantwortung der Frage, ob Grundzüge der Planung berührt werden, setzt damit einerseits die Feststellung voraus, was zum planerischen Grundkonzept gehört und andererseits die Feststellung, ob dieses planerische Grundkonzept gerade durch die in Frage stehende Befreiung berührt wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.03.2000, NVwZ-RR 2000, 759, Beschl. v. 19.05.2004 - 4 B 35/04 -, juris).
61 
Zum planerischen Grundkonzept der Beklagten gehört der vollständige Ausschluss von Anlagen für kulturelle Zwecke i.S. v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Aus der Begründung des Bebauungsplans (S. 3) ergibt sich nichts anderes. Aus ihr wird lediglich erkennbar, dass in Anbetracht der ungünstigen Ventilations-und Luftaustauschsituation im Nördlichen Elsenztal nur die Zulassung nicht emittierenden Gewerbes in Frage kam und wegen der hydrogeologischen Verhältnisse ein eingeschränktes Gewerbegebiet festgesetzt wurde. Aus welchen Gründen keine Ausnahmen für kulturelle Anlagen, gleich welcher Art, zugelassen werden sollten, ist nicht ersichtlich. Wäre das geplante Krematorium eine Anlage für kulturelle Zwecke i.S. v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, würde die Erteilung einer Befreiung für eine solche Anlage, das Konzept, Anlagen für kulturelle Zwecke nicht ausnahmsweise zuzulassen, aus den Angeln heben. Die Genehmigung eines Krematoriums wäre nicht eine Abweichung von minderem Gewicht. Vielmehr würde sie den allgemeinen Geltungsanspruch des Bebauungsplans in Frage stellen und könnte deshalb nur vom Plangeber selbst im Wege einer Änderung des Bebauungsplans legitimiert werden. Eine Änderung des Bebauungsplans dahingehend, Krematorien ausnahmsweise zuzulassen, wurde nicht vorgenommen.
62 
Darüber hinaus wurde von der Beklagten das nach § 31 Abs. 2 BauGB eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt. Eine Reduzierung des Ermessens auf Null ist im Hinblick auf die zu berücksichtigenden nachbarlichen Interessen und auf die Besonderheiten, die mit der Genehmigung eines Krematoriums verbunden sind, nicht zu bejahen. Durch die Nichtausübung des Ermessens werden die Rechte der Nachbarn, deren Belange bei der Ermessensausübung zu würdigen sind, auch verletzt.
63 
Darauf, ob die Voraussetzungen einer Befreiung von der Festsetzung des Gebietstyps eines eingeschränkten Gewerbegebiet vorliegen, kommt es im vorliegenden Fall nicht an, weil die Beklagte ausdrücklich die Baugenehmigung unter Befreiung gem. § 31 Abs.2 BauGB von der Art der baulichen Nutzung zur Errichtung einer Anlage für kulturelle Zwecke gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO erteilt hat. Unabhängig hiervon wären auch hierfür schon deshalb die Befreiungsvoraussetzungen nicht gegeben, weil Gründe des Allgemeinwohls nicht die Befreiung erfordern würden. Gründe des Wohls der Allgemeinheit erfordern eine Befreiung im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB zwar nicht erst dann, wenn den Belangen der Allgemeinheit auf eine andere Weise als durch eine Befreiung nicht entsprochen werden könnte, sondern bereits dann, wenn es zur Wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen Interesses "vernünftigerweise geboten" ist, mit Hilfe der Befreiung das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen. Dass die Befreiung dem Gemeinwohl nur irgendwie nützlich oder dienlich ist, reicht demgegenüber nicht aus. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Dabei kann es auch auf - nach objektiven Kriterien zu beurteilende - Fragen der Zumutbarkeit ankommen (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10/09 -, juris). Nach diesen Grundsätzen erfordern Gründe des Allgemeinwohls nicht die Befreiung. Zwar hat die Zahl der Feuerbestattungen erheblich zugenommen. Dass die Errichtung eines Krematorien wegen eines besonderen Bedarfs für ein Krematorium gerade in XXX und dort im Gewerbegebiet „XXX“ vernünftigerweise geboten ist, ist aber nicht ersichtlich.
64 
Eine Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung ergibt sich auch nicht aus § 33 BauGB. Im für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.11.2010 - 4 B 43/10 -, juris) war nach dem Vorbringen der Beteiligten ein Bauantrag nach § 33 BauGB nicht streitgegenständlich. Auf die Frage, ob der inzwischen neu gestellte Bauantrag mit dem bisherigen Bauantrag identisch ist, kam es daher nicht an. Unabhängig hiervon lagen die besonderen Voraussetzungen des § 33 BauGB nicht nachweislich insgesamt vor. Denn die erforderliche schriftliche Anerkennung der Festsetzungen des zukünftigen Bebauungsplans für sich und seine Rechtsnachfolger (§ 33 Abs. 2 Nr. 3 BauGB) lag dem Gericht im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vor.
65 
Da die erteilte Baugenehmigung wegen der Verletzung von nachbarschützenden baurechtlichen Vorschriften zu Recht aufgehoben wurde, war auf die Frage der Verletzung von drittschützenden immissionsschutzrechtlichen Vorschriften nicht mehr einzugehen. Der Vollständigkeit halber wird jedoch ausgeführt, dass auch Eigentümer eines nicht im Plangebiet, aber in unmittelbarer Nähe der genehmigten Anlage gelegenen (Wohn-) Grundstücks einen Anspruch darauf haben, dass sie keinen unzumutbaren oder erheblichen Belästigungen, Störungen oder Nachteilen im Sinne der - im Schutzniveau identischen - Vorschriften des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ausgesetzt werden (VGH Kassel, Beschl. v. 07.10.2007 -4 TG 1536/07 -, juris). Im vorliegenden Fall ist jedoch davon auszugehen, dass die Einhaltung der Vorgaben der 27. BImSchV gesichert ist. Die Einhaltung der Grenzwerte nach der 27. BImSchV wird durch die Klägerin in einer so genannten Garantieerklärung vom 03.12.2008 gewährleistet; vor allem wurden mit ergänzendem Bescheid vom 28.05.2009 durch Auflagen die Einhaltung bestimmter Immissionsgrenzwerte nach der 27. BImSchV beim Betrieb der Anlage sichergestellt.
66 
Die Beigeladenen können sich auch nicht auf Wertminderungen ihrer Grundstücke berufen. Wertminderungen als Folge der Nutzung einer Baugenehmigung für das Nachbargrundstück bilden für sich genommen - also über das zum Gebot der Rücksichtnahme bereits Ausgeführte hinaus - keinen Maßstab für die Zulässigkeit eines Vorhabens. Die Abhängigkeit, in der Grundstücke zu der sie umgebenden städtebaulichen Situation stehen, schließt ein, dass die Grundstückswerte von dieser Situation beeinflusst werden und dass deshalb auch ungünstige Einflüsse, die auf Änderungen der Umgebung beruhen, grundsätzlich hingenommen werden müssen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladenen einen über die situationsbedingte Wertminderung hinausgehenden, schlechthin unzumutbaren Wertverlust ihrer Immobilie hinnehmen müssten, sind nicht ersichtlich (vgl. VG Ansbach, Urt. v. 16.12.2010 -AN 9 K 10.01394 -, juris).
67 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Auferlegung der Kosten eines Beigeladenen entspricht im Regelfall nur dann der Billigkeit nach § 162 Abs. 3 VwGO, wenn er i. S. des § 154 Abs. 3 VwGO einen Antrag gestellt oder das Verfahren wesentlich gefördert hat. Für einen notwendig Beigeladenen gilt grundsätzlich nichts Anderes, auch nicht im Baunachbarstreit (VGH Bad.Württ., Beschl. v. 20.01.2011 - 8 S 2567/10 -, juris). Danach hat die Klägerin nur die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1 zu tragen, da nur er einen Antrag gestellt hat und ein Kostenrisiko eingegangen ist. Da die weiteren Beigeladenen keinen Antrag gestellt und das Verfahren auch nicht wesentlich gefördert haben und auch kein anderer Billigkeitsgrund zu ihren Gunsten zu berücksichtigen ist, tragen sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
68 
Das Gericht sah keinen Anlass, das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären, § 167 Abs. 2 VwGO.
69 
BESCHLUSS
70 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf EUR 73.000,-- festgesetzt. Der Streitwert orientiert sich an der Nr. 9.1.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004, wonach für„ sonstige Anlagen je nach Einzelfall ein Bruchteil der geschätzten Rohbaukosten“ als Streitwert festzusetzen ist. Die Rohbaukosten sind mit EUR 220.000,-- angegeben. Der Bruchteil von 1/3 der Rohbaukosten entspricht der wirtschaftlichen Bedeutung des Verfahrens für die Klägerin und führt zu einem Streitwert in Höhe von 73.000,-- EUR (abgerundet).
71 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Tenor

Der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 27.05.2005 wird aufgehoben, soweit damit die dem Kläger erteilte Baugenehmigung für die so genannte Terrassenüberdachung aufgehoben wurde.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger und der Beklagte tragen je 1/3 der Gerichtskosten, die beiden Beigeladenen jeweils 1/6 der Gerichtskosten. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen einen Widerspruchsbescheid.
Der Kläger ist Eigentümer des ist mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks S.-Strasse 10 in H.. Der Gebäudeeingang befindet sich auf der Nordseite. Nördlich des Grundstücks des Klägers schließt sich das Grundstück der Beigeladenen, S.-Strasse 18/1, an, das ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaut ist. Beide Grundstücke liegen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans.
Im Juli 2004 wurde von der Stadt H. als Baurechtsbehörde festgestellt, dass eine zwischen der Nordwand des Gebäudes des Klägers und der nördlichen Grundstücksgrenze angelegte Terrasse überdacht worden war. Ferner wurde festgestellt, dass auch der westlich der Terrasse gelegene Hauseingang im unmittelbaren Anschluss an die Terrassenüberdachung überdacht worden war. Die Terrassenüberdachung stößt mit ihrer nordwestlichen Ecke unmittelbar an die Grundstücksgrenze an, der Abstand zwischen Grundstücksgrenze und Hauswand beträgt dort - ausweislich der Eintragungen in einem vorgelegten Plan - 3,33 m. Die Breite der Terrassenüberdachung beträgt ca. 4,50 m. Da die Grenze nicht parallel zur nördlichen Wand des klägerischen Wohnhauses und zum nördlichen Abschluss der Terrasse verläuft, hält die nordöstliche Ecke der Überdachung einen Abstand von 0,75 m zur Grundstücksgrenze ein.
Die Überdachung des Hauszugangs tritt ca. 2,50 m vor die nördliche Hauswand vor, hat eine Länge von ca. 3,4 m und hält einen Mindestabstand zur nördlichen Grundstücksgrenze - so ist dem bereits erwähnten Plan zu entnehmen - von 1,87 m ein. Die Terrassenüberdachung und die Überdachung des Eingangsbereiches sind - so hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben - konstruktiv trennbar.
Mit Schreiben vom 20.07.2004 wies die Stadt H. den Kläger darauf hin, dass die vorgenommenen Überdachungen genehmigungspflichtig seien, da sie als Einheit zu betrachten seien. Die Nutzung eines Teilbereichs des Vorhabens als Terrasse sei eindeutig festgestellt worden. Das Vorhaben unterfalle den Bestimmungen über Abstandsflächen nach § 5 Abs. 1 LBO, eine Privilegierung nach § 6 Abs. 1 LBO sei nicht gegeben. Baurechtmäßige Zustände könnte nur mittels einer Abstandsflächenbaulast durch den betroffenen Angrenzer und der nachfolgenden Einreichung eines entsprechenden Bauantrags geschaffen werden.
Daraufhin stellte der Kläger im Oktober 2004 unter Einreichung eines Planheftes einen Baugenehmigungsantrag, in dem das Vorhaben als „Überdachung Eingang und Abstellplatz Gartenmöbel u.ä.“ bzw. „ Überdachung Eingang/Abstellplatz Gartenmöbel o.ä.“ bezeichnet wird.
Bereits zuvor hatte der Kläger im Rahmen der Anhörung aus Anlass eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens dargelegt, schon im Jahre 1978 habe eine Überdachung in der heutigen Größenordnung bestanden. Von Seiten der Stadt H. sei diese Überdachung damals nicht beanstandet werden. Im vergangenen und im laufenden Jahr habe er die Überdachung renoviert, wobei der Umfang nicht vergrößert worden sei.
Mit zwei Schreiben vom 02.11.2004 wurden die Beigeladenen von dem Genehmigungsantrag benachrichtigt, wobei darauf hingewiesen wurde, dass Einwendungen innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Benachrichtigung vorzubringen und ausreichend zu begründen seien. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass nach § 55 Abs. 2 LBO die benachrichtigten Angrenzer mit allen Einwendungen ausgeschlossen sind, die im Rahmen der Beteiligung nicht fristgemäß geltend gemacht wurden. Die Einwendungen könnten dann auch in einem nachfolgendem Verfahren in der Sache (Widerspruch- oder Klageverfahren) nicht mehr geltend gemacht werden.
Mit Schreiben vom 16.11.2004 wandten sich die Beigeladenen gegen die Erteilung einer Baugenehmigung. Sie machten geltend, die Bauvorlagen seien unvollständig. Die Ableitung des Regenwassers erfolge nicht sachgemäß. Fälschlicherweise werde das Vorhaben als „Überdachung Eingang/Abstellplatz Gartenmöbel u.ä.“ bezeichnet. Tatsächlich werde der überdachte Bereich in Richtung zur gemeinsamen Grundstücksgrenze als Aufenthaltsbereich genutzt. Dies belege bereits die Art und Weise der Bauausführung. So befänden sich im überdachten Bereich zwei Stehlampen, eine Wandlampe, ein Oberlicht sowie mehrere Halogenstrahler, die in der Decke eingelassen seien. Der überdachte Bereich sei vollständig mit Granitplatten belegt. Gartenmöbel und Grill würden nicht gelagert, sondern seien vielmehr zur Nutzung aufgestellt. Nicht zuletzt sei darauf hinzuweisen, dass der überdachte Bereich bereits seit 2003 zum Aufenthalt von Personen genutzt werde. Ferner wird vorgetragen, dass mit der gleichzeitig errichteten Terrassenmauer die Grundstücksgrenze überschritten worden sei. Insgesamt sei von einer Erweiterung des bereits bestehende Wohnraums auszugehen. Sollte das Baurechtsamt die überdachte Terrasse als Vorbau i.S.v. § 5 Abs. 6 Ziffer 2 LBO betrachten, sei darauf hinzuweisen, dass der erforderliche Mindestabstand von der Grundstücksgrenze von 2 m nicht gewahrt sei. Gleiches gelte bei einer Beurteilung nach § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO. Darauf hinzuweisen sei schließlich auch, dass die Mauer in der gesamten Länger verkabelt und mit Steckdosen versehen sei; von der Mauer fließe auch Wasser auf das Grundstück der Beigeladenen ab.
10 
Unter dem Datum vom 20.12.2004 erteilte die Stadt H. die Baugenehmigung unter der Auflage, dass sämtliche Niederschläge auf eigenem Grund und Boden ohne Belästigung der Nachbargrundstücke zu sammeln und in den öffentlichen Kanal einzuleiten seien. Gleichzeitig wurden die Einwendungen der Beigeladenen zurückgewiesen. Ausgeführt wurde, dass das Vorhaben nach § 6 Abs. 1 LBO an der Grundstücksgrenze zulässig sei.
11 
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch wiederholten und vertieften die Beigeladenen ihre bereits vorgetragenen Einwände. § 6 Abs. 1 LBO sei nicht anwendbar, denn die Überdachung der Terrasse und die gleichzeitig geschaffene Verbindung mit dem Hauptgebäude durch den Einbau einer Terrassentür bewirke eine Nutzbarkeit der Fläche zu Aufenthaltszwecken. Auch die Art und Weise der Bauausführung lasse deutlich erkennen, dass die Überdachung der Terrasse dem Aufenthalt von Personen zu dienen bestimmt sei. Schließlich lasse auch die Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 4 Ziff. 2 LBO eine ausnahmsweise Unterschreitung der Abstandsfläche in diesem Fall nicht zu. Zum einen sei die ausreichende Beleuchtung des Grundstücks der Beigeladenen mit Tageslicht nicht mehr gewährleistet, zum andern bestehe die Gefahr eines übergreifenden Brandes, so dass auch Gründe des Brandschutzes entgegenstünden.
12 
Unter dem Datum vom 27.05.2005 beschied das Regierungspräsidium Tübingen diesen Widerspruch und hob die Baugenehmigung vom 20.12.2004 auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, die erteilte Baugenehmigung verstoße gegen nachbarschützende Vorschriften, die notwendigen Abstandsflächen seien nicht eingehalten. Bei den an das Wohnhaus des Klägers angebauten Dächern handle es sich um Gebäudeteile im Sinne von § 5 Abs. 1 LBO. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 6 LBO lägen nicht vor, auch nicht ein Fall des § 6 Abs. 1 LBO. Die Überdachungen stellten keine Nebenräume dar. Für die Eingangsüberdachung ergeben sich dies bereits aus dem Umstand, dass der Eingang unmittelbar der Wohnnutzung diene, indem er den regelmäßigen Zugang zum Gebäude vermittle. Die ausdrückliche Erwähnung der Eingangsüberdachung in § 5 Abs. 6 LBO weise daraufhin, dass der Gesetzgeber dieses Element nicht zu den Nebenräumen rechne. Auch bei der weiteren Überdachung liege kein Nebenraum vor. Nach Funktion und Ausführung sei sie als Überdachung für die Terrasse vorgesehen gewesen und sei auch so genutzt worden. Allein die Aussage, die Terrasse nicht mehr als solche nutzen zu wollen und die Fläche zum Abstellen von Gartenmöbeln zu verwenden, führe nicht zur Einstufung als Nebenraum. Als allgemeiner Abstellraum sei der Bereich infolge der unmittelbaren Nähe zum Eingang und der gegebenen unbeschränkten Einsichtssituation ungeeignet; die Nutzung als Abstellraum sei unrealistisch. Eine geringere Tiefe der Abstandsfläche nach § 6 Abs. 4 LBO scheide wegen der betroffenen nachbarlichen Belange aus. Bei der Überdachung handle es sich um eine einheitliche Konstruktion, weshalb die isolierte Genehmigung der Teile, die sich innerhalb der Abstandsflächen befänden, ausscheide.
13 
Nach Zustellung des Widerspruchsbescheids an die damaligen Bevollmächtigten des Klägers am 01.06.2005, hat der Kläger am 29.06.2005 das Verwaltungsgericht angerufen. Zur Begründung wird dargelegt, im Hinblick auf die Eingangsüberdachung lägen zumindest die Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 LBO vor. Der Bescheid des Regierungspräsidiums lasse insoweit jegliche Darstellung der in die Prüfung eingestellten Gesichtspunkte vermissen. Nachbarliche Belange würden durch die Eingangsüberdachung nicht berührt. Zu bedenken sei auch, dass es ohne weiteres möglich wäre, den die Privilegierung nach § 5 Abs. 6 LBO überschreitenden Teil der Tiefe der Eingangsüberdachung in Richtung des benachbarten Grundstücks als Lagerraum zu nutzen, was eine größere Beeinträchtigung der Beigeladenen gegenüber einer Nutzung als Vordach für einen Eingang darstellen würde. Gefolgt werden könne auch nicht der Einschätzung des Regierungspräsidiums, dass sich aus der ausdrücklichen Benennung einer Eingangsüberdachung in § 5 Abs. 6 Nr. 1 LBO ergeben solle, dass eine solche keine Nebenanlage i.S.v. § 6 Abs. 1 LBO sein könne. Die Erwähnung in § 5 Abs. 6 LBO bewirke lediglich, dass ein den dort bezeichneten Kriterien entsprechendes Vordach bei der Berechnung der Abstandsfläche gänzlich unberücksichtigt bleibe. Dies schließe eine Berücksichtigung bei den privilegierten Nebenanlagen aber nicht aus, jede andere Auslegung wäre lebensfremd. Die Gesamtlänge von Abstellplatzüberdachung und Eingangsüberdachung betrage 7,78 m. Die Höhe betrage maximal 2,90 m. Selbst mit dieser maximalen Höhe berechnet, werde die maximal zulässige Fläche einer privilegierten Nebenanlage an der Grenze nicht überschritten.
14 
Die Ablehnung der angeblichen Terrassenüberdachung sei ungewöhnlich. Das Regierungspräsidium habe nicht den Grundsatz bedacht, dass genehmigt werde, was beantragt sei. Zweckentfremdungen im Rahmen der Nutzung einer erteilten Genehmigung seien durch entsprechende Baukontrollen und baubehördliches Einschreiten zu unterbinden. In der Tat habe der Kläger mit seiner Familie in der Vergangenheit die Terrasse als solche benutzt; dies sei aber ohne Unrechtsbewusstsein geschehen. Nach dem Hinweis der Stadt H. darauf, dass eine Terrassenüberdachung nicht privilegiert sei, sei ausdrücklich erklärt worden, dass diese Nutzung zurückgenommen werde und man nur noch die Genehmigung eines Abstellplatzes beantrage. Nur eine solche Nutzung sei auch beabsichtigt, der Kläger finde sich damit ab, die bisherige höherwertige Nutzung nicht mehr ausüben zu können. Die überdachte Fläche, die früher als Terrasse benutzt worden sei, sei als Abstellplatz durchaus geeignet. Eine Vielzahl von Abstellflächen sei lediglich überdacht, beispielsweise abgeschleppte Dächer zur Lagerung von Holz oder Carports und böten trotz allem Schutz gegen die Witterung.
15 
Der Kläger beantragt,
16 
den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 27.05.2005 aufzuheben.
17 
Der Beklagte beantragt,
18 
die Klage abzuweisen.
19 
Zur Begründung werden die Ausführungen im angefochtenen Bescheid wiederholt und vertieft. Insbesondere wird dargelegt, die Eingangsüberdachung diene unmittelbar der Wohnnutzung, weil sie den Zugang zum Gebäude vermittle. Die Terrassenüberdachung sei als solche hergestellt worden und zweckentsprechend in gehobenem Standard ausgebaut worden. Sie sei auch als solche genutzt worden und könne auch jederzeit so genutzt werden. Als Abstellfläche sei eine Nutzung jedoch kaum möglich. Bei den vom Kläger beschriebenen Nutzungen handle es sich angesichts der entgegenstehen Indizien um ein bloßes Etikett zur nachträglichen Rechtfertigung einer ohne Baugenehmigung vorgenommenen Maßnahme. Die Zulassung einer geringen Abstandsfläche nach § 6 Abs. 4 LBO scheide in Anwendung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aus.
20 
Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,
21 
die Klage abzuweisen.
22 
Auch sie wiederholen und vertiefen ihren bisherigen Vortrag und machen ergänzend geltend, die hier fragliche Konstruktion eröffne die Möglichkeit, den gesamten strittigen Bereich zu Aufenthaltszwecken zu nutzen. Hierdurch werde die rechtlich geschützte Wohnruhe der Beigeladenen in erheblichen Umfang beeinträchtigt. Auch würden über Geräuschimmissionen hinaus weitere Immissionen, beispielsweise durch die Nutzung von Gartengrills etc., drohen.
23 
Dem Gericht haben die in der Sache angefallenen Akten der Stadt H. und des Regierungspräsidiums Tübingen vorgelegen. Auf sie und auf die Gerichtsakten wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Entscheidung konnte durch den Vorsitzenden als Berichterstatter getroffen werden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2, 3 VwGO).
25 
Die Klage ist zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
26 
Bei dem angefochtenen Widerspruchsbescheid handelt es sich ausschließlich um eine Entscheidung über den Nachbarwiderspruch der Beigeladenen und nicht etwa (auch) um eine Rücknahmeentscheidung nach § 48 i.V.m. § 50 LVwVfG. Dies hat zur Folge, dass im Rahmen der vorliegend zu treffenden Entscheidung nur solche Normen berücksichtigungsfähig sind, denen nachbarschützende Wirkung zukommt und im Baugenehmigungsverfahren von den Beigeladenen rechtzeitig i.S.d. § 55 Abs. 2 LBO vorgetragen wurden.
27 
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hätte das Regierungspräsidium nach Auffassung des Gerichts dem Widerspruch der Beigeladenen gegen die dem Kläger erteilte Baugenehmigung allein im Hinblick auf die Eingangsüberdachung stattgeben dürfen, nicht jedoch bezüglich der Überdachung der früher als Terrasse genutzten Fläche, wobei letzteres Bauteil im Folgenden - der Verständlichkeit der Darstellung wegen - weiterhin als „Terrassenüberdachung“ bezeichnet wird. Da nach Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung eine konstruktive Trennung zwischen der Terrassenüberdachung und der Eingangsüberdachung möglich ist, also die eine auch ohne die andere bestehen bleiben könnte, scheidet eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung nicht bereits aus bautechnischen Gründen aus.
28 
Die Terrassenüberdachung verletzt keine von den Beigeladenen im Widerspruchsverfahren rügbaren und zu deren Schutz bestehenden baurechtlichen Vorschriften. Die Aufhebung der dem Kläger erteilten Baugenehmigung verletzt deshalb diesen insoweit in seinen Rechten.
29 
Zutreffend wird von Beklagtenseite allerdings darauf hingewiesen, dass die Vorschriften über Abstandsflächen nachbarschützende Wirkung zugunsten der an dieser Grenze liegenden Anlieger entfalten. Solche Abstandsflächen sind nach § 5 Abs. 1 LBO vor den Außenwänden von Gebäuden auch grundsätzlich erforderlich, wobei diese Flächen nach Abs. 2 der genannten Norm auf dem Grundstück selbst liegen müssen. Bei der hier fraglichen Terrassenüberdachung handelt es sich um ein Gebäude im Sinne dieser Vorschrift. Dabei spielt es keine Rolle, dass dieses Bauteil in seiner genehmigten Ausführung an drei Seiten offen ist und lediglich durch die Nordwand des klägerischen Wohnhauses nach Süden hin abgeschlossen ist. Denn Abstandsflächen nach § 5 Abs. 1 LBO sind nicht nur vor Außenwänden in bautechnischem Sinne einzuhalten, sondern auch vor sogenannten „fiktiven“ Außenwänden, also vor Bauteilen mit gebäudegleicher Wirkung (vgl. Sauter, Kommentar zur LBO, 3. Aufl., RdNr. 80 zu § 5; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.10.1985 - 3 S 2910/85 -, BWVPr 1986, 63). Dies bedeutet, dass auch vor größeren Dachvorsprüngen oder Überdachungen Abstandsflächen liegen müssen, da die Wirkung von solchen Bauteilen im Hinblick auf den Zweck des § 5 Abs. 1 LBO - insbesondere die Besonnung und Belüftung des Nachbargrundstückes sicher zu stellen - im Regelfall nicht davon abhängig ist, ob sich unter der Vorderkante des Daches eine Wand befindet oder nicht.
30 
§ 5 Abs. 1 LBO findet jedoch auf die vorliegend im Streit stehende und genehmigte Terrassenüberdachung, die an einer Ecke bis an die Grundstücksgrenze heranreicht, keine Anwendung. Dieses Bauteil ist zwar nicht schon nach § 5 Abs. 6 LBO privilegiert, denn danach müssen Überdachungen jedenfalls 2 m von der Grundstücksgrenze entfernt bleiben; hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Die Privilegierung der konkreten Terrassenüberdachung, also die Freistellung vom Abstandsflächenerfordernis, ergibt sich aber aus § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO. Danach sind Abstandsflächen nicht erforderlich vor Außenwänden von Gebäuden oder Gebäudeteilen, die - u.a. - Nebenräume enthalten, soweit die Wandhöhe nicht mehr als 3 m beträgt und die Wandfläche nicht größer als 25 m 2 ist. Die letztgenannten Maße werden durch die fiktive Wand am nördlichen Abschluss des hier maßgeblichen Bauteils nicht überschritten; diese ist 4,50 m lang und - nach den Bauunterlagen - 2,50 m hoch; selbst die Oberkante des entlang der Hauswand aufgesetzten Oberlichtes erreicht gerade 3,0 m.
31 
Bei dem als Terrassenüberdachung bezeichneten Bauteil handelt es sich nach Auffassung es Gerichts auch in der Tat um einen Nebenraum i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO. Ein derartiger Raum dient nach seiner Funktion nicht unmittelbar der Wohnnutzung. Zu den Nebenräumen zählen demnach Abstellräume, Lagerräume, Trockenräume, Heizräume und andere Räume, die üblicherweise sonst in Untergeschossen untergebracht werden; keine Nebenräume sind hingegen zu einer Wohnung gehörende Sanitärräume, Flure, Wintergärten und Küchen. Ein Nebenraum ist ferner dadurch gekennzeichnet, dass er sich außerhalb des (engeren) Wohnbereichs der Wohnung befindet und nach seiner Ausstattung - im Regelfall - qualitativ unterhalb derjenigen von Räumen im Wohnbereich liegt (vgl. Sauter, LBO, a.a.O., RdNr. 19 zu § 6).
32 
Zu bemerken ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles zunächst, dass die Baugenehmigung lediglich für eine Nutzung des in Streit stehenden Bauteils als Nebenraum im Sinne der eben zitierten Definition erteilt wurde; im Bauantrag und in der Baugenehmigung wird nämlich das Vorhaben insoweit als „Überdachung ... Abstellplatz für Gartenmöbel o.ä./u.ä.“ bezeichnet. Zugelassen ist damit ausschließlich eine Nutzung zu Abstellzwecken. Die Baugenehmigung bestimmt aber grundsätzlich und abschließend den Umfang der zugelassenen Nutzung und damit im Falle der Anfechtung derselben durch einen Nachbarn auch den Streitgegenstand. Anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die zugelassene Nutzung objektiv nicht möglich ist oder es manifeste Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Bauantragsteller tatsächlich eine Nutzung in der beantragten und zugelassenen Art nicht beabsichtigt, das Bauvorhaben vielmehr anderen Zwecken dienen soll. Solche Ausnahmetatbestände sind vorliegend aber nicht gegeben.
33 
Die Terrassenüberdachung ist objektiv zum Abstellen von Gegenständen, die der Hauptnutzung des Grundstücks, dem Wohnen, dienen, geeignet. Zwar ist sie - in der genehmigten Ausführung, die allein Gegenstand der Beurteilung durch das Gericht ist - an drei Seiten offen und vermag deshalb nicht denselben Schutz zu bieten, wie ein geschlossener Raum. Dies spricht jedoch nicht grundsätzlich gegen ihre Funktion als Abstellfläche. Auch einem Schirm wird niemand seine Eignung, vor Regen zu schützen, generell absprechen wollen. In der Art eines Schirmes - besser noch, da eine Seite geschlossen ist - vermag auch die hier fragliche Überdachung Gartenmöbeln und anderen dort abgestellten Gegenständen vor Witterungseinflüssen Schutz zu gewähren.
34 
Nach Auffassung des Gerichts ist für einen Abstellraum nicht essentiell, dass er vor Einblicken zu schützen geeignet ist. Letztendlich ist es Sache des Besitzers, ob er die abgestellten Gegenstände den Blicken anderer freigeben möchte. Von Klägerseite wird in diesem Zusammenhang zutreffend auf den Carport verwiesen, der eine besondere Art eines Abstellraums, einen Abstellraum für Kraftfahrzeuge nämlich, darstellt und der per Definition offen ist. Auch die „gehobene“ Ausstattung des hier fraglichen Bauteils mit einem Fußbodenbelag aus Natursteinen und verschiedenen höherwertigen Beleuchtungskörpern spricht nicht gegen dessen objektive Eignung als Abstellfläche oder Abstellraum. Der Kläger hat im Übrigen plausibel erklärt, wie es zu dieser Ausstattung gekommen ist, er wollte nämlich - und dies hat er nie in Abrede gestellt - diese Fläche weiterhin als Terrasse nutzen. Diese Absicht und auch die tatsächliche Nutzung als Terrasse hat der Kläger aber aufgegeben, nachdem er von der Baurechtsbehörde auf die Rechtslage hingewiesen worden ist. Seither, d.h. seit Sommer 2004, findet eine Terrassennutzung nicht mehr statt, was auch in der mündlichen Verhandlung von Seiten der Beigeladenen bestätigt wurde. Das Gericht hat auch keinen Anlass an der Einlassung des Klägers zu zweifeln, dass er auch zukünftig keine Terrassennutzung mehr beabsichtigt. Es kann deshalb auch nicht davon ausgegangen werden, dass die erteilte Baugenehmigung nicht mit der tatsächlich beabsichtigten Nutzung in Einklang steht. Damit spricht im konkreten Fall die qualitativ höherwertige Bauausführung und Ausstattung nicht gegen die Qualifizierung als Abstell- und damit Nebenraum. Dem Kläger kann mithin auch nicht angesonnen werden, das hier fragliche Bauteil durch Rückbau in einen einfacheren Zustand zu versetzen. Auch sieht das Gericht in der vorliegenden Konstellation keinen normativen Ansatz für eine Bedürfnisprüfung, die Prüfung der Frage also, ob der Kläger nicht bereits über genügend andere Abstellmöglichkeiten auf seinem Grundstück verfügt. Jedenfalls wird die Fläche derzeit - wenn auch in geringem Umfang - als Abstellraum genutzt, wie der Augenschein ergeben hat.
35 
Danach ist mit der sogenannten Terrassenüberdachung keine Abstandsfläche einzuhalten, ohne dass auf § 6 Abs. 4 LBO eingegangen werden müsste oder es einer Entscheidung oder § 56 Abs. 5 LBO über die Zulassung geringerer Tiefen bedurft hätte.
36 
Soweit von Beigeladenenseite erstmals im gerichtlichen Verfahren eine von der Überdachung ausgehende Brandgefahr gerügt wurde, können die Beigeladenen damit nicht mehr gehört werden, sie sind nach § 55 Abs. 2 LBO mit dieser Einwendung ausgeschlossen. Nach jener Vorschrift sind Einwendungen innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Benachrichtigung schriftlich oder zur Niederschrift vorzubringen (Satz 1), ferner sind alle durch Zustellungen vom Bauantrag benachrichtigten Angrenzer mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die im Rahmen der Beteiligung nicht fristgemäß geltend gemacht worden sind (Satz 2 ). Auf diese Rechtsfolgen sind die Beigeladenen auch mit den Benachrichtigungsschreiben vom 02.11.2004, die den Beigeladenen am 04.11.2004 zugestellt worden sind, hingewiesen worden (vgl. Satz 3). Innerhalb der genannten Zweiwochenfrist haben die Beigeladenen zwar durch Schriftsatz vom 16.11.2004 Stellung genommen, sie sind darin aber auf eine Brandgefahr nicht eingegangen. Dieser Aspekt ist inhaltlich auch nicht etwa von der Rüge fehlender Abstandsflächen mit umfasst, denn die Vorschriften über die Abstandsflächen verfolgen nicht das Ziel, der Ausbreitung von Schadensfeuer vorzubeugen; diesbezüglich sind § 15 LBO und die Brandschutzanforderungen in der Allgemeinen Ausführungsverordnung zur Landesbauordnung - LBOAVO - einschlägig (vgl. Sauter, LBO, a.a.O. RdNr. 44 zu § 6). Danach sind Belange des Brandschutzes im vorliegenden Verfahren, in dem es allein um die Rechtmäßigkeit der Bescheidung des Nachbarwiderspruchs der Beigeladenen gegen die dem Kläger erteilte Baugenehmigung geht, nicht zu berücksichtigen.
37 
Nach allem verletzt die erteilte Baugenehmigung - soweit sie die genannte Terrassenüberdachung betrifft - keine Rechte der Beigeladenen, weshalb der dem Widerspruch diesbezüglich stattgebende Bescheid des Regierungspräsidiums insoweit aufzuheben ist.
38 
Auch die Eingangsüberdachung ist mit dem darunter befindlichen Raum als Gebäude i.S.v. § 5 Abs. 1 LBO zu werten, obwohl in Richtung des Grundstücks der Beigeladenen und zur Westseite hin keine konstruktive Wand besteht. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Terrassenüberdachung verwiesen werden. Diese Eingangsüberdachung unterfällt ebenso wenig wie die Terrassenüberdachung der Vorschrift des § 5 Abs. 6 LBO, denn sie hält ebenfalls den dort genannten Abstand zum Grundstück der Beigeladenen von 2 m nicht ein, vielmehr beträgt dieser Abstand nach den Eintragungen im Baugesuch im Minimum 1,87 m. Für die Eingangsüberdachung kann sich der Kläger allerdings auch nicht auf die Privilegierung des § 6 Abs. 1 LBO berufen, denn das durch diese Überdachung gebildete Bauteil stellt keinen Nebenraum im Sinne der genannten Vorschrift und der oben wiedergegebenen Erläuterung dar. Die von Klägerseite angestellten hypothetischen Erwägungen, wie es zu beurteilen wäre, wenn die Überdachung bis an die Grenze gezogen würde und wenn der Teil der Bodenfläche zwischen dem zum Hausgang führenden Weg und der Grenze als Abstellfläche benutzt würde, müssen dabei unberücksichtigt bleiben. Denn tatsächlich handelt es sich bei dem hier fraglichen Bauteil ausschließlich um die Überdachung des Eingangbereiches und nicht um die Überdachung einer Abstellfläche.
39 
Unter Berücksichtigung des Umstands, dass Nebenräume nicht unmittelbar der Wohnnutzung dienen und diese Räume üblicherweise sonst in Untergeschossen untergebracht werden, kann der Bereich einer Eingangsüberdachung nicht als Nebenraum beurteilt werden. Denn ein solcher Bereich dient unmittelbar dem Wohnen, da durch ihn erst die Wohnräume aufgesucht werden können. In seiner Funktion kommt er damit sehr stark den Fluren nahe, die eine Verbindung zwischen den einzelnen Wohnräumen gewähren und damit ebenfalls keine Nebenräume im erwähnten Sinne darstellen, sondern dem engeren Wohnbereich zuzurechnen sind, weshalb sie von der Einhaltung der Abstandsflächen nicht nach § 6 LBO befreit sind. Danach wäre vorliegend der nachbarschützende Teil der Abstandstiefen, jedenfalls aber eine Tiefe von 2,5 m, zur Grenze des Grundstücks der Beigeladenen einzuhalten (§ 5 Abs. 7 LBO), was tatsächlich nicht der Fall ist.
40 
Die Zulassung einer geringeren Tiefe nach § 6 Abs. 4 LBO kommt nicht in Betracht. Einschlägig könnte vorliegend allenfalls § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO sein, wonach geringere Tiefen zuzulassen sind, wenn die Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maß gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und, soweit die Tiefe der Abstandsfläche die Maße des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg sind jedoch, soweit der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe auch nur geringfügig unterschritten wird, nachbarliche Belange schon dann erheblich beeinträchtigt, wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die vorhandene Situation durch bestimmte Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.10.1996 - 8 S 2566/96 -, VBlBW-Ls 1996, Beilage 12, B 8-9 = BauR 1997, 92 ff.; Sauter, LBO, a.a.O., RdNr. 48 b zu § 6 m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.06.2003 - 3 S 938/03 -, BauR 2003, 1549 ff.). Besonderheiten in diesem Sinne sind vorliegend nicht ersichtlich, insbesondere besteht auch kein vergleichsweise großer Abstand zwischen dem Wohngebäude der Beigeladenen und der Grenze zum Grundstück des Klägers, vielmehr beträgt dieser Abstand knapp 7 m.
41 
Wird danach mit der Eingangsüberdachung die auch zum Schutz der Beigeladenen dienende Abstandsfläche nicht eingehalten, hat das Regierungspräsidium Tübingen zu Recht die dem Kläger erteilte Baugenehmigung insoweit ausgehoben, weshalb auch die vom Kläger gegen die Entscheidung des Regierungspräsidiums erhobene Klage in diesem Umfang erfolglos bleibt.
42 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 i.V.m. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Das Gericht sieht davon ab, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§ 124 a Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
24 
Die Entscheidung konnte durch den Vorsitzenden als Berichterstatter getroffen werden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2, 3 VwGO).
25 
Die Klage ist zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
26 
Bei dem angefochtenen Widerspruchsbescheid handelt es sich ausschließlich um eine Entscheidung über den Nachbarwiderspruch der Beigeladenen und nicht etwa (auch) um eine Rücknahmeentscheidung nach § 48 i.V.m. § 50 LVwVfG. Dies hat zur Folge, dass im Rahmen der vorliegend zu treffenden Entscheidung nur solche Normen berücksichtigungsfähig sind, denen nachbarschützende Wirkung zukommt und im Baugenehmigungsverfahren von den Beigeladenen rechtzeitig i.S.d. § 55 Abs. 2 LBO vorgetragen wurden.
27 
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hätte das Regierungspräsidium nach Auffassung des Gerichts dem Widerspruch der Beigeladenen gegen die dem Kläger erteilte Baugenehmigung allein im Hinblick auf die Eingangsüberdachung stattgeben dürfen, nicht jedoch bezüglich der Überdachung der früher als Terrasse genutzten Fläche, wobei letzteres Bauteil im Folgenden - der Verständlichkeit der Darstellung wegen - weiterhin als „Terrassenüberdachung“ bezeichnet wird. Da nach Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung eine konstruktive Trennung zwischen der Terrassenüberdachung und der Eingangsüberdachung möglich ist, also die eine auch ohne die andere bestehen bleiben könnte, scheidet eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung nicht bereits aus bautechnischen Gründen aus.
28 
Die Terrassenüberdachung verletzt keine von den Beigeladenen im Widerspruchsverfahren rügbaren und zu deren Schutz bestehenden baurechtlichen Vorschriften. Die Aufhebung der dem Kläger erteilten Baugenehmigung verletzt deshalb diesen insoweit in seinen Rechten.
29 
Zutreffend wird von Beklagtenseite allerdings darauf hingewiesen, dass die Vorschriften über Abstandsflächen nachbarschützende Wirkung zugunsten der an dieser Grenze liegenden Anlieger entfalten. Solche Abstandsflächen sind nach § 5 Abs. 1 LBO vor den Außenwänden von Gebäuden auch grundsätzlich erforderlich, wobei diese Flächen nach Abs. 2 der genannten Norm auf dem Grundstück selbst liegen müssen. Bei der hier fraglichen Terrassenüberdachung handelt es sich um ein Gebäude im Sinne dieser Vorschrift. Dabei spielt es keine Rolle, dass dieses Bauteil in seiner genehmigten Ausführung an drei Seiten offen ist und lediglich durch die Nordwand des klägerischen Wohnhauses nach Süden hin abgeschlossen ist. Denn Abstandsflächen nach § 5 Abs. 1 LBO sind nicht nur vor Außenwänden in bautechnischem Sinne einzuhalten, sondern auch vor sogenannten „fiktiven“ Außenwänden, also vor Bauteilen mit gebäudegleicher Wirkung (vgl. Sauter, Kommentar zur LBO, 3. Aufl., RdNr. 80 zu § 5; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.10.1985 - 3 S 2910/85 -, BWVPr 1986, 63). Dies bedeutet, dass auch vor größeren Dachvorsprüngen oder Überdachungen Abstandsflächen liegen müssen, da die Wirkung von solchen Bauteilen im Hinblick auf den Zweck des § 5 Abs. 1 LBO - insbesondere die Besonnung und Belüftung des Nachbargrundstückes sicher zu stellen - im Regelfall nicht davon abhängig ist, ob sich unter der Vorderkante des Daches eine Wand befindet oder nicht.
30 
§ 5 Abs. 1 LBO findet jedoch auf die vorliegend im Streit stehende und genehmigte Terrassenüberdachung, die an einer Ecke bis an die Grundstücksgrenze heranreicht, keine Anwendung. Dieses Bauteil ist zwar nicht schon nach § 5 Abs. 6 LBO privilegiert, denn danach müssen Überdachungen jedenfalls 2 m von der Grundstücksgrenze entfernt bleiben; hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Die Privilegierung der konkreten Terrassenüberdachung, also die Freistellung vom Abstandsflächenerfordernis, ergibt sich aber aus § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO. Danach sind Abstandsflächen nicht erforderlich vor Außenwänden von Gebäuden oder Gebäudeteilen, die - u.a. - Nebenräume enthalten, soweit die Wandhöhe nicht mehr als 3 m beträgt und die Wandfläche nicht größer als 25 m 2 ist. Die letztgenannten Maße werden durch die fiktive Wand am nördlichen Abschluss des hier maßgeblichen Bauteils nicht überschritten; diese ist 4,50 m lang und - nach den Bauunterlagen - 2,50 m hoch; selbst die Oberkante des entlang der Hauswand aufgesetzten Oberlichtes erreicht gerade 3,0 m.
31 
Bei dem als Terrassenüberdachung bezeichneten Bauteil handelt es sich nach Auffassung es Gerichts auch in der Tat um einen Nebenraum i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO. Ein derartiger Raum dient nach seiner Funktion nicht unmittelbar der Wohnnutzung. Zu den Nebenräumen zählen demnach Abstellräume, Lagerräume, Trockenräume, Heizräume und andere Räume, die üblicherweise sonst in Untergeschossen untergebracht werden; keine Nebenräume sind hingegen zu einer Wohnung gehörende Sanitärräume, Flure, Wintergärten und Küchen. Ein Nebenraum ist ferner dadurch gekennzeichnet, dass er sich außerhalb des (engeren) Wohnbereichs der Wohnung befindet und nach seiner Ausstattung - im Regelfall - qualitativ unterhalb derjenigen von Räumen im Wohnbereich liegt (vgl. Sauter, LBO, a.a.O., RdNr. 19 zu § 6).
32 
Zu bemerken ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles zunächst, dass die Baugenehmigung lediglich für eine Nutzung des in Streit stehenden Bauteils als Nebenraum im Sinne der eben zitierten Definition erteilt wurde; im Bauantrag und in der Baugenehmigung wird nämlich das Vorhaben insoweit als „Überdachung ... Abstellplatz für Gartenmöbel o.ä./u.ä.“ bezeichnet. Zugelassen ist damit ausschließlich eine Nutzung zu Abstellzwecken. Die Baugenehmigung bestimmt aber grundsätzlich und abschließend den Umfang der zugelassenen Nutzung und damit im Falle der Anfechtung derselben durch einen Nachbarn auch den Streitgegenstand. Anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die zugelassene Nutzung objektiv nicht möglich ist oder es manifeste Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Bauantragsteller tatsächlich eine Nutzung in der beantragten und zugelassenen Art nicht beabsichtigt, das Bauvorhaben vielmehr anderen Zwecken dienen soll. Solche Ausnahmetatbestände sind vorliegend aber nicht gegeben.
33 
Die Terrassenüberdachung ist objektiv zum Abstellen von Gegenständen, die der Hauptnutzung des Grundstücks, dem Wohnen, dienen, geeignet. Zwar ist sie - in der genehmigten Ausführung, die allein Gegenstand der Beurteilung durch das Gericht ist - an drei Seiten offen und vermag deshalb nicht denselben Schutz zu bieten, wie ein geschlossener Raum. Dies spricht jedoch nicht grundsätzlich gegen ihre Funktion als Abstellfläche. Auch einem Schirm wird niemand seine Eignung, vor Regen zu schützen, generell absprechen wollen. In der Art eines Schirmes - besser noch, da eine Seite geschlossen ist - vermag auch die hier fragliche Überdachung Gartenmöbeln und anderen dort abgestellten Gegenständen vor Witterungseinflüssen Schutz zu gewähren.
34 
Nach Auffassung des Gerichts ist für einen Abstellraum nicht essentiell, dass er vor Einblicken zu schützen geeignet ist. Letztendlich ist es Sache des Besitzers, ob er die abgestellten Gegenstände den Blicken anderer freigeben möchte. Von Klägerseite wird in diesem Zusammenhang zutreffend auf den Carport verwiesen, der eine besondere Art eines Abstellraums, einen Abstellraum für Kraftfahrzeuge nämlich, darstellt und der per Definition offen ist. Auch die „gehobene“ Ausstattung des hier fraglichen Bauteils mit einem Fußbodenbelag aus Natursteinen und verschiedenen höherwertigen Beleuchtungskörpern spricht nicht gegen dessen objektive Eignung als Abstellfläche oder Abstellraum. Der Kläger hat im Übrigen plausibel erklärt, wie es zu dieser Ausstattung gekommen ist, er wollte nämlich - und dies hat er nie in Abrede gestellt - diese Fläche weiterhin als Terrasse nutzen. Diese Absicht und auch die tatsächliche Nutzung als Terrasse hat der Kläger aber aufgegeben, nachdem er von der Baurechtsbehörde auf die Rechtslage hingewiesen worden ist. Seither, d.h. seit Sommer 2004, findet eine Terrassennutzung nicht mehr statt, was auch in der mündlichen Verhandlung von Seiten der Beigeladenen bestätigt wurde. Das Gericht hat auch keinen Anlass an der Einlassung des Klägers zu zweifeln, dass er auch zukünftig keine Terrassennutzung mehr beabsichtigt. Es kann deshalb auch nicht davon ausgegangen werden, dass die erteilte Baugenehmigung nicht mit der tatsächlich beabsichtigten Nutzung in Einklang steht. Damit spricht im konkreten Fall die qualitativ höherwertige Bauausführung und Ausstattung nicht gegen die Qualifizierung als Abstell- und damit Nebenraum. Dem Kläger kann mithin auch nicht angesonnen werden, das hier fragliche Bauteil durch Rückbau in einen einfacheren Zustand zu versetzen. Auch sieht das Gericht in der vorliegenden Konstellation keinen normativen Ansatz für eine Bedürfnisprüfung, die Prüfung der Frage also, ob der Kläger nicht bereits über genügend andere Abstellmöglichkeiten auf seinem Grundstück verfügt. Jedenfalls wird die Fläche derzeit - wenn auch in geringem Umfang - als Abstellraum genutzt, wie der Augenschein ergeben hat.
35 
Danach ist mit der sogenannten Terrassenüberdachung keine Abstandsfläche einzuhalten, ohne dass auf § 6 Abs. 4 LBO eingegangen werden müsste oder es einer Entscheidung oder § 56 Abs. 5 LBO über die Zulassung geringerer Tiefen bedurft hätte.
36 
Soweit von Beigeladenenseite erstmals im gerichtlichen Verfahren eine von der Überdachung ausgehende Brandgefahr gerügt wurde, können die Beigeladenen damit nicht mehr gehört werden, sie sind nach § 55 Abs. 2 LBO mit dieser Einwendung ausgeschlossen. Nach jener Vorschrift sind Einwendungen innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Benachrichtigung schriftlich oder zur Niederschrift vorzubringen (Satz 1), ferner sind alle durch Zustellungen vom Bauantrag benachrichtigten Angrenzer mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die im Rahmen der Beteiligung nicht fristgemäß geltend gemacht worden sind (Satz 2 ). Auf diese Rechtsfolgen sind die Beigeladenen auch mit den Benachrichtigungsschreiben vom 02.11.2004, die den Beigeladenen am 04.11.2004 zugestellt worden sind, hingewiesen worden (vgl. Satz 3). Innerhalb der genannten Zweiwochenfrist haben die Beigeladenen zwar durch Schriftsatz vom 16.11.2004 Stellung genommen, sie sind darin aber auf eine Brandgefahr nicht eingegangen. Dieser Aspekt ist inhaltlich auch nicht etwa von der Rüge fehlender Abstandsflächen mit umfasst, denn die Vorschriften über die Abstandsflächen verfolgen nicht das Ziel, der Ausbreitung von Schadensfeuer vorzubeugen; diesbezüglich sind § 15 LBO und die Brandschutzanforderungen in der Allgemeinen Ausführungsverordnung zur Landesbauordnung - LBOAVO - einschlägig (vgl. Sauter, LBO, a.a.O. RdNr. 44 zu § 6). Danach sind Belange des Brandschutzes im vorliegenden Verfahren, in dem es allein um die Rechtmäßigkeit der Bescheidung des Nachbarwiderspruchs der Beigeladenen gegen die dem Kläger erteilte Baugenehmigung geht, nicht zu berücksichtigen.
37 
Nach allem verletzt die erteilte Baugenehmigung - soweit sie die genannte Terrassenüberdachung betrifft - keine Rechte der Beigeladenen, weshalb der dem Widerspruch diesbezüglich stattgebende Bescheid des Regierungspräsidiums insoweit aufzuheben ist.
38 
Auch die Eingangsüberdachung ist mit dem darunter befindlichen Raum als Gebäude i.S.v. § 5 Abs. 1 LBO zu werten, obwohl in Richtung des Grundstücks der Beigeladenen und zur Westseite hin keine konstruktive Wand besteht. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Terrassenüberdachung verwiesen werden. Diese Eingangsüberdachung unterfällt ebenso wenig wie die Terrassenüberdachung der Vorschrift des § 5 Abs. 6 LBO, denn sie hält ebenfalls den dort genannten Abstand zum Grundstück der Beigeladenen von 2 m nicht ein, vielmehr beträgt dieser Abstand nach den Eintragungen im Baugesuch im Minimum 1,87 m. Für die Eingangsüberdachung kann sich der Kläger allerdings auch nicht auf die Privilegierung des § 6 Abs. 1 LBO berufen, denn das durch diese Überdachung gebildete Bauteil stellt keinen Nebenraum im Sinne der genannten Vorschrift und der oben wiedergegebenen Erläuterung dar. Die von Klägerseite angestellten hypothetischen Erwägungen, wie es zu beurteilen wäre, wenn die Überdachung bis an die Grenze gezogen würde und wenn der Teil der Bodenfläche zwischen dem zum Hausgang führenden Weg und der Grenze als Abstellfläche benutzt würde, müssen dabei unberücksichtigt bleiben. Denn tatsächlich handelt es sich bei dem hier fraglichen Bauteil ausschließlich um die Überdachung des Eingangbereiches und nicht um die Überdachung einer Abstellfläche.
39 
Unter Berücksichtigung des Umstands, dass Nebenräume nicht unmittelbar der Wohnnutzung dienen und diese Räume üblicherweise sonst in Untergeschossen untergebracht werden, kann der Bereich einer Eingangsüberdachung nicht als Nebenraum beurteilt werden. Denn ein solcher Bereich dient unmittelbar dem Wohnen, da durch ihn erst die Wohnräume aufgesucht werden können. In seiner Funktion kommt er damit sehr stark den Fluren nahe, die eine Verbindung zwischen den einzelnen Wohnräumen gewähren und damit ebenfalls keine Nebenräume im erwähnten Sinne darstellen, sondern dem engeren Wohnbereich zuzurechnen sind, weshalb sie von der Einhaltung der Abstandsflächen nicht nach § 6 LBO befreit sind. Danach wäre vorliegend der nachbarschützende Teil der Abstandstiefen, jedenfalls aber eine Tiefe von 2,5 m, zur Grenze des Grundstücks der Beigeladenen einzuhalten (§ 5 Abs. 7 LBO), was tatsächlich nicht der Fall ist.
40 
Die Zulassung einer geringeren Tiefe nach § 6 Abs. 4 LBO kommt nicht in Betracht. Einschlägig könnte vorliegend allenfalls § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO sein, wonach geringere Tiefen zuzulassen sind, wenn die Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maß gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und, soweit die Tiefe der Abstandsfläche die Maße des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg sind jedoch, soweit der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe auch nur geringfügig unterschritten wird, nachbarliche Belange schon dann erheblich beeinträchtigt, wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die vorhandene Situation durch bestimmte Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.10.1996 - 8 S 2566/96 -, VBlBW-Ls 1996, Beilage 12, B 8-9 = BauR 1997, 92 ff.; Sauter, LBO, a.a.O., RdNr. 48 b zu § 6 m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.06.2003 - 3 S 938/03 -, BauR 2003, 1549 ff.). Besonderheiten in diesem Sinne sind vorliegend nicht ersichtlich, insbesondere besteht auch kein vergleichsweise großer Abstand zwischen dem Wohngebäude der Beigeladenen und der Grenze zum Grundstück des Klägers, vielmehr beträgt dieser Abstand knapp 7 m.
41 
Wird danach mit der Eingangsüberdachung die auch zum Schutz der Beigeladenen dienende Abstandsfläche nicht eingehalten, hat das Regierungspräsidium Tübingen zu Recht die dem Kläger erteilte Baugenehmigung insoweit ausgehoben, weshalb auch die vom Kläger gegen die Entscheidung des Regierungspräsidiums erhobene Klage in diesem Umfang erfolglos bleibt.
42 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 i.V.m. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Das Gericht sieht davon ab, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§ 124 a Abs. 1 VwGO).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Hält die Behörde den Widerspruch für begründet, so hilft sie ihm ab und entscheidet über die Kosten.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 3.750,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antrag ist zulässig und richtet sich nach §§ 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers, gegen die dem Beigeladenen von der Stadt... unter dem 24.08.2005 erteilten Baugenehmigung sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums ... vom 06.12.2005. Der Klage kommt kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zu (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO, § 212a Abs. 1 BauGB).
Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Nach der im summarischen Verfahren gewonnen Überzeugung der Kammer überwiegen das öffentliche Interesse und das private Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung das private Interesse des Antragstellers, vorläufig vom Vollzug der angefochtenen Baugenehmigung verschont zu bleiben. Denn es muss derzeit mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die angefochtene Baugenehmigung nicht gegen von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften i.S.v. § 58 Abs. 1 S. 1 LBO verstößt, die zumindest auch dem Schutz des Antragstellers zu dienen bestimmt sind. Die Klage wird deshalb aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben.
1. Die Ausführungen des Antragstellers zur Frage eines „Einfügens“ des Vorhabens der Beigeladenen im so genannten Blockinnenbereich seiner näheren Umgebung gem. § 34 Abs. 1 BauGB beschäftigen sich im wesentlichen mit objektiv-rechtlichen städtebaulichen Fragen, ohne darzulegen, in welchen seinem Schutz dienenden Rechten der Antragsteller hierdurch verletzt sein soll. Eine Beachtung des objektiven Baurechts kann der Antragsteller aber nicht verlangen. Er ist darauf beschränkt, eine Verletzung auch seinem Schutz als Nachbarn dienender Rechtsnormen geltend zu machen. Dem maßgeblichen objektiv-rechtlichen Rücksichtnahmegebot, das Bestandteil des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB ist, kommt aber eine solche drittschützende Wirkung nur ausnahmsweise zu. Eine solche Ausnahme liegt nur vor, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.02.1977 - 4 C 22.75 -, BVerwGE 52, 122; zuletzt VGH Bad.-Württ., Urt. vom 2.12.2005, 3 S 151/04; aus der Literatur: Söfker, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB-Kommentar, § 34 Rdnr. 141 mit Nachweisen; eine weitergehende nachbarschützende Wirkung ohne Beschränkung auf das Rücksichtnahmegebot wird z.B. vertreten von Dürr, Kohlhammer-Kommentar zum BauGB, § 34 Rdnr. 154 und KommJur 2005, 201 [203 f., 209]; Wahl, JuS 1984, 577 [584 ff.]). Dies schließt eine erfolgreiche Berufung auf die Einhaltung tatsächlicher Baugrenzen oder Baulinien aus. Ob Baugrenzen oder Baulinien nachbarschützend sind oder ausschließlich städtebauliche Aussagen treffen, beurteilt sich nach ihrer Zweckbestimmung (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl. 2002, § 23 Rdnr. 6). Eine solche Zweckbestimmung lässt sich aber nur im Falle der förmlichen Festsetzung von Baugrenzen oder Baulinien in einem Bebauungsplan nachvollziehen. Im Fall einer faktischen Baugrenze oder Baulinie ist hierfür kein Raum, weil es an einer für die drittschützende Wirkung maßgeblichen planerischen Entscheidung der Gemeinde zum nachbarschaftlichen Austauschverhältnis fehlt (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.11.1994, 8 S 2937/94; OVG Bautzen, Beschl. v. 20.10.2005, 1 BS 251/05 - Juris; grundlegend BVerwG, Urt. vom 23.08.1996 - 4 C 13.94 -, BVerwGE 101, 364 [376]). Dies hat seinen rechtfertigenden Grund darin, dass § 34 Abs. 1 BauGB eine Planersatzvorschrift ist, deren Zulässigkeitsmaßstab notwendigerweise weniger scharf ist als der eines Bebauungsplanes, weil er sich an der Umgebungsbebauung orientiert. Das hat zur Folge, dass im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB ein Vorhaben zulässig sein kann, dessen Verwirklichung durch einen Bebauungsplan ausgeschlossen werden könnte. Der aus § 34 Abs. 1 BauGB folgende Nachbarschutz ist also weniger weit gehend als derjenige eines Bebauungsplanes (vgl. BVerwG, Beschl. vom 19.10.1995, 4 B 215.95, NVwZ 1996, 888). Da das BVerwG bezüglich der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung und der überbaubaren Grundstücksfläche auch im Planbereich keinen Drittschutz kraft Bundesrechts sieht (BVerwG, Beschl. vom 23.06.1995, 4 B 52.95, NVwZ 1996, 170; Beschl. vom 19.10.1995, 4 B 215.95, NVwZ 1996, 888), ist für Drittschutz bezüglich der „Stellung des Baukörpers im Raum“ im Rahmen von § 34 Abs. 1 BauGB auch kein Raum.
2. Im Übrigen würde entgegen der Auffassung des Antragstellers in der näheren Umgebung des Bauvorhabens i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB auch keine faktische Baugrenze vorhanden sein, welche der Erteilung einer Baugenehmigung - objektivrechtlich - entgegenstünde. Ein Bauvorhaben fügt sich in die Umgebungsbebauung im Hinblick auf seine überbaubare Grundstücksfläche und damit auf seinen Standort innerhalb der vorhandenen Bebauung dann ein, wenn und soweit rückwärtige Grundstücksflächen der maßgeblichen Umgebung eine entsprechende Bebauung aufweisen. Welche Umgebung im Einzelfall „maßgeblich“ ist, hängt von der mit dem Bauvorhaben auf die Nachbarschaft verbundenen Ausstrahlungswirkung ab (vgl. BVerwG, Urt. vom 03.04.1981 - 4 C 61.78 -, BVerwGE 62, 151), so dass für die Blockinnenbebauung durch ein Wohngebäude entweder eine Betrachtung im maßgeblichen Straßengeviert (Quartier) oder eine Betrachtung von der Erschließungsseite aus in Betracht gezogen werden kann. Letztlich ist dies aber eine Frage der konkreten Umstände des Einzelfalles und - soweit entscheidungserheblich - ggf. durch einen Augenschein zu klären. Die Kammer muss dies für das vorläufige Rechtsschutzverfahren aber nicht abschließend klären, weil nach beiden in Betracht kommenden Sichtweisen eine Bebaubarkeit des rückwärtigen Bereiches des Flst. Nr. .../... zulässig erscheint:
In dem Straßengeviert ...-, ...-, ...- und ...straße liegt auf dem Grundstück des Antragstellers eine Garagenanlage, die den Blockinnenbereich durch ihre Größe maßgeblich mit prägt und die deshalb nicht als untergeordnete oder lediglich vereinzelte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.11.1997, 4 B 172.97, NVwZ-RR 1998, 539) Garagen- oder Nebengebäudebebauung anzusehen ist, neben der nur weitere untergeordnete Nebenanlagen zulässig wären (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 28.09.1988, 4 B 175.88, NVwZ 1989, 354). Denn auf dem Grundstück des Antragstellers wurden entlang der Grundstücksgrenze zwischen 1964 und 2002 insgesamt 15 Garagen - teilweise unter Befreiung von nachbarschützenden Vorschriften - genehmigt, die mehr als den im Anwesen ...straße ... vorhandenen Stellplatzbedarf abbilden und damit einem - der Hauptnutzung untergeordneten - Nebengebäude im Sinne der genannten Rechtsprechung nicht vergleichbar sind. Die Grundfläche der Garagenanlage auf den Flurst. Nrn. .../... und ... stellt die größte überbaute Fläche im Quartier dar, die zudem die Nutzungsmöglichkeiten der Nachbargrundstücke und insbesondere des gesamten rückwärtigen Bereiches im Quartier durch ihre mehr als 70m lange und das natürliche Gelände um rund 3m überragende Grenzbebauung prägt. Schließlich könnte auch unter dem Gesichtspunkt des § 12 Abs. 2 BauNVO fraglich sein, ob diese - allerdings bestandskräftig genehmigten - Garagen in einem ansonsten homogenen Innenbereich nach § 34 Abs. 2 BauGB bei einem Neuantrag zulässig wären (vgl. Beschl. d. Kammer v. 19.12.2005, 1 K 1761/05; BVerwG, Urt. v. 16.09.1993, 4 C 28.91, BVerwGE 94, 151). Die Nutzung des Blockinnenbereichs ist ferner durch eine Werkstatt auf dem Flurstück 7223/4 sowie das 2004 genehmigte Wohngebäude an der Ecke ...straße/...straße vorgeprägt.
Soweit die rückwärtige Überbaubarkeit nach der tatsächlichen Bebauung entlang der Erschließungsstraße ...straße beurteilt würde, so wäre eine Bebauung des rückwärtigen Bereiches auf dem benachbarten Grundstück Flst. Nr. .../... (Wohngebäude), dem Flst. Nr. .../... (Wohngebäude) sowie auf dem Flst.Nr. .../... (Werkstatt) vorhanden, und zwar mit vergleichbarer Bautiefe wie das geplante Vorhaben.
Die vorhandene Überbauung des Bereiches hinter den straßenseitig gelegenen Wohngebäuden ist damit nach jeder Betrachtungsweise nicht nur vereinzelt und prägt den Blockinnenbereich mit, so dass das Bauvorhaben des Beigeladenen auf dem Flurstück Nr. .../... nach Überzeugung der Kammer mit hoher Wahrscheinlichkeit auch objektiv-rechtlich nach § 34 Abs. 1 BauGB zulässig ist.
3. Schließlich ist die Kammer aber auch der Auffassung, dass selbst wenn man zugunsten des Antragstellers mit verschiedenen Stimmen in der Literatur (Nachweise bei Dürr, a.a.O.; ferner Koch/Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 4. Aufl. 2004, § 28 Rn. 15 ff.) eine Ausweitung des Nachbarschutzes im Rahmen des § 34 BauGB vornehmen wollte, schutzwürdige Belange des Antragstellers im konkreten Fall nicht beeinträchtigt sind. Das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis ist nämlich geprägt von wechselseitiger Rücksichtnahme im Rahmen des Austauschverhältnisses der Eigentümer untereinander. Indem der Antragsteller - als bislang einziger Eigentümer des Quartiers - den rückwärtigen Bereich seines Grundstücks Flst.-Nr. .../... mit einer großen Garagenanlage bebaut hat (Grenzbebauung mit mehr als 70 m Länge; Nutzungen, die nicht der Hauptnutzung des Grundstückes untergeordnet sind, sondern über das Grundstück des Ast. hinauswirken, z.B. durch Lärmbeeinträchtigungen von zu- und abfahrenden Fahrzeugen sowie Öffnen und Schließen von Garagentoren), fordert er selbst von der Nachbarschaft bereits ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme. Seine eigene Garagenanlage führt bereits dazu, dass die vom Antragsteller behauptete „Ruhezone“ des rückwärtigen Bereiches in ihrer Qualität und Quantität stark gemindert wird. Dies bedeutet aber, dass der von seiner Nachbarschaft Rücksicht einfordernde Antragsteller seinen Nachbarn seinerseits ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme entgegenzubringen und die grundsätzlich zulässige bauliche Ausnutzung des Nachbargrundstückes hinzunehmen hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. vom 2.12.2005, 3 S 151/04, UA S. 10). Das nachbarschaftliche Verhältnis ist keine Einbahnstraße, sondern ein gegenseitiges Austauschverhältnis (BVerwG, Urt. vom 23.08.1996 - 4 C 13.94 -, BVerwGE 101, 364 [376]). Für die Kammer sind auch keine weitergehenden Gesichtspunkte erkennbar, weshalb ein Bauvorhaben, das bauordnungsrechtlich einen ausreichenden Abstand zum Grundstück des Antragstellers hält und das eine grundsätzlich in der Nachbarschaft zulässige Nutzung vorsieht, sich gegenüber der Nutzung auf dem gesamten Grundstück des Antragstellers (Wohngebäude und umfangreiche Garagennutzung) als eine das nachbarschaftliche Austauschverhältnis störende Nutzung darstellen sollte.
4. Auch im Hinblick auf die weiteren Tatbestandsmerkmale in § 34 Abs. 1 BauGB lassen sich keine Hinweise dafür finden, dass nachbarschützende Aspekte verletzt sein können. So fügt sich die Art der beabsichtigten Nutzung (Wohnanlage) ohne Weiteres in die in der Umgebung vorhandene Wohnbebauung ein, auch das Maß der beabsichtigten Nutzung fügt sich in die Umgebungsbebauung ein. Denn sowohl die überbaute Fläche hat auf den Nachbargrundstücken (Flst.-Nr. .../... des Antragstellers und Flst.-Nr. .../...) ein Vorbild und auch die geplante Bauhöhe von knapp 12 m dürfte den in der Umgebung vorhandenen Rahmen nicht sprengen, denn auch das Haus des Antragstellers ist viergeschossig mit Satteldach ausgebildet (zur Firsthöhe als maßgeblicher Größe vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.03.1999, 3 S 201/99, VBlBW 1999, 375). Im Übrigen würde eine Überschreitung des Maßes der Nutzung wiederum keine Verletzung nachbarschützender Rechte darstellen (vgl. Dürr, KommJur 2005, 201 [206 - zum Bebauungsplan]; Söfker, a.a.O.; Hofherr, Berliner Ktr. zum BauGB, 3. Aufl. 2005, § 34 Rn. 89). Denn Anhaltspunkte dafür, dass das Bauvorhaben auf das Wohngebäude des Antragstellers, welches rund 35 m entfernt liegt, eine erdrückende Wirkung hat (vgl. BVerwG, Urt. vom 13.03.1981 - 4 C 1.78, BauR 1981, 354; VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 25.02.1992 - 3 S 309/92 -, VBlBW 1992, 345), sind weder vorgetragen noch sonst irgendwie ersichtlich.
10 
5. Das Bauvorhaben verstößt auch nicht gegen nachbarschützende Normen des Bauordnungsrechts (vgl. hierzu Dürr, KommJur 2005, 201 [210 f.]). Es hält zum Grundstück des Antragstellers einen Abstand von ca. 5 m und damit mehr als die nach § 5 Abs. 7 S. 3, Abs. 8 LBO erforderliche Abstandstiefe ein. Denn das Bauvorhaben genießt das so genannte Schmalseitenprivileg nach § 5 Abs. 8 LBO, da die dem Grundstück des Antragstellers zugewandte Seite lediglich 12,98 m breit ist. Demzufolge ist eine Abstandsfläche von 0,4 m einzuhalten, bei dem 11,34 m hohen Gebäude mithin 4,54 m (soweit man zugunsten des Antragstellers auf die Firsthöhe von 11,97 m abstellen würde, ergäbe sich auch lediglich eine erforderliche Abstandsfläche einer Tiefe von 4,78 m). Anhaltspunkte dafür, dass die an der ...straße gelegene Tiefgaragenzufahrt nachbarschützende Belange des Klägers i.S.d. § 37 LBO beeinträchtigten, bestehen nicht.
11 
6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs.1, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und somit ein Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass der Antragsteller auch ihre außergerichtlichen Kosten trägt. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 9.7.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004. In Anbetracht dessen, dass es vorliegend um einstweiligen Rechtsschutz geht, hat die Kammer den Streitwert halbiert.

Tenor

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für eine bereits errichtete Werbetafel.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flst. Nr. 12359 (... Straße 11) der Gemarkung Karlsruhe, auf dem eine Tankstelle betrieben wird. Die Tankstelle wird von der ... Straße aus angefahren; auf dem Tankstellengrundstück befinden sich - in unmittelbarem Anschluss an die Straßenfläche - u.a der Einfahrtspfeil zur Tankstelle und das Preisschild.
Am 30.07.2008 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer beleuchteten Werbeanlage auf dem benachbarten - nördlich an das Tankstellengrundstück angrenzenden - Grundstück Flst. Nr. 981/1 (...ring 12), das sowohl vom ...ring her als auch - auf seiner Südostseite - von der ... Straße her erschlossen ist und an diese angrenzt. Bei der Werbeanlage handelt sich um eine sog. Mega-Light-Wechsleranlage mit den Abmessungen 3806 X 2846 mm, die in einer Höhe von ca. 2,5 m auf einem Monofuß errichtet werden soll. Sie bietet Raum für großflächige, hinterleuchtete Plakate im Format 18/1 (9 qm). Als Standort der Anlage ist in den Genehmigungsunterlagen die äußerste südöstlichste Ecke des Grundstücks Flst. Nr. 981/1, unmittelbar an der Grundstücksgrenze zum Tankstellengrundstück der Klägerin und zur ... Straße hin, vorgesehen.
Sowohl das Baugrundstück als auch das Grundstück der Klägerin liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 476 „Kirchfeld“ der ehemals selbständigen Gemeinde ... in der Fassung vom 19.03.1963, der im betreffenden Bereich ein Gewerbegebiet festsetzt. Nach § 2 des Satzungstextes zum Gewerbegebiet gilt für die „Einhaltung der Baulinien und der hinteren Baugrenze der am 07.03.1961 gefertigte Fluchtlinienplan“, welcher in Bezug auf das Baugrundstück Flst. Nr. 981/1 eine „hintere Bauflucht (Baugrenze für Wohn- und Nebengebäude)“ festsetzt. Nach § 5 des Satzungstextes zum Gewerbegebiet darf „der Bauwich 3,00 m nicht unterschreiten“.
Mit Bescheid vom 29.10.2008 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung zunächst mit der Begründung ab, dem Vorhaben stünden Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 476 „Kirchfeld“ entgegen, weil die Werbeanlage deutlich vor der Baugrenze errichtet werden solle und dort auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden könne. Außerdem führe sie zu einer bauordnungsrechtlichen Verunstaltung. Gegen diesen Bescheid erhob die Beigeladene am 06.11.2008 Widerspruch und errichtete die Werbeanlage an dem beantragten Standort. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 15.07.2009 half die Beklagte dem Widerspruch ab und erteilte die begehrte Baugenehmigung. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Werbeanlage nach § 6 Abs. 6 Ziffer 2 LBO in der Abstandsfläche zulässig sei, da sie zwar eine Höhe von 2,5 m überschreite, die fiktive Wandfläche jedoch unterschreite, mithin nicht beide Maße kumulativ überschritten seien. Infolgedessen könne die Anlage gem. § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO auch auf nichtüberbaubaren Grundstücksflächen zugelassen werden. Der der Behörde in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessensspielraum sei hier aufgrund der in der näheren Umgebung anzutreffenden Nutzungen außerhalb des festgesetzten Baubereichs deutlich reduziert.
Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.08.2009 Widerspruch. Zur Begründung bezog sie sich zunächst auf die ihrer Ansicht nach richtigen Ausführungen der Beklagten in dem Ablehnungsbescheid vom 29.10.2008. Zu der im Bescheid vom 15.07.2009 gegebenen Begründung führte sie ergänzend aus, die Werbeanlage sei schon bauordnungsrechtlich nicht zulässig, weil sie als einzige kommerzielle Werbeanlage dieser Größe am konkreten Standort verunstaltend wirke. Mit in der Umgebung vorhandenen Werbeanlagen sei sie nicht vergleichbar. Aus diesem Grunde sei auch die bauplanungsrechtliche Argumentation der Beklagten nicht überzeugend. Mit Bescheid vom 25.03.2010 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch zurück. Zwar überschreite die Werbeanlage die im Bebauungsplan festgelegte (vordere) Baugrenze; diese Baugrenze vermittle der Klägerin aber keinen Nachbarschutz. Im Übrigen sei der Verstoß durch die erteilte Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB geheilt. Die Befreiungsvoraussetzungen lägen vor; nachbarliche Interessen der Klägerin würden nicht beeinträchtigt, insbesondere sei nicht davon auszugehen, dass die Werbeanlage zu einer übermäßigen Behinderung der Sicht auf die Tankstelle führe. Die Vorschriften des Baugestaltungsrechts hätten ebenfalls keine nachbarschützende Wirkung; bauordnungsrechtliche Abstandsvorschriften seien nicht verletzt.
Am 26.04.2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, die Werbeanlage sei bauplanungsrechtlich unzulässig, da sie sich außerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenze befinde. Eine Genehmigung habe nicht ausnahmsweise gem. § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO erteilt werden dürfen. Die Beklagte sei zu Unrecht von einer Ermessensreduzierung auf null ausgegangen. Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang angeführten Vergleichsfälle seien mit der in Rede stehenden Werbetafel nicht vergleichbar. Da die Vorschrift des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO eine nachbarschützende Komponente enthalte, könne eine fehlerhafte Ermessensentscheidung vom Nachbarn auch dann gerügt werden, wenn die jeweilige Festsetzung der Baugrenze im Bebauungsplan selbst nicht nachbarschützend sei. Vorliegend habe auch die vordere Baugrenze drittschützenden Charakter, da mit ihrer Festsetzung eine aufgelockerte Bauweise gewährleistet werden solle, die auch den Nachbarn zugutekomme. Ferner verstoße die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot nach § 15 Abs. 1 BauNVO. Die Klägerin sei als unmittelbare Angrenzerin besonders von der Anlage betroffen. Die großen Werbeplakate wirkten vom Grundstück der Klägerin aus wie eine Wand und versperrten die Sicht auf die Vorgärten. Diese störende und aufdringliche Wirkung werde dadurch verstärkt, dass die Werbeplakate rollierten und nachts beleuchtet seien. Die Werbeanlage sei bauordnungsrechtlich unzulässig. Sie verunstalte die Umgebung und verstoße gegen §11 Abs. 1 LBO. Die bunten Werbeschilder zerstörten den ansonsten ruhigen Eindruck der Umgebung, die einem Wohngebiet entspreche. Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide verwiesen.
Mit Urteil vom 12.04.2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es hat sein Urteil wie folgt begründet: Die in Streit stehende Werbetafel verletze keine nachbarschützenden Bestimmungen des Bauordnungsrechts. § 5 Abs. 1 LBO finde aufgrund der in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO normierten Privilegierung keine Anwendung. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien erfüllt. Bei der Werbetafel handele es sich auch landesrechtlich um eine bauliche Anlage (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 LBO), die kein Gebäude sei (§ 2 Abs. 2 LBO). Zwar solle sie höher als 2,5 m ausgeführt werden, ihre Wandfläche betrage aber - selbst bei Berücksichtigung des Monofußes - nicht mehr als 25 qm. Für die Berechnung sei lediglich die tatsächlich vorhandene Wandfläche maßgeblich. Eine fiktive Fläche, die sich unter Berücksichtigung des Luftraumes unter der eigentlichen Fläche des Monofußes ergebe, sei nicht zu berechnen. Dahinstehen könne, ob dem Vorhaben das Verunstaltungsverbot des § 11 LBO entgegen stehe, da es sich insoweit nicht um eine drittschützende Vorschrift handele. Die Werbeanlage verstoße auch nicht gegen drittschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Maßgeblich für die Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit seien die Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplans Nr. 476 „Kirchfeld“. Aufgrund der dort ausgewiesenen Baugrenze sei die Werbeanlage an der Stelle, an der sich errichtet worden sei, grundsätzlich unzulässig; nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO könnten bauliche Anlagen jedoch auf nichtüberbaubaren Grundstücksflächen zugelassen werden, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig seien oder zugelassen werden könnten. Mit ihrer Ermessensentscheidung nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO habe die Beklagte hier eine Überschreitung der hinteren Baugrenze zugelassen, welche jedoch keine nachbarschützende Wirkung zugunsten der Klägerin entfalte. Aus den Festsetzungen des Bebauungsplans selbst ergäben sich keine Anhaltspunkte dahingehend, dass die Baugrenze den Interessen der Nachbarn zu dienen bestimmt sei; insbesondere die in § 15 der Satzung statuierte Genehmigungspflicht für Werbe-einrichtungen lasse diesen Schluss nicht zu. Baugrenzen oder Baulinien würden in der Regel nur aus städtebaulichen Gründen festgesetzt. Besondere Anhaltspunkte für eine nachbarschützende Wirkung ergäben sich regelmäßig nur hinsichtlich seitlicher Baugrenzen zugunsten des an derselben Grundstücksseite liegenden Nachbarn, weil durch die Festsetzung solcher Baugrenzen bei unmittelbar aneinander liegenden Grundstücken ein nachbarrechtliches Austauschverhältnis begründet werde, das zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichte. Diese Erwägungen gälten aber nicht für die hier in Rede stehende vordere, straßenseitige Baugrenze und zwar unabhängig davon, ob sie in dem Bebauungsplan zu Recht als „hintere“ Baugrenze deklariert werde. Es sei schließlich auch kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu erkennen. Nach den Feststellungen der Kammer vor Ort beeinträchtige die Werbetafel das Grundstück der Klägerin nicht unzumutbar.
Mit Beschluss vom 04.08.2011 (5 S 1561/11) hat der Senat auf Antrag der Klägerin die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen, weil das Verwaltungsgericht die Vorschrift des § 5 des Bebauungsplans Nr. 46 „Kirchfeld“ (Gewerbegebiet), wonach der Bauwich 3,00 m nicht unterschreiten darf, ungeprüft gelassen habe und insofern ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestünden.
10 
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor: Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht zu der Auffassung gelangt, dass die Werbeanlage als bauliche Anlage nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO in der Abstandsfläche zulässig sei. Die Werbeanlage weise eine Gesamthöhe von 5,541 m auf und überschreite damit das in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO vorausgesetzte Höhenmaß von maximal 2,5 m. Zu Unrecht berufe sich das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Auffassung, nur eines der in der Vorschrift genannten Maße müsse erfüllt sein um die Werbeanlage zulassen zu können, auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 13.03.2008 - 8 S 15/07 -. Es habe übersehen, dass diese Entscheidung zu § 5 Abs. 9 LBO a.F. und damit zu einer völlig anderen Fassung der Vorschrift ergangen sei. Nach § 5 Abs. 9 LBO a.F. seien bauliche Anlagen, die keine Gebäude seien, in der Abstandsfläche zulässig, wenn sie höher als 2,5 m seien und ihre Wandfläche mehr als 25 qm betrage. Die im vorliegenden Fall anzuwendende Vorschrift - § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO in der aktuellen Fassung - sei aber anders formuliert. Nach ihr seien bauliche Anlagen, die keine Gebäude seien, in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen sowie ohne eigene Abstandsflächen nur zulässig, soweit sie nicht höher als 2,5 m seien oder ihre Wandfläche nicht mehr als 25 qm betrage. Durch die Einfügung des Wörtchens „soweit“ sei nunmehr eindeutig klargestellt, dass eine Genehmigung dann nicht in Betracht komme, wenn die bauliche Anlage - hier die streitgegenständliche Werbeanlage - entweder höher als 2,5 m sei oder eine größere Wandfläche als 25 qm aufweise. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts verletze das Vorhaben hier auch drittschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Der Bebauungsplan setze in § 6 (Gewerbegebiet) i.V.m. der Planzeichnung eine vordere Bauflucht (rot), eine hintere Bauflucht (blau) und eine Straßenflucht (schwarz) fest und treffe - in § 5 (Gewerbegebiet) - eine Regelung zum Bauwich. Lege man diese Regelungen nach dem Willen des Satzungsgebers im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung über den Plan aus, so komme man zu dem Ergebnis, dass er zwischen der roten vorderen Bauflucht und der Straßenflucht keine Bebauung habe zulassen wollen mit Ausnahme der Zapfsäulen der damals bereits vorhandenen Tankstelle. Gleichzeitig sollten im Bauwich überhaupt keine baulichen Anlagen errichtet werden dürfen. Genau aus diesem Grund sei auch festgesetzt (§ 6 Abs. 2 des Bebauungsplans - Gewerbegebiet -), dass Nebengebäude außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen nicht errichtet werden dürften. Der Satzungsgeber habe damit in der konkreten Situation gerade auch zum Schutze der Grundstücke Flst. Nrn. 981/1 und 991 eine Regelung zur Freihaltung von jeglicher Bebauung treffen wollen, zumal die Festlegung einer seitlichen Baugrenze mit Blick auf die vorhandene Bestandsbebauung auf den genannten Grundstücken nicht in Betracht gekommen sei. Das Verwaltungsgericht habe ferner nicht beachtet, dass die Klägerin richtigerweise eine Prüfung verlangen könne, ob die Regelungen des Bebauungsplans objektivrechtlich eingehalten seien. Die Beschränkung des Überprüfungsrechts auf sog. nachbarschützende Normen führe dazu, dass der rechtssuchende Bürger keinerlei Möglichkeit habe, dafür Sorge zu tragen, dass gesetzliche Bestimmungen auch tatsächlich eingehalten würden. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 12.05.2011 - C-115/09 - hätte dem Verwaltungsgericht Veranlassung geben müssen, seine gegenteilige Rechtsauffassung zu überdenken. Dort habe der EuGH dargelegt, die Mitgliedstaaten müssten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicherstellen, dass auch objektive Rechtsverletzungen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens geltend gemacht werden könnten. Schließlich habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots gesehen. Die Werbetafel sei deutlich höher als das Tankstellendach und nehme - besonders von der Straße aus - den Blick auf die Tankstelle. Zu berücksichtigen sei, dass es nicht um ein legitimes Interesse des Eigentümers des Grundstücks 981/1 gehe, wenn dort eine Werbetafel aufgestellt werde. Denn sie diene nicht dem Zweck, auf ein dort betriebenes Gewerbeunternehmen aufmerksam zu machen, sondern ausschließlich der Fremdwerbung. Fremdwerbung stehe aber in keinerlei Bezug zum Gewerbegebiet, wohingegen die Tankstelle diesen Bezug aufweise. Die Errichtung einer Hinweistafel auf die Tankstelle und die entsprechende werbliche Herausstellung des Tankstellendachs dienten folglich - anders als die streitgegenständliche Werbeanlage - ebenfalls der Zielsetzung des Gewerbegebiets. Aus diesem Grund sei die Werbeanlage nach der BauNVO 1962 zudem als solche überhaupt nicht zulässig. Denn weder handele es sich bei der Werbeanlage selbst um einen Gewerbebetrieb noch stehe sie - vergleichbar einem Nebengebäude - in funktionalem Zusammenhang mit einem Gewerbebetrieb, der auf einem Grundstück des Plangebiets vorhanden sei.
11 
Die Klägerin beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 12.04.2011 abzuändern und die Baugenehmigung der Stadt Karlsruhe vom 15.07.2009 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 25.03.2010 aufzuheben.
13 
Die Beklagte beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Zur Begründung trägt sie vor: Anders als es der Wortlaut der alten Fassung der LBO noch nahegelegt habe, seien bauliche Anlagen, die keine Gebäude seien, in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen bzw. ohne eigene Abstandsflächen nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO bereits dann zulässig, wenn eines der beiden in der Vorschrift genannten Maße erfüllt sei. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt habe, sei die im Bebauungsplan festgesetzte hintere Bauflucht nicht geeignet, der Klägerin Drittschutz zu vermitteln. Zudem gelte diese Regelung nur für Wohngebäude und Nebengebäude. Die Werbeanlage falle hierunter nicht. Das Rücksichtnahmegebot sei zulasten der Klägerin nicht verletzt, weil in dem vom Verwaltungsgericht durchgeführten Ortstermin keine erhebliche Beeinträchtigung auf dem Grundstück der Klägerin habe festgestellt werden können. Schließlich stehe die Regelung des § 5 des Bebauungsplans (Gewerbegebiet) zum Bauwich der Erteilung der Genehmigung nicht entgegen. In dem zur Zeit des Satzungsbeschlusses üblichen Sprachgebrauch sei mit „Bauwich“ lediglich der Grenzabstand von Gebäuden - und nicht von sonstigen baulichen Anlagen - gemeint gewesen. Schon rein begrifflich werde die Werbeanlage daher nicht von dieser Regelung erfasst. Dies ergebe sich auch aus § 22 Abs. 2 BauNVO 1962, der vorliegend Anwendung finde. Danach seien in der offenen Bauweise Gebäude mit „seitlichem Grenzabstand (Bauwich)“ zu errichten. Die gesetzliche Definition des Bauwichs, wie er im Bebauungsplan Nr. 476 festgesetzt sei, beziehe sich daher nur auf Gebäude. Aber auch dann, wenn man § 5 des Bebauungsplans auf die streitgegenständliche Werbeanlage anwende, stehe er der Genehmigung nicht entgegen. Denn an der Festsetzung eines Bauwichs von 3,00 m bestünden durchgreifende Bedenken. Vom Bauordnungsrecht abweichende planungsrechtliche Festsetzungen des Bauwichs i.S.v. § 22 BauNVO 1962 hätten im Bebauungsplan nicht wirksam getroffen werden können. § 5 des Bebauungsplans i.V.m. § 22 Abs. 1 BauNVO 1962 regele daher lediglich, dass Gebäude in der offenen Bauweise mit einem seitlichen Grenzabstand errichtet werden sollten. Die seitlichen Abstandsflächen ergäben sich aber zwingend aus dem Abstandsflächenrecht. Auch die bauordnungsrechtlichen Regelungen zur Zulässigkeit baulicher Anlagen in Abstandsflächen blieben unberührt.
16 
Die Beigeladene beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen
18 
Sie hat sich im Berufungsverfahren schriftlich nicht geäußert.
19 
Dem Senat haben die Behördenakten der Beklagten, die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Karlsruhe und die Bebauungsplanakten Nr. 621.41.11 der Stadt Karlsruhe zum Bebauungsplan ... „Gewann Kirchfeld/Nördlich der Waldhornstraße“ vorgelegen. Auf diese Akten und die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands Bezug genommen.
20 
Der Senat hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme des Baugrundstücks und dessen nähere Umgebung. Hinsichtlich der dort getroffenen Feststellungen wird auf die Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26.01.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig; insbesondere ist sie innerhalb der Berufungsbegründungsfrist in der notwendigen Weise begründet worden (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO, § 124a Abs. 3 Sätze 4 und 5 VwGO). Sie hat aber keinen Erfolg.
22 
1. Die auf Aufhebung der angefochtenen Baugenehmigung gerichtete Nachbarklage ist zulässig, insbesondere steht der Klägern als unmittelbarer Grundstücksnachbarin die erforderliche Klagebefugnis zur Seite. Denn sie macht u.a. geltend, die unmittelbar an der Grenze zu ihrem Grundstück verwirklichte Werbeanlage verstoße, da dieses Vorhaben abstandsflächenrechtlich nicht privilegiert sei, gegen nachbarschützende Vorschriften zur Abstandsflächentiefe. Aber auch der weitere Vortrag der Klägerin, die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 467 „Kirchfeld“ zu Baugrenzen und zum Bauwich seien nach der Vorstellung des seinerzeitigen Satzungsgebers zum Schutz der Grundstücksnachbarn und damit auch zu ihrem Schutz ergangen, ist nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Auch insoweit ist es daher möglich, dass die angefochtene Baugenehmigung subjektive Rechtspositionen der Klägerin verletzt. Ihr kann auch das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage nicht abgesprochen werden.
23 
2. Die Klage ist aber nicht begründet. Die der Beigeladenen mit Bescheiden vom 15.07.2008 und 25.03.2010 erteilte Baugenehmigung verstößt nicht gegen von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die jedenfalls auch dem Schutz der Klägerin dienen.
24 
a) Die Zulassung der Werbeanlage an dem konkreten Standort verletzt keine nachbarschützenden bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hier - da es sich um eine Anfechtungsklage des Nachbarn gegen eine dem Bauherrn bereits erteilte Baugenehmigung handelt - der Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Baugenehmigung. Spätere Änderungen zu Lasten des Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben, denn bereits die erteilte Baugenehmigung vermittelt dem Bauherrn eine Rechtsposition, die sich, wenn ein Nachbar die Genehmigung anficht, gegenüber während des Rechtsmittelverfahrens eintretenden Änderungen der Sach- und Rechtslage durchsetzen kann (BVerwG, Beschl. v. 08.11.2010 - 4 B 43.10 -, ZfBR 2011, 53). Spätere Änderungen zu seinen Gunsten sind dagegen zu berücksichtigen, wirken sich aber regelmäßig nicht aus, wenn ihm eine Baugenehmigung bereits rechtmäßig erteilt wurde.
25 
Unter Zugrundelegung dessen ist die Rechtmäßigkeit des Vorhabens hier nach den Vorschriften der Landesbauordnung vom 08.08.1995 in der bis zum 28.02.2010 geltenden alten Fassung (im Folgenden LBO a.F.) zu beurteilen. Denn diese Fassung fand im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung - - im Juli 2009 - noch Anwendung.
26 
aa) Es kann offen bleiben, ob die Werbeanlage gegen das Verunstaltungsverbot des § 11 LBO a.F. verstößt. Denn Gestaltungsvorschriften sind ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit erlassen. Sie sind nicht dazu bestimmt, auch den Individualinteressen des Einzelnen zu dienen. § 11 LBO ist daher nicht nachbarschützend (Sauter, LBO, § 11 Rdnr. 9; Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 6. Aufl. § 11 Rdnr 28; zu den Vorgängervorschriften schon VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.12.1999 - 3 S 2737/97 -, juris Rdnr. 31 mw.N.). Mit Blick darauf könnte die Klägerin jedenfalls nicht verlangen, dass die Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen § 11 LBO - unterstellt, er läge vor - aufgehoben wird.
27 
bb) Der Zulassung der Werbeanlage an ihrem konkreten Standort stehen auch keine Vorschriften des Abstandsflächenrechts nach der LBO a.F. entgegen. Zwar handelt es sich bei der Werbeanlage zweifellos um eine bauliche Anlage i.S.v. § 2 Abs. 1 LBO a.F., sie braucht jedoch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 LBO a.F. selbst keine Abstandsfläche zum Nachbargrundstück hin einzuhalten.
28 
Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen vor: Bei der Werbeanlage handelt es sich um eine bauliche Anlage, die kein Gebäude ist (vgl. § 2 Abs. 2 LBO a.F.). Die bauliche Anlage ist zwar unstreitig höher als 2,5 m, ihre Wandfläche beträgt aber nicht mehr als 25 qm. Nach der von der Beigeladenen vorgelegten Produktbeschreibung ist die Werbefläche selbst höchstens 3806 X 2846 mm, also 10,83 qm groß. Hinzu kommt der Monofuß mit den (Höchst-)Maßen 586 X 2698 mm (1,58 qm). Eine Wandfläche von 25 qm wird damit bei weitem nicht erreicht. Dieses Wandmaß bliebe selbst dann unterschritten, wenn man – entsprechend dem Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung – noch den „Luftraum“ unter der Werbefläche bis zum Erdboden hinzurechnete. Dies hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt und wurde von der Klägerin danach auch nicht mehr bestritten.
29 
Die Regelung des § 5 Abs. 9 LBO a.F. findet aber nur Anwendung, wenn beide Maße überschritten sind, m.a.W. braucht eine bauliche Anlage, welche - wie hier - nur eines dieser Maße überschreitet, keine eigene Abstandsfläche einzuhalten (vgl. Urt. v. 18.07.1984 - 3 S 976/84 -, BWVPr. 1984, 257; Urt. v. 08.05.1985 - 3 S 63/85 -, VBlBW 1986, 23; Urt. v. 01.06.1994 - 3 S 2617/92 -, VGHBW-Ls 1994, Beilage 8, B8, juris, Urt. v. 13.03.2008 - 8 S 15/07 -, BauR 2008, 1585)
30 
An dieser Rechtslage hat sich im Übrigen – entgegen der dezidiert geäußerten Rechtsauffassung der Klägerin – durch die seit dem 01.03.2010 geltende abstandsflächenrechtliche Sonderregelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO neuer Fassung (im folgenden: LBO) nichts geändert. Vielmehr ist die Werbeanlage auch nach dieser Vorschrift abstandsflächenrechtlich privilegiert. Die Klägerin meint, die Voraussetzungen für eine Zulassung der Werbeanlage ohne eigene Abstandsflächen lägen nicht mehr vor, weil seit der Neufassung der Vorschrift durch Gesetz vom 10.11.2009 „eine Genehmigung nicht mehr in Betracht komme, wenn die Anlage entweder höher als 2,5 m ist oder die Anlage eine größere Wandfläche als 25 qm hat“. Damit gibt sie den Wortlaut der Vorschrift sinnverdreht wieder. Denn § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO ist entgegen ihrem Vortrag gerade nicht in der Weise negativ formuliert, dass bauliche Anlagenunzulässig sind, wenn eines der in der Vorschrift genannten Maße überschritten wird, sondern umgekehrt in der Weise positiv, dass bauliche Anlagen (in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen sowie ohne eigene Abstandsflächen) zulässig sind, soweit eines der in der Vorschrift genannten Maße nicht überschritten wird. Bereits der Gesetzeswortlaut („oder“) legt bei dieser Formulierung nahe, dass die Erfüllung schon eines der beiden Maße ausreicht, um die abstandsflächenrechtliche Privilegierung einer baulichen Anlage auszulösen. Umgekehrt bedeutet dies, dass nur die kumulative Überschreitung beider Gebäudemaße zur Unzulässigkeit einer baulichen Anlage i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO führt. So wird die neugefasste Vorschrift auch in der Kommentarliteratur verstanden (Sauter, LBO, 3. Aufl. § 6 Rdnr. 26; Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 6.Aufl. 2011 § 6 Rdnr. 32).
31 
Dieses schon nach dem Wortlaut naheliegende Verständnis der Vorschrift wird durch einen Blick auf die im Gesetzgebungsverfahren eindeutig zum Ausdruck gekommene Regelungsabsicht des Gesetzgebers bestätigt.
32 
Mit § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO wurden die bis zum 28.02.2010 geltenden Vorschriften des § 5 Abs. 9 LBO a.F. und des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. in einer Regelung zusammengefasst (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO im Gesetzentwurf der Landesregierung vom 19.08.2009, LT-Drs. 14/5013, S. 39). § 5 Abs. 9 LBO a.F. bestimmte, dass die - für Gebäude geltenden - Abstandsflächenvorschriften des § 5 Abs. 1 bis 8 LBO a.F. entsprechend für bauliche Anlagen gelten, die keine Gebäude sind, wenn die baulichen Anlagen höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche mehr als 25 qm beträgt. Nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. waren „in den Abstandsflächen bauliche Anlagen zulässig, die keine Gebäude sind, wenn sie in den Abstandsflächen nicht höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche nicht mehr als 25 qm beträgt. Hinsichtlich beider Vorgängervorschriften - bzw. deren Vorgängervorschriften in noch früheren Fassungen der Landesbauordnung - war in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aber anerkannt, dass bereits die Erfüllung eines der beiden genannten Maße die abstandsflächenrechtliche Privilegierung auslöst, m.a.W. erst deren kumulative Überschreitung zu einer Unzulässigkeit der betreffenden baulichen Anlage führt (zu § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. Beschl. v. 21.06.1993 - 5 S 874/93 -, BRS 55 Nr. 162, juris; Urt. v. 14.08.1997 - 5 S 1252/96 -, BauR 1998, 517; Urt. v. 13.03.2008 - 8 S 15/07 -, BauR 2008, 1585, ebenso zu § 5 Abs. 9 LBO a.F. Urt. v. 18.07.1984 - BWVPr. 1984, 257; Urt. v. 08.05.1985 - 3 S 63/85 - , VBlBW 1986, 23; Urt. v. 01.06.1994 - 3 S 2617/92 -, VGHBW-Ls 1994, Beilage 8, B8, juris). Diese Interpretation war mit dem Wortlaut der Vorgängervorschriften nicht auf den ersten Blick in Einklang zu bringen, denn die „und“-Verknüpfung konnte auch dahin verstanden werden, dass erst eine kumulative Einhaltung beider Maße die abstandsflächenrechtliche Privilegierung auslöst, m.a.W zur Zulässigkeit der betreffenden baulichen Anlage führt. Der Verwaltungsgerichtshof hatte in seinem Urteil vom 13.03.2008 - 8 S 15/07 - aber herausgestellt, dass es sich bei dem Bindewort „und“ um eine relativ schwache und sprachlich mehrdeutige konjunktive Verbindung handele. Der Wortlaut lasse die vom Gesetzgeber intendierte und von der Rechtsprechung vorgenommene Auslegung - Zulässigkeit des Vorhabens bereits bei Einhaltung eines der genannten Maße, umgekehrt gesprochen: Unzulässigkeit des Vorhabens erst bei kumulativer Überschreitung beider Maße - daher durchaus zu.
33 
Dem Landesgesetzgeber waren die aufgezeigten Verständnis- und Auslegungsschwierigkeiten bei der Neuformulierung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO bekannt. Ausweislich der Gesetzesbegründung der Landesregierung zu dieser Vorschrift (LT-Drs. 14/5013, S. 39) soll sich an dem von der Rechtsprechung konkretisierten Verständnis der Vorgängervorschriften durch die Neufassung nichts ändern. Vielmehr wollte der Gesetzgeber die von ihm als „unklar“ bezeichnete bisherige Regelung deutlicher fassen. Zur Auslegung der in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO genannten Voraussetzungen und zur Regelungsabsicht heißt es in der Gesetzesbegründung unzweideutig:
34 
„Zukünftig gilt hier, dass alle sonstigen baulichen Anlagen dann eigene Abstandsvorschriften besitzen und in Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen unzulässig sind, wenn sie beide in Nummer 3 aufgeführten Grenzwerte überschreiten“.
35 
Dies lässt nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber die Umformulierungen im Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO („soweit“ anstatt bisher „wenn“, „oder“ anstatt bisher „und“) bewusst gewählt hat, um das in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs schon bisher entwickelte Verständnis der Vorgängervorschriften im Wortlaut des neugefassten § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO klar zu verankern. Wie oben bereits ausgeführt wurde, ist dies auch gelungen.
36 
Dementsprechend ist die hier in Rede stehende Werbeanlage sowohl nach § 5 Abs. 9 LBO a.F. als auch nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO abstandsflächenrechtlich privilegiert und ohne eigene Abstandsfläche zum Grundstück der Klägerin hin zulässig.
37 
cc) Anhaltspunkte dafür, dass die Werbeanlage trotz ihrer abstandsflächenrechtlichen Privilegierung in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegenüber der Klägerin rücksichtslos - oder gar schikanös - sein könnte, bestehen nicht. Bei der Errichtung einer privilegierten baulichen Anlage muss der Bauherr nicht den Standort wählen, der für den Nachbarn die geringsten Beeinträchtigungen mit sich bringt. Es genügt, wenn er die bauordnungsrechtlichen Vorschriften einhält (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.03.1989 - 5 S 46/89 -, NVwZ-RR 1989, 530, juris).
38 
b) Die an ihrem konkreten Standort unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Klägerin zugelassene Werbeanlage verstößt auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
39 
aa) Der Standort der Werbeanlage liegt in einem durch Bebauungsplan Nr. 467 „Kirchfeld“ der Beklagten ausgewiesenen Gewerbegebiet. Gem. § 8 Abs. 1 BauNVO in der für den beschlossenen Bebauungsplan maßgeblichen Fassung 1962 (auf die in § 3 des Bebauungsplans auch verwiesen wird, vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2008, a.a.O.) dienen Gewerbegebiete vorwiegend der Unterbringung nicht erheblich belästigender Gewerbebetriebe (Abs. 1) und sind „Gewerbebetriebe aller Art“ zulässig (Abs. 2 Nr. 1). Zwar verwendet die BauNVO 1962 (nur) den Begriff des Gewerbebetriebs und ist eine Anlage der Außenwerbung - worauf die Klägerin im Berufungsverfahren hinweist - im engeren Begriffsverständnis kein „Betrieb“. Mit dem Begriff des „Betriebs“ beschreibt die BauNVO jedoch nur in typisierender Weise eine Zusammenfassung gewerblicher Nutzungsweisen, um diese Nutzung von anderen Nutzungsarten sinnvoll abgrenzen zu können (Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. § 4 Rdnr. 9.31). Eine Außenwerbeanlage, die der Fremdwerbung dient, stellt daher bauplanerisch eine eigenständige gewerbliche Hauptnutzung dar (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2008 - 8 S 15/07 - , BauR 2008, 1585, juris Rdnr. 18 m.w.N.), welche im Gewerbegebiet typischerweise zulässig ist. Anhaltspunkte dafür, dass die hier in Rede stehende Werbeanlage sich nicht im Rahmen dieser Typisierung bewegte - insbesondere weil sie als „erheblich belästigender Gewerbebetrieb“ i.S.v. § 8 Abs. 1 BauNVO 1962 anzusehen sein könnte - bestehen nicht. Die Werbeanlage ist an dem konkreten Standort daher ihrer Art nach zulässig.
40 
bb) Der Bebauungsplan Nr.467 „Kirchfeld“ (vgl. dessen § 2 - Gewerbegebiet - i.V.m. dem Fluchtlinienplan vom 07.03.1961) setzt bezüglich des Baugrundstücks eine - gesehen vom ...ring aus - „hintere Bauflucht“ fest.
41 
(1) Diese Bauflucht ist, wie sich aus dem Klammerzusatz („Baugrenze“) ergibt, als Baugrenze und damit als Festsetzung zur überbaubaren Grundstücksfläche i.S.v. § 23 Abs. 1, 3 BauNVO 1962 zu verstehen. Nach dieser Vorschrift dürfen „Gebäude und Gebäudeteile“ die Baugrenze nicht überschreiten. Auch wenn eine Werbeanlage weder als „Gebäude“ noch als „Gebäudeteil“ i.S.v. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO 1962 angesehen werden kann, wird sie doch von der Vorschrift erfasst. Denn diese zielt darauf ab, die von der Gemeinde gewünschte offene Bauweise dadurch zu unterstreichen, dass nichtüberbaubare Grundstücksflächen ausgewiesen werden. Dieses Ziel würde unterlaufen, wenn andere bauliche Anlagen - insbesondere Werbeanlagen - als Hauptnutzung „vor der Baugrenze“ ohne weiteres zulässig wären (BVerwG, Urt. v. 07.06.2001 - 4 C 1.01 -, BauR 2001, 1698, juris Rdnr. 13ff). Hinzu kommt, dass der Verordnungsgeber der BauNVO im Jahre 1962 aufgrund der damaligen Fassung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) BauGB keine Veranlassung hatte, zwischen Gebäuden und anderen baulichen Anlagen zu differenzieren. Er hat sich vielmehr auf den „typischen“ Fall einer Bebauung mit „Gebäuden“ beschränkt, ohne diesem Tatbestandsmerkmal konstitutive Bedeutung zuzumessen (BVerwG, Urt. v. 07.06.2001, a.a.O., Rdnr. 14/15). Der konkrete Standort der genehmigten Werbeanlage befindet sich mithin auf einer nicht überbaubaren Grundstücksfläche des Flst. Nr. 981/1 und verstößt damit grundsätzlich gegen Festsetzungen des Bebauungsplans.
42 
Die Klägerin kann indes aus diesem Grund die Aufhebung der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung nicht verlangen. Denn die Festsetzung der hinteren Baugrenze auf dem Flst. Nr. 981/1 ist nicht zu ihren Gunsten nachbarschützend. Regelmäßig kommt hinteren Baugrenzen Nachbarschutz nur zugunsten solcher Nachbargrundstücke zu, die der Baugrenze gegenüberliegen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.02.1999 - 5 S 2507/96-, BRS 62, 445; Beschl. v. 14.06.2007 - 8 S 967/97 -, VBlBW 2007, 387). Das Grundstück der Klägerin liegt dem Baugrundstück nicht in diesem Sinne gegenüber. Entgegen ihrer Auffassung ergibt sich weder aus der Zusammenschau der Festsetzungen des Bebauungsplans noch aus dessen Begründung noch aus den Planakten irgendein greifbarer Anhaltspunkt dafür, dass und inwiefern die Festsetzung der „hinteren Baugrenze“ gerade die Interessen des Eigentümers des Tankstellengrundstücks schützen sollte.
43 
(2) Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Genehmigung der Werbeanlage auch objektiv rechtmäßig ist. Sie konnte hier nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO 1962 zugelassen werden. Die angefochtene Baugenehmigung stützt sich hierauf ausdrücklich. Die erste Tatbestandsvoraussetzung für eine Zulassung nach dieser Vorschrift liegt ohne weiteres vor: Bei der Werbeanlage handelt es sich um eine bauliche Anlage, die nach Landesrecht in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen zulässig ist (§ 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. und § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO; die Verweisung des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO 1962 auf das jeweilige Landesrecht ist als dynamische Verweisung zu verstehen, VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2008, a.a.O.).
44 
Der Bebauungsplan enthält auch keine „andere Festsetzung“, welche die Zulassung einer Werbeanlage außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen hier ausschlösse. Nach § 6 Abs. 2 des Bebauungsplans - Gewerbegebiet - dürfen außerhalb der durch Baulinie und Baugrenze festgesetzten überbau-baren Grundstücksflächen weder Garagen noch Nebengebäude errichtet werden. Man könnte aus dieser Festsetzung zwar auf den ersten Blick schließen, dass damit - entsprechend der unter (1) aufgezeigten Argumentation zu § 23 Abs. 3 BauNVO - sämtliche baulichen Anlagen einschließlich Werbeanlagen ausgeschlossen sein sollten. Diese Auslegung würde dem Sinn der Regelung aber nicht gerecht. Der Plangeber hat für das Baugebiet offene Bauweise (§ 4) festgesetzt und verfolgt mit der Festsetzung einer „hinteren Baugrenze“ auf dem Baugrundstück offensichtlich das Ziel, straßennahe Flächen zur... Straße von einer Bebauung freizuhalten. Dabei hat er in § 6 Abs. 2 der Festsetzungen zum Gewerbegebiet aber eine differenzierende Regelung dazu getroffen, welche baulichen Anlagen den Planungszielen von vornherein widersprechen und deshalb außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche gänzlich unterbleiben müssen. Dementsprechend dürfen Garagen und Nebengebäude dort nicht errichtet werden; die in § 6 ebenfalls erwähnten Einstellplätze hat er aber nicht in gleicher Weise ausgeschlossen. Auch Werbeanlagen - sogar gewerbliche Werbeanlagen - hat er, wie aus § 15 des Bebauungsplans - Wohngebiet - zu ersehen ist, für das Wohngebiet „Kirchfeld“ durchaus in den Blick genommen, hinsichtlich des Gewerbegebiets „Kirchfeld“ aber nicht für regelungsbedürftig gehalten. Hieraus ist der Schluss zu ziehen, dass jedenfalls in Bezug auf Werbeanlagen der hier vorliegenden Art keine „andere Festsetzung“ i.S.v. § 23 Abs. 5 BauNVO vorliegt, zumal eine solche Einschränkung der Zulassungsmöglichkeit eine ausdrückliche Bezeichnung der unzulässigen Anlage erforderte (Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. § 23 Rdnr. 22), an der es in Bezug auf Werbeanlagen fehlt.
45 
Fällt die Werbeanlage damit in den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO 1962, so hatte die Beklagte über dessen Zulassung auf der nichtüberbaubaren Grundstücksfläche nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Das Ermessen ist insbesondere unter Berücksichtigung der in § 15 BauNVO genannten Kriterien zu prüfen (Fickert/Fieseler, BauNVO, § 23 Rdnr. 19). Ermessensfehler liegen nicht vor.
46 
Die Beklagte hat ihre Entscheidung maßgeblich damit begründet, dass in der näheren Umgebung des Plangebiets noch weitere bauliche Anlagen auf nichtüberbaubaren Flächen vorhanden seien, weshalb das Ermessen „deutlich reduziert“ sei. Die Klägerin hat das Vorhandensein der genannten baulichen Anlagen im nichtüberbaubaren Bereich nicht bestritten, hält diese aber nicht für vergleichbar. Soweit sie darauf abhebt, dass es bei der Werbeanlage der Beigeladenen um eine Anlage der gewerblichen Fremdwerbung gehe, welche im Vergleich zu gewerblichen Werbeanlagen an der Stätte der Leistung weniger schutzwürdig sei, ist ihr schon entgegen zu halten, dass im Plangebiet ausweislich der vom Senat vor Ort getroffenen Feststellungen bereits weitere Anlagen der Fremdwerbung vorhanden sind. Hierauf kommt es aber gar nicht entscheidend an. Denn selbst wenn keine solchen Anlagen vorhanden wären, begegnete die im Rahmen des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO getroffene Entscheidung der Beklagten, erstmals auch Fremdwerbungsanlagen zuzulassen, keinen Bedenken. Auch diese sind im Gewerbegebiet typischerweise zulässig und beeinträchtigen das Planungsziel der offenen Bauweise, das mit der Festsetzung einer Baugrenze gesichert werden soll (s.o.), zumindest nicht stärker als Eigenwerbeanlagen. Soweit die Klägerin vorträgt, die auf dem Tankstellengrundstück vorhandenen Anlagen seien bereits vor der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 467 „Kirchfeld“ an dieser Stelle vorhanden und genehmigt gewesen, mag dies so sein. Zugleich wird hieraus aber deutlich, dass das mit der Festsetzung nichtüberbaubarer Flächen an sich verfolgte „Freihalteziel“ im Gewerbegebiet von Anfang an als nicht berührt angesehen wurde durch das Vorhandensein oder die Zulassung solcher baulichen Anlagen, die nicht Garagen und Gebäude sind.
47 
In die Ermessenüberlegungen der Beklagten ist auch eingeflossen, dass die in Rede stehende Werbeanlage Belange der Klägerin nicht unzumutbar (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) beeinträchtigt. Bereits die Beklagte hat die konkrete Situation vor Ort einschließlich der Situation auf dem Tankstellengrundstück in den Blick genommen, wie die Ausführungen in der Baugenehmigung zeigen. Gleiches gilt für die Widerspruchsbehörde, die auf S. 4 ihres Bescheides zu dem Ergebnis gekommen ist, eine „übermäßige Sichtbehinderung der Tankstelle“ liege nicht vor. Diese Einschätzung teilt auch der Senat aufgrund der Ergebnisse des Augenscheinstermins vom 26.01.2012. Nach dem Eindruck vor Ort kann keine Rede davon sein, dass die Werbeanlage Autofahrern den Blick auf die Tankstelle nehmen würde. Von Süden her ist dies schon deshalb nicht der Fall, weil die Werbeanlage „hinter“ der Tankstelle liegt und Autofahrer sowohl die Tankstellenüberdachung als auch entsprechende Werbe- und Preisschilder in vollem Umfang erkennen können. Der Blick wird auch durch den relativ schnellen Wechselrhythmus auf der Werbefläche nicht abgelenkt. Von Norden her, also in Richtung Ortsmitte ... fahrende Autofahrer können schon früh – etwa 50 m vor der Tankstelle - das tankstellentypische Preisschild mit den Benzin- bzw. Dieselpreisen erkennen, welches ganz nach links an den Straßenrand gerückt ist und durch die Werbeanlage nicht verdeckt wird. Diese Feststellung hat der Senat von der (rechten) Fahrbahn aus getroffen. Noch nicht erkennbar ist in dieser Entfernung zwar die Tankstellenüberdachung – mit dem kennzeichnenden Schriftzug als freie Tankstelle -, mit jeder weiteren Annäherung wird der Blick auf diese Überdachung aber umso besser eröffnet. In einer Entfernung von etwa 20 Metern ist – im Luftraum „unter“ der streitgegenständlichen Werbefläche – der tankstellentypische Hinweis auf „Luft - Wasser“ zu erkennen, auch ist etwa die Hälfte der Tankstellenüberdachung zu sehen. Da das tankstellentypische Preisschild, auf welches nicht ortskundige Autofahrer auf der Suche nach einer Tankstelle regelmäßig fixiert sein werden, aber auch in dieser Entfernung uneingeschränkt zu sehen ist, erscheint ausgeschlossen, dass Autofahrer infolge des Standorts der Werbeanlage bzw. infolge der ablenkenden Wirkung der Wechselwerbung an der Tankstelle vorbeifahren.
48 
cc) Die an ihrem konkreten Standort genehmigte Werbeanlage verstößt ferner nicht gegen § 5 des Bebauungsplans Nr. 467 „Kirchfeld“ - Gewerbegebiet -, wonach „der Bauwich 3,00 m nicht unterschreiten“ darf. Mit dieser Regelung nimmt der Bebauungsplan erkennbar Bezug auf § 22 Abs. 2 BauNVO 1962, wonach in der offenen Bauweise - welche durch § 4 des Bebauungsplans für das Gewerbegebiet angeordnet ist - die „Gebäude mit seitlichem Grenzabstand (Bauwich) als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder als Hausgruppen mit einer Länge von höchstens 50 m errichtet werden“. Da § 22 Abs. 2 BauNVO 1962 schon nach seinem Wortlaut nur Gebäude(typen), nicht aber sonstige bauliche Anlagen erfasst (Fickert/Fieseler, BauNVO, § 22 Rdnr. 2; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.06.1996 - 5 S 2572/95 -; BauR 1997, 274, juris Rdnr. 21; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 12.07.1982 - 7 A 2798/80 -, BRS 39 Nr. 111 jeweils zu vergleichbaren späteren Fassungen von § 22 Abs. 2 BauNVO 1962), findet die Vorschrift auf die hier in Rede stehende Werbeanlage keine Anwendung. Unabhängig davon könnte § 5 des Bebauungsplans jedenfalls keine verbindliche, von den landesrechtlichen Vorschriften der LBO abweichende Abstandsflächenregelung entnommen werden. Denn § 22 Abs. 1 BauNVO 1962 ermächtigte die Gemeinden lediglich dazu, im Bebauungsplan offene oder geschlossene Bauweise festzusetzen, wobei § 22 Abs. 2 BauNVO 1962 klarstellt, dass für die offene Bauweise der seitliche Grenzabstand das wesentliche Merkmal darstellt. Wurde die offene Bauweise - wie hier - durch Bebauungsplan festgesetzt, so ergaben sich die seitlichen Grenzabstände aus dem Bauordnungsrecht (BVerwG, Beschl. v. 12.05.1995 - 4 NB 5.95 -, BRS 57 Nr. 7, juris Rdnr. 6; VGH Bad.-Württ, Urt. v. 25.06.1996 a.a.O.; auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 26.08.1993 - 3 S 1779/93 -, juris Rdnr. 7). Dass die hier in Rede stehende Werbeanlage nach den Vorschriften der LBO einen seitlichen Grenzabstand nicht einhalten muss, wurde bereits ausgeführt.
49 
dd) Schließlich ist nach den Ausführungen unter bb) auch das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO.
51 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe der § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
52 
Beschluss
53 
Der Streitwert wird gem. §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2004) auf 7.500,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig; insbesondere ist sie innerhalb der Berufungsbegründungsfrist in der notwendigen Weise begründet worden (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO, § 124a Abs. 3 Sätze 4 und 5 VwGO). Sie hat aber keinen Erfolg.
22 
1. Die auf Aufhebung der angefochtenen Baugenehmigung gerichtete Nachbarklage ist zulässig, insbesondere steht der Klägern als unmittelbarer Grundstücksnachbarin die erforderliche Klagebefugnis zur Seite. Denn sie macht u.a. geltend, die unmittelbar an der Grenze zu ihrem Grundstück verwirklichte Werbeanlage verstoße, da dieses Vorhaben abstandsflächenrechtlich nicht privilegiert sei, gegen nachbarschützende Vorschriften zur Abstandsflächentiefe. Aber auch der weitere Vortrag der Klägerin, die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 467 „Kirchfeld“ zu Baugrenzen und zum Bauwich seien nach der Vorstellung des seinerzeitigen Satzungsgebers zum Schutz der Grundstücksnachbarn und damit auch zu ihrem Schutz ergangen, ist nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Auch insoweit ist es daher möglich, dass die angefochtene Baugenehmigung subjektive Rechtspositionen der Klägerin verletzt. Ihr kann auch das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage nicht abgesprochen werden.
23 
2. Die Klage ist aber nicht begründet. Die der Beigeladenen mit Bescheiden vom 15.07.2008 und 25.03.2010 erteilte Baugenehmigung verstößt nicht gegen von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die jedenfalls auch dem Schutz der Klägerin dienen.
24 
a) Die Zulassung der Werbeanlage an dem konkreten Standort verletzt keine nachbarschützenden bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hier - da es sich um eine Anfechtungsklage des Nachbarn gegen eine dem Bauherrn bereits erteilte Baugenehmigung handelt - der Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Baugenehmigung. Spätere Änderungen zu Lasten des Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben, denn bereits die erteilte Baugenehmigung vermittelt dem Bauherrn eine Rechtsposition, die sich, wenn ein Nachbar die Genehmigung anficht, gegenüber während des Rechtsmittelverfahrens eintretenden Änderungen der Sach- und Rechtslage durchsetzen kann (BVerwG, Beschl. v. 08.11.2010 - 4 B 43.10 -, ZfBR 2011, 53). Spätere Änderungen zu seinen Gunsten sind dagegen zu berücksichtigen, wirken sich aber regelmäßig nicht aus, wenn ihm eine Baugenehmigung bereits rechtmäßig erteilt wurde.
25 
Unter Zugrundelegung dessen ist die Rechtmäßigkeit des Vorhabens hier nach den Vorschriften der Landesbauordnung vom 08.08.1995 in der bis zum 28.02.2010 geltenden alten Fassung (im Folgenden LBO a.F.) zu beurteilen. Denn diese Fassung fand im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung - - im Juli 2009 - noch Anwendung.
26 
aa) Es kann offen bleiben, ob die Werbeanlage gegen das Verunstaltungsverbot des § 11 LBO a.F. verstößt. Denn Gestaltungsvorschriften sind ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit erlassen. Sie sind nicht dazu bestimmt, auch den Individualinteressen des Einzelnen zu dienen. § 11 LBO ist daher nicht nachbarschützend (Sauter, LBO, § 11 Rdnr. 9; Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 6. Aufl. § 11 Rdnr 28; zu den Vorgängervorschriften schon VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.12.1999 - 3 S 2737/97 -, juris Rdnr. 31 mw.N.). Mit Blick darauf könnte die Klägerin jedenfalls nicht verlangen, dass die Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen § 11 LBO - unterstellt, er läge vor - aufgehoben wird.
27 
bb) Der Zulassung der Werbeanlage an ihrem konkreten Standort stehen auch keine Vorschriften des Abstandsflächenrechts nach der LBO a.F. entgegen. Zwar handelt es sich bei der Werbeanlage zweifellos um eine bauliche Anlage i.S.v. § 2 Abs. 1 LBO a.F., sie braucht jedoch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 LBO a.F. selbst keine Abstandsfläche zum Nachbargrundstück hin einzuhalten.
28 
Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen vor: Bei der Werbeanlage handelt es sich um eine bauliche Anlage, die kein Gebäude ist (vgl. § 2 Abs. 2 LBO a.F.). Die bauliche Anlage ist zwar unstreitig höher als 2,5 m, ihre Wandfläche beträgt aber nicht mehr als 25 qm. Nach der von der Beigeladenen vorgelegten Produktbeschreibung ist die Werbefläche selbst höchstens 3806 X 2846 mm, also 10,83 qm groß. Hinzu kommt der Monofuß mit den (Höchst-)Maßen 586 X 2698 mm (1,58 qm). Eine Wandfläche von 25 qm wird damit bei weitem nicht erreicht. Dieses Wandmaß bliebe selbst dann unterschritten, wenn man – entsprechend dem Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung – noch den „Luftraum“ unter der Werbefläche bis zum Erdboden hinzurechnete. Dies hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt und wurde von der Klägerin danach auch nicht mehr bestritten.
29 
Die Regelung des § 5 Abs. 9 LBO a.F. findet aber nur Anwendung, wenn beide Maße überschritten sind, m.a.W. braucht eine bauliche Anlage, welche - wie hier - nur eines dieser Maße überschreitet, keine eigene Abstandsfläche einzuhalten (vgl. Urt. v. 18.07.1984 - 3 S 976/84 -, BWVPr. 1984, 257; Urt. v. 08.05.1985 - 3 S 63/85 -, VBlBW 1986, 23; Urt. v. 01.06.1994 - 3 S 2617/92 -, VGHBW-Ls 1994, Beilage 8, B8, juris, Urt. v. 13.03.2008 - 8 S 15/07 -, BauR 2008, 1585)
30 
An dieser Rechtslage hat sich im Übrigen – entgegen der dezidiert geäußerten Rechtsauffassung der Klägerin – durch die seit dem 01.03.2010 geltende abstandsflächenrechtliche Sonderregelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO neuer Fassung (im folgenden: LBO) nichts geändert. Vielmehr ist die Werbeanlage auch nach dieser Vorschrift abstandsflächenrechtlich privilegiert. Die Klägerin meint, die Voraussetzungen für eine Zulassung der Werbeanlage ohne eigene Abstandsflächen lägen nicht mehr vor, weil seit der Neufassung der Vorschrift durch Gesetz vom 10.11.2009 „eine Genehmigung nicht mehr in Betracht komme, wenn die Anlage entweder höher als 2,5 m ist oder die Anlage eine größere Wandfläche als 25 qm hat“. Damit gibt sie den Wortlaut der Vorschrift sinnverdreht wieder. Denn § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO ist entgegen ihrem Vortrag gerade nicht in der Weise negativ formuliert, dass bauliche Anlagenunzulässig sind, wenn eines der in der Vorschrift genannten Maße überschritten wird, sondern umgekehrt in der Weise positiv, dass bauliche Anlagen (in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen sowie ohne eigene Abstandsflächen) zulässig sind, soweit eines der in der Vorschrift genannten Maße nicht überschritten wird. Bereits der Gesetzeswortlaut („oder“) legt bei dieser Formulierung nahe, dass die Erfüllung schon eines der beiden Maße ausreicht, um die abstandsflächenrechtliche Privilegierung einer baulichen Anlage auszulösen. Umgekehrt bedeutet dies, dass nur die kumulative Überschreitung beider Gebäudemaße zur Unzulässigkeit einer baulichen Anlage i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO führt. So wird die neugefasste Vorschrift auch in der Kommentarliteratur verstanden (Sauter, LBO, 3. Aufl. § 6 Rdnr. 26; Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 6.Aufl. 2011 § 6 Rdnr. 32).
31 
Dieses schon nach dem Wortlaut naheliegende Verständnis der Vorschrift wird durch einen Blick auf die im Gesetzgebungsverfahren eindeutig zum Ausdruck gekommene Regelungsabsicht des Gesetzgebers bestätigt.
32 
Mit § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO wurden die bis zum 28.02.2010 geltenden Vorschriften des § 5 Abs. 9 LBO a.F. und des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. in einer Regelung zusammengefasst (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO im Gesetzentwurf der Landesregierung vom 19.08.2009, LT-Drs. 14/5013, S. 39). § 5 Abs. 9 LBO a.F. bestimmte, dass die - für Gebäude geltenden - Abstandsflächenvorschriften des § 5 Abs. 1 bis 8 LBO a.F. entsprechend für bauliche Anlagen gelten, die keine Gebäude sind, wenn die baulichen Anlagen höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche mehr als 25 qm beträgt. Nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. waren „in den Abstandsflächen bauliche Anlagen zulässig, die keine Gebäude sind, wenn sie in den Abstandsflächen nicht höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche nicht mehr als 25 qm beträgt. Hinsichtlich beider Vorgängervorschriften - bzw. deren Vorgängervorschriften in noch früheren Fassungen der Landesbauordnung - war in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aber anerkannt, dass bereits die Erfüllung eines der beiden genannten Maße die abstandsflächenrechtliche Privilegierung auslöst, m.a.W. erst deren kumulative Überschreitung zu einer Unzulässigkeit der betreffenden baulichen Anlage führt (zu § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. Beschl. v. 21.06.1993 - 5 S 874/93 -, BRS 55 Nr. 162, juris; Urt. v. 14.08.1997 - 5 S 1252/96 -, BauR 1998, 517; Urt. v. 13.03.2008 - 8 S 15/07 -, BauR 2008, 1585, ebenso zu § 5 Abs. 9 LBO a.F. Urt. v. 18.07.1984 - BWVPr. 1984, 257; Urt. v. 08.05.1985 - 3 S 63/85 - , VBlBW 1986, 23; Urt. v. 01.06.1994 - 3 S 2617/92 -, VGHBW-Ls 1994, Beilage 8, B8, juris). Diese Interpretation war mit dem Wortlaut der Vorgängervorschriften nicht auf den ersten Blick in Einklang zu bringen, denn die „und“-Verknüpfung konnte auch dahin verstanden werden, dass erst eine kumulative Einhaltung beider Maße die abstandsflächenrechtliche Privilegierung auslöst, m.a.W zur Zulässigkeit der betreffenden baulichen Anlage führt. Der Verwaltungsgerichtshof hatte in seinem Urteil vom 13.03.2008 - 8 S 15/07 - aber herausgestellt, dass es sich bei dem Bindewort „und“ um eine relativ schwache und sprachlich mehrdeutige konjunktive Verbindung handele. Der Wortlaut lasse die vom Gesetzgeber intendierte und von der Rechtsprechung vorgenommene Auslegung - Zulässigkeit des Vorhabens bereits bei Einhaltung eines der genannten Maße, umgekehrt gesprochen: Unzulässigkeit des Vorhabens erst bei kumulativer Überschreitung beider Maße - daher durchaus zu.
33 
Dem Landesgesetzgeber waren die aufgezeigten Verständnis- und Auslegungsschwierigkeiten bei der Neuformulierung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO bekannt. Ausweislich der Gesetzesbegründung der Landesregierung zu dieser Vorschrift (LT-Drs. 14/5013, S. 39) soll sich an dem von der Rechtsprechung konkretisierten Verständnis der Vorgängervorschriften durch die Neufassung nichts ändern. Vielmehr wollte der Gesetzgeber die von ihm als „unklar“ bezeichnete bisherige Regelung deutlicher fassen. Zur Auslegung der in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO genannten Voraussetzungen und zur Regelungsabsicht heißt es in der Gesetzesbegründung unzweideutig:
34 
„Zukünftig gilt hier, dass alle sonstigen baulichen Anlagen dann eigene Abstandsvorschriften besitzen und in Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen unzulässig sind, wenn sie beide in Nummer 3 aufgeführten Grenzwerte überschreiten“.
35 
Dies lässt nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber die Umformulierungen im Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO („soweit“ anstatt bisher „wenn“, „oder“ anstatt bisher „und“) bewusst gewählt hat, um das in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs schon bisher entwickelte Verständnis der Vorgängervorschriften im Wortlaut des neugefassten § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO klar zu verankern. Wie oben bereits ausgeführt wurde, ist dies auch gelungen.
36 
Dementsprechend ist die hier in Rede stehende Werbeanlage sowohl nach § 5 Abs. 9 LBO a.F. als auch nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO abstandsflächenrechtlich privilegiert und ohne eigene Abstandsfläche zum Grundstück der Klägerin hin zulässig.
37 
cc) Anhaltspunkte dafür, dass die Werbeanlage trotz ihrer abstandsflächenrechtlichen Privilegierung in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegenüber der Klägerin rücksichtslos - oder gar schikanös - sein könnte, bestehen nicht. Bei der Errichtung einer privilegierten baulichen Anlage muss der Bauherr nicht den Standort wählen, der für den Nachbarn die geringsten Beeinträchtigungen mit sich bringt. Es genügt, wenn er die bauordnungsrechtlichen Vorschriften einhält (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.03.1989 - 5 S 46/89 -, NVwZ-RR 1989, 530, juris).
38 
b) Die an ihrem konkreten Standort unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Klägerin zugelassene Werbeanlage verstößt auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
39 
aa) Der Standort der Werbeanlage liegt in einem durch Bebauungsplan Nr. 467 „Kirchfeld“ der Beklagten ausgewiesenen Gewerbegebiet. Gem. § 8 Abs. 1 BauNVO in der für den beschlossenen Bebauungsplan maßgeblichen Fassung 1962 (auf die in § 3 des Bebauungsplans auch verwiesen wird, vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2008, a.a.O.) dienen Gewerbegebiete vorwiegend der Unterbringung nicht erheblich belästigender Gewerbebetriebe (Abs. 1) und sind „Gewerbebetriebe aller Art“ zulässig (Abs. 2 Nr. 1). Zwar verwendet die BauNVO 1962 (nur) den Begriff des Gewerbebetriebs und ist eine Anlage der Außenwerbung - worauf die Klägerin im Berufungsverfahren hinweist - im engeren Begriffsverständnis kein „Betrieb“. Mit dem Begriff des „Betriebs“ beschreibt die BauNVO jedoch nur in typisierender Weise eine Zusammenfassung gewerblicher Nutzungsweisen, um diese Nutzung von anderen Nutzungsarten sinnvoll abgrenzen zu können (Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. § 4 Rdnr. 9.31). Eine Außenwerbeanlage, die der Fremdwerbung dient, stellt daher bauplanerisch eine eigenständige gewerbliche Hauptnutzung dar (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2008 - 8 S 15/07 - , BauR 2008, 1585, juris Rdnr. 18 m.w.N.), welche im Gewerbegebiet typischerweise zulässig ist. Anhaltspunkte dafür, dass die hier in Rede stehende Werbeanlage sich nicht im Rahmen dieser Typisierung bewegte - insbesondere weil sie als „erheblich belästigender Gewerbebetrieb“ i.S.v. § 8 Abs. 1 BauNVO 1962 anzusehen sein könnte - bestehen nicht. Die Werbeanlage ist an dem konkreten Standort daher ihrer Art nach zulässig.
40 
bb) Der Bebauungsplan Nr.467 „Kirchfeld“ (vgl. dessen § 2 - Gewerbegebiet - i.V.m. dem Fluchtlinienplan vom 07.03.1961) setzt bezüglich des Baugrundstücks eine - gesehen vom ...ring aus - „hintere Bauflucht“ fest.
41 
(1) Diese Bauflucht ist, wie sich aus dem Klammerzusatz („Baugrenze“) ergibt, als Baugrenze und damit als Festsetzung zur überbaubaren Grundstücksfläche i.S.v. § 23 Abs. 1, 3 BauNVO 1962 zu verstehen. Nach dieser Vorschrift dürfen „Gebäude und Gebäudeteile“ die Baugrenze nicht überschreiten. Auch wenn eine Werbeanlage weder als „Gebäude“ noch als „Gebäudeteil“ i.S.v. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO 1962 angesehen werden kann, wird sie doch von der Vorschrift erfasst. Denn diese zielt darauf ab, die von der Gemeinde gewünschte offene Bauweise dadurch zu unterstreichen, dass nichtüberbaubare Grundstücksflächen ausgewiesen werden. Dieses Ziel würde unterlaufen, wenn andere bauliche Anlagen - insbesondere Werbeanlagen - als Hauptnutzung „vor der Baugrenze“ ohne weiteres zulässig wären (BVerwG, Urt. v. 07.06.2001 - 4 C 1.01 -, BauR 2001, 1698, juris Rdnr. 13ff). Hinzu kommt, dass der Verordnungsgeber der BauNVO im Jahre 1962 aufgrund der damaligen Fassung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) BauGB keine Veranlassung hatte, zwischen Gebäuden und anderen baulichen Anlagen zu differenzieren. Er hat sich vielmehr auf den „typischen“ Fall einer Bebauung mit „Gebäuden“ beschränkt, ohne diesem Tatbestandsmerkmal konstitutive Bedeutung zuzumessen (BVerwG, Urt. v. 07.06.2001, a.a.O., Rdnr. 14/15). Der konkrete Standort der genehmigten Werbeanlage befindet sich mithin auf einer nicht überbaubaren Grundstücksfläche des Flst. Nr. 981/1 und verstößt damit grundsätzlich gegen Festsetzungen des Bebauungsplans.
42 
Die Klägerin kann indes aus diesem Grund die Aufhebung der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung nicht verlangen. Denn die Festsetzung der hinteren Baugrenze auf dem Flst. Nr. 981/1 ist nicht zu ihren Gunsten nachbarschützend. Regelmäßig kommt hinteren Baugrenzen Nachbarschutz nur zugunsten solcher Nachbargrundstücke zu, die der Baugrenze gegenüberliegen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.02.1999 - 5 S 2507/96-, BRS 62, 445; Beschl. v. 14.06.2007 - 8 S 967/97 -, VBlBW 2007, 387). Das Grundstück der Klägerin liegt dem Baugrundstück nicht in diesem Sinne gegenüber. Entgegen ihrer Auffassung ergibt sich weder aus der Zusammenschau der Festsetzungen des Bebauungsplans noch aus dessen Begründung noch aus den Planakten irgendein greifbarer Anhaltspunkt dafür, dass und inwiefern die Festsetzung der „hinteren Baugrenze“ gerade die Interessen des Eigentümers des Tankstellengrundstücks schützen sollte.
43 
(2) Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Genehmigung der Werbeanlage auch objektiv rechtmäßig ist. Sie konnte hier nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO 1962 zugelassen werden. Die angefochtene Baugenehmigung stützt sich hierauf ausdrücklich. Die erste Tatbestandsvoraussetzung für eine Zulassung nach dieser Vorschrift liegt ohne weiteres vor: Bei der Werbeanlage handelt es sich um eine bauliche Anlage, die nach Landesrecht in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen zulässig ist (§ 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. und § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO; die Verweisung des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO 1962 auf das jeweilige Landesrecht ist als dynamische Verweisung zu verstehen, VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2008, a.a.O.).
44 
Der Bebauungsplan enthält auch keine „andere Festsetzung“, welche die Zulassung einer Werbeanlage außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen hier ausschlösse. Nach § 6 Abs. 2 des Bebauungsplans - Gewerbegebiet - dürfen außerhalb der durch Baulinie und Baugrenze festgesetzten überbau-baren Grundstücksflächen weder Garagen noch Nebengebäude errichtet werden. Man könnte aus dieser Festsetzung zwar auf den ersten Blick schließen, dass damit - entsprechend der unter (1) aufgezeigten Argumentation zu § 23 Abs. 3 BauNVO - sämtliche baulichen Anlagen einschließlich Werbeanlagen ausgeschlossen sein sollten. Diese Auslegung würde dem Sinn der Regelung aber nicht gerecht. Der Plangeber hat für das Baugebiet offene Bauweise (§ 4) festgesetzt und verfolgt mit der Festsetzung einer „hinteren Baugrenze“ auf dem Baugrundstück offensichtlich das Ziel, straßennahe Flächen zur... Straße von einer Bebauung freizuhalten. Dabei hat er in § 6 Abs. 2 der Festsetzungen zum Gewerbegebiet aber eine differenzierende Regelung dazu getroffen, welche baulichen Anlagen den Planungszielen von vornherein widersprechen und deshalb außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche gänzlich unterbleiben müssen. Dementsprechend dürfen Garagen und Nebengebäude dort nicht errichtet werden; die in § 6 ebenfalls erwähnten Einstellplätze hat er aber nicht in gleicher Weise ausgeschlossen. Auch Werbeanlagen - sogar gewerbliche Werbeanlagen - hat er, wie aus § 15 des Bebauungsplans - Wohngebiet - zu ersehen ist, für das Wohngebiet „Kirchfeld“ durchaus in den Blick genommen, hinsichtlich des Gewerbegebiets „Kirchfeld“ aber nicht für regelungsbedürftig gehalten. Hieraus ist der Schluss zu ziehen, dass jedenfalls in Bezug auf Werbeanlagen der hier vorliegenden Art keine „andere Festsetzung“ i.S.v. § 23 Abs. 5 BauNVO vorliegt, zumal eine solche Einschränkung der Zulassungsmöglichkeit eine ausdrückliche Bezeichnung der unzulässigen Anlage erforderte (Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. § 23 Rdnr. 22), an der es in Bezug auf Werbeanlagen fehlt.
45 
Fällt die Werbeanlage damit in den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO 1962, so hatte die Beklagte über dessen Zulassung auf der nichtüberbaubaren Grundstücksfläche nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Das Ermessen ist insbesondere unter Berücksichtigung der in § 15 BauNVO genannten Kriterien zu prüfen (Fickert/Fieseler, BauNVO, § 23 Rdnr. 19). Ermessensfehler liegen nicht vor.
46 
Die Beklagte hat ihre Entscheidung maßgeblich damit begründet, dass in der näheren Umgebung des Plangebiets noch weitere bauliche Anlagen auf nichtüberbaubaren Flächen vorhanden seien, weshalb das Ermessen „deutlich reduziert“ sei. Die Klägerin hat das Vorhandensein der genannten baulichen Anlagen im nichtüberbaubaren Bereich nicht bestritten, hält diese aber nicht für vergleichbar. Soweit sie darauf abhebt, dass es bei der Werbeanlage der Beigeladenen um eine Anlage der gewerblichen Fremdwerbung gehe, welche im Vergleich zu gewerblichen Werbeanlagen an der Stätte der Leistung weniger schutzwürdig sei, ist ihr schon entgegen zu halten, dass im Plangebiet ausweislich der vom Senat vor Ort getroffenen Feststellungen bereits weitere Anlagen der Fremdwerbung vorhanden sind. Hierauf kommt es aber gar nicht entscheidend an. Denn selbst wenn keine solchen Anlagen vorhanden wären, begegnete die im Rahmen des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO getroffene Entscheidung der Beklagten, erstmals auch Fremdwerbungsanlagen zuzulassen, keinen Bedenken. Auch diese sind im Gewerbegebiet typischerweise zulässig und beeinträchtigen das Planungsziel der offenen Bauweise, das mit der Festsetzung einer Baugrenze gesichert werden soll (s.o.), zumindest nicht stärker als Eigenwerbeanlagen. Soweit die Klägerin vorträgt, die auf dem Tankstellengrundstück vorhandenen Anlagen seien bereits vor der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 467 „Kirchfeld“ an dieser Stelle vorhanden und genehmigt gewesen, mag dies so sein. Zugleich wird hieraus aber deutlich, dass das mit der Festsetzung nichtüberbaubarer Flächen an sich verfolgte „Freihalteziel“ im Gewerbegebiet von Anfang an als nicht berührt angesehen wurde durch das Vorhandensein oder die Zulassung solcher baulichen Anlagen, die nicht Garagen und Gebäude sind.
47 
In die Ermessenüberlegungen der Beklagten ist auch eingeflossen, dass die in Rede stehende Werbeanlage Belange der Klägerin nicht unzumutbar (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) beeinträchtigt. Bereits die Beklagte hat die konkrete Situation vor Ort einschließlich der Situation auf dem Tankstellengrundstück in den Blick genommen, wie die Ausführungen in der Baugenehmigung zeigen. Gleiches gilt für die Widerspruchsbehörde, die auf S. 4 ihres Bescheides zu dem Ergebnis gekommen ist, eine „übermäßige Sichtbehinderung der Tankstelle“ liege nicht vor. Diese Einschätzung teilt auch der Senat aufgrund der Ergebnisse des Augenscheinstermins vom 26.01.2012. Nach dem Eindruck vor Ort kann keine Rede davon sein, dass die Werbeanlage Autofahrern den Blick auf die Tankstelle nehmen würde. Von Süden her ist dies schon deshalb nicht der Fall, weil die Werbeanlage „hinter“ der Tankstelle liegt und Autofahrer sowohl die Tankstellenüberdachung als auch entsprechende Werbe- und Preisschilder in vollem Umfang erkennen können. Der Blick wird auch durch den relativ schnellen Wechselrhythmus auf der Werbefläche nicht abgelenkt. Von Norden her, also in Richtung Ortsmitte ... fahrende Autofahrer können schon früh – etwa 50 m vor der Tankstelle - das tankstellentypische Preisschild mit den Benzin- bzw. Dieselpreisen erkennen, welches ganz nach links an den Straßenrand gerückt ist und durch die Werbeanlage nicht verdeckt wird. Diese Feststellung hat der Senat von der (rechten) Fahrbahn aus getroffen. Noch nicht erkennbar ist in dieser Entfernung zwar die Tankstellenüberdachung – mit dem kennzeichnenden Schriftzug als freie Tankstelle -, mit jeder weiteren Annäherung wird der Blick auf diese Überdachung aber umso besser eröffnet. In einer Entfernung von etwa 20 Metern ist – im Luftraum „unter“ der streitgegenständlichen Werbefläche – der tankstellentypische Hinweis auf „Luft - Wasser“ zu erkennen, auch ist etwa die Hälfte der Tankstellenüberdachung zu sehen. Da das tankstellentypische Preisschild, auf welches nicht ortskundige Autofahrer auf der Suche nach einer Tankstelle regelmäßig fixiert sein werden, aber auch in dieser Entfernung uneingeschränkt zu sehen ist, erscheint ausgeschlossen, dass Autofahrer infolge des Standorts der Werbeanlage bzw. infolge der ablenkenden Wirkung der Wechselwerbung an der Tankstelle vorbeifahren.
48 
cc) Die an ihrem konkreten Standort genehmigte Werbeanlage verstößt ferner nicht gegen § 5 des Bebauungsplans Nr. 467 „Kirchfeld“ - Gewerbegebiet -, wonach „der Bauwich 3,00 m nicht unterschreiten“ darf. Mit dieser Regelung nimmt der Bebauungsplan erkennbar Bezug auf § 22 Abs. 2 BauNVO 1962, wonach in der offenen Bauweise - welche durch § 4 des Bebauungsplans für das Gewerbegebiet angeordnet ist - die „Gebäude mit seitlichem Grenzabstand (Bauwich) als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder als Hausgruppen mit einer Länge von höchstens 50 m errichtet werden“. Da § 22 Abs. 2 BauNVO 1962 schon nach seinem Wortlaut nur Gebäude(typen), nicht aber sonstige bauliche Anlagen erfasst (Fickert/Fieseler, BauNVO, § 22 Rdnr. 2; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.06.1996 - 5 S 2572/95 -; BauR 1997, 274, juris Rdnr. 21; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 12.07.1982 - 7 A 2798/80 -, BRS 39 Nr. 111 jeweils zu vergleichbaren späteren Fassungen von § 22 Abs. 2 BauNVO 1962), findet die Vorschrift auf die hier in Rede stehende Werbeanlage keine Anwendung. Unabhängig davon könnte § 5 des Bebauungsplans jedenfalls keine verbindliche, von den landesrechtlichen Vorschriften der LBO abweichende Abstandsflächenregelung entnommen werden. Denn § 22 Abs. 1 BauNVO 1962 ermächtigte die Gemeinden lediglich dazu, im Bebauungsplan offene oder geschlossene Bauweise festzusetzen, wobei § 22 Abs. 2 BauNVO 1962 klarstellt, dass für die offene Bauweise der seitliche Grenzabstand das wesentliche Merkmal darstellt. Wurde die offene Bauweise - wie hier - durch Bebauungsplan festgesetzt, so ergaben sich die seitlichen Grenzabstände aus dem Bauordnungsrecht (BVerwG, Beschl. v. 12.05.1995 - 4 NB 5.95 -, BRS 57 Nr. 7, juris Rdnr. 6; VGH Bad.-Württ, Urt. v. 25.06.1996 a.a.O.; auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 26.08.1993 - 3 S 1779/93 -, juris Rdnr. 7). Dass die hier in Rede stehende Werbeanlage nach den Vorschriften der LBO einen seitlichen Grenzabstand nicht einhalten muss, wurde bereits ausgeführt.
49 
dd) Schließlich ist nach den Ausführungen unter bb) auch das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO.
51 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe der § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
52 
Beschluss
53 
Der Streitwert wird gem. §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2004) auf 7.500,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 3.750,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antrag ist zulässig und richtet sich nach §§ 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers, gegen die dem Beigeladenen von der Stadt... unter dem 24.08.2005 erteilten Baugenehmigung sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums ... vom 06.12.2005. Der Klage kommt kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zu (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO, § 212a Abs. 1 BauGB).
Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Nach der im summarischen Verfahren gewonnen Überzeugung der Kammer überwiegen das öffentliche Interesse und das private Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung das private Interesse des Antragstellers, vorläufig vom Vollzug der angefochtenen Baugenehmigung verschont zu bleiben. Denn es muss derzeit mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die angefochtene Baugenehmigung nicht gegen von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften i.S.v. § 58 Abs. 1 S. 1 LBO verstößt, die zumindest auch dem Schutz des Antragstellers zu dienen bestimmt sind. Die Klage wird deshalb aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben.
1. Die Ausführungen des Antragstellers zur Frage eines „Einfügens“ des Vorhabens der Beigeladenen im so genannten Blockinnenbereich seiner näheren Umgebung gem. § 34 Abs. 1 BauGB beschäftigen sich im wesentlichen mit objektiv-rechtlichen städtebaulichen Fragen, ohne darzulegen, in welchen seinem Schutz dienenden Rechten der Antragsteller hierdurch verletzt sein soll. Eine Beachtung des objektiven Baurechts kann der Antragsteller aber nicht verlangen. Er ist darauf beschränkt, eine Verletzung auch seinem Schutz als Nachbarn dienender Rechtsnormen geltend zu machen. Dem maßgeblichen objektiv-rechtlichen Rücksichtnahmegebot, das Bestandteil des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB ist, kommt aber eine solche drittschützende Wirkung nur ausnahmsweise zu. Eine solche Ausnahme liegt nur vor, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.02.1977 - 4 C 22.75 -, BVerwGE 52, 122; zuletzt VGH Bad.-Württ., Urt. vom 2.12.2005, 3 S 151/04; aus der Literatur: Söfker, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB-Kommentar, § 34 Rdnr. 141 mit Nachweisen; eine weitergehende nachbarschützende Wirkung ohne Beschränkung auf das Rücksichtnahmegebot wird z.B. vertreten von Dürr, Kohlhammer-Kommentar zum BauGB, § 34 Rdnr. 154 und KommJur 2005, 201 [203 f., 209]; Wahl, JuS 1984, 577 [584 ff.]). Dies schließt eine erfolgreiche Berufung auf die Einhaltung tatsächlicher Baugrenzen oder Baulinien aus. Ob Baugrenzen oder Baulinien nachbarschützend sind oder ausschließlich städtebauliche Aussagen treffen, beurteilt sich nach ihrer Zweckbestimmung (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl. 2002, § 23 Rdnr. 6). Eine solche Zweckbestimmung lässt sich aber nur im Falle der förmlichen Festsetzung von Baugrenzen oder Baulinien in einem Bebauungsplan nachvollziehen. Im Fall einer faktischen Baugrenze oder Baulinie ist hierfür kein Raum, weil es an einer für die drittschützende Wirkung maßgeblichen planerischen Entscheidung der Gemeinde zum nachbarschaftlichen Austauschverhältnis fehlt (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.11.1994, 8 S 2937/94; OVG Bautzen, Beschl. v. 20.10.2005, 1 BS 251/05 - Juris; grundlegend BVerwG, Urt. vom 23.08.1996 - 4 C 13.94 -, BVerwGE 101, 364 [376]). Dies hat seinen rechtfertigenden Grund darin, dass § 34 Abs. 1 BauGB eine Planersatzvorschrift ist, deren Zulässigkeitsmaßstab notwendigerweise weniger scharf ist als der eines Bebauungsplanes, weil er sich an der Umgebungsbebauung orientiert. Das hat zur Folge, dass im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB ein Vorhaben zulässig sein kann, dessen Verwirklichung durch einen Bebauungsplan ausgeschlossen werden könnte. Der aus § 34 Abs. 1 BauGB folgende Nachbarschutz ist also weniger weit gehend als derjenige eines Bebauungsplanes (vgl. BVerwG, Beschl. vom 19.10.1995, 4 B 215.95, NVwZ 1996, 888). Da das BVerwG bezüglich der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung und der überbaubaren Grundstücksfläche auch im Planbereich keinen Drittschutz kraft Bundesrechts sieht (BVerwG, Beschl. vom 23.06.1995, 4 B 52.95, NVwZ 1996, 170; Beschl. vom 19.10.1995, 4 B 215.95, NVwZ 1996, 888), ist für Drittschutz bezüglich der „Stellung des Baukörpers im Raum“ im Rahmen von § 34 Abs. 1 BauGB auch kein Raum.
2. Im Übrigen würde entgegen der Auffassung des Antragstellers in der näheren Umgebung des Bauvorhabens i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB auch keine faktische Baugrenze vorhanden sein, welche der Erteilung einer Baugenehmigung - objektivrechtlich - entgegenstünde. Ein Bauvorhaben fügt sich in die Umgebungsbebauung im Hinblick auf seine überbaubare Grundstücksfläche und damit auf seinen Standort innerhalb der vorhandenen Bebauung dann ein, wenn und soweit rückwärtige Grundstücksflächen der maßgeblichen Umgebung eine entsprechende Bebauung aufweisen. Welche Umgebung im Einzelfall „maßgeblich“ ist, hängt von der mit dem Bauvorhaben auf die Nachbarschaft verbundenen Ausstrahlungswirkung ab (vgl. BVerwG, Urt. vom 03.04.1981 - 4 C 61.78 -, BVerwGE 62, 151), so dass für die Blockinnenbebauung durch ein Wohngebäude entweder eine Betrachtung im maßgeblichen Straßengeviert (Quartier) oder eine Betrachtung von der Erschließungsseite aus in Betracht gezogen werden kann. Letztlich ist dies aber eine Frage der konkreten Umstände des Einzelfalles und - soweit entscheidungserheblich - ggf. durch einen Augenschein zu klären. Die Kammer muss dies für das vorläufige Rechtsschutzverfahren aber nicht abschließend klären, weil nach beiden in Betracht kommenden Sichtweisen eine Bebaubarkeit des rückwärtigen Bereiches des Flst. Nr. .../... zulässig erscheint:
In dem Straßengeviert ...-, ...-, ...- und ...straße liegt auf dem Grundstück des Antragstellers eine Garagenanlage, die den Blockinnenbereich durch ihre Größe maßgeblich mit prägt und die deshalb nicht als untergeordnete oder lediglich vereinzelte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.11.1997, 4 B 172.97, NVwZ-RR 1998, 539) Garagen- oder Nebengebäudebebauung anzusehen ist, neben der nur weitere untergeordnete Nebenanlagen zulässig wären (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 28.09.1988, 4 B 175.88, NVwZ 1989, 354). Denn auf dem Grundstück des Antragstellers wurden entlang der Grundstücksgrenze zwischen 1964 und 2002 insgesamt 15 Garagen - teilweise unter Befreiung von nachbarschützenden Vorschriften - genehmigt, die mehr als den im Anwesen ...straße ... vorhandenen Stellplatzbedarf abbilden und damit einem - der Hauptnutzung untergeordneten - Nebengebäude im Sinne der genannten Rechtsprechung nicht vergleichbar sind. Die Grundfläche der Garagenanlage auf den Flurst. Nrn. .../... und ... stellt die größte überbaute Fläche im Quartier dar, die zudem die Nutzungsmöglichkeiten der Nachbargrundstücke und insbesondere des gesamten rückwärtigen Bereiches im Quartier durch ihre mehr als 70m lange und das natürliche Gelände um rund 3m überragende Grenzbebauung prägt. Schließlich könnte auch unter dem Gesichtspunkt des § 12 Abs. 2 BauNVO fraglich sein, ob diese - allerdings bestandskräftig genehmigten - Garagen in einem ansonsten homogenen Innenbereich nach § 34 Abs. 2 BauGB bei einem Neuantrag zulässig wären (vgl. Beschl. d. Kammer v. 19.12.2005, 1 K 1761/05; BVerwG, Urt. v. 16.09.1993, 4 C 28.91, BVerwGE 94, 151). Die Nutzung des Blockinnenbereichs ist ferner durch eine Werkstatt auf dem Flurstück 7223/4 sowie das 2004 genehmigte Wohngebäude an der Ecke ...straße/...straße vorgeprägt.
Soweit die rückwärtige Überbaubarkeit nach der tatsächlichen Bebauung entlang der Erschließungsstraße ...straße beurteilt würde, so wäre eine Bebauung des rückwärtigen Bereiches auf dem benachbarten Grundstück Flst. Nr. .../... (Wohngebäude), dem Flst. Nr. .../... (Wohngebäude) sowie auf dem Flst.Nr. .../... (Werkstatt) vorhanden, und zwar mit vergleichbarer Bautiefe wie das geplante Vorhaben.
Die vorhandene Überbauung des Bereiches hinter den straßenseitig gelegenen Wohngebäuden ist damit nach jeder Betrachtungsweise nicht nur vereinzelt und prägt den Blockinnenbereich mit, so dass das Bauvorhaben des Beigeladenen auf dem Flurstück Nr. .../... nach Überzeugung der Kammer mit hoher Wahrscheinlichkeit auch objektiv-rechtlich nach § 34 Abs. 1 BauGB zulässig ist.
3. Schließlich ist die Kammer aber auch der Auffassung, dass selbst wenn man zugunsten des Antragstellers mit verschiedenen Stimmen in der Literatur (Nachweise bei Dürr, a.a.O.; ferner Koch/Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 4. Aufl. 2004, § 28 Rn. 15 ff.) eine Ausweitung des Nachbarschutzes im Rahmen des § 34 BauGB vornehmen wollte, schutzwürdige Belange des Antragstellers im konkreten Fall nicht beeinträchtigt sind. Das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis ist nämlich geprägt von wechselseitiger Rücksichtnahme im Rahmen des Austauschverhältnisses der Eigentümer untereinander. Indem der Antragsteller - als bislang einziger Eigentümer des Quartiers - den rückwärtigen Bereich seines Grundstücks Flst.-Nr. .../... mit einer großen Garagenanlage bebaut hat (Grenzbebauung mit mehr als 70 m Länge; Nutzungen, die nicht der Hauptnutzung des Grundstückes untergeordnet sind, sondern über das Grundstück des Ast. hinauswirken, z.B. durch Lärmbeeinträchtigungen von zu- und abfahrenden Fahrzeugen sowie Öffnen und Schließen von Garagentoren), fordert er selbst von der Nachbarschaft bereits ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme. Seine eigene Garagenanlage führt bereits dazu, dass die vom Antragsteller behauptete „Ruhezone“ des rückwärtigen Bereiches in ihrer Qualität und Quantität stark gemindert wird. Dies bedeutet aber, dass der von seiner Nachbarschaft Rücksicht einfordernde Antragsteller seinen Nachbarn seinerseits ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme entgegenzubringen und die grundsätzlich zulässige bauliche Ausnutzung des Nachbargrundstückes hinzunehmen hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. vom 2.12.2005, 3 S 151/04, UA S. 10). Das nachbarschaftliche Verhältnis ist keine Einbahnstraße, sondern ein gegenseitiges Austauschverhältnis (BVerwG, Urt. vom 23.08.1996 - 4 C 13.94 -, BVerwGE 101, 364 [376]). Für die Kammer sind auch keine weitergehenden Gesichtspunkte erkennbar, weshalb ein Bauvorhaben, das bauordnungsrechtlich einen ausreichenden Abstand zum Grundstück des Antragstellers hält und das eine grundsätzlich in der Nachbarschaft zulässige Nutzung vorsieht, sich gegenüber der Nutzung auf dem gesamten Grundstück des Antragstellers (Wohngebäude und umfangreiche Garagennutzung) als eine das nachbarschaftliche Austauschverhältnis störende Nutzung darstellen sollte.
4. Auch im Hinblick auf die weiteren Tatbestandsmerkmale in § 34 Abs. 1 BauGB lassen sich keine Hinweise dafür finden, dass nachbarschützende Aspekte verletzt sein können. So fügt sich die Art der beabsichtigten Nutzung (Wohnanlage) ohne Weiteres in die in der Umgebung vorhandene Wohnbebauung ein, auch das Maß der beabsichtigten Nutzung fügt sich in die Umgebungsbebauung ein. Denn sowohl die überbaute Fläche hat auf den Nachbargrundstücken (Flst.-Nr. .../... des Antragstellers und Flst.-Nr. .../...) ein Vorbild und auch die geplante Bauhöhe von knapp 12 m dürfte den in der Umgebung vorhandenen Rahmen nicht sprengen, denn auch das Haus des Antragstellers ist viergeschossig mit Satteldach ausgebildet (zur Firsthöhe als maßgeblicher Größe vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.03.1999, 3 S 201/99, VBlBW 1999, 375). Im Übrigen würde eine Überschreitung des Maßes der Nutzung wiederum keine Verletzung nachbarschützender Rechte darstellen (vgl. Dürr, KommJur 2005, 201 [206 - zum Bebauungsplan]; Söfker, a.a.O.; Hofherr, Berliner Ktr. zum BauGB, 3. Aufl. 2005, § 34 Rn. 89). Denn Anhaltspunkte dafür, dass das Bauvorhaben auf das Wohngebäude des Antragstellers, welches rund 35 m entfernt liegt, eine erdrückende Wirkung hat (vgl. BVerwG, Urt. vom 13.03.1981 - 4 C 1.78, BauR 1981, 354; VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 25.02.1992 - 3 S 309/92 -, VBlBW 1992, 345), sind weder vorgetragen noch sonst irgendwie ersichtlich.
10 
5. Das Bauvorhaben verstößt auch nicht gegen nachbarschützende Normen des Bauordnungsrechts (vgl. hierzu Dürr, KommJur 2005, 201 [210 f.]). Es hält zum Grundstück des Antragstellers einen Abstand von ca. 5 m und damit mehr als die nach § 5 Abs. 7 S. 3, Abs. 8 LBO erforderliche Abstandstiefe ein. Denn das Bauvorhaben genießt das so genannte Schmalseitenprivileg nach § 5 Abs. 8 LBO, da die dem Grundstück des Antragstellers zugewandte Seite lediglich 12,98 m breit ist. Demzufolge ist eine Abstandsfläche von 0,4 m einzuhalten, bei dem 11,34 m hohen Gebäude mithin 4,54 m (soweit man zugunsten des Antragstellers auf die Firsthöhe von 11,97 m abstellen würde, ergäbe sich auch lediglich eine erforderliche Abstandsfläche einer Tiefe von 4,78 m). Anhaltspunkte dafür, dass die an der ...straße gelegene Tiefgaragenzufahrt nachbarschützende Belange des Klägers i.S.d. § 37 LBO beeinträchtigten, bestehen nicht.
11 
6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs.1, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und somit ein Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass der Antragsteller auch ihre außergerichtlichen Kosten trägt. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 9.7.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004. In Anbetracht dessen, dass es vorliegend um einstweiligen Rechtsschutz geht, hat die Kammer den Streitwert halbiert.

(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.

(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.

(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.

(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.

weitere Fundstellen einblendenweitere Fundstellen ...

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 4. September 2008 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung und begehrt darüber hinaus ein bauaufsichtliches Einschreiten.

2

Er ist Eigentümer des Grundstücks Flurstück-Nr. … in der Gemarkung H. (M.). Dieses hat er im Wege eines Zwangsversteigerungsverfahrens mit Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 4. Oktober 2007 erworben; die Beschlagnahme des Grundstücks war am 15. Januar 2007 erfolgt. Voreigentümer des Grundstücks waren die Eheleute L. zu jeweils 1/2. Der Beigeladene ist Eigentümer des unmittelbar angrenzenden Grundstücks mit der Flurstück-Nr. … (M.). Beide Grundstücke liegen im unbeplanten Innenbereich und sind mit Siedlungshäusern bebaut, die ebenso wie sämtliche Wohngebäude entlang des M. als Doppelhäuser grenzständig aneinander gebaut sind. Im rückwärtigen Bereich der benachbarten Grundstücke bestehen teilweise Erweiterungen der Siedlungshäuser, die ebenfalls grenzständig errichtet worden sind.

3

Am 27. Juni 2007 beantragte der Beigeladene im vereinfachten Genehmigungsverfahren den Umbau und die Erweiterung seines Wohngebäudes in einer Tiefe von 11,43 m entlang der Grenze zum klägerischen Anwesen in den rückwärtigen Grundstücksteil hinein; die Breite des Anbaus beträgt 6,01 m. Die Planung umfasst ferner eine Garage mit Geräteraum, die mit einer Länge von 12 Metern grenzständig zum Grundstück mit der Flurstück-Nr. … steht. Auf den Bauplänen hatte der vormalige Miteigentümer des Grundstücks Nr. … seine Zustimmung zu dem Bauvorhaben erklärt. Die Ehefrau als weitere Miteigentümerin hatte keine schriftliche Erklärung abgegeben.

4

Mit Bescheid vom 23. Juli 2007 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen die Baugenehmigung entsprechend dem Bauantrag.

5

Nach Zustellung des Zuschlagsbeschlusses an den Kläger am 15. Oktober 2007 legte er gegen die Baugenehmigung am 18. Oktober 2007 Widerspruch ein und begehrte im Hinblick auf die anstehenden Bauarbeiten zugleich den Erlass eines Baustopps. Zur Begründung führte der Kläger aus, aufgrund der Beschlagnahme des Grundstücks sei die von den Voreigentümern dem Beigeladenen erteilte Erlaubnis für eine Grenzbebauung als unwirksam anzusehen. Sie seien zum Zeitpunkt der Unterschrift nicht berechtigt gewesen, über das Grundstück zu verfügen, zumal sich die geplante Baumaßnahme in mehrfacher Hinsicht nachteilig auf die Nutzung seines Grundstücks und damit auf dessen Wert auswirke.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2008 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch des Klägers gegen die Baugenehmigung zurück. Das insoweit allein bauplanungsrechtlich zu würdigende Bauvorhaben verstoße nicht gegen § 34 Abs. 1 BauGB, da es sich in die nähere Umgebung einfüge. Die Geltendmachung eines Anspruchs auf bauaufsichtliches Einschreiten sei unbegründet. Auf den Schutz der Abstandsflächenvorschriften hätten die Rechtsvorgänger des Klägers aufgrund ihres Einverständnisses mit dem Vorhaben verzichtet. Unerheblich sei, dass sie seinerzeit aufgrund des Zwangsvollstreckungsbeschlusses zivilrechtlich über ihr Eigentum nicht mehr hätten verfügen können. Die zivilrechtlichen Folgen spielten im öffentlich-rechtlichen Bauordnungsrecht, das auf den im Grundbuch eingetragenen Eigentümer als Nachbarn abstelle, keine Rolle. Das Abwehrrecht lebe nicht dadurch wieder auf, dass der Kläger das Grundstück durch Zwangsversteigerung erworben habe.

7

Die am 21. Mai 2008 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 4. September 2008 ab. Die Klagebegehren seien unzulässig, weil die früheren Grundstückseigentümer als Nachbarn wirksam auf ihre öffentlich-rechtlichen Abwehrrechte verzichtet hätten. Der frühere Miteigentümer W. L. habe hierzu die zur Genehmigung gestellten Baueingabepläne unterschrieben. Die Unterschrift der Ehefrau als Miteigentümerin sei wegen des Vorliegens einer Duldungsvollmacht entbehrlich gewesen, denn die Ehefrau sei bei der Unterschriftsleistung durch ihren Ehemann anwesend und mit dieser einverstanden gewesen. Zu dem Verzicht seien die Eheleute trotz Beschlagnahme des Grundbesitzes in der Zwangsversteigerung auch noch berechtigt gewesen. Das in § 23 ZVG enthaltene Verfügungsverbot hindere nur die rechtsgeschäftliche Einwirkung auf Rechte am Grundstück, also etwa die Grundstücksübertragung, die Belastung mit einem Recht oder die inhaltliche Veränderung des Rechts; eine Verfügung in diesem Sinne stelle auch die Bestellung einer Baulast nach § 86 LBauO dar, die als öffentlich-rechtliche dingliche Last auf einem Grundstück ruhe. Demgegenüber liege in dem Verzicht auf ein materielles öffentlich-rechtliches Abwehrrecht keine Verfügung über das beschlagnahmte Grundstück. Zwar seien die damit verbundenen Wirkungen mit denen einer Baulast vergleichbar, weil sich der Nachbar in beiden Fällen der Möglichkeit begebe, mit Erfolg öffentlich-rechtlich gegen die Baugenehmigung vorzugehen. Die Baulastbestellung sei jedoch substanziell etwas anderes als der reine Nachbarrechtsverzicht, der keine rechtsgeschäftliche Verfügung über das Grundstück darstelle. Der Nachbar verzichte nicht auf ein Recht an seinem Grundstück, sondern begebe sich nur des Rechts aus seinem Grundstück, dem jedoch keinerlei dingliche Wirkung zukomme. Weil die Abwehransprüche, auf die verzichtet worden sei, grundstücksbezogen seien, trete der Rechtsnachfolger in eine geschmälerte Rechtsposition ein.

8

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend, die Baugenehmigung sei rechtswidrig, weil das Vorhaben gegen die drittschützende Vorschrift in § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO über Doppelhäuser verstoße; mit der genehmigten Bebauung werde die Doppelhauseigenschaft beseitigt. Es liege auch kein Verzicht der Eheleute L. auf ihre Abwehrrechte vor. Sie seien über den Umfang des Vorhabens und die Bedeutung der Unterschriftsleistung des Ehemannes in Unkenntnis gewesen. Ein Verzicht der Ehefrau könne auch nicht über eine Duldungsvollmacht angenommen werden, weil er gegenüber dem Beklagten hätte erklärt werden müssen. Dessen ungeachtet sei der Verzicht auch nach § 23 ZVG unwirksam, weil dieser mit der Baulasterteilung in seinen Wirkungen vergleichbar sei; unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens, der auf die Verhinderung wesentlicher, das Grundstück entwertende Handlungen nach Grundstücksbeschlagnahme gerichtet gewesen sei, dürfe nicht von einem engen Verfügungsbegriff ausgegangen werden.

9

Der Kläger beantragt,

10

die Baugenehmigung vom 23. Juli 2007 sowie den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 21. April 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, gegen den Beigeladenen bauaufsichtlich einzuschreiten.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er verweist zur Begründung auf das angegriffene Urteil.

14

Der Beigeladene tritt der Sache ebenfalls entgegen.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakte des Zwangsversteigerungsverfahrens des Amtsgerichts Neustadt an der Weinstraße K 3/07 verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 23. Juli 2007 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 21. April 2008 gerichtete Anfechtungsklage ist jedenfalls unbegründet (I.). Entsprechendes gilt für die Klage, mit der die Verpflichtung des Beklagten auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen das Bauvorhaben begehrt wird (II.).

I.

17

Die Anfechtungsklage gegen die im vereinfachten Verfahren erteilte Baugenehmigung (vgl. § 66 LBauO) ist unbegründet, weil sie keine den Kläger schützende Vorschrift des Bauplanungsrechts oder des sonstigen öffentlichen Rechts verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Deshalb kann offen bleiben, ob – wie das Verwaltungsgericht angenommen hat – die Klage bereits wegen wirksamen Verzichts auf nachbarliche Abwehrrechte durch die Rechtsvorgänger des Klägers (unzulässig und deshalb) ohne Erfolg ist.

18

Es ist in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte anerkannt, dass sich der bauplanungsrechtliche Nachbarrechtsschutz bei Bauvorhaben im unbeplanten Innenbereich, der auch hier für den Bereich beidseitig des M. anzunehmen ist, nach § 34 Abs. 1 BauGB auf die Beachtung des im Begriff des Einfügens enthaltenen Rücksichtnahmegebots beschränkt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.10.1995, BauR 1996, 155 und juris, Rn. 4; Beschluss vom 11.1.1999, NVwZ 1999, 879 und juris, Rn. 3); auf die Doppelhausregelung in § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO kann sich der Kläger nicht berufen, weil diese nur im Rahmen einer (hier nicht gegebenen) Bebauungsplanfestsetzung als nachbarschützend angesehen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.2.2000, BVerwGE 110, 355 und juris, Rn. 27). Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Einfügen bedeutet, dass sich das Vorhaben hinsichtlich der vier genannten Merkmale innerhalb des vorhandenen bauplanungsrechtlichen Rahmens hält und sich nicht im Einzelfall als rücksichtslos gegenüber der Nachbarschaft erweist. Lediglich hinsichtlich des Merkmals der Art der Nutzung kann sich der Nachbar in den Fällen des § 34 Abs. 2 BauGB zusätzlich auf den Gebietsgewährleistungsanspruch berufen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.9.1993, BVerwGE 94, 151 und juris, Rn. 13).

19

Das dem Beigeladenen genehmigte Wohnbauvorhaben erweist sich nicht als rücksichtlos. Es erfüllt die objektiv-rechtlichen Anforderungen an das Einfügen im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB. Dies gilt unter Berücksichtigung der Eigenart der näheren Umgebung entlang des M. offensichtlich hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung (§§ 1 ff. BauNVO), denn das Wohnvorhaben des Beigeladenen passt sich in die benachbarte Wohnbebauung ein (weshalb auch ein möglicher Gebietsgewährleistungsanspruch ausscheidet). Dies ist aber ebenfalls ohne weiteres mit Blick auf das in der Umgebung vorhandene Maß der baulichen Nutzung (§§ 16 ff. BauNVO) und die Grundstücksfläche, die von dem genehmigten Vorhaben überbaut werden soll (§ 23 BauNVO), gegeben. Das Vorhaben des Beigeladenen bewegt sich hinsichtlich seines Bauvolumens und seiner Anordnung auf dem Grundstück im Rahmen dessen, was die an dem M. vorhandene Bebauung – auch mit ihren rückwärtigen, an die Vorderhäuser angebauten Baukörpern – vorgibt und überschreitet diesen nicht (vgl. die Flurkarten Bl. 16 der Verwaltungsakte und S. 46 des Verkehrswertgutachtens im Zwangsversteigerungsverfahren vor dem Amtsgericht, ferner die Luftaufnahme Bl. 57 der Gerichtsakte). Darüber hinaus fügt sich die genehmigte grenzständige Erweiterung des Vorderhauses – entgegen der Auffassung des Klägers – auch hinsichtlich der Bauweise (§ 22 BauNVO) in die vorhandene Umgebung ein. Entlang des M. befinden sich ausschließlich Doppelhäuser (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO). Soweit diese – auf nicht wenigen Grundstücken und sogar in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Doppelhaus des Klägers und des Beigeladenen (z.B. Flurstück-Nr. …, …, …, …, M. Nr. … und …) – eine Erweiterung erfahren haben, ist diese in allen Fällen ausschließlich entlang der gemeinsamen Grenze des jeweiligen Doppelhauses erfolgt. Daraus lässt sich für den Bereich des M. ein Bebauungsprinzip herleiten, nach dem die Erweiterung der Doppelhäuser in den hinteren Grundstücksbereich hinein jeweils an der gemeinsamen Grenze des Doppelhauses vorzunehmen ist. Diesem Grundsatz folgt das genehmigte Vorhaben, das – weil es hinsichtlich Bauvolumen und Ausdehnung nicht über die mittlerweile entstandene rückwärtige Bebauung der Umgebung hinausgeht – auch nicht den Charakter des vorhandenen Doppelhauses des Klägers und Beigeladenen zur Auflösung bringt.

20

Der sich in der Umgebung so darstellende Rahmen ist nicht deshalb in Zweifel zu ziehen, weil in dem Gebiet eine davon abweichende Bebauung besteht, hier der hintere Anbau auf dem Grundstück Nr. …, der an beiden Seiten auf der Grenze errichtet worden ist. Denn er folgt dem Bebauungsprinzip der Errichtung ohne seitlichen Grenzabstand zu der ihm benachbarten Doppelhaushälfte ohne weiteres, und ist nur insoweit ein – für die Betrachtung nach § 34 Abs. 1 BauGB indes unbeachtlicher – „Ausreißer“, als er auch auf der gegenüberliegenden Grundstücksseite (zum Anwesen des Klägers hin) auf die Einhaltung eines Abstands verzichtet.

21

Fügt sich das Vorhaben in die Umgebungsbebauung ein, bedarf es besonderer Gründe, die es gleichwohl als rücksichtslos erscheinen lassen. Solche bestehen hier nicht, auch nicht soweit das klägerische Grundstück beidseitig von grenzständiger Nachbarbebauung betroffen ist. Hieraus ergeben sich keine für das im hinteren Bereich offene, langgestreckte Grundstück des Klägers unzumutbaren Beeinträchtigungen, wie auch die von ihm im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 15. Januar 2009 vorgelegten Fotographien zeigen. Wie bereits ausgeführt, entspricht jedenfalls die Grenzbebauung auf dem Grundstück des Beigeladenen den bauplanungsrechtlichen Anforderungen des § 34 BauGB.

II.

22

Ausgehend von diesen Erwägungen ist auch die Verpflichtungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen das Vorhaben des Beigeladenen nach § 81 Satz 1 LBauO unbegründet, so dass auch in diesem Zusammenhang die Frage eines Verzichts auf nachbarliche Abwehrrechte der Rechtsvorgänger des Klägers keiner Erörterung bedarf. Ein Anspruch auf Einschreiten kommt nur insoweit in Betracht, als es um die Vereinbarkeit mit (nachbarschützenden) bauordnungsrechtlichen Vorschriften geht, die nicht Gegenstand der Prüfung im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gewesen sind (vgl. § 66 Abs. 3 Satz 1 LBauO). Verstöße gegen drittschützendes Bauordnungsrechts durch das Wohnbauvorhaben des Beklagten sind jedoch nicht erkennbar, es liegt insbesondere auch keine Verletzung der Abstandsflächenvorschriften des § 8 LBauO vor.

23

Die Einhaltung einer Abstandsfläche für die grenzständige Erweiterung der Doppelhaushälfte zum Anwesen des Klägers hin ist nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBauO entbehrlich. Nach dieser Vorschrift sind innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen Abstandsflächen vor Außenwänden nicht erforderlich, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften das Gebäude ohne Grenzabstand gebaut werden muss. Nach Planungsrecht muss (abgesehen von dem in § 22 Abs. 3 BauNVO angeführten, hier nicht gegebenen Ausnahmefall) an die seitliche Grundstücksgrenze gebaut werden, wenn Doppelhäuser zwingend durch Bebauungsplan vorgeschrieben sind oder in der näheren Umgebung ein Ordnungsprinzip herrscht, das eine rückwärtige Erweiterung vorhandener Doppelhäuser nur an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zulässt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.2.2009, nur juris, Rn. 34; OVG RP, Urteil vom 22.8.2002, BauR 2002, 1838 und juris, Rn. 23, 26 f. zur sog. Haus-Hof-Bauweise; BayVGH, BRS 59 Nr. 113; Simon, BayBauO, Art. 6 Rn. 42). Ein solches einheitliches städtebauliches Ordnungsprinzip ist hier der näheren Umgebung zu entnehmen. Denn entlang des M. befinden sich ausschließlich Doppelhäuser, die diese Häuserform auch beibehalten haben, soweit sie in den hinteren Grundstücksbereich hinein erweitert worden sind. Denn auch dort sind sie entlang der bereits durch die Vorderhäuser vorgegebenen gemeinsamen seitlichen Grundstücksgrenze verwirklicht worden.

24

Die Annahme einer zwingenden bauplanungsrechtlichen Grenzbebauung entfällt vorliegend auch nicht deshalb, weil bisher allein der Beigeladene eine Grenzbebauung im hinteren Grundstücksbereich des Doppelhauses verwirklicht hat, während das klägerische Anwesen insoweit (derzeit) eine solche nicht aufweist. Denn im Fall des zwingenden Anbaus an die Grenze nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO entfällt die Abstandsfläche auch dann, wenn zunächst nur eine Einheit des Gesamtbaukörpers errichtet werden soll (vgl. BayVGH, BRS 59 Nr. 114; Simon, a.a.O.). Die bauplanungsrechtliche Vorgabe der zwingenden Grenzbebauung in dem Gebiet auch für die hinteren Grundstücksbereiche erlaubt eine isolierte bzw. sukzessive Errichtung der grenzständigen Bebauung, ohne dass es dazu einer Einwilligung des Grundstücksnachbarn bedarf.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.

26

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

27

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

28

Beschluss

29

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 7.500,-- € festgesetzt (§§ 47, 52 GKG).

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.01.2009 - 5 K 2450/08 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.01.2009 ist fristgerecht erhoben und begründet; sie genügt auch inhaltlich den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung im Beschwerdeverfahren grundsätzlich zu beschränken hat (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), hat es das Verwaltungsgericht zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die der Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 23.07.2008 zum Anbau einer 11,08 m hohen, 3,16 m tiefen und 3,98 m breiten Balkonanlage an der Gartenseite ihrer im unbeplanten Innenbereich gelegenen Doppelhaushälfte anzuordnen.
Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das private Interesse der Beigeladenen an der Ausnutzung der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Baugenehmigung (vgl. § 212a Abs. 1 BauGB) das gegenläufige private Interesse der Antragsteller überwiegt, vorläufig vom Vollzug der Baugenehmigung verschont zu bleiben. Denn nach derzeitigem Erkenntnisstand und nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird der Widerspruch der Antragsteller voraussichtlich keinen Erfolg haben, weil - worauf es allein ankommt - die von ihnen angegriffene Baugenehmigung nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die zumindest auch dem Schutz der Antragsteller zu dienen bestimmt sind.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Verwirklichung des Vorhabens verletze nicht zu Lasten der Antragsteller das in § 34 Abs. 1 BauGB im Begriff des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme. Die Balkone entfalteten weder eine erdrückende Wirkung, noch würden Belichtung, Belüftung und Besonnung ihres Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt. Die Schaffung von Einsichtsmöglichkeiten sei Folge der funktionsgerechten Ausgestaltung eines als solches planungsrechtlich zulässigen Wohnbauvorhabens und namentlich in städtischen Baugebieten grundsätzlich hinzunehmen. Ein Ausnahmefall liege insoweit nicht vor. Nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts seien ebenfalls nicht verletzt. Das Vorhaben dürfe nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO an der Grenze errichtet werden. Dass das Vorhaben mit einem Abstand von 0,665 m im Erdgeschoss bzw. 2,35 m im 1. und 2. Obergeschoss errichtet werden solle, stehe der Anwendung der Vorschrift nicht entgegen.
Dagegen wenden die Antragsteller ein, das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme sei zu ihren Lasten verletzt, weil unzumutbare Einsichtsmöglichkeiten in ihre Räumlichkeiten geschaffen würden und die Balkonanlage aufgrund ihrer Größe und der Nähe zu ihrem Wohngebäude erdrückende Wirkung entfalte. Die Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO sei ausgeschlossen, weil der Umgebung keine eindeutige planungsrechtliche Vorgabe für eine Grenzbebauung zu entnehmen sei und die Vorschrift nur eine grenzständige Errichtung eines Vorhabens oder eine Errichtung unter Einhaltung der vollen Tiefe der Abstandsflächen zulasse. Das Vorhaben könne auch nicht nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zugelassen werden, weil nach ständiger Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg jede Unterschreitung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächen eine erhebliche Beeinträchtigung des Nachbarn darstelle. Die in der Baugenehmigung erteilte Befreiung nach § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 LBO sei rechtswidrig, denn es fehle die erforderliche grundstücksbezogene Härte. Sie seien auch in ihren Rechten verletzt, weil durch die Balkone Einsichtsmöglichkeiten in ihre sensiblen Lebensbereiche eröffnet würden.
Dieser Vortrag vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Den Antragstellern steht weder ein bauplanungsrechtliches noch ein bauordnungsrechtliches Abwehrrecht gegen das geplante Vorhaben zu.
1. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme nicht zu Lasten der Antragsteller verletzt ist. Nach Aktenlage ist das Verwaltungsgericht zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass sich das Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung vorhandenen Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB einfügt. Insbesondere hält es sich im Rahmen der in der Umgebung vorhandenen offenen Bauweise nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO, bei der die Gebäude als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen mit seitlichem Grenzabstand errichtet werden. Bei den Gebäuden der Antragsteller und der Beigeladenen handelt es sich um ein Doppelhaus im Sinne dieser Vorschrift. Daran wird auch der geplante Anbau nichts ändern. Ein Doppelhaus ist dadurch gekennzeichnet, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken zu einer Einheit derart zusammengefügt werden, dass sie einen Gesamtbaukörper bilden. Eine solche Einheit kann jedoch nur entstehen, wenn die beiden Gebäude in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut werden. Insoweit enthält das Erfordernis der baulichen Einheit nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives Element. Nicht erforderlich ist jedoch, dass die beiden Haushälften vollständig deckungsgleich aneinandergebaut sind. Sie können auch zueinander versetzt oder gestaffelt an der Grenze errichtet werden (vgl. zu all dem BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 -, NVwZ 2000, 1055, 1056). Darüber hinaus erfordert ein Doppelhaus nicht, dass sämtliche parallel zur gemeinsamen Grundstücksgrenze verlaufenden Gebäudeaußenwände an der dem Doppelhausnachbarn zugewandten Seite eines Hauses an der Grenze errichtet werden. Namentlich verliert eine bauliche Anlage nicht den Charakter eines Doppelhauses, wenn Gebäudeteile mit einem Rücksprung zur gemeinsamen Grundstücksgrenze errichtet werden, solange die beiden Gebäude noch im Sinne der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu einem wesentlichen Teil aneinandergebaut sind.
Die Errichtung der Balkonanlage mit einem Abstand zur Grenze der Antragsteller zerstört somit nicht von vornherein die Doppelhauseigenschaft der beiden Gebäude. Die Balkonanlage verstößt aber auch nicht gegen das Erfordernis der verträglichen und abgestimmten Errichtung der beiden Haushälften, denn sie beeinträchtigt die Antragsteller nicht unzumutbar. Durch die vorgesehenen Balkone werden insbesondere keine Einsichtsmöglichkeiten geschaffen, die die Antragsteller nicht mehr hinzunehmen hätten (vgl. dazu Bayer. VGH, Beschluss vom 10.11.2000 - 26 Cs 99.2102 -, BauR 2001, 372). Denn die erhöhte Nutzbarkeit der Grundstücke der Antragsteller und der Beigeladenen wurde durch den Verzicht auf seitliche Grenzabstände und damit auf Freiflächen, die dem Wohnfrieden dienen „erkauft“ (BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 -, NVwZ 2000, 1055, 1056). Dieser Verzicht umfasst auch den seitlichen Grenzabstand von Balkonen an der rückwärtigen Gebäudewand, von denen naturgemäß von der Seite in die Räume des Nachbarn eingesehen werden kann. Da im vorliegenden Fall die Balkonanlage nicht direkt an der Grenze sondern mit Grenzabstand errichtet werden soll, verringern sich die Einsichtsmöglichkeiten, so dass erst recht nicht von einer unzumutbaren Beeinträchtigung auszugehen ist. Die von den Antragstellern zum Beleg ihrer gegenteiligen Auffassung zitierten Entscheidungen des OVG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 22.08.2005 - 10 A 3611/03 -, BauR 2006, 342) und des Thüringer OVG (Urteil vom 26.02.2002 - 1 KO 305/99 -, BRS 65 Nr. 130) gebieten keine andere Beurteilung, denn der diesen Entscheidungen zugrundeliegende Sachverhalt stimmt mit dem vorliegenden nicht überein. Im Fall des OVG Nordrhein-Westfalen überschritt der geplante Balkon die im Bebauungsplan festgesetzte Baugrenze, im Fall des Thüringer OVG fügte sich die vorgesehene Dachterrasse nach der überbauten Grundstücksfläche ebenfalls bereits objektiv-rechtlich nicht in die nähere Umgebung ein. Dies trifft hier nicht zu. Vielmehr reicht die Bebauung der Grundstücke ... ... und ... deutlich tiefer in das jeweilige Grundstück hinein, als es bei der hier vorgesehenen Bebauung der Fall sein wird. Das Bauvorhaben hält sich somit auch hinsichtlich der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, innerhalb des in der näheren Umgebung vorhandenen Rahmens. Unerheblich ist, ob die übrigen Häuser mit rückwärtigen Balkonen versehen sind. Denn das Vorhandensein von Balkonen lässt sich keinem der nach § 34 Abs. 1 BauGB relevanten Kriterien des Einfügens zuordnen. Balkone sind vielmehr Teil des Gebäudes, das sich in seiner Gesamtheit nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen muss. Dies ist hier der Fall, so dass eine Verletzung des in § 34 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebots ausgeschlossen ist. Denn das Rücksichtnahmegebot ist keine allgemeine Härteklausel, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts oder gar des gesamten öffentlichen Baurechts steht (BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128/98 -, NVwZ 1999, 879, 880).
2. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis auch zu Recht entschieden, dass zu Lasten der Antragsteller wohl keine nachbarschützenden bauordnungsrechtlichen Vorschriften verletzt sind. Das Vorhaben dürfte nach Aktenlage nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zuzulassen sein. Dafür sind folgende Überlegungen maßgebend:
10 
a) Die geplante Balkonanlage könnte nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO direkt an der Grenze errichtet werden, denn nach planungsrechtlichen Vorschriften darf an die Grenze gebaut werden und es ist öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird. Nach Aktenlage wurden zwar nur die Gebäude der Antragsteller und der Beigeladenen als Doppelhaus - und damit grenzständig - errichtet, während die übrigen Häuser in der näheren Umgebung seitlichen Grenzabstand zueinander aufweisen. Die beiden bereits vor mehr als hundert Jahren errichteten Gebäude prägen jedoch die nähere Umgebung mit. Die Errichtung von Gebäuden mit Grenzabstand ist demnach planungsrechtlich ebenso wenig zwingend wie eine Grenzbebauung; vielmehr ist beides möglich. Würde die Balkonanlage grenzständig errichtet, hielte sie sich somit im vorhandenen Rahmen der Bebauung und wäre bauplanungsrechtlich zulässig. Darüber hinaus wäre öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird. Nach der Rechtsprechung des beschließenden Gerichtshofs ist diese Voraussetzung auch ohne Übernahme einer Baulast erfüllt, wenn das Nachbargrundstück - wie hier - bereits an der Grenze bebaut ist. Unerheblich ist insoweit, dass die Häuser der Antragsteller und der Beigeladenen nach dem Anbau nicht mehr deckungsgleich wären (vgl. VGH Baden-Württ., Beschluss vom 12.02.2007 - 5 S 2826/06 -, VBlBW 2007, 383, 385).
11 
Ohne Erfolg berufen sich die Antragsteller zum Beleg ihrer gegenteiligen Ansicht auf das Urteil des 5. Senats des erkennenden Gerichtshofs vom 10.10.2002 (- 5 S 1655/01 -, BauR 2003, 1201). Denn der dort entschiedene Fall ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Nach Auffassung des 5. Senats durfte der in jenem Verfahren geplante Dachbalkon nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO an der Grenze errichtet werden, weil die besonderen Regelungen über die Deckungsgleichheit von Gruppenbauten der dort anzuwendenden Bauordnung für die Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe aus dem Jahr 1898 dies nicht zuließen. Vergleichbare Regelungen enthält die zum Zeitpunkt der Errichtung der Gebäude der Antragsteller und der Beigeladenen geltende Bauordnung der Antragsgegnerin aus dem Jahr 1889 jedoch nicht.
12 
b) Hätten aber die Antragsteller nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO selbst die Errichtung einer Balkonanlage an der Grenze hinzunehmen, können sie nicht aus Gründen des Nachbarschutzes verlangen, dass die Balkonanlage unter Einhaltung des vollen nachbarschützenden Teils der Abstandstiefen errichtet wird. Denn der vorgesehene Grenzabstand vermindert die Beeinträchtigungen der Antragsteller im Hinblick auf Belichtung, Belüftung und Besonnung gegenüber einer Grenzbebauung und auch die Einsichtsmöglichkeiten - so sie überhaupt als Schutzgut der Abstandsflächenvorschriften zu betrachten sind (vgl. dazu einerseits Beschlüsse des Senats vom 08.11.2007 - 3 S 1923/07 -, VBlVW 2008, 147, 149 und vom 26.11.1993 - 3 S 2606/93 -, juris und andererseits Beschluss des 8. Senats vom 03.03.2008 - 8 S 2165/07 -, VBlBW 2008, 345, 346 m.w.N. der Rspr.) - werden verringert. Der vorgesehene Standort schafft zudem keinen Zustand, der die Antragsteller in der baulichen Ausnutzung ihres eigenen Grundstücks behindern würde.
13 
Allerdings folgt dies nicht bereits aus § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO, denn nach dieser Vorschrift dürfen bauliche Anlagen grundsätzlich nur entweder grenzständig oder unter Einhaltung des vollen nach § 5 Abs. 7 LBO erforderlichen Grenzabstandes errichtet werden (vgl. aber zur Zulässigkeit einer Bebauung mit einem Grenzabstand von 0,50 m nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO - allerdings ohne nähere Begründung - VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.02.2007 - 5 S 2826/06 -, a.a.O.). Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor den Außenwänden an den Grundstücksgrenzen, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften das Gebäudean die Grenze gebaut werden darf und öffentlich rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird. Bereits nach dem Wortsinn kann ein Gebäude nur dann „an der Grenze“ errichtet sein, wenn es direkt an der Grenze, ohne jeglichen Abstand zu dieser steht. Ein Gebäude mit geringem Grenzabstand steht nicht mehr „an“ der Grenze, sondern allenfalls „nahe“ der Grenze. Der Begriff „an der Grenze“ ist jedoch auch zu unterscheiden von dem Begriff „auf der Grenze“. Denn ein Bau auf der Grenze überbaut diese. Da die Grenze lediglich eine Linie und keine Fläche darstellt, kann „auf“ ihr nur einmal gebaut werden. Abgesehen davon, dass ein Bauherr zu einem solchen Grenzüberbau nicht ohne weiters berechtigt ist, kann die in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO beschriebene Situation bei einem Bau „auf“ der Grenze nicht eintreten, da die bereits überbaute Grenze kein weiteres Mal durch den Nachbarn überbaut werden kann.
14 
Das vom Verwaltungsgericht zum Beleg seiner im Ergebnis gegenteiligen Ansicht zitierte Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13.05.2002 (- 3 S 2259/01 -, BauR 2003, 1860) steht dieser Auslegung nicht entgegen, denn es betraf eine andere Fallkonstellation. Aufgrund der dort in der näheren Umgebung vorherrschenden abweichenden Bauweise mit Traufgassen musste wegen des insofern geltenden Vorrangs der bauplanungsrechtlichen Bestimmungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2Nr. 1 LBO mit verringertem Grenzabstand gebaut werden. Ließe man aber auch in den Fällen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO die Errichtung von baulichen Anlagen mit verringertem Grenzabstand zu, fehlte den Baurechtsbehörden ein Steuerungselement, um beispielsweise die Entstehung sogenannter Schmutzwinkel zu verhindern, weil der Bauherr sein Gebäude auch mit sehr geringem Abstand zu einem bereits vorhandenen grenzständigen Gebäuden errichten dürfte. Denn der Tatbestand der Vorschrift enthält kein Merkmal, der es den Baurechtsbehörden erlaubte, bestimmte Grenzabstände zu fordern. Die Entscheidung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO steht auch nicht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, sondern ist zwingendes Recht; eine Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen findet daher nicht statt. Schließlich lässt sich auch aus dem Zweck der Vorschrift eine in diesem Sinne einschränkende Auslegung nicht herleiten. Denn die Vorschrift verfolgt keine spezifisch bauordnungsrechtlichen Ziele, wie z.B. die Verhinderung von „Schmutzwinkeln“, sondern dient dazu, den Vorrang des Bauplanungsrechts vor dem Bauordnungsrecht zu sichern (vgl. Sauter, LBO, § 5 Rn. 35).
15 
bb) Die geplante Balkonanlage ist aber nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO zulässig. Nach dieser Vorschrift sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und soweit die Tiefe der Abstandsflächen die Maße des § 5 Abs. 7 LBO unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Gerichtshofs (vgl. z.B. Beschluss vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 -, VBlBW 2008, 190, 191 f.) stellt allerdings eine Abstandsflächentiefe, die - wie hier - den nachbarschützenden Teil unterschreitet, regelmäßig eine erhebliche, vom betroffenen Nachbarn nicht hinzunehmende Beeinträchtigung dar, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder nur geringfügig ist. Nachbarliche Belange sind mithin nur dann nicht „erheblich“ beeinträchtigt, wenn auf dem Nachbargrundstück besondere Umstände vorliegen, die eine vom Regelfall abweichende Beurteilung rechtfertigen, weil die vorhandene Situation durch bestimmte Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbar an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsfläche deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.1996 - 3 S 2205/94 -, VBlBW 1997, 266, 267 und vom 15.09.1999 - 3 S 1437/99 -, juris sowie Beschluss vom 08.10.1996 - 8 S 2566/96 -, BauR 1997, 92, 95; kritisch hierzu Sauter, LBO § 6 Rn. 48b). Solche Besonderheiten können sich (und werden sich zumeist) aus den tatsächlichen Verhältnissen auf dem Nachbargrundstück ergeben. Hierzu können nach der Rechtsprechung des beschließenden Gerichtshofs etwa unterschiedliche Höhenlagen oder sonstige signifikanten topografischen Unterschiede gehören. Ferner kann ein ungewöhnlicher Zuschnitt des Nachbargrundstücks oder die Tatsache ausschlaggebend sein, dass die vorhandene oder die planungsrechtlich zulässige Bebauung auf dem Nachbargrundstück durch das in Rede stehende grenznahe Vorhaben nur unerheblich tangiert wird (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Sauter, LBO, Rn. 48c zu § 6 LBO). Neben diesen besonderen tatsächlichen Gegebenheiten können aber auch rechtliche Besonderheiten vorliegen, welche die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Nachbarn in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht deutlich mindern und deshalb eine „erhebliche“ Beeinträchtigung nachbarlicher Interessen im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO ausschließen (vgl. zum Fall der Verwirkung des materiellen Abwehrrechts gegen den Standort eines Gebäudes Senatsbeschluss vom 18.12.2007 - 3 S 2107/07 -, a.a.O.).
16 
Eine solche rechtliche Sondersituation kann auch vorliegen, wenn das Baugrundstück und das Nachbargrundstück - wie hier - mit einem Doppelhaus bebaut sind. Bei dieser Art der Bebauung verzichten die Bauherrn zugunsten der erhöhten Nutzbarkeit ihrer Grundstücke grundsätzlich auf seitliche Grenzabstände und damit auf Freiflächen, die dem Wohnfrieden dienen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 -, a.a.O.). Dieser Verzicht mindert auch das Maß ihrer Schutzbedürftigkeit im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO. Der Umfang des bauordnungsrechtlichen nachbarlichen Schutzanspruchs kann insoweit nicht anders zu beurteilen sein, als der des bauplanungsrechtlichen, zumal das Bauplanungsrecht dem Bauordnungsrecht vorgeht, soweit es - wie hier - Grenzbebauung ohne Abstandsflächen zulässt. Denn in beiderlei Hinsicht geht es um die Frage, wie viel Abstand ein Nachbar zum Schutz seiner nachbarlichen Belange verlangen kann bzw. wie viel Nähe er hinzunehmen hat. Allerdings wären wohl auch bei einer Doppelhausbebauung nachbarliche Interessen jedenfalls dann erheblich beeinträchtigt, wenn durch ein grenznahes Vorhaben die Bebaubarkeit des Nachbargrundstücks beeinträchtigt würde. Grundsätzlich bleibt zwar dem Nachbarn trotz eines solchen Vorhabens die Möglichkeit erhalten, auf dem eigenen Grundstück einen grenzständigen Anbau zu errichten. Die damit möglicherweise einhergehende Verschattung der zuvor mit geringem Grenzabstand errichteten baulichen Anlage hätte jener Bauherr dann hinzunehmen. Anders stellte sich die Situation jedoch wohl dar, wenn ein Anbau mit sehr geringem Grenzabstand errichtet würde, der es dem Nachbarn verwehrte, am eigenen Haus einen grenzständigen Anbau zu errichten, weil sonst z.B. ein „Schmutzwinkel“ entstünde. Diese Konstellation liegt hier allerdings nicht vor. Denn der vorgesehene Abstand der Balkonanlage zur gemeinsamen Grundstücksgrenze (65 cm für den 1 m tiefen Austritt im Erdgeschoss, 2,35 m für die Balkonanlage in den Obergeschossen) lässt bauordnungsrechtlich weiterhin die Errichtung eines grenzständigen Anbaus an das Gebäude der Antragsteller zu.
17 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO.
18 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
19 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

Tenor

Auf die Beschwerden der Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 2. November 2006 - 4 K 2321/06 - geändert.

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Senat kann über die Beschwerden der Beigeladenen entscheiden, obwohl die Prozessbevollmächtigten der Antragsteller angekündigt haben, zum Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen vom 25.01.2007 nochmals Stellung zu nehmen. Denn das darin enthaltene wiederholende und ergänzende Vorbringen der Beigeladenen ist für die Entscheidung nicht erheblich.
Die Beschwerden der Beigeladenen sind zulässig und begründet. Aus den dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die den Beigeladenen unter dem 11.07.2006 erteilte Baugenehmigung des Landratsamts Karlsruhe zu Unrecht gemäß § 80a Abs. 3 und § 80 Abs. 5 VwGO angeordnet hat. Denn nach Lage der Akten ist nicht zu erwarten, dass die Widersprüche und sich ggf. anschließende Klagen der Antragsteller Erfolg haben werden. Die Baugenehmigung für die Errichtung eines an die Grenze mit dem Grundstück Flst.Nr. ...6 der Antragsteller gebauten Mehrfamilienhauses mit Laden an der Bahnhofstraße (Vorderhaus), zweier dahinter anschließender „Doppelparker“ und eines im rückwärtigen Bereich an die Grenze mit dem Grundstück Flst.Nr. ...7 der Antragsteller gebauten Einfamilienhauses (Rückgebäude) verstößt voraussichtlich nicht zu Lasten der Antragsteller gegen nachbarschützende Vorschriften.
Das Verwaltungsgericht hat eine Verletzung von Vorschriften, die (zumindest auch) Rechte der Antragsteller schützen, aus zwei Erwägungen für hinreichend wahrscheinlich gehalten. Es hat ausgeführt, die Baugenehmigung sei schon deshalb rechtswidrig, weil die Bauvorlagen unvollständig seien. Es fehlten Ansichten des Vorhabens (des Vorderhauses und des Rückgebäudes) aus Richtung Osten, auf denen auch der jeweilige Anschluss an die auf den Grundstücken der Antragsteller stehenden Gebäude eingezeichnet sei. Die Regelungen über die Anforderungen an Bauvorlagen seien ausnahmsweise nachbarschützend, wenn wegen der Unvollständigkeit der Bauvorlagen eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften nicht geprüft oder nicht zuverlässig ausgeschlossen werden könne. Dies sei hier der Fall. Es lasse sich nämlich nicht zuverlässig ausschließen, dass das Vorhaben der Beigeladenen gegenüber dem Grundstück der Antragsteller erdrückende Wirkung habe und damit gegen das von § 34 Abs. 1 BauGB umfasste Gebot der Rücksichtnahme verstoße und zudem wegen eines teilweisen Rücksprungs der Grenzbebauung der Antragsteller um etwa 0,5 m (beim Werkstattgebäude) zu einem bauordnungsrechtlich unzulässigen „Schmutzwinkel“ auf ihrem Grundstück führe. Ferner sei fraglich, ob nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften über das Freihalten von Abstandsflächen eine Grenzbebauung überhaupt zulässig sei. Der Senat teilt diese rechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichts letztlich nicht.
Hinsichtlich der ersten Erwägung ist das Verwaltungsgericht im Ausgangspunkt der Rechtsprechung des 3. Senats des erkennenden Gerichtshofs gefolgt, wonach die Regelungen über die Anforderungen an Bauvorlagen gemäß § 52 LBO und der Verordnung der Landesregierung und des Innenministeriums über das baurechtliche Verfahren (LBOVVO) zwar grundsätzlich keine nachbarschützende Wirkung entfalteten, dies aber dann nicht gelte, wenn wegen der Unvollständigkeit der Bauvorlagen eine Verletzung von nachbarschützenden Vorschriften durch die erteilte Baugenehmigung nicht geprüft oder nicht zuverlässig ausgeschlossen werden könne (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.08.2005 - 3 S 1216/05 - VBlBW 2005, 480 unter Hinweis auf OVG Berlin, Urt. v. 17.10.2003 - 2 B 8.01 - BauR 2004, 987; vgl. auch Sauter, LBO, 3. Aufl., § 52 Rdnr. 20). Demgegenüber hat der Senat in seiner zur (früheren) Bauvorlagenverordnung ergangenen Rechtsprechung betont, dass ein Verstoß gegen die in ihr geregelten Anforderungen nur dann zum Erfolg einer Nachbarklage führen könne, wenn aufgrund dessen die Baugenehmigung, etwa wegen fehlender Bestimmtheit, auch materiell rechtswidrig werde und insofern Rechte des Nachbarn verletze (Senatsbeschl. v. 21.06.1993 - 5 S 874/93 - BRS 55 Nr. 162). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest (vgl. auch Senatsbeschl. v. 04.11.2004 - 5 S 1573/04 - S. 6). Sie stimmt letztlich auch mit der erwähnten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin überein. Denn auch diese hebt allein auf mögliche Verstöße einer Baugenehmigung gegen materiellrechtliche Vorschriften ab. Dementsprechend lässt sie es genügen, dass die Baurechtsbehörde in den Bauvorlagen fehlende Angaben selbst ermittelt und vervollständigt (ohne dass insoweit die Bauvorlagen vom Bauherrn förmlich ergänzt würden). Eine daraufhin erteilte Baugenehmigung soll danach von einem Nachbarn nur dann mit Erfolg angegriffen werden können, wenn entweder wegen nach wie vor gegebener Ungenauigkeiten  oder Widersprüchlichkeit der ihr zu Grunde gelegten Darstellungen und Berechnungsgrößen eine Verletzung von nachbarschützenden Vorschriften nicht geprüft oder zuverlässig ausgeschlossen werden kann oder das Vorhaben auch in der eindeutig genehmigten Form drittschützende Vorschriften verletzt (OVG Berlin, Urt. v. 17.10.2003 - 2 B 8.01 - a.a.O.). Das ist hier nicht der Fall.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die Frage eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme im Rahmen von § 34 Abs. 1 BauGB wegen des Überstands des Vorderhauses und auch des Rückgebäudes im Vergleich zur Grenzbebauung auf den Grundstücken der Antragsteller nur anhand von Ansichten beurteilt werden kann, welche die geplanten Gebäude an der Ostgrenze des Grundstücks der Beigeladenen und die vorhandene Bebauung an der Westgrenze der Grundstücke der Antragsteller im Maßstab 1 : 100 wiedergeben (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 3 LBOVVO). Ob die Baurechtsbehörde auf eine Vorlage entsprechender Bauzeichnungen verzichten konnte (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 2 LBOVVO) oder ob das Vorbringen der Beigeladenen zutrifft, eine Fertigung entsprechender Bauzeichnungen sei ihr nicht möglich gewesen, weil dafür ein Betreten des Grundstücks der Antragsteller erforderlich gewesen sei und diese es nicht gestattet hätten, kann dahinstehen.
Denn die Beurteilung, ob das genehmigte Vorderhaus auf das Anwesen der Antragsteller erdrückend wirkt, ist jedenfalls auf der Grundlage der von den Beigeladenen im Beschwerdeverfahren vorgelegten Ansicht von Osten (vom Grundstück der Antragsteller her) mit hinreichender Sicherheit möglich. Anhand dieser Bauzeichnung, gegen deren Maßstabsgerechtigkeit aufgrund der Maßangaben in den genehmigten Bauvorlagen sowie der vorgelegten Lichtbilder keine ernstlichen Zweifel bestehen und deren Richtigkeit die Antragsteller auch nicht substantiiert in Zweifel gezogen haben, ist unwahrscheinlich, dass der entstehende Versatz der Grenzwände den Antragstellern nicht zuzumuten wäre. Die Antragsteller weisen zwar zutreffend darauf hin, dass für den Umfang des Überstands der Grenzwand des genehmigten Vorderhauses in der Höhe nicht die Schnittlinie der westlichen Außenwand der Dachgaube ihres Vorderhauses mit der Dachhaut maßgeblich ist, weil die Gaube etwa 7,50 m von der Grundstücksgrenze entfernt ist. Mithin beginnt der sich über eine Länge von 10,50 m erstreckende Überstand der Grenzwand des genehmigten Vorderhauses auf Höhe des 11,67 m hohen Firsts des Vorderhauses der Antragsteller; er beträgt im Bereich des 12,72 m hohen Firstes des genehmigten Vorderhauses etwa 2,60 m, vergrößert sich bis auf Höhe der Traufkante des Daches des Vorderhauses der Antragsteller auf 4,40 m und nimmt dann entlang des auf dem Grundstück der Antragsteller anschließenden Werkstattgebäudes, dessen Flachdach als überdachte Veranda genutzt wird, bis auf etwa 2,50 m (bei einer Traufhöhe von 8,47 m) ab. Eine erdrückende Wirkung auf das Grundstück der Antragsteller, wie sie in der Rechtsprechung nur in krassen Fällen angenommen wird, geht hiervon trotz der beträchtlichen Fläche des Überstands voraussichtlich nicht aus (vgl. auch, zur Unzulässigkeit einer Doppelhaushälfte, die nur auf einer Tiefe von fünf Metern angebaut ist und dahinter um weitere 8 m in den Gartenbereich verspringt, allerdings unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die bauplanerische Festsetzung einer offenen Bauweise als Doppelhäuser, BVerwG, Urt. v. 24.02.2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 = NVwZ 2000, 1055). Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere, dass der Überstand in der Höhe aus der Sicht der erwähnten, von der Grenze zurückversetzten Dachgaube des Vorderhauses der Antragsteller nur 1,90 m ausmacht, dass der Winkel zwischen der Grenzwand des Vordergebäudes der Beigeladenen und des Vordergebäudes der Antragsteller etwa 120° beträgt, dass die Grenzwand vom Vordergebäude der Antragsteller aus gesehen im Nordwesten liegt und dass die Antragsteller ihre hintereinander liegenden Grundstücke selbst eng und fast durchgehend in einer Tiefe von mehr als 30 m an der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen bebaut haben. Wegen dieser engen Bebauung wird die überstehende Grenzwand des Vorderhauses der Beigeladenen auch aus dem Hof der Antragsteller wohl jedenfalls nicht erdrückend wirken.
Umso weniger kann von dem genehmigten Rückgebäude eine erdrückende Wirkung für das Grundstück der Antragsteller ausgehen. Der Versatz zu dem auf dem Grundstück der Antragsteller ebenfalls an der Grundstücksgrenze stehenden Wohnhaus beträgt nach Norden nur etwa 2 m. Auch der teilweise vorhandene Höhenunterschied ist noch zumutbar. Die Antragsteller haben im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht angegeben, die Wandhöhe ihres zweigeschossigen Rückgebäudes betrage 6,20 m (ohne Berücksichtigung des Satteldachgiebels). Demgegenüber beträgt die durchgehende Wandhöhe des genehmigten Rückgebäudes ausweislich der zu den genehmigten Bauvorlagen gehörenden Westansicht (insoweit werden sich bei einer Ostansicht keine erheblichen Unterschiede ergeben) zwischen 6,20 m und 6,60 m und nur im Bereich des 5 m langen aufgesetzten Geschosses zwischen 8 m und 9 m (vgl. auch Anlage A 5 zum Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller vom 17.10.2006 an das Verwaltungsgericht).
Unbestimmt ist die Baugenehmigung nach Maßgabe der genehmigten, insoweit unvollständigen Bauvorlagen zu Lasten der Antragsteller nicht. Denn aus ihnen ergeben sich alle im Blick auf etwaige Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften erheblichen Maße des Vorderhauses wie auch des Rückgebäudes.
Offenbleiben kann, ob das genehmigte Rückgebäude sich objektivrechtlich nach der überbaubaren Grundstücksfläche in die nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB einfügt. Denn wie bereits ausgeführt, könnten die Antragsteller insoweit nur dann in ihren Rechten verletzt sein, falls sich hieraus zugleich ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ergäbe, was nicht der Fall ist.
10 
Das Vorhaben verstößt auch nicht gegen die bauordnungsrechtlichen Vorschriften über das Freihalten von Abstandsflächen vor den Außenwänden von Gebäuden.
11 
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden an Grundstücksgrenzen, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften das Gebäude an die Grenze gebaut werden darf und öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird. Planungsrechtlich darf hier gemäß § 34 Abs. 1 BauGB an die Grenze gebaut werden, weil dies - unstreitig - der Bauweise in der näheren Umgebung entspricht. Dort ist zwar nicht durchgängig, aber (sogar) überwiegend eine (teilweise auch beidseitig) geschlossene Bebauung vorhanden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist in diesem Zusammenhang nicht zusätzlich darauf abzustellen, ob sich das Vorhaben auch sonst gemäß § 34 Abs. 1 BauGB (nach dem Maß der baulichen Nutzung und nach der überbaubaren Grundstücksfläche) in die nähere Umgebung einfügt. Denn § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO lässt es genügen, dass nach planungsrechtlichen Vorschriften a n d i e G r e n z e gebaut werden darf. Aus der vom Verwaltungsgericht angeführten Entscheidung des Senats (Beschl. v. 12.09.1996 - 5 S 2232/96 - VBlBW 1997, 221) ergibt sich nichts anderes (vgl. auch Senatsbeschl. v. 05.07.2005 - 5 S 974/05 -, v. 10.01.2006 - 5 S 2335/05 - VBlBW 2006, 350, v. 14.08.2006 - 5 S 1473/06 -). Somit kommt es für die Anwendung von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO nicht darauf an, ob sich das genehmigte Vordergebäude nach der Zahl der Vollgeschosse und das genehmigte Rückgebäude nach der überbaubaren Grundstücksfläche in die nähere Umgebung einfügt. Zu prüfen ist allerdings weiter, ob öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf den hintereinander liegenden Grundstücken der Antragsteller ebenfalls an die Grenze gebaut wird. Dies wird in der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs für den Fall bejaht, dass das Nachbargrundstück bereits an der Grenze bebaut ist. Insoweit ist es nicht erforderlich, dass die geplante Grenzbebauung in Höhe und Tiefe weitestgehend deckungsgleich mit der vorhandenen Grenzbebauung ist (Senatsbeschl. v. 12.09.1996 - 5 S 2232/96 - a.a.O.). Vielmehr hat der Senat beispielsweise Überschreitungen von zwei Metern in der Tiefe und zwei bis drei Metern in der Höhe für zulässig gehalten (Senatsbeschl. v. 10.01.2006 - 5 S 2335/05 - a.a.O. m.w.N.). Nicht zweifelhaft ist überdies, dass im Hinblick auf die Bauweise die genehmigten Grenzbauten trotz des Überstands noch in einer Beziehung zu den vorhandenen Gebäuden auf den Grundstücken der Antragsteller stehen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 30.06.2003 - 3 S 991/03 - m.w.N.). Tatsächlich beträgt die Überdeckung des genehmigten Vorderhauses mit dem Vorderhaus der Antragsteller und dem daran angebauten Werkstattgebäude jedenfalls mehr als drei Viertel. Noch größer ist sie beim genehmigten Rückgebäude.
12 
Schließlich müssen sich die Beigeladenen nicht entgegenhalten lassen, dass auf der Höhe des Werkstattgebäudes der Antragsteller ein „Schmutzwinkel“ entsteht bzw. beibehalten bleibt, weil das Werkstattgebäude, wie sich aus dem genehmigten Abstandsflächenplan ergibt, etwa 0,50 m von der Grenze entfernt gebaut ist. Vielmehr obliegt es den Antragstellern, bauliche Vorkehrungen zu treffen, um die Nachteile, die dieser geringe Grenzabstand für die Unterhaltung der Außenwand des Werkstattgebäudes mit sich bringt, zu beheben (vgl. § 6 Abs. 2 LBO und hierzu Senatsbeschl. v. 10.01.2006 - 5 S 2335/05 - a.a.O.).
13 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 und § 159 Satz 2 VwGO. Es gibt keine kostenrechtliche Bestimmung, die es erlaubt, den obsiegenden Beigeladenen jedenfalls die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht deshalb aufzuerlegen, weil sie erst im Beschwerdeverfahren Ansichten des Vorhabens (Vorderhaus) von Osten vorgelegt haben. Insoweit hätte es den Antragstellern oblegen, nach Vorlage dieser Ansichten die Erfolgsaussichten ihres Rechtsbehelfs zu prüfen und ggf., zur Vermeidung der Kostenlast, das Verfahren in der Hauptsache für erledigt zu erklären (§ 161 Abs. 2 VwGO).
14 
Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.
15 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 09. Januar 2012 - 5 K 2279/11 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, als Gesamtschuldner.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss vom 09.01.2012 ist statthaft und auch sonst zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, der Klage der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 15.06.2011 i.d.F. des Widerspruchsbescheids vom 05.08.2011 aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Auch nach Auffassung des Senats kommt dem Interesse der Beigeladenen an der - dem gesetzlichen Regelfall entsprechenden - sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung Vorrang vor dem Interesse der Antragsteller an einem vorläufigen Baustopp zu. Nach derzeitigem Erkenntnisstand und nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird die Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben. Denn die genehmigten zwei Mehrfamilienwohnhäuser (Haus 1 mit acht und Haus 2 mit sechs Wohneinheiten) mit vier offenen Stellplätzen und einer Tiefgarage auf dem derzeit unbebauten Grundstück Flst.-Nr. ... (G... ...) in Müllheim verstoßen nicht gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz der Antragsteller als Eigentümer des östlich angrenzenden und mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks Flst.-Nr. ... (G... ...) zu dienen bestimmt sind.
Zur Begründung nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), wobei davon auszugehen ist, dass die Antragsteller mit ihrem Vorbringen nicht nach § 55 Abs. 2 Satz 2 LBO präkludiert sind und daher Anspruch auf volle Überprüfung ihrer Einwendungen haben. Ergänzend und in Würdigung des Beschwerdevorbringens der Antragsteller ist Folgendes auszuführen:
I.
Die Antragsteller halten dem Verwaltungsgericht zusammengefasst vor, es hätte die Prüfung des - im unbeplanten Innenbereich von Müllheim innerhalb einer Baulücke gelegenen - Vorhabens auf seine objektive Rechtmäßigkeit nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht offen lassen dürfen. Das Gericht hätte diese Frage vielmehr notwendigerweise prüfen und als Prüfungsergebnis zwingend verneinen müssen, da die genehmigten Gebäude in ihrer Massivität, Lage und Wohnungszahl in der durch großzügige Einfamilienhausbebauung gekennzeichneten Umgebung beispiellos seien und eine irreversible Verfremdung des bislang harmonischen und völlig spannungsfreien Baugebiets einleiteten. Dieser massive Verstoß gegen das objektiv-rechtliche Einfügensgebot löse unmittelbare Abwehransprüche für sie als Angrenzer aus, ohne dass es eines Rückgriffs auf die Voraussetzungen des Rücksichtnahmegebots bedürfe. Im Übrigen wirkten sich die beiden Häuser aber auch rücksichtslos erdrückend und einmauernd auf ihr nur bescheiden bebautes Wohngrundstück aus, ohne dass es auf die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ankomme, da diese nur „technisches Recht“ umsetzten und nachbarliche Belange nur untergeordnet berücksichtigten.
II.
Dem ist im dogmatischen Ansatz und im Ergebnis nicht zu folgen:
1. a) In der Rechtsprechung ist seit langem geklärt, dass § 34 Abs. 1 BauGB, wonach sich ein Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, nach der Bauweise und nach seiner überbauten Grundstücksfläche in die jeweils maßgebliche nähere Umgebung einzufügen hat, d.h. sich in dem jeweils prägenden Rahmen halten muss und diesen Rahmen nur bei Vermeidung städtebaulicher Spannungen überschreiten darf, unmittelbar keine drittschützende Wirkung entfaltet. Unmittelbarer Drittschutz gegen Gebietsveränderungen steht Gebietsanliegern nur im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 2 BauGB zu, wenn die nähere Umgebung der Nutzungsart nach einem der gesetzlich vorgeformten Gebiete nach §§ 2 ff. BauNVO entspricht. Sie können in diesem Fall nach ihrer Nutzungsart unzulässige Vorhaben abwehren, ohne sich auf die qualifizierten Anforderungen des Rücksichtnahmegebots verweisen lassen zu müssen (sog. Gebietserhaltungs- oder Gebietsbewahrungsanspruch, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16.12.2008 - 4 B 68.08 -, ZfBR 2009, 376 f. sowie Urteil vom 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151 ff. = NJW 1994, 1546 ff.).
Nur in diesem Sonderfall des § 34 Abs. 2 BauGB gesteht der Gesetzgeber, beschränkt auf die Art der baulichen Nutzung auf Nachbargrundstücken, den Bewohnern unbeplanter und beplanter Gebiete unter dem Gesichtspunkt der „Schicksalsgemeinschaft“ gleiche - unmittelbare - Abwehrrechte zu. Für die übrigen Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB (Nutzungsmaß, Bauweise, über- baubare Grundstücksfläche) gilt dies nicht. Dies verkennen die Antragsteller. Nachbarschützende Wirkung kommt Verstößen gegen diese Merkmale nur mittelbar über das im Begriff des „Einfügens“ aufgehende Gebot der Rücksichtnahme zu. Dieses ist verletzt, wenn ein Vorhaben es trotz Einhaltung des Umgebungsrahmens hinsichtlich eines oder mehrerer der Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB „an der gebotenen Rücksichtnahme auf die sonstige, d.h. vor allem auf die in seiner unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung fehlen lässt“ (so bereits BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369, 386). Das Rücksichtnahmegebot hat insoweit zunächst objektiv-rechtliche Bedeutung. Nachbarschutz vermittelt es nur insoweit, als - mit den Worten des Bundesverwaltungsgerichts - „in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter“ Rücksicht zu nehmen ist (st. Rpr. zu. § 34 Abs. 1 BBauG wie zu § 34 Abs. 1 BauGB; vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 13.03.1981 - 4 C 1.78 -, BauR 1981, 354 ff. sowie Beschluss vom 20.01.1992 - 4 B 229.91 -, juris). An dieser Unterscheidung zwischen objektiv-rechtlicher und subjektiv-rechtlicher Ausprägung des Rücksichtnahmegebots ist rechtsdogmatisch bis heute festzuhalten, auch wenn in der Praxis beide Komponenten meist zusammenfallen und sich daher eine zweistufige Prüfung erübrigt. In Nachbarrechtsverfahren kommt es jedenfalls allein darauf an, ob sich ein Vorhaben in der dargelegten qualifizierten Art und Weise rücksichtslos, d.h. unzumutbar auswirkt. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats - bezogen auf die Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB - unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls - insbesondere der tatsächlichen und rechtlichen Vorbelastung der Grundstücke und des Gebiets, der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Bauherrn und des Nachbarn sowie der Art und Intensität aller in Betracht kommenden städtebaulich relevanten Nachteile - zu beurteilen (vgl. etwa Beschlüsse vom 08.11.2007 - 3 S 1923/07 -, VBlBW 2008, 147 ff. und vom 16.2.1990 - 3 S 155/90 -, juris).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen, an denen festzuhalten ist, war das Verwaltungsgericht nicht zu einer vollumfänglichen und abschließenden Prüfung der streitigen Mehrfamilienhäuser am objektiv-rechtlichen Maßstab des § 34 Abs. 1 BauGB (einschließlich des Rücksichtnahmegebots in seiner objektiv-rechtlichen Ausgestaltung) verpflichtet, sondern durfte sich auf die Prüfung beschränken, ob sich die Gebäude zu Lasten der Antragsteller anhand eines oder mehrerer der Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB subjektiv-rechtlich als rücksichtslos erweisen und insoweit „drittschützende“ städtebauliche Spannungen auslösen (zum Gebot der Rücksichtnahme als Unterfall des Verbots der Begründung oder Erhöhung bodenrechtlich beachtlicher Spannungen in § 34 Abs. 1 BauGB vgl. BVerwG, Urteil vom 16.09.2010 - 4 C 7.10 -, NVwZ 2011, 436 ff.). Derartige die Schwelle der Rücksichtslosigkeit erreichende Nachteile des Vorhabens für die Antragsteller vermag auch der Senat noch nicht zu erkennen.
a) Bezüglich der Nutzungsart (Wohnen) wird der Rahmen der Umgebung unstreitig eingehalten. Die den Gebietsrahmen möglicherweise übersteigende Gesamtwohnungszahl des Vorhabens (14 Wohneinheiten), die Wohnungsdichte, wird von § 34 Abs. 1 BauGB nicht erfasst (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.02.1992 - 3 S 309/92 -, VBlBW 1992, 344 ff. m.w.N.). Sie kann nur mittelbar durchschlagen, etwa dann, wenn gleichzeitig unzumutbarer Verkehrslärm durch die Bewohner hervorgerufen wird. Davon kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden, nachdem die Zufahrt zur genehmigten Tiefgarage sich auf der vom Grundstück der Antragsteller abgewandten Westseite des Baugrundstücks befindet.
b) Auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung sind rücksichtslose Auswirkungen des Vorhabens für die Antragsteller noch nicht zu erkennen. Bei der Beurteilung ist hierbei allerdings nicht auf „relative“ Maßkriterien wie insbesondere die - hier eingehaltene - Grund- und Geschossflächenzahl abzuheben, sondern es kommt vorrangig auf die nach außen im Verhältnis zur Umgebungsbebauung prägenden Eigenschaften an, zu denen insbesondere die flächenmäßige Ausdehnung, die Geschosszahl und die Höhe der den Rahmen bildenden Gebäude zählen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.06.2007 - 4 B 8.07 -, BauR 2007, 1691 f.). Diesbezüglich dürften sich die streitigen zwei Mehrfamilienhäuser sowohl nach ihrer Grundfläche von jeweils etwa 300 m² als auch nach ihrer Geschosszahl und ihrer Gebäudehöhe möglicherweise sogar objektiv-rechtlich (gerade noch) im Umgebungsrahmen halten, der räumlich mindestens die Bebauungszeile südlich der G... umfasst. In dieser Zeile befindet sich das große und damit auch prägende Mehrfamilienwohnhaus auf dem östlich an das Grundstück der Antragsteller angrenzenden Grundstück Flst.-Nr. ... (G... ...). Der dortige aus drei versetzten Einheiten bestehende Gebäudekomplex weist ausweislich der nicht bestrittenen Ermittlungen der Antragsgegnerin eine Grundfläche von 315 m² auf, hat ebenfalls zwei Vollgeschosse und ein Dachgeschoss und übertrifft die genehmigten Wohnhäuser in der Firsthöhe um mindestens 2 m. Allein schon wegen dieses prägenden Gebäudekomplexes kann der Einschätzung der Antragsteller nicht gefolgt werden, im Baugebiet herrsche „Harmonie“ im Sinne einer in sich geschlossenen und von kleinen freistehenden Einfamilienhäusern geprägten „Schicksalsgemeinschaft“. Unabhängig von ihrer objektiv-rechtlichen Bewertung kommt den genehmigten Häusern auf dem Grundstück der Beigeladenen jedenfalls aber keine (subjektiv) rücksichtslose, weil unzumutbar optisch erdrückende oder einmauernde Wirkung zu. Diese Entscheidung ist, worauf die Antragsteller zu Recht abheben, nicht allein schon dadurch determiniert, dass die genehmigten Gebäude die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften in jeder Hinsicht einhalten. Diese Abstandsflächengebote sind allerdings keine rein „technischen Normen“, sondern haben eine starke nachbarschützende Zielrichtung. Jedoch umfasst ihr Schutzbereichskatalog (Belichtung, Besonnung, Belüftung, Brandschutz und ggf. auch ein Minimum an Wohnfrieden) nicht auch den Schutz gegen optisch erdrückende oder abriegelnde Baukörper. Dieser Schutz wird vielmehr vom bundesrechtlichen Kriterium des Maßes baulicher Nutzung abgeleitet (vgl. Beschluss des Senats vom 08.11.2007 - 3 S 1923/07 -, VBlBW 2008, 147 ff.; im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 23.05.1986 - 4 C 34.85 -, BauR 1986, 542 f.). Indessen treten die beiden genehmigten Wohnhäuser der Beigeladenen gegenüber dem Grundstück der Antragsteller noch nicht unzumutbar optisch erdrückend oder gar abriegelnd in Erscheinung. Denn beide Gebäude sind, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, nur mit den Giebelseiten zum Grundstück der Antragsteller hin ausgerichtet, zudem voneinander durch eine Freifläche von ca. 13 m getrennt.
10 
c) Auch bezüglich der überbauten Grundstücksfläche und in einer Gesamtwürdigung aller Umstände müssen die Antragsteller noch nicht mit unzumutbaren Nachteilen rechnen. Dabei verkennt auch der Senat nicht, dass sich der bisher in Richtung Westen außergewöhnlich günstige Lagevorteil des Grundstücks der Antragsteller im Zuge der Verwirklichung des streitigen Vorhabens verschlechtern wird. Die Antragsteller, die ihr großes Gartengrundstück im Verhältnis zur Umgebung eher gering ausnutzen, können jedoch in Anwendung des Rücksichtnahmegebots nicht verlangen, dass das Nachbargrundstück auch in Zukunft gänzlich unbebaut bleibt oder zwingend nur „in erster Reihe“ mit nur einem Gebäude (Haus 1) bebaut werden darf. Denn im Blockinnenbereich zwischen G... und H... sind auch an anderer Stelle „Hinterlandbebauungen“ in zweiter Reihe anzutreffen. Dies gilt nicht nur mit Blick auf die durchgehend tiefgestaffelte Bebauung im Bereich nördlich der H..., sondern auch für den Bereich südlich der G...-..., da auch hier - prägend - Wohnbebauung in „zweiter Reihe“ auf den Grundstücken Flst.-Nr. ... (G... ...) und dem dahinterliegenden Grundstück Flst.-Nr. ... (G... ...) in einer mit Haus 2 vergleichbaren Bebauungstiefe vorhanden ist.
11 
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab und nimmt stattdessen auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug.
12 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Billigem Ermessen entspricht es nicht, den Antragstellern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Denn die Beigeladene hat im Schriftsatz vom 09.03.2012 zwar Ausführungen zur Sache gemacht. Die an den Anfang gestellte Formulierung, es werde im Folgenden dargetan, dass die Beschwerde zurückzuweisen sei, ist jedoch nicht als förmlicher Prozessantrag auszulegen. Da die Beigeladene daher für den Fall des Unterliegens kein Kostenrisiko zu tragen gehabt hätte (§ 154 Abs. 3 VwGO), ist es nach der Rechtsprechung aller Bausenate des erk. Gerichtshofs auch nicht unbillig, dass sie - korrespondierend - im Falle des Obsiegens keine Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten verlangen kann (vgl. zuletzt etwa Beschluss vom 20.01.2011 - 8 S 2567/10 -, VBlBW 2011, 279 f.).
13 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
14 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Juli 2007 - 6 K 2666/07 - geändert. Die Baugenehmigung des Landratsamtes Ostalbkreis vom 7. Juni 2006 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. Februar 2007 werden aufgehoben.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen eine Baugenehmigung, die seinem Nachbarn, dem Beigeladenen, die Errichtung eines Schuppens gestattet.
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus und einer Garage bebauten Grundstücks Flst. Nr. 178 (H. Straße 39) der Gemarkung .... Dem Beigeladenen gehört das nördlich angrenzende Anwesen H. Straße 41 (Flst. Nr. 177/5) und das westlich angrenzende, 3.146 m 2 große Grünlandgrundstück Flst. Nr. 177. Dieses Grundstück erstreckt sich hinter den bebauten Grundstücken auf der Westseite der H. Straße vom ...bach im Nordwesten bis zum Grundstück H. Straße 37 (Flst. Nr. 178/1) im Südosten. Es fällt von Osten nach Westen zum ...bach hin leicht ab.
Der Beigeladene hat im südöstlichen Bereich dieses Grundstücks, gegenüber dem Wohnhaus des Klägers und in einem Abstand von 2,5 m zu der gemeinsamen Grundstücksgrenze, einen 12 m langen, 5 m breiten sowie zwischen 4 und 5 m hohen Geräte- und Brennholzschuppen mit einem Pultdach errichtet.
Die örtliche Situation stellt sich wie folgt dar:
Der Beigeladene reichte am 27.3.2006 einen entsprechenden Bauantrag ein. Der Kläger erhob Einspruch und machte geltend, unter dem Gesichtspunkt des Lichtzutritts und der Feuchtigkeit ergäben sich aus dem Bauvorhaben nicht unerhebliche Nachteile für sein Grundstück. Außerdem sei der Grenzabstand nicht eingehalten.
Unter dem 7.6.2006 erteilte das Landratsamt Ostalbkreis die beantragte Baugenehmigung und wies den Einspruch des Klägers mit im Wesentlichen folgender Begründung zurück: Das Baugrundstück liege im Außenbereich. Das Bauvorhaben des Beigeladenen sei als sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB zulässig. Die beteiligten Stellen hätten eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange verneint. Der geplante Schuppen halte auch die erforderlichen Abstandsflächen ein.
Der Kläger legte hiergegen am 21.6.2006 Widerspruch ein. Er begründete diesen damit, das genehmigte Vorhaben verstoße zu seinen Lasten gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Der Schuppen solle unmittelbar an der Terrasse und vor dem Wohnzimmer seines Hauses errichtet werden. Dadurch werde die Lichtzufuhr zu diesen beeinträchtigt. Von dem Bauvorhaben gehe eine erdrückende Wirkung aus. Es verstoße ferner gegen Treu und Glauben und das Schikaneverbot, weil der Beigeladene die Möglichkeit habe, auf seinem großen Grundstück den Schuppen an einer Stelle zu errichten, die nicht an ein bestehendes Gebäude angrenze.
Am 2.8.2006 beantragte der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart mit derselben Begründung, seinem Widerspruch aufschiebende Wirkung beizumessen. Der Beigeladene führte in seiner Erwiderung auf diesen Antrag vier Gründe für die Wahl des Schuppenstandorts an: Zum einen habe er in den naturbelassenen Bachlauf mit altem Baumbestand nicht eingreifen wollen. Zum anderen könne er den Schuppen nicht an der Grenze zur „Parzelle 171 ... ...“ (Südwesten) erstellen, weil es sich dabei um den tiefsten Teil des Geländes handele, das oft knöcheltief unter Wasser stehe. Das Gleiche gelte ferner für den Bereich an der Grenze zum „Flurstück Nr. 178/1 ...“ (Südosten). Hier plane er zudem eine bepflanzte Sickergrube, die das Dachwasser des Schuppens aufnehmen solle. Schließlich sei der Bereich an der Grenze zum Grundstück des Klägers im Jahre 1964 mit Erdaushub aufgefüllt worden; das Gelände liege dort deshalb um etwa 1 bis 1,5 m höher. Ein Gebäude füge sich hier nahtlos in die Baulinie bestehender Gebäude ein.
Mit Beschluss vom 31.8.2006 lehnte das Verwaltungsgericht Stuttgart den Aussetzungsantrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus: Der genehmigte Schuppen verstoße nicht gegen das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme, da die Abstandsvorschriften der Landesbauordnung eingehalten seien. Es bestehe grundsätzlich kein schutzwürdiges Vertrauen eines Nachbarn, dass ein bisher unbebautes, im Außenbereich liegendes Grundstück auch künftig nicht bebaut werde. Dass der Blick auf den an der Grenze geplanten Schuppen den zuvor freien Blick auf die Landschaft beeinträchtige, begründe keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots.
10 
Der Senat wies die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 6.12.2006 - 8 S 2184/06 - zum einen deshalb zurück, weil der Beschwerdebegründung zufolge der Schuppen schon bei ihrer Abfassung errichtet war. Zum anderen spreche vieles dafür, dass das Verwaltungsgericht zu Recht einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme verneint habe. Der Beigeladene habe gegenüber dem Verwaltungsgericht vier Gründe angeführt, die gegen eine Errichtung des Schuppens an anderer Stelle sprächen. Da die Beschwerde sich damit nicht auseinandersetze, habe der Senat von ihrer Stichhaltigkeit auszugehen.
11 
Mit Bescheid vom 14.2.2007 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers gegen die Baugenehmigung vom 7.6.2006 mit denselben Argumenten zurück, die das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 31.8.2006 verwendet hatte.
12 
Am 15.3.2007 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage mit dem Antrag erhoben, die Baugenehmigung in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben. Er hat ausgeführt: Entgegen der Auffassung der Behörden liege eine erhebliche Beeinträchtigung seines Wohnhauses im Hinblick auf Belichtung, Belüftung und Besonnung vor. Von entscheidender Bedeutung sei jedoch, dass die Wahl des Schuppenstandorts schikanös sei, weil er an verschiedenen anderen Stellen auf dem Baugrundstück ohne Schwierigkeiten hätte errichtet werden können. Die vom Bauherrn angegebenen Gründe seien nicht nachvollziehbar. Die von ihm erwähnten Bäume stünden unmittelbar am Ufer und würden von der Errichtung des Schuppens nicht tangiert. Am ...bach befinde sich auch kein Gartenteich, vielmehr stünden dort bereits heute mehrere Schuppen. Bei dem Bereich entlang der Grenze zum Grundstück Flst. Nr. 171 handele es sich nicht um den tiefsten Teil des Geländes, vielmehr habe der Vater des Beigeladenen ihn mit Aushub aufgefüllt. Die Sickergrube entlang der Grenze zum Grundstück Flst. Nr. 178/1 führe zu einer zusätzlichen Belastung seines Hausgrundstücks. Diese hätte weiter nach unten verlagert werden können. Bei Aufstellung des Schuppens am ...bach hätte das Regenwasser im Übrigen unmittelbar in diesen eingeleitet werden können. Ferner habe der Beigeladene inzwischen den Bach mit Felsbrocken aufgestaut und leite das Bachwasser in die Sickergrube ein. Es könne keine Rede davon sein, dass hier Oberflächenwasser abgeführt werden solle. Richtig sei zwar, dass das Gelände auch entlang der Grenze zu seinem Grundstück aufgefüllt worden sei, was jedoch lediglich dazu führe, dass der Schuppen noch höher stehe und noch mehr Licht wegnehme. Von einer vorhandenen Baulinie könne keine Rede sein.
13 
Das beklagte Land hat Klagabweisung beantragt und im Wesentlichen auf die Begründung der angefochtenen Bescheide verwiesen. Im Hinblick auf die Standortwahl hat es ausgeführt, auf die Frage, ob das Gebäude an anderer Stelle auf dem Baugrundstück errichtet werden könne, komme es nicht an.
14 
Der Beigeladene hat zur Frage der Standortwahl wie folgt Stellung genommen: Der Baumbestand entlang der Bachgrenze sei etwa 10 bis 12 m breit; der Maschinenschuppen, auf den sich der Kläger berufe, stehe nicht am Bach. Der Bereich entlang der Grenze zur Parzelle 171 sei nicht mit Erdaushub aufgefüllt worden, dies sei lediglich entlang der Grenze zum Grundstück des Klägers geschehen. Dies werde durch ein Gerichtsurteil des Amtsgerichts Schwäbisch Gmünd vom 24.5.1966 bestätigt. Die Baugenehmigung sei vom Landratsamt erst nach dem Nachweis einer ordnungsgemäßen Entwässerung erteilt worden. Er habe eine Sickergrube gewählt, die zum Grundstück des Klägers einen Abstand von 8 m und zu den anderen angrenzenden Grundstücken einen solchen von mindestens 6 m aufweise. Das anfallende Regenwasser werde zudem zur Bewässerung eines neu geschaffenen Gemüsegartens genutzt. Eine Entwässerung in den Bach werde seit Mitte der siebziger Jahre nicht mehr akzeptiert. Für eine Wasserentnahme aus dem Bach bestehe keine Notwendigkeit. Es gebe deshalb auch keinen Grund, den Bach aufzustauen.
15 
Mit Urteil vom 3.7.2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt: Der genehmigte Schuppen verstoße nicht gegen das Rücksichtnahmegebot, da er keine für den Kläger unzumutbare Beeinträchtigungen zur Folge habe. Dies ergebe sich daraus, dass die Abstandsflächenbestimmungen eingehalten seien. Nicht entscheidungserheblich sei, ob der Beigeladene sein Bauvorhaben auch an einer anderen Stelle seines Grundstücks zulässigerweise errichten könnte.
16 
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 10.1.2008 - 8 S 1961/07 - zugelassene Berufung des Klägers, mit der er beantragt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Juli 2007 - 6 K 2666/07 -zu ändern und die Baugenehmigung des Landratsamtes Ostalbkreis vom 7. Juni 2006 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. Februar 2007 aufzuheben.
18 
Er macht geltend: Das Verwaltungsgericht habe die Grundsätze des Rücksichtnahmegebots verkannt und deshalb keine Abwägung der Empfindlichkeit und Schutzwürdigkeit des Begünstigten einerseits mit der Verständlichkeit und Unabweisbarkeit der mit dem Vorhaben verfolgten Interessen des Bauherrn andererseits vorgenommen. Der beigeladene Bauherr habe kein nachvollziehbares Interesse daran, das Gebäude unmittelbar vor sein (des Klägers) Anwesen zu platzieren. Vielmehr bringe dieser Standort nur Nachteile mit sich, weil der Schuppen vom Wohngebäude des Beigeladenen sehr weit entfernt sei. Demgegenüber habe er (der Kläger) eindeutig dargelegt, dass er durch das wuchtige Bauwerk und dessen erdrückende Wirkung erheblich beeinträchtigt werde. Er habe die Nutzungsbereiche seines Hauses so ausgerichtet, dass Schlafzimmer, Wohnzimmer und Terrasse in die bislang unbebaute Richtung wiesen. Der Beigeladene habe dagegen aus schikanösen Gründen gehandelt. Er habe zunächst geplant, in dem Bereich, in dem der Schuppen heute stehe, Nordmanntannen anzupflanzen. Er (der Kläger) habe den Beigeladenen damals darauf hingewiesen, dass er mit den Tannen einen Abstand von mindestens 8 m einzuhalten habe. Darauf hin habe der Beigeladene gegenüber einem Dritten erklärt, dass wenn der Kläger die Nordmanntannen nicht wolle, er eben einen Schuppen vor sein Haus setzen werde, was er schließlich auch getan habe.
19 
Das beklagte Land beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen.
21 
Es erwidert: Das Gebot der Rücksichtnahme werde durch den genehmigten Schuppen nicht verletzt. Deshalb könne eine Interessenabwägung unterbleiben, weil der Kläger keine wehrfähige Position besitze. Ein Nachbar könne unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung seines Grundstücks grundsätzlich keine Rücksichtnahme verlangen, die über den Schutz des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts hinausgehe, weil diese landesrechtlichen Grenzabstandsvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots zur nachbarlichen Rücksichtnahme darstellten. Dies gelte allerdings nur „grundsätzlich“, was bedeute, dass Ausnahmen möglich sein müssten, da Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers stehe. Im vorliegenden Fall lägen Besonderheiten, die unter den genannten Gesichtspunkten eine Ausnahme vom angeführten Grundsatz geböten, nicht vor. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass seine Aussicht in die freie Landschaft beeinträchtigt werde. Ebenso unbeachtlich sei seine Einlassung, er habe sein Haus so ausgerichtet, dass die Wohnbereiche in die unbebaute Richtung wiesen. Denn eine Baugenehmigung verleihe demjenigen, der sich seine Bauwünsche erfülle, nicht die Rechtsmacht, durch die Art und Weise der Bauausführung unmittelbaren Einfluss auf die Bebaubarkeit der Nachbargrundstücke zu nehmen. Selbst wenn Tatsachen vorlägen, die eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zulasten des Klägers begründen könnten, müssten sie in der Abwägung hinter die Interessen des Beigeladenen zurücktreten. Denn diesem stünden berechtigte Belange zur Seite, sein Bauvorhaben genau an der streitgegenständlichen Stelle zu errichten. Andere denkbare Standorte seien überschwemmungsgefährdet oder hätten eine Gefahr für den naturbelassenen Bachlauf mit altem Baumbestand mit sich gebracht. Zudem liege das erstellte Bauwerk in einer günstigen Entfernung zum schon bestehenden Wohnhaus. Selbst wenn schließlich die Interessen des Klägers und des Beigeladenen als gleichwertig eingestuft würden, müsse der Beigeladene seine berechtigten Belange nicht zurückstellen, um gleichwertige fremde Belange des Klägers zu schonen.
22 
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag, Er trägt vor: Durch den Bau des Schuppens habe der Kläger nicht beeinträchtigt oder gar schikaniert werden sollen. Ausschlaggebend für den gewählten Standort seien die Topografie des Geländes, das Einfügen in die Baulinie bestehender Gebäude und die erforderlichen Baukosten gewesen. Das Baugrundstück sei zwar relativ groß, aber er habe versucht, mit der zur Verfügung stehenden Fläche sorgsam und platzsparend umzugehen. Bei mehreren Ortsterminen mit der Baubehörde sei der Standort als ideal erkannt worden. Letztlich habe auch die räumliche Nähe (18 m) zu seinem neu errichteten Wohnhaus und der Umstand eine Rolle gespielt, dass der Bereich an der gemeinsamen Grundstücksgrenze im Jahre 1964 mit Erdaushub aufgefüllt worden sei und wegen dieser Erhöhung um etwa 1 m von Überschwemmungen verschont bleibe.
23 
Der Senat hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2008 einen Augenschein eingenommen. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Berufung des Klägers ist nach ihrer Zulassung im Beschluss des Senats vom 10.1.2008 statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben und die angefochtene Baugenehmigung aufheben müssen, denn sie ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil das genehmigte Bauvorhaben nicht die gebotene Rücksicht auf seine nachbarlichen Rechte nimmt, sondern sich ihm gegenüber als schikanös darstellt.
25 
Der durch die Baugenehmigung zugelassene Schuppen des Beigeladenen hält zwar zum Grundstück des Klägers - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften des § 5 LBO gebotenen Abstandsflächentiefen ein, was grundsätzlich indiziert, dass im Hinblick auf diese Belange auch das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot eingehalten ist, weil diese landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme darstellen (BVerwG, Beschluss vom 6.12.1996 - 4 B 215.96 - ZfBR 1997, 227; Beschluss des Senats vom 12.10.2004 - 8 S 1661/04 - VBlBW 2005, 74). Dies gilt aber nur „grundsätzlich“, was bedeutet, dass Ausnahmen möglich sein müssen, zumal das bauplanungsrechtliche Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht (BVerwG, Beschluss vom 11.1.1999 - 4 B 128.98 - BauR 1999, 615; Urteil vom 31.8.2000 - 4 CN 6.99 - BVerwGE 112, 41; Beschluss des Senats vom 12.10.2004, a. a. O.).
26 
Eine solche Ausnahme greift hier, denn der genehmigte Schuppen verstößt trotz Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften der Landesbauordnung gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) und verletzt damit das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme zulasten des Klägers. Dieses Gebot schützt nach seinem objektivrechtlichen Gehalt die Nachbarschaft vor unzumutbaren Einwirkungen, die von einem Vorhaben ausgehen (BVerwG, Urteil vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - BauR 2007, 674). Eine besondere gesetzliche Ausformung hat es für Vorhaben im Außenbereich wie dem vorliegend streitigen in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen gefunden. Es greift jedoch auch als in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB unbenannter öffentlicher Belang in Fällen Platz, in denen sonstige nachteilige Wirkungen in Rede stehen (BVerwG, Urteile vom 21.1.1983 - 4 C 59.78 - BRS 40 Nr. 199 und vom 18.11.2004 - 4 C 1.04 - UPR 2005, 150). Dazu zählt die Rechtsprechung etwa „optisch bedrängende“ Wirkungen, die von einem Bauvorhaben auf bewohnte Nachbargrundstücke ausgehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - a. a. O. und vom 23.5.1986 - 4 C 34.85 - BRS 46 Nr. 176; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - a. a. O.). Rücksichtslos kann aber auch ein Bauvorhaben sein, das zulasten des betroffenen Nachbarn das auch im öffentlichen Recht geltende Schikaneverbot (vgl. etwa: OVG Saarland, Urteil vom 30.3.1993 - 2 R 17/92 - BRS 55 Nr. 158; Beschluss vom 23.2.2000 - 2 W 2/00 - BRS 63 Nr. 132; OVG NRW, Beschluss vom 12.6.1995 - 7 E 1130/94 - NVwZ-RR 1996, 126) verletzt.
27 
Eine Schikane im Sinne des § 226 BGB liegt vor, wenn die Geltendmachung eines Rechts keinen anderen Zweck haben kann als die Schädigung eines anderen, wenn der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt oder wenn das Recht nur geltend gemacht wird, um ein unlauteres Ziel zu erreichen (BGH, Beschluss vom 9.7.2007 - II ZR 95/06 - juris m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Nach den Feststellungen, die der Senat beim Augenschein im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2008 getroffen hat, hat der Beigeladene mit der Errichtung des Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers in einer Entfernung zur gemeinsamen Grundstücksgrenze, die lediglich der abstandsflächenrechtlich vorgeschriebenen Mindestentfernung entspricht, nur dessen Schädigung bezweckt, ohne damit auch nur entfernt ein eigenes Interesse zu verfolgen. Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgendem:
28 
Der Beigeladene beruft sich zum einen darauf, die räumliche Nähe zu seinem Wohnhaus habe für den gewählten Schuppenstandort gesprochen. Diese Darstellung ist aber kaum nachvollziehbar. Denn wenn er das Ziel verfolgt hätte, den Schuppen - etwa wegen des darin zu lagernden Brennholzes - möglichst nahe an seinem Wohngebäude zu platzieren, so hätte es sich aufdrängen müssen, einen Standort in zentraler Lage des großen Baugrundstücks, z. B. in westlicher Fortsetzung des neben seinem Wohnhaus stehenden (blauen) Containers in dem Bereich zu wählen, in dem heute ein aus dem früheren Dachgiebel seines alten Wohnhauses bestehender Holzschuppen steht. Unter dem Gesichtspunkt seiner Erreichbarkeit auf möglichst kurzem Wege erscheint die nach Südosten abgerückte Situierung des Schuppens dagegen wenig plausibel. Es kommt hinzu, dass seine Ausrichtung in Nord-Süd-Richtung, wodurch er sich riegelartig vor den Wohn- und Terrassenbereich des Klägers stellt, für den Beigeladenen ersichtlich keinerlei Vorteile bietet. Denn schon eine leichte Verschiebung nach Norden und Drehung des Baukörpers, was einen Zugang von Norden her ermöglicht hätte, hätte die Zugangsentfernung vom Wohnhaus des Beigeladenen deutlich verkürzt und zugleich den Wohnbereich des Klägers vor einer den Blick in die freie Landschaft abschottenden Wirkung bewahrt.
29 
Einer solchermaßen die Belange des Klägers schonende und den geltend gemachten Wünschen des Beigeladenen entgegen kommende Anordnung des Schuppens steht auch nicht die Topografie entgegen. Denn das Gelände fällt zum einen von der H. Straße nach Westen nicht so stark ab, dass eine Anordnung des Schuppens im unmittelbaren westlichen oder südlichen Anschluss an den vorhanden Zufahrtsbereich über das Wohngrundstück des Beigeladenen (Flst. Nr. 177/5) eine zu steile Rampe erforderlich gemacht hätte. Im Übrigen hätten es die Platzverhältnisse ohne weiteres erlaubt, die Zufahrt geschwungen anzulegen, um zusätzlich Höhe abzubauen. Die Topografie des Geländes hätte bei einer Errichtung des Schuppens hinter dem (blauen) Container des Beigeladenen oder westlich der Garage des Klägers auch keine Mehrkosten erfordert. Insbesondere trägt das Argument des Beigeladenen nicht, hierzu wären erhebliche Abgrabungen und Aufschüttungen erforderlich gewesen. Denn nach den im Augenschein getroffenen Feststellungen des Senats mussten auch zur Errichtung des vorhandenen Schuppens Abgrabungen bis zu einer Höhe von etwa 1,20 m vorgenommen werden. Umfänglicherer Abtragungen hätte es auch bei einer anderen Situierung nicht bedurft.
30 
Zum anderen will der Beigeladene mit seinem Hinweis auf die Topografie wohl geltend machen, alle anderen denkbaren Standorte für den Schuppen auf dem Grundstück Flst. Nr. 177 seien von Überschwemmungen bedroht. Diesem Vorbringen vermag der Senat aus mehreren Gründen nicht zu folgen: Hätte er einen näher zu seinem Wohnhaus hin gelegenen Standort gewählt, hätte sich wegen des ansteigenden Geländes die Überschwemmungsgefahr von selbst verringert. Im Übrigen wird diese Gefahr ersichtlich nur vorgeschützt. Denn einerseits stehen in unmittelbarer Nähe des ...baches auf einem tiefer liegenden Terrain als dasjenige des Beigeladenen die beiden Schuppen der Landwirte ... und ... und es spricht nichts dafür, dass diese dort errichtet worden wären, würde tatsächlich ihre Überflutung drohen. Sie wurden zudem zu einer Zeit errichtet, als noch keine Hochwasserrückhaltemaßnahmen am ...bach getroffen worden waren und demgemäß eine Überschwemmungsgefahr - so sie denn bestünde - weit höher gewesen wäre. Andererseits belegen die seitens des Klägers vorgelegten Fotos, dass der Beigeladene am Bachlauf, auf den am tiefsten gelegenen Bereichen des Baugrundstücks selbst umfängliche Holzlagerungen vorgenommen und Maschinen (Kompressor) abgestellt hatte, was er ebenfalls nicht getan hätte, hätte er damit rechnen müssen, dass das Holz fortgeschwemmt und der Kompressor beschädigt werde.
31 
Auch die weiteren Gründe, die der Beigeladene dafür anführt, dass der gewählte Standort für den Schuppen ideal sei, entsprechen ersichtlich nicht der Realität. Das Ziel der Erhaltung des naturbelassenen Bachlaufs mit seinem Baumbestand spricht keinesfalls für die Entscheidung, den Schuppen - zumal mit seiner ganzen Breitseite - exakt vor den Wohnbereich des Klägers zu platzieren. Denn das Baugrundstück grenzt nur mit seiner Nordwestseite an den ...bach. Seine gesamte Tiefe hätte damit für die Errichtung des Bauwerks zur Verfügung gestanden. Ferner ist nicht zu erkennen, dass die „Sickergrube“, die der Beigeladene südlich des Schuppens angelegt hat, für dessen Situierung eine Rolle gespielt haben kann. Denn sie hätte neben jedem anderen Schuppenstandort ebenso angelegt werden können. Auch die Aufnahme- und Durchleitungsfähigkeit des Untergrunds für das anfallende Dachwasser kann keine Rolle gespielt haben. Denn tatsächlich handelt es sich nicht um eine Anlage, die der Versickerung des Niederschlagswassers dient, sondern um ein Überlaufbecken, in dem das Dachwasser zunächst zurückgehalten wird. Schließlich ist das Vorbringen des Beigeladenen, er habe den Schuppen in die Baulinie bestehender Gebäude einfügen wollen, nicht nachvollziehbar. Denn eine (faktische) Baulinie, die den Schuppenstandort mit umfasst, existiert offensichtlich nicht. Eine solche lässt sich weder den vorliegenden Plänen entnehmen, noch hat der Senat bei der Einnahme des Augenscheins eine derartige Linie feststellen können.
32 
Nach allem ist davon auszugehen, dass die Anordnung des streitigen Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers unter Einhaltung (lediglich) des bauordnungsrechtlich einzuhaltenden Minimalabstandes zur gemeinsamen Grundstücksgrenze keinem anderen Zweck dient als der Schädigung des Klägers und ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse des Beigeladenen zugrunde liegt. Sie verstößt damit zulasten des Klägers gegen das Schikaneverbot und damit zugleich gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Unter Abänderung des angefochtenen Urteils ist deshalb der Klage stattzugeben und die für diesen Schuppen erteilte Baugenehmigung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO aufzuheben.
33 
Gründe für eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.
34 
Beschluss
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 63 Abs. 2 GKG in Anlehnung an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004 (VBlBW 2004, 467, 469) auf EUR 7.500,-- festgesetzt.
36 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Gründe

 
24 
Die Berufung des Klägers ist nach ihrer Zulassung im Beschluss des Senats vom 10.1.2008 statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben und die angefochtene Baugenehmigung aufheben müssen, denn sie ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil das genehmigte Bauvorhaben nicht die gebotene Rücksicht auf seine nachbarlichen Rechte nimmt, sondern sich ihm gegenüber als schikanös darstellt.
25 
Der durch die Baugenehmigung zugelassene Schuppen des Beigeladenen hält zwar zum Grundstück des Klägers - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften des § 5 LBO gebotenen Abstandsflächentiefen ein, was grundsätzlich indiziert, dass im Hinblick auf diese Belange auch das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot eingehalten ist, weil diese landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme darstellen (BVerwG, Beschluss vom 6.12.1996 - 4 B 215.96 - ZfBR 1997, 227; Beschluss des Senats vom 12.10.2004 - 8 S 1661/04 - VBlBW 2005, 74). Dies gilt aber nur „grundsätzlich“, was bedeutet, dass Ausnahmen möglich sein müssen, zumal das bauplanungsrechtliche Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht (BVerwG, Beschluss vom 11.1.1999 - 4 B 128.98 - BauR 1999, 615; Urteil vom 31.8.2000 - 4 CN 6.99 - BVerwGE 112, 41; Beschluss des Senats vom 12.10.2004, a. a. O.).
26 
Eine solche Ausnahme greift hier, denn der genehmigte Schuppen verstößt trotz Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften der Landesbauordnung gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) und verletzt damit das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme zulasten des Klägers. Dieses Gebot schützt nach seinem objektivrechtlichen Gehalt die Nachbarschaft vor unzumutbaren Einwirkungen, die von einem Vorhaben ausgehen (BVerwG, Urteil vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - BauR 2007, 674). Eine besondere gesetzliche Ausformung hat es für Vorhaben im Außenbereich wie dem vorliegend streitigen in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen gefunden. Es greift jedoch auch als in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB unbenannter öffentlicher Belang in Fällen Platz, in denen sonstige nachteilige Wirkungen in Rede stehen (BVerwG, Urteile vom 21.1.1983 - 4 C 59.78 - BRS 40 Nr. 199 und vom 18.11.2004 - 4 C 1.04 - UPR 2005, 150). Dazu zählt die Rechtsprechung etwa „optisch bedrängende“ Wirkungen, die von einem Bauvorhaben auf bewohnte Nachbargrundstücke ausgehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - a. a. O. und vom 23.5.1986 - 4 C 34.85 - BRS 46 Nr. 176; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - a. a. O.). Rücksichtslos kann aber auch ein Bauvorhaben sein, das zulasten des betroffenen Nachbarn das auch im öffentlichen Recht geltende Schikaneverbot (vgl. etwa: OVG Saarland, Urteil vom 30.3.1993 - 2 R 17/92 - BRS 55 Nr. 158; Beschluss vom 23.2.2000 - 2 W 2/00 - BRS 63 Nr. 132; OVG NRW, Beschluss vom 12.6.1995 - 7 E 1130/94 - NVwZ-RR 1996, 126) verletzt.
27 
Eine Schikane im Sinne des § 226 BGB liegt vor, wenn die Geltendmachung eines Rechts keinen anderen Zweck haben kann als die Schädigung eines anderen, wenn der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt oder wenn das Recht nur geltend gemacht wird, um ein unlauteres Ziel zu erreichen (BGH, Beschluss vom 9.7.2007 - II ZR 95/06 - juris m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Nach den Feststellungen, die der Senat beim Augenschein im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2008 getroffen hat, hat der Beigeladene mit der Errichtung des Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers in einer Entfernung zur gemeinsamen Grundstücksgrenze, die lediglich der abstandsflächenrechtlich vorgeschriebenen Mindestentfernung entspricht, nur dessen Schädigung bezweckt, ohne damit auch nur entfernt ein eigenes Interesse zu verfolgen. Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgendem:
28 
Der Beigeladene beruft sich zum einen darauf, die räumliche Nähe zu seinem Wohnhaus habe für den gewählten Schuppenstandort gesprochen. Diese Darstellung ist aber kaum nachvollziehbar. Denn wenn er das Ziel verfolgt hätte, den Schuppen - etwa wegen des darin zu lagernden Brennholzes - möglichst nahe an seinem Wohngebäude zu platzieren, so hätte es sich aufdrängen müssen, einen Standort in zentraler Lage des großen Baugrundstücks, z. B. in westlicher Fortsetzung des neben seinem Wohnhaus stehenden (blauen) Containers in dem Bereich zu wählen, in dem heute ein aus dem früheren Dachgiebel seines alten Wohnhauses bestehender Holzschuppen steht. Unter dem Gesichtspunkt seiner Erreichbarkeit auf möglichst kurzem Wege erscheint die nach Südosten abgerückte Situierung des Schuppens dagegen wenig plausibel. Es kommt hinzu, dass seine Ausrichtung in Nord-Süd-Richtung, wodurch er sich riegelartig vor den Wohn- und Terrassenbereich des Klägers stellt, für den Beigeladenen ersichtlich keinerlei Vorteile bietet. Denn schon eine leichte Verschiebung nach Norden und Drehung des Baukörpers, was einen Zugang von Norden her ermöglicht hätte, hätte die Zugangsentfernung vom Wohnhaus des Beigeladenen deutlich verkürzt und zugleich den Wohnbereich des Klägers vor einer den Blick in die freie Landschaft abschottenden Wirkung bewahrt.
29 
Einer solchermaßen die Belange des Klägers schonende und den geltend gemachten Wünschen des Beigeladenen entgegen kommende Anordnung des Schuppens steht auch nicht die Topografie entgegen. Denn das Gelände fällt zum einen von der H. Straße nach Westen nicht so stark ab, dass eine Anordnung des Schuppens im unmittelbaren westlichen oder südlichen Anschluss an den vorhanden Zufahrtsbereich über das Wohngrundstück des Beigeladenen (Flst. Nr. 177/5) eine zu steile Rampe erforderlich gemacht hätte. Im Übrigen hätten es die Platzverhältnisse ohne weiteres erlaubt, die Zufahrt geschwungen anzulegen, um zusätzlich Höhe abzubauen. Die Topografie des Geländes hätte bei einer Errichtung des Schuppens hinter dem (blauen) Container des Beigeladenen oder westlich der Garage des Klägers auch keine Mehrkosten erfordert. Insbesondere trägt das Argument des Beigeladenen nicht, hierzu wären erhebliche Abgrabungen und Aufschüttungen erforderlich gewesen. Denn nach den im Augenschein getroffenen Feststellungen des Senats mussten auch zur Errichtung des vorhandenen Schuppens Abgrabungen bis zu einer Höhe von etwa 1,20 m vorgenommen werden. Umfänglicherer Abtragungen hätte es auch bei einer anderen Situierung nicht bedurft.
30 
Zum anderen will der Beigeladene mit seinem Hinweis auf die Topografie wohl geltend machen, alle anderen denkbaren Standorte für den Schuppen auf dem Grundstück Flst. Nr. 177 seien von Überschwemmungen bedroht. Diesem Vorbringen vermag der Senat aus mehreren Gründen nicht zu folgen: Hätte er einen näher zu seinem Wohnhaus hin gelegenen Standort gewählt, hätte sich wegen des ansteigenden Geländes die Überschwemmungsgefahr von selbst verringert. Im Übrigen wird diese Gefahr ersichtlich nur vorgeschützt. Denn einerseits stehen in unmittelbarer Nähe des ...baches auf einem tiefer liegenden Terrain als dasjenige des Beigeladenen die beiden Schuppen der Landwirte ... und ... und es spricht nichts dafür, dass diese dort errichtet worden wären, würde tatsächlich ihre Überflutung drohen. Sie wurden zudem zu einer Zeit errichtet, als noch keine Hochwasserrückhaltemaßnahmen am ...bach getroffen worden waren und demgemäß eine Überschwemmungsgefahr - so sie denn bestünde - weit höher gewesen wäre. Andererseits belegen die seitens des Klägers vorgelegten Fotos, dass der Beigeladene am Bachlauf, auf den am tiefsten gelegenen Bereichen des Baugrundstücks selbst umfängliche Holzlagerungen vorgenommen und Maschinen (Kompressor) abgestellt hatte, was er ebenfalls nicht getan hätte, hätte er damit rechnen müssen, dass das Holz fortgeschwemmt und der Kompressor beschädigt werde.
31 
Auch die weiteren Gründe, die der Beigeladene dafür anführt, dass der gewählte Standort für den Schuppen ideal sei, entsprechen ersichtlich nicht der Realität. Das Ziel der Erhaltung des naturbelassenen Bachlaufs mit seinem Baumbestand spricht keinesfalls für die Entscheidung, den Schuppen - zumal mit seiner ganzen Breitseite - exakt vor den Wohnbereich des Klägers zu platzieren. Denn das Baugrundstück grenzt nur mit seiner Nordwestseite an den ...bach. Seine gesamte Tiefe hätte damit für die Errichtung des Bauwerks zur Verfügung gestanden. Ferner ist nicht zu erkennen, dass die „Sickergrube“, die der Beigeladene südlich des Schuppens angelegt hat, für dessen Situierung eine Rolle gespielt haben kann. Denn sie hätte neben jedem anderen Schuppenstandort ebenso angelegt werden können. Auch die Aufnahme- und Durchleitungsfähigkeit des Untergrunds für das anfallende Dachwasser kann keine Rolle gespielt haben. Denn tatsächlich handelt es sich nicht um eine Anlage, die der Versickerung des Niederschlagswassers dient, sondern um ein Überlaufbecken, in dem das Dachwasser zunächst zurückgehalten wird. Schließlich ist das Vorbringen des Beigeladenen, er habe den Schuppen in die Baulinie bestehender Gebäude einfügen wollen, nicht nachvollziehbar. Denn eine (faktische) Baulinie, die den Schuppenstandort mit umfasst, existiert offensichtlich nicht. Eine solche lässt sich weder den vorliegenden Plänen entnehmen, noch hat der Senat bei der Einnahme des Augenscheins eine derartige Linie feststellen können.
32 
Nach allem ist davon auszugehen, dass die Anordnung des streitigen Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers unter Einhaltung (lediglich) des bauordnungsrechtlich einzuhaltenden Minimalabstandes zur gemeinsamen Grundstücksgrenze keinem anderen Zweck dient als der Schädigung des Klägers und ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse des Beigeladenen zugrunde liegt. Sie verstößt damit zulasten des Klägers gegen das Schikaneverbot und damit zugleich gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Unter Abänderung des angefochtenen Urteils ist deshalb der Klage stattzugeben und die für diesen Schuppen erteilte Baugenehmigung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO aufzuheben.
33 
Gründe für eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.
34 
Beschluss
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 63 Abs. 2 GKG in Anlehnung an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004 (VBlBW 2004, 467, 469) auf EUR 7.500,-- festgesetzt.
36 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Tenor

Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 14.2.2012 – 5 L 1919/11 – werden zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen im Beschwerdeverfahren jeweils die eigenen außergerichtlichen Kosten sowie die übrigen Kosten zu je 1/2.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Anwesens C-Straße in B-Stadt (Parzelle Nr. 44/12 in Flur 20 der Gemarkung S ). Sie wenden sich gegen den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit acht Wohneinheiten auf der seitlich benachbarten, bisher baufreien Parzelle Nr. 44/8. Diese ist insgesamt 24 m breit und weist – wie die Nachbargrundstücke – ein von der Straße her abfallendes Gelände auf. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „ W“ der Antragsgegnerin aus dem Jahr 1980, der neben der Ausweisung eines reinen Wohngebiets (WR, § 3 BauNVO 1977) unter anderem Festsetzungen zum zulässigen Maß der baulichen Nutzung (Geschossflächenzahl 0,7, Zahl der Vollgeschosse „II = I + IS“, Höhenlage in Bezug zur Straße), der überbaubaren Grundstücksfläche durch zwei parallel verlaufende Baugrenzen im Abstand von etwa 20 m, der Bauweise (Einzel- und Doppelhäuser, jeweils mit Längenvorgaben) und – in gestalterischer Hinsicht – zudem hinsichtlich der Dach- und Firstrichtung enthält.

Nachdem die Bauarbeiten im Mai 2011 unter Verweis auf das Fehlen einer erforderlichen Genehmigung eingestellt worden waren,(vgl. dazu den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2.5.2011 – 20100827 –) beantragte die Beigeladene im September 2011 bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren für das Vorhaben „Neubau Stadtresidenz als Mehrfamilienwohnhaus“ sowie Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans wegen der Überschreitung der rückseitigen Baugrenze durch die vorgesehenen Balkone, wegen abweichender Ausführung des Daches (Flach- statt Satteldach) und wegen „Vollgeschossigkeit Kellergeschoss“. Ausweislich der beigefügten Pläne vom 14.9.2011 sollten jeweils zwei Wohnungen im Unter-, Erd- und Obergeschoss sowie in einem darauf aufgesetzten Staffelgeschoss ausgeführt werden.

Mit einem „Zulassungsbescheid“ vom 9.11.2011 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen unter Bezugnahme auf den § 68 Abs. 3 LBO 2004 mehrere Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans, und zwar im Einzelnen wegen einer Überschreitung der Zahl der Vollgeschosse „um ein Vollgeschoss (Untergeschoss)“, der festgesetzten Geschossflächenzahl, wegen Überschreitung der „hinteren Baugrenze mit den Balkonen“ und wegen Abweichungen von der Bauweise in Form einer „Überschreitung der maximalen Gebäudebreite sowie der im Bebauungsplan vorgeschriebenen Dachform. Der Bescheid enthält keine Begründung. In einem Anschreiben vom selben Datum an die Beigeladene ist ausgeführt, die Abweichungen seien unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar, da sie „im Bebauungsplangebiet mehrfach auffindbar“ seien.

Ende Dezember 2011 haben die Antragsteller beim Verwaltungsgericht beantragt, die Antragsgegnerin zur Einstellung der zwischenzeitlich wieder aufgenommenen Arbeiten zur Realisierung des Vorhabens zu verpflichten. Anfang Januar 2012 haben die Antragsteller auch Widerspruch gegen den Zulassungsbescheid erhoben.

Unter dem 25.1.2012 hat das Verwaltungsgericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es sich „in der Sache“ um einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Zulassungsbescheid vom 9.11.2011 und, soweit dieser keine Regelung treffe, um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung handele. Mit Blick auf das letztgenannte Begehren hätten die Antragsteller wohl einen „wunden Punkt“ getroffen, weil die von den jeweiligen Nachbargrundstücken aus gesehen „hinter den Garagengebäuden aufstehenden Wandabschnitte“ nicht die notwendigen Abstandsflächen einhielten. Im Verhältnis zur Parzelle Nr. 44/12 (Anwesen Nr. ...) der Antragsteller müsse diese Wand einen Grenzabstand von 4,42 m wahren, wohingegen dieser in den Plänen lediglich mit 4,23 m angegeben sei.

Die Beigeladene hat daraufhin Veränderungen des Bauvorhabens in den Plänen vorgenommen. Darin wurden nach den Feststellungen in der erstinstanzlichen Entscheidung unter anderem die Dachkonstruktion in der Höhe sowie die Grundflächen insgesamt reduziert und die zuvor angesprochenen Außenwände im Bereich des Staffelgeschosses um 0,16 m zurückgesetzt. In der neuen Abstandsflächenberechnung ist unter A 05.2 für diesen Wandabschnitt ausgehend von einer mittleren Wandhöhe von 10,93 m eine erforderliche Abstandsflächentiefe von 4,37 m berechnet und in einem Abstandsflächenplan als Grenzabstand bezogen auf die 16 cm zurückversetzte Außenwand des Staffelgeschosses auch ausgewiesen. Der Grundriss und der Lageplan weisen in dem Bereich einen Abstand von 4,39 m aus. Mit Blick auf einen weiteren Hinweis des Verwaltungsgerichts, wie der Vollwärmeschutz gewährleistet werden solle, hat die Beigeladene einen „Nachweis über energiesparenden Wärmeschutz“ des Dipl.-Ing. S vorgelegt.

Durch Zulassungsbescheid vom 2.2.2012 wurden der Beigeladenen daraufhin bezüglich derselben Festsetzungen des Bebauungsplans Befreiungen für das geänderte Vorhaben erteilt. Auch diesen Bescheid haben die Antragsteller angefochten.

Zur Begründung ihrer Anträge haben sie unter anderem geltend gemacht, das Vorhaben halte in vielfacher Hinsicht die lediglich „ab Rohbaumauer“ berechneten Abstandsflächen nicht ein und widerspreche „trotz aller Ausnahmegenehmigungen“ den Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans, weil vier Vollgeschosse geplant seien und die Oberkante des Erdgeschossfußbodens bezogen auf die Gebäudemitte 18 cm über dem Niveau des höchsten Straßenpunktes liege. Auf der Grenze zu ihrem Grundstück sei auf der gesamten Länge unter Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht eine „senkrecht ansteigende Aufschüttung“ ausgeführt worden. Die „riesige Baumasse“ des Neubaus mit 3.630 m3 entziehe ihrem Grundstück Licht und Luft in einem nach den Maßstäben des Rücksichtnahmegebots nicht akzeptablen Maß. Der Neubau werde zur Folge haben, dass sogar die Zimmer im Obergeschoss ihres Hauses keine Sonneneinstrahlung mehr hätten. Die ebenerdige Terrasse auf der Seite zum Baugrundstück hin werde nicht mehr benutzbar sein. Selbst die zu dieser Seite hin orientierte Terrasse im Obergeschoss werde ab ca. 15 Uhr ohne Sonne sein. Hier sei der „Einmauerungseffekt“ offensichtlich. Sie hätten die Ausrichtung der Terrassen nach Südwesten bewusst gewählt, da sie beide als Augenärzte den ganzen Tag bei geschlossenen Rollläden arbeiteten und daher auf die Abendstunden angewiesen seien, um Licht und Luft zu genießen. Ihre Lebensqualität und der Wert ihres Grundeigentums würden erheblich beeinträchtigt. Daraus ergebe sich eine subjektive Rechtsverletzung ihrerseits. Dem stünden keine schützenswerten Belange der Beigeladenen gegenüber. Die Befreiungen von nahezu allen Festsetzungen des Bebauungsplans seien evident ermessensfehlerhaft. Letztlich werde durch sie der Bebauungsplan außer Kraft gesetzt. Dessen Beachtung oder Änderung stünden „nicht im Belieben der Unteren Bauaufsichtsbehörde“. Die Antragsgegnerin habe sogar Befreiungen erteilt, die nicht beantragt worden seien. Auch sei eine Gleichbehandlung der Normunterworfenen einzufordern. Sie selbst hätten den Bebauungsplan „bis ins Kleinste“ einhalten müssen, wohingegen der Beigeladenen willkürlich „unbegrenzt viele“ Befreiungen erteilt worden seien.

Die Antragsgegnerin hat in ihrer Stellungnahme ausgeführt, es sei richtig, dass das Maß der zugelassenen Abweichungen in dem Bereich in den letzten Jahrzehnten „weitgehend“ gewesen sei, so dass die Auffassung vertreten werden könne, dass einzelne Festsetzungen des Bebauungsplans funktionslos geworden seien. Abweichungen von nachbarschützenden Festsetzungen seien jedoch nicht zugelassen worden. Hinsichtlich der Abstandsflächen erfolge zwar in dem hier durchzuführenden Genehmigungsfreistellungsverfahren keine Überprüfung. Mit Blick auf die „Projektgeschichte“ habe sie – die Antragsgegnerin – vom städtischen Vermessungsamt die Höhe des natürlichen Geländeverlaufs an beiden seitlichen Grenzen des Baugrundstücks ermitteln und auch ein Mittelhöhenprofil des Grundstücks erstellen lassen. Die Unterlagen seien den Antragstellern erläutert worden. Deren eigene Berechnungen seien daher unverständlich. Ob der in den Plänen nicht dargestellte Vollwärmeschutz in den Abstandsflächen aufgebracht werden müsse, sei aus den Plänen nicht erkennbar. „Genehmigt“ sei ein bestimmter Grenzabstand der „fertigen Wand“. Zudem sei es möglich, die Einhaltung der Energieeinsparverordnung auf andere Weise als durch Anbringung eines umfänglichen äußeren Vollwärmeschutzes zu gewährleisten. Die von den Antragstellern beanstandeten größeren Aufschüttungen seien in den im Freistellungsverfahren eingereichten Plänen nicht dargestellt. Die Maßnahmen seien in der „ersten Bauzeit“ im Frühjahr 2011 ausgeführt worden, von der Baueinstellung betroffen und seither nicht fortgeführt worden. Die Beigeladene habe einen Rückbau bis zur Fertigstellung des Hauses zugesagt. Hinsichtlich des von den Antragstellern beanstandeten Staffelgeschosses sei bereits im Oktober 2010 eine weitere Abweichung zugelassen worden.(vgl. den Bescheid vom 28.10.2010 – 20100827 –) Die Festsetzung sei ohnehin nicht nachbarschützend.

Das Verwaltungsgericht hat im Februar 2012 die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Zulassungsbescheide vom 9.11.2011 und vom 2.2.2012 angeordnet und gleichzeitig die Antragsgegnerin verpflichtet, die Bauarbeiten sofort vollziehbar einzustellen. In der Begründung ist ausgeführt, soweit die Arbeiten auf der förmlichen Zulassungsentscheidung der Antragsgegnerin vom 2.2.2012 beziehungsweise – da insoweit kein förmlicher Verzicht der Beigeladenen als Bauherrin erklärt worden sei – vom 9.11.2011 beruhten und davon gedeckt seien, gelte der Vorrang des auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der dagegen eingelegten Widersprüche gerichteten Aussetzungsverfahrens. Diesen Anträgen sei zu entsprechen. Die Festsetzungen im Bebauungsplan „ W“ zum Maß baulicher Nutzung, zur überbaubaren Grundstücksfläche, zur Bauweise und zur Gestaltung des Daches, von denen die Antragsgegnerin als Gemeinde Befreiungen erteilt habe, dienten grundsätzlich städtebaulichen Zwecken, nicht dem Schutz der Nachbarn. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin ihnen bei Erlass der Satzung im konkreten Fall eine nachbarschützende Wirkung beilegen wollte, ergäben sich aus dem Bebauungsplan und der zugehörigen Begründung nicht. Bei Befreiungen von nicht nachbarschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans komme eine Nachbarrechtsverletzung nur unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots in Betracht. Dessen Verletzung durch das im Bau befindliche Vorhaben der Beigeladenen halte die Kammer allerdings für überwiegend wahrscheinlich. „Unproblematisch“ erscheine in dem Zusammenhang allein die Befreiung von der festgesetzten Bauweise, da es für die Antragsteller keinen Unterschied mache, ob auf dem Nachbargrundstück ein 18 m breites Einzel- oder Doppelhaus stehe. Die übrigen vier Befreiungen seien bei isolierter Betrachtung ebenfalls nicht geeignet, eine Nachbarrechtsverletzung zu begründen, führten aber in ihrer Kumulierung zur Zulässigkeit eines die Planvorgaben deutlich überschreitenden, mehr als doppelt so großen Bauvorhabens, das aller Voraussicht nach eine erdrückende Wirkung auf die plankonform bebauten Nachbargrundstücke haben werde. Ohne diese Befreiungen müssten die Antragsteller ein Gebäude hinnehmen, das ein Sockel- und ein darüber liegendes zweites Vollgeschoss mit einem in Traufstellung zur Straße ausgerichteten Satteldach mit einer Neigung zwischen 150 und 300 aufwiese und bei dem die Oberkante des Erdgeschossfußbodens in der Gebäudemitte auf dem Niveau des höchsten Straßenpunktes läge. Ausgehend von einer Geschosshöhe von 3 m ergäbe das unter Berücksichtigung des Gefälles eine maximal zulässige Seitenfront zu den Nachbargrundstücken von 6 m Höhe und 20 m Tiefe, also in der Fläche von 120 m2. Bei Zulassung eines weiteren Vollgeschosses vergrößere sich diese Fläche um 50 %. Die Erweiterung des Gebäudes um die Balkone führe in ihrer Wirkung zu einer Vergrößerung um rund 2,50 m (Tiefe) mal 6 m (Höhe), also 15 m2. Schließlich erweitere das durch die Befreiung von der festgesetzten Dachform ermöglichte Staffelgeschoss die – wenn auch teilweise zurückversetzte – Wandfläche zu den Nachbargrundstücken um weitere (3 m x 18 m =) 54 m2. Die nicht förmlich zugelassene Abweichung von der maximal zulässigen Höhenlage in der Gebäudemitte um 18 cm führe zu einer weiteren Erhöhung des Baukörpers an den beiden Seitenwänden. Insgesamt ermögliche die Summe der Befreiungen eine mehr als doppelt so große, wenn auch gestaffelte Seitenwandfläche zu den Nachbargrundstücken, die die von § 7 LBO 2004 gebotenen Abstandsflächen (nur) im letzten Entwurf „punktgenau“ einhielten. Daher stelle sich das Vorhaben den Antragstellern gegenüber aller Voraussicht nach als rücksichtslos dar, weil es auf die plankonformen Nachbargebäude erdrückend wirke, was im konkreten Einzelfall durch die ausgewiesenen Abstandsflächen nicht in dem gebotenen Maß aufgefangen werde. Der zugelassene Baukörper liege gerade bezüglich der räumlichen Wirkung auf das angrenzende Grundstück der Antragsteller „weit jenseits dessen“, was sie nach den Vorgaben des Bebauungsplans für ihre Umgebungsbebauung erwarten könnten. Die Kombination aus entstehender Wandhöhe und Bautiefe lasse das Bauwerk mit hoher Wahrscheinlichkeit als erdrückend und damit gegenüber den Angrenzern rücksichtslos erscheinen. Erschwerend komme hinzu, dass das Staffelgeschoss nach der im Jahr 1980 geltenden Landesbauordnung, auf die der Bebauungsplan verweise, ein Vollgeschoss sei und dass die Antragsgegnerin der Beigeladenen mit einem Abweichungsbescheid vom Oktober 2010 – allerdings offenbar für ein anderes Vorhaben – eine Befreiung erteilt habe, diese aber in die späteren Zulassungsbescheide mit aufgenommen habe. Unter Zugrundelegung der Definition des § 2 Abs. 5 LBO 1965/74 habe das Vorhaben vier statt der nach dem Bebauungsplan zulässigen zwei Vollgeschosse. Da sich der Ausgang der Widerspruchsverfahren daher als „sehr erfolgversprechend“ erweise, sei dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe stattzugeben gewesen. Daraus ergebe sich auch ein Anspruch der Antragsteller auf Erlass und gegebenenfalls Durchsetzung einer vorläufigen Einstellung der Bauarbeiten durch die Antragsgegnerin. Darüber hinaus halte das Bauvorhaben in der zuletzt präsentierten Form die Abstandsflächen zum Grundstück der Antragsteller zwar ein, sei aber hinsichtlich des Vollwärmeschutzes „zumindest zweifelhaft dargestellt“. Nach der Beschreibung bestehe die Gesamtkonstruktion der Außenwände aus „Mauerstein 24 + Vollwärmeschutz 12 EnEV“. In den Plänen finde sich aber keine Darstellung von 36 cm dicken Außenwänden. Deshalb werde für die weiteren Planungen darauf hingewiesen, dass die Vergünstigung für Außenwandverkleidungen in dem § 8 Abs. 2 Nr. 4 LBO 2004 nur nachträgliche Maßnahmen erfasse, die bei Errichtung des Gebäudes rechtlich nicht gefordert gewesen seien. Soweit die Antragsteller die Aufschüttungen und die errichteten Stützmauern für nach Abstandsflächenrecht unzulässig hielten, fehle ein Anordnungsgrund für den Erlass einer Baueinstellung und eine Beseitigungsanordnung im Wege einstweiliger Anordnung komme wegen der damit verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache nicht in Betracht.

Gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts richten sich die Beschwerden sowohl der Antragsgegnerin als auch der Beigeladenen. Die Beigeladene hat unter dem 23.2.2012 gegenüber der Antragsgegnerin auf die Rechte aus dem Zulassungsbescheid vom 9.11.2011 verzichtet.

II.

Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 14.2.2012 – 5 L 1919/11 –, mit dem zum einen die aufschiebende Wirkung der von den Antragstellern erhobenen Widersprüche gegen die Zulassungsbescheide vom 9.11.2011 und von 2.2.2012 angeordnet worden ist und zum anderen die Antragsgegnerin verpflichtet wurde, die Arbeiten zur Errichtung des Mehrfamilienhauses auf der Parzelle Nr. 44/8 in Flur 20 der Gemarkung S sofort vollziehbar einzustellen, sind nicht begründet.

A.

Das Verwaltungsgericht hat dem auf der Grundlage des § 123 Abs. 1 VwGO zu beurteilenden Begehren der Antragsteller auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten zu Recht entsprochen. Dabei ist zunächst – klarstellend – davon auszugehen, dass dieses Begehren nicht die von der bauaufsichtsbehördlichen Anordnung vom 2.5.2011 erfassten Arbeiten zur Errichtung von Stützmauern und Aufschüttungen im rückwärtigen Grundstücksteil umfasst. Sie wurden in der Folge nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin eingestellt und seither nicht wieder aufgenommen. Dem insoweit in der erstinstanzlichen Entscheidung enthaltenen – zutreffenden – Hinweis auf das Fehlen eines Anordnungsgrundes sind die Antragsteller nicht entgegengetreten.

Hinsichtlich des geplanten Mehrfamilienhauses der Beigeladenen liegen hingegen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 81 Abs. 1 Satz 1 LBO 2004 für den Erlass einer Baueinstellungsanordnung vor. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand spricht sehr viel dafür, dass die nach § 7 Abs. 1 LBO 2004 vor den Außenwänden des Gebäudes einzuhaltenden und hinsichtlich ihrer Tiefe nach den Vorgaben des § 7 Abs. 4 und 5 LBO 2004 zu ermittelnden Abstandsflächen an der dem Grundstück der Antragsteller zugekehrten Seite des Bauvorhabens nicht vollständig auf dem Baugrundstück (§ 7 Abs. 2 Satz 1 LBO 2004) liegen werden. Die Nichtbeachtung dieser anerkannt nachbarschützenden landesrechtlichen Vorschriften würde den Antragstellern als den konkret betroffenen Grundstücksnachbarn während der Bauphase grundsätzlich ungeachtet des der Behörde in § 81 Abs. 1 LBO 2004 eingeräumten Ermessens und unabhängig von einer tatsächlichen Betroffenheit einen subjektiven Anspruch auf Tätigwerden der zuständigen Bauaufsichtsbehörde, hier der Antragsgegnerin, vermitteln. Da der Regelungsgehalt des Zulassungsbescheids der Antragsgegnerin vom 2.2.2012 ausschließlich bauplanungsrechtliche Fragen betrifft, entfaltet er hinsichtlich der hier in Rede stehenden bauordnungsrechtlichen Anforderungen an das Bauvorhaben der Beigeladenen keine Sperrwirkungen für das von den Antragstellern begehrte bauaufsichtsbehördliche Einschreiten. Insoweit ist daher auch das Aussetzungsverfahren (§§ 123 Abs. 5, 80a, 80 Abs. 5 VwGO) nicht vorrangig.

Die von der Beigeladenen im Rahmen des Genehmigungsfreistellungsverfahrens (§§ 63 LBO 2004, 1 Abs. 2 BauVorlVO 2011) im Februar 2012 eingereichten geänderten und nach dem förmlichen Verzicht der Beigeladenen auf die Rechte aus dem „Zulassungsbescheid“ vom 9.11.2011 allein noch relevanten Bauvorlagen sind, was die Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften angeht, nicht eindeutig und legen eine Unterschreitung der sich aus dem § 7 LBO 2004 ergebenden Grenzabstandserfordernisse nahe. Werden, wie in dem vorliegenden Fall, die gesetzlich „zentimetergenau“ vorgegebenen Grenzen der Zumutbarkeit für einen Nachbarn im Bereich des Abstandsflächenrechts in den Planvorlagen fast vollkommen „ausgereizt“, ist zunächst ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass die Darstellung des Bauvorhabens in den vorgelegten Plänen, gerade weil auch das Bauordnungsrecht als materielle Anforderung nach § 63 LBO 2004 nicht „Prüfungsgegenstand“ der Gemeinde oder der Bauaufsichtsbehörde ist, so eindeutig ist, dass sie eine Unterschreitung des von dem Nachbarn einforderbaren Grenzabstands einer dem Abstandsflächenerfordernis unterliegenden Wand beziehungsweise eines Wandabschnitts ausschließen. Das ist hier nicht der Fall.

Die in der Abstandsflächenberechnung ermittelten seitlichen Abstände zu der Grenze der Parzelle der Antragsteller wurden an verschiedenen Stellen „zentimetergenau“ in die Grundrisszeichnungen übernommen, in denen als objektbezogener Anknüpfungspunkt (jeweils) der äußere Punkt einer Außenwand dargestellt ist, deren Abmessungen in der Dicke nicht dem von der Beigeladenen angegebenen endgültigen Bauzustand entspricht. So wurde – bezogen auf das Grundstück der Antragsteller – beispielsweise für den im mittleren Gebäudebereich etwa 0,55 m hervortretenden Wandteil unter der Bezeichnung „A 06“ mit Blick auf den § 7 Abs. 2 Satz 1 LBO 2004 bei einer in Ansatz gebrachten Wandhöhe von (einheitlich und nicht geneigt) 9,20 m mit dem Faktor 0,4 ein Mindestabstandserfordernis zur Grenze von 3,68 m berechnet (Blatt 10 der Bauvorlagen). Dieses ist in den Grundrissen für Unter-, Erd- und Obergeschoss an dieser Stelle bezogen auf den äußeren Punkt der dort dargestellten Außenwand mit einer Stärke von „23“ dargestellt. Nach der Ziffer 8.6 der Baubeschreibung weist die geplante „Gesamtkonstruktion der Außenwände“ indes eine Dicke von „36,00 cm“ auf. Der beigefügten Erläuterung lässt sich entnehmen, dass dieses Maß aus einer Dicke des „Mauersteins“ von – insoweit üblich – „24“ und zusätzlich einem „12“ dicken „Vollwärmeschutz EnEV“ resultiert.(vgl. dazu die Baubeschreibung Blatt 10 der Bauakte 20120077, wonach ursprünglich sogar ein Wärmeschutz von 14 cm und damit eine Wandstärke insgesamt von 38 cm vorgesehen war, die handschriftlich nachträglich in der beschriebenen Weise „reduziert“ worden ist)

Daher spricht vieles dafür, dass in Wahrheit im Endausbau der Wand am Maßstab des § 7 Abs. 5 LBO 2004 unzureichende und von den Antragstellern nicht hinzunehmende Grenzabstände gewahrt werden und dass dies durch die nach Baubeginn mehrfach geänderten Pläne „kaschiert“ werden soll. Was die Beschwerdeführerinnen dagegen einwenden, vermag die Zweifel an der Einhaltung der Abstandsflächen nicht auszuräumen. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Stellungnahme vom 16.1.2012 zu dem Antrag (Seite 3) eingeräumt, dass aus den Plänen nicht erkennbar sei, ob der darin nicht dargestellte „Vollwärmeschutz in den Abstandsflächen aufgebracht“ werden müsse. Ihr anschließender Hinweis in dem Zusammenhang, dass sie – bezogen auf den zuvor angesprochenen Wandabschnitt – zum Grundstück der Antragsteller hin einen Grenzabstand der „fertigen Wand … von 3,68 m genehmigt“ habe, vermag nicht zu überzeugen. In dem Bereich der von der Antragsgegnerin angenommenen Genehmigungsfreistellung für die Errichtung von Gebäuden im Geltungsbereich qualifizierter Bebauungspläne (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 LBO 2004) ergeht keine „Genehmigung“ mehr und soll nach dem Willen des Landesgesetzgebers insgesamt auch keine präventive Prüfung materieller baurechtlicher Anforderungen an von dieser Regelung erfasste Bauvorhaben mehr erfolgen. Davon sind die Bauherrinnen und Bauherrn, wie schon die Gesetzesüberschrift verdeutlicht, mit allen Konsequenzen auch hinsichtlich des Verlusts an Rechtssicherheit „freigestellt“ beziehungsweise nach dem Willen des Gesetzgebers (alternativlos) in die Eigenverantwortung entlassen (§ 60 Abs. 2 LBO 2004). Die des ungeachtet nach § 1 Abs. 2 BauVorlVO 2011 in diesem Verfahren einzureichenden vollständigen Bauvorlagen sind, auch wenn die Nichtbefolgung dieser Vorlagepflichten und Abweichungen von den Bauvorlagen – so sie denn festgestellt werden – bereits den Erlass von Baueinstellungsanordnungen rechtfertigen (§ 81 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 3 LBO 2004), lediglich noch als Indiz oder als Bauabsichtserklärung der Bauherrinnen und Bauherren anzusehen. Der Einwand der Antragsgegnerin erinnert an die im Bereich genehmigungsbedürftigen Bauens – wohlgemerkt nur – für Aussetzungsbegehren anerkannte Maßgeblichkeit allein des durch den Genehmigungsinhalt konkretisierten Bauvorhabens. Entscheidend bleibt vorliegend – wie bei auf die Unterbindung von einer erteilten Genehmigung abweichenden Bauens gerichteten Nachbaranträgen – hinsichtlich des Einschreitensbegehrens der Antragsteller in erster Linie die konkrete Bauausführung. Auf diese bezogen bilden die eingereichten Bauvorlagen nur eine Interpretationsgrundlage, solange nicht die Antragsgegnerin durch konkrete Feststellungen vor Ort die Einhaltung des notwendigen Grenzabstands durch die „fertige Wand“, also in dem Fall der Abstandsfläche A 06 beispielsweise des Abstands von 3,68 m zur Grenze belegt. Da solche Feststellungen der Antragsgegnerin vor Ort hinsichtlich des teilrealisierten Bauwerks bisher ersichtlich nicht getroffen wurden, steht deren bloßer Hinweis auf eine „Genehmigung“ und ihren Inhalt dem Anspruch der Antragsteller auf Baueinstellung nicht entgegen, wenn sich den eingereichten Vorlagen eine Einhaltung der notwendigen Grenzabstände zu ihrem Grundstück nicht entnehmen lässt. Das ist hier – wie gesagt – der Fall. Der weitere Einwand der Antragsgegnerin, dass es zudem „möglich“ sei, die „Einhaltung der Energieeinsparverordnung auch auf andere Weise zu gewährleisten als durch die Anbringung eines umfänglichen äußeren Vollwärmeschutzes“, rechtfertigt ebenfalls keine andere Entscheidung. Entsprechende Alternativen sind jedenfalls in den von der Beigeladenen bei der Antragsgegnerin vorgelegten Plänen nicht vorgesehen. Der in der Bauakte befindliche undatierte „Nachweis über energiesparenden Wärmeschutz …“ des Dipl.Ing. S legt nach der Baubeschreibung 24 cm starke Außenmauern aus Kalksandstein und ausweislich des auf Seite 4 oben des Nachweises (Blatt 52 der Bauakte) mitgeteilten Schichtaufbaus zusätzlich neben einem Dünnbettmauermörtel (1 cm) und einem Gipsputz (1 cm) eine 12 cm dicke Schicht aus Polyurethan (PU) – Hartschaum zugrunde. Mangels abweichender Anhaltspunkte muss nach gegenwärtigem Erkenntnisstand von einer „abstandsflächenrelevanten“ Aufbringung zumindest der Dämmschicht auf der Außenseite der Mauer ausgegangen werden. Darauf, ob – wie die Beigeladene ausführt – diesem technischen Nachweis entnommen werden kann, dass das Gebäude die „Anforderungen der EnEV bestens erfüllt“, kommt es insoweit nicht an. Gleiches gilt auch für die schriftsätzlich allgemein, das heißt nicht für konkrete Wände, behaupteten Möglichkeiten der Reduzierung von Dämmstoffstärken. Das wäre, sofern dieser Bau fortgesetzt werden soll, gegebenenfalls in an dem auf der Grundlage der ursprünglichen Pläne teilverwirklichten Bauwerk orientierten Bauvorlagen und durch eine Bauaufnahme seitens der Antragsgegnerin vor Ort zu konkretisieren. In dieser ungeklärten Situation kann jedenfalls den Nachbarn nicht angesonnen werden, eine Realisierung des Gebäudes „erst einmal“ hinzunehmen. Auch die nun im Beschwerdeverfahren vorgelegte nachgebesserte Version des Nachweises über den Wärmeschutz vom 4.2.2012 sorgt nicht für die notwendige Klärung und rechtfertigt daher keine andere Beurteilung. Dort findet sich zwar auf der Seite 4 nun eine ergänzende Berechnung für eine Außenwand mit der Stärke (d =) 15 cm, an der neben Gipsputz (wohl innen) und einem Dünnbettmauermörtel (0,5 cm) nur noch eine 8 cm dicke Hartschaumschicht (wohl) dichterer Konsistenz aufgebracht werden soll. Weder diesem „Nachweis“ noch den Ausführungen in dem zugehörigen Schriftsatz der Beigeladenen lässt sich jedoch mit der gebotenen Sicherheit entnehmen, an welchen Stellen des Gebäudes diese danach für den Wärmeschutz fast gleichwertigen reduzierten „Außenwände“ eingebaut werden sollen. Es ist weder Sache der Antragsteller noch des Senats insoweit eigene Mutmaßungen anzustellen, ob hierdurch der im Raum stehende Abstandsflächenverstoß – gegebenenfalls durch einen Umbau – für bestimmte Wände ausgeräumt werden könnte, oder ob sich diese Verdünnung der Wände konkret auf die an dem seitlichen Vorsprung im Bereich der Abstandsfläche A 06 beziehen soll. Das in den Grundrissdarstellungen zur linken Seite hin eingetragene Maß von „23“ im Bereich des mittleren Wandabschnittes mag zwar auf die Absicht hinweisen, in diesem Bereich einen Wandaufbau entsprechend der Angabe „d = 15 cm“ im Wärmeschutznachweis (15 cm Mauerwerk + 8 cm Dämmstoffauflage) auszuführen. Es bleibt jedoch der bereits angesprochene Widerspruch zwischen den Darstellungen in den Grundrissplänen und der „Beschreibung der baulichen Anlage“ (aktuell vom 27.1.2012), die von einer Gesamtkonstruktion der Außenwände mit 24 cm Mauerwerk „+ Vollwärmeschutz 12 EnEV“ ausgeht und die Gesamtdicke der – undifferenziert – „Außenwände“ mit 36 cm angibt.

Vor dem Hintergrund kann dahinstehen, ob das in den Plänen zeichnerisch „bewirkte“ Abrücken der dem Grundstück der Antragsteller zugekehrten Außenwand im Bereich des Staffelgeschosses um 16 cm in dem erstinstanzlich insoweit vordringlich thematisierten vorderen Teil des Gebäudes zur Ausräumung der vom Verwaltungsgericht in seiner Aufklärungsverfügung aufgezeigten abstandsflächenrechtlichen Bedenken geführt hat. Auf den gerichtlichen Hinweis im Schreiben an die Beteiligten vom 25.1.2012, dass der hinter den Garagen befindliche Wandabschnitt ausweislich der damals noch maßgeblichen, im September 2011 eingereichten und dem inzwischen überholten Zulassungsbescheid vom 9.11.2011 zugrunde liegenden Planzeichnungen bei einer gemessenen mittleren Wandhöhe von 11,05 m einem Abstandsflächenerfordernis von 4,42 m unterliege, wohingegen für den Bereich in den Grundrissen lediglich ein Abstand von 4,23 m zur Grenze des Nachbargrundstücks der Antragsteller vermaßt sei, hat die Beigeladene diesen Wandabschnitt – was abstandsflächenrechtlich trotz der Höhenlage und des geringen „Versatzes“ unbedenklich erscheint – im Bereich des obersten Geschosses (Staffelgeschoss) um 16 cm von der gemeinsamen Grenze abgerückt. Gleichzeitig wurde in der ebenfalls ergänzten Abstandsflächenberechnung bezogen auf die Wand des obersten Geschosses ausgehend von einer mittleren Wandhöhe von 10,93 m ein Abstandserfordernis zur Grenze des Grundstücks der Antragsteller von 4,37 m berechnet und (erstmals) in dem zugehörigen Abstandsflächenplan unter der Bezeichnung A 05.2 ausgewiesen. Die bei diesen Unterlagen befindlichen Grundrisszeichnungen weisen für die unteren Geschosse nach wie vor den erwähnten Abstand von (vermaßt für das Untergeschoss: 3,68 m + 0,55 m =) 4,23 m aus, und – mit Blick auf den erwähnten Rücksprung um 16 cm – für den entsprechenden Wandteil beim Staffelgeschoss nun einen Abstand von (4,23 m + 0,16 m =) „4,39 m“ bezogen auf den äußeren Punkt einer nur noch in einer Stärke von „20“ dargestellten Wand.

Sollten sich die Zweifel an der nachbarrechtlichen Unbedenklichkeit des Bauwerks am Maßstab des § 7 LBO 2004 im Verlaufe des Hauptsacheverfahrens hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens der Antragsteller nicht ausräumen lassen, so gingen diese Unklarheiten im Ergebnis zu Lasten der Beigeladenen.(vgl. zu den Konsequenzen einer inhaltlichen Widersprüchlichkeit von Bauvorlagen unter nachbarrechtlich relevanten Aspekten etwa Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp. XI Rn 38 mit Rechtsprechungsnachweisen) Das Verwaltungsgericht hat am Ende der erstinstanzlichen Entscheidung richtig darauf hingewiesen, dass das 2004 im materiellen Abstandsflächenrecht aus energiepolitischen Erwägungen heraus verankerte Privileg für abstandsflächenrechtlich relevante „nachträgliche Außenwandverkleidungen“ in dem § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LBO 2004 für die hier zur Rede stehende Neubaumaßnahme nicht in Anspruch genommen werden kann. Daher spricht nach dem derzeitigen Erkenntnisstand viel für einen Erfolg der Antragsteller im Hauptsacheverfahren. Deswegen ist ihnen der geltend gemachte Sicherungsanspruch (§ 123 Abs. 1 VwGO) zur Vermeidung einer Schaffung „vollendeter Tatsachen“ durch Realisierung des Vorhabens vor Abschluss des von ihnen eingeleiteten Rechtsbehelfsverfahrens zuzubilligen. Die Antragsteller müssen sich nicht auf eine nachträgliche Geltendmachung von Einschreitensansprüchen auf Abbruch nachbarrechtswidrig ausgeführter Teile des Gebäudes verweisen lassen.

Das Verwaltungsgericht hat daher dem auf Erlass einer Baueinstellung gerichteten Anordnungsbegehren der Antragsteller im Ergebnis zu Recht entsprochen. Die entgegenstehenden wirtschaftlichen Interessen an einer ungehinderten Fortführung der Arbeiten beziehungsweise an der Fertigstellung des Gebäudes sind demgegenüber nachrangig. Insoweit handelt es sich um die Realisierung mit den durch die Regelungen über die Genehmigungsfreiheit (§ 63 LBO 2004) verbundener wirtschaftlicher Risiken im Verantwortungsbereich der Bauherrinnen und Bauherrn („Bauen auf eigenes Risiko“). Da von den Antragstellern als Nachbarn angesichts der komplizierten verfahrensrechtlichen Regelungen in den §§ 60 ff. LBO 2004 eine entsprechende Differenzierung hinsichtlich des „richtigen“ Nachbarrechtsbehelfs nicht verlangt werden kann, ist der eine Voraussetzung für die Verpflichtungsklage auf Einschreiten in der Hauptsache bildende Verwaltungsantrag spätestens in dem umfassend begründeten Widerspruchsschreiben vom 6.1.2012 an die Antragsgegnerin zu erblicken. Darin wird die Abstandsflächenproblematik ausführlich thematisiert.

B.

Die Rechtsmittel sind auch unbegründet, soweit die Beschwerdeführerinnen sich gegen die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Anordnung der aufschiebenden Wirkung des von den Antragstellern nach ihrem unwidersprochenen Vortrag im Schriftsatz vom 13.2.2012 eingelegten Widerspruchs gegen den „Zulassungsbescheid“ vom 2.2.2012 wenden. Nachdem die Beigeladene im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens unter dem 23.2.2012 förmlich auf die Rechte aus dem „überholten“ Zulassungsbescheid vom 9.11.2011 verzichtet und damit insoweit im Ergebnis auch dem diesbezüglichen Aussetzungsbegehren der Antragsteller sowie der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Grundlage entzogen hat, richten sich die Beschwerden allein gegen die Aussetzungsentscheidung bezüglich des Bescheides vom 2.2.2012. Das hat die Antragsgegnerin bereits bei Einlegung des Rechtsmittels klargestellt und das kann auch dem Beschwerdevorbringen der Beigeladenen unschwer entnommen werden. Der Senat bejaht insoweit trotz der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Einstellung der Arbeiten zur (weiteren) Verwirklichung des Vorhabens (dazu unter A.) ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse der Antragsteller auch für die Aussetzungsentscheidung (§§ 212a, 80 Abs. 5 VwGO).

Der „Zulassungsbescheid“ vom 2.2.2012 beinhaltet nach seinem eindeutigen Wortlaut insgesamt fünf von der Antragsgegnerin im Rahmen des Genehmigungsfreistellungsverfahrens nach den §§ 63 Abs. 3 Satz 4, 68 Abs. 3 LBO für erforderlich gehaltene und nach dieser gesetzlichen Vorgabe für die Baufreigabe notwendige Befreiungen auf der Grundlage des § 31 Abs. 2 BauGB von mehreren Festsetzungen des im Jahre 1980 erlassenen Bebauungsplans „ W“. Welche rechtliche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, dass die Antragsgegnerin der Beigeladenen bereits im Oktober 2010 für die Herstellung eines Staffelgeschosses – freilich nicht bezogen auf das jetzige Bauvorhaben, sondern in einer davon abweichenden Ausführung – eine weitere Befreiung erteilt hat, bedarf hier keiner Vertiefung. Ein entsprechendes Anordnungsbegehren haben die Antragsteller beim Verwaltungsgericht nicht angebracht. Ob sie auch insoweit Widerspruch erhoben haben, lässt sich den vorgelegten Verwaltungsunterlagen nicht entnehmen.

Dem Umstand, dass eine etwaige Nichtbeachtung der landesrechtlichen Vorschriften über die Abstandsflächen – wie jedes andere bauordnungsrechtliche Hindernis mit Ausnahme baugestalterischer Vorgaben in örtlichen Bauvorschriften – beziehungsweise das sich gegebenenfalls hieraus ergebende Abweichungserfordernis nach dem § 63 Abs. 2 Nr. 3 LBO 2004 zwingend zum Ausschluss der von der Antragsgegnerin angenommenen Genehmigungsfreistellung(so ausdrücklich das gleichzeitig mit dem „Zulassungsbescheid“ an die Beigeladene gerichtete Schreiben der Antragsgegnerin vom 2.2.2012, Blatt 75 der Bauakte 20120077) führt und ein Baugenehmigungserfordernis zumindest nach § 64 LBO 2004 auslöst, muss im Rahmen vorliegender Entscheidung nicht nachgegangen werden. Sollte sich im Übrigen feststellen lassen, dass die nur an die Höhenvorgabe in § 2 Abs. 3 Satz 2 LBO 2004 geknüpfte Zuordnung zur Gebäudeklasse 3 (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LBO 2004) nach Anwendung des dort für hängige Geländestrukturen vorgeschriebenen Mittelungsverfahrens nicht zutrifft, wäre im Übrigen ein umfängliches Genehmigungsverfahren, dann nach § 65 Abs. 1 LBO 2004 unter Einschluss einer bauordnungsrechtlichen Prüfung, durchzuführen (§§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBO 2004). Für die Entscheidung in der vorliegenden nachbarrechtlichen Auseinandersetzung kann das auf sich beruhen. Eine Verletzung subjektiver Nachbarrechte kann sich von vorneherein nur aus einer Nichtbeachtung nachbarschützender Anforderungen des materiellen Rechts ergeben. Eine gegebenenfalls unrichtige Beurteilung verfahrensrechtlicher Vorgaben durch die zuständige Gemeinde beziehungsweise die Bauaufsichtsbehörden spielt für die Rechtsstellung des Nachbarn keine Rolle.(vgl. hierzu etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 8.12.2010 – 2 B 308/10 –, SKZ 2011, 46, Leitsatz Nr. 32, dort insbesondere auch zum Einwand einer unterbliebenen Nachbarbeteiligung auf der Grundlage des § 71 LBO 2004, und vom 27.5.2010 – 2 B 95/10 –, SKZ 2010, 159 ff.)

Die rechtlichen Vorgaben für die Entscheidung über derartige Aussetzungsanträge hat das Verwaltungsgericht zutreffend herausgestellt. Sie bedürfen keiner Wiederholung. Ungeachtet des insoweit geltenden Grundsatzes, dass in baurechtlichen Antragsverfahren nach den §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO Entscheidungskriterium für die Verwaltungsgerichte die mit den Erkenntnismöglichkeiten des Eilverfahrens zu prognostizierende Erfolgsaussicht des in der Hauptsache eingelegten Nachbarrechtsbehelfs gegen die nach § 212a BauGB sofort vollziehbare baurechtliche Zulassungsentscheidung(vgl. zur Geltung des § 212a Abs. 1 BauGB auch für „isolierte“ gemeindliche Befreiungsentscheidungen nach §§ 68 Abs. 3 LBO 2004, 31 Abs. 2 BauGB etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 5.7.2007 – 2 B 144/07 –, SKZ 2008, 77, Leitsatz Nr. 26 = BRS 71 Nr. 173 = AS 35, 170) ist und es daher für die Entscheidung nicht auf die objektive (umfassende) Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des bekämpften Bauvorhabens, sondern allein auf die Frage des Vorliegens einer für den Erfolg des Nachbarwiderspruchs oder gegebenenfalls einer anschließenden Anfechtungsklage unabdingbaren Verletzung dem Schutz des Nachbarn dienender Vorschriften des öffentlichen Rechts (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ankommt, gibt der vorliegende Fall Veranlassung zu folgendem Hinweis: Werden – wie hier – von der Gemeinde als Ortsgesetzgeber im Satzungswege erlassene Festsetzungen in Bebauungsplänen in einem solchen Umfang und zudem nicht einmal ansatzweise unter inhaltlicher Auseinandersetzung mit den für jede (ausnahmsweise) Befreiung von einzelnen Festsetzungen in Bebauungsplänen geltenden (strengen) rechtlichen Anforderungen des § 31 Abs. 2 BauGB, vielmehr – legt man den Bescheid vom 2.2.2012 zugrunde – allein mit dem Hinweis auf die Gebührenpflichtigkeit für dispensibel und damit letztlich „disponibel“ erklärt, so wirft das die Frage nach dem Sinn entsprechender Bauleitplanung überhaupt auf. Schon die Aufgabenumschreibung für die Bauaufsichtsbehörden in § 57 Abs. 2 LBO 2004 verdeutlicht, dass sich deren Verpflichtung auf die Überwachung einer Einhaltung der für das Vorhaben geltenden baurechtlichen Anforderungen insgesamt erstreckt, nicht hingegen nur darauf, wie die Antragsgegnerin das ausweislich ihrer Antragserwiderung im erstinstanzlichen Verfahren offenbar sieht, allein eine nachbarrechtliche Unbedenklichkeit und damit „Unangreifbarkeit“ von – gegebenenfalls auch ansonsten rechtswidrigen – Bauvorhaben sicherzustellen. Eine solche Praxis ist, auch wenn dem Aspekt im Rahmen des Nachbarstreits nicht Rechnung getragen werden kann,(vgl. zum fehlenden Abwehrrecht des Eigentümers eines bebauungsplankonform bebauten Grundstücks gegenüber einer objektiv offensichtlich rechtswidrigen Bebauung eines unmittelbar an den Geltungsbereich angrenzenden Außenbereichsgrundstücks BVerwG, Urteil vom 28.10.1993 – 4 C 5.93 –, BRS 55 Nr. 168) insbesondere dort bedenklich, wo sie Nachbarn betrifft, die ihr Grundstück selbst unter Einhaltung der Vorgaben des Bebauungsplans bebaut haben. Für die nach § 68 Abs. 3 LBO 2004 nach der Entscheidung des Landesgesetzgebers partiell an die Stelle der Bauaufsichtsbehörde tretenden Städte und Gemeinden gilt gerade mit Blick auf die von ihnen selbst erlassenen planungsrechtlichen Vorgaben in Bebauungsplänen nichts anderes.

Im vorliegenden Verfahren ist keine „inzidente“ Normenkontrolle geboten, auch nicht hinsichtlich des von der Antragsgegnerin in den Raum gestellten Außerkrafttretens einzelner Festsetzungen wegen „Funktionslosigkeit“ infolge vielfacher Nichtbeachtung in der Vergangenheit.(vgl. dazu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 26.11.2010 – 2 B 275/10 –, SKZ 2011, 45, Leitsatz Nr. 30 = BauR 2011, 890, wonach in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig von der Verbindlichkeit bauleitplanerischer Festsetzungen für das Baugrundstück auszugehen ist) Vielmehr ist ungeachtet von Bedenken hinsichtlich einzelner Festsetzungen des Bebauungsplans „ W“(vgl. etwa zur Unwirksamkeit von gebäudebezogenen Zusätzen bei der Festsetzung der zulässigen Zahl von Vollgeschossen mangels Ermächtigungsgrundlage OVG des Saarlandes, Urteil vom 25.11.1997 – 2 N 3/97 –, SKZ 1998, 105, 110, 180 = BRS 59 Nr. 18 = AS 26, 427) für die Eilrechtsschutzbegehren von deren Gültigkeit auszugehen. Handelt es sich – wie hier – mangels Anhaltspunkten für einen abweichenden Willen der Gemeinde in der Planurkunde insgesamt um nicht nachbarschützende Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise oder der überbaubaren Grundstücksfläche, so kommt eine Nachbarrechtsverletzung – wie vom Verwaltungsgericht im Ansatz zutreffend angenommen – nur unter dem Aspekt des Gebots der nachbarlichen Rücksichtnahme (§§ 31 Abs. 2 BauGB, 15 BauNVO 1977) in Betracht. Den Beschwerdeführerinnen ist zuzugestehen, dass von diesem Ansatz her die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Herleitung eines (möglichen) nachbarlichen Abwehranspruchs aus einer „Summenbetrachtung“ unter Rückgriff auf diesbezüglich befreiungsbezogen – aus seiner Sicht – gegenüber der „Planvorgabe“ zugelassene weitere seitliche Wandflächen des Gebäudes zumindest ernsthaften Bedenken unterliegt. Dies wie auch die von den Beschwerdeführerinnen vehement angegriffene „Flächenberechnung“ des Verwaltungsgerichts als solche bedarf indes hier keiner Vertiefung.

Im Falle der Einhaltung der zur Sicherstellung einer ausreichenden Besonnung, Belichtung und Belüftung von Nachbargrundstücken sowie zur „Wahrung des Nachbarfriedens“ erlassenen landesrechtlichen Bestimmungen über die Abstandsflächen (§§ 7, 8 LBO 2004) ist indes in aller Regel bis auf ganz besondere Ausnahmekonstellationen für die Annahme einer Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Nachbarn zumindest im Hinblick auf diese Regelungsziele kein Raum.(vgl. dazu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp. XI Rn 187 – 189, auch zur Frage eines „Einmauerns“ beziehungsweise einer „erdrückenden Wirkung“, mit Rechtsprechungsnachweisen, unter anderem BVerwG, Beschlüsse vom 11.12.2006 – 4 B 72.06 –, BRS 70 Nr. 176, zur „optisch bedrängenden“ Wirkung einer in der Nähe von Wohngrundstücken errichteten Windkraftanlage, und vom 16.7.1990 – 4 B 106.90 –, BRS 50 Nr. 76, Urteile vom 13.3.1981 – 4 C 1.78 –, BauR 1981, 354, zur Errichtung eines 12-geschossigen Wohn- und Geschäftshochhauses in einer ansonsten nur maximal zweigeschossige Wohngebäude aufweisenden Umgebung, und vom 23.5.1986 – 4 C 34.85 –, BRS 46 Nr. 176, zu drei auf Stahlstützen errichteten, insgesamt 11,50 m hohen Düngekalksilos in nur 3 m Grenzabstand zum Garten eines Wohngrundstücks) Bei Einhaltung der Abstandsflächenvorschrift wäre daher die Annahme einer dennoch „erdrückenden Wirkung“ aus gegenwärtiger Sicht sehr unwahrscheinlich. Letztlich bejahen ließe sich eine solche nur auf der Grundlage eines Eindrucks der konkreten Örtlichkeit, wobei im Rahmen der insoweit notwendigen wertenden Beurteilung gegebenenfalls auch andere vorhandene planabweichend ausgeführte Gebäude im Umfeld des Baugrundstücks zu berücksichtigen wären.

Ob umgekehrt, bezogen auf die hier in Rede stehende mögliche Unterschreitung der Mindestgrenzabstände, aus jeder Verletzung der „mathematisch-exakte“ Anforderungen stellenden Abstandsflächenvorschriften gewissermaßen „automatisch“ auf eine bundesrechtliche „Rücksichtslosigkeit“ geschlossen werden kann, erscheint angesichts des an den faktischen Auswirkungen und an dem Gedanken konkreter tatsächlicher Unzumutbarkeit orientierten nachbarlichen Interessenausgleichs unter Rücksichtnahmegesichtspunkten fraglich, ist aber bisher in der Rechtsprechung des Senats nicht abschließend geklärt.(vgl. hierzu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 23.9.2010 – 2 A 196/10 –, SKZ 2010, 332 ff.) Für den konkreten Fall wäre das im Hauptsacheverfahren gegebenenfalls einer eingehenden Beurteilung zuzuführen. Sollte sich aus den im Zusammenhang mit dem Begehren der Antragsteller auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Einstellung der Bauarbeiten genannten Gründen ergeben, dass die Mindestabstände nach § 7 LBO 2004 zur Grenze der Antragsteller nicht eingehalten werden, stünde eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots (§ 31 BauGB) zumindest ernsthaft im Raum. Auch wenn sich die Erfolgsaussichten des Nachbarrechtsbehelfs der Antragsteller gegen den Zulassungsbescheid vom 2.2.2012 im Aussetzungsverfahren daher noch nicht abschließend positiv beurteilen lassen, so ist eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung geboten, da die überschlägige Rechtskontrolle unter diesem Gesichtspunkt zumindest gewichtige Zweifel an der nachbarrechtlichen Unbedenklichkeit des angefochtenen Zulassungsbescheids begründet.

C.

Demnach war die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang zu bestätigen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO, 100 ZPO. Ein Ausspruch hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen (§ 162 Abs. 3 VwGO) ist im Hinblick auf den Verfahrensausgang nicht veranlasst.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 47 GKG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Juli 2007 - 6 K 2666/07 - geändert. Die Baugenehmigung des Landratsamtes Ostalbkreis vom 7. Juni 2006 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. Februar 2007 werden aufgehoben.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen eine Baugenehmigung, die seinem Nachbarn, dem Beigeladenen, die Errichtung eines Schuppens gestattet.
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus und einer Garage bebauten Grundstücks Flst. Nr. 178 (H. Straße 39) der Gemarkung .... Dem Beigeladenen gehört das nördlich angrenzende Anwesen H. Straße 41 (Flst. Nr. 177/5) und das westlich angrenzende, 3.146 m 2 große Grünlandgrundstück Flst. Nr. 177. Dieses Grundstück erstreckt sich hinter den bebauten Grundstücken auf der Westseite der H. Straße vom ...bach im Nordwesten bis zum Grundstück H. Straße 37 (Flst. Nr. 178/1) im Südosten. Es fällt von Osten nach Westen zum ...bach hin leicht ab.
Der Beigeladene hat im südöstlichen Bereich dieses Grundstücks, gegenüber dem Wohnhaus des Klägers und in einem Abstand von 2,5 m zu der gemeinsamen Grundstücksgrenze, einen 12 m langen, 5 m breiten sowie zwischen 4 und 5 m hohen Geräte- und Brennholzschuppen mit einem Pultdach errichtet.
Die örtliche Situation stellt sich wie folgt dar:
Der Beigeladene reichte am 27.3.2006 einen entsprechenden Bauantrag ein. Der Kläger erhob Einspruch und machte geltend, unter dem Gesichtspunkt des Lichtzutritts und der Feuchtigkeit ergäben sich aus dem Bauvorhaben nicht unerhebliche Nachteile für sein Grundstück. Außerdem sei der Grenzabstand nicht eingehalten.
Unter dem 7.6.2006 erteilte das Landratsamt Ostalbkreis die beantragte Baugenehmigung und wies den Einspruch des Klägers mit im Wesentlichen folgender Begründung zurück: Das Baugrundstück liege im Außenbereich. Das Bauvorhaben des Beigeladenen sei als sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB zulässig. Die beteiligten Stellen hätten eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange verneint. Der geplante Schuppen halte auch die erforderlichen Abstandsflächen ein.
Der Kläger legte hiergegen am 21.6.2006 Widerspruch ein. Er begründete diesen damit, das genehmigte Vorhaben verstoße zu seinen Lasten gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Der Schuppen solle unmittelbar an der Terrasse und vor dem Wohnzimmer seines Hauses errichtet werden. Dadurch werde die Lichtzufuhr zu diesen beeinträchtigt. Von dem Bauvorhaben gehe eine erdrückende Wirkung aus. Es verstoße ferner gegen Treu und Glauben und das Schikaneverbot, weil der Beigeladene die Möglichkeit habe, auf seinem großen Grundstück den Schuppen an einer Stelle zu errichten, die nicht an ein bestehendes Gebäude angrenze.
Am 2.8.2006 beantragte der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart mit derselben Begründung, seinem Widerspruch aufschiebende Wirkung beizumessen. Der Beigeladene führte in seiner Erwiderung auf diesen Antrag vier Gründe für die Wahl des Schuppenstandorts an: Zum einen habe er in den naturbelassenen Bachlauf mit altem Baumbestand nicht eingreifen wollen. Zum anderen könne er den Schuppen nicht an der Grenze zur „Parzelle 171 ... ...“ (Südwesten) erstellen, weil es sich dabei um den tiefsten Teil des Geländes handele, das oft knöcheltief unter Wasser stehe. Das Gleiche gelte ferner für den Bereich an der Grenze zum „Flurstück Nr. 178/1 ...“ (Südosten). Hier plane er zudem eine bepflanzte Sickergrube, die das Dachwasser des Schuppens aufnehmen solle. Schließlich sei der Bereich an der Grenze zum Grundstück des Klägers im Jahre 1964 mit Erdaushub aufgefüllt worden; das Gelände liege dort deshalb um etwa 1 bis 1,5 m höher. Ein Gebäude füge sich hier nahtlos in die Baulinie bestehender Gebäude ein.
Mit Beschluss vom 31.8.2006 lehnte das Verwaltungsgericht Stuttgart den Aussetzungsantrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus: Der genehmigte Schuppen verstoße nicht gegen das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme, da die Abstandsvorschriften der Landesbauordnung eingehalten seien. Es bestehe grundsätzlich kein schutzwürdiges Vertrauen eines Nachbarn, dass ein bisher unbebautes, im Außenbereich liegendes Grundstück auch künftig nicht bebaut werde. Dass der Blick auf den an der Grenze geplanten Schuppen den zuvor freien Blick auf die Landschaft beeinträchtige, begründe keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots.
10 
Der Senat wies die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 6.12.2006 - 8 S 2184/06 - zum einen deshalb zurück, weil der Beschwerdebegründung zufolge der Schuppen schon bei ihrer Abfassung errichtet war. Zum anderen spreche vieles dafür, dass das Verwaltungsgericht zu Recht einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme verneint habe. Der Beigeladene habe gegenüber dem Verwaltungsgericht vier Gründe angeführt, die gegen eine Errichtung des Schuppens an anderer Stelle sprächen. Da die Beschwerde sich damit nicht auseinandersetze, habe der Senat von ihrer Stichhaltigkeit auszugehen.
11 
Mit Bescheid vom 14.2.2007 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers gegen die Baugenehmigung vom 7.6.2006 mit denselben Argumenten zurück, die das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 31.8.2006 verwendet hatte.
12 
Am 15.3.2007 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage mit dem Antrag erhoben, die Baugenehmigung in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben. Er hat ausgeführt: Entgegen der Auffassung der Behörden liege eine erhebliche Beeinträchtigung seines Wohnhauses im Hinblick auf Belichtung, Belüftung und Besonnung vor. Von entscheidender Bedeutung sei jedoch, dass die Wahl des Schuppenstandorts schikanös sei, weil er an verschiedenen anderen Stellen auf dem Baugrundstück ohne Schwierigkeiten hätte errichtet werden können. Die vom Bauherrn angegebenen Gründe seien nicht nachvollziehbar. Die von ihm erwähnten Bäume stünden unmittelbar am Ufer und würden von der Errichtung des Schuppens nicht tangiert. Am ...bach befinde sich auch kein Gartenteich, vielmehr stünden dort bereits heute mehrere Schuppen. Bei dem Bereich entlang der Grenze zum Grundstück Flst. Nr. 171 handele es sich nicht um den tiefsten Teil des Geländes, vielmehr habe der Vater des Beigeladenen ihn mit Aushub aufgefüllt. Die Sickergrube entlang der Grenze zum Grundstück Flst. Nr. 178/1 führe zu einer zusätzlichen Belastung seines Hausgrundstücks. Diese hätte weiter nach unten verlagert werden können. Bei Aufstellung des Schuppens am ...bach hätte das Regenwasser im Übrigen unmittelbar in diesen eingeleitet werden können. Ferner habe der Beigeladene inzwischen den Bach mit Felsbrocken aufgestaut und leite das Bachwasser in die Sickergrube ein. Es könne keine Rede davon sein, dass hier Oberflächenwasser abgeführt werden solle. Richtig sei zwar, dass das Gelände auch entlang der Grenze zu seinem Grundstück aufgefüllt worden sei, was jedoch lediglich dazu führe, dass der Schuppen noch höher stehe und noch mehr Licht wegnehme. Von einer vorhandenen Baulinie könne keine Rede sein.
13 
Das beklagte Land hat Klagabweisung beantragt und im Wesentlichen auf die Begründung der angefochtenen Bescheide verwiesen. Im Hinblick auf die Standortwahl hat es ausgeführt, auf die Frage, ob das Gebäude an anderer Stelle auf dem Baugrundstück errichtet werden könne, komme es nicht an.
14 
Der Beigeladene hat zur Frage der Standortwahl wie folgt Stellung genommen: Der Baumbestand entlang der Bachgrenze sei etwa 10 bis 12 m breit; der Maschinenschuppen, auf den sich der Kläger berufe, stehe nicht am Bach. Der Bereich entlang der Grenze zur Parzelle 171 sei nicht mit Erdaushub aufgefüllt worden, dies sei lediglich entlang der Grenze zum Grundstück des Klägers geschehen. Dies werde durch ein Gerichtsurteil des Amtsgerichts Schwäbisch Gmünd vom 24.5.1966 bestätigt. Die Baugenehmigung sei vom Landratsamt erst nach dem Nachweis einer ordnungsgemäßen Entwässerung erteilt worden. Er habe eine Sickergrube gewählt, die zum Grundstück des Klägers einen Abstand von 8 m und zu den anderen angrenzenden Grundstücken einen solchen von mindestens 6 m aufweise. Das anfallende Regenwasser werde zudem zur Bewässerung eines neu geschaffenen Gemüsegartens genutzt. Eine Entwässerung in den Bach werde seit Mitte der siebziger Jahre nicht mehr akzeptiert. Für eine Wasserentnahme aus dem Bach bestehe keine Notwendigkeit. Es gebe deshalb auch keinen Grund, den Bach aufzustauen.
15 
Mit Urteil vom 3.7.2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt: Der genehmigte Schuppen verstoße nicht gegen das Rücksichtnahmegebot, da er keine für den Kläger unzumutbare Beeinträchtigungen zur Folge habe. Dies ergebe sich daraus, dass die Abstandsflächenbestimmungen eingehalten seien. Nicht entscheidungserheblich sei, ob der Beigeladene sein Bauvorhaben auch an einer anderen Stelle seines Grundstücks zulässigerweise errichten könnte.
16 
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 10.1.2008 - 8 S 1961/07 - zugelassene Berufung des Klägers, mit der er beantragt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Juli 2007 - 6 K 2666/07 -zu ändern und die Baugenehmigung des Landratsamtes Ostalbkreis vom 7. Juni 2006 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. Februar 2007 aufzuheben.
18 
Er macht geltend: Das Verwaltungsgericht habe die Grundsätze des Rücksichtnahmegebots verkannt und deshalb keine Abwägung der Empfindlichkeit und Schutzwürdigkeit des Begünstigten einerseits mit der Verständlichkeit und Unabweisbarkeit der mit dem Vorhaben verfolgten Interessen des Bauherrn andererseits vorgenommen. Der beigeladene Bauherr habe kein nachvollziehbares Interesse daran, das Gebäude unmittelbar vor sein (des Klägers) Anwesen zu platzieren. Vielmehr bringe dieser Standort nur Nachteile mit sich, weil der Schuppen vom Wohngebäude des Beigeladenen sehr weit entfernt sei. Demgegenüber habe er (der Kläger) eindeutig dargelegt, dass er durch das wuchtige Bauwerk und dessen erdrückende Wirkung erheblich beeinträchtigt werde. Er habe die Nutzungsbereiche seines Hauses so ausgerichtet, dass Schlafzimmer, Wohnzimmer und Terrasse in die bislang unbebaute Richtung wiesen. Der Beigeladene habe dagegen aus schikanösen Gründen gehandelt. Er habe zunächst geplant, in dem Bereich, in dem der Schuppen heute stehe, Nordmanntannen anzupflanzen. Er (der Kläger) habe den Beigeladenen damals darauf hingewiesen, dass er mit den Tannen einen Abstand von mindestens 8 m einzuhalten habe. Darauf hin habe der Beigeladene gegenüber einem Dritten erklärt, dass wenn der Kläger die Nordmanntannen nicht wolle, er eben einen Schuppen vor sein Haus setzen werde, was er schließlich auch getan habe.
19 
Das beklagte Land beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen.
21 
Es erwidert: Das Gebot der Rücksichtnahme werde durch den genehmigten Schuppen nicht verletzt. Deshalb könne eine Interessenabwägung unterbleiben, weil der Kläger keine wehrfähige Position besitze. Ein Nachbar könne unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung seines Grundstücks grundsätzlich keine Rücksichtnahme verlangen, die über den Schutz des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts hinausgehe, weil diese landesrechtlichen Grenzabstandsvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots zur nachbarlichen Rücksichtnahme darstellten. Dies gelte allerdings nur „grundsätzlich“, was bedeute, dass Ausnahmen möglich sein müssten, da Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers stehe. Im vorliegenden Fall lägen Besonderheiten, die unter den genannten Gesichtspunkten eine Ausnahme vom angeführten Grundsatz geböten, nicht vor. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass seine Aussicht in die freie Landschaft beeinträchtigt werde. Ebenso unbeachtlich sei seine Einlassung, er habe sein Haus so ausgerichtet, dass die Wohnbereiche in die unbebaute Richtung wiesen. Denn eine Baugenehmigung verleihe demjenigen, der sich seine Bauwünsche erfülle, nicht die Rechtsmacht, durch die Art und Weise der Bauausführung unmittelbaren Einfluss auf die Bebaubarkeit der Nachbargrundstücke zu nehmen. Selbst wenn Tatsachen vorlägen, die eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zulasten des Klägers begründen könnten, müssten sie in der Abwägung hinter die Interessen des Beigeladenen zurücktreten. Denn diesem stünden berechtigte Belange zur Seite, sein Bauvorhaben genau an der streitgegenständlichen Stelle zu errichten. Andere denkbare Standorte seien überschwemmungsgefährdet oder hätten eine Gefahr für den naturbelassenen Bachlauf mit altem Baumbestand mit sich gebracht. Zudem liege das erstellte Bauwerk in einer günstigen Entfernung zum schon bestehenden Wohnhaus. Selbst wenn schließlich die Interessen des Klägers und des Beigeladenen als gleichwertig eingestuft würden, müsse der Beigeladene seine berechtigten Belange nicht zurückstellen, um gleichwertige fremde Belange des Klägers zu schonen.
22 
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag, Er trägt vor: Durch den Bau des Schuppens habe der Kläger nicht beeinträchtigt oder gar schikaniert werden sollen. Ausschlaggebend für den gewählten Standort seien die Topografie des Geländes, das Einfügen in die Baulinie bestehender Gebäude und die erforderlichen Baukosten gewesen. Das Baugrundstück sei zwar relativ groß, aber er habe versucht, mit der zur Verfügung stehenden Fläche sorgsam und platzsparend umzugehen. Bei mehreren Ortsterminen mit der Baubehörde sei der Standort als ideal erkannt worden. Letztlich habe auch die räumliche Nähe (18 m) zu seinem neu errichteten Wohnhaus und der Umstand eine Rolle gespielt, dass der Bereich an der gemeinsamen Grundstücksgrenze im Jahre 1964 mit Erdaushub aufgefüllt worden sei und wegen dieser Erhöhung um etwa 1 m von Überschwemmungen verschont bleibe.
23 
Der Senat hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2008 einen Augenschein eingenommen. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Berufung des Klägers ist nach ihrer Zulassung im Beschluss des Senats vom 10.1.2008 statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben und die angefochtene Baugenehmigung aufheben müssen, denn sie ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil das genehmigte Bauvorhaben nicht die gebotene Rücksicht auf seine nachbarlichen Rechte nimmt, sondern sich ihm gegenüber als schikanös darstellt.
25 
Der durch die Baugenehmigung zugelassene Schuppen des Beigeladenen hält zwar zum Grundstück des Klägers - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften des § 5 LBO gebotenen Abstandsflächentiefen ein, was grundsätzlich indiziert, dass im Hinblick auf diese Belange auch das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot eingehalten ist, weil diese landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme darstellen (BVerwG, Beschluss vom 6.12.1996 - 4 B 215.96 - ZfBR 1997, 227; Beschluss des Senats vom 12.10.2004 - 8 S 1661/04 - VBlBW 2005, 74). Dies gilt aber nur „grundsätzlich“, was bedeutet, dass Ausnahmen möglich sein müssen, zumal das bauplanungsrechtliche Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht (BVerwG, Beschluss vom 11.1.1999 - 4 B 128.98 - BauR 1999, 615; Urteil vom 31.8.2000 - 4 CN 6.99 - BVerwGE 112, 41; Beschluss des Senats vom 12.10.2004, a. a. O.).
26 
Eine solche Ausnahme greift hier, denn der genehmigte Schuppen verstößt trotz Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften der Landesbauordnung gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) und verletzt damit das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme zulasten des Klägers. Dieses Gebot schützt nach seinem objektivrechtlichen Gehalt die Nachbarschaft vor unzumutbaren Einwirkungen, die von einem Vorhaben ausgehen (BVerwG, Urteil vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - BauR 2007, 674). Eine besondere gesetzliche Ausformung hat es für Vorhaben im Außenbereich wie dem vorliegend streitigen in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen gefunden. Es greift jedoch auch als in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB unbenannter öffentlicher Belang in Fällen Platz, in denen sonstige nachteilige Wirkungen in Rede stehen (BVerwG, Urteile vom 21.1.1983 - 4 C 59.78 - BRS 40 Nr. 199 und vom 18.11.2004 - 4 C 1.04 - UPR 2005, 150). Dazu zählt die Rechtsprechung etwa „optisch bedrängende“ Wirkungen, die von einem Bauvorhaben auf bewohnte Nachbargrundstücke ausgehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - a. a. O. und vom 23.5.1986 - 4 C 34.85 - BRS 46 Nr. 176; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - a. a. O.). Rücksichtslos kann aber auch ein Bauvorhaben sein, das zulasten des betroffenen Nachbarn das auch im öffentlichen Recht geltende Schikaneverbot (vgl. etwa: OVG Saarland, Urteil vom 30.3.1993 - 2 R 17/92 - BRS 55 Nr. 158; Beschluss vom 23.2.2000 - 2 W 2/00 - BRS 63 Nr. 132; OVG NRW, Beschluss vom 12.6.1995 - 7 E 1130/94 - NVwZ-RR 1996, 126) verletzt.
27 
Eine Schikane im Sinne des § 226 BGB liegt vor, wenn die Geltendmachung eines Rechts keinen anderen Zweck haben kann als die Schädigung eines anderen, wenn der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt oder wenn das Recht nur geltend gemacht wird, um ein unlauteres Ziel zu erreichen (BGH, Beschluss vom 9.7.2007 - II ZR 95/06 - juris m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Nach den Feststellungen, die der Senat beim Augenschein im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2008 getroffen hat, hat der Beigeladene mit der Errichtung des Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers in einer Entfernung zur gemeinsamen Grundstücksgrenze, die lediglich der abstandsflächenrechtlich vorgeschriebenen Mindestentfernung entspricht, nur dessen Schädigung bezweckt, ohne damit auch nur entfernt ein eigenes Interesse zu verfolgen. Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgendem:
28 
Der Beigeladene beruft sich zum einen darauf, die räumliche Nähe zu seinem Wohnhaus habe für den gewählten Schuppenstandort gesprochen. Diese Darstellung ist aber kaum nachvollziehbar. Denn wenn er das Ziel verfolgt hätte, den Schuppen - etwa wegen des darin zu lagernden Brennholzes - möglichst nahe an seinem Wohngebäude zu platzieren, so hätte es sich aufdrängen müssen, einen Standort in zentraler Lage des großen Baugrundstücks, z. B. in westlicher Fortsetzung des neben seinem Wohnhaus stehenden (blauen) Containers in dem Bereich zu wählen, in dem heute ein aus dem früheren Dachgiebel seines alten Wohnhauses bestehender Holzschuppen steht. Unter dem Gesichtspunkt seiner Erreichbarkeit auf möglichst kurzem Wege erscheint die nach Südosten abgerückte Situierung des Schuppens dagegen wenig plausibel. Es kommt hinzu, dass seine Ausrichtung in Nord-Süd-Richtung, wodurch er sich riegelartig vor den Wohn- und Terrassenbereich des Klägers stellt, für den Beigeladenen ersichtlich keinerlei Vorteile bietet. Denn schon eine leichte Verschiebung nach Norden und Drehung des Baukörpers, was einen Zugang von Norden her ermöglicht hätte, hätte die Zugangsentfernung vom Wohnhaus des Beigeladenen deutlich verkürzt und zugleich den Wohnbereich des Klägers vor einer den Blick in die freie Landschaft abschottenden Wirkung bewahrt.
29 
Einer solchermaßen die Belange des Klägers schonende und den geltend gemachten Wünschen des Beigeladenen entgegen kommende Anordnung des Schuppens steht auch nicht die Topografie entgegen. Denn das Gelände fällt zum einen von der H. Straße nach Westen nicht so stark ab, dass eine Anordnung des Schuppens im unmittelbaren westlichen oder südlichen Anschluss an den vorhanden Zufahrtsbereich über das Wohngrundstück des Beigeladenen (Flst. Nr. 177/5) eine zu steile Rampe erforderlich gemacht hätte. Im Übrigen hätten es die Platzverhältnisse ohne weiteres erlaubt, die Zufahrt geschwungen anzulegen, um zusätzlich Höhe abzubauen. Die Topografie des Geländes hätte bei einer Errichtung des Schuppens hinter dem (blauen) Container des Beigeladenen oder westlich der Garage des Klägers auch keine Mehrkosten erfordert. Insbesondere trägt das Argument des Beigeladenen nicht, hierzu wären erhebliche Abgrabungen und Aufschüttungen erforderlich gewesen. Denn nach den im Augenschein getroffenen Feststellungen des Senats mussten auch zur Errichtung des vorhandenen Schuppens Abgrabungen bis zu einer Höhe von etwa 1,20 m vorgenommen werden. Umfänglicherer Abtragungen hätte es auch bei einer anderen Situierung nicht bedurft.
30 
Zum anderen will der Beigeladene mit seinem Hinweis auf die Topografie wohl geltend machen, alle anderen denkbaren Standorte für den Schuppen auf dem Grundstück Flst. Nr. 177 seien von Überschwemmungen bedroht. Diesem Vorbringen vermag der Senat aus mehreren Gründen nicht zu folgen: Hätte er einen näher zu seinem Wohnhaus hin gelegenen Standort gewählt, hätte sich wegen des ansteigenden Geländes die Überschwemmungsgefahr von selbst verringert. Im Übrigen wird diese Gefahr ersichtlich nur vorgeschützt. Denn einerseits stehen in unmittelbarer Nähe des ...baches auf einem tiefer liegenden Terrain als dasjenige des Beigeladenen die beiden Schuppen der Landwirte ... und ... und es spricht nichts dafür, dass diese dort errichtet worden wären, würde tatsächlich ihre Überflutung drohen. Sie wurden zudem zu einer Zeit errichtet, als noch keine Hochwasserrückhaltemaßnahmen am ...bach getroffen worden waren und demgemäß eine Überschwemmungsgefahr - so sie denn bestünde - weit höher gewesen wäre. Andererseits belegen die seitens des Klägers vorgelegten Fotos, dass der Beigeladene am Bachlauf, auf den am tiefsten gelegenen Bereichen des Baugrundstücks selbst umfängliche Holzlagerungen vorgenommen und Maschinen (Kompressor) abgestellt hatte, was er ebenfalls nicht getan hätte, hätte er damit rechnen müssen, dass das Holz fortgeschwemmt und der Kompressor beschädigt werde.
31 
Auch die weiteren Gründe, die der Beigeladene dafür anführt, dass der gewählte Standort für den Schuppen ideal sei, entsprechen ersichtlich nicht der Realität. Das Ziel der Erhaltung des naturbelassenen Bachlaufs mit seinem Baumbestand spricht keinesfalls für die Entscheidung, den Schuppen - zumal mit seiner ganzen Breitseite - exakt vor den Wohnbereich des Klägers zu platzieren. Denn das Baugrundstück grenzt nur mit seiner Nordwestseite an den ...bach. Seine gesamte Tiefe hätte damit für die Errichtung des Bauwerks zur Verfügung gestanden. Ferner ist nicht zu erkennen, dass die „Sickergrube“, die der Beigeladene südlich des Schuppens angelegt hat, für dessen Situierung eine Rolle gespielt haben kann. Denn sie hätte neben jedem anderen Schuppenstandort ebenso angelegt werden können. Auch die Aufnahme- und Durchleitungsfähigkeit des Untergrunds für das anfallende Dachwasser kann keine Rolle gespielt haben. Denn tatsächlich handelt es sich nicht um eine Anlage, die der Versickerung des Niederschlagswassers dient, sondern um ein Überlaufbecken, in dem das Dachwasser zunächst zurückgehalten wird. Schließlich ist das Vorbringen des Beigeladenen, er habe den Schuppen in die Baulinie bestehender Gebäude einfügen wollen, nicht nachvollziehbar. Denn eine (faktische) Baulinie, die den Schuppenstandort mit umfasst, existiert offensichtlich nicht. Eine solche lässt sich weder den vorliegenden Plänen entnehmen, noch hat der Senat bei der Einnahme des Augenscheins eine derartige Linie feststellen können.
32 
Nach allem ist davon auszugehen, dass die Anordnung des streitigen Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers unter Einhaltung (lediglich) des bauordnungsrechtlich einzuhaltenden Minimalabstandes zur gemeinsamen Grundstücksgrenze keinem anderen Zweck dient als der Schädigung des Klägers und ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse des Beigeladenen zugrunde liegt. Sie verstößt damit zulasten des Klägers gegen das Schikaneverbot und damit zugleich gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Unter Abänderung des angefochtenen Urteils ist deshalb der Klage stattzugeben und die für diesen Schuppen erteilte Baugenehmigung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO aufzuheben.
33 
Gründe für eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.
34 
Beschluss
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 63 Abs. 2 GKG in Anlehnung an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004 (VBlBW 2004, 467, 469) auf EUR 7.500,-- festgesetzt.
36 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Gründe

 
24 
Die Berufung des Klägers ist nach ihrer Zulassung im Beschluss des Senats vom 10.1.2008 statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben und die angefochtene Baugenehmigung aufheben müssen, denn sie ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil das genehmigte Bauvorhaben nicht die gebotene Rücksicht auf seine nachbarlichen Rechte nimmt, sondern sich ihm gegenüber als schikanös darstellt.
25 
Der durch die Baugenehmigung zugelassene Schuppen des Beigeladenen hält zwar zum Grundstück des Klägers - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften des § 5 LBO gebotenen Abstandsflächentiefen ein, was grundsätzlich indiziert, dass im Hinblick auf diese Belange auch das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot eingehalten ist, weil diese landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme darstellen (BVerwG, Beschluss vom 6.12.1996 - 4 B 215.96 - ZfBR 1997, 227; Beschluss des Senats vom 12.10.2004 - 8 S 1661/04 - VBlBW 2005, 74). Dies gilt aber nur „grundsätzlich“, was bedeutet, dass Ausnahmen möglich sein müssen, zumal das bauplanungsrechtliche Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht (BVerwG, Beschluss vom 11.1.1999 - 4 B 128.98 - BauR 1999, 615; Urteil vom 31.8.2000 - 4 CN 6.99 - BVerwGE 112, 41; Beschluss des Senats vom 12.10.2004, a. a. O.).
26 
Eine solche Ausnahme greift hier, denn der genehmigte Schuppen verstößt trotz Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften der Landesbauordnung gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) und verletzt damit das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme zulasten des Klägers. Dieses Gebot schützt nach seinem objektivrechtlichen Gehalt die Nachbarschaft vor unzumutbaren Einwirkungen, die von einem Vorhaben ausgehen (BVerwG, Urteil vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - BauR 2007, 674). Eine besondere gesetzliche Ausformung hat es für Vorhaben im Außenbereich wie dem vorliegend streitigen in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen gefunden. Es greift jedoch auch als in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB unbenannter öffentlicher Belang in Fällen Platz, in denen sonstige nachteilige Wirkungen in Rede stehen (BVerwG, Urteile vom 21.1.1983 - 4 C 59.78 - BRS 40 Nr. 199 und vom 18.11.2004 - 4 C 1.04 - UPR 2005, 150). Dazu zählt die Rechtsprechung etwa „optisch bedrängende“ Wirkungen, die von einem Bauvorhaben auf bewohnte Nachbargrundstücke ausgehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - a. a. O. und vom 23.5.1986 - 4 C 34.85 - BRS 46 Nr. 176; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - a. a. O.). Rücksichtslos kann aber auch ein Bauvorhaben sein, das zulasten des betroffenen Nachbarn das auch im öffentlichen Recht geltende Schikaneverbot (vgl. etwa: OVG Saarland, Urteil vom 30.3.1993 - 2 R 17/92 - BRS 55 Nr. 158; Beschluss vom 23.2.2000 - 2 W 2/00 - BRS 63 Nr. 132; OVG NRW, Beschluss vom 12.6.1995 - 7 E 1130/94 - NVwZ-RR 1996, 126) verletzt.
27 
Eine Schikane im Sinne des § 226 BGB liegt vor, wenn die Geltendmachung eines Rechts keinen anderen Zweck haben kann als die Schädigung eines anderen, wenn der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt oder wenn das Recht nur geltend gemacht wird, um ein unlauteres Ziel zu erreichen (BGH, Beschluss vom 9.7.2007 - II ZR 95/06 - juris m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Nach den Feststellungen, die der Senat beim Augenschein im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2008 getroffen hat, hat der Beigeladene mit der Errichtung des Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers in einer Entfernung zur gemeinsamen Grundstücksgrenze, die lediglich der abstandsflächenrechtlich vorgeschriebenen Mindestentfernung entspricht, nur dessen Schädigung bezweckt, ohne damit auch nur entfernt ein eigenes Interesse zu verfolgen. Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgendem:
28 
Der Beigeladene beruft sich zum einen darauf, die räumliche Nähe zu seinem Wohnhaus habe für den gewählten Schuppenstandort gesprochen. Diese Darstellung ist aber kaum nachvollziehbar. Denn wenn er das Ziel verfolgt hätte, den Schuppen - etwa wegen des darin zu lagernden Brennholzes - möglichst nahe an seinem Wohngebäude zu platzieren, so hätte es sich aufdrängen müssen, einen Standort in zentraler Lage des großen Baugrundstücks, z. B. in westlicher Fortsetzung des neben seinem Wohnhaus stehenden (blauen) Containers in dem Bereich zu wählen, in dem heute ein aus dem früheren Dachgiebel seines alten Wohnhauses bestehender Holzschuppen steht. Unter dem Gesichtspunkt seiner Erreichbarkeit auf möglichst kurzem Wege erscheint die nach Südosten abgerückte Situierung des Schuppens dagegen wenig plausibel. Es kommt hinzu, dass seine Ausrichtung in Nord-Süd-Richtung, wodurch er sich riegelartig vor den Wohn- und Terrassenbereich des Klägers stellt, für den Beigeladenen ersichtlich keinerlei Vorteile bietet. Denn schon eine leichte Verschiebung nach Norden und Drehung des Baukörpers, was einen Zugang von Norden her ermöglicht hätte, hätte die Zugangsentfernung vom Wohnhaus des Beigeladenen deutlich verkürzt und zugleich den Wohnbereich des Klägers vor einer den Blick in die freie Landschaft abschottenden Wirkung bewahrt.
29 
Einer solchermaßen die Belange des Klägers schonende und den geltend gemachten Wünschen des Beigeladenen entgegen kommende Anordnung des Schuppens steht auch nicht die Topografie entgegen. Denn das Gelände fällt zum einen von der H. Straße nach Westen nicht so stark ab, dass eine Anordnung des Schuppens im unmittelbaren westlichen oder südlichen Anschluss an den vorhanden Zufahrtsbereich über das Wohngrundstück des Beigeladenen (Flst. Nr. 177/5) eine zu steile Rampe erforderlich gemacht hätte. Im Übrigen hätten es die Platzverhältnisse ohne weiteres erlaubt, die Zufahrt geschwungen anzulegen, um zusätzlich Höhe abzubauen. Die Topografie des Geländes hätte bei einer Errichtung des Schuppens hinter dem (blauen) Container des Beigeladenen oder westlich der Garage des Klägers auch keine Mehrkosten erfordert. Insbesondere trägt das Argument des Beigeladenen nicht, hierzu wären erhebliche Abgrabungen und Aufschüttungen erforderlich gewesen. Denn nach den im Augenschein getroffenen Feststellungen des Senats mussten auch zur Errichtung des vorhandenen Schuppens Abgrabungen bis zu einer Höhe von etwa 1,20 m vorgenommen werden. Umfänglicherer Abtragungen hätte es auch bei einer anderen Situierung nicht bedurft.
30 
Zum anderen will der Beigeladene mit seinem Hinweis auf die Topografie wohl geltend machen, alle anderen denkbaren Standorte für den Schuppen auf dem Grundstück Flst. Nr. 177 seien von Überschwemmungen bedroht. Diesem Vorbringen vermag der Senat aus mehreren Gründen nicht zu folgen: Hätte er einen näher zu seinem Wohnhaus hin gelegenen Standort gewählt, hätte sich wegen des ansteigenden Geländes die Überschwemmungsgefahr von selbst verringert. Im Übrigen wird diese Gefahr ersichtlich nur vorgeschützt. Denn einerseits stehen in unmittelbarer Nähe des ...baches auf einem tiefer liegenden Terrain als dasjenige des Beigeladenen die beiden Schuppen der Landwirte ... und ... und es spricht nichts dafür, dass diese dort errichtet worden wären, würde tatsächlich ihre Überflutung drohen. Sie wurden zudem zu einer Zeit errichtet, als noch keine Hochwasserrückhaltemaßnahmen am ...bach getroffen worden waren und demgemäß eine Überschwemmungsgefahr - so sie denn bestünde - weit höher gewesen wäre. Andererseits belegen die seitens des Klägers vorgelegten Fotos, dass der Beigeladene am Bachlauf, auf den am tiefsten gelegenen Bereichen des Baugrundstücks selbst umfängliche Holzlagerungen vorgenommen und Maschinen (Kompressor) abgestellt hatte, was er ebenfalls nicht getan hätte, hätte er damit rechnen müssen, dass das Holz fortgeschwemmt und der Kompressor beschädigt werde.
31 
Auch die weiteren Gründe, die der Beigeladene dafür anführt, dass der gewählte Standort für den Schuppen ideal sei, entsprechen ersichtlich nicht der Realität. Das Ziel der Erhaltung des naturbelassenen Bachlaufs mit seinem Baumbestand spricht keinesfalls für die Entscheidung, den Schuppen - zumal mit seiner ganzen Breitseite - exakt vor den Wohnbereich des Klägers zu platzieren. Denn das Baugrundstück grenzt nur mit seiner Nordwestseite an den ...bach. Seine gesamte Tiefe hätte damit für die Errichtung des Bauwerks zur Verfügung gestanden. Ferner ist nicht zu erkennen, dass die „Sickergrube“, die der Beigeladene südlich des Schuppens angelegt hat, für dessen Situierung eine Rolle gespielt haben kann. Denn sie hätte neben jedem anderen Schuppenstandort ebenso angelegt werden können. Auch die Aufnahme- und Durchleitungsfähigkeit des Untergrunds für das anfallende Dachwasser kann keine Rolle gespielt haben. Denn tatsächlich handelt es sich nicht um eine Anlage, die der Versickerung des Niederschlagswassers dient, sondern um ein Überlaufbecken, in dem das Dachwasser zunächst zurückgehalten wird. Schließlich ist das Vorbringen des Beigeladenen, er habe den Schuppen in die Baulinie bestehender Gebäude einfügen wollen, nicht nachvollziehbar. Denn eine (faktische) Baulinie, die den Schuppenstandort mit umfasst, existiert offensichtlich nicht. Eine solche lässt sich weder den vorliegenden Plänen entnehmen, noch hat der Senat bei der Einnahme des Augenscheins eine derartige Linie feststellen können.
32 
Nach allem ist davon auszugehen, dass die Anordnung des streitigen Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers unter Einhaltung (lediglich) des bauordnungsrechtlich einzuhaltenden Minimalabstandes zur gemeinsamen Grundstücksgrenze keinem anderen Zweck dient als der Schädigung des Klägers und ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse des Beigeladenen zugrunde liegt. Sie verstößt damit zulasten des Klägers gegen das Schikaneverbot und damit zugleich gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Unter Abänderung des angefochtenen Urteils ist deshalb der Klage stattzugeben und die für diesen Schuppen erteilte Baugenehmigung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO aufzuheben.
33 
Gründe für eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.
34 
Beschluss
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 63 Abs. 2 GKG in Anlehnung an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004 (VBlBW 2004, 467, 469) auf EUR 7.500,-- festgesetzt.
36 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2007 - 2 K 3669/07 - geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 14. Mai 2007 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behält.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die fristgerecht eingelegte und begründete sowie inhaltlich den Anforderungen des § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO entsprechende Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23.7.2007 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Anders als das Verwaltungsgericht misst der Senat bei der vorliegend gebotenen Interessenabwägung dem Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung vom 14.5.2007 zwecks Verhinderung vollendeter Tatsachen Vorrang bei vor dem Interesse der Beigeladenen und der Antragsgegnerin, von der Baugenehmigung - dem gesetzlichen Regelfall entsprechend - sofortigen Gebrauch machen zu dürfen (vgl. §§ 80 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 80 Abs. 5 S. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212 a BauGB). Die Baugenehmigung gestattet die Errichtung eines Neubaus mit 15 Wohnungen und einer Gewerbeeinheit - bestehend aus einem langgestreckten Gebäude an der ... ... (Haus 1) und einem rechtwinklig angebauten Gebäude an der ... (Haus 2) sowie einer Tiefgarage mit Zufahrt für 19 Stellplätze. Nach derzeitigem - unvollständigem - Erkenntnisstand erscheint es durchaus denkbar, dass dieses Vorhaben gegen Vorschriften des Planungsrechts (Gebot der Rücksichtnahme) und des Bauordnungsrechts (§ 37 Abs. 7 LBO) verstößt, die (auch) dem Schutz der Antragsteller dienen, die Eigentümer eines westlich an das Baugrundstück an der... angrenzenden Wohngrundstücks sind. Diesbezügliche Einwendungen haben die Antragsteller im Baugenehmigungsverfahren auch rechtzeitig innerhalb der Frist des § 55 Abs. 2 S. 1 LBO erhoben.
I.
Bauplanungsrechtlich überschreitet das genehmigte Vorhaben in mehrfacher Hinsicht erheblich die Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans „Oscar-Parett-Straße“ vom 17.11.1987 zum Maß der baulichen Nutzung. Überschritten wird zunächst die Zahl der zulässigen Vollgeschosse. Der Bebauungsplan lässt höchstens (zwingend) zwei Vollgeschosse zu, während das Gebäude an der ... ... (Haus 1) dreigeschossig (mit Keller- und Dachgeschoss) ausgeführt ist und das - insofern wohl eigenständig zu beurteilende - Gebäude an der ... (Haus 2) wohl vier Vollgeschosse (zuzüglich eines Dachgeschosses mit weiteren Wohnungen) aufweist, da das „Untergeschoss“ mit der Gewerbeeinheit auf Grund der Topographie wohl die Voraussetzungen eines Vollgeschosses nach § 18 BauNVO 1977 i.V.m. § 1 Abs. 5 LBO 1983 erfüllen dürfte (vgl. dazu die Pläne „Ansicht Nord“ und „Schnitt B-B“; zur statischen Verweisung auf die LBO beim Vollgeschossbegriffs der BauNVO vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.1.1999 - 8 S 19/99 -, VBlBW 1999, 268). Von vier Vollgeschossen in diesem Bereich geht auch die Antragsgegnerin selbst aus (vgl. die baurechtliche Beurteilung der Verwaltung in der Vorlage für den Ausschuss für Umwelt und Technik des Gemeinderats vom 1.12.2006, Bl. 22 d.A.). Massiv überschritten wird ferner die nach dem Bebauungsplan zulässige Geschossfläche. Während der Bebauungsplan (auf der Grundlage einer GFZ von höchstens 1,2) auf dem Baugrundstück nur 1.176 qm erlaubt, nimmt das genehmigte Gebäude auf Grund seiner Grundfläche und der erhöhten Geschosszahl schon nach den Berechnungen der Beigeladenen eine Geschossfläche von 1.118 qm in Anspruch. Dies entspricht einer Überschreitung der zulässigen Grenze von 55 %, wobei die wirkliche Geschossfläche und der Überschreitungsquotient noch höher liegen dürften, da die Antragsgegnerin bei ihrer Berechnung von insgesamt nur drei Vollgeschossen ausgegangen ist.
1. Der Senat hat angesichts dessen gewichtige Zweifel, ob die Befreiungen, welche die Antragsgegnerin ohne nähere Begründung „gemäß § 31 Abs. 2 BauGB“ in erster Linie zwecks Umsetzung eines kommunalpolitisch erwünschten städtebaulichen Wettbewerbsentwurfs erteilt hat, sich noch im Rahmen der Grundzüge der Planung des Bebauungsplans „Oscar-Parett-Straße“ vom 17.11.1987 halten - wobei es insofern auf die Vorstellungen des Plangebers beim Satzungsbeschluss ankommt (vgl. Urteil des Senats vom 13.6.2007 - 3 S 881/06 -, VBlBW 2007, 385) -, und ob sie ermessensfehlerfrei sind. Zwar können sich die Antragsteller auf eine derartige objektive Rechtswidrigkeit der Befreiungen nicht unmittelbar berufen, da die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, von denen befreit worden ist, mangels erkennbarer gegenteiliger Absicht des Plangebers wohl - wie regelmäßig - allgemeinen städtebaulichen Interessen und nicht gezielt auch dem Schutz der Gebietsanlieger dienen sollen (vgl. dazu etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 5.11.1995 - 3 S 3096/94 -, BauR 1995, 512; zum fehlenden Nachbarschutz des § 31 Abs. 2 BauGB in solchen Fällen vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.7.1998 - 4 B 64.98 -, BauR 1998, 1206; ebenso Urteile vom 19.9.1986 - 4 C 8.84 -, BauR 1987, 70 und vom 10.12.1982 - 4 C 49.79 -, DVBl. 1983, 348). § 31 Abs. 2 BauGB entfaltet drittschützende Wirkung aber mit dem Gebot der Würdigung nachbarlicher Interessen. Befreiungen verletzen den Nachbarn in seinen Rechten, sofern er handgreiflich betroffen ist und die Behörde seinen Interessen nicht die gebotene Beachtung schenkt. Dies ist nach Maßgabe der Kriterien des Gebots der Rücksichtnahme in seiner nachbarschützenden Ausprägung zu beurteilen. Ob sich ein Vorhaben danach rücksichtslos, d.h. unzumutbar auswirkt, ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls - insbesondere der tatsächlichen und rechtlichen Vorbelastung der Grundstücke und des Gebiets, der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Bauherrn und des Nachbarn sowie der Art und Intensität aller in Betracht kommenden städtebaulich relevanten Nachteile zu beurteilen (st. Rspr. des Senats, vgl. bereits Beschluss vom 16.2.1990 - 3 S 155/90 -, Juris). Art und Ausmaß einer „rücksichtslosen“ Betroffenheit lassen sich demgemäß nicht statisch-absolut festlegen, sondern enthalten jeweils auch relativ-wertende Elemente. Bei dieser Bewertung kommt der objektiven Rechtmäßigkeit des betreffenden Vorhabens sowie seiner regel- oder nur ausnahmsweisen Zulässigkeit Bedeutung zu. So tritt Drittschutz des Rücksichtnahmegebots nur selten ein, wo eine Baugenehmigung im Einklang mit den Festsetzungen des Bebauungsplans steht; solcher Drittschutz kommt aber eher zum Zug, wo die Baugenehmigung - wie hier und zudem in rechtlich nicht unbedenklicher Weise - von nicht nachbarschützenden Festsetzungen im Wege einer Ausnahme oder Befreiung abweicht. Die Interessen des Nachbarn gewinnen dann auch nach der Rechtsprechung des Bundesveraltungsgerichts größeres Gewicht. Der Nachbar kann umso mehr an Rücksichtnahme verlangen, je empfindlicher seine Stellung durch die planabweichende Nutzung berührt wird und je schutzwürdiger er diesbezüglich ist. Umgekehrt braucht der Bauherr umso weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher, unabweisbarer und rechtlich schutzwürdiger seine Interessen sind. Daraus können sich für befreiungs- und nicht befreiungsbedürftige Vorhaben unterschiedliche Anforderungen an den Drittschutz ergeben (vgl. BVerwG, Urteile vom 19.9.1986 - 4 C 8.84 -, NVwZ 1987, 409, und vom 6.10.1989 - 4 C 14.87 -, NJW 1990, 1192 = DVBl. 1990, 205). Handelt es sich um ein befreiungsbedürftiges und zudem möglicherweise nicht befreiungsfähiges Vorhaben, so kann die Schwelle rücksichtsloser Betroffenheit des Nachbarn schon bei Nachteilen von etwas geringerer Intensität erreicht sein als dann, wenn das beanstandete Vorhaben mit den Regelfestsetzungen des betreffenden Bebauungsplans übereinstimmt (vgl. Beschluss des Senats vom 16.2.1990 - 3 S 155/90 -, Juris).
2. Gemessen daran kommt zumindest nach derzeitigem Erkenntnisstand in Betracht, dass es die Antragsgegnerin bei der Erteilung der Baugenehmigung unter tiefgreifenden Befreiungen an der gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen der Antragsteller hat fehlen lassen. Durch die genehmigte Erhöhung der Vollgeschosse von zwei auf drei bzw. vier Vollgeschossen nimmt die streitige Wohnanlage erheblich an Höhe zu. So erreicht das Gebäude an der ... (Haus 2) auf der dem Grundstück der Antragsteller zugewandten Westseite eine Traufhöhe von 13 bis 14 m und eine Giebelhöhe von 16 bis 17 m (vgl. die unterschiedlichen Höhen in den Plänen „Schnitt B-B“ und „Ansicht Nord“ sowie „Ansicht West“). Genaue Höhenangaben sind nicht möglich, da es an den gebotenen Vermaßungen in den Plänen fehlt. Bei plankonformer Bebauung mit nur zwei Vollgeschossen wäre die Gebäudehöhe um einige Meter geringer. Die Zulassung von drei bzw. vier Vollgeschossen (zuzüglich des Dachgeschosses) bei gleichzeitiger massiver Überschreitung der zulässigen Geschoßfläche führt ferner dazu, dass sich die Zahl der im Gesamtgebäude unterzubringenden Wohnungen (im 1. OG sind 7, im 2. OG sind 6 Wohneinheiten vorgesehen) und als Folge davon die Zahl der notwendigen Stellplätze und damit auch die Anzahl der Fahrbewegungen über die Tiefgarageneinfahrt deutlich erhöht.
Sowohl die befreiungsbedingte Gebäudeerhöhung und -massierung als auch die Zunahme der Fahrbewegungen wirken sich für die Antragsteller nachteilig aus. Nach ihrem Vorbringen und den Eintragungen im Bebauungsplan ist davon auszugehen, dass ihr Wohnhaus lediglich eingeschossig errichtet ist und daher zum ihnen viergeschossig gegenübertretenden „Haus 2“ eine erhebliche Höhendisparität besteht. Deutliche Unterschiede dürften auch in der Bebauungstiefe des klägerischen Wohnhauses und dem ihm gegenüberliegenden Vorhaben bestehen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass wohl sämtliche Fenster des Wohnhauses der Antragsteller nach Osten (zum Vorhaben hin) ausgerichtet sind und dass das Wohnhaus nur wenig mehr als 1 m von der Grundstücksgrenze und der hieran unmittelbar anschließenden Tiefgaragenzufahrt entfernt liegt. Bei dieser Sachlage kommt jedenfalls nach gegenwärtigem Erkenntnisstand in Betracht, dass von dem Gebäude an der ... (Haus 2) eine optisch erdrückende Wirkung auf das Wohnhaus und das Grundstück der Antragsteller ausgeht und dass zum anderen die unmittelbar an der Grundstücksgrenze genehmigte Tiefgaragenzufahrt zu den 19 Stellplätzen im Untergeschoss zu einer als rücksichtslos einzustufenden Lärmbetroffenheit der Antragsteller führt. Zwar lässt sich - trotz Fehlens der erforderlichen Abstandsflächenberechnung - feststellen, dass das Haus 2 - bei einer Wandhöhe von mindestens 13 m und einem Grenzabstand von ca. 5 m - jedenfalls die nachbarschützende Abstandsflächentiefe im hier festgesetzten Besonderen Wohngebiet einhält (zur Bemessung vgl. § 5 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 und S. 3 LBO). Dies schließt eine unzumutbare Betroffenheit der Antragsteller wegen erdrückender Wirkung des Baukörpers des Vorhabens in dessen nicht aus. Zwar konkretisieren die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächentiefen grundsätzlich auch im Rahmen des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots die Grenzen eines hinsichtlich Belichtung, Belüftung, Besonnung und Einsichtnahme gebotenen Mindestschutzes (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.11.1984 - 4 B 244.84 -, NVwZ 1985, 653; Beschluss vom 6.12.1996 - 4 B 215.96 -, NVwZ-RR 1997, 516; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.11.1993 - 3 S 2603/93 -, Juris). Dieser Grundsatz lässt je nach Lage im Einzelfall aber Ausnahmen selbst hinsichtlich dieser durch die Abstandsflächenbestimmungen geschützten nachbarlichen Belange zu. Er ist im Hinblick auf den vom Schutzbereich der §§ 5 ff. LBO nicht erfassten Belang der optisch erdrückenden Wirkung eines Vorhabens, der an planungsrechtliche Kriterien (Maß der baulichen Nutzung, Größe des Baukörpers) anknüpft, aber schon nicht anwendbar (so BVerwG, Urteil vom 23.5.1986 - 4 C 34.85 -, NVwZ 1987, 34, 35).
3. Ob sich das Verdikt einer unzumutbar erdrückenden Wirkung des Vorhabens (vornehmlich Haus 2) für das Wohnhaus und Grundstück der Antragsteller bei einer abschließenden Prüfung aufrechterhalten lässt, muss im vorliegenden Verfahren offen bleiben. Dies auch deswegen, weil eine umfassende Beurteilung der maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse derzeit schon nicht möglich ist. Dem steht entgegen, dass die genehmigten Pläne, worauf auch die Antragsteller zutreffend hinweisen, in mehrfacher Hinsicht unvollständig sind. So sind insbesondere weder die genauen Höhenmaße des Hauses 2 auf der Westseite angegeben, noch ist in den Plänen wohl die richtige Grundfläche des Wohnhauses der Antragsteller eingezeichnet. Völlig fehlen zudem Angaben zur Trauf- und zur Giebelhöhe des Wohnhauses der Antragsteller sowie Bauvorlagen, die den Blick sowohl auf Haus 2 als auch auf das Wohnhaus der Antragsteller zeigen und damit einen Vergleich der Gebäudehöhen und -dimensionen erst möglich machen. Derartige Darstellungen sind jedoch erforderlich und auch vorgeschrieben, um gesicherte Beurteilungsgrundlagen für die Rechtmäßigkeit (Nachbarverträglichkeit) des Vorhabens gewinnen zu können (zu den insofern notwendigen Bauvorlagen vgl. § 52 Abs. 1 LBO i.V.m. § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 und § 6 Abs. 2 Nr. 3 LBO-VVO). Auf das Fehlen dieser erforderlichen Angaben können die Antragsteller sich berufen. Denn Regelungen über die Anforderungen an Bauvorlagen entfalten nach der Rechtsprechung des Senats dann eine nachbarschützende Wirkung, wenn wegen der Unvollständigkeit der Bauvorlagen eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften nicht geprüft oder jedenfalls nicht zuverlässig ausgeschlossen werden kann (vgl. Beschluss vom 9.8.2005 - 3 S 1216/05 -, VBlBW 2005, 480; im Ergebnis ebenso VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.2.2007 - 5 S 2826/06 -, VBlBW 2007, 383). Die Antragsteller müssen sich entgegen dem Verwaltungsgericht für die Beurteilung ihrer aktuellen Betroffenheit auch nicht darauf verweisen lassen, dass sie nach dem Bebauungsplan ihr Grundstück auch stärker ausnutzen und zweigeschossig bebauen dürften. Den Antragstellern kann angesichts der besonderen Verhältnisse wohl auch nicht schutzmindernd entgegengehalten werden, dass ihr Wohnhaus in geringem Abstand zur Grenze errichtet ist. Denn ihr Wohnhaus war bereits bei Erlass des Bebauungsplans vorhanden und liegt wohl noch innerhalb des im Bebauungsplan grenznah festgesetzten Baufensters.
4. Nach Lage der Dinge hält der Senat auch einen Verstoß der Tiefgaragenzufahrt zu Lasten der Antragsteller gegen das Gebot der Rücksichtnahme für möglich, ohne dass auch insoweit eine abschließende Beurteilung getroffen werden kann. Insoweit wird auf die nachfolgenden Ausführungen zu II. verwiesen.
II.
Bauordnungsrechtlich kommt ein Verstoß der genehmigten Tiefgaragenzufahrt zu 19 Stellplätzen gegen die nachbarschützende Bestimmung des § 37 Abs. 7 LBO in Betracht. Danach sind Stellplätze einschließlich der Zufahrten so anzuordnen und einzurichten, dass u.a. das Wohnen und Arbeiten durch Lärm, Abgase und Gerüche nicht erheblich, d.h. unzumutbar gestört werden. Was erheblich ist, ist auch hier - spiegelbildlich zum und in Konkretisierung des Rücksichtnahmegebots - nach den tatsächlichen und rechtlichen Umständen des Einzelfalls (tatsächliche und rechtliche Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit, Intensität der Beeinträchtigung) zu entscheiden. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Nutzung von und die Zufahrt zu - wie hier - nach § 37 Abs. 1 LBO bedarfsnotwendigen Stellplätzen in Wohngebieten keine erheblichen, billigerweise nicht mehr zumutbaren Störungen hervorrufen (st.Rspr., vgl. Nachweise bei Sauter, LBO, § 37 Rdnr. 111). Auch dieser Grundsatz hat jedoch Ausnahmen. Eine solche Ausnahme ist vorliegend in Erwägung zu ziehen. Zunächst ist, wie dargelegt, zu berücksichtigen, dass die genehmigte Nutzungsfrequenz (Zu- und Abfahrten zu 19 Stellplätzen) zu einem erheblichen Teil Folge der durch die Befreiungen gestatteten höheren Ausnutzbarkeit des Baugrundstücks ist. Ferner ist der die Antragsteller einseitig belastende Standort der Zufahrt in Rechnung zu stellen. Die Zufahrt soll unmittelbar an der Grenze und im Abstand von lediglich 1 bis 2 m vom Wohnhaus der Antragsteller entfernt angelegt werden, wobei wohl sämtliche Fenster sich in der Ostwand befinden und daher der Zufahrt zugewandt sind. Schließlich ist nach den Plänen auch der eigentliche Zufahrtsbereich bis zum Beginn der Rampe nach oben hin offen und gar nicht (so der Eindruck im Plan „Ansicht West“) bzw. allenfalls mit einer niedrigen Mauer nach Westen hin abgeschirmt (so wohl im Plan „Grundriss KG“). Eine nennenswerte Minderung der Zu- und Abfahrtsgeräusche im Einfahrtsbereich für das Wohnhaus der Antragsteller dürfte mit diesen Maßnahmen nicht verbunden sein. Endlich stellt sich die Frage, ob die beigeladene Bauherrin gerade auf den gewählten, einseitig die Antragsteller belastenden Einfahrtsstandort von der ... aus angewiesen ist, ob sich dieser Standort im öffentlichen Interesse aufdrängt oder ob - gegebenenfalls auch unter gewissen Einbußen an Ausnutzbarkeit des Baugrundstücks - nachbarschonendere Planungsalternativen zur Verfügung stehen. Solche Alternativen vermag der Senat nach derzeitigem Erkenntnisstand jedenfalls nicht auszuschließen. In Betracht käme zum einen die Anlegung einer Zufahrt über die ... .... Von dieser Straße aus werden ersichtlich auch die übrigen Anliegergrundstücke angefahren und es erscheint denkbar, dass die Zufahrt zu dem genehmigten Mehrfamilienhaus auch in einer mit der Verkehrssicherheit vereinbarenden Weise angelegt werden könnte. Diese Möglichkeit ist durch die bisher sehr vagen Gegenargumente der Antragsgegnerin nicht widerlegt. Als weitere Alternative wäre zumindest erwägenswert, ob die Zufahrt von Westen her über die im Zuge des Bebauungsplans „Oscar-Parett-Straße“ zur Erschließung des rückwärtigen Gebiets angelegten Straßen erfolgen kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, 3 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 63 Abs. 2 S. 1, 47 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
10 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.